Kritik mit Methode? - Rosa-Luxemburg-Stiftung
Kritik mit Methode? - Rosa-Luxemburg-Stiftung Kritik mit Methode? - Rosa-Luxemburg-Stiftung
verteilten zwangsweisen BewohnerInnen ist die erste zentrale Aufgabe dieser Forschungsarbeit eine Erarbeitung der qualitativen Ausformungen und Diversitäten der Lagerbedingungen anhand der Beispiele Berlin, Brandenburg und Bramsche/ Niedersachsen, als auch eine quantitative Erfassung der Größe und des Umfangs der in der gesamten Bundesrepublik vorhandenen dezentralen Flüchtlingslager. Die Fragestellungen meiner empirischen Untersuchung lassen sich nicht ohne die Subjektebene der BewohnerInnen klären. Deshalb liegt ein zentraler Fokus der Forschung auf der subjektiven Erfahrung der diversen Entrechtungsinstrumente, die sich im Ort des Lagers kreuzen und gegenseitig verstärken. Die Innenansicht der Lager soll weitestgehend aus Sicht der Betroffenen analysiert werden, die als handlungsfähige Subjekte unter diesen repressiven und stark determinierenden Bedingungen leben müssen. Hierdurch sollen der entrechtete Sozialraum Lager und die Strukturierungen der Lebensweisen unter diesen Bedingungen verdeutlicht werden. Ich lege hier Fallanalysen von je einer Gemeinschaftsunterkunft in Berlin und Brandenburg sowie dem Ausreiselager Bramsche zugrunde. Die Auswahl erfolgte aufgrund ihrer repräsentativen Form/Größe/Lage und vorhandener Kontakte zu den BewohnerInnen und/oder SozialarbeiterInnen. Ich habe in drei Unterkünften mit 19 BewohnerInnen halbstrukturierte Interviews geführt und im Rahmen meiner Erhebungstour durch die Berliner und Brandenburger Unterkünfte mit weiteren 60 MigrantInnen im Rahmen von Kurzinterviews gesprochen. Weitere Interviews habe ich mit den unterschiedlichen MitarbeiterInnen der Unterkünfte, den zuständigen Administrationen und Unterstützungsstrukturen geführt. Aufgrund der Verweigerung der Administration und der Heimleitung des ausgewählten Brandenburger Heimes, mir im Rahmen von Interviews Auskünfte zu erteilen, habe ich ein zusätzliches Experteninterview mit dem Leiter eines weiteren Brandenburger Heimes geführt, welches durch ein positives Engagement der MitarbeiterInnen heraussticht. Ziel dieses zentralen Teiles meiner Forschungsarbeit ist die Darstellung der administrativen Organisation der Lager als Ort der Verwaltung und Kontrolle von dezentral verteilten und entrechteten MigrantInnen und die empirische Erfassung der subjektiven Erfahrungsebenen des Lagerlebens. Die organisatorischen Strukturen des Lagers ergeben sich vor allem aus den gesetzlichen Vorgaben und bestimmen einen restriktiven Kontrollraum. Diese Rahmenbedingungen als gesetzlich vorgeschriebene Determination des Lagerlebens habe ich durch die subjektive Perspektive der MitarbeiterInnen auf ihre lagerinternen Handlungsmöglichkeiten und ihre strukturellen Grenzen ergänzt. Ziel ist ein Ausloten von Handlungsstrategien, die die Handlungsfähigkeit der BewohnerInnen durch symbolische und materielle Unterstützung erweitern. Aufgrund der ungleichen Machtverteilung sind die Handlungsmöglichkeiten der MitarbeiterInnen immer auch als restriktive Verschärfung und Verengung der Lebensbedingungen gegen die BewohnerInnen anwendbar. Ich fasse dies als einen potentiell rechtsfreien Raum, der durch den gesetzlichen Rahmen konstituiert wird. 108
1.1. Das Lager in seinen Kontrollfunktionen Die bundesdeutschen Gemeinschaftsunterkünfte sind als halboffene 2 Lager konzipiert, sie sind keine Internierungslager, die BewohnerInnen können prinzipiell aus den Lagern verschwinden und in die Welt der ›Illegalität‹ abtauchen. Theoretisch stellt sich hier die Frage nach der Funktionsweise dieser trotzdem sehr effektiven dezentralen Kontrolle und Verwaltung, die Mitte der 1990er weit über eine Millionen Menschen aufnahm, verwaltete, festsetzte und bis zum Behördenzugriff verwahrte. Es ist die Frage nach der Organisierung und administrativen Durchführung einer umfassenden bürokratischen Verwaltung zur Versorgung und Kontrolle unerwünschter MigrantInnen, deren Effektivität gerade in ihrer Dezentralität in Kombination mit einem materiellen Ausschluss aus der Gesellschaft besteht. Von den erhobenen empirischen Daten ausgehend fasse ich diese Form der Verwaltung als modernes Kontrolldispositiv (Foucault), welches sich von den einzelnen dezentralen Lagern ausgehend aufspannt als Kombination eines Einschlusses der Menschen im Lager und ihrer Exklusion aus der Umgebungsgesellschaft durch ein (partielles) Arbeitsverbot, die Auszahlung von Sachleistungen und rassistische Alltagsstrukturen, die zu einer Abwertung und rassistischen Markierung der symbolischen und kulturellen Kapitalien (Bourdieu) der BewohnerInnen führen. 