Wiener Aphereseseminar 2007 - Was ist Nephrologie?
Wiener Aphereseseminar 2007 - Was ist Nephrologie?
Wiener Aphereseseminar 2007 - Was ist Nephrologie?
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Interdisziplinäre Fortbildungsreihe der<br />
Österreichischen Gesellschaft für <strong>Nephrologie</strong><br />
ÖGN<br />
10. Jahrgang / Nr. 2 / <strong>2007</strong><br />
P.b.b. GZ 02Z031654 M, Benachrichtigungspostamt 1080 Wien Falls unzustellbar, bitte retour an: MEDMEDIA Verlag, Alser Straße 21/8, 1080 Wien<br />
<strong>Wiener</strong> <strong>Aphereseseminar</strong> <strong>2007</strong><br />
Plasmaaustausch und Immunadsorption –<br />
ein praxisorientiertes Kompendium zur extrakorporalen<br />
Therapie immunologisch mediierter Erkrankungen<br />
MedMedia<br />
Medical Opinion<br />
Network
3<br />
EDITORIAL<br />
Sehr geehrte Frau Kollegin!<br />
Sehr geehrter Herr Kollege!<br />
ao. Univ.-Prof. Dr.<br />
Sabine Schmaldienst<br />
ao. Univ.-Prof. Dr.<br />
Kurt Derfler<br />
Von der Österreichischen Gesellschaft für <strong>Nephrologie</strong> wurde<br />
uns die Gelegenheit gegeben, die 2. Ausgabe von Nephro-<br />
Script im Jahre <strong>2007</strong> parallel zum „<strong>Wiener</strong> <strong>Aphereseseminar</strong>“<br />
(14. und 15. Juni <strong>2007</strong>) zu gestalten.<br />
Das „<strong>Wiener</strong> <strong>Aphereseseminar</strong>“ soll eine neue Plattform für<br />
Immunadsorption, Rheopherese und Plasmaaustauschtherapie<br />
schaffen.<br />
Obwohl diese therapeutischen Möglichkeiten seit vielen Jahren<br />
klinisch zum Einsatz kommen, hängt an ihnen noch immer ein<br />
etwas experimentelles Flair. Es <strong>ist</strong> jedoch in den letzten Jahren<br />
gelungen, vor allem mitbedingt durch besseres Verständnis von<br />
immunologischen Prozessen und technische Weiterentwicklungen,<br />
gesicherte Indikationen herauszuarbeiten. Ein breites<br />
Spektrum immunologisch mediierter Erkrankungen aus den Gebieten<br />
der Transplantation, der inneren Medizin, der Neurologie<br />
und der Dermatologie wird – wenn nicht als Primärtherapie,<br />
dann als so genannte „Rescue-Therapie“ – mit Immunadsorption<br />
und/oder Plasmaaustausch behandelt. Bedingt durch<br />
die Seltenheit mancher Erkrankungen wird es in vielen Fällen<br />
nie große kontrollierte Studien geben, aber die Dokumentation<br />
von größeren Fallserien ermutigt dennoch bei ausgewählten autoimmunologischen<br />
Krankheitsentitäten den Patienten diese extrakorporalen<br />
Behandlungsmodalitäten zukommen zu lassen.<br />
Durch beide Verfahren werden pathogene Immunglobuline, aber<br />
auch zirkulierende Immunkomplexe hoch effektiv entfernt.<br />
Ziel des Seminars <strong>ist</strong> es, autoimmunologische Prozesse zu beleuchten<br />
und daraus mögliche Ansätze für den therapeutischen<br />
Einsatz dieser extrakorporalen Verfahren zu verstehen.<br />
Thematisch wird in diesem Seminar ein Bogen zwischen etablierten<br />
Indikationen der Plasmatherapie und neuen Perspektiven<br />
gespannt. Wichtig <strong>ist</strong> uns das Eingehen auf praktische und<br />
verfahrenstechnische Aspekte, so dass in diese Veranstaltung eine<br />
eigene Vortragsreihe für diplomierte Pflegepersonen und ein<br />
Workshop integriert wurden.<br />
Da innerhalb der nephrologischen Gemeinschaft große Erfahrungen<br />
mit extrakorporaler Therapie bestehen, werden sowohl<br />
Plasmaaustauschbehandlungen, Rheopherese als auch Immunadsorptionen<br />
zu einem Großteil an diesen Spezialabteilungen<br />
durchgeführt. Aus diesem Grund schien es uns nahe liegend, die<br />
zahlreichen und ausgezeichneten Beiträge der Referenten in einer<br />
eigenen Ausgabe von NephroScript zusammenzufassen, die<br />
dann als kompaktes „Nachschlagwerk“ für Anwender fungieren<br />
kann und interessierten zuweisenden Kollegen aus anderen Fachdisziplinen<br />
die Thematik anschaulich und praxisorientiert darstellen<br />
soll.<br />
Wir möchten uns nochmals für das Engagement der Autoren bedanken<br />
und hoffen Ihnen auf diesem Weg ein interessantes<br />
Thema näher bringen zu können.<br />
Mit freundlichen Grüßen<br />
ao. Univ.-Prof. Dr. Sabine Schmaldienst<br />
ao. Univ.-Prof. Dr. Kurt Derfler<br />
Titelbild: Vienna-Vienna, Künstler: Dimitris Hoffmann<br />
Der 1960 in Griechenland geborene Künstler studierte in Wien Kunstgeschichte und Archäologie. In seinen Bildern kann man die Sonne<br />
des Mittelmeeres wiederfinden. Die Farben werden in kräftigen Tönen eingesetzt, sie bleiben ungemischt nebeneinaner und gewinnen<br />
dadurch an Intensität. Das Motiv spielt hier eine sekundäre Rolle, wichtig <strong>ist</strong> die Synthese aus Naturerlebnis und dem Streben nach<br />
der Ausdruckskraft der Farben. Werke des Künstlers sind in vielen in- und ausländischen Sammlungen zu finden. Eine kleine Auswahl<br />
seiner Bilder <strong>ist</strong> in der Galerie und Rahmenhandlung Böck, Währinger-Straße 27, 1090 Wien, zu sehen.
4<br />
INHALT<br />
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Editorial<br />
Seiten der Gesellschaft<br />
Plasmaaustausch<br />
ao. Univ.-Prof. Dr. Kurt Derfler<br />
Plasmaaustausch-Therapie bei Kindern<br />
ao. Univ.-Prof. Dr. Klaus Arbeiter<br />
Plasmaaustausch bei einem Kind<br />
mit MTX-Intoxikation<br />
OA Dr. Volker Witt<br />
LDL-Apherese zur Behandlung<br />
der familiären Hypercholesterinämie<br />
ao. Univ.-Prof. Dr. Alice Schmidt<br />
Immunadsorption<br />
ao. Univ.-Prof. Dr. Sabine Schmaldienst<br />
Immunologische Grundlagen<br />
von Plasmaaustausch und Immunadsorption<br />
ao. Univ.-Prof. Dr. Gerhard Zlabinger<br />
Immunadsorption und Transplantation<br />
(AKARIS-Studie)<br />
ao. Univ.-Prof. Dr. Georg A. Böhmig<br />
ABO-inkompatible Nierentransplantation<br />
Dr. Jörg Beimler<br />
Immunadsorption beim systemischen<br />
Lupus erythematodes<br />
Dr. Georg Stummvoll<br />
Antikoagulation bei Plasmaaustausch<br />
und Immunadsorption<br />
Dr. Edith Doberer<br />
Immunadsorption und Plasmaaustausch<br />
in der Schwangerschaft<br />
Dr. Elisabeth Dittrich<br />
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Die erworbene Hemmkörperhämophilie<br />
OA Dr. Heike Zeitler<br />
Thrombotisch-thrombozytopenische Purpura<br />
ao. Univ.-Prof. Dr. Paul Knöbl<br />
Immunadsorption bei Isoagglutininpers<strong>ist</strong>enz<br />
ao. Univ.-Prof. Dr. Werner Rabitsch<br />
Immunadsorption bei Pemphigus<br />
Prof. Dr. med. Jürgen Grabbe<br />
Immunadsorption bei dilatativer Kardiomyopathie<br />
Priv.-Doz. Dr. Alexander Staudt<br />
Extrakorporale Therapie bei multipler Sklerose<br />
Univ.-Prof. Dr. Karl Vass<br />
Rheopherese bei Makuladegeneration<br />
Prof. Dr. med. Reinhard Klingel<br />
Impressum<br />
MEDAKTUELL<br />
Peritonealdialyse: 20 Prozent sind das Ziel<br />
FREIE THEMEN<br />
(entgeltliche Einschaltungen)<br />
Tygacil ® (Tigecyclin) – Wirksame Monotherapie<br />
bei polymikrobiellen Infektionen<br />
Mencord plus ® (Olmesartan-Medoxomil) –<br />
Mehrdimensionale Hochdruck-Therapie<br />
Renagel ® (Sevelamer) –<br />
Kalzifizierung der Gefäße frühzeitig vermeiden<br />
EXPERTENFORUM:<br />
Aranesp ® SureClick TM –<br />
Individuelle Therapiesteuerung auch in der Prädialyse<br />
FOTO: PICTUREDESK.COM
5<br />
SEITEN DER GESELLSCHAFT<br />
Liebe Kolleginnen und Kollegen!<br />
Univ.-Prof. Dr.<br />
Gert Mayer<br />
Ich möchte über einige Aktivitäten berichten, die uns derzeit<br />
beschäftigen.<br />
Nach wie vor besteht ein intensiver Kontakt zum ÖBIG, um<br />
in die nächste Diskussion zum ÖSG einen Vorschlag zur<br />
Strukturierung der Versorgung nephrologischer Patienten einbringen<br />
zu können. Es wurden 3 Versorgungsebenen definiert<br />
(Referenzzentrum, Schwerpunkt und Einheit), die jeweils bestimmte<br />
Le<strong>ist</strong>ungen für ein Einzugsgebiet erbringen, wobei<br />
dann auch eine entsprechende Infrastruktur vorgehalten werden<br />
muss. Bisher war im ÖSG nur die Dialyse abgebildet, nun<br />
sollte auf die intramurale Struktur und Dialyse ausgeweitet<br />
werden.<br />
In der Diskussion um die Therapierichtlinien der renalen<br />
Anämie sind wir mit Vertretern der EMEA in Kontakt getreten.<br />
Wir haben die Auskunft erhalten, dass es im Mai/Juni<br />
eine Stellungnahme der europäischen Behörden geben soll.<br />
Wir möchten diese noch abwarten, bevor wir als Gesellschaft<br />
eine offizielle Meinung abgeben, hoffen aber, dass die Praktikabilität<br />
der EMEA-Empfehlungen besser <strong>ist</strong> als jene der<br />
FDA.<br />
Die Problematik der Gadolinium-Gabe bei eingeschränkter<br />
Nierenfunktion verfolgen wir gemeinsam mit der Österreichischen<br />
Gesellschaft für Radiologie. Wir möchten verhindern,<br />
dass dabei das Kind mit dem Bade ausgeschüttet wird. Es <strong>ist</strong><br />
unsere Aufgabe, darauf hinzuweisen, dass die Indikation für die<br />
Verabreichung von Gadolinium natürlich kritisch gestellt werden<br />
muss. Allerdings muss dem Risiko einer nephrogenen systemischen<br />
Fibrose jenes eines akuten Nierenversagens durch<br />
konventionelle Kontrastmittel gegenübergestellt werden.<br />
Mit der Österreichischen Diabetesgesellschaft wurde ein gemeinsames<br />
Papier zur Betreuung der Patienten mit diabetischer<br />
Nephropathie erarbeitet. Sobald die Endversion vorliegt,<br />
werden wir diese im NephroScript publizieren.<br />
Die Arbeitsgruppe Öffentlichkeitsarbeit hat sich der Homepage<br />
der Gesellschaft angenommen, in den nächsten Wochen<br />
wird ein neues Portal vorgestellt.<br />
Ich möchte mich vor allem bei jenen bedanken, die sich im<br />
Rahmen dieser Arbeiten besonders einsetzen. Neben dem gesamten<br />
Vorstand waren dies vor allem die Kollegen Kramar,<br />
Rosenkranz, Watschinger, Prischl und Auinger sowie Mag.<br />
Mildschuh (ÖBIG).<br />
Zum Abschluss möchte ich noch auf unsere Jahrestagung (Organisator<br />
Prof. Balcke gemeinsam mit Prof. Slany von der<br />
Österreichischen Hochdruckliga) hinweisen und auch bitten,<br />
möglichst viele Abstracts einzureichen und auch die Gelegenheit<br />
wahrzunehmen, zusätzlich zur ÖGN- Mitgliedschaft auch<br />
Mitglied der Österreichischen Gesellschaft für Hypertensiologie<br />
zu werden (siehe beiliegendes Antragsformular).<br />
Mit freundlichen Grüßen<br />
Univ.-Prof. Dr. Gert Mayer
Anmeldung:<br />
Anmeldeformular-Download unter:
8<br />
GRUNDLAGEN UND INDIKATIONEN<br />
Plasmaaustausch<br />
ao. Univ.-Prof. Dr. Kurt Derfler<br />
Apheresestation, Klinische Abteilung für <strong>Nephrologie</strong> und Dialyse, Klinik für Innere Medizin III, Medizinische Universität Wien<br />
Bei der Plasmapherese, dem Plasmaaustausch, handelt<br />
es sich um ein extrakorporales Therapieverfahren, das<br />
wegen der vorhandenen Expertise mit extrakorporalen<br />
Therapieverfahren in der Regel von Hämodialyse-Abteilungen<br />
und internen Intensivstationen durchgeführt wird.<br />
Trotz des nachgewiesenen Bedarfs dieser Therapie gibt es<br />
in Österreich zurzeit keine flächendeckende Versorgung.<br />
Die unterschiedliche Bezeichnung für diese extrakorporale<br />
Behandlungsmethode beruht darauf, dass für unterschiedliche<br />
Substitutionslösungen teilweise eine andere Terminologie<br />
gewählt wurde (Plasmapherese bei Substitution von<br />
„Fresh Frozen Plasma“; FFP), international wird me<strong>ist</strong> die<br />
Abkürzung PE („Plasma Exchange“) verwendet, sodass im<br />
weiteren Manuskript generell die Abkürzung PE eingesetzt<br />
wird.<br />
Tabelle 1: Häufig praktizierte Indikationen<br />
für den Plasmaaustausch<br />
A. Renale/hämatologische Indikationen<br />
- Antiglomeruläre-Basalmembran-AK-Nephritis (b)<br />
- Pauci-immune rapid progrediente Glomerulonephritis<br />
(ANCA-positiv) (b)<br />
- Lupusnephritis, SLE (c)<br />
- akute Transplantatabstoßung (c)<br />
- renale Insuffizienz bei Kryoglobulinämie, Myelom (b)<br />
- thrombotisch-thrombozytopenische Purpura/<br />
hämolytisch-urämisches Syndrom (a)<br />
B. Neurologische Indikationen<br />
- Guillain-Barré-Syndrom, Miller-Fisher-Syndrom (b)<br />
- Myasthenia gravis (b)<br />
C. Seltene Indikationen<br />
- Hyperviskositätssyndrom (b)<br />
- Pemphigus vulgaris (c)<br />
- multiple Sklerose – akuter Schub (c)<br />
Evidenzgrade für PE bei unterschiedlichen Indikationen: a) Wirkung gesichert,<br />
b) Wirkung vermutet, c) Wirkung sehr fraglich bzw. kaum verwertbare Daten vorliegend<br />
Technische Grundlagen<br />
Die heute zur Verfügung stehenden<br />
Plasmaseparationsgeräte ermöglichen<br />
bei der Mehrzahl der Patienten die<br />
Durchführung der Behandlung über<br />
periphere Venen, selbst dann, wenn<br />
Behandlungen in 24-stündigem Intervall<br />
durchgeführt werden müssen.<br />
Dadurch können zentrale Zugänge,<br />
die mit einer erhöhten Rate an bakteriellen<br />
Infektionen verbunden sind, vermieden werden.<br />
Beim Plasmaaustausch wird das separierte Volumen verworfen<br />
und gleichzeitig durch eine Substitutionlösung ersetzt,<br />
dadurch kommt es zu einer kontinuierlichen Verdünnungsreaktion<br />
der als pathogenetisch angesehenen Autoantikörper,<br />
Immunkomplexe bzw. toxischen Eiweißkörper oder Lipoproteine.<br />
Mit zunehmender Menge an separiertem Plasma steigt<br />
jene Menge an Substituat, die wieder verworfen wird, was die<br />
Effizienz der Behandlungsmethode mit steigenden Volumina<br />
limitiert. Zusätzlich muss bei der PE-Therapie mit sehr<br />
hohen Austauschvolumina bzw. sehr hochfrequenten Behandlungen<br />
der Verlust von Gerinnungsfaktoren kalkuliert<br />
werden, der dann häufig zum Bedarf von FFP als Substitutionslösung<br />
führt.<br />
Generell gilt: die Substitution für das separierte Plasma muss<br />
isovolämisch, isoosmotisch erfolgen und den kolloidosmotischen<br />
Druck (KOD) konstant halten. Die einzige Ausnahme<br />
<strong>ist</strong> das Hyperviskositätssyndrom bzw. eine schwere Hypertriglyzeridämie,<br />
hier können Substituate ohne Eiweißbestandteile<br />
Verwendung finden.<br />
Die Substitutionslösung <strong>ist</strong> im Wesentlichen für die Behandlungskosten<br />
verantwortlich. So bedarf es im Vergleich zur Immunadsorption<br />
nur etwa 10–12 Behandlungen, bis das als<br />
sehr teuer eingeschätzte Verfahren der Immunadsorption<br />
einen Kostenvorteil bietet.<br />
Indikationen zum Plasmaaustausch<br />
<strong>2007</strong> wurde in der „<strong>Wiener</strong> Klinischen Wochenschrift“ von<br />
Frau Elisabeth Dittrich der Standard für die Plasmaausao.<br />
Univ.-Prof. Dr.<br />
Kurt Derfler
tauschtherapie publiziert (Wien Klin Wochenschr<br />
Education 1; <strong>2007</strong>: 39-54). Bei der<br />
Plasmaaustauschtherapie liegen trotz des<br />
jahrelangen Einsatzes dieser Behandlungsoption<br />
nur sehr wenige prospektive, randomisierte<br />
Studien vor, vielfach wurden Behandlungsindikationen<br />
nur auf Basis von „Case<br />
Reports“ generiert. In der Tabelle 1 sind die<br />
häufigsten Indikationen für einen PE zusammengestellt.<br />
Die thrombotisch-thrombozytopenische<br />
Purpura (hämolytisch-urämisches Syndrom;<br />
HUS) stellt zurzeit die einzige Indikation<br />
für den PE als Therapie der Wahl dar.<br />
International zeigen die Apheresereg<strong>ist</strong>er,<br />
dass es sich dabei um die häufigste Indikation<br />
für den PE handelt. Pathogenetisch findet<br />
sich bei der TTP/HUS ein Mangel der Von-<br />
Willebrand-Faktor spaltenden Esterase<br />
(ADAMTS13), dadurch bilden sich Von-<br />
Willebrand-Faktor-Multimere, die eine intravasale<br />
Plättchenaggregation fördern und dadurch<br />
sowohl Blutungskomplikationen (auf<br />
Basis einer Thrombozytopenie) als auch Mikrozirkulationsstörungen<br />
auslösen. Prinzipiell<br />
wäre die Substitution von 3–4 Liter Plasma therapeutisch<br />
zielführend, der PE dient bei diesen Patienten primär dazu,<br />
Volumen zu eliminieren, um Raum für den zu substituierenden<br />
FFP-Bedarf zu schaffen. Bis zu 80 % der mit PE behandelten<br />
Patienten zeigen ein Ansprechen auf die Therapie, es<br />
wurden aber auch Rezidive neben den lang dauernden Remissionen<br />
berichtet. Bei den anderen Indikationen liegt keine<br />
adäquate Studienlage vor.<br />
Substitutionslösung und Behandlungsfrequenz<br />
Tabelle 2: Behandlungsschema für den Plasmaaustausch (PE)<br />
Indikation PE-Frequenz/ Behandlungs- Substituat<br />
Dauer<br />
volumen<br />
Goodpasture- tgl. 14 Tage 50 ml/kg HA 5 %, FFP bei<br />
Syndrom Körpergewicht Gerinnungsproblem<br />
Vaskulitis + RPGN tgl. 7–10 bis 50 ml/kg HA 5%, FFP bei<br />
(z. B. ANCA-pos.) Response Körpergewicht Gerinnungsproblem<br />
Kryoglobulinämie, 1–2-tägiges 50 ml/kg Kr<strong>ist</strong>alloid bis 5 %<br />
Myelomniere, Intervall bis Körpergewicht HA, nach Se-EW<br />
Hyperviskositäts- Response<br />
Syndrom<br />
TTP/HUS tgl. 1–2 x PE 50 ml/kg FFP oder<br />
bis Response, Körpergewicht kryopräzipitiertes<br />
Thrombozyten<br />
Plasma<br />
> 80.000 G/l<br />
Myasthenia gravis initial 3–6 PE tgl., 50 ml/kg HA 5 % evt.<br />
bei Response Körpergewicht HES<br />
jeden 2./3.Tag §<br />
Guillain-Barrè- initial 3–6 PE tgl., 50 ml/kg HA 5 % evt.<br />
Syndrom bei Response Körpergewicht HES<br />
jeden 2./3.Tag §<br />
Hypertriglyzeridämie tgl. bis Response 50 ml/kg initial 50 %<br />
mit Pankreatitis = Abklingen der Körpergewicht, kr<strong>ist</strong>alloide + 50 %<br />
Pankreatitis bzw. auch höhere Substitution mit<br />
Ansprechen auf Volumina bei 5%igem HA<br />
medikamentöse<br />
Therapie<br />
exzessiven<br />
Tg-Werten<br />
TTP/HUS = thrombotisch-thrombozytopenische Purpura/hämolytisch-urämisches Syndrom; PE = Plasmaaustauschbehandlung;<br />
HA = Humanalbuminlösung, FFP = Fresh Frozen Plasma; Se-EW = Serum-Gesamteiweiß;<br />
HES = Hydroxyethylstärke, in Deutschland und Österreich am häufigsten verwendetes synthetisches Kolloid.<br />
§ = Ausschleichen der PE-Therapie<br />
Die Substitution mit Hydroxyethylstärke <strong>ist</strong> ein Sonderfall.<br />
Diese Substitutionslösung bietet einen gewaltigen<br />
Preisvorteil im Vergleich zu der Substitution mit Humanalbumin<br />
bzw. FFP, birgt aber auch einige wesentliche Nebeneffekte.<br />
So muss bedacht werden, dass weder Gerinnungsfaktoren<br />
substituiert werden, der raschere Abbau von HES<br />
im Vergleich zu Eiweißprodukten kann durchaus Eiweißmangel-Situationen<br />
induzieren, zusätzlich wurden vereinzelt<br />
deutliche Verschlechterungen der Nierenfunktion, bis<br />
hin zum akuten Nierenversagen bei hochvolumiger Substitution<br />
berichtet.<br />
■<br />
Das intensive Studium der publizierten Literatur zeigt, dass<br />
in der Regel bei ein und derselben Indikation absolut differente<br />
Behandlungsschemata gewählt wurden, häufig waren<br />
auch die Substitutionslösungen nicht vergleichbar. In einzelnen<br />
Publikationen wurden bereits Therapieversager nach 3<br />
Behandlungen im Abstand von einer Woche, bei denen jeweils<br />
nur 1 Liter Plasma ausgetauscht wurde, berichtet. Im<br />
Gegensatz dazu wurden vereinzelt bis zu 2 x täglich 6 Liter<br />
Plasma ausgetauscht. In den letzten Jahren wurde vermehrt<br />
versucht, einheitliche Standards zu generieren. Die Tabelle 2<br />
fasst die heute weitgehend akzeptierten Therapierichtlinien<br />
zusammen.<br />
Der Plasmaaustausch <strong>ist</strong> eine Therapieoption, die flächendeckend<br />
angeboten werden sollte. Auf Basis der apparativen<br />
Ausstattung und der vorliegenden Expertise des Behandlungspersonals<br />
scheinen Dialysestationen primär für diese<br />
Therapie geeignet, vermehrt werden PE-Behandlungen auch<br />
an intern<strong>ist</strong>ischen Intensivstationen und an Blutbanken<br />
durchgeführt. Die derzeitige Studienlage bedingt, dass zume<strong>ist</strong><br />
der Plasmaaustausch als letzte Therapieoption, also<br />
nach Versagen der konventionellen Therapie eingesetzt wird<br />
und dadurch das Potenzial dieser Behandlungsmethode<br />
schwer abgeschätzt werden kann. Zielführend wären multinationale<br />
Studienprotokolle und vereinheitlichte Therapiestandards,<br />
um neben der Indikation TTP/HUS weitere Indikationen<br />
für eine PE-Therapie zu sichern.
