09.11.2012 Aufrufe

Kritik mit Methode? - Rosa-Luxemburg-Stiftung

Kritik mit Methode? - Rosa-Luxemburg-Stiftung

Kritik mit Methode? - Rosa-Luxemburg-Stiftung

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

ten wurde, sondern das Besondere in der Unmöglichkeit liegt, die Strukturmechanismen<br />

der Entrechtung aufzubrechen. Denn Teilnehmen bedeutet, dass »[...] die<br />

forschende Person eine Innenansicht [erwirbt]. Sie nimmt an den sozialen Prozessen<br />

des Feldes aktiv teil und erwirbt da<strong>mit</strong> Einblick in die im Feld relevanten<br />

Handlungsstrukturen und -konzeptionen, ein Prozess, der <strong>mit</strong> dem Begriff der<br />

›zweiten Sozialisation‹ umschrieben wird.« (Münst 2004: 330).<br />

Durch die im Rahmen der Besuche in den Heimen protokollierten Beobachtungen<br />

wurde deutlich, dass eine zentrale Strukturkomponente innerhalb des Sozialraums<br />

Lager vor allem in Brandenburg die Leere der Heime ist. Aufgrund der psychisch<br />

zerstörerischen und unmenschlichen Lebensbedingungen migrieren die<br />

meisten BewohnerInnen irregulär gegen die Residenzpflicht. Zurück bleiben meist<br />

die Familien und alleinerziehende Mütter, die aufgrund der Kinder die Lager nicht<br />

verlassen können, sowie diejenigen, die aufgrund physischer Krankheiten nicht<br />

weg können oder bereits psychisch zerbrochen sind. Zusätzlich sind immer wieder<br />

BewohnerInnen anzutreffen, die nur für ein paar Tage in die Lager zurückkommen,<br />

um sich auszuruhen oder die nächste Zeit in der Irregularität zu organisieren.<br />

2.7. Gefährliches Wissen<br />

Bei der anstehenden Veröffentlichung und Auswertung der Daten stellt sich ein<br />

zentrales Problem, denn durch mein sozialwissenschaftliches Eindringen in einen<br />

gesellschaftlichen Bereich, der durch seine Exklusion vielfältige Formen des Irregulären<br />

produziert, veröffentliche ich nicht nur kritisches, sondern auch gefährliches<br />

Wissen. Die Brisanz der Daten verweist in zwei Richtungen ihrer möglichen<br />

Instrumentalisierbarkeit. Auf der einen Seite können die Interviewten und<br />

ihr teilweise irreguläres Einrichten in den Lagern selbst gefährdet werden. Wenn<br />

bestimmte Praktiken des Umtausches von Gutscheinen gegen Bargeld oder die<br />

Leere eines bestimmten Lagers öffentlich werden, können sich die lokal Verantwortlichen<br />

gezwungen sehen, die LagerbewohnerInnen <strong>mit</strong> repressiven Maßnahmen<br />

zu überziehen. Hierbei ist wichtig zu wissen, dass die lokale Administration<br />

durch ihre Aufgabe der konkreten Organisierung des Ausschlusses und des Lageralltags<br />

sowieso Kenntnisse über die irregulären Strukturen besitzen, die sie entweder<br />

einfach akzeptieren oder teilweise auch direkt an ihnen profitieren. Eine<br />

Öffentlichkeit dieses Wissens über die Lokalität hinaus könnte sie jedoch zum<br />

Handeln zwingen. Dies verweist auf die zweite Ebene möglicher Instrumentalisierung.<br />

Viele der erhobenen Daten könnten von rechten Diskursen vereinnahmt<br />

werden und sich für die Begründung weiterer Verschärfungen gegen die BewohnerInnen<br />

richten. Denn beispielsweise die Leere der Lager könnte als Begründung<br />

für eine Erhöhung der Kontrolldichte herhalten. Ich habe versucht, mögliche Instrumentalisierungen<br />

durch eine Anonymisierung der Lagerorte und ihrer BewohnerInnen<br />

und die kritische Einbettung der Daten zu verhindern. Denn ohne die<br />

Veröffentlichung und Benutzung der Daten verlieren sie ihre kritische Potenz.<br />

123

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!