1.2. Das Lager im Verhältnis zur gesellschaftlichen Totalität Empirische Forschung ist immer eingebunden in die gesamtgesellschaftlichen Strukturbedingungen, die sie mitbestimmen. Sie wird sowohl von den Formen der politischen und ideologischen Herrschaft, als auch von den ökonomischen Grundlagen durchdrungen. Der sozialwissenschaftliche Fokus auf ein kleines empirisches Feld und seine Loslösung vom Gesamtarrangement der gesellschaftlichen Formation und seiner Herrschafts- und Ausbeutungsstrukturen führt deshalb zwangsläufig zu einer Verkürzung der Daten auf ihre aktualempirische Unmittelbarkeit und einer Verkennung der auch gegenseitigen Strukturbeeinflussungen des konkreten noch so kleinen Untersuchungsgegenstandes mit seiner gesamtgesellschaftlichen Vermitteltheit. »Die empirische Sozialforschung kommt darum nicht herum, dass alle von ihr untersuchten Gegebenheiten, die subjektiven nicht weniger als die objektiven Verhältnisse, durch die Gesellschaft vermittelt sind. Das Gegebene, die Fakten, auf welche sie ihren Methoden nach als auf ihr Letztes stößt, sind selber kein Letztes sondern ein Bedingtes. Sie darf daher nicht ihren Erkenntnisgrund – die Gegebenheit der Fakten, um welche ihre Methode sich müht – mit dem Realgrund 2 Der Begriff der Halboffenheit betont die Gleichzeitigkeit von der Möglichkeit des Verschwindens aus den Lagern und dem Festsetzen der Menschen in den Lagern. Dieses Festsetzen wird eher durch symbolische Barrieren als durch Stacheldraht organisiert. 109
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der Lagerbedingungen anhand der Beispiele Berlin, Brandenburg und Bramsche/<br />
Niedersachsen, als auch eine quantitative Erfassung der Größe und des Umfangs<br />
der in der gesamten Bundesrepublik vorhandenen dezentralen Flüchtlingslager.<br />
Die Fragestellungen meiner empirischen Untersuchung lassen sich nicht ohne<br />
die Subjektebene der BewohnerInnen klären. Deshalb liegt ein zentraler Fokus<br />
der Forschung auf der subjektiven Erfahrung der diversen Entrechtungsinstrumente,<br />
die sich im Ort des Lagers kreuzen und gegenseitig verstärken. Die Innenansicht<br />
der Lager soll weitestgehend aus Sicht der Betroffenen analysiert werden,<br />
die als handlungsfähige Subjekte unter diesen repressiven und stark determinierenden<br />
Bedingungen leben müssen. Hierdurch sollen der entrechtete Sozialraum<br />
Lager und die Strukturierungen der Lebensweisen unter diesen Bedingungen verdeutlicht<br />
werden. Ich lege hier Fallanalysen von je einer Gemeinschaftsunterkunft<br />
in Berlin und Brandenburg sowie dem Ausreiselager Bramsche zugrunde. Die<br />
Auswahl erfolgte aufgrund ihrer repräsentativen Form/Größe/Lage und vorhandener<br />
Kontakte zu den BewohnerInnen und/oder SozialarbeiterInnen.<br />
Ich habe in drei Unterkünften <strong>mit</strong> 19 BewohnerInnen halbstrukturierte Interviews<br />
geführt und im Rahmen meiner Erhebungstour durch die Berliner und<br />
Brandenburger Unterkünfte <strong>mit</strong> weiteren 60 MigrantInnen im Rahmen von Kurzinterviews<br />
gesprochen. Weitere Interviews habe ich <strong>mit</strong> den unterschiedlichen<br />
MitarbeiterInnen der Unterkünfte, den zuständigen Administrationen und Unterstützungsstrukturen<br />
geführt. Aufgrund der Verweigerung der Administration und<br />
der Heimleitung des ausgewählten Brandenburger Heimes, mir im Rahmen von<br />
Interviews Auskünfte zu erteilen, habe ich ein zusätzliches Experteninterview <strong>mit</strong><br />
dem Leiter eines weiteren Brandenburger Heimes geführt, welches durch ein positives<br />
Engagement der MitarbeiterInnen heraussticht. Ziel dieses zentralen Teiles<br />
meiner Forschungsarbeit ist die Darstellung der administrativen Organisation der<br />
Lager als Ort der Verwaltung und Kontrolle von dezentral verteilten und entrechteten<br />
MigrantInnen und die empirische Erfassung der subjektiven Erfahrungsebenen<br />
des Lagerlebens.<br />
Die organisatorischen Strukturen des Lagers ergeben sich vor allem aus den<br />
gesetzlichen Vorgaben und bestimmen einen restriktiven Kontrollraum. Diese<br />
Rahmenbedingungen als gesetzlich vorgeschriebene Determination des Lagerlebens<br />
habe ich durch die subjektive Perspektive der MitarbeiterInnen auf ihre lagerinternen<br />
Handlungsmöglichkeiten und ihre strukturellen Grenzen ergänzt. Ziel<br />
ist ein Ausloten von Handlungsstrategien, die die Handlungsfähigkeit der BewohnerInnen<br />
durch symbolische und materielle Unterstützung erweitern. Aufgrund<br />
der ungleichen Machtverteilung sind die Handlungsmöglichkeiten der MitarbeiterInnen<br />
immer auch als restriktive Verschärfung und Verengung der Lebensbedingungen<br />
gegen die BewohnerInnen anwendbar. Ich fasse dies als einen potentiell<br />
rechtsfreien Raum, der durch den gesetzlichen Rahmen konstituiert wird.<br />
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