10<br />
INDIKATIONEN UND SPEZIELLE PROBLEME<br />
Plasmaaustausch-Therapie bei Kindern<br />
ao. Univ.-Prof. Dr. Klaus Arbeiter<br />
Klinische Abteilung für Allgemeine Pädiatrie und Neonatologie,<br />
Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde, Medizinische Universität Wien<br />
Der Plasmaaustausch (PA) <strong>ist</strong> ein Therapieverfahren, für<br />
das im Kindesalter nur wenige gesicherte Indikationen<br />
vorhanden sind. Dennoch wird er als Rescueverfahren<br />
bei schweren Verläufen unterschiedlicher Erkrankungen<br />
eingesetzt. Das sind Erkrankungen, bei denen fehlende Faktoren<br />
ersetzt werden sollen, Immunprozesse im Vordergrund<br />
stehen oder im Plasma lösliche Faktoren als Auslöser<br />
angenommen werden.<br />
Für die in Frage kommenden Indikationen zum PA im Kindesalter<br />
gibt es häufig nur Fallberichte oder kleine Kohortenuntersuchungen,<br />
aber kaum kontrollierte Studien. Die<br />
niedrige Inzidenz im Kindesalter sowie die unterschiedliche<br />
klinische Präsentation vieler dieser Erkrankungen machen es<br />
extrem schwer, kontrollierte Studien durchzuführen.<br />
Der PA bei Kindern wird me<strong>ist</strong> von nephrologisch ausgebildeten<br />
Ärzten und Pflegepersonal durchgeführt, obwohl einige<br />
Indikationen dafür auch aus ganz anderen Subspezialitäten<br />
kommen. Allerdings führt der tägliche Umgang mit<br />
extrakorporalen Verfahren möglicherweise dazu, dass bei Patienten<br />
mit nephrologischen Erkrankungen die Entscheidung,<br />
eine PA einzusetzen, eher erfolgt als in anderen Spezialgebieten.<br />
Eine Ausnahme stellt hier sicher die pädiatrische<br />
Onkologie dar, bei der auch häufig extrakorporale Verfahren<br />
angewendet werden.<br />
Durchführung<br />
Ein PA bei Kindern <strong>ist</strong>, außer bei schon bestehender Dialysef<strong>ist</strong>el,<br />
praktisch immer mit der Notwendigkeit zur Implantation<br />
eines zentralvenösen Katheters verbunden, da die<br />
venöse Situation nur in den seltensten Fällen und nur bei<br />
größeren Kindern einen PA zulässt. Auch muss dieser Katheter<br />
für größere Flussgeschwindigkeiten geeignet sein, was<br />
nur bei dialysefähigen Kathetern der Fall <strong>ist</strong>.<br />
Die Wahl, ob gegen Albumin oder Plasma ausgetauscht wird,<br />
liegt an der Erkrankung bzw. an der Entscheidung, ob Faktoren<br />
entfernt oder volumsneutral hinzugefügt werden sollen.<br />
Prinzipiell kann der PA über eine Zentrifuge oder über einen<br />
Plasmafilter erfolgen. Da im pädiatrischen Bereich me<strong>ist</strong> die<br />
Technik für Filter zur Verfügung steht, wird im Folgenden nur<br />
auf diese Technik eingegangen.<br />
Die Durchführung erfolgt mit Maschinen,<br />
die auch für Erwachsene verwendet<br />
werden. Dabei sind allerdings<br />
nicht alle Geräte in gleichem Maße für<br />
kleine Blutfluss- und Austauschvolumina<br />
und damit für sehr junge Patienten<br />
geeignet. So reicht die Blutflussgeschwindigkeit<br />
von 20–150 ml/min<br />
und die Austrauschrate von 3–20 ml/<br />
min. Die Wahl der verwendeten Filter<br />
hängt von der Größe des behandelten Kindes ab, wobei<br />
Filter von 0,15 bis 0,6 m 2 zur Verfügung stehen.<br />
Bei der Planung eines PA muss das extrakorporale Volumen,<br />
also jenes von Schlauchsystem und Kapillare abgeschätzt werden.<br />
Bei Überschreitung des extrakorporalen Volumens von<br />
mehr als 10 % des Blutvolumens oder 8 ml/kg Körpergewicht<br />
muss ein Vorfüllen des Systems, in der Regel mit Blut,<br />
erfolgen, da sonst schon beim Start mit einem rapiden Blutdruckabfall<br />
zu rechnen <strong>ist</strong>. Die Antikoagulation kann sowohl<br />
mit Citrat als auch Heparin erfolgen, wobei gerade bei kleinen<br />
oder schwerkranken Patienten eine Citrat-Toxizität zu<br />
bedenken <strong>ist</strong>.<br />
Indikationen<br />
ao. Univ.-Prof. Dr.<br />
Klaus Arbeiter<br />
In den Anfängen des PA in der Kinderheilkunde wich die anfängliche<br />
Skepsis rasch einer gewissen euphorischen Hoffnung,<br />
diese Technik bei vielen Erkrankungen effektiv einzusetzen.<br />
Dies drückt sich in vielen Einzelberichten aus, die<br />
aber oft keine Reproduzierbarkeit zeigten. Somit werden<br />
heute viele Indikationen für die Anwendung der PA aufgrund<br />
fehlender systematischer pädiatrischer Studien weitgehend<br />
von den Indikationen bei Erwachsenen abgeleitet.<br />
Neurologische Indikationen: Der Nutzen des PA <strong>ist</strong> bei der Myasthenia<br />
gravis und beim Guillain-Barre-Syndrom gut gesichert.<br />
Bei der akut disseminierten Enzephalomyelitis wird bei weniger<br />
guter Datenlage me<strong>ist</strong> nach dem Prinzip einer Rescuetherapie,<br />
nämlich wenn bei schwerem Verlauf eine Steroidtherapie<br />
eine ungenügende Remission erbracht hat, mit PA<br />
behandelt.
12<br />
Ebenso gibt es Berichte über die erfolgreiche Durchführung<br />
einer PA bei multipler Sklerose, allerdings wurde hier die Therapie<br />
bei schweren Verläufen und als Zusatztherapie eingesetzt.<br />
Systemerkrankungen: Gerade bei Vaskulitiden mit schwerem<br />
Verlauf gibt es Erfahrungsberichte und zum Teil auch<br />
größere Kohorten-Studien, die einen Vorteil des PA nahe<br />
legen. Hier dürfte insbesondere bei Kindern mit zerebraler<br />
Beteiligung und schwerer Niereninsuffizienz der frühe Einsatz<br />
des PA in Kombination mit einer immunsuppressiven<br />
Therapie entscheidende Vorteile bringen.<br />
Dies gilt auch für Kinder mit systemischem Lupus erythematodes,<br />
die an schweren Verläufen mit zerebraler oder pulmonaler<br />
Beteiligung leiden. Auch bei ausgeprägten Krankheitsverläufen<br />
des Kawasaki-Syndroms, die auf intravenöse Immunglobulintherapie<br />
nicht ausreichend ansprechen, hat die<br />
PA Vorteile gezeigt.<br />
Nephrologische Indikationen: Bei der fokal segmentalen<br />
Glomerulosklerose wird trotz intensiver Immunsuppression<br />
oft ein ungenügendes Ansprechen beobachtet. Bei einigen<br />
Patienten konnte jedoch mit zusätzlichem Einsatz eines PA<br />
eine Remission erzielt werden. Dabei handelt es sich um eine<br />
sehr heterogene Gruppe von Patienten: einerseits liegen genetische<br />
Ursachen zu Grunde, bei vielen bleibt aber die Ursache<br />
unklar. Die Annahme eines löslichen Faktors, wie er<br />
in einigen experimentellen Untersuchungen nachgewiesen<br />
wurde, ließ zwar auf eine breitere Wirkung des PA hoffen,<br />
allerdings zeigten nur wenige Patienten ein wirklich gutes<br />
Ansprechen. Anders <strong>ist</strong> die Situation nach Transplantation,<br />
nach der bis zur 50 % der Kinder ein Rezidiv der Erkrankung<br />
haben, jedoch ein relativ gutes Ansprechen (bis zu 50 %)<br />
auf PA zu beobachten <strong>ist</strong>.<br />
Das hämolytisch-urämische Syndrom (HUS) <strong>ist</strong> ein Krankheitsbild,<br />
das typischerweise durch eine Infektion mit Bakterien<br />
(Verotoxin-produzierend) ausgelöst wird. Ein HUS kann aber<br />
auch die Endstrecke völlig anderer Grunderkrankungen, teilweise<br />
auch genetischer Defekte im Komplement- und Gerinnungssystem<br />
(Faktor H, Faktor I, ADAMTS13) sein (atypisches<br />
HUS). Für die Behandlung des typischen HUS hat sich<br />
kein Vorteil durch den PA gezeigt. Allerdings kann der PA oder<br />
die Zufuhr von Plasma für Patienten mit atypischem HUS kurativ<br />
und lebensrettend sein, weshalb diese Therapie nicht vorenthalten<br />
werden sollte. Die tatsächliche Diagnose über den bestehenden<br />
Defekt im Komplement- oder Gerinnungssystem erfolgt<br />
ja me<strong>ist</strong> erst einige Wochen später.<br />
Auch bei der membranoproliferativen Glomerulonephritis<br />
können Komplementdefekte ursächlich sein, weshalb bei<br />
schwerem Verlauf auch ein PA in Erwägung gezogen werden<br />
sollte.<br />
Als Antikörper-mediierte Erkrankung sind noch das Goodpasture-Syndrom<br />
(extrem selten im Kindesalter) sowie eine humorale<br />
Abstoßung als Indikation anzuführen, wobei hier der Grund<br />
für eine eventuelle Bevorzugung des PA gegenüber der Immunadsorption<br />
vor allem an der technischen Verfügbarkeit liegt.<br />
Weitere Indikationen: Im Rahmen des Leberversagens wird<br />
die PA vor allem in Kombination mit der Hämofiltration als<br />
„Bridging-Verfahren“ bei Planung einer Lebertransplantation<br />
durchgeführt und <strong>ist</strong> sicher nur auf pädiatrischen Intensivstationen<br />
durchführbar. Ebenso sind Vergiftungen, wenn<br />
größere Moleküle oder stark eiweißgebundene Toxine zu entfernen<br />
sind, Indikationen für einen PA oder deren systemischen<br />
Adaptionen wie MARS oder Prometheus ® .<br />
Komplikationen<br />
Die Anlage eines zentralvenösen Katheters <strong>ist</strong> Teil der Behandlung<br />
beim PA und muss in die Überlegung zur Behandlung,<br />
gerade bei Indikation mit unsicherer Datenlage, miteinbezogen<br />
werden. Die möglichen Komplikationen reichen<br />
von Verletzung wichtiger Nerven bis zu lebensbedrohlichen<br />
Zwischenfällen mit Hämatoperikard sowie Thrombosen und<br />
Infektionen im weiteren Verlauf.<br />
Eine Gerinnung im Filtersystem, die in der Regel einen Abbruch<br />
der Behandlung erzwingt, entsteht nicht nur durch<br />
unzureichende Antikoagulation, sondern auch bei zu geringen<br />
Flussgeschwindigkeiten, die vor allem auf nicht ausreichend<br />
funktionierende Katheter zurückzuführen sind. Häufig<br />
erfordert dies die Neuanlage des Katheters.<br />
Bei der Zufuhr von Fremdeiweiß muss jederzeit mit<br />
Überempfindlichkeitsreaktionen gerechnet werden. Diese<br />
äußern sich häufig als einfacher Juckreiz, können sich jedoch<br />
bis zu Bronchospasmus, starkem Blutdruckabfall und anaphylaktischem<br />
Schock steigern. Problematisch können solche<br />
Reaktionen besonders bei kleinen Kindern sein, die oft<br />
keine Symptome äußern und erst bei Veränderung vitaler Parameter<br />
auffällig werden.<br />
Eine seltene, jedoch schwere Komplikation stellt eine<br />
TRALI (Transfusion-associated Lung Injury) dar, welche eine<br />
vorübergehende Beatmung notwendig machen kann.<br />
Nicht zuletzt <strong>ist</strong> aber auf das Risiko von Infektionen, das bei<br />
Verwendung von Plasmabestandteilen nie ausgeschlossen <strong>ist</strong>,<br />
hinzuweisen.<br />
■<br />
Der Einsatz der Plasmaaustausch-Therapie bei Kindern <strong>ist</strong><br />
nur bei wenigen Indikationen sehr gut gesichert. Dabei bedeutet<br />
Plasmaaustausch je nach Indikation „Hinzufügen“<br />
oder „Entfernen“ von Substanzen. Trotz der teils schwachen<br />
Datenlage sollte diese Therapie bei schweren und lebensbedrohlichen<br />
Erkrankungen, bei denen ein Therapieeffekt<br />
aber wahrscheinlich <strong>ist</strong>, angeboten werden.
13<br />
DOES IT WORK<br />
Plasmaaustausch bei<br />
einem Kind mit MTX-Intoxikation<br />
OA Dr. Volker Witt<br />
St.-Anna-Kinderspital, Wien<br />
Die Gabe von hochdosiertem MTX stellt zurzeit eine<br />
sehr wirksame Therapie bei lymphatischen Leukämien,<br />
Lymphomen und bei Osteosarkomen im Kindesalter<br />
dar, die unter einer supportiven Therapie, mit der Gabe von<br />
Leukovorin, der Alkalinisierung des Urins und einer ausreichenden<br />
Hydrierung, relativ sicher durchgeführt wird.<br />
Die Inzidenz letaler Komplikationen liegt unter 1 % (Kager<br />
L. et al., 2006), trotzdem werden schwere Intoxikationen<br />
mit letalen Verläufen nach wie vor beobachtet.<br />
Hoch dosiertes Methotrexat (MTX) wird bei den beschriebenen<br />
Indikationen in einer Dosierung von mehr als 1 g/m 2<br />
als kontinuierliche Infusion über 4 bis 36 h mit anschließender<br />
Leukovorin-Gabe (5-Formyl-Tetrahydrofolsäure) verabreicht.<br />
MTX wird zu 80 % unverändert über die Nieren wieder<br />
ausgeschieden, wobei die Elimination aufgrund des<br />
hohen Verteilungsvolumens (14 l/m 2 ) multiphasisch mit<br />
einer terminalen Halbwertszeit von 8–12 h erfolgt.<br />
MTX-Intoxikation<br />
Niereninsuffizienz und Multiorganversagen: Eine der akuten<br />
Nebenwirkungen von Methotrexat <strong>ist</strong> eine akute Niereninsuffizienz,<br />
die durch das Ausfallen von MTX und seiner<br />
Metaboliten DAMPA und 7-OH-MTX bei saurem pH in<br />
der Niere zustande kommt. Das macht seinerseits eine regelhafte<br />
Ausscheidung des MTX und seiner Metaboliten unmöglich,<br />
sodass ein Circulus vitiosus mit einer akut lebensbedrohlichen<br />
Situation entsteht, mit der Gefahr schwerster<br />
Organschädigungen an Nieren, Leber, Knochenmark,<br />
Schleimhäuten und Haut.<br />
Therapieoptionen: Alle Versuche einer Therapie der<br />
schweren Intoxikation sind auf die Überbrückung des MTXinduzierten<br />
Dehydrofolatreduktase-Blocks durch Gabe<br />
hoher Dosen von Leukovorin und die beschleunigte Elimination<br />
von MTX und seinen Metaboliten gerichtet.<br />
In den letzten Jahren wurde zusätzlich ein Antidot entwickelt<br />
und klinisch getestet, die Carboxypeptidase G 2 (CP). Es handelt<br />
sich um ein Enzym, welches MTX enzymatisch zu<br />
DAMPA und Glutamat hydrolisiert. Buchen S. et al. publizierten<br />
kürzlich eine größere Serie mit 65 Patienten im Alter<br />
von 0,9 bis 71,8 Jahren. Sie konnten<br />
zeigen, dass die Gabe von CP bei bestehender<br />
Niereninsuffizienz effektiv<br />
<strong>ist</strong> und gut vertragen wird. Trotzdem<br />
zeigten 10 bis 20 % der Patienten<br />
CTC-Grad-4-Nebenwirkungen in<br />
Form von schweren Infektionen,<br />
Mukositis, Erbrechen, Blutungen,<br />
Nierenversagen, Hepatopathie, Kardiomyopathie<br />
und neurologische<br />
Komplikationen. Letzlich starben 4 Patienten an diesen<br />
Komplikationen.<br />
Trotz des Einsatzes von CP plus der strikten Einhaltung der<br />
supportiven Maßnahmen verloren auch wir einen Patienten<br />
40 Tage nach der Gabe von hochdosiertem MTX (12 g/m 2 )<br />
mit verzögerter MTX-Ausscheidung in einem sekundären<br />
multiplen Organversagen.<br />
Case-Report<br />
OA Dr.<br />
Volker Witt<br />
Wir berichten von einem 12,5-jährigen Jungen mit einem<br />
Osteosarkom des rechten proximalen Humerus.<br />
Als Bestimmungsmethoden für MTX und seine Metaboliten<br />
benutzten wir einen enzymatischen Testkit, der MTX und<br />
seine Metabolite zusammen angibt, und die HPLC-Methode,<br />
die die Unterscheidung der Metaboliten von der aktiven Substanz<br />
MTX erlaubt.<br />
Hochdosierte MTX-Therapie: Nach der Tumorbiopsie erfolgte<br />
die Chemotherapie gemäß dem EURAMOS-Protokoll.<br />
Im Anschluss an das erste hochdosierte MTX kam es<br />
zu einer passageren, rasch rückläufigen und klinisch inapparenten<br />
Hepatopathie mit einem Anstieg der GPT auf maxi- <br />
Tabelle: Nebenwirkungen von HD-Methotrexat<br />
• akutes Nierenversagen<br />
• akuter Kreislaufschock<br />
• Mukositis<br />
• Knochenmarkdepression<br />
• Hepatopathie<br />
• Exanthem<br />
• akute Enzephalopathie<br />
• Leukenzephalopathie
1.000<br />
100<br />
µM/l<br />
10<br />
0<br />
0,1<br />
0,01<br />
0,001<br />
MTX = Methotrexat+DAMPA-Spiegel, da Bestimmung mittels enzymatischer Methode<br />
DAMPA = 4-([2,4-diamino-6-(pteridinyl)methyl]-methylamino)-benzoe-acid-Spiegel<br />
mittels HPLC bestimmt<br />
MTX HPLC = Methotrexat-Spiegel mittels HPLC bestimmt (Nachweisgrenze 0,005 µM/l)<br />
Abb.: Verlauf der Plasmaspiegel nach Gabe von Carboxypedidase<br />
(Pfeil 1) und nach TPE (Pfeile 2 + 3), der Spiegel fällt von 600 auf<br />
2 µM/l nach Gabe der Carboxypeptidase, während DAMPA<br />
zunächst auf 80 µM/l und dann nach der ersten TPE auf 77 und<br />
nach der zweiten TPE auf 53 µM/l fällt.<br />
mal 1.830 U/l. Nach klinischer Erholung und bei normalen<br />
Nierenwerten (Kreatinin i. S. 0,45 mg/dl) erfolgte dann die<br />
zweite Gabe von hochdosiertem Methotrexat mit 12 g/m 2 .<br />
Mit Ende des Einlaufes des MTX trat ein Kreislaufkollaps<br />
auf, der unter entsprechender Supportion rekompensierbar<br />
war. Im Weiteren zeigten sich Rückenschmerzen, bei ansonsten<br />
eher unauffälligem Verlauf.<br />
Intoxikation: Der routinemäßig abgenommene MTX-<br />
Spiegel 24 h nach der Gabe zeigte einen deutlich erhöhten<br />
Wert mit 753 µM/l (normalerweise < 10 µM/l, enzymatische<br />
Bestimmungsmethode). Die gleichzeitig bestimmten Nierenwerte<br />
zeigten ein Kreatinin-Anstieg auf 2,25 mg/dl.<br />
Carboxypeptidase G 2 (CP) plus Leucovorin-Rescue: Es erfolgte<br />
die Gabe von CP (2.000 IU über 10 min p. i.). Direkt<br />
vorher und nachher betrug der MTX-Spiegel 600 µM/l<br />
bzw. 9 µM/l (HPLC-Bestimmungsmethode) und der<br />
DAMPA-Spiegel nachher 73 µM/l (HPLC-Methode). 4 h<br />
nach Gabe der Carbopeptidase G 2 wurde der Leucovorin-<br />
Rescue mit 15 mg/m 2 alle 6 h begonnen und für 12 d fortgeführt.<br />
Zusätzlich Plasmaaustausch (PE): Aufgrund des nach wie<br />
vor hohen MTX-Spiegels in der HPLC-Methode wurde ein<br />
Plasmaaustausch (TPE) mit der COBE spectra (Gambro,<br />
Vienna, Austria) durchgeführt. Das Austauschvolumen betrug<br />
55 ml/kg Körpergewicht und als Substituat verwendeten<br />
wir Octaplas . Der MTX-Spiegel fiel von 75,31 µM/l<br />
auf 63,90 µM/l (MTX + DAMPA). Am nächsten Tag erfolgte<br />
noch ein Plasmaaustausch unter gleichen Bedingungen,<br />
wobei der MTX Spiegel von 61,0 µM/l auf 54,39 µM/l<br />
(MTX + DAMPA) fiel.<br />
h<br />
Verlauf: Die gleichzeitig durchgeführte HPLC-Bestimmung<br />
ergab das Vorliegen von keinen relevanten Konzentrationen<br />
von MTX im Serum (< 0,005 µM/l), sodass die detektierte<br />
Substanz ausschließlich DAMPA war. Die Nierenparameter<br />
waren jetzt schon wieder rückläufig und in den<br />
nächsten 48 h sank der DAMPA-Spiegel auf 9,5 µM/l, um<br />
dann im weiteren Verlauf auf < 0,25 µM/l abzufallen.<br />
Es traten eine Mukositis Grad IV, ein Erythem der gesamten<br />
Haut und eine Neutropenie mit Leuko < 1 G/l über<br />
7 d und eine Thrombopenie mit Werten < 50 G/l über 13 d<br />
auf. Die GPT von maximal 1.263 U/l war rückläufig.<br />
Zurzeit wird die Chemotherapie nach problemloser lokaler<br />
Tumorentfernung ohne Methotrexat fortgesetzt. Der Tumor<br />
hatte intraoperativ ein gutes Ansprechen auf die Chemotherapie<br />
gezeigt.<br />
Beurteilung der PE-Intervention<br />
Die Anwendung extrakorporaler Therapieverfahren zur Elimination<br />
bzw. Beschleunigung der Elimination von MTX<br />
wurde in der Zeit vor der Anwendung der CP kasu<strong>ist</strong>isch berichtet.<br />
Neben Hämodialyse, Hämoperfusion und Austauschtransfusionen<br />
wurde auch PE angewendet, wobei aber<br />
alle Verfahren keinen eindeutigen Nutzen für die Anwendung<br />
bei der MTX-Intoxikation belegen konnten. Aufgrund der<br />
nach wie vor lebensbedrohlichen Situation einer MTX-Intoxikation<br />
beschlossen wir eine extrakorporale Therapie mit<br />
PE einzusetzen. Wir konnten bei unserem Patienten zeigen,<br />
dass es nach dem PE zu einem Abfall des MTX-Spiegels ohne<br />
Auftreten eines Rebound-Phänomens kommt.<br />
Aus unserer Sicht hat der PE einen klinisch positiven Einfluss<br />
auf den Verlauf gehabt. Da es sich nur um einen einzelnen<br />
Fall handelt, muss die Indikation über die Durchführung<br />
eines PE individuell getroffen werden. Wir würden,<br />
auch wenn eine Therapie mit CP durchgeführt wurde, einen<br />
PE in Erwägung ziehen.<br />
■<br />
Literatur beim Verfasser<br />
Der therapeutische Plasmaaustausch spielt heute bei Intoxikationen<br />
eine geringe Rolle. Wie dieser Case-Report zeigt,<br />
kann jedoch bei einer mit schwersten Nebenwirkungen assoziierten<br />
hochdosierten Methotrexat-Intoxikation bei begleitender<br />
Niereninsuffizienz eine therapeutisch effektive<br />
Elimination primär der Reinsubstanz, sekundär aber auch<br />
der Metaboliten erreicht werden. Dies scheint bei einem<br />
speziellen Patientenkollektiv eine zusätzliche therapeutische<br />
Option zu bieten.
