09.11.2012 Aufrufe

Kritik mit Methode? - Rosa-Luxemburg-Stiftung

Kritik mit Methode? - Rosa-Luxemburg-Stiftung

Kritik mit Methode? - Rosa-Luxemburg-Stiftung

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

lemen verschiedene erwachsene AnsprechpartnerInnen; zum Schutz der Mädchen<br />

bei Nacht hatte die Organisation einen Nachwächter angestellt. Die Jungen<br />

hingegen wohnten einige Straßen weiter in einem Haus ohne jegliche Betreuung.<br />

Vor diesem Hintergrund möchte ich nun skizzieren, wie sich die Beziehung zu<br />

den Schülerinnen und Schülern des Internats herstellte, um dann auf das erste<br />

Gruppengespräch <strong>mit</strong> den Mädchen einzugehen.<br />

4. Der Kontakt zu den Jugendlichen<br />

Zu meiner Zivildienstzeit hatten neben 15 Jungen nur vier Mädchen das Internat<br />

besucht, die ich – besonders im Kontrast zu den oft machohaft auftretenden Jungen<br />

– als sehr schüchtern und zurückhaltend erlebt hatte. Bei meinem Forschungsaufenthalt<br />

fünf Jahre später ergab sich ein ganz anderes Bild: 16 Zum einen war der<br />

Anteil der Mädchen angestiegen – zwölf Mädchen und 19 Jungen besuchten das<br />

Internat –, zum anderen erschienen mir die Jungen sehr verunsichert und ich kam<br />

schwer <strong>mit</strong> ihnen in Kontakt; die Mädchen traten mir gegenüber hingegen überraschend<br />

selbstbewusst auf und ich kam schnell <strong>mit</strong> ihnen ins Gespräch. Ein besonders<br />

günstiger Raum für diese ersten Begegnungen <strong>mit</strong> den Mädchen schien dabei<br />

die Küche zu sein. Die Köchin, Doña Marta 17 , kannte ich noch aus meiner Zivildienstzeit;<br />

schon als ich sie bei meiner Ankunft begrüßte und mich <strong>mit</strong> ihr unterhielt<br />

– dies geschah immer in Q’eqchi’, da sie kein Spanisch spricht – beteiligten<br />

sich einige der Mädchen am Gespräch. Nach kurzer Zeit fragten sie mich recht<br />

unbefangen aus: woher ich käme, wie lange ich bliebe, ob ich eine Freundin hätte<br />

und ob ich Markus, den früheren Zivildienstleistenden kenne, wie es ihm ginge<br />

etc. Sie erzählten mir oft, wie sehr sie Markus vermissten, was für Sachen sie <strong>mit</strong><br />

ihm erlebt hatten, und was ihnen Außergewöhnliches an ihm aufgefallen war.<br />

Mein Eindruck war dabei, dass sie eine sehr enge, von gegenseitiger Sympathie<br />

geprägte Beziehung zu Doña Marta hatten. Während der Küchenarbeit redeten<br />

sie oft angeregt <strong>mit</strong> ihr bzw. unterhielten sie oft auch <strong>mit</strong> Witzen und Spielchen,<br />

über die sie immer herzlich lachte. Einige der Mädchen bemerkten in einem<br />

beiläufigen Gespräch einmal, dass es für Doña Marta sehr schlimm gewesen sein<br />

müsse, von ihrem Ehemann verlassen zu werden. Auch für Doña Marta schien die<br />

Beziehung zu den Mädchen sehr viel zu bedeuten: Einer der Lehrer erzählte mir,<br />

dass sie vor einiger Zeit das Angebot einer sichereren und besserbezahlten Stelle<br />

als Köchin der katholischen Gemeinde ausgeschlagen habe, weil »sie sich schon<br />

sehr an die Mädchen gewöhnt« habe.<br />

16 Die Kontaktaufnahme zu den Jungen gestaltete sich sehr viel komplizierter als ursprünglich angenommen. Allein<br />

schon durch die räumliche Distanz zur Jungenunterkunft ergaben sich weniger Situationen im Alltag, in denen<br />

sich ein Gespräch hätte entwickeln können.<br />

17 Alle Namen wurden für diesen Artikel vom Autor geändert.<br />

157

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!