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Kritik mit Methode? - Rosa-Luxemburg-Stiftung

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3. Entwicklungskonzept der Kritischen Psychologie<br />

In der Kritischen Psychologie wird der Mensch, gemäß der zentralen marxschen<br />

Erkenntnis, als Teil gesellschaftlicher Verhältnisse betrachtet. Die Gesellschaft<br />

wird weder nur als gegebene Umwelt verstanden, die auf die Menschen determinierend<br />

einwirkt, noch als bloßes Erwartungsgeflecht, in welches man sich hinein<br />

entwickeln muss. Vielmehr ist der Mensch auch Produzent seiner Lebensbedingungen,<br />

d. h. dass er »sowohl unter gesellschaftlichen Bedingungen steht wie<br />

auch selbst diese Bedingungen schafft« (Holzkamp 1987: 13). Die real gegebenen<br />

objektiven 12 gesellschaftlichen Bedingungen werden gefasst als bestimmte Bedeutungen,<br />

zu welchen sich eine Person auf eine bestimmte Art verhält. Diese Bedeutungen<br />

determinieren das Handeln nicht, sondern werden als Handlungsmöglichkeiten<br />

aufgefasst. Das Individuum entwickelt aus der von ihm erfahrbaren<br />

Konstellation von Bedingungen und nach seiner jeweiligen Bedürfnis- und Interessenlage<br />

heraus Handlungsprämissen. Daraus ergibt sich eine prinzipielle Handlungsverstehbarkeit,<br />

d. h. Handeln ist immer subjektiv begründet und so<strong>mit</strong>, bei<br />

Kenntnis aller Prämissen, nachvollziehbar (vgl. Mende 2007: 162 f.).<br />

Da also menschliche Existenz gesellschaftlich ist, bedeutet sie die Überschreitung<br />

von un<strong>mit</strong>telbaren Lebenszusammenhängen hin zur Teilhabe an der Verfügung<br />

über den gesellschaftlichen Gesamtprozess (Markard 2002: 1174 f.). Aufgrund<br />

der spezifisch menschlichen Produktion von Dingen, nämlich der gesellschaftlichen<br />

Arbeitsteilung, ist die individuelle Bedürfnisbefriedigung auch nur durch<br />

jene Teilhabe, qua gemeinschaftlicher Lebenssicherung möglich. 13 Durch die Herstellung<br />

von Produkten und Produktions<strong>mit</strong>teln werden menschliche Kenntnisse<br />

und Fähigkeiten vergegenständlicht. d. h. letztere werden in den Arbeitsprodukten<br />

überindividuell und lassen sich historisch akkumulieren, was »als Niederschlag<br />

der Potenzen der menschlichen Gattung bei weitem die Möglichkeiten des einzelnen<br />

Individuums, das [diese Fähigkeiten und Kenntnisse] in seiner eigenen Entwicklung<br />

nur partiell […] realisieren […] kann« (Osterkamp 1976: 21), überschreitet.<br />

Aus diesem Grunde verlangt das Streben nach einer Verfügungserweiterung über<br />

die je relevanten gesellschaftlichen Lebensbedingungen den organisierten, kooperativen<br />

Zusammenschluss, denn <strong>mit</strong> der »Entstehung der gesellschaftlichen Arbeit<br />

haben sich als deren ›subjektive‹ Seite auch die menschlichen Bedürfnisse so weiterentwickelt«<br />

(Holzkamp 1997b: 105). Dies lässt sich veranschaulichen an der<br />

Verdoppelung der Bedarfssysteme (ebd.: 17 f.): Einerseits gibt es biologisch unspezifische<br />

Bedürfnisse aufgrund aktueller Spannungen, z. B. Hunger, die als<br />

sinnlich-vitale Bedürfnisse bezeichnet werden. Diejenigen Bedürfnisse, die »im<br />

12 »Die Gesellschaftsform geht <strong>mit</strong>hin, obgleich stets subjektiv ver<strong>mit</strong>telt, und deshalb immer nur in dialektischer<br />

Angehensweise ›durch ‹das Subjekt ›hindurch ‹erfahrbar, nicht im Subjektiven auf und wird in diesem Sinne<br />

›objektiv ‹genannt.« (Holzkamp 1972: 115)<br />

13 Eine ausführliche Herleitung dieser Grundannahme lässt sich finden in Holzkamp 1985.<br />

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