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Kritik mit Methode? - Rosa-Luxemburg-Stiftung

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3. Schluss: Nur das, was erkannt wird, ist kritisierbar<br />

Ich hoffe, deutlich gemacht zu haben, dass die Objektive Hermeneutik eine<br />

brauchbare Methodologie darstellt, um soziale Sinnstrukturen und Deutungsmuster<br />

in ihren latenten Dimensionen sichtbar machen zu können. Demnach versucht<br />

eine objektiv-hermeneutisch angelegte Analyse auf der Grundlage einer genauen<br />

und textnahen Interpretation von protokollierter Wirklichkeit, auf die latenten und<br />

unscheinbaren Regelstrukturen hinzuweisen, die ein bestimmtes soziales Gebilde<br />

organisieren und strukturieren. Am Beispiel meiner Analyse des Zeitungsartikels<br />

von Martin Kannegiesser sollte deutlich geworden sein, dass solche Fallstrukturen<br />

durch genaueres Hinsehen transparent oder zumindest transparenter gemacht<br />

werden können. Erst wenn sie auf diese Weise erkenn- und begrifflich repräsentierbar<br />

werden, werden sie überhaupt kritikfähig. Zuvor sind sie zwar faktisch<br />

wirksam, aber nicht zugänglich für eine <strong>Kritik</strong>, welche zumindest auf partielle<br />

Kenntnisse ihres Gegenstandes angewiesen ist. Das kritische Potenzial der Objektiven<br />

Hermeneutik besteht genau darin: Latente Organisationsprinzipien von Sozialität<br />

können <strong>mit</strong>hilfe dieser Methodologie sichtbar gemacht werden und als Selektion<br />

aus einem Raum von Möglichkeiten begreifbar werden. Auf diese Weise<br />

kann gezeigt werden, dass beispielsweise plausibel erscheinende Aussagen oder<br />

Praktiken nur auf der Grundlage nicht un<strong>mit</strong>telbar erkennbarer Prämissen oder<br />

Routinen Plausibilität erhalten – diese Prämissen und Routinen aber durchaus<br />

nicht die einzig möglichen sind. Ziel ist es also die ›unsichtbaren‹ Thematisierungsbzw.<br />

allgemeiner Realisierungsweisen von Sozialität zunächst einmal erkennbar<br />

zu machen. Auf diese Weise können u. a. bestimmte Implikate von Deutungen<br />

oder aber auch versteckte Herrschafts- und ›Entfremdungsstrukturen‹ aufgedeckt<br />

werden. Gerade wenn am konkreten Fall nachgewiesen werden kann, dass dessen<br />

Fallstruktur lediglich eine Auswahl aus einem Raum von Optionen bzw. Möglichkeiten<br />

darstellt, dann tritt auch seine ›Nicht-Natürlichkeit‹ und soziale Produziertheit<br />

offen zu Tage, die immer auch andere Lebenspraxen denken lässt.<br />

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