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Kritik mit Methode? - Rosa-Luxemburg-Stiftung

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Technik als Forschungsmethode auf ethnologischem Untersuchungsgebiet angewandt<br />

(Parin, Parin-Matthèy und Morgenthaler u. a. 1963, 1971, 1978; Reichmayr<br />

2003). Dieses Vorgehen macht es möglich, das Wechselspiel zwischen dem Individuum<br />

und seiner Kultur und den Einrichtungen seines Gesellschaftsgefüges zu<br />

beschreiben und die Analyse des »subjektiven Faktors« weiter voranzutreiben<br />

(ebd.). Neuere Ethnopsychoanalytiker wie Mario Erdheim und Maya Nadig haben<br />

sich in ihren Forschungen vor allem <strong>mit</strong> gesellschaftlichen, sozio-kulturellen und<br />

politischen Mechanismen befasst (Erdheim 1982; Nadig 1986). In ihren Arbeiten<br />

wird deutlich, dass die emotionalen Bewegungen, die Gegenübertragungsreaktionen<br />

auf die Forschungssituation, auch etwas über die latenten Strukturen der untersuchten<br />

Verhältnisse aussagen. Historisch erfahrene soziale Machtverhältnisse<br />

und institutionelle Rollen oder auch kulturelle Interaktionsmuster werden in der<br />

Forschungsbeziehung genauso transportiert wie die jeweilige individuelle familiäre<br />

Prägung (Nadig 1997; Heizmann 2003).<br />

Im Gegensatz zur Erforschung des bewussten Wissens der InterviewpartnerInnen<br />

misst die Technik der Ethnopsychoanalyse also »dem Unbewussten, der Subjektivität,<br />

dem Beziehungsverlauf und dem spezifischen Kontext« (Nadig/Reichmayr<br />

2000: 78) eine große Bedeutung bei. Mit der <strong>Methode</strong> der freien Assoziation<br />

entwickelte sie eine Möglichkeit, Material zu erheben und zu deuten, ohne konfliktund<br />

prozesshafte Verläufe, orts- und situationsspezifische Bedingungen und Beziehungsdynamiken<br />

außer Acht zu lassen (ebd.). Dabei verweist die Disziplin darauf,<br />

dass ihre exemplarisch gehaltene Ergebnispräsentation allenfalls Tendenzen<br />

anzeigt und nicht »den Schein einer objektiven, in sich geschlossenen Tatsache,<br />

die die Wahrheit darstellt« (Nadig 1991: 11) weckt (vgl. hierzu auch Adler 1993:<br />

157 ff.). Ähnlich wie andere hermeneutische Verfahren will auch die Ethnopsychoanalyse<br />

keine im naturwissenschaftlichen Sinne messbaren, verallgemeinerbaren<br />

Thesen aufstellen. Fakten und Handlungen können beschrieben, gemessen<br />

und ausgezählt werden, aber die Subjektivität der GesprächspartnerInnen wird<br />

nur durch einen assoziativen Prozess der Emotionen, Empathie und Ambivalenzen<br />

mobilisiert. »Subjektivität ist nicht messbar, nur erlebbar und <strong>mit</strong> Hilfe der<br />

eigenen Subjektivität interpretierbar« (Nadig 1987: 36-37).<br />

Die Interpretation in der ethnopsychoanalytischen Deutungswerkstatt (Nadig)<br />

stellt einen Versuch dar, diese Erkenntnis methodisch umzusetzen.<br />

2 Mit einer ethnopsychoanalytischen Untersuchung der Dogon und der Agni in Westafrika ist ihnen der Nachweis<br />

gelungen, dass die Psychoanalyse praktisch und theoretisch geeignet ist, Menschen einer uns fremden Kultur zu<br />

verstehen (vgl. Reichmayr 2003: 13). »Die Anwendung der Psychoanalyse macht es möglich, das Wechselspiel<br />

zwischen dem Individuum <strong>mit</strong> seinem bewussten und unbewussten Seelenleben und seiner Kultur und den Einrichtungen<br />

seines Gesellschaftsgefüges zu beschreiben« (Reichmayr 2003: 13/14).<br />

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