16<br />
LDL-Apherese zur Behandlung<br />
der familiären Hypercholesterinämie<br />
ao. Univ.-Prof. Dr. Alice Schmidt<br />
Klinische Abteilung für <strong>Nephrologie</strong> und Dialyse, Universitätsklinik für Innere Medizin III, Medizinische Universität Wien<br />
Die LDL-Apherese <strong>ist</strong> eine extrakorporale Behandlungsmethode,<br />
die die Elimination von Apo-Lipoprotein B<br />
enthaltenden Lipoproteinen aus der Zirkulation der<br />
Patienten ermöglicht. In den letzten Jahren hat diese Behandlungsmethode<br />
zunehmende Verbreitung gefunden,<br />
wobei primär Patienten mit homozygoter, familiärer Hypercholesterinämie<br />
behandelt wurden.<br />
Anhand der positiven Ergebnisse im Bezug auf die Progression<br />
der koronaren Herzkrankheit wurden auch Patienten<br />
mit schwerer heterozygoter familiärer Hypercholesterinämie<br />
und nur partiellem Ansprechen auf die medikamentöse lipidsenkende<br />
Therapie für diese Behandlungsmodalität akzeptiert.<br />
Allgemeines<br />
Die Methoden, die für eine weitgehend selektive Elimination<br />
von LDL-Cholesterin und Lp (a) entwickelt wurden, inkludieren<br />
die Heparin-induzierte extrakorporale LDL-Präzipitation<br />
(HELP), die Dextran-Sulfat-Adsorption und die<br />
Immunadsorption. Als neue Entwicklung wurde das DALI-<br />
System (Direct-Adsorption of Lipoproteins), das eine direkte<br />
Elimination von LDL-Cholesterin und Lp (a) aus dem Vollblut<br />
ermöglicht, zum klinischen Einsatz gebracht.<br />
Im Gegensatz zur unselektiven Plasmapherese wird nach der<br />
Primärtrennung von zellulären Blutbestandteilen von<br />
Plasma durch einen weiteren Filtrationsprozess (Sekundärtrennung)<br />
oder durch Adsorption (immunologisch oder physikochemisch)<br />
oder durch Präzipitation das Plasma von Apo-<br />
Lipoprotein B100 enthaltenden Lipoproteinen gereinigt und<br />
das gereinigte Plasma dem Patienten wieder zugeführt.<br />
Jede LDL-Apheresemethode besitzt im Vergleich zu den<br />
Konkurrenzprodukten Vor- und Nachteile, die für eine unterschiedliche<br />
Verbreitung der Systeme verantwortlich sind.<br />
Die früher in dieser Indikation eingesetzte unselektive Plasmapherese<br />
(Plasmaaustausch), aber auch die Doppelfiltration,<br />
bei der mittels eines zweiten Plasmafilters eine Diskrimination<br />
unterschiedlicher Plasmamoleküle möglich <strong>ist</strong> (gestattet<br />
eine selektivere Elimination von Lipoproteinen als<br />
beim reinen Plasmaaustausch), wurden durch die neueren<br />
Methoden weitestgehend ersetzt.<br />
ao. Univ.-Prof. Dr.<br />
Alice Schmidt<br />
Durch die Entwicklung hocheffektiver<br />
Statine <strong>ist</strong> es (Atorvastatin, Rosuvastatin)<br />
heute möglich, bei einem<br />
Teil der Patienten, die mit den zuvor<br />
erhältlichen Statinen nicht suffizient<br />
behandelt werden konnten, auch<br />
ohne extrakorporales Therapieverfahren<br />
die NCEP-Kriterien (National<br />
Cholesterol Education Program) zu<br />
erreichen. Aus diesem Grund wird<br />
heute die Indikation zur LDL-Apherese<br />
nur dann gestellt, wenn die Patienten<br />
trotz Diät und hochdosierten Statinen keine ausreichende<br />
Lipidsenkung erzielen.<br />
Anzumerken <strong>ist</strong> jedoch, dass es durch den Einsatz dieser hocheffektiven<br />
Medikamente gelungen, die LDL-Apherese-Frequenz<br />
um fast 50 % zu senken.<br />
Die Systeme<br />
1. HELP-LDL-Apherese: Bei diesem System wird das abgetrennte<br />
Blutplasma mit einem Heparinazetatpuffer versetzt,<br />
wodurch der Plasma-pH abgesenkt wird. Die im sauren<br />
pH-Bereich positiv geladenen Apo-B enthaltenden Lipoproteine<br />
präzipitieren mit dem negativ geladenen Heparin.<br />
Das Präzipitat wird durch einen Filter und das überschüssige<br />
Heparin durch Adsorption aus dem Plasma eliminiert. Dies<br />
<strong>ist</strong> ein aufwändiges Therapieverfahren, da neben der LDL-<br />
Elimination auch eine Bicarbonat-Dialyse erforderlich <strong>ist</strong>,<br />
um die pH-Änderungen zu korrigieren. Zusätzlich wird mit<br />
diesem System auch Fibrinogen eliminiert, was einerseits von<br />
therapeutischem Nutzen sein dürfte, andererseits limitiert<br />
aber die Fibrinogendepletion das Plasmavolumen, das prozessiert<br />
werden kann, auf etwa 3.000 ml. Dadurch <strong>ist</strong> eine<br />
etwas geringere Kapazität der LDL-Entfernung bedingt. Werden<br />
höhere Plasmavolumina behandelt, müssen Blutungskomplikationen<br />
kalkuliert werden. Ferner verteuert die Notwendigkeit<br />
einer zusätzlichen Dialyse die Kosten dieses LDL-<br />
Apherese-Systems.<br />
Für dieses System konnte gezeigt werden (HELP LDL-Apheresis<br />
Multicenter Study), dass von 33 Patienten, die angiographisch<br />
kontrolliert wurden, 23 eine Regression der KHK
17<br />
FOTO: PICTUREDESK.COM<br />
erzielten, während bei 9 Patienten trotz Therapie eine Progression<br />
der Erkrankung auftrat.<br />
2. Dextran-Sulfat-Adsorption: Dieses System, das vorwiegend<br />
in Japan große Verbreitung findet, ermöglicht die Elimination<br />
atherogener (positiv geladener Apo-B100 enthaltende)<br />
Lipoproteine mittels Bindung an immobilisiertes, negativ<br />
geladenes niedermolekulares Dextran. Die klinische Effizienz<br />
wurde mittels der LDL-Apheresis Regression Study<br />
dokumentiert. 14 der 31 behandelten Patienten zeigten eine<br />
Regression der koronaren Herzkrankheit. In der deutschen<br />
Multicenter -LDL-Apheresis-Studie wurden vorwiegend<br />
funktionelle Besserungen (höhere Belastbarkeit in der Ergometrie,<br />
geringerer Nitrobedarf), aber keine angiographischen<br />
Regressionen dokumentiert.<br />
Dieses System kann bei Patienten, die unter ACE-Hemmer-<br />
Therapie stehen, nicht eingesetzt werden, da durch den Kontakt<br />
mit Dextran-Sulfat schwere Bradykinin-Reaktionen ausgelöst<br />
werden.<br />
Kürzlich wurden Ergebnisse zum neu eingeführten, auf Dextran-Sulfat-Adsorption<br />
basierenden Vollblutsystem publiziert,<br />
welche vergleichbare Absenkraten in Bezug auf LDL<br />
und Lp (a) zeigten wie das DALI-Vollblutsystem, jedoch eine<br />
signifikant höhere Elimination von Fibrinogen.<br />
3. LDL-Immunadsorption: Bei diesem System werden die<br />
atherogenen Lipoproteine mittels (polyklonaler Schafs-) Antikörper<br />
gegen Apo-B aus dem Plasma eliminiert. Die Adsorptionssäulen<br />
werden wiederaufbereitet, gelagert und bis<br />
zu 70-mal bei einem Patienten wiederverwendet. Dadurch<br />
<strong>ist</strong> eine größere Lagerkapazität erforderlich. Durch die häufige<br />
Wiederverwendung sinken jedoch die Behandlungskosten<br />
deutlich unter jenen Preis, der für die Einmal-Systeme<br />
kalkuliert werden muss. Interventionsstudien mit diesem System<br />
liegen zum jetzigen Zeitpunkt nicht vor. Ein großer Vorteil<br />
dieses Systems besteht darin, dass es bei Patienten unter<br />
einer ACE-Hemmer-Therapie keine Interaktion gibt.<br />
4. DALI-Vollblutsystem: Dieses Verfahren ermöglicht die<br />
direkte Eliminierung von LDL-Cholesterin und Lp (a) aus<br />
dem Vollblut. Bei dieser Form der LDL-Apherese <strong>ist</strong> keine<br />
primäre Plasmaseparation notwendig, wodurch die Behandlungsdauer<br />
auf etwa 120 Minuten (ca. 30 % kürzer als bei<br />
den sonstigen Verfahren) reduziert werden konnte.<br />
Die LDL-Cholesterin-Elimination erfolgt mittels einer elektrostatischen<br />
Interaktion der Lipoproteine mit dem Polyacrylamid<br />
des Einmaladsorbers. Es stehen zur Entfernung<br />
von LDL-Cholesterin und Lp (a) verschiedene Adsorbergrößen<br />
zur Verfügung. Die Effizienz einer Einzelbehandlung<br />
(60 ml/kg Körpergewicht) liegt gering unter den Absenkraten<br />
der Dextran-Sulfat-Adsorption und der Immunadsorption.<br />
Der Einfluss einer DALI-Langzeitbehandlung auf die<br />
Progredienz der Erkrankung <strong>ist</strong> zum jetzigen Zeitpunkt nicht<br />
untersucht.<br />
Dieses System kann bei Patienten, die unter ACE-Hemmer-<br />
Therapie stehen, wegen der bekannten Interaktion (Bradykinin-Freisetzung)<br />
nicht eingesetzt werden.<br />
Das DALI-LDL-Apheresesystem <strong>ist</strong> eine wertvolle Ergänzung<br />
auf dem Sektor der extrakorporalen Lipidtherapie, der wesentliche<br />
Vorteil diese Systems <strong>ist</strong> die kürzere Behandlungszeit<br />
bei vergleichbarer Effizienz. Letztendlich wird aber die<br />
Entscheidung über den Einsatz der verschiedenen LDL-<br />
Apheresesysteme auf Basis der Behandlungskosten getroffen<br />
werden.<br />
■<br />
Literatur beim Verfasser<br />
Die LDL-Apherese <strong>ist</strong> ein extrakorporales Verfahren zur selektiven<br />
Elimination Apo-Liporotein-B100-hältiger Lipoproteine.<br />
Diese Verfahren werden bei Patienten mit homozygoter<br />
oder heterozygoter familiärer Hyperlipoproteinämie eingesetzt,<br />
die unzureichend auf eine entsprechende medikamentöse<br />
Therapie und Diät ansprechen. Die ausgeprägte Absenkung<br />
von LDL-Cholesterin bzw. von Lp (a) führt zu einer<br />
signifikanten Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse in diesem<br />
Patientenkollektiv.
18<br />
GRUNDLAGEN UND INDIKATIONEN<br />
Immunadsorption<br />
ao. Univ.-Prof. Dr. Sabine Schmaldienst<br />
Klinische Abteilung für <strong>Nephrologie</strong> und Dialyse, Universitätsklinik für Innere Medizin III, Medizinische Universität Wien<br />
Basierend auf den Erfahrungen mit der Plasmaaustausch-Behandlung<br />
wurde kontinuierlich nach Möglichkeiten<br />
gesucht, pathogene Substanzen spezifisch<br />
aus dem Blut zu entfernen, ohne dass eine begleitende Substitution<br />
von Plasma bzw. kolloidalen Lösungen erforderlich<br />
<strong>ist</strong>. Dadurch sollten wesentlich größere Plasmavolumina<br />
im extrakorporalen Kreislauf therapierbar und wesentlich<br />
drastischere Absenkungsraten der IgG- bzw. Auto-<br />
Antikörper-(AK)-Spiegel möglich sein.<br />
Abb. 1: Schematische Darstellung der Immunadsorption<br />
Initial wurde auf dem Gebiet der familiären Hypercholesterinämie<br />
experimentiert und in der Folge therapiert. In den<br />
letzten 15 Jahren wurden auch Apherese-Technologien entwickelt,<br />
die spezifisch in der Therapie von Autoimmunerkrankungen<br />
eingesetzt werden. Über die Membrandoppelfiltration,<br />
den Tryptophan-Alanin-Adsorber führte der Weg<br />
zu den heute umfangreich eingesetzten Systemen der Protein-<br />
A-Immunadsorption, dem Ig-Immunadsorber auf Basis von<br />
polyklonalen Schaf-AK, und dem Globaffin ® -System, bei<br />
dem ein an Sepharose gekoppeltes synthetisches Peptid Eigenschaften<br />
ähnlich dem Protein A<br />
aufwe<strong>ist</strong>.<br />
Zur Methode<br />
Technik: Bei der Immunadsorption<br />
(IAS) wird primär eine Plasmaseparation<br />
(siehe Artikel von Prof. Derfler)<br />
duchgeführt, wobei in Hinblick auf<br />
Plasmaqualität und Zeiteffizienz der<br />
Antikoagulation: Um eine extrakorporale Koagulation des<br />
Systems und damit auch eine verbundene Zell- und Komplementaktivierung<br />
zu vermeiden, muss bei der Plasmaseparation<br />
antikoaguliert werden. Da es sich bei den me<strong>ist</strong>en IAS-<br />
Systemen um sehr teure Mehrfachsysteme handelt, <strong>ist</strong> das<br />
Aufrechterhalten einer optimalen Säulenqualität ein entscheidender<br />
Aspekt. Schlechte Plasmaqualität und rezidivierende<br />
extrakorporale Koagulationen führen zu einem Effektivitätsverlust.<br />
Aus diesem Grund wird bei der IAS eine kombinierte<br />
Antikoagulation mit Zitrat und Heparin durchgeführt. Bei<br />
der Behandlung von blutungsgefährdeten Patienten<br />
(Hemmkörperhämophilie, frisch operierte Patienten)<br />
kommt eine reine „extrakorporale Antikoagulation“ (Antaao.<br />
Univ.-Prof. Dr.<br />
Sabine Schmaldienst<br />
Zentrifugen-Plasmaseparation der<br />
Vorzug zu geben <strong>ist</strong>. Das so gewonnene Patientenplasma wird<br />
nun mit einer Flussgeschwindigkeit von 25 bis 50 ml/min,<br />
gesteuert durch eine Adsorptions-Desorptions-Maschine,<br />
über die Apheresesäulen geleitet. An den Säulen kommt es<br />
zur Bindung der AK und der zirkulierenden Immunkomplexe.<br />
Das desorbierte Plasma wird anschließend mit den<br />
korpuskulären Blutbestandteilen resuspendiert und als Vollblut<br />
in den Patienten rückinfundiert (Abbildung 1). Das extrakorporale<br />
Volumen beträgt, vergleichbar dem Plasmaaustausch,<br />
250–300 ml. Bei Blutflussraten von 60 bis 80 ml/min<br />
<strong>ist</strong> primär ein periphervenöser Zugang mit 16- oder 17-<br />
Gauge-Nadeln zu erwägen. Dafür eignen sich vor allem Kubitalvenen<br />
oder für die Rückführung auch Handrückenvenen.<br />
Falls eine periphervenöse Behandlung nicht möglich <strong>ist</strong>,<br />
sollte ein doppellumiger zentralvenöser Hämofiltrationskatheter<br />
verwendet werden.
IgG<br />
–95,3 %<br />
gonisierung von Heparin durch Protamin vor der Rückführung)<br />
zur Anwendung (siehe Beitrag von Dr. Doberer).<br />
IAS-Systeme: Die IAS <strong>ist</strong> ein extrakorporales Therapieverfahren,<br />
das wegen der vorhandenen Expertise des Behandlungspersonals<br />
und der in der Regel vorhandenen apparativen<br />
Ausrüstung bevorzugt von Hämodialyseabteilungen und<br />
intern<strong>ist</strong>ischen Intensivstationen angeboten werden sollte.<br />
Mittlerweile steht eine Reihe von IAS-Systemen zur Verfügung,<br />
die über verschiedene Mechanismen immunologisch<br />
aktive Peptide an immobilisierte Aminosäuren, Peptide oder<br />
Proteine binden. Die me<strong>ist</strong>en Systeme verwenden zwei Säulen<br />
pro Patient, wobei während einer Behandlung abwechselnd<br />
eine Säule beladen und eine Säule regeneriert wird.<br />
Bei dem Ig-Therasorb ® -System sind Schaf-AK gegen humanes<br />
Immunglobulin auf einer Sepharosematrix gebunden. Es<br />
werden alle 4 IgG-Subklassen und auch IgM und IgA adsorbiert.<br />
IgG spezifischer <strong>ist</strong> das Immunosorba ® -System, bei<br />
dem als Ligand Staphylokokkenprotein A an Sepharose gekoppelt<br />
<strong>ist</strong>. Es werden hauptsächlich die Subklassen IgG 1 ,<br />
IgG 2 und IgG 4 gebunden.<br />
Eine weitere Entwicklung stellt das Globaffin ® -System dar.<br />
Es <strong>ist</strong> hierbei ein synthetisches Peptid mit Bindungsstellen<br />
ähnlich dem Protein A an Sepharose gekoppelt. Die erwähnten<br />
Adsorber werden gekühlt und unter sterilen Bedingungen<br />
gelagert und sind für den jeweiligen Patienten wieder verwendbar.<br />
Zuletzt sind Adsorber auf den Markt gekommen, die sich<br />
ganz spezifisch gegen bestimmte AK richten (z. B. Glycosorb ®<br />
– bindet AK des AB-Blutgruppensystems).<br />
Effektivität: Bei Desorption des 2,5-Fachen des kalkulierten<br />
Plasmavolumens <strong>ist</strong>, bei Ausgangs-IgG-Spiegeln im<br />
Normbereich, eine Absenkung der IgG-Spiegel um etwa 75<br />
% möglich. Im Verlauf einer Behandlung nimmt die Effektivität<br />
der Immunglobulinabsenkung stetig ab, da sich nur<br />
etwa 50 % der Immunglobuline intravasal befinden. Dennoch<br />
<strong>ist</strong> die AK-Elimination effektiver verglichen zum Plasmaaustausch.<br />
Nach Beendigung der Behandlung kommt es<br />
relativ rasch zu einer Umverteilung der extravasal vorliegenden<br />
Immunglobuline nach intravasal. Werden mehrere IgG-<br />
Apheresen im täglichen Behandlungsintervall durchgeführt,<br />
kommt es aber zu einer > 98%igen Reduktion (IgG-Serumkonzentrationen<br />
von < 30 mg/dl publiziert) der zirkulierenden<br />
IgG-Spiegel (Abbildung 2).<br />
Infektionsprophylaxe, zusätzliche Immunsuppression:<br />
Initial wurde angenommen, dass durch diese therapeutische<br />
Elimination der zirkulierenden Immunglobuline eine Substitution<br />
von IVIG zur Infektionsprophylaxe erforderlich <strong>ist</strong>.<br />
Es konnte aber im Rahmen einer prospektiven, randomisierten<br />
Studie keine Reduktion der primär schon geringen Frequenz<br />
an Infektionskomplikationen durch die Gabe von<br />
IVIG gezeigt werden. Zusätzlich wurde diskutiert, ob durch<br />
mg/dl<br />
1.000 -<br />
IgM<br />
mg/dl<br />
IgA<br />
mg/dl<br />
800 -<br />
600 -<br />
400 -<br />
200 -<br />
0 -<br />
250 -<br />
200 -<br />
150 -<br />
100 -<br />
50 -<br />
0 -<br />
200 -<br />
150 -<br />
100 -<br />
50 -<br />
0 -<br />
Abb. 2: Immunglobulin-Elimination durch 2 konsekutive<br />
Behandlungen<br />
die Elimination von zirkulierenden AK eine überschießende<br />
AK-Produktion auftritt und den zusätzlichen Einsatz zytotoxischer<br />
Medikamente erfordert. Es kommt aber auch ohne<br />
zusätzliche immunsuppressive Medikation zu keiner gesteigerten<br />
AK-Synthese nach einer IAS.<br />
Indikationen<br />
–82,6 %<br />
Pre 1 Post 1 Pre 2 Post 2<br />
–52,4 %<br />
–82,6 %<br />
Pre 1 Post 1 Pre 2 Post 2<br />
–74,1 %<br />
–92,6 %<br />
Pre 1 Post 1 Pre 2 Post 2<br />
Die Indikationsbereiche für die IAS sind denen der Plasmaaustausch-Behandlung<br />
vergleichbar. Die Datenlage über<br />
diese Behandlungsmodalität <strong>ist</strong> jedoch noch gering, so dass<br />
nur vereinzelt von gesicherten Indikationen gesprochen wird.<br />
Autoimmunerkrankungen präsentieren sich mit einer weit<br />
gestreuten klinischen Symptomatik, die auf unterschied-
- hochimmunisierte<br />
NTX-Patienten<br />
- humorale Abstoßung<br />
- Guillain-Barré-<br />
Syndrom<br />
- Myasthenia gravis<br />
- multiple Sklerose<br />
- SLE<br />
- M. Wegener<br />
dilatative<br />
CMP<br />
AB0-inkompatible<br />
Nierentransplantation<br />
Abb. 3: Immunadsorption<br />
IgG-Apherese<br />
Hemmkörperhämophilie<br />
- rheumatoide<br />
Arthritis<br />
- Pemphigus<br />
- autoimmune<br />
hämolyt. Anämie<br />
- ITP<br />
lichen pathophysiologischen Mechanismen beruht. In der<br />
Regel geht man heute davon aus, dass durch die IAS humorale<br />
Immunreaktionen therapierbar sein sollten (Abbildung 3).<br />
Nachfolgend sind die derzeit häufigsten Indikationen kurz<br />
zusammengefasst.<br />
Hämatologie: Die hämatologische Hauptindikation <strong>ist</strong> die<br />
Hemmkörperhämophilie. Hierbei wird heute auch aus Kostengründen<br />
und wegen der Effektivität der Einsatz der IAS<br />
bevorzugt (siehe Beitrag von Prof. Zeitler).<br />
Bei Blutgruppen-ungleicher Knochenmarkstransplantation<br />
mit folgender aregeneratorischer Anämie induziert durch<br />
hohe Isoagglutinintiter, scheint eine Indikation für die IAS<br />
vorzuliegen (siehe Beitrag von Prof. Rabitsch). Bei den weiteren<br />
hämatologischen Indikationen liegen zum jetzigen Zeitpunkt<br />
nur sehr begrenzt positive Erfahrungen vor, die Protein-A-IAS<br />
<strong>ist</strong> jedoch in den USA eine „FDA-approved“-<br />
Therapieoption bei der Immun-Thrombozytopenie.<br />
<strong>Nephrologie</strong>: In der <strong>Nephrologie</strong> gibt es zunehmend positive<br />
Erfahrungen mit IAS bei der Transplantation von hochsensibilisierten<br />
Nierenempfängern. Wiederholte Organtransplantationen<br />
werden durch zunehmende Sensibilisierung<br />
des Empfängers (vermehrt zytotoxische AK) gegen<br />
fremde HLA-Eigenschaften immunologisch schwieriger.<br />
Durch eine vorbereitende IAS gelingt es die HLA-AK-Konzentrationen<br />
so weit abzusenken, dass in einem akzeptablen<br />
Zeitraum Spenderorgane mit negativem Crossmatch gefunden<br />
werden.<br />
Eine weitere Indikation für die IAS <strong>ist</strong> das Auftreten einer<br />
h<strong>ist</strong>ologisch gesicherten humoralen Abstoßung (C4d-positiv)<br />
auch bei nicht hochimmunisierten Nierentransplantatempfängern,<br />
wobei die Effektivität der IAS mittlerweile in einer<br />
prospektiven randomisierten Studie gezeigt wurde (siehe Beitrag<br />
von Prof. Böhmig).<br />
Ein interessantes neues Feld stellt die Nierentransplantation<br />
bei AB0-inkompatibler Spender-Empfänger-Konstellation<br />
dar. Durch eine selektive IAS (Glycosorb A oder Glycosorb<br />
B) können in der Prätransplant- und in der unmittelbaren<br />
Posttransplant-Phase Anti-A- und/oder Anti-B-AK entfernt<br />
werden. Damit gelingt es, hyperakute Abstoßungen zu verhindern<br />
und ein befriedigendes Transplantat- und Patientenüberleben<br />
zu erreichen (siehe Beitrag von Dr. Beimler).<br />
Die überwiegend positiven Resultate, die in den 90er Jahren<br />
bei der FSGS unter IAS publiziert wurden, konnten in den<br />
folgenden Studien nur teilweise bestätigt werden. Eigene Ergebnisse<br />
zeigen, dass es nach initialem Rückgang der Proteinurie<br />
rasch zu einem Rezidiv der Erkrankung kam. Die Erfahrungen<br />
bei einer RPGN reduzieren sich auf vereinzelte,<br />
durchwegs positive Berichte bezüglich des Einsatzes der IAS.<br />
Da auch der SLE eine durch Immunkomplexe mediierte Systemerkrankung<br />
<strong>ist</strong>, wurde dieses extrakorporale Verfahren bei<br />
schweren Verläufen und auch bei Multiorganbefall zur Anwendung<br />
gebracht (siehe Beitrag von Dr. Stummvoll).<br />
Neurologie: Das Spektrum dieser Erkrankungen inkludiert<br />
die neurologischen Indikationen wie Myasthenia gravis, wo<br />
Acetylcholinrezeptor-AK zu einer Störung der Muskelfunktion<br />
führen, und das Guillain-Barré-Syndrom, bei dem bis<br />
heute keine spezifischen AK für das Auftreten der Krankheit<br />
identifiziert werden konnten, aber extrakorporale Therapieverfahren<br />
sich als effektiv erwiesen haben. Vor allem bei Patienten<br />
mit Myasthenie, die unter konventioneller Therapie<br />
einen unbefriedigenden Verlauf hatten, kann durch intermittierende<br />
IAS, in den me<strong>ist</strong>en Fällen 2 Behandlungen alle 2<br />
Wochen, ein befriedigender klinischer Zustand erreicht und<br />
so die Dosis der potenziell knochenmarktoxischen Medikamente<br />
(z. B. Azathioprin) in vielen Fällen reduziert werden.<br />
Kardiologie: In der Kardiologie konnten klinische Studien<br />
den positiven Einsatz der IAS bei der dilatativen Kardiomyopathie<br />
(CMP) zeigen. Die dilatative CMP <strong>ist</strong> durch eine progrediente<br />
Abnahme der myokardialen Pumpfunktion und<br />
durch ventrikuläre Dilatation charakterisiert. Bei Patienten<br />
mit CMP haben sich zirkulierende, gegen kardiale zelluläre<br />
Proteine gerichtete Auto-AK nachweisen lassen, die durch<br />
IAS entfernt werden können. Nach initial dramatischer Besserung<br />
<strong>ist</strong> es im Langzeitverlauf dann nur zu einer minimalen<br />
Verschlechterung der kardialen Pumpfunktion gekommen.<br />
Auch in wiederholten prospektiven Studien konnten<br />
diese Ergebnisse bestätigt werden, Herzindex und Schlagvolumenindex<br />
stiegen signifikant an, der systemvaskuläre und<br />
