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Kritik mit Methode? - Rosa-Luxemburg-Stiftung

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men hinterfragt. Diesem Punkt ist insofern zuzustimmen, als dass jede Analyse<br />

<strong>mit</strong> einem Anspruch auf Gültigkeit und Adäquanz formuliert wird und daher –<br />

wenn auch implizit – immer schon eine <strong>Kritik</strong> an davon abweichenden Selbstbildern<br />

im Gegenstandsbereich selbst liefert. Die konkreten methodischen Verfahren<br />

der Diskursanalyse lassen sich aber genauso zur Verfeinerung von Herrschaftstechniken<br />

nutzen, wenn sie <strong>mit</strong> dieser Intention zum Einsatz gebracht und ihre Ergebnisse<br />

entsprechend appliziert werden.<br />

b) Jede Analyse gelangt an den entscheidenden Punkt, unter Berücksichtigung<br />

spezifischer methodischer Vorgehensweisen und anhand des jeweiligen empirischen<br />

Datenmaterials Kategorien bilden zu müssen. Diese sind durch die <strong>Methode</strong><br />

jedoch nicht vorgegeben und können es auch gar nicht sein. In der Grounded<br />

Theory beispielsweise werden nach bestimmten Verfahrensregeln zunächst offene,<br />

dann axiale und schließlich selektive Codes und Kategorien gebildet. Welche<br />

inhaltlich-konkreten Kategorien dabei schließlich gebildet werden, bleibt offen<br />

und ist methodisch nicht geregelt. Vielmehr werden hierfür Konzepte aus Alltagsdiskursen<br />

oder aus sozialwissenschaftlichen Theorietraditionen herangezogen und<br />

für die Deutung des konkreten Falles genutzt. Auch die ›kritischste‹ Fragestellung<br />

führt zu ›affirmativen‹ Ergebnissen, wenn die ergebnisformenden Beschreibungsmuster<br />

keine kritische Erkenntnis ermöglichen. Aus diesem Grund erarbeitet die<br />

Kritische Psychologie für in den traditionellen Wissenschaften verwendete Begriffe<br />

eine Funktions- und Interessenkritik, da »die dargestellten Funktionsbestimmungen<br />

und Interessenbezüge der [begrifflichen] Unterstellungen hier<br />

keineswegs reflektiert und analysiert, sondern im Gegenteil bei den terminologischen<br />

und statistischen Präzisierungs- und Prüfaktivitäten unhinterfragt vorausgesetzt<br />

werden.« (Holzkamp 1997: 47)<br />

c) Es stellt eine alltägliche Erfahrung und soziologische Binsenweisheit dar,<br />

dass Handlungen zu nicht intendierten Effekten führen können. Dies wirft die<br />

Frage nach dem kritischen Gehalt einer Forschung auf, wenn sie auf jene Effekte<br />

wenig Einfluss hat. Die Studie selbst mag zwar in ihrer textlichen Struktur und als<br />

textuelle Praxis kritische Erkenntnisse zu Tage fördern – und in diesem Sinne<br />

wäre sie stets eine kritische zu nennen –, dennoch bestimmt der Rezeptionskontext,<br />

ob eine kritisch intendierte Forschung tatsächlich zu positiven Veränderungen<br />

führt oder vielleicht zu deren Gegenteil. An dieser Stelle wird die Grenze der<br />

eigenen Handlungsmacht und Einflussmöglichkeit deutlich. Dennoch kann kritische<br />

Wissenschaft <strong>mit</strong> ihren Daten behutsam umgehen, so dass Missbrauch<br />

schwieriger wird, worum sich bspw. partizipative Forschungskonzepte bewusst<br />

bemühen. 4 Inwieweit jedoch die durch eine Studie angestoßenen ›kritischen Impulse‹<br />

tatsächlich weitergehende Effekte haben, bleibt immer offen.<br />

4 Als Beispiel für eine partizipative Forschung vgl. das Kritisch-psychologische Projekt Rassismus/Diskriminierung<br />

(Osterkamp 1996).<br />

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