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Kritik mit Methode? - Rosa-Luxemburg-Stiftung

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aum, wobei im folgenden Gesprächsverlauf weitere bedrohliche Begrenzungen<br />

der eigenen Entwicklungsmöglichkeiten bearbeitet wurden. 21<br />

6. Schlussbetrachtung<br />

Thematisch ging es in der Initialszene sowohl um die aktuelle Situation der<br />

Mädchen im Internat als auch um das Ende der Adoleszenz: den Beginn der harten<br />

Arbeit als Lehrerin, wenn die Zeit der Experimente vorbei ist und einen der<br />

Arbeitsmarkt zwingt »zurück« zu gehen – wenn nicht in die eigene, so in eine andere<br />

ländliche Gemeinde, wo man oftmals die einzige Lehrerin sein wird und der<br />

Rückzug in die peer group nicht mehr möglich ist. In der Inszenierung meines<br />

Forschungsvorhabens – wie in einer modernen Unterrichtsstunde Beiträge von<br />

den Einzelnen zu erhalten, wobei ich gleichzeitig die <strong>mit</strong> der Lehrerrolle verbundene<br />

Orientierung nicht anbot – präsentierten sich da<strong>mit</strong> gewissermaßen die<br />

Schattenseiten und Unsicherheiten der Individualisierung der Lebensläufe der<br />

Mädchen. Auch thematisch oszillierte das Gespräch in seinem weiteren Verlauf<br />

zunächst um bedrohliche Themen, etwa um den Rassismus der ladinos und die<br />

Eroberung Guatemalas durch die Spanier; die Form, in der diese Inhalte von den<br />

Mädchen behandelt wurden, wurde in der Interpretationsgruppe unter anderen so<br />

gedeutet, dass sie mein Vorgehen als Eindringen in ihren Raum empfanden und<br />

gewissermaßen eine Ausbeutung durch mich befürchteten. Demnach wäre mein<br />

Vorhaben eines »offenen Gesprächs« empfunden worden als Forderung nach Versorgung<br />

<strong>mit</strong> Themen und Informationen, ohne etwas zurückzugeben. Dementsprechend<br />

wurde »Männlichkeit« auch nicht mehr als erotisches Abenteuer thematisiert,<br />

sondern tauchte in den Klagen über die Unzuverlässigkeit der Jungen –<br />

die sich <strong>mit</strong> Essen versorgen lassen und sehr viel weniger Arbeit im Internat leisten<br />

als die Mädchen – und in der Wut über Belästigungen durch manche Männer<br />

im Dorf auf, sowie in Berichten von Freundinnen, die von ihren Männern <strong>mit</strong> einem<br />

Kind sitzen gelassen wurden. Erst als die Mädchen gegen Ende des Gesprächs<br />

auch Fragen an mich stellten, die ich beantwortete – es ging dabei um<br />

mein Leben in Deutschland – wurden von ihnen wieder unbelastetere Themen angesprochen<br />

(welche Fernsehkomödien ihnen gefielen etc.).<br />

Wahrscheinlich konnte dieser Artikel nur einen ersten Eindruck der <strong>Methode</strong><br />

ver<strong>mit</strong>teln. Ich habe versucht herauszuarbeiten, dass Ethnohermeneutik bzw.<br />

Ethnoanalyse eher Methodologie denn formalisierte <strong>Methode</strong> ist. Darin drückt<br />

sich nicht zuletzt die Skepsis gegen rigide Regelwerke als potentiellen Abwehrmechanismen<br />

aus, die einer Reflexion der individuellen Forschungspraxis im<br />

Wege stehen würden. Diese erfordert letztlich immer auch eine eigenständige<br />

Auslegung der <strong>Methode</strong> Ethnoanalyse.<br />

21 In den Gesprächen <strong>mit</strong> den Jungen hingegen wurde dem Thema Sexualität weitgehend ausgewichen. Gleichzeitig<br />

wurde die Situation im Internat von ihnen sehr negativ, als Vernachlässigung, beschrieben (vgl. Schwarz 2008).<br />

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