pulmonalvaskuläre Widerstand nahmen signifikant ab (siehe<br />
Beitrag von Prof. Staudt).<br />
Bullöse Autoimmundermatosen: Die me<strong>ist</strong>en bullösen<br />
Hauterkrankungen weisen typischerweise gewebegebundene<br />
und zirkulierende AK gegen Strukturproteine der Haut<br />
auf. Trotz der systemischen Gabe von Steroiden, auch in<br />
Kombination mit anderen Immunsuppressiva, kann bei manchen<br />
Patienten mit bullösen Hauterkrankungen, z. b. einem<br />
Pemphigus vulgaris, kein befriedigender klinischer Erfolg erreicht<br />
werden. Durch den initial hochfrequenten Einsatz der
21<br />
IAS und einer anschließenden Ausschleichphase konnte bei<br />
einem Großteil der Patienten eine komplette Abheilung der<br />
Hautläsionen beobachtet werden (siehe Beitrag von Prof.<br />
Grabbe).<br />
Rheumatoide Arthritis: Bei der rheumatoiden Arthritis liegen<br />
positive Ergebnisse mit einer Protein-A-Säule (Prosorba ® )<br />
vor, die in dieser Indikation zur FDA-Zulassung geführt<br />
haben. Es konnte eine hochsignifikante Abnahme der Entzündungsaktivität<br />
nachgewiesen werden. Bei den jedoch derzeit<br />
verfügbaren potenten Primärtherapien spielt die IAS bei<br />
dieser Indikation nur eine untergeordnete Rolle.<br />
■<br />
Die Immunadsorption kann vorrangig über periphere Venen<br />
durchgeführt werden. Durch wiederholte Immunadsorptionen<br />
gelingt eine > 95%ige Absenkung der zirkulierenden IgG. Eine<br />
Substitution von intravenösen Immunglobulinen <strong>ist</strong> nicht notwendig,<br />
da keine gesteigerte Infektanfälligkeit beobachtet<br />
wurde. Obwohl es wenige gesicherte Indikationen für die Immunadsorption<br />
gibt, geht man heute jedoch davon aus, dass<br />
humorale Immunreaktionen mit diesem Verfahren therapierbar<br />
sein sollten.<br />
ANMELDUNG:<br />
Klinische Abteilung<br />
für <strong>Nephrologie</strong>,<br />
Medizinische Universität<br />
Innsbruck<br />
z. Hd. Herrn ao. Univ.-Prof.<br />
Alexander Rosenkranz<br />
6020 Innsbruck,<br />
Anichstraße 35<br />
Tel.: +43/512/504-25857<br />
oder E-Mail:<br />
alexander.rosenkranz@<br />
i-med.ac.at
22<br />
Immunologische Grundlagen von<br />
Plasmaaustausch und Immunadsorption<br />
ao. Univ.-Prof. Dr. Gerhard Zlabinger<br />
Institut für Immunologie, Zentrum für Physiologie, Pathophysiologie und Immunologie, Medizinische Universität Wien<br />
Um einem Organismus pathogene Substanzen auf möglichst<br />
selektive Weise zu entziehen, wurden seit den<br />
70er Jahren verstärkt extrakorporale Therapieverfahren<br />
etabliert, welche mittlerweile bei zahlreichen klinischen<br />
Indikationen wie Stoffwechselerkrankungen, Autoimmunerkrankungen<br />
oder Abstoßungsreaktionen zur Anwendung<br />
kommen.<br />
Die Vorgangsweise dabei <strong>ist</strong>, entweder eine Substitution des<br />
Blutplasmas der Patienten vorzunehmen oder die schädigenden<br />
Substanzen mittels eines chromatographischen Trennverfahrens<br />
aus dem Plasma zu eliminieren.<br />
Tabelle: Bindungsstärke von Protein A und<br />
Protein G für polyklonale IgG von<br />
verschiedenen Spezies<br />
Spezies Protein A Protein G Protein A/G<br />
Mensch<br />
IgG 1, 2, 4 ++ ++ ++<br />
IgG 3 – ++ ++<br />
Maus<br />
IgG 1 – + +<br />
IgG 2a, 2b, 3 ++ ++ ++<br />
Ratte – + +<br />
Meerschweinchen ++ + ++<br />
Kaninchen ++ ++ ++<br />
Schaf – ++ ++<br />
Ziege + ++ ++<br />
Schwein ++ – ++<br />
Huhn – – –<br />
Hund ++ + ++<br />
Kuh + ++ ++<br />
Pferd – ++ ++<br />
++ starke Bindung; + mittelstarke Bindung; – schwache oder keine Bindung<br />
Apherese: Behandlungsverfahren, deren Therapieeffekt auf<br />
der extrakorporalen Entfernung oder physikalischen/chemischen/biologischen<br />
Modifikation<br />
einer pathogenen Substanz bzw. pathogener<br />
Zellen des Blutes basiert,<br />
werden als Apheresen bezeichnet.<br />
Plasmaaustausch: Bei einer Plasmapherese<br />
wird die Elimination von Inhaltstoffen<br />
im Plasma durch den<br />
Austausch des patienteneigenen Plasmas<br />
(therapeutischer Plasmaaustausch)<br />
durch geeignete Substitutionslösungen<br />
aus Elektrolyten, Plasmaexpandern, Humanalbumin<br />
oder Frischplasma nach Separation des Plasmas mittels<br />
eines Membranplasmaseparators oder durch eine Hämozentrifuge<br />
bewerkstelligt.<br />
Immunadsorption: Andererseits wird bei selektiveren Verfahren<br />
die Entfernung des schädigenden Agens durch Adsorption,<br />
Präzipitation oder Filtration durchgeführt. Bei der<br />
Immunadsorption kommt es zur Bindung von Immunglobulinen<br />
an geeignete Liganden, welche an einer Festphase immobilisiert<br />
sind. Nach Plasmaseparation wird das Plasma<br />
über die eigentlichen Adsorptionssäulen geleitet, wo es zur<br />
Bindung der jeweiligen Antikörper bzw. von Immunkomplexen<br />
an ihre Liganden kommt. Hierbei kann eine Selektivität<br />
der Bindung für bestimmte Immunglobulinklassen (z. B.<br />
IgG), aber auch für bestimmte Antigene erreicht werden (z.<br />
B. Coraffin ® für Antikörper gegen 1 -adrenerge Rezeptoren).<br />
Das Verfahren folgt me<strong>ist</strong> einem Doppelsäulensystem, bei<br />
dem eine Säule von Plasma durchströmt wird, während die<br />
zweite regeneriert wird und somit für eine erneute Bindung<br />
vorbereitet wird. Auf diese Weise kann eine Elimination des<br />
Gesamt-IgG um bis zu 90 % des Ausgangswertes erreicht<br />
werden.<br />
Affinitätschromatographie<br />
ao. Univ.-Prof. Dr.<br />
Gerhard Zlabinger<br />
Der Immunadsorption liegt das Prinzip der Affinitätschromatographie<br />
zu Grunde, welches auf der Eigenschaft von biologischen<br />
Makromolekülen basiert, spezifisch und reversibel<br />
an andere Substanzen (Liganden) zu binden (Abb.). Solche
23<br />
Interaktionen, die für die Affinitätschromatographie genutzt<br />
werden, bestehen z. B. zwischen Antigen und Antikörper<br />
oder Enzym und Substrat. Eine der beiden Komponenten<br />
wird dabei kovalent und irreversibel an eine wasserunlösliche<br />
polymere Matrix fixiert.<br />
Immobilisierte Liganden auf Trägermaterialien: Die so erhaltene<br />
Liganden-beladene Matrix wird in eine Trennsäule<br />
gegeben und das zu trennende Substanzgemisch, welches die<br />
zu isolierende Komponente enthält, wird appliziert. Dabei<br />
erkennt und bindet dann der immobilisierte Ligand aus dem<br />
komplexen Gemisch mit hoher Spezifität nur den zu ihm<br />
passenden Bindungspartner, während alle anderen Bestandteile<br />
des Substanzgemisches die Säule ungebunden passieren.<br />
Eine wesentliche Voraussetzung für dieses Verfahren <strong>ist</strong>, dass<br />
der Ligand seine Fähigkeit, an das Zielmolekül zu binden,<br />
auch in fixiertem Zustand beibehält.<br />
Als Trägermaterialien haben sich insbesondere Agarose und<br />
Dextran in Form kleiner Kügelchen etabliert, welche relativ<br />
formstabile Hydrogele bilden und nur geringe unspezifische<br />
Wechselwirkungen zeigen.<br />
Als Möglichkeit zur Immobilisation von Affinitätsliganden<br />
hat sich die kovalente Bindung an das Trägermaterial als vielseitigst<br />
verwendbare Methode erwiesen. Für die Kopplung<br />
von Liganden mit dem Trägermaterial <strong>ist</strong> es vorteilhaft, wenn<br />
auf der einen Seite nukleophile Gruppen (Amino-, Hydroxyl-,<br />
Thio-Reste) und auf der anderen Seite elektrophile Gruppen<br />
(Aldehyde, Ketone, Isocyanate, Isothiocyanate, Epoxide) vorhanden<br />
sind. Die klassische Methode <strong>ist</strong> die Bromcyan-Aktivierung<br />
von Agarose bzw. von Polysaccharid-Beads. Durch<br />
Reaktion mit den Hydroxyl-Gruppen der Agarose kommt es<br />
zur Ausbildung von höchst reaktiven Cyanatester-Gruppen,<br />
welche mit primären Amino-Gruppen der jeweiligen Liganden<br />
stabile Isoharnstoff-Bindungen ausbilden.<br />
Regeneration der Affinitätssäulen: Von großer Bedeutung<br />
für den Trennprozess <strong>ist</strong> auch die nachfolgende Elution. Die<br />
Dissoziation des Bindungspartners von seinem Liganden<br />
kann durch Zugabe einer Lösung mit ungebundenem Liganden<br />
(oder Analoga) erfolgen. Die Elution kann auch durch<br />
eine starke Veränderung des pH-Wertes, der Ionenstärke oder<br />
der Temperatur vorgenommen werden. Dissoziierend wirkende<br />
Substanzen wie Detergentien oder Harnstoff können<br />
ebenfalls verwendet werden, um derartige Affinitätssäulen<br />
wieder zu regenerieren und einer Wiederverwendung zuzuführen.<br />
Affinitätsliganden<br />
Man kann zwei Klassen von Affinitätsliganden entsprechend<br />
der Art der Affinität unterscheiden.<br />
• Die Wirkweise eines biologischen Adsorbers beruht auf der<br />
Abb.: Prinzip der Affinitätschromatographie<br />
biologischen Wechselwirkung zu einem natürlichen Bindungspartner,<br />
wie es bei der Antigen-Antikörper-Reaktion<br />
zu beobachten <strong>ist</strong>. In diesem Fall <strong>ist</strong> aufgrund der hohen<br />
Spezifität der Bindung eine hohe Bindungsaffinität gegeben.<br />
Derartige bioaktive Liganden können jedoch chemisch<br />
und biologisch instabil sein, sodass deren Sterilisation<br />
bzw. ihre Verwendung in kommerziellen Herstellungsprozessen<br />
problematisch sein kann.<br />
• Ein so genannter nicht-biologischer Adsorber entfaltet seine<br />
Affinität über physikochemische Interaktionen wie Ionenbindungen<br />
bzw. hydrophobe Wechselwirkungen (z. B. mit<br />
Tryptophan oder Phenylalanin). Derartige Affinitätsliganden<br />
weisen dadurch eine geringere Spezifität auf, haben<br />
aber den Vorteil, dass sie viel stabiler und auch leichter sterilisierbar<br />
sind.<br />
Immunglobulin-bindende Moleküle mit me<strong>ist</strong> bakteriellem<br />
Ursprung: Bei der Immunadsorption wird eine hohe Selektivität<br />
für die Bindung von Antikörpern entweder durch<br />
die Verwendung von spezifischen Antikörpern gegen die zu<br />
entfernenden Antikörper einer bestimmten Spezies oder<br />
durch den Einsatz von hochaffinen Immunglobulin-bindenden<br />
Molekülen me<strong>ist</strong> bakteriellen Ursprungs erreicht.<br />
• Protein A <strong>ist</strong> ein derartiges Membranprotein von Staphylococcus<br />
aureus, welches zwischen den CH2- und CH3-<br />
Domänen der konstanten Abschnitte von IgG-Molekülen<br />
unabhängig von deren Spezifität bindet, aber auch eine<br />
Bindungsstelle für den variablen Abschnitt von Immunglobulinen<br />
besitzt, welche der VH3-Familie angehören.<br />
Letztere Wechselwirkung dürfte insbesondere auch für die<br />
biologische Wirkung von Protein A als Virulenzfaktor von<br />
Staphylococcus aureus von Bedeutung sein, da es dadurch<br />
zur Aktivierung und nachfolgender Apoptose der gebundenen<br />
B-Zellen kommt.
24<br />
• Protein G <strong>ist</strong> ein Zellwandprotein aus Streptokokken der<br />
Gruppe C und G, welches ebenfalls eine starke Bindungsaffinität<br />
zur Fc-Region von IgG hat, aber im Vergleich zu<br />
Protein A ein breiteres Spektrum an Immunglobulin-Isotypen<br />
verschiedener Spezies bindet (siehe Tab.). Neben den<br />
zwei Immunglobulin-bindenden Stellen besitzt Protein G<br />
noch die Möglichkeit, an Albumin bzw. auch an Zelloberflächen<br />
zu binden.<br />
• Protein A/G <strong>ist</strong> ein genetechnisch hergestelltes Protein,<br />
welches die Bindungseigenschaften von Protein A und Protein<br />
G vereinigt und an alle humanen IgG-Subklassen mit<br />
nennenswerter Affinität bindet, aber keine weiteren<br />
Wechselwirkungen mit anderen Molekülen eingeht.<br />
• Daneben gibt es noch eine Reihe weiterer bakterieller<br />
Membranproteine wie z. B. Protein L von Peptostreptococcus<br />
magnus oder EibG von E. coli.<br />
Derzeit im klinischen Alltag in Verwendung stehende Liganden<br />
sind Polyacrylsäure (DALI ® -Systeme, Fresenius Medical<br />
Care) und Dextransulfat (Liposorber ® -System, Kaneka<br />
Corp.) zur Entfernung von LDL und Lp (a), wobei Letzteres<br />
auch zur Elimination von kationischen Anti-dsDNS-AK<br />
und Immunkomplexen aus dem Plasma von SLE-Patienten<br />
verwendet wird, sowie eine Reihe von Immunglobulin-bindenden<br />
Substanzen. Unter diesen sind insbesondere<br />
Phenylalanin und Tryptophan (Immusorba ® , ASAHI Kasei<br />
Medical), polyklonale Anti-human-Immunglobulin-Schafsantikörper<br />
(Ig-Therasorb ® -System, Miltenyi), das Staphylokokken-Toxin<br />
Protein-A (Immunosorba ® -System und Prosorba<br />
® -System, Fresenius Medical Care) sowie synthetisch<br />
hergestellte Peptide (Globaffin ® und Coraffin ® , Fresenius<br />
Medical Care) zu erwähnen. Weitere Liganden sind Protein<br />
G, Protein A/G für Immunglobuline, C 1q für Immunkomplexe,<br />
Concanavalin A für Polysaccharide, Glykoproteine<br />
und Glykolipide, Lysin für Plasminogen, Plasminogen-Aktivator<br />
und ribosomale RNA sowie Adenosin-5’-Monophosphat<br />
für NAD + -abhängige Dehydrogenasen.<br />
■<br />
Immunadsorption<br />
Methodische Grundlage: Affinitätschromatographie<br />
Affinitätsliganden: a) biologisch, b) nicht-biologisch<br />
- ad a) biologische Wechselwirkung zwischen Ligand und<br />
Bindungspartner<br />
(z. B. Antigen-Antikörper-Reaktion)<br />
Vorteil: hohe Spezifität und hohe Affinität<br />
Nachteil: biologische und produktionstechnische<br />
Instabilität<br />
- ad b) physikochemische Interaktion der Bindungspartner<br />
Vorteil: produktionstechnische Stabilität<br />
Nachteil: geringere Affinität und Spezifität<br />
FOTO: PICTUREDESK.COM
26<br />
STELLENWERT BEI HOCHIMMUNISIERTEN PATIENTEN UND BEI<br />
HUMORALER ABSTOSSUNG (AKARIS-STUDIE)<br />
Immunadsorption und Transplantation<br />
ao. Univ.-Prof. Dr. Georg A. Böhmig<br />
Abteilung für <strong>Nephrologie</strong> und Dialyse, Univ.-Klinik für Innere Medizin III, Medizinische Universität Wien<br />
In diesem Beitrag soll der Stellenwert der Immunadsorption<br />
in Prävention und Therapie Alloantikörper-vermittelter<br />
Abstoßungskrisen besprochen werden. Diskutiert<br />
wird die Bedeutung der Immunadsorption als präemptive<br />
Strategie zur Überwindung harter immunologischer Barrieren<br />
(Crossmatch-positive Leichennierentransplantation),<br />
zudem auch die Ergebnisse einer aktuellen randomisierten<br />
kontrollierten Studie (AKARIS-Studie), welche die<br />
zuvor postulierte Effizienz der Immunadsorption in der<br />
Therapie schwerer C 4d -positiver akuter humoraler Abstoßungskrisen<br />
unterstreichen.<br />
C 4d -positive schwere Tx-Dysfunktion<br />
Randomisierung – Computer-basiert,<br />
Stratifiziert: (1) Spenderalter, (2) zelluläre Abstoßung<br />
Gruppe A<br />
IA-Therapie<br />
Tx = Transplantation,<br />
IA = Immunadsorption<br />
Abb. 1: Design der AKARIS-Studie<br />
Gruppe B<br />
keine IA<br />
Tacrolimus-Switch<br />
Standardtherapie bei zellulärer Abstoßung<br />
(Steroide ± ATG bei Banff-'97-Abstoßung)<br />
IA-Rescue nach 21 d<br />
Nicht-Ansprechen<br />
Die Entität der Alloantikörper-bedingten Abstoßung („antibody-mediated<br />
rejection“, AMR) nach Nierentransplantation<br />
<strong>ist</strong> heute allgemein etabliert. Diagnostische Kriterien der<br />
akuten AMR (serologischer Nachweis von Alloantikörpern,<br />
Pathoh<strong>ist</strong>ologie, kapilläre Ablagerung von C 4d ) sind mittlerweile<br />
in die Banff-Klassifikation integriert. Der mehrfach gezeigte<br />
klinisch prädiktive Wert einer Ablagerung des Komplementspaltprodukts<br />
C 4d in Nierentransplantaten unterstreicht<br />
den besonderen diagnostischen<br />
Wert dieses Markers im klinischen<br />
Kontext.<br />
C 4d -positive Abstoßungsepisoden<br />
sind oft therapierefraktär und sprechen<br />
in vielen Fällen nur auf spezifische<br />
„antihumorale“ Therapiestrategien<br />
an. Während die Notwendigkeit<br />
spezifischer therapeutischer Maßnahmen<br />
bei schweren klinischen Verläufen<br />
unumstritten <strong>ist</strong>, bleibt nach derzeitigem Wissensstand<br />
offen, ob C 4d -Positivität bei leichter Dysfunktion oder subklinischem<br />
Verlauf einer Therapie bedarf. In diesem Zusammenhang<br />
wesentlich <strong>ist</strong> die Erkenntnis, dass frühe C 4d -Positivität<br />
das spätere Auftreten irreversibler morphologischer<br />
Läsionen (z. B. chronische Transplantat-Glomerulopathie)<br />
begünstigen dürfte.<br />
Immunadsorption<br />
bei akuter humoraler Abstoßung<br />
Die ungünstige Prognose Antikörper-vermittelter Abstoßung<br />
impliziert den Bedarf an gezielten therapeutischen<br />
(„antihumoralen“) Maßnahmen. Wesentliches Standbein<br />
„antihumoraler“ Therapie sind extrakorporale Verfahren mit<br />
dem Ziel einer Elimination pathogener Alloantikörper<br />
(Apherese). In mehreren unkontrollierten Analysen wurde<br />
über die Effizienz polypragmatischer Plasmapherese-basierter<br />
Protokolle (Plasmapherese kombiniert mit intravenösen<br />
Immunglobulinen, Tacrolimus/Mycophenolat-Mofetil<br />
(MMF) und/oder Antilymphozyten-Antikörper) als „antihumorale“<br />
Abstoßungstherapie berichtet.<br />
AKARIS-Studie<br />
ao. Univ.-Prof. Dr.<br />
Georg A. Böhmig<br />
Unkontrollierte Analysen, auch eine Serie unserer Transplantationseinheit,<br />
weisen auf eine Effektivität einer Immunadsorption<br />
mit Protein A bei Antikörper-mediierten Abstoßungskrisen<br />
hin. Eine von unserer Arbeitsgruppe initiierte<br />
randomisierte kontrollierte Studie (AKARIS, „acute kidney
28<br />
allograft rejection immunoadsorption study“) unterstreicht<br />
letztlich die hohe „antihumorale“ Effizienz der Immunadsorption<br />
bei akuter humoraler Abstoßung. Unsere Interventionsstudie<br />
wurde als randomisierte, kontrollierte Analyse<br />
konzipiert. Zwei Zentren (Medizinische Universität Wien;<br />
Krankenhaus der Elisabethinen, Linz) nahmen teil. Inkludiert<br />
wurden Patienten mit schwerer akuter Transplantat-<br />
Dysfunktion (Kreatinin 4 mg/dl bzw. Dialysepflicht) und<br />
bioptischem Nachweis kapillärer Ablagerungen von C 4d .<br />
Design: Die Randomisierung erfolgte in zwei Gruppen:<br />
Gruppe A: Immunadsorption (Protein A) sowie Konversion<br />
auf Tacrolimus (wenn nicht bereits Komponente der Bas<strong>ist</strong>herapie);<br />
Gruppe B: Tacrolimus ohne Immunadsorption.<br />
Bei zellulärer Abstoßung wurde in beiden Gruppen nach<br />
Zentrumsstandard therapiert (Hochdosissteroide und/oder<br />
Antilymphozyten-Antikörper). Bei Nichtansprechen über 21<br />
Tage hatten die Patienten der Kontrollgruppe die Option<br />
einer „Rescue-Therapie“ mit Immunadsorption. Pro Immunadsorptionssitzung<br />
wurde das 2,5-Fache des errechneten Plasmavolumens<br />
behandelt. Die Immunadsorption wurde<br />
während der ersten 3 Tage täglich, dann 2–3 x/Woche durchgeführt<br />
(maximale Behandlungsdauer: 6 Wochen). Das Studiendesign<br />
<strong>ist</strong> in Abbildung 1 dargestellt.<br />
Kumulatives Tx-Überleben<br />
Kaplan-Meier-Überleben<br />
1,0 -<br />
0,8 -<br />
0,6 -<br />
0,4 -<br />
0,2 -<br />
0,0 -<br />
-<br />
p = 0,04<br />
-<br />
Gruppe A<br />
-<br />
Gruppe A<br />
-<br />
0 12 24 36<br />
Monate nach Randomisierung<br />
Abb. 2: Ergebnisse der AKARIS-Studie<br />
Ansprechrate<br />
Gruppe A 5/5<br />
Gruppe B 1/5<br />
p = 0,048<br />
Ergebnisse: Zwischen 2001 und 2005 wurden 10 von insgesamt<br />
756 Nierentransplantatempfängern inkludiert. Die<br />
Studienergebnisse sind in Abbildung 2 illustriert. Alle 5 Patienten<br />
der Gruppe A sprachen gut auf die Therapie mit Immunadsorption<br />
an. Zwei Patienten mit zusätzlich zellulärer<br />
Abstoßung erhielten eine antizelluläre Therapie. 21 Tage<br />
nach Randomisierung lag das Serum-Kreatinin in Gruppe A<br />
bei 2,2 mg/dl. Ein Patient verstarb nach 5 Wochen mit funktionierendem<br />
Transplantat an einer Therapie-unabhängigen<br />
Komplikation (Aspirationspneumonie mit nachfolgender<br />
Sepsis). Die anderen 4 Patienten zeigten über den gesamten<br />
Beobachtungszeitraum eine gute Organfunktion. In Gruppe<br />
B kam es nur bei einer Patientin zu einer Stabilisierung der<br />
Nierenfunktion. Die anderen 4 Patienten blieben dialysepflichtig,<br />
wobei ein Empfänger eine AMR-bedingte Transplantatnekrose<br />
entwickelte. Bei den anderen 3 „Non-Respondern“<br />
ergaben serielle Folgebiopsien ein Fortbestehen humoraler<br />
Abstoßungszeichen. Gemäß Protokoll wurde bei diesen<br />
Patienten nach 21 Tagen eine Rescue-Therapie mit Immunadsorption<br />
durchgeführt, allerdings ohne Effekt auf die<br />
Transplantatfunktion. Ein Vergleich der beiden Gruppen<br />
bzgl. unzensurierten Transplantatüberlebens bzw. Ansprechens<br />
der Therapie innerhalb von 3 Wochen (Abb. 2) ergab<br />
signifikante Unterschiede (p < 0,05). Nach Durchführung<br />
einer ersten Interimsanalyse wurde die Studie im Konsens beendet.<br />
Gründe für den Studienabbruch waren nicht nur die<br />
hohe Rate an Transplantatverlusten in der Kontrollgruppe,<br />
sondern auch die zwischenzeitliche Publikation mehrerer unkontrollierter<br />
Analysen, die eine Effizienz von Plasmapherese<br />
plus IVIG diskutierten, und nicht zuletzt die unerwartet<br />
niedrige Inzidenz an schwerer AMR, die zu einer inakzeptablen<br />
Verlängerung der Rekrutierungsphase geführt hätte.<br />
Diskussion: Trotz begrenzter Fallzahl unterstützen die Ergebnisse<br />
unserer Studie die Effizienz einer frühzeitig eingesetzten<br />
Immunadsorption mit Protein A bei Antikörper-vermittelter<br />
Nierentransplantatabstoßung. Basierend auf diesen<br />
Ergebnissen empfehlen wir den Einsatz dieser Therapie bei<br />
C 4d -positiver AMR als Teil einer Biopsie-basierten Differenzialtherapie.<br />
Ein Vergleich der Effizienz unterschiedlicher Strategien, wie<br />
z. B. Plasmapherese (als Komponente einer polypragmatischen<br />
Strategie) vs. Immunadsorption steht momentan aus.<br />
In Hinblick auf die Seltenheit humoraler Abstoßungskrisen<br />
und die für eine Analyse theoretisch notwendige hohe Fallzahl<br />
<strong>ist</strong> die Durchführung einer solchen Vergleichsstudie<br />
wohl kaum möglich. Es bleibt aber anzumerken, dass in einer<br />
kleinen Fallserie eine effiziente Reversion Plasmapherese-refraktärer<br />
humoraler Abstoßung durch Immunadsorption erreicht<br />
werden konnte. Ein wesentlicher Vorteil der Immunadsorption<br />
könnte dabei die selektive und höchst effiziente<br />
Antikörper-Elimination sein. Sowohl für Plasmapherese als<br />
auch Immunadsorption bleibt ungeklärt, warum ein kurzer<br />
Apherese-Therapiezyklus über längere Zeit eine stabile<br />
Transplantatfunktion, oft ohne Notwendigkeit weiterer Interventionen,<br />
ermöglicht. Mit einem immunmodulatorischen<br />
Effekt extrakorporaler Therapien (Induktion einer Immuntoleranz)<br />
kann spekuliert werden.
