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Kritik mit Methode? - Rosa-Luxemburg-Stiftung

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Zusammenhang der Aktivitäten zu gesellschaftlicher Lebenssicherung stehen«,<br />

sind Bedürfnisse »in ihrer gesellschaftlichen, ›menschlichen‹ Spezifik« (18).<br />

Diese produktiven Bedürfnisse setzen sich aus Neugier und aus der Notwendigkeit<br />

über die Umweltkontrolle, also die Kontrolle über die eigenen Lebensbedingungen,<br />

zusammen, sowie aus dem Bedarf nach sozialen Kontakten in Form von<br />

kooperativen Beziehungen, sprich der Teilhabe an Gesellschaft. Die konkrete Bedürfnisentwicklung<br />

findet historisch statt, hervorgehend aus der spezifischen Verwobenheit<br />

von Produktion und Konsumtion (vgl. Marx 1978) 14 .<br />

Ein produktives Bedürfnis entsteht nicht (nur) aus einem Mangel an Konsumtion,<br />

sondern aus dem Mangel an gesellschaftlicher Teilhabe, also aus der Erkenntnis<br />

des Widerspruchs zwischen dem Ausgeliefertsein an die gesellschaftlichen<br />

Bedingungen und einem potentiell erreichbaren Zustand der Teilhabe an der<br />

Verfügung. Die sinnlich-vitalen gehen dabei in die produktiven Bedürfnisse <strong>mit</strong><br />

ein, da <strong>mit</strong> der Verfügungserweiterung auch deren Befriedigung sichergestellt<br />

wird, und zwar nur in Zusammenhang <strong>mit</strong> Verfügungserweiterung, da »Wohlbefinden<br />

und elementarer Lebensgenuß […] <strong>mit</strong> Existenzangst unvereinbar« sind<br />

(Holzkamp 1997b: 105). Die Entwicklung der produktiven Bedürfnisse ist abhängig<br />

von der Zahl der vereinten Kräfte, also potentiell unendlich, aber praktisch<br />

orientiert an den gegebenen Produktionsbedingungen, und sie ist <strong>mit</strong> der Entwicklung<br />

personaler Fähigkeiten verbunden. Personale Entwicklung ist daher ab einem<br />

bestimmten Grade nur in Verbindung <strong>mit</strong> der Verfügungserweiterung möglich,<br />

also der Aufhebung von Abhängigkeiten und der Ausdehnung kooperativer<br />

Beziehungen (Osterkamp 1976: 26 ff.).<br />

Dieses Konzept lässt sich nun auf die Entwicklung des einzelnen Kindes übertragen:<br />

Es hat ein Bedürfnis nach der Verfügungserweiterung über seine eigenen<br />

Lebensbedingungen, möchte Abhängigkeiten auflösen und stattdessen kooperative<br />

Beziehungen eingehen, wobei den Eltern eine Unterstützungsfunktion bei der<br />

Aneignung der Umwelt zukommt.<br />

Da bei Freud das Kind den Eltern ausgeliefert ist und sich unhinterfragbaren<br />

sowie undurchschaubaren Normen unterwerfen muss (diese Normen sind auch für<br />

die Eltern selbst undurchschaubar, da sie nur gemäß ihrem eigenen Über-Ich handeln),<br />

werden die Anforderungen zwangsweise übernommen, aus Angst vor Liebesverlust<br />

(bzw. Kastration). Durch die Verinnerlichung der Autorität wird jene<br />

noch undurchschaubarer und man ist ihr umso mehr ausgeliefert. Der Mensch findet<br />

demnach keine Befriedigung an gesellschaftlicher Teilhabe, sondern muss im<br />

14 »Eine bestimmte Produktion bestimmt also bestimmte Konsumtion, Distribution, Austausch, die bestimmten<br />

Verhältnisse dieser verschiednen Momente zueinander. Allerdings wird auch die Produktion, in ihrer einseitigen<br />

Form, ihrerseits bestimmt durch die anderen Momente. […] Endlich bestimmen die Konsumtionsbedürfnisse die<br />

Produktion. Es findet Wechselwirkung zwischen den verschiednen Momenten statt.« (Marx 1978: 631, Hervh.<br />

entf.) »In allen Gesellschaftsformen ist es eine bestimmte Produktion, die allen übrigen, und deren Verhältnisse<br />

daher auch allen übrigen, Rang und Einfluß anweist. Es ist eine allgemeine Beleuchtung, worin alle übrigen Farben<br />

getaucht sind und (die) sie in ihrer Besonderheit modifiziert.« (ebd.: 637)<br />

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