Kritik mit Methode? - Rosa-Luxemburg-Stiftung
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essengruppen. Diese Regulationsprozesse ziehen in der Regel die Institutionalisierung<br />
der Kompromisse nach sich, es entstehen materielle Apparate und politische<br />
Orte zukünftiger Aushandlungen und der Verwaltung von divergierenden Interessen.<br />
Neben materiellen Partialinteressen einzelnen Gruppen durchzieht der<br />
Antagonismus zwischen Kapital und Arbeit als auch die Strukturen des Geschlechterverhältnisses<br />
oder der rassistischen Arbeitsteilung alle gesellschaftlichen<br />
Felder. Soziale Gruppen <strong>mit</strong> ihren häufig in den alltäglichen Lebensweisen<br />
verankerten Interessen formulieren lokal ihre Partizipationsabsichten, immer wieder<br />
entstehen historische Gegenbewegungen und größere Kämpfe, die soziale<br />
Rechte durchsetzen können. Der Begriff der gesellschaftlichen Funktionsanalyse<br />
setzt hier an. Ich gehe davon aus, dass das Lagersystem eingebettet ist in die gesamtgesellschaftlichen<br />
Strukturen und so<strong>mit</strong> innerhalb verschiedener auch widersprüchlicher<br />
Kompromisse und Regulationsmodi eine Funktion innehat. Es lässt<br />
sich also keine alleinige Funktion der Lager herausarbeiten, sonder eher divergierende,<br />
sich überlagernde und auch sich widersprechende Funktionen, die sich aus<br />
der Einbettung in die unterschiedlichen Herrschaftsstrukturen und ihrer Regulation<br />
ergeben.<br />
Die Forschungsarbeit ist als vergleichende Untersuchung der Unterbringungssituation<br />
in Berlin und Brandenburg angelegt. Ziel ist die exemplarische empirische<br />
Erfassung der gemeinsamen Strukturmerkmale, sowie die Herausarbeitung<br />
der repressiven Diversität zu den neuen Ausreiseeinrichtungen (›Ausreisezentren‹) 1<br />
am Beispiel des größten deutschen Ausreiselagers Bramsche in Niedersachsen.<br />
Am Beispiel der Metropole Berlin und des ostdeutschen Flächenlands Brandenburg<br />
werden die Grundstrukturen des bundesdeutschen dezentralen Lagersystems<br />
herausgearbeitet. Die Ausreiseeinrichtung Bramsche in Niedersachsen steht als<br />
Experimentierlager für die Entwicklung neuer Strategien im Umgang <strong>mit</strong> den hier<br />
ungewollten MigrantInnen und ist konturgebend für die derzeitige Umorganisierung<br />
der Flüchtlingspolitik.<br />
Aufgrund des Fehlens einer umfassenden qualitativen wie auch quantitativen<br />
Darstellung des bundesdeutschen Lagersystems <strong>mit</strong> seinen über 100 000 dezentral<br />
1 Zynisch wurden die neuen Abschiebelager von den Behörden bei Installation Ausreisezentren genannt. 2003 verfehlte<br />
das Wort Ausreisezentrum nur knapp die Ehrung als Unwort des Jahres 2002 und belegte den zweiten Platz<br />
hinter dem Wortkonstrukt Ich-AG. Siehe http://www.sueddeutsche.de/panorama/artikel/797/3794/. Als Begründung<br />
wurde angeführt: »Dieses Wort soll offenbar Vorstellungen von freiwilliger Auswanderung oder gar Urlaubsreisen<br />
wecken. Es verdeckt da<strong>mit</strong> auf zynische Weise einen Sachverhalt, der den Behörden wohl immer<br />
noch peinlich ist. Sonst hätte man eine ehrlichere Benennung gewählt.« Siehe http://de.wikipedia.org/wiki/Ausreisezentrum.<br />
Unter GegnerInnen dieser Entrechtungspolitik hat sich der Begriff Ausreisezentrum als <strong>Kritik</strong>begriff<br />
durchgesetzt, siehe http://www.ausreisezentren.de/az/index.php. Mit der Verabschiedung des neuen Aufenthaltsgesetzes<br />
werden diese Abschiebelager als Ausreiseeinrichtung § 61 AufenthG gesetzlich verankert. »Das<br />
offizielle Unwort des Jahres [2006] ist ›Freiwillige Ausreise‹. Das gab die zuständige Experten-Jury der Universität<br />
in Frankfurt am Main in Köthen in Sachsen-Anhalt bekannt. Zur Begründung der Entscheidung erklärte die<br />
Jury, dass die Freiwilligkeit einer solchen Ausreise von Asylbewerbern aus der Bundesrepublik in vielen Fällen<br />
bezweifelt werden könne. Da<strong>mit</strong> stehe das Wort in einem schiefen Verhältnis zur Realität, sagte Jury-Vorsitzender<br />
Horst Dieter Schlosser.« Süddeutsche Zeitung vom 7. 2. 2007,<br />
http://www.sueddeutsche.de/,tt5m3/leben/artikel/726/98628/, Alle Zugriffe 7. 5. 2007.<br />
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