29<br />
Immunadsorption<br />
bei chronischer humoraler Abstoßung<br />
Ein hochaktuelles Thema <strong>ist</strong> die evidente Bedeutung Alloantikörper-abhängiger<br />
Mechanismen in der Genese der chronischen<br />
Transplantatdysfunktion bzw. Abstoßung. Eine der<br />
großen Herausforderungen <strong>ist</strong> die Therapie der chronischen<br />
humoralen Abstoßung. Zu diesem Thema gibt es kaum Literatur<br />
und die wenigen verfügbaren Studien sind widersprüchlich.<br />
Diskutierte Therapieoptionen umfassen eine Umstellung<br />
der Bas<strong>ist</strong>herapie auf Tacrolimus und/oder MMF<br />
oder den Einsatz von hochdosiertem IVIG. Prospektive kontrollierte<br />
Analysen sind allerdings noch ausständig. Eine<br />
mögliche Effizienz einer Immunadsorptionsbehandlung in<br />
der Behandlung chronisch humoraler Abstoßungsprozesse<br />
kann mangels entsprechender Studien nur spekuliert werden.<br />
Stellenwert nur bei frühzeitigem Einsatz Wir berichteten<br />
über einen Patienten mit bereits fortgeschrittener chronischer<br />
humoraler Abstoßung (C 4d -positive Transplantat-Glomerulopathie,<br />
große Proteinurie), bei dem auch eine Immunadsorptionstherapie<br />
eine weitere Transplantatfunktionsverschlechterung<br />
nicht aufhalten konnte. Diese präliminären Ergebnisse<br />
weisen darauf hin, dass auch hocheffiziente Strategien<br />
zur Antikörper-Elimination bei bereits fortgeschrittener<br />
chronischer Organdysfunktion wenig effektiv sein dürften.<br />
Es <strong>ist</strong> wohl anzunehmen, dass ein frühzeitiger Einsatz solcher<br />
Strategien, z. B. auf Basis von Protokollbiopsien oder serologischem<br />
Monitoring, entscheidend <strong>ist</strong>.<br />
Immunadsorption<br />
bei humoraler Vorsensibilisierung<br />
Eine humorale Empfänger-Vorsensibilisierung bedingt oft inakzeptable<br />
Wartezeiten und <strong>ist</strong> ein wesentlicher Risikofaktor<br />
für einen Transplantatverlust durch AMR. Es gibt zahlreiche<br />
Versuche, durch immunmodulierende bzw. immunsuppressive<br />
Maßnahmen (z. B. hochdosiert IVIG oder Apherese) im<br />
Vorfeld der Transplantation den Sensibilisierungsgrad zu reduzieren,<br />
mit dem Ziel einer Wartezeitverkürzung und Reduktion<br />
des Abstoßungsrisikos.<br />
Crossmatch-Negativierung: Ein heißes Thema <strong>ist</strong> Transplantation<br />
über die immunologische Barriere eines positiven<br />
Prä-Transplant-Crossmatches. Tatsächlich <strong>ist</strong> es bei der Lebendtransplantation<br />
gelungen, durch hochdosiertes IVIG<br />
und/oder Einsatz extrakorporaler Therapieverfahren ein positives<br />
zytotoxisches Crossmatch zu negativieren und erfolgreich,<br />
mit gutem Ergebnis, zu transplantieren.<br />
„Peri-Transplant-Immunadsorption“ am Transplantationszentrum<br />
Wien: Aufgrund der zeitlichen Limitation <strong>ist</strong><br />
die Situation bei der Crossmatch-positiven Leichenspende<br />
viel schwieriger. Hier muss, im Gegensatz zur Lebendspende,<br />
eine Crossmatch-Negativierung innerhalb weniger Stunden<br />
im Rahmen der präoperativen Vorbereitung erfolgen. Die an<br />
unserem Zentrum eingesetzte „Peri-Transplant-Immunadsorption“<br />
stellt dabei eine gangbare Strategie dar. Dieses<br />
präemptive Schema umfasst eine einmalige, unmittelbar<br />
präoperativ durchgeführte Immunadsorptionsbehandlung,<br />
gefolgt von seriellen postoperativen Therapiesitzungen<br />
(Ziel: Prävention eines postoperativen Alloantikörper-Rebounds).<br />
Zudem erfolgt eine Antilymphozytenantikörper-Induktionstherapie.<br />
Zwischen 1999 und 2003 wurden am<br />
Transplantationszentrum Wien 40 Hochrisikoempfänger<br />
einer Leichenspende (mediane PRA-Reaktivität 77 %, 38 retransplantierte<br />
Patienten) unter Peri-Transplant-Immunadsorption<br />
transplantiert. Eine Inklusion war möglich, wenn<br />
das zytotoxische Crossmatch negativ war bzw. ein positives<br />
Prä-Transplant-Crossmatch durch eine einmalige präoperative<br />
Immunadsorptionsbehandung negativiert werden<br />
konnte. Um die Verlängerung der kalten Ischämiezeiten und<br />
das immunologische Risiko in Grenzen zu halten, wurden<br />
dabei nur Empfänger inkludiert, bei denen die Behandlung<br />
von maximal 6 l Plasmavolumen zu einer Crossmatch-Negativierung<br />
geführt hatte. Bei 9 Empfängern konnte ein positives<br />
zytotoxisches Crossmatch negativiert werden. Bei 31<br />
Empfängern war das zytotoxische Crossmatch bereits vor der<br />
präoperativen Immunadsorptionsbehandlung negativ. Ein<br />
Vergleich der Patientengruppen ergab weder einen Unterschied<br />
im 3-Jahres-Transplantatüberleben (78 % [Crossmatch-positiv)]<br />
versus 71 % [Crossmatch-negativ]) noch<br />
bzgl. der immunologischen Transplantatverlustrate sowie<br />
Transplantatfunktion im Langzeitverlauf.<br />
■<br />
Literatur beim Verfasser<br />
Die bedeutende Rolle Antikörper-vermittelter Immunmechanismen<br />
bei akuter und chronischer Abstoßung nach Nierentransplantation<br />
<strong>ist</strong> mittlerweile gut etabliert. Die Immunadsorption<br />
mit Protein A <strong>ist</strong> eine interessante therapeutische<br />
Strategie zur Elimination deletärer Alloantikörper, einerseits<br />
zur präemptiven Alloantikörper-Depletion, auch Negativierung<br />
eines positiven Prä-Transplant-Crossmatches, andererseits<br />
zur Behandlung etablierter Antikörper-vermittelter<br />
Abstoßungskrisen. Während in mehreren Studien, zuletzt in<br />
einer von unserer Arbeitsgruppe initiierten kontrollierten<br />
Analyse, über hohe Reversionsraten akuter Abstoßungskrisen<br />
unter extrakorporaler Therapie berichtet wurde, steht<br />
der Nachweis einer Effizienz solcher Strategien bei chronischer<br />
Antikörper-vermittelter Abstoßung noch aus.
30<br />
AB0-inkompatible Nierentransplantation<br />
Dr. Jörg Beimler<br />
Nierenzentrum Heidelberg, Sektion <strong>Nephrologie</strong>, Medizinische Universitätsklinik Heidelberg<br />
Trotz einer Zunahme der Lebendnierentransplantationen<br />
müssen in Abhängigkeit der Blutgruppenverteilung verschiedener<br />
Populationen 20–30 % aller potenziellen<br />
Lebendnierenspender aufgrund einer AB0-Inkompatibilität<br />
abgelehnt werden. Aktuelle Behandlungsprotokolle sind jedoch<br />
in der Lage, die Transplantation eines AB0-inkompatiblen<br />
Organs zu ermöglichen.<br />
Alexandre et al. veröffentlichten 1987 eine erste Serie von 26<br />
AB0-inkompatiblen Nierentransplantationen nach Splenektomie,<br />
Radiatio des Transplantats und immunsuppressiver<br />
Therapie mit Steroiden, Cyclosporin, Azathioprin, Antithymozytenglobulin<br />
und Transfusions-Donor-spezifischen<br />
Dr.<br />
Jörg Beimler<br />
Thrombozyten. Die geringen Langzeitüberlebensraten<br />
haben damals<br />
einen weiteren Einsatz der AB0-inkompatiblen<br />
Transplantation verhindert.<br />
Aufgrund des Mangels an Verstorbenenspendern<br />
wurden die me<strong>ist</strong>en<br />
AB0-inkompatiblen Transplantationen<br />
bislang in Japan durchgeführt.<br />
Aktuell veröffentlichte Ergebnisse<br />
zeigten einen sehr guten Langzeitverlauf<br />
AB0-inkompatibler Lebendspendetransplantationen in<br />
Japan. Ähnlich erfolgreiche Verläufe konnten mit in Europa<br />
und den USA entwickelten Protokollen gezeigt werden.<br />
Drei Protokolle<br />
Im Verlauf der letzten Jahre wurden im Wesentlichen 3 Behandlungsprotokolle<br />
entwickelt, die erfolgreiche AB0-inkompatible<br />
Nierentransplantationen ermöglichen.<br />
Der europäische Weg: Die Entwicklung einer spezifischen<br />
Anti-A- oder Anti-B-Säule zur Immunadsorption (Glycosorb<br />
® ) und der Einsatz des monoklonalen Anti-CD20-Antikörpers<br />
(Rituximab) in verschiedenen Protokollen führten<br />
zur erfolgreichen Etablierung der AB0-inkompatiblen Nierentransplantation<br />
als Routineverfahren in verschiedenen europäischen<br />
Ländern. Die erste Serie AB0-inkompatibler Nierentransplantationen<br />
wurde von der Stockholmer Arbeitsgruppe<br />
veröffentlicht. 21 Patienten wurden mit dem so genannten<br />
„Stockholmer Protokoll“ erfolgreich behandelt, bestehend<br />
aus der einmaligen Gabe von Rituximab (375<br />
mg/m 2 ) 2–4 Wochen vor Beginn der Immunadsorption, gefolgt<br />
von einer konventionellen Tripletherapie mit Tacrolimus,<br />
Mycophenolat-Mofetil und Prednisolon 1 Woche vor<br />
Immunadsorption. Präoperativ wurden Antikörper mittels<br />
der spezifischen Anti-A/B-Glycosorb ® -Säule entfernt. Die<br />
Glycosorb ® -Säule, eine niedermolekulare Kohlenhydratsäule,<br />
enthält an eine Sepharosematrix gekoppelte Blutgruppenantigene<br />
(A oder B). Die Immunadsorption mit der<br />
Glycosorb ® -Säule besitzt eine hohe Effektivität, IgG- und<br />
IgM-Isoagglutinin-Titer können mit einer einzelnen Immunadsorption<br />
um etwa 2–3 Titerstufen reduziert werden.<br />
FOTOS: PICTUREDESK.COM
31<br />
Durchschnittlich waren 4 präoperative<br />
Immunadsorptionen erforderlich, um den<br />
unmittelbar vor Transplantation angestrebten<br />
AB0-Antikörpertiter von < 1:8 zu<br />
erreichen. Nach der letzten präoperativen<br />
Immunadsorption wurden zusätzlich intravenöse<br />
Immunoglobuline in einer Dosis<br />
von 0,5 g/kg verabreicht. Um in der frühen<br />
postoperativen Phase einen Rebound der<br />
Antikörper zu vermeiden, wurden durchschnittlich<br />
3 zusätzliche postoperative Immunadsorptionen<br />
durchgeführt. Über<br />
einen maximalen Beobachtungszeitraum<br />
von 4 Jahren wurden keine Behandlungsassoziierten<br />
Komplikationen beobachtet,<br />
die Serumkreatininwerte der Patienten<br />
lagen im Normbereich. Ein spätes Wiederauftreten<br />
der Isoagglutinine konnte nicht<br />
beobachtet werden. Ähnlich gute Ergebnisse<br />
konnten mit geringfügigen Adaptationen<br />
dieses Behandlungsprotokolls von<br />
anderen Zentren in Deutschland und<br />
Schweden gezeigt werden. Trotz der guten<br />
Verlaufsergebnisse müssen jedoch auch die<br />
zusätzlichen Kosten einer solchen Transplantation<br />
bedacht werden, die im Durchschnitt<br />
etwa 20.000 Euro ausmachen. Zusammengefasst<br />
wurden in den letzten 6<br />
Jahren bislang ca. 150 AB0-inkompatible<br />
Nierentransplantationen mit diesem Protokoll<br />
erfolgreich in Europa durchgeführt.<br />
Der japanische Weg: Takahashi et al. veröffentlichten<br />
die Verlaufsdaten von 494<br />
AB0-inkompatiblen Nierentransplantationen,<br />
die zwischen 1989 and 2001<br />
durchgeführt wurden. In diesem Zeitraum<br />
wurden neben einer Splenektomie verschiedene immunosuppressive<br />
Protokolle inklusive extrakorporaler Verfahren zur<br />
Entfernung von Isoagglutininen (präoperativer Titer < 1:8 bis<br />
1:16) eingesetzt. Die Splenektomie erfolgte aufgrund der<br />
Rolle der Milz in der Produktion von Isoagglutinen. Die immunosuppressive<br />
Tripletherapie basierte weitestgehend auf<br />
dem Einsatz von Calcineurininhibitoren, Steroiden und Antimetaboliten.<br />
Zentrumsabhängig wurden zusätzliche Immunsuppressiva<br />
wie Antilymphozytenglobuline, Deoxyspergualin<br />
oder Cyclophosphamid eingesetzt. Eine extrakorporale<br />
Entfernung von Antikörpern erfolgte postoperativ in der<br />
Regel nicht. Verglichen mit einer h<strong>ist</strong>orischen Gruppe von<br />
Lebendnierentransplantationen im gleichen Zeitraum (n =<br />
1.055) fanden sich trotz schlechterer Kurzzeitergebnisse (Abstoßungen<br />
18 %, mehr Infektionen) im Langzeitverlauf keine<br />
stat<strong>ist</strong>ischen Unterschiede. Seit 2001 haben sich die Ergebnisse<br />
mit einem Einjahres- bzw. Zweijahres-Transplantatüberleben<br />
von 96 % und 94 % nochmals deutlich verbessert.<br />
Diese Verbesserung könnte zumindest teilweise auf die Einführung<br />
neuerer Immunsuppressiva wie Mycophenolsäure<br />
und monoklonaler Anti-CD25-Antikörper zurückzuführen<br />
sein. Eine Splenektomie wurde viele Jahre als Bedingung für<br />
eine erfolgreiche AB0-inkompatible Transplantation angesehen,<br />
aber selbst mit Splenektomie konnten in einzelnen Fällen<br />
noch schwere Antikörper-vermittelte Abstoßungen beobachtet<br />
werden. Seit 2004 wurde in Japan ein verändertes<br />
Protokoll ohne Splenektomie eingeführt. Die Behandlung<br />
startet 4 Wochen vor geplanter Transplantation und umfasst<br />
die Doppelfiltrationsplasmapherese zur Antikörperelimination<br />
sowie die Gabe von Rituximab. Auf postoperative
32<br />
Apheresebehandlungen oder die Gabe intravenöser Immunglobuline<br />
wurde verzichtet.<br />
Der amerikanische Weg: An der Johns-Hopkins-Universität<br />
wurde ein eigenes Behandlungsprotokoll mit Einsatz von Plasmaaustausch,<br />
CMV-Hyperimmunglobulin (CMVIg) und<br />
Anti-CD20-Antikörper (Rituximab 375 mg/kg) etabliert, das<br />
AB0-inkompatible Nierentransplantationen ohne Splenektomie<br />
erlaubt. Dieses Behandlungsregime erfordert zumindest<br />
4 bis 5 präoperative Plasmaaustauschbehandlungen (präoperativer<br />
Titer < 1:16), im Anschluss an jede Behandlung erfolgt<br />
die Gabe von CMVIg in einer Dosis von 100 mg/kg. Danach<br />
wurde eine immunsuppressive Therapie mit Tacrolimus, Mycophenolat,<br />
Steroiden und Daclizumab begonnen. Postoperativ<br />
folgten zumindest 3 weitere Plasmapherese/CMVIg-Behandlungen.<br />
Das Fehlen humoraler Abstoßungen sowie eine<br />
stabile Langzeitfunktion des Transplantats zeigen auch hier<br />
das Potenzial von Behandlungsprotokollen, die an Stelle einer<br />
Splenektomie die Gabe von Rituximab beinhalten.<br />
Zur Diskussion<br />
Die Prävention einer hyperakuten Abstoßung in der unmittelbaren<br />
postoperativen Phase stellt den entscheidenden Faktor<br />
für den Erfolg einer AB0-inkompatiblen Nierentransplantation<br />
dar. Die aktuellen Behandlungsprotokolle ermöglichen<br />
dann auch nach Beendigung der extrakorporalen Antikörperelimination<br />
eine stabile und adäquate Langzeitfunktion<br />
des Transplantates, man spricht von einer Toleranzentwicklung<br />
(im Englischen „accomodation“) gegenüber dem<br />
AB0-inkompatiblen Transplantat. Der Begriff der „accommodation“<br />
wird definiert als Fehlen einer Antigen-Antikörper-Reaktion<br />
trotz „fremden“ Antigens auf vaskulären<br />
Endothelzellen des Transplantats und Antikörpern gegen die<br />
fremde Blutgruppe beim Transplantatempfänger.<br />
Immunadsorption vs. Plasmapherese: Behandlungsprotokolle<br />
in den USA und Japan unterscheiden sich von in Europa<br />
üblichen Therapieregimes, die statt klassischem Plasmaaustausch<br />
oder Doppelfiltrationsapherese Antigen-spezifische<br />
Immunadsorption zur Antikörperelimination einsetzen. Die<br />
Immunadsorption mit der Anti-A/B-spezifischen Glycosorb<br />
® -Säule stellt eine sehr effektive Methode zur Elimination<br />
von Blutgruppenantikörpern dar und vermeidet typische<br />
Nebenwirkungen der klassischen Plasmapherese wie Gerinnungsstörungen,<br />
Infektionsrisiko oder allergische Reaktionen<br />
auf Frischplasmagabe. Über die Rolle anderer Adsorptionstechniken<br />
wie z. B. der Protein-A- oder der Globaffin ® -Säule<br />
zur Elimination von Isoagglutininen kann derzeit nur spekuliert<br />
werden, die Protein-A-Säule wurde bereits bei kombinierter<br />
AB0-Inkompatibilität und HLA-Immunisierung erfolgreich<br />
eingesetzt.<br />
Die Frage nach dem Isoagglutinin-Titer, der eine Transplantation<br />
ohne die Gefahr einer humoralen Abstoßung erlaubt,<br />
bleibt derzeit offen. Auf der Basis der aktuellen immunsuppressiven<br />
Protokolle könnten Titer < 1:32 vor Transplantation<br />
ausreichend sein. Aufgrund technischer Details<br />
bestehen zwischen verschiedenen Zentren erhebliche Unterschiede<br />
in der Methodik und Reproduzierbarkeit von Titerbestimmungen.<br />
Ob nach Gabe eines Anti-CD20-Antikörpers überhaupt<br />
noch eine routinemäßige extrakorporale Antikörperelimination<br />
nach der Transplantation durchgeführt werden muss,<br />
kann nicht abschließend beurteilt werden. Erste Daten aus<br />
Japan und Deutschland zeigen auch ohne postoperative Plasmapheresen<br />
bzw. mit einer in Abhängigkeit des postoperativen<br />
Titerverlaufs bedarfsadaptierten Entscheidung zur<br />
Immunadsorption gute Funktionsergebnisse.<br />
Auch ohne Rituximab bzw. Splenektomie bei bestimmten<br />
Konstellationen: Eine B-Zell-ablative Therapie mit Rituximab<br />
hat den Einsatz der Splenektomie obsolet werden<br />
lassen. Inwieweit der Einsatz von Rituximab wirklich bei<br />
jedem Patienten erforderlich <strong>ist</strong>, wurde vereinzelt bereits in<br />
Frage gestellt. In einer aktuellen Serie der Johns-Hopkins-<br />
Universität wurden bereits erfolgreich 13 AB0-inkompatible<br />
Nierentransplantationen von Spendern mit Blutgruppe A1<br />
oder AB auf Empfänger mit Blutgruppe 0 ohne den Einsatz<br />
von Rituximab oder Splenektomie durchgeführt. ■<br />
Literatur beim Verfasser<br />
Die AB0-inkompatible Nierentransplantation bietet die Möglichkeit<br />
einer erfolgreichen Transplantation, sofern kein geeigneter<br />
Blutgruppen-kompatibler Lebendspender zur Verfügung<br />
steht. Das AB0-Blutgruppensystem stellt noch vor dem<br />
HLA-System die wichtigste immunologische Barriere bei der<br />
Transplantation dar, da Blutgruppenantigene nicht nur auf<br />
der Erythrozytenoberfläche, sondern auch im Gewebe und<br />
auf dem Gefäßendothel verschiedener Organe, einschließlich<br />
der Niere, exprimiert werden. Die Transplantation eines<br />
Organs mit der „falschen“ Blutgruppe kann ohne vorbereitende<br />
Maßnahmen somit zu einer schweren hyperakuten<br />
Antikörper-vermittelten Abstoßung führen.<br />
Zusammenfassend unterscheiden sich heute die Langzeitergebnisse<br />
der AB0-inkompatiblen Nierentransplantation mit<br />
den vorgestellten Behandlungsprotokollen nicht mehr signifikant<br />
von denen der Blutgruppen-kompatiblen Transplantation.
34<br />
Immunadsorption beim<br />
sytemischen Lupus erythematodes<br />
Dr. Georg Stummvoll<br />
Klinische Abteilung für Rheumatologie, Universitätsklinik für Innere Medizin III, Medizinische Universität Wien<br />
Zahlreiche Berichte sprechen für die Wirksamkeit der<br />
Immunadsorption zur direkten Antikörper-Entfernung<br />
bei Patienten mit schwerem, lebensbedrohlichem<br />
sytemischen Lupus erythematodes (SLE), bei denen die<br />
Therapie mit Cyclophosphamid kontraindiziert <strong>ist</strong> bzw.<br />
versagt hat, was insbesondere bei renaler Beteiligung der<br />
Fall sein kann.<br />
Klinik des SLE: Der systemische Lupus erythematodes<br />
(SLE) <strong>ist</strong> eine systemische Autoimmunerkrankung, gekennzeichnet<br />
durch eine variable Kombination von Allgemeinsymptomen,<br />
typischen Hautveränderungen, muskuloskeletalen<br />
Symptomen und potenziell lebensbedrohlichen Entzündungsprozessen<br />
in inneren Organen, besonders der Niere.<br />
Eine erhöhte Gerinnungsbereitschaft kann zu Thrombosen<br />
und Thromboembolien führen und <strong>ist</strong> oft schwierig von der<br />
primär entzündlichen Organbeteiligung beim SLE zu differenzieren.<br />
Epidemiologie des SLE: In europäischen Studien beträgt<br />
die Prävalenz zwischen 25 und 91 auf 100.000 Einwohner.<br />
Das Verhältnis Frauen zu Männern beträgt 10:1 und das<br />
Durchschnittsalter zu Krankheitsbeginn liegt bei 29 Jahren.<br />
Neben dem Geschlecht spielen genetische Faktoren, ethnische<br />
Zugehörigkeit und sozioökonomischer Status eine<br />
Rolle.<br />
Immunologische Besonderheiten des SLE: Obwohl die eigentliche<br />
Krankheitsursache bislang unbekannt <strong>ist</strong>, sind zahlreiche<br />
immunologische Auffälligkeiten bei SLE bekannt.<br />
Eine Reihe von Autoantikörpern (Auto-Ak) sind krankheitstypisch:<br />
Anti-H<strong>ist</strong>on-Ak lösen das LE-Zell-Phänomen aus,<br />
andere Auto-Ak binden an andere Teile der Chromatinstruktur,<br />
wie doppelsträngige DNA (dsDNA), aber auch an RNA<br />
(Sm, Ro, La, RA33) und Zelloberflächen bindende Proteine<br />
(Phospholipide, Erythrozyten, Thrombozyten) wurden<br />
nachgewiesen.<br />
Ein Teil dieser Auto-Ak <strong>ist</strong> pathogen, entweder direkt oder<br />
durch Formierung von Immunkomplexen, die sich im Gewebe<br />
ablagern und lokal für die Entzündung in verschiedenen<br />
Organen (Niere, Gelenke, Haut, Gefäßsystem) verantwortlich<br />
sind. Generell sind die<br />
me<strong>ist</strong>en Organmanifestationen eine<br />
Folge von (Immunkomplex-vermittelten)<br />
entzündlichen oder vaskulitischen<br />
Prozessen, eine Konsequenz<br />
der Abräumung Antikörper-beladener<br />
Zellen oder eine Folge thrombotischer<br />
Ereignisse im Rahmen<br />
einer gesteigerten Gerinnungsneigung.<br />
Dr.<br />
Georg Stummvoll<br />
Renaler SLE: Eine Nierenbeteiligung bei SLE tritt in Form<br />
einer Glomerulonephritis (GN) bei etwa 50 % der Patienten<br />
auf. Zur Standarddiagnostik gehören die Evaluation der<br />
Nierenfunktion, das Harnsediment und die Quantifizierung<br />
der Proteinurie. Die Nierenbiopsie <strong>ist</strong> der Goldstandard<br />
in der Diagnostik, die Klassifizierung <strong>ist</strong> jedoch Gegenstand<br />
intensiver Debatten, wobei die ursprüngliche<br />
WHO-Klassifikation mehrfach modifiziert wurde. Übersichtsmäßig<br />
unterscheidet man die mesangiale GN (Klasse<br />
II), die fokal-segmental (III), die diffus-proliferative GN<br />
(IV) und die membranöse GN (V) sowie ein sklerosiertes<br />
Stadium (Klasse VI). Die Art der Nephritis <strong>ist</strong> wesentlich<br />
von der Lokalisation der Immunkomplexe abhängig,<br />
Mischformen kommen allerdings vor. Die mesangiale und<br />
membranöse GN haben eine bessere Prognose im Vergleich<br />
zu proliferativen Formen (WHO III und IV). Bei der GN<br />
Klasse VI sind Interventionen in Hinblick auf die Nierenfunktion<br />
me<strong>ist</strong> ohne Erfolg, da bereits ein ausgedehnter fibrotischer<br />
Umbau des Organs bis hin zur Sklerose stattgefunden<br />
hat.<br />
Therapie des SLE: Cyclophosphamid intravenös (IVCP) <strong>ist</strong><br />
eine effektive Standardbehandlung für den schweren SLE mit<br />
Organbeteiligung, allerdings gibt es aber vor allem bei Patienten<br />
mit einer renalen Beteiligung auch „Therapieversager“.<br />
IVCP <strong>ist</strong> mit zahlreichen Nebenwirkungen verbunden, wie<br />
Leukopenie und erhöhtem Risiko für Malignome, Infektionen<br />
und Gonadendysfunktion. Weiters gibt es Patientenkollektive,<br />
bei denen der Einsatz von IVCP kontraindiziert <strong>ist</strong>,<br />
wie z. B. bei Schwangeren.
36<br />
Tabelle: Literatur zur Immunadsorption bei SLE<br />
Ligand Säule Pat. UntersuchteParameter Kommentar Literatur<br />
IgG Therasorb ® n = 16 Proteinurie, Aktivität, dsDNA renaler SLE G.H. Stummvoll, Ann Rheum Dis 2005<br />
n = 16 Infektionen, Aktivität, dsDNA SLE G.H. Stummvoll, Wien Klin Wo 2004<br />
n = 2 Ausgang der Schwangerschaft schwangere Pat. E. Dittrich, Kid Blood Press Res 2002<br />
mit akt. SLE<br />
n = 1 Proteinurie, dsDNA, renaler SLE und S. Schmaldienst, Am J Kid Dis 2002<br />
aktive TB!<br />
n = 2 Infektionen, dsDNA, IgG Effekt von IVIG, S. Schmaldienst, Rheumatology 2001<br />
SLE + andere<br />
Autoimmunerkr.<br />
Protein A Prosorba ® , n = 8 dsDNA, IgG SLE + andere Pat. N. Braun, Trans Sci 1998<br />
Immunosorba ®<br />
Dextran- Selesorb ® n = 1 Nierenfunktion GN IV C. Stefanutti, Bio Drugs 2005<br />
sulfat<br />
n = 1 klin. Besserung Hautvaskulitis N. Braun, Ther Apher 2002<br />
n = 19 SLEDAI, dsDNA SLE K. Suzuki, Ther Apher 2000<br />
n = 6 Proteinurie, renaler SLE K. Suzuki, Arthr Rheum 1991<br />
dsDNA, CIC<br />
n = 6 dsDNA, ACL, SLE H. Hashimoto, J Rheumatol 1991<br />
Phenyl- Immusorba ® n = 6 dsDNA, Proteinurie renaler SLE Sugimoto, Ther Apher Dial 2006<br />
alanin<br />
n = 50 Aktivität (SLAM) SLE M. Schneider, Ther Apher 1997<br />
n = 10 Aktivität, dsDNA SLE; vs. Gaubitz, J Autoimm 1998<br />
Therasorb-Säulen<br />
C 1q n = 8 Proteinurie, Nierenfunktion, F. Hiepe, Ther Apher 1999<br />
Arthritis, Haut<br />
Neben anderen therapeutischen Effekten reduziert IVCP die<br />
Autoantikörpersynthese, aber dieser Effekt braucht Zeit. Sehr<br />
früh kamen deshalb schon extrakorporale Therapieoptionen<br />
zum Einsatz, die bei Patienten mit lebensbedrohlichem SLE<br />
die Antikörper direkt entfernen. Die sehr unselektive Ak-Enfernung<br />
mittels Plasmaaustausch war jedoch in prospektiven<br />
Studien nicht effektiv. Zusäzlich war diese Methode, vor<br />
allem in Kombination mit IVCP, mit einer gesteigerten Anzahl<br />
von fatalen bakteriellen und viralen Infektionen verbunden.<br />
Die selektive Entfernung von Ak und Immunkomplexen<br />
mittels Immunadsorption (IAS) bietet hier einen eleganteren<br />
Ansatz.<br />
Datenlage zur Immunadsorption bei SLE<br />
Zahlreiche Berichte liegen zu Behandlungen von SLE-Patienten<br />
mit Immunadsorption vor, die me<strong>ist</strong>en als Fallbericht<br />
oder als kleinere Fallserien. Bisher wurde keine größere prospektive,<br />
randomisierte Studie publiziert. Kleine Fallzahlen<br />
mit verschiedenen Säulen und Techniken, unterschiedlicher<br />
Anzahl und Dauer der IAS-Sitzungen und unterschiedlichen<br />
Plasmavolumina machen allerdings eine generelle Aussage<br />
schwierig. Dennoch sind manche Aussagen gut zu belegen:<br />
Allen Berichten gemeinsam <strong>ist</strong> eine erfolgreiche Reduktion<br />
der Immunglobuline sowie der spezifischen AK wie<br />
dsDNA-Ak und Anti-Cardiolipin-Ak. Me<strong>ist</strong> kommt es auch<br />
zum Rückgang der generellen Krankheitsaktivität (Aktivitätsscores<br />
wie SIS, SLEDAI, SLAM) und der Proteinurie (Tab.).<br />
Dabei <strong>ist</strong> kritisch anzumerken, dass negative Fälle mit fehlendem<br />
Erfolg möglicherweise nicht berichtet wurden („report<br />
bias“).<br />
Eigene Erfahrungen mit Immunadsorption beim SLE<br />
IgG-Apherese: An unserer Klinik wurden SLE-Patienten mit<br />
dem Therasorb ® -System, Protein-A- und Globaffin ® -Säulen<br />
behandelt (6.000–8.000 ml Plasmavolumen pro IAS-Zyklus,<br />
2 Behandlungszyklen innerhalb von 3 Tagen im Abstand von<br />
2 bis 3 Wochen in der Erhaltungsphase, initial jedoch bis zu<br />
3 x pro Woche). Die Patienten wurden standardisiert beobachtet,<br />
was die h<strong>ist</strong>orisch prospektive Aufarbeitung der Ergebnisse<br />
erlaubte.
37<br />
10 -<br />
20 -<br />
600 -<br />
Proteinurie<br />
8 -<br />
6 -<br />
4 -<br />
2 -<br />
0 -<br />
6,7<br />
4,3<br />
2,5<br />
2,9<br />
0 3 6 12<br />
Aktivität<br />
15 -<br />
10 -<br />
5 -<br />
0 -<br />
15<br />
5<br />
4<br />
5<br />
0 3 6 12<br />
Monate<br />
Anti-dsDNA<br />
500 -<br />
400 -<br />
300 -<br />
200 -<br />
100 -<br />
0 -<br />
391<br />
146<br />
77 53<br />
0 3 6 12<br />
Abb.: Reduktion der Proteinurie, der Krankheitsaktivität und der Serum-dsDNA-Werte unter Langzeit-IAS<br />
FOTO: PICTUREDESK.COM<br />
Inzidenz von Infektionen: In Hinblick auf einige schlechte<br />
Erfahrungen mit der Plasmapherese bei SLE wurde auf die<br />
Beobachtung von Infektionen großer Wert gelegt. Es kam zu<br />
keiner wesentlichen Häufung von bakteriellen oder viralen<br />
Infektionen, was durch Ergebnisse einer prospektiven Studie<br />
unterstützt wird, die eine niedrige Zahl von Infektionen<br />
bei Patienten mit Autoimmunerkrankungen unter IAS beschreibt,<br />
wobei die zusätzliche Gabe von intravenösen Immunglobulinen<br />
(IVIG) hierbei kein entscheidender Faktor<br />
war. Darüber hinaus wurde ein Patient mit gleichzeitig bestehender<br />
aktiver Tuberkulose und aktiver Lupusnephritis<br />
(GN IV) erfolgreich mit IAS, ohne begleitende Immunsuppression,<br />
behandelt.<br />
Outcome bei renalem SLE: Eine Gruppe von 16 SLE-Patienten<br />
(IVCP unwirksam oder kontraindiziert) wurde in ein<br />
Behandlungsprotokoll mit IAS eingeschlossen. 14 der 16 Patienten<br />
(88 %) wurden erfolgreich behandelt, der Rest beendete<br />
das Protokoll vorzeitig. Nach 3 Monaten kam es in<br />
der Gesamtgruppe zu einer signifikanten Senkung der Proteinurie,<br />
der Krankheitsaktivität und der Anti-dsDNA-Antikörper<br />
(gemessen vor dem IAS-Zyklus). Patienten mit einer<br />
zumindest 20%igen Reduktion dieser Parameter wurden zu<br />
einer verlängerten Behandlung eingeladen, wobei nach weiteren<br />
9 Monaten IAS die erreichte Remission gehalten oder<br />
sogar verbessert werden konnte (Abb.). Infektionen und andere<br />
Nebenwirkungen waren auch in diesem Patientenkollektiv<br />
selten.<br />
■<br />
Literatur beim Verfasser<br />
Extrakorporale Therapieverfahren wie die Immunadsorption<br />
sind heute eine real<strong>ist</strong>ische Therapieoption bei schwerem,<br />
therapierefraktärem SLE oder aktivem SLE mit Kontraindikationen<br />
gegen Cyclophosphamid und MMF. Zahlreiche Berichte<br />
sprechen für die Wirksamkeit der IAS bei schwerem,<br />
lebensbedrohlichem SLE unter diesen Bedingungen. Ohne<br />
prospektive, randomisierte Studien <strong>ist</strong> jedoch eine definitive<br />
Aussage zum Wert der IAS beim SLE nicht zu treffen.
38<br />
Antikoagulation bei<br />
Plasmaaustausch und Immunadsorption<br />
Dr. Edith Doberer<br />
Abteilung für <strong>Nephrologie</strong> und Dialyse, Universitätsklinik für Innere Medizin III, Medizinische Universität Wien<br />
In dieser Übersicht sollen zunächst allgemein mögliche<br />
Antikoagulationsverfahren inklusive deren Vorteile und<br />
Nachteile diskutiert werden, in weiterer Folge werden<br />
diejenigen Antikoagulationsverfahren genauer vorgestellt,<br />
die an unserer Abteilung derzeit standardmäßig verwendet<br />
werden.<br />
Folgende Anforderungen werden an ein optimales Antikoagulationsverfahren<br />
gestellt:<br />
• idealerweise rein regionales Verfahren ohne systemische<br />
Antikoagulation zur Verminderung des Blutungsrisikos<br />
• hohe Effektivität hinsichtlich der Kosten und Laufzeiten<br />
des extrakorporalen Systems<br />
• einfache Anwendung, einfaches Monitoring<br />
• minimale Nebenwirkungsrate<br />
Systemische und<br />
regionale Antikoagulationsverfahren<br />
Die derzeit am häufigsten verwendeten Antikoagulationsverfahren<br />
kann man einteilen in systemische und regionale Verfahren:<br />
• systemische AK-Verfahren: unfraktioniertes Heparin<br />
(UFH), niedermolekulares Heparin (LMWH),<br />
Prostaglandine<br />
• regionale AK-Verfahren: Zitrat, Heparin-Protamin<br />
Unfraktioniertes Heparin: UFH galt lange Zeit als Standard<br />
der Antikoagulation bei extrakorporalen Therapieverfahren,<br />
wobei es in den letzten Jahren immer mehr durch LMWH<br />
abgelöst worden. Die Wirkung von Heparin besteht primär<br />
in der Hemmung von Thrombin (Faktor II) und Faktor X<br />
mit Hilfe von Antithrombin III. Die übliche Dosierung von<br />
UFH erfolgt durch Gabe eines Heparinbolus (1.000 IE) vor<br />
Behandlungsbeginn, gefolgt von einer kontinuierlichen Infusion<br />
mit einer Dosierung von 500–1.000 IE/h über die<br />
Dauer der extrakorporalen Therapie. Als Vorteil sind die trotz<br />
Niereninsuffizienz bestehende kurze Halbwertszeit und<br />
somit gegebene gute Steuerbarkeit, die niedrigen Kosten und<br />
weiters die Möglichkeit einer Antagonisierung bei Blutungskomplikationen<br />
durch die Gabe von Protamin zu nennen.<br />
Das größte Problem bei einer Antikoagulation<br />
mit UFH stellt die Gefahr<br />
einer heparininduzierten Thrombopenie<br />
(HIT) dar. Weitere Nachteile<br />
sind die negative Beeinflussung der<br />
Stoffwechsellage durch Aktivierung<br />
von Lipoproteinlipasen, das Auftreten<br />
von Osteoporose und Hyperaldosteronismus<br />
mit Hyperkaliämie.<br />
Dr.<br />
Edith Doberer<br />
Niedermolekulares Heparin: Niedermolekulares,<br />
fraktioniertes Heparin<br />
wirkt zusätzlich zur Thrombinhemmung über eine im<br />
Vergleich zu UFH deutlich stärkeren Anti-Faktor-X-Aktivität.<br />
Die Vorteile einer Antikoagulation mit LMWH im<br />
Vergleich zu UFH liegen in erster Linie in der geringeren<br />
Inzidenz von HIT, weiters sind Stoffwechselneutralität und<br />
höhere und konstantere Bioverfügbarkeit zu nennen. Die im<br />
Vergleich zu UFH deutlich längere Halbwertszeit von<br />
LMWH kann einerseits als vorteilhaft durch die Möglichkeit<br />
einer Bolusgabe zu Beginn der extrakorporalen Therapie<br />
gesehen werden, andererseits ergibt sich dadurch auch<br />
der Nachteil einer schlechteren Steuerbarkeit. Im Gegensatz<br />
zur kontinuierlichen Applikation von UFH kann<br />
LMWH als einzelner Bolus zu Beginn der extrakorporalen<br />
Therapie intravenös verabreicht werden. Auch die Überwachung<br />
einer Therapie mit LMWH <strong>ist</strong> durch Messung der<br />
Anti-Faktor-Xa-Aktivität möglich. Im Gegensatz zu UFH<br />
besteht allerdings nur eine eingeschränkte Möglichkeit, die<br />
Wirkung von LMWH durch die Gabe von Protamin zu antagonisieren.<br />
Prostaglandine: Die Protaglandine Prostacyclin (PGI 2 )<br />
und Prostaglandin E 1 bewirken eine potente, kurz wirksame<br />
(Halbwertszeit 2–3 Minuten) und reversible Hemmung der<br />
prokoagulatorischen Aktivität von Thrombozyten, ohne<br />
dabei Auswirkung auf die plasmatische Gerinnung zu<br />
haben. Aufgrund der fehlenden direkten Hemmung der plasmatischen<br />
Gerinnung <strong>ist</strong> die alleinige antithrombotische<br />
Therapie mit Prostaglandinen ungenügend, sodass diese<br />
me<strong>ist</strong> in Kombination mit niedrig dosiertem UFH oder
40<br />
LMWH verwendet werden. Prostaglandine sollen nicht systemisch,<br />
sondern kontinuierlich extrakorporal verabreicht<br />
werden. Als Nachteile dieser Form der Antikoagulation sind<br />
einerseits die Nebenwirkungen (Hypotonie, Kopfschmerz<br />
und Flush) sowie der hohe Preis zu nennen. Auf eine Konditionierung<br />
des Patienten mit intravenöser Infusion von<br />
Prostaglandinen soll bei Patienten mit instabiler Kreislaufsituation<br />
verzichtet werden.<br />
Regionale Zitrat-Antikoagulation: Da die Zitrat-Antikoagulation<br />
eine wesentliche Rolle als Antikoagulationsverfahren<br />
bei Plasmaaustausch sowie Immunadsorption spielt,<br />
wird auf diese Form der Antikoagulation etwas genauer eingegangen.<br />
Primäre Indikation für eine Zitrat-Antikoagulation<br />
stellt der blutungsgefährdete Patient dar. Die antikoagulatorische<br />
Wirkung von Zitrat basiert auf der Chelatierung<br />
von Kalzium. Durch die Bindung von Kalzium kommt<br />
es nicht nur zu einer Inhibierung der plasmatischen Gerinnungskaskade,<br />
zusätzlich kommt es zu einer verminderten<br />
Aktivierung von Thrombozyten, Granulozyten sowie des<br />
Komplementsystems. Als Zielwert <strong>ist</strong> hierbei ein ionisierter<br />
Kalziumwert < 0,3 mmol/l im extrakorporalen System anzustreben,<br />
darunter <strong>ist</strong> eine optimale Antikoagulation gewährle<strong>ist</strong>et.<br />
Vor Rückinfusion des Blutes muss die Wirkung<br />
von Zitrat durch Infusion von Kalzium antagonisiert werden.<br />
Die Menge des zu infundierenden Kalziums richtet sich<br />
nach der Konzentration des systemischen, ionisierten Kalziums,<br />
das stets im Normbereich gehalten werden muss. Zu<br />
beachten <strong>ist</strong> allerdings, dass Zitrat als Chelatbildner auch<br />
Komplexe mit Magnesium bildet, sodass Magnesium speziell<br />
bei kontinuierlichen extrakorporalen Verfahren (z. B.<br />
Hämofiltration) ebenfalls substituiert werden sollte. Die Nebenwirkungen<br />
einer Zitrat-Antikoagulation sind durch den<br />
systemischen Metabolismus von Zitrat zu erklären. Zitrat<br />
wird größtenteils in der Leber zu Bicarbonat metabolisiert.<br />
Somit kann es zu Ausbildung einer metabolischen Alkalose<br />
kommen, die allerdings beispielsweise durch die Zugabe von<br />
„saureren Salzen“ der Zitronensäure (z. B. Zusammensetzung<br />
von ACD-A) minimiert werden kann. Nicht zu vernachlässigen<br />
<strong>ist</strong> auch die Natriumbelastung, da Zitrat me<strong>ist</strong><br />
als Trinatriumzitrat verwendet wird. Speziell bei Patienten<br />
mit akutem Leberversagen, aber auch bei Patienten mit<br />
chronischer Leberzirrhose kann es durch einen verzögerten<br />
Metabolismus von Zitrat zu einer Zitrat-Akkumulation<br />
kommen, die durch eine metabole Azidose mit großer Anionenlücke<br />
sowie eine Erhöhung des Verhältnisses von Gesamtkalzium<br />
zu ionisiertem Kalzium allerdings frühzeitig erkannt<br />
werden kann. Die Durchführung einer Zitrat-Antikoagulation<br />
<strong>ist</strong> zwar technisch etwas aufwändiger, durch optimale<br />
Filterlaufzeiten und somit Kosten- und Therapieeffizienz<br />
wird diese Form der Antikoagulation allerdings in<br />
den letzten Jahren immer attraktiver.<br />
Heparin-Protamin: Diese Form der Antikoagulation stellt<br />
eine Alternative zur regionalen Antikoagulation mit Zitrat<br />
dar und hat sich speziell in der Anwendung bei Immunadsorption<br />
bewährt. Die extrakorporale Wirkung von UFH<br />
wird durch Zugabe von Protamin vor Rückinfusion des Blutes<br />
antagonisiert. Protamin bildet Komplexe mit Heparin<br />
und führt so zu einer Neutralisierung der antikoagulatorischen<br />
Aktivität von Heparin. Besonders wichtig <strong>ist</strong> hier die<br />
richtige Dosierung von Protamin, um eine Überdosierung<br />
von Protamin zu vermeiden. Als Nachteile dieses Antikoagulationsverfahrens<br />
sind die unterschiedlichen Halbwertszeiten<br />
von Heparin und Protamin zu erwähnen, weiters auch<br />
die Möglichkeit von anaphylaktischen Reaktionen auf Protamin.
41<br />
FOTOS: PICTUREDESK.COM<br />
Antikoagulation bei Plasmaaustausch<br />
Zitrat: An unserer Abteilung erfolgt die Antikoagulation bei<br />
Plasmaaustausch mit Zitrat, und zwar in Form von ACD-A.<br />
Die Dosierung von Zitrat richtet sich nach dem Hämatokrit<br />
und wird individuell bei jeder Behandlung adaptiert. Die rein<br />
extrakorporale Wirkung <strong>ist</strong> hier der Hauptgrund für die<br />
Wahl von Zitrat. Aber bei Behandlungen über periphere<br />
Venen kann es durch kurzfr<strong>ist</strong>ige Blutpumpenstillstände zu<br />
akzidenteller Bolusgabe von Kalzium kommen, die von einigen<br />
Patienten zwar als unangenehm empfunden werden<br />
(periorale Parästhesien), allerdings üblicherweise zu keinen<br />
weiteren Komplikationen führen.<br />
LMWH: Im Gegensatz zu Heparin und Zitrat findet man<br />
in der Literatur nur vereinzelt Berichte über die Anwendung<br />
von LMWH als Antikoagulation bei Plasmaaustausch,<br />
wobei als Ursache dafür die im Vergleich zu Heparin durch<br />
die längere Halbwertszeit bedingte etwas schlechtere Steuerbarkeit<br />
zu sehen <strong>ist</strong>. Auch die Heterogenität der verschiedenen<br />
LMW-Heparine lässt keine generellen Empfehlungen für<br />
die genaue Dosierung von LMWH zu. Eine rezente Arbeit<br />
hat eine Dalteparin-Antikoagulation bei Plasmaaustausch untersucht<br />
und hat trotz hoher Anti-Xa-Spiegel kein erhöhtes<br />
Blutungsrisiko beschrieben<br />
Antikoagulation bei Immunadsorption<br />
Aufgrund der hohen Kosten dieser Therapie nimmt hier die<br />
adäquate und suffiziente Antikoagulation einen großen Stellenwert<br />
ein.<br />
Zitrat plus UFH: Eine rein zitratbasierte Antikoagulation <strong>ist</strong><br />
hierfür nicht untersucht und wahrscheinlich nicht ausreichend,<br />
sodass an unserer Abteilung bei nicht-blutungsgefährdeten<br />
Patienten zusätzlich zu Zitrat unfraktioniertes Heparin<br />
(Heparin-Bolus 2.000 IE; 1.500 IE/h kontinuierlich) verabreicht<br />
wird. Im extrakorporalen System sollte dabei ein<br />
Zielwert des ionisierten Kalziums < 0,3 mmol/l angstrebt<br />
werden und somit bei Werten > 0,3 mmol/l die Zitratinfusion<br />
erhöht werden. Bei Patienten mit erhöhter Blutungsgefahr,<br />
beispielsweise bei Hemmkörperhämophilie oder bei Patienten<br />
unmittelbar postoperativ, kann eine Zitrat-Antikoagulation<br />
in Kombination mit einer regionalen Heparin-Antikoagulation<br />
(Heparin-Antagonisierung mit Protamin:<br />
kein Heparin-Bolus; 1.500 IE UFH/h; 1.125 IE<br />
Protamin/h) durchgeführt werden. Wie oben beschrieben<br />
gibt es hierzu gute und erfolgreiche Erfahrungen an unserer<br />
Abteilung. Alternativ kann auch eine reine Zitrat-Antikoagulation<br />
mit einem höheren ACD-A-Mischungsverhältnis<br />
durchgeführt werden, wobei es hierfür keine Langzeitdaten<br />
hinsichtlich der Säulenqualität gibt.<br />
LMWH oder Prostaglandine: Auch bezüglich einer Antikoagulation<br />
mit LMWH oder Prostaglandinen findet man<br />
für die Immunadsorption nur wenige Studien. Hinsichtlich<br />
LMWH gilt auch oben Genanntes bezüglich der reduzierten<br />
Steuerbarkeit, wobei dies im Fall einer Immunadsorption<br />
aufgrund der sehr hohen Kosten von entscheidenderer Bedeutung<br />
<strong>ist</strong>. Aufgrund der hohen Kosten, des gegebenen Nebenwirkungsprofils<br />
(siehe oben) und des Vorhandenseins von<br />
guten Erfahrungen mit Alternativsubstanzen dürften Prostaglandine<br />
bislang bei der Immunadsorption nur eine geringe<br />
Rolle spielen.<br />
■<br />
Literatur beim Verfasser<br />
Der Wahl eines geeigneten Antikoagulationsverfahrens<br />
kommt genauso wie bei extrakorporalen Nierenersatzverfahren<br />
auch bei Plasmaaustausch und Immunadsoprtion ein<br />
großer Stellenwert zu, da nur durch adäquate Antikoagulation<br />
die Effektivität der Behandlung gewährle<strong>ist</strong>et <strong>ist</strong>.
42<br />
Immunadsorption und<br />
Plasmaaustausch in der Schwangerschaft<br />
Dr. Elisabeth Dittrich<br />
Klinische Abteilung für <strong>Nephrologie</strong> und Dialyse, Klinik für Innere Medizin III, Medizinische Universität Wien<br />
Während einer Schwangerschaft können sich sowohl<br />
Autoimmunerkrankungen als auch hyperlipidämische<br />
Stoffwechselstörungen manifestieren oder exazerbieren.<br />
Bedingt durch die Toxizität und die mögliche Teratogenität<br />
verschiedener Medikamente sind die therapeutischen<br />
Möglichkeiten bei schwangeren Frauen eingeschränkt,<br />
was durchaus mit einer erhöhten Morbidität und<br />
Mortalität für Mutter und Kind vergesellschaftet sein kann.<br />
Die familiäre Hyperlipidämie, der sytemische Lupus erythematodes<br />
(SLE) und der Gestations-Pemphigus sind Erkrankungen,<br />
bei denen bislang eine kleine Anzahl an Berichten<br />
über den Einsatz von Immunadsorption in der Schwangerschaft<br />
vorliegt. Eine weitere Indikation könnte die peripartale<br />
Kardiomyopathie sein, bei deren Genese neben viralen<br />
Faktoren auch autoimmunologische Prozesse als ursächlich<br />
erachtet werden. Allerdings gibt es bei dieser Erkrankung bis<br />
dato nur geringe publizierte klinischen Erfahrungen mit Immunadsorption.<br />
Hypertriglyzeridämie<br />
Bei schwangeren Frauen mit familiärer Hyperlipidämie kann<br />
es im Verlauf der Schwangerschaft zu einem kritischen Anstieg<br />
der Triglyzeride auf über 1.000 mg/dl kommen, da für<br />
die me<strong>ist</strong>en lipidsenkenden Medikamente keine Untersuchungen<br />
bei Schwangeren vorliegen und deshalb diese Therapien<br />
mit Beginn der Schwangerschaft abgesetzt werden.<br />
Triglyzeridwerten über 1.000 mg/dl kommt eine enorme Bedeutung<br />
bei der Entstehung und der Verschlechterung der<br />
Triglyzerid-assoziierten Pankreatitis zu, da zirkulierende<br />
Triglyzeride laufend zu einer Schädigung des Pankreasgewebes<br />
führen. Unbehandelt verläuft die Pankreatitis in der<br />
Schwangerschaft in bis zu 20 % der Fälle letal für die Mutter.<br />
Anzumerken <strong>ist</strong>, dass die herkömmlichen therapeutischen<br />
Maßnahmen wie Heparin, Insulin und dietätische Einschränkungen<br />
me<strong>ist</strong>ens nicht effektiv genug sind.<br />
Mit einem einzigen Plasmaaustausch können die Triglyzeride<br />
um bis zu 50 % reduziert werden, es kommt allerdings<br />
ohne Applikation von lipidsenkenden Medikamenten zu<br />
einem raschen neuerlichen Anstieg<br />
der Triglyzeride in den kritischen Bereich.<br />
Aus diesem Grund sind wiederholte<br />
Behandlungen in kurzen Abständen<br />
notwendig. Durch den Plasmaaustausch<br />
werden aber nicht nur<br />
pathogene Substanzen, sondern auch<br />
essenzielle Proteine wie z. B. Gerinnungsfaktoren<br />
entfernt, sodass<br />
Frischplasma substituiert werden<br />
muss, um Blutungskomplikationen zu<br />
vermeiden. Dies kann mit allergischen<br />
Dr.<br />
Elisabeth Dittrich<br />
Reaktionen vergesellschaftet sein und birgt das Risiko der<br />
Übertragung viraler Erkrankungen.<br />
Durch den Einsatz der LDL-Immunadsorption können<br />
Triglyzeridwerte um über 30 % reduziert werden, es können<br />
die Behandlungen auch in kurzen Intervallen durchgeführt<br />
werden, ohne dass die Substitution von Frischplasma notwendig<br />
<strong>ist</strong>. Ab einer Behandlungsanzahl von 12 <strong>ist</strong> die Immunadsorption<br />
auch kostengünstiger als der Plasmaaustausch,<br />
da bei der Adsorption wiederverwendbare Säulensysteme<br />
verwendet werden.<br />
Aus unserem Zentrum wurden die Daten von 4 Schwangerschaften<br />
publiziert, die kompliziert waren durch ausgeprägte<br />
Hypertriglyzeridämie (TG > 2.000 mg/dl). Eine Frau wurde<br />
während 2 hintereinander folgender Schwangerschaften behandelt.<br />
2 der 3 betroffenen Frauen hatten bereits eine peripartale<br />
Hypertriglyzeridämie-induzierte Pankreatitis durchgemacht.<br />
Insgesamt wurden 40 Adsorptionsbehandlungen, 6 isolierte<br />
Plasmaaustauschbehandlungen und 36 kombinierte Behandlungen<br />
(initialer Plasmaaustausch, gefolgt von Adsorptionsbehandlung)<br />
in den 4 Schwangerschaften durchgeführt. Die Behandlungen<br />
verliefen komplikationslos, es kamen 4 gesunde<br />
Neugeborene zur Welt (Geburtsgewicht 2.250–3.360 g).<br />
Systemischer Lupus erythematodes (SLE)<br />
Wie bei vielen anderen Autoimmunprozessen kann es auch<br />
beim SLE während der Schwangerschaft zu einer Verschlech-
terung der klinischen Situation kommen. Neben dem Risiko<br />
für die Mutter besteht auch ein enormes Risiko für den Feten<br />
(Wachstumsretardierung und intrauteriner Fruchttod). Die<br />
bis dato etablierten Therapiemöglichkeiten sind in der<br />
Schwangerschaft deutlich limitiert, und viele der Schübe verlaufen<br />
nicht-steroidsensibel. Standardtherapien wie zytotoxische<br />
Substanzen (Cyclophosphamid) und moderne Proliferationshemmer<br />
(Mycophenolat-Mofetil) sind in der<br />
Schwangerschaft kontraindiziert oder nicht zugelassen.<br />
FOTO: BILDERBOX<br />
Immunadsorption an unserem Zentrum: Die Immunadsorption<br />
beim SLE <strong>ist</strong> vor allem bei schweren Verläufen eine<br />
Therapieoption (siehe Beitrag von Dr. Stummvoll). Eine<br />
Reihe von schwangeren Frauen mit Exazerbation ihrer Grunderkrankung<br />
(SLE) konnte an unserem Zentrum zum Teil<br />
erfolgreich mittels Immunadsorption behandelt werden. Die<br />
Hälfte der Schwangerschaften verlief erfolgreich mit der Geburt<br />
eines gesunden Neugeborenen (1-mal Zwillinge). Die<br />
Behandlungen wurden alle 3 bis 10 Tage je nach klinischer<br />
und immunologischer Aktivität des SLE durchgeführt. Die<br />
Immunadsorptionen erfolgten über periphere Venen und<br />
ohne hämodynamische oder infektiologische Nebenwirkungen<br />
für die schwangeren Frauen.<br />
Immunadsorption bei Anti-Ro/SSA-Antikörpern: Eine<br />
seltene Indikation für die Immunadsorption <strong>ist</strong> die Anti-<br />
Ro/SSA-Antikörper-positive Schwangere. Hier kann es zu<br />
einem kompletten kongenitalen AV-Block, fetaler Myokarditis,<br />
fetalem Hydrops sowie auch zum intrauterinen<br />
Fruchttod kommen. In dieser Behandlungsindikation ex<strong>ist</strong>ieren<br />
einzelne Fallberichte mit durchaus positivem Einfluss der<br />
Immunadsorption auf das kindliche Outcome mit sogar zum<br />
Teil Verhinderung der Schrittmacherpflichtigkeit des Neugeborenen.<br />
Gestations-Pemphigus<br />
Der Pemphigus vulgaris <strong>ist</strong> eine Autoimmunerkrankung, bei<br />
der es durch verschiedene zirkulierende und gewebsgebundene<br />
Antikörper zu einer Blasenbildung der Haut kommt.<br />
Typischerweise tritt diese Erkrankung ab der 5. Dekade auf,<br />
findet sich jedoch vereinzelt auch früher und kann sich vor<br />
allem aber auch in der Schwangerschaft manifestieren. Der<br />
so genannte Gestations-Pemphigus spricht häufig nicht suffizient<br />
auf eine hochdosierte Steroidtherapie an. Andere immunsuppressive<br />
Therapien sind ähnlich wie beim SLE in der<br />
Schwangerschaft kontraindiziert.<br />
Plasmaaustausch: Bedingt durch die exzellenten Erfahrungen<br />
beim therapieres<strong>ist</strong>enten Pemphigus bei nicht-schwangeren<br />
Patienten wurde auch der Weg der extrakorporalen Autoantikörperentfernung<br />
bei schwangeren Frauen eingeschlagen.<br />
In der Literatur finden sich nur vereinzelte, aber positive<br />
Berichte über den Einsatz des Plasmaaustausches in dieser<br />
Indikation. Da aber vor allem in den letzten Wochen der<br />
Schwangerschaft hochfrequente Behandlungen (bis zu 3-mal<br />
pro Woche) notwendig sind, kann es beim Plasmaaustausch<br />
zu Gerinnungsstörungen sowie Sensibilisieruns- und Infektionsproblemen<br />
durch die Gabe von Frischplasma kommen.<br />
Durch den Einsatz der Immunadsorption kann die Frequenz<br />
der Behandlungen ohne das Risiko einer Fremdplasmaverabreichung<br />
deutlich erhöht werden.<br />
Auch bei in Wien behandelten Schwangeren konnte mittels<br />
Immunadsorption der Krankheitsverlauf bei Gestations-Pemphigus<br />
positiv beeinflusst werden. Dabei kam es zu einem befriedigenden<br />
Abheilen der kutanen Läsionen und damit auch<br />
zu einem drastischen Rückgang der Schmerzen. Erfreulicherweise<br />
kam es auch unter strikter Fortführung der Therapie<br />
zu keiner wesentlichen Neubildung von bullösen Veränderungen.<br />
■<br />
Literatur beim Verfasser<br />
Sowohl präex<strong>ist</strong>ente Fettstoffwechselstörungen als auch<br />
Autoimmunerkrankungen können sich während einer<br />
Schwangerschaft erstmalig manifestieren oder mit schweren<br />
Schüben zeichnen. Eine Reihe von so genannten Standard-Therapien<br />
bei nicht-schwangeren Patienten können im<br />
Fall einer Schwangerschaft nicht eingesetzt werden. Das<br />
Auftreten der Erkrankung <strong>ist</strong> mit einer hohen Mortalität für<br />
Mutter und Kind vergesellschaftet. Der Einsatz von Plasmaaustausch<br />
und/oder Immunadsorption erwies sich bei<br />
schwangeren Frauen als nebenwirkungsarm und hämodynamisch<br />
unproblematisch. Die Krankheitsverläufe konnten in<br />
der Mehrzahl der Fälle positiv beeinflusst werden.
44<br />
Die erworbene Hemmkörper-Hämophilie<br />
OA Dr. Heike Zeitler<br />
Leiterin des Zentrums für therapeutische Apherese und Autoimmunität, Medizinische Poliklinik, Universitätsklinik Bonn<br />
Bei der erworbenen Hemmkörperhämophilie handelt es<br />
sich um eine seltene Autoimmunerkrankung (Inzidenz<br />
d1–4 x 10 –6 ), bei der Autoantikörper (Auto-AK) gegen<br />
Gerinnungsfaktoren primär gerinnungsgesunder Patienten<br />
einen hämophilen Gerinnungsstatus induzieren.<br />
Bei den Auto-AK handelt es sich me<strong>ist</strong>ens um einen Antikörper-Subklassentyp<br />
IgG I und IV. Die me<strong>ist</strong>en Auto-AK<br />
sind gegen den Faktor VIII gerichtet, aber auch Faktor-V-Antikörper<br />
und Faktor-IV-Antikörper sind publiziert worden.<br />
Symptomatologie: Die Klinik zeigt me<strong>ist</strong> massive Weichteileinblutungen<br />
sowie Blutung im Bereich des Magen-Darmund<br />
Respirationstraktes. Einblutungen in die Gelenke finden<br />
sich im Gegensatz zur hereditären Hämophilie eher selten.<br />
Unbehandelt liegt die Mortalität bei diesem Krankheitsbild<br />
zwischen 22 und 25 %. Obwohl die Inzidenz gering <strong>ist</strong>,<br />
können die Therapiekosten bezüglich der lang anhaltenden<br />
hoch dosierten Faktorsubstitution immens sein. Laborchemisch<br />
auffallend <strong>ist</strong> initial eine deutliche Verlängerung der<br />
PTT. Die weitere Diagnostik bei entsprechender Klinik erfolgt<br />
dann über den Nachweis der Faktor-VIII-Aktivität, die<br />
deutlich vermindert oder < 1 % sein kann. Der unmittelbare<br />
Antikörpernachweis erfolgt im Bethesda-Assay. Bei ca. 33 %<br />
der Patienten liegt eine weitere Autoimmunerkrankung vor,<br />
in ca. 12 % der Fälle findet sich eine Koinzidenz mit Malignomen.<br />
Konventionelle Therapien<br />
OA Dr.<br />
Heike Zeitler<br />
Die derzeitigen konventionellen Therapieregime umfassen<br />
die Hochdosis-Faktor-VIII-Therapie (100 IE/kg KG) sowie<br />
den Einsatz von Schweine-Faktor-VIII. Hierbei kann es aufgrund<br />
einer Inhibitorkreuzreaktivität zur Therapieineffektivität<br />
kommen.<br />
Weiters <strong>ist</strong> der Einsatz von „Bypassing Factors“, wie z. B. aktiviertem<br />
Prothrombinkomplex und rekombinantem Faktor<br />
VIIa, im akuten Blutungsereignis sinnvoll. Allerdings wird<br />
hierdurch keine Immuntoleranz induziert.<br />
Umfangreiche Therapieversuche wurden mit Immunsuppressiva,<br />
Steroiden und Cyclophosphamid insbesondere bei niedrigtitrigen<br />
Antikörpern (< 5 Bethesda)<br />
durchgeführt.<br />
Eine neuere Therapiestrategie <strong>ist</strong> der<br />
Einsatz von CD20-Antikörpern. Auch<br />
hier scheint insbesondere bei hochtitrigen<br />
Antikörpern (> 5 Bethesda) nur<br />
eine bedingte Induktion einer Immuntoleranz<br />
möglich zu sein.<br />
Response: Die Angabe über komplette<br />
Responseraten variiert zwischen<br />
25 % und 82 %. Ein Vergleich der Fallstudien bezüglich<br />
Kosten-Nutzen-Effizienz <strong>ist</strong> bei fehlenden Angaben über<br />
Menge, Art und Dauer der Faktor-Substitution im Blutungsevent<br />
sowie Schwere und Anzahl der Blutungsereignisse nicht<br />
möglich.<br />
Prognose: Die von 2003 erhobene Meta-Analyse von Delgado<br />
zeigte, dass die Prognose der erworbenen Hemmkörperhämophilie<br />
im Wesentlichen vom Erreichen des kompletten<br />
Remissionsstatus, dem Patientenalter und der Dauer der<br />
immunsuppressiven Therapie abhängt. Derzeit versterben<br />
15 % der Patienten an den Nebenwirkungen der Langzeit-<br />
Immunsuppression und nicht an Blutungen.<br />
MBMP (modifiziertes Bonn-Malmö-Protokoll)<br />
In Bonn wurde ab 1996 das Malmö-Protokoll (Nielsen und<br />
Freiburghaus, 1995), das zur Therapie von Faktor-VIII-Auto-<br />
AK, die im Rahmen der Hämophilie-A-Substitutionstherapie<br />
aufgetreten sind, für die Therapie der Hemmkörperhämophilie<br />
modifiziert. Es besteht aus:<br />
• 1. Immunadsorption: Tag 1–5 IgG-Depletion des<br />
2–3-fachen Plasmavolumens<br />
• 2. Substitution von Immunglobulinen: Tag 5–7<br />
0,3 g/kg KG pro Tag<br />
• 3. Faktor-VIII-Substitution ab Tag 1: initiale Dosis<br />
100 IE/kg KG, bei BMI > 30 200 IE F VIII/kg KG alle<br />
6 Stunden, Dosisreduktion bei 50–80 % Restaktivität<br />
nach 4–6 Stunden um 20 % der Vortagsdosis<br />
• 4. Immunsuppressive Therapie ab Tag 1 mit Prednisolon
45<br />
1 mg/kg KG und Cyclophosphamid 2 mg/kg KG bis zur<br />
kompletten Remission<br />
Die angegebenen Therapiezyklen werden bis zur kompletten<br />
Remission wiederholt. Diese <strong>ist</strong> definiert als dauerhafte<br />
Hemmkörperelimination mit normalen Faktor-VIII-Werten<br />
– ohne Substitution zwischen 70 und 100 % für einen Follow-up<br />
von mind. 12 Monaten. Die partielle Remission <strong>ist</strong><br />
definiert als Faktor-VIII-Anstieg unter Substitution auf mindestens<br />
30 % und/oder einem Inhibitortiter von < 5 Bethesda-Einheiten.<br />
Ergebnisse: In unserem Zentrum wurden insgesamt 51<br />
Hemmkörper-Patienten diagnostiziert und therapiert. Initial<br />
wurde bei 45 Patienten das MBMP-Protokoll durchgeführt.<br />
Von Januar 1993 bis Februar 1996 wurden insgesamt 6 Patienten<br />
initial ausschließlich konservativ behandelt mit: Cyclophosphamid<br />
(n = 6), Kortison (n = 6), intravenöse Immunglobuline<br />
(n = 6), Azathioprin (n = 4), Vincr<strong>ist</strong>in (n =<br />
1), FEIBA (n = 2), Faktor-VIII-Substitution (n = 6). Von diesen<br />
6 Patienten wurden 3 Patienten sekundär nach dem<br />
MBMP therapiert. Bei unserem Kollektiv handelt es sich ausschließlich<br />
um Patienten mit hochtitrigen Inhibitoren und<br />
lebensbedrohlichen Blutungen. Der mittlere Inhibitorwert<br />
lag bei 343 BU/ml (Range 6–3.600). Das Durchschnittsalter<br />
lag bei 61 Jahren. Bei den Blutungstypen handelt es sich<br />
fast ausschließlich um Weichteileinblutungen. 4 Patienten<br />
entwickelten ein Kompartmentsyndrom, 3 Patienten hatten<br />
retropharyngeale Blutungen und mussten intubiert werden.<br />
Retroperitoneale Blutungen traten bei 4 Patienten auf und<br />
1 Patient hatte eine renale Blutung. Unter MBMP kommt<br />
es zu einem Inhibitorabfall im Schnitt nach 2–3 Apheresetagen<br />
und einer Faktor-VIII-Recovery von 3–5 % ab dem 3.<br />
bis 4. Therapietag. Es folgt danach eine Steady-State-Phase,<br />
wo weiterhin Inhibitor aus der Zirkulation entfernt wird und<br />
eine hoch dosierte Faktor-VIII-Substitution erforderlich <strong>ist</strong>.<br />
In der 3. Phase kommt es dann zu einem raschen Anstieg des<br />
Faktor-VIII-Recovery auf hochnormale Werte, danach werden<br />
zuerst die Faktor-VIII-Substitution und anschließend die<br />
Apheresetherapie ausgeschlichen. Die durchschnittliche<br />
Hemmkörpereliminationszeit lag im Median bei 3 Tagen<br />
(Range: 3–7), die durchschnittliche Dauer der Faktor-VIII-<br />
Substitution lag bei 13 Tagen (Range: 10–16), die durchschnittlich<br />
Apheresedauer lag bei 15 Tagen (Range: 13–17).<br />
Bei 2 Patienten musste die Therapie wegen Begleiterkrankungen<br />
abgebrochen werden, 46 Patienten beendeten das<br />
MBMP. Von diesen Patienten erreichten 43 eine komplette<br />
Remission, bei 3 Patienten wurde eine partielle Remission erreicht.<br />
Bei diesen Patienten wurde ein Malignom während der<br />
MBMP-Therapie diagnostiziert und der Hemmkörper <strong>ist</strong><br />
somit als ein paraneoplastisches Syndrom zu sehen. ■<br />
Nach der Initiierung von MBMP bei der akuten Hemmkörperhämophilie<br />
s<strong>ist</strong>iert die Blutung innerhalb von 24–48 Stunden.<br />
Es wird eine schnelle und sichere Inhibitor-Elimination mit<br />
einer Langzeitremission erreicht. Die konsequente Inhibitor-<br />
Elimination erlaubt eine schnelle Reduktion der Substitution<br />
mit Gerinnungspräparaten und reduziert damit die Therapiekosten<br />
deutlich. Grundsätzlich muss differenzialdiagnostisch<br />
bei älteren Patienten mit Hemmkörperhämophilie auch an ein<br />
paraneoplastisches Syndrom gedacht werden, hier <strong>ist</strong> ggf.<br />
eine Hemmkörper-Eliminierung nur im Rahmen der Tumortherapie<br />
möglich.
46<br />
ENGE KLINISCHE VERWANDTSCHAFT MIT HÄMOLYTISCH-URÄMISCHEM SYNDROM<br />
Thrombotisch-thrombozytopenische Purpura<br />
ao. Univ.-Prof. Dr. Paul Knöbl<br />
Abteilung für Hämatologie und Hämostaseologie, Universitätsklinik für Innere Medizin I, Medizinische Universität Wien<br />
Die erstmalige Beschreibung der thrombotisch-thrombozytopenischen<br />
Purpura (TTP) erfolgte 1924. Dr. Eli<br />
Moschkowitz, nach dem diese Erkrankung benannt <strong>ist</strong>,<br />
berichtete über eine 16-jährige Patientin mit schweren neurologischen<br />
Symptomen, Hämolyse und erniedrigten<br />
Thrombozytenzahlen. Die Patientin verstarb, in der Obduktion<br />
zeigte sich, dass die kleinsten Blutgefäße (Kapillaren)<br />
durch Blutgerinnsel verstopft waren, was den Tod der<br />
Patientin verursacht hatte.<br />
Über viele Jahrzehnte blieb die Ursache der TTP unbekannt,<br />
man kannte auch keine wirksame Behandlung. Die me<strong>ist</strong>en<br />
erkrankten Patienten verstarben. 1960 beschrieb Schulman<br />
ein ähnliches Krankheitsbild bei einem 8-jährigen Mädchen,<br />
das mehrere Rückfälle hatte. 1978 berichtete Upshaw von<br />
einer 29-jährigen Patientin, die ebenfalls schon mehrere<br />
Episoden erlitten hatte, die erste im Alter von 6 Monaten.<br />
Beide Patientinnen sprachen sehr gut auf die Infusion von<br />
Blutplasma an. Heute weiß man, dass es sich in beiden Fällen<br />
um die angeborene Form der TTP (das Schulman-<br />
Upshaw-Syndrom) handelte (eine autosomal-rezessive Erbkrankheit.<br />
das normale Multimerenmuster entsteht.<br />
Im Blut von Patienten mit TTP<br />
konnten ungewöhnlich große VWF-<br />
Multimere nachgewiesen werden.<br />
Nach heutigem Verständnis der TTP<br />
können diese großen Multimere<br />
unter bestimmten Umständen (Infektionen,<br />
Schwangerschaft, Tumorerkrankungen<br />
etc.) eine spontane<br />
Thrombozytenaggregation verursachen<br />
und so einen TTP-Schub auslösen.<br />
Enzym ADAMTS13 zur VWF-Spaltung fehlend oder inaktiviert:<br />
Es wurde daher vermutet, dass im Blut von TTP-<br />
Patienten ein Enzym fehlt, das die normale Zusammensetzung<br />
des VWF sicherstellt. Erst 1996 veröffentlichten Furlan<br />
und Tsai unabhängig voneinander Testsysteme zur Messung<br />
dieses Enzyms. Es zeigte sich, dass bei Patienten mit TTP dieses<br />
Enzym ganz oder fast völlig fehlte, nach der Genesung<br />
konnte es jedoch bei den me<strong>ist</strong>en Patienten wieder nachgewiesen<br />
werden. Lediglich die wenigen Patientin mit der anao.<br />
Univ.-Prof. Dr.<br />
Paul Knöbl<br />
Pathogenese<br />
Die ersten Erkenntnisse über die Ursachen der<br />
TTP wurden 1982 durch Moake publiziert. Er<br />
erkannte, dass Veränderungen im Aufbau des<br />
Von-Willebrand-Faktors (VWF) vorlagen, die<br />
eine vermehrte Aggregation der Thrombozyten<br />
verursachten.<br />
Zu viele große VWF-Multimere: VWF <strong>ist</strong> das<br />
größte Molekül im Blutkreislauf. Er tritt in<br />
Form von Multimeren auf, die kleineren Multimere<br />
sind für die Bindung des Gerinnungsfaktors<br />
VIII verantwortlich, die großen Multimere<br />
dienen zur Aggregation von Thrombozyten im<br />
Rahmen der Blutstillung. VWF wird von den<br />
Endothelzellen produziert, vor allem als sehr<br />
große Multimere. Diese werden dann im Blut<br />
durch ein Enzym in kleinere Teile zerlegt, sodass<br />
Abb. 1: Pathogenese der TTP
47<br />
geborenen (familiären) TTP hatten<br />
immer niedrige Werte. Daraus wurde geschlossen,<br />
dass die Funktion des Enzyms<br />
bei der erworbenen TTP blockiert sein<br />
muss. Tatsächlich konnte dann nachgewiesen<br />
werden, dass im Blut nahezu aller<br />
TTP-Patienten Antikörper gegen dieses<br />
Enzym vorhanden sind (Abb. 1). Abb. 2: ADAMTS13<br />
Das Enzym selbst konnte erst 2001 eindeutig<br />
charakterisiert werden, es wird als ADAMTS13 (A<br />
Disintegrin And Metalloprotease with ThromboSpondin-like<br />
repeats) bezeichnet (Abb. 2). Seither konnten exaktere Testsysteme<br />
zur Messung von ADAMTS13 entwickelt werden<br />
und es gelang auch, ADAMTS13 mittels gentechnischer Methoden<br />
künstlich herzustellen.<br />
Formen der TTP: Es werden daher heute folgende Formen<br />
der TTP unterschieden (Abb. 3):<br />
• angeborene/familiäre/hereditäre TTP: Angeborener Mangel<br />
von ADAMTS13 auf Grund von Defekten/Mutationen im<br />
Gen. Schübe können während des gesamten Lebens in unregelmäßigen<br />
Abständen immer wieder auftreten. Auslöser<br />
sind oft Infektionen, Operationen oder Schwangerschaften.<br />
• erworbene/idiopathische/sporadische TTP: Autoantikörper<br />
gegen ADAMTS13 – Auslöser können sein: Schwangerschaft,<br />
Medikamente, Infektionen. In den me<strong>ist</strong>en Fällen tritt<br />
ein TTP-Schub spontan, d. h. ohne erkennbare Ursache auf.<br />
• sekundäre TTP: Es sind jedoch auch Zustandsbilder bekannt,<br />
die per se eine TTP auslösen können: Medikamente<br />
(Cyclosporin, Clopidogrel, Tiklopidin, Penicillin, Mitomycin<br />
C, Kokain etc.), Infektionen (Bakterien, Viren etc.),<br />
Tumorerkrankungen oder Organtransplantationen. Hier<br />
sind die Ursachen unbekannt, die ADAMTS13-Aktivität<br />
und die VWF-Zusammensetzung sind me<strong>ist</strong> normal.<br />
• hämolytisch-urämisches Syndrom: Ausgelöst durch Organtransplantationen,<br />
Infektionen (E. coli, Shigella, HIV),<br />
Medikamente, aber auch spontan. Auch hier sind die Ursachen<br />
unbekannt, die ADAMTS13-Aktivität und die<br />
VWF-Zusammensetzung me<strong>ist</strong> normal.<br />
Klinik<br />
Die klinischen Symptome der TTP werden durch die aggregierenden<br />
Thrombozyten verursacht. Es kommt zu Mikrozirkulationsstörungen<br />
in allen Organsystemen. Jedoch sind<br />
die besonders empfindlichen Organe wie das Gehirn, Nieren<br />
und Herz besonders betroffen.<br />
Neurologische Veränderungen: Die neurologischen Symptome<br />
eines TTP-Schubes können ganz unterschiedlich sein:<br />
von Kopfschmerzen, Übelkeit, verwaschener Sprache, Desorientiertkeit<br />
über Sehstörungen, Bewegungseinschränkungen<br />
und Lähmungserscheinungen bis zu schweren Krämpfen<br />
und Koma. In vielen Fällen kann deshalb eine intensivmedizinische<br />
Betreuung notwendig werden.<br />
Nierenfunktionsstörungen: Durch die Thrombozytenaggregate<br />
in den Nierenkapillaren wird die Funktion der Nieren<br />
gestört: die Harnproduktion nimmt ab, es sammeln sich<br />
Stoffwechsel-Endprodukte im Körper an.<br />
Hämolyse: Bei der TTP kommt es immer zur Hämolyse.<br />
Dadurch entsteht eine oft beträchtliche Anämie, die sich in<br />
Müdigkeit, Abgeschlagenheit, niedrigem Blutdruck und<br />
Kopfschmerzen äußern kann. Es handelt sich immer um eine<br />
nicht-immunologische Hämolyse (d. h. der Coombs-Test <strong>ist</strong><br />
negativ). Außerdem können ein Ikterus und eine Braunfärbung<br />
des Harns auftreten.<br />
Thrombozytopenie: Thrombozyten sind für die Blutstillung<br />
verantwortlich. Bei niedrigen Werten treten Blutungen auf:<br />
Petechien, Ep<strong>ist</strong>axis, Schleimhautblutungen und Hämatome.<br />
Bei der TTP können solche Blutungen auftreten, sind aber<br />
nicht obligat.<br />
Fieber: In manchen Fällen kann bei einer TTP auch Fieber<br />
auftreten.<br />
Blutdruckanstieg: Manchmal kommt es auch zu erhöhtem<br />
Blutdruck.<br />
Andere Organschäden: Durch die gestörte Mikrozirkulation<br />
können auch Zeichen anderer Organschäden auftreten: Herz,<br />
Darm, Bauchspeicheldrüse, seltener auch Leber oder Lunge.<br />
Zu beachten:<br />
Die Kombination aus Thrombopenie, Coombs-negativer hämolytischer<br />
Anämie, neurologischen Ausfällen und/oder Nierenfunktionseinschränkung<br />
muss an die Möglichkeit einer<br />
TTP denken lassen.<br />
Labordiagnostik<br />
Folgende Laboruntersuchungen werden bei Verdacht auf<br />
TTP durchgeführt:
48<br />
familiäre/<br />
hereditäre/<br />
kongenitale<br />
TTP<br />
erworbene/<br />
sporadische<br />
TTP<br />
sekundäre<br />
TTP<br />
HUS<br />
ADAMTS13:<br />
Akt erniedrigt<br />
ADAMTS13:<br />
Akt blockiert<br />
ADAMTS13:<br />
Akt normal<br />
ADAMTS13:<br />
Akt normal<br />
Gendefekt<br />
Autoantikörper<br />
<br />
Abb. 3: Einteilung der TTP<br />
• Thrombozytenzahl (wichtigster Parameter für Verlauf<br />
und Ansprechen auf die Behandlung)<br />
• Erythrozytenzahl, Hämoglobin<br />
• Fragmentozyten (halbierte rote Blutkörperchen –<br />
Abb. 4): typische Veränderung bei TTP<br />
• Retikulozyten (erhöhte Werte sind typisch für Hämolyse)<br />
• LDH: erhöhte Werte sind Zeichen für Hämolyse,<br />
Verlaufsparameter<br />
• Haptoglobin: erniedrigte Werte sind Zeichen für<br />
Hämolyse<br />
• Kreatinin, BUN: zur Messung der Nierenfunktion<br />
• Coombs-Test: zur Testung auf anti-erythrozytäre<br />
Antikörper<br />
• ADAMTS13-Aktivität, -Antigen und<br />
Anti-ADAMTS13-Antikörper<br />
Differenzialdiagnose<br />
Ähnliche/verwandte Krankheitsbilder:<br />
• hämolytisch-urämisches Syndrom (HUS)<br />
• disseminierte intravasale Gerinnung (DIC)<br />
• Sepsis-Syndrom<br />
• immunhämolytische Anämie und Thrombozytopenie<br />
(Evans-Syndrom)<br />
• mechanische Hämolysen (Herzklappen, extrakorporale<br />
Zirkulation)<br />
• HELLP-Syndrom (Hypertension, Elevated Liver<br />
enzymes, Low Platelets) in der Schwangerschaft<br />
• Eklampsie<br />
• maligne Hypertonie<br />
• schwere Formen der Vaskulitis<br />
• Systemerkrankungen (syst. Lupus erythematodes)<br />
• Anti-Phospholipid-Antikörper-Syndrom<br />
• Malignome, Knochenmarks-Karzinose<br />
• Heparin-induzierte Thrombopenie<br />
• perniziöse Anämie<br />
Therapie<br />
Erste Therapieerfolge wurden erzielt, als in den 60er Jahren<br />
Blutplasma zur Behandlung der TTP eingesetzt wurde. Aber<br />
Abb. 4: Fragmentozyten<br />
erst die konsequente Durchführung einer Plasmaaustauschtherapie<br />
konnte die zuvor hohe Sterblichkeit von > 90 % auf<br />
ca. 10 % senken. Diese Therapie hat also die TTP zu einer<br />
heilbaren Erkrankung gemacht. Die Erkenntnisse über die<br />
Ursachen und Grundlagen der TTP haben die Entwicklung<br />
von modernen Behandlungsformen ermöglicht.<br />
Plasmaaustausch: Bei der Plasmaustauschtherapie wird das<br />
Blutplasma des Patienten entfernt und durch Spenderplasma<br />
ersetzt (50–80 ml/kg/d). Dadurch werden auch die<br />
ungewöhnlich großen VWF-Moleküle und die Autoantikörper<br />
gegen ADAMTS13 entfernt und normal funktionierendes<br />
ADAMTS13 zugeführt. Die Plasmaaustauschtherapie<br />
wird täglich durchgeführt, bis sich die Blutplättchenwerte<br />
normalisiert haben und die Krankheitszeichen verschwunden<br />
sind. Lediglich bei der angeborenen (familiären)<br />
Form der TTP <strong>ist</strong> die Infusion von 600–1.000 ml Plasma<br />
alle 3 Wochen ausreichend, um das Wiederauftreten der<br />
TTP zu verhindern. Bei akuten Schüben muss öfter behandelt<br />
werden.<br />
Kortison: Eine Kortisontherapie <strong>ist</strong> heute fixer Bestandteil<br />
der Therapie der erworbenen TTP, da nur damit die Bildung<br />
des die Krankheit verursachenden Antikörpers gegen<br />
ADAMTS13 nachhaltig unterdrückt werden kann. Die Therapie<br />
wird üblicherweise oral verabreicht. Die Dosis muss<br />
zunächst hoch sein (1–1,5 mg/kg Körpergewicht) und wird<br />
nach Rückgang der Symptome rasch reduziert.<br />
Azetylsalizylsäure: Diese Substanz wird vor allem bei Patienten<br />
mit durch die TTP verursachten schweren Organschäden,<br />
vor allem bei Durchblutungsstörungen des Herzmuskels<br />
oder des Gehirns, verabreicht. Die Dosis beträgt 100 mg<br />
pro Tag. Im Gegensatz zu früheren Meinungen kann Azetylsalizylsäure<br />
auch bei noch niedrigen Blutplättchenzahlen gegeben<br />
werden, da ein früher Einsatz nachhaltige Organschäden<br />
verhindern kann. Dazu gibt es jedoch noch keine eindeutigen<br />
wissenschaftlichen Untersuchungen.
49<br />
sein. Da dies jedoch ein größerer operativer Eingriff<br />
<strong>ist</strong>, sollte die TTP, wenn möglich, behandelt und<br />
unter Kontrolle sein. Vor allem sind normale<br />
Thrombozyten- und Erythrozytenzahlen notwendig,<br />
um das Operationsrisiko gering zu halten. Lediglich<br />
bei schweren Verlaufsformen, die auf die Therapie<br />
nicht ansprechen, <strong>ist</strong> eine Notfall-Splenektomie indiziert.<br />
Intensivmedizinische Betreuung: Da viele TTP-Patienten<br />
schwer krank sind und schwere Organschäden<br />
auftreten können, <strong>ist</strong> oft eine Überwachung oder<br />
Betreuung auf einer Intensivstation notwendig.<br />
Dort können Komplikationen rasch und gezielt erkannt<br />
und behandelt werden.<br />
Abb. 5: Verlauf einer TTP-Patientin unter Immunadsorption<br />
Blutkonserven: Da ein charakter<strong>ist</strong>isches Merkmal der TTP<br />
eine Hämolyse <strong>ist</strong>, müssen oft auch Blutkonserven verabreicht<br />
werden. Als Richtwert dient me<strong>ist</strong> der Hämoglobinwert<br />
im Blut, Konserven müssen bei Werten unter 7,0 g/dl<br />
gegeben werden.<br />
Rituximab (MabThera ® ): Diese moderne Therapieform<br />
wurde ursprünglich zur Behandlung von bösartigen Lymphknotenerkrankungen<br />
entwickelt. Es handelt sich dabei um<br />
einen gentechnisch hergestellten Antikörper (CD20), der B-<br />
Lymphozyten gezielt zerstören kann. Da gerade diese B-Lymphozyten<br />
auch für die Produktion aller Antikörper verantwortlich<br />
sind, kann durch deren Zerstörung auch die Produktion<br />
von „falschen“ Antikörpern, die Autoimmunerkrankungen<br />
verursachen, gestoppt werden. Da auch die erworbene<br />
TTP eine Autoimmunerkrankung <strong>ist</strong>, kann Rituximab<br />
auch hier erfolgreich sein.<br />
Es gibt noch keine eindeutigen wissenschaftlichen Untersuchungen,<br />
jedoch einige positive Fallberichte. Daher wird Rituximab<br />
vorerst nur bei Patienten eingesetzt, die auf die gängige<br />
Therapie nur unzureichend ansprechen.<br />
Splenektomie: Bei Patienten, die auf die Behandlung nicht<br />
ansprechen bzw. beim häufigen Auftreten von schweren<br />
Schüben kann die operative Entfernung der Milz wirksam<br />
Immunadsorption: Bei der erworbenen TTP <strong>ist</strong><br />
auch die Immunadsorption eine therapeutische Option,<br />
da damit der Autoantikörper entfernt wird und<br />
die ADAMTS13-Aktivität damit wiederhergestellt<br />
werden kann. Studien zu dieser Option gibt es jedoch<br />
nicht. Wir haben drei Patienten mit TTP zusätzlich<br />
zur Plasmaaustauschtherapie mit Immunadsorption<br />
behandelt. Ein Verlauf <strong>ist</strong> in Abbildung 5<br />
dargestellt.<br />
Zu beachten:<br />
Auch bei sehr niedrigen Thrombozytenwerten dürfen keine<br />
Thrombozytenkonzentrate verabreicht werden, da die darin<br />
enthaltenen Plättchen ebenfalls aggregieren und so die Mikrozirkulationsstörung<br />
verstärkt wird!<br />
■<br />
Literatur beim Verfasser<br />
• Die erworbene thrombotisch-thrombozytopenische Purpura<br />
<strong>ist</strong> eine Autoimmunerkrankung mit Antikörpern gegen<br />
ADAMTS13, ein Enzym, das für die Spaltung der hochmolekularen<br />
Von-Willebrand-Faktor-Multimere verantwortlich<br />
<strong>ist</strong>.<br />
• Durch die Pers<strong>ist</strong>enz dieser Multimere kommt es zur spontanen<br />
Thrombozytenaggregation, dadurch zu Mikrozirkulationsstörungen,<br />
neurologischen Ausfällen, Nierenschäden<br />
und Hämolyse.<br />
• Durch konsequente Plasmaaustauschtherapie wird die<br />
Krankheit beherrscht und me<strong>ist</strong> geheilt. Weitere Optionen<br />
sind Kortison, Rituximab, Splenektomie, Immunadsorption<br />
und Aspirin.
50<br />
BLUTGRUPPEN-UNGLEICHE ALLOGENE KNOCHENMARK- BZW. STAMMZELLTRANSPLANTATION<br />
Immunadsorption<br />
bei Isoagglutininpers<strong>ist</strong>enz<br />
ao. Univ.-Prof. Dr. Werner Rabitsch<br />
Abteilung für Knochenmarktransplantation, Klinik für Innere Medizin I, Medizinische Universität Wien<br />
In ca. 20–40 % aller allogenen Knochenmark- bzw.<br />
Stammzelltransplantationen liegt ein so genanntes AB0-<br />
Missmatch vor. Man unterscheidet ein Minor-AB0-Missmatch<br />
(Spenderantikörper sind gegen die Blutgruppe des<br />
Empfängers gerichtet), ein Major-AB0-Missmatch (Empfänger-Isoagglutinine<br />
sind gegen die Blutgruppe des Spenders<br />
gerichtet) sowie ein bidirektionales AB0-Missmatch.<br />
Kontext AB0-Missmatch-Transplantation: Eine allogene<br />
Knochenmark- bzw. Stammzelltransplantation stellt für<br />
viele Patienten mit einer malignen hämatologischen Erkrankung<br />
die einzige kurative Therapieoption dar. Neben den<br />
während einer Knochenmark- bzw. Stammzelltransplantation<br />
aufgrund der Chemotherapie und Strahlentherapie zu erwartenden<br />
Komplikationen (Toxizität, Infektionen, Graft-versus-Host-Erkrankung),<br />
kann es bei blutgruppenungleicher<br />
Transplantation aufgrund von pers<strong>ist</strong>ierenden Isoagglutininen<br />
zusätzlich zu einer lang andauernden Aplasie der roten<br />
Zellreihe (Erythropoese) kommen. Die Folge <strong>ist</strong> eine hohe<br />
Transfusionsfrequenz mit den damit verbundenen Risiken<br />
(Infektion, Eisenüberladung, Unverträglichkeit etc.) sowie<br />
eine starke Beeinträchtigung der Lebensqualität der Patienten.<br />
Pers<strong>ist</strong>ierende Empfänger-Isoagglutinine<br />
Prolongierte Aplasie der Erythropoese: Bei ca. 20 % der<br />
transplantierten Patienten, die ein Major-AB0-Missmatch<br />
aufweisen, kommt es aufgrund der pers<strong>ist</strong>ierenden Isoagglutinine<br />
des Empfängers zu einer prolongierten Aplasie der<br />
Erythropoese. Die pers<strong>ist</strong>ierenden Isoagglutinine (Anti-A<br />
und Anti-B) können mittels eines einfachen Titrationsverfahrens<br />
(Empfängerserum gegen passende Spendererythrozyten)<br />
nachgewiesen werden und werden mittels eines Scoringsystems<br />
je nach Stärke der Agglutination zwischen 0 und<br />
4 angegeben.<br />
Unbedingt Knochenmarkpunktion zur Bestätigung:<br />
Bevor jedoch mögliche Therapieentscheidungen getroffen<br />
werden, <strong>ist</strong> zuvor eine entsprechende Diagnostik erforderlich.<br />
Es sollte unbedingt eine Knochenmarkpunktion zur Bestätigung<br />
des Fehlens der roten Vorstufen<br />
bei gleichzeitigem Vorhandensein der<br />
restlichen Zelllinien durchgeführt<br />
werden. Weiters können mit dieser<br />
Knochenmarkpunktion eine eventuelle<br />
toxische Schädigung des Knochenmarks,<br />
ein Rezidiv der Grunderkrankung<br />
sowie eine virale oder bakterielle<br />
Infektion ausgeschlossen werden.<br />
Nach bestätigter Diagnose kann<br />
eine Therapie eingeleitet werden.<br />
ao. Univ.-Prof. Dr.<br />
Werner Rabitsch<br />
Therapiestandard Plasmapherese: Die unterschiedlichsten<br />
Therapiemöglichkeiten (Erythropoetin, Plasmapherese vor<br />
und nach der Transplantation, Immunsuppression mit Kortikosteroiden<br />
und Antithymozytenglobulin, Gabe von Anti-<br />
CD20-Antikörpern sowie die Transfusion von Spendererythrozytenkonzentraten)<br />
wurden in den letzten Jahren mit<br />
unterschiedlichem Erfolg durchgeführt. Die besten Ergebnisse<br />
konnten mit der Plasmapherese erzielt werden, und<br />
diese gilt nach wie vor als Standardtherapie in dieser Indikation.<br />
Zu den anderen zur Verfügung stehenden Therapiemöglichkeiten,<br />
insbesondere der immunsuppressiven<br />
Therapie und Antikörpertherapie, gibt es nur einzelne Fallberichte.<br />
Therapiealternative Immunadsorption: Eine weitere<br />
Möglichkeit, die an unserem Zentrum seit Jahren angewandt<br />
wird, <strong>ist</strong> die Immunadsorption. Die Immunadsorption bei<br />
pers<strong>ist</strong>ierenden Isoagglutininen bei Major-AB0-Inkompatibilität<br />
<strong>ist</strong> wie bei vielen anderen immunologisch bedingten<br />
Krankheitsbildern als mögliche, nicht jedoch als gesicherte<br />
Therapie anzusehen.<br />
<strong>Wiener</strong> Erfahrungen mit Immunadsorption<br />
13 Patienten mit aregeneratorischer Anämie nach Major-<br />
AB0-inkompatibler allogener Stammzelltransplantation<br />
wurden bisher an unserem Zentrum mittels Immunadsorption<br />
therapiert. Bei allen Patienten wurde initial mit einer<br />
Erythropoetintherapie begonnen, die jedoch keinen Erfolg
51<br />
brachte. 5 dieser Patienten wurden in weiterer Folge mittels<br />
Plasmapherese therapiert, es gelang jedoch keine langfr<strong>ist</strong>ige<br />
Reduktion der Isoagglutinine. Diese Patienten wurden in<br />
weiterer Folge einer Immunadsorption zugeführt. Die restlichen<br />
8 Patienten wurden direkt nach dem Nichtansprechen<br />
auf die Erythropoetintherapie immunadsorbiert.<br />
Ergebnisse: Es gelang bei allen Patienten eine Reduktion<br />
der Isoagglutinine und somit ein Anwachsen der Spendererythropoese.<br />
Insgesamt wurden bei den Patienten 248 Behandlungen<br />
durchgeführt. Die Behandlungen wurden in<br />
den ersten beiden Wochen 4–5-mal/Woche durchgeführt,<br />
und in weiterer Folge in Abhängigkeit von der Höhe der<br />
Isoagglutinintiter auf 3-mal/Woche reduziert. Im Durchschnitt<br />
benötigte der einzelne Patient 19 Behandlungen<br />
(Range 2–60). Die Behandlungen wurden großteils über<br />
periphere Venen durchgeführt. Bis auf eine CMV-Reaktivierung,<br />
die nach allogener Stammzelltransplantation relativ<br />
häufig vorkommt, sowie einer Katheterinfektion kam es<br />
während der Behandlungsperiode zu keinerlei nennenswerten<br />
Komplikationen. Alle Patienten hatten nach Abschluss<br />
der Therapie eine stabile Erythropoese und wurden transfusionsunabhängig.<br />
■<br />
Unsere bisherigen Erfahrungen mit der Immunadsorption bei<br />
aregeneratorischer Anämie nach Major-AB0-inkompatibler<br />
allogener Stammzelltransplantation zeigen ein hervorragendes<br />
Ansprechen, und es wurden kaum Nebenwirkungen bei<br />
den Patienten beobachtet. Insgesamt muss jedoch gesagt<br />
werden, dass es sich bei der hier beschriebenen Behandlungsmethode<br />
um eine hochspezifische Therapie handelt,<br />
die nur von speziell geschultem Personal durchgeführt werden<br />
sollte.
52<br />
Immunadsorption bei Pemphigus<br />
Prof. Dr. med. Jürgen Grabbe<br />
Klinik für Dermatologie, Allergologie und Venerologie, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck<br />
Der Pemphigus gehört zur Gruppe der organspezifischen<br />
Autoimmunerkrankungen und zeichnet sich klinisch<br />
durch ausgedehnte, häufig therapieres<strong>ist</strong>ente Blasenbildung<br />
und konsekutive Entstehung von Erosionen der<br />
Haut und Schleimhäute aus (Abb. 1).<br />
Kontext Pemphigus-Erkrankungen<br />
Pathophysiologie: Immunpathologisch sind diese Erkrankungen<br />
durch zirkulierende und gewebegebundene Autoantikörper<br />
gegen verschiedene kutane Adhäsionsmoleküle<br />
charakterisiert. Pemphigus- und Pemphigoid-Erkrankungen<br />
sowie die Epidermolysis bullosa acquisita unterscheiden sich<br />
u. a. in den jeweils relevanten Autoantigenen und damit der<br />
anatomischen Ebene des Adhäsionsverlusts und der Blasenbildung<br />
(intraepidermale oder subepidermale Spaltbildung).<br />
Beim Pemphigus finden sich IgG-Autoantikörper gegen verschiedene<br />
Keratinozytenproteine, u. a. Bestandteile der Desmosomen<br />
(Desmoglein [DSG] 1 und 3, Plakoglobin) und<br />
Acetylcholinrezeptoren (-9-Acetylcholin-Rezeptor, Pemphaxin).<br />
Die pathogenetische Bedeutung solcher Antikörper<br />
zeigt sich experimentell bei passivem Transfer von Serumimmunglobulinen<br />
von Pemphigus-Patienten auf neugeborene<br />
Mäuse, der zu den gleichen pathologischen Veränderungen<br />
wie bei einem Pemphigus führt. Die Präadsorption der Immunglobuline<br />
mit rekombinantem DSG 1 und 3 verhindert<br />
eine solche Blasenbildung. Auch der diaplazentare Übergang<br />
mütterlicher Pemphigusautoantikörper kann beim Neugeborenen<br />
zu einer passageren Pemphigus-Erkrankung führen.<br />
Häufige klinische Erscheinungsformen: Die häufigsten Formen<br />
der Erkrankung sind der Pemphigus vulgaris und der<br />
Pemphigus foliaceus: sie unterscheiden sich klinisch durch die<br />
Beteiligung der Schleimhäute (bei P. foliaceus fehlend), h<strong>ist</strong>ologisch<br />
(oberflächlicher Adhäsionsverlust innerhalb der Epidermis<br />
bei P. foliaceus) und den erkannten Autoantigenen<br />
(DSG 1 und 3 beim P. vulgaris, DSG 1 beim P. foliaceus).<br />
Therapie:<br />
• Immunsuppression: Die Standardtherapie der unbehandelt<br />
oft tödlich verlaufenden Pemphigus-Erkrankungen besteht<br />
in hochdosierter Anwendung von Glukokortikoiden in<br />
Kombination mit verschiedenen Immunsupressiva wie<br />
Azathioprin, Mycophenolat-Mofetil,<br />
Cyclophosphamid. Eine solche<br />
Behandlung muss in den me<strong>ist</strong>en<br />
Fällen bei dieser chronischen Erkrankung<br />
auf Dauer erfolgen und<br />
<strong>ist</strong> daher mit einer erheblichen nebenwirkungsbezogenen<br />
Morbidität<br />
und Mortalität verbunden.<br />
• Antikörperelimination: Da sich die<br />
eindeutige pathophysiologische<br />
Rolle der Pemphigus-Autoantikörper<br />
auch in der Korrelation zwischen<br />
ihren Serumtitern und der<br />
Prof. Dr. med.<br />
Jürgen Grabbe<br />
klinischen Krankheitsaktivität widerspiegelt, wurden in der<br />
Vergangenheit bereits erfolgreich Versuche zur Beseitigung<br />
dieser Autoantikörper mittels Plasmapherese unternommen.<br />
Um einige Nachteile dieser Methode (nicht-selektive Entfernung<br />
von Plasmaproteinen, notwendige Substitution<br />
von Plasmabestandteilen) zu umgehen, wurden in der Folgezeit<br />
verschiedene Immunadsorptionsverfahren eingesetzt.<br />
Hierbei wurden Tryptophan- und Dextransulfat-Adsorber<br />
eingesetzt. Schoen et al. verwendeten erstmals im Falle<br />
eines paraneoplastischen Pemphigus erfolgreich eine mit<br />
Anti-IgG beschichtete Matrix.<br />
Protein-A-Immunadsorption bei Pemphigus<br />
Protein A, ein Bestandteil der Zellwand von Staphylococcus<br />
aureus, bindet an den Fc-Teil von Immunglobulinen, bevorzugt<br />
von IgG 1 , IgG 2 und IgG 4 und im geringeren Maße von<br />
IgG 3 , IgA, IgM und IgE.<br />
Protokoll mit begleitender immunsuppressiver Therapie<br />
zur Unterdrückung der Autoantikörper-Neosynthese: Vor<br />
4 Jahren berichteten Schmidt et al. über die Behandlung von<br />
5 Pemphigus-Patienten (4 mit P. vulgaris, 1 mit P. foliaceus)<br />
mittels einer Protein-A-Immunadsorption, von denen 3 bereits<br />
erfolglos mit verschiedenen Immunsuppressiva vortherapiert<br />
worden waren. Die Protein-A-Adsorption wurde<br />
3-malig an einander folgenden Tagen durchgeführt, an die<br />
sich weitere einmalige Behandlungen anschlossen (jeweils<br />
4 in 1-wöchigem, dann 2-, 3- und 4-wöchigem Abstand). Da
Abb. 1: Pemphigus vulgaris: ausgedehnte Erosionen durch<br />
intraepidermale Blasenbildung<br />
die Entfernung von Antikörpern aus der