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Kritik mit Methode? - Rosa-Luxemburg-Stiftung

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3. Die Vieldeutigkeit des <strong>Kritik</strong>begriffes<br />

Mit dieser allgemeinen <strong>Methode</strong>nreflexion einhergehend stellt der Sammelband<br />

zudem die Frage nach dem <strong>Kritik</strong>begriff selbst, welcher bei gesellschaftskritischen<br />

<strong>Methode</strong>nprogrammen voraus- und eingesetzt wird. Was meint <strong>Kritik</strong> an<br />

Gesellschaft? Wie lässt sie sich begründen? Welche Konsequenzen folgen daraus<br />

für <strong>Methode</strong>n?<br />

Sprachgeschichtlich bedeutet <strong>Kritik</strong> – ausgehend vom griechischen xςιτιxή<br />

[τέ�νη] – zunächst einmal nur die »Kunst der Beurteilung«. In der Tat scheinen<br />

auch heute alle sich ›kritisch‹ gerierenden Aussagen etwas skeptisch zu hinterfragen,<br />

zu beurteilen, zu prüfen oder zu verwerfen. <strong>Kritik</strong> als solche steht nicht spezifisch<br />

für eine bestimmte Gruppe oder einen bestimmten gesellschaftlichen Bereich.<br />

Es geht in diesem Sammelband jedoch nicht darum, allgemeine Reflexionen über<br />

den <strong>Kritik</strong>begriff und seine unterschiedlichen Facetten anzustellen. Vielmehr wird<br />

hier der Frage nach einer spezifischen Form von <strong>Kritik</strong> – nämlich der <strong>Kritik</strong> an<br />

Gesellschaft – und deren Beziehung zu sozialwissenschaftlichen <strong>Methode</strong>n nachgegangen.<br />

<strong>Kritik</strong> an Gesellschaft meint zunächst, dass soziale Realitäten – wie man<br />

diese auch genauer bestimmen mag – analysiert, hinterfragt, ggf. abgelehnt und als<br />

überwindbar beschrieben werden. Konkret kann da<strong>mit</strong> die Rekonstruktion von<br />

Machtstrukturen, herrschaftssichernden Ideologien, Exklusions- und Diskriminierungsprozessen,<br />

kolonialen oder sexistischen Wahrnehmungs- und Handlungsmustern<br />

etc. gemeint sein. Demgegenüber wird dann versucht, alternative Möglichkeiten<br />

aufzuzeigen. Die Rede ist hier und auch allgemein im Bereich »kritischer<br />

Wissenschaft« also immer von einer im weitesten Sinne linken, emanzipatorischen<br />

Gesellschaftskritik – verstanden als ein heterogenes und umkämpftes<br />

Projekt der Moderne. Diese grenzt sich klar von einer oberflächlichen oder gar einer<br />

rechten oder völkischen <strong>Kritik</strong> an aktuellen Vergesellschaftungsprozessen ab.<br />

Diese Form von emanzipatorischer <strong>Kritik</strong> ist jedoch weit davon entfernt, einen<br />

homogenen Aussagenzusammenhang darzustellen. Das, was Freiheit, Gleichheit,<br />

Emanzipation, Gerechtigkeit, Solidarität etc. heißen können und wie diese Werte<br />

oder Ziele in ihrer Relevanz zu gewichten sind, ist umstritten. Dennoch lassen<br />

sich momentan zwei Grundpositionen herausarbeiten, die das Spektrum der wichtigsten<br />

kritischen <strong>Methode</strong>nprogramme strukturieren. Den einen Pol dieses Kontinuums<br />

bilden an Karl Marx und Spielarten des Marxismus orientierte Ansätze,<br />

welche als Zielorientierung dem Marx’schen Imperativ folgen, alle Verhältnisse<br />

umzustürzen, »in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes,<br />

ein verächtliches Wesen ist« (MEW, Bd. 1: 385). Von Marx übernehmen<br />

diese Positionen, zu denen besonders auch neuere Dialektikkonzeptionen in der<br />

Tradition der Kritischen Theorie der Frankfurter Schule gehören, auch die objektivistische<br />

Epistemologie. Sie beharren, gegen die Postmoderne, auf der Annahme<br />

einer prinzipiellen Existenz und Erkennbarkeit einer materiellen Welt sowie auf<br />

der Möglichkeit, einen objektiven Wertmaßstab für <strong>Kritik</strong> bestimmen zu können.<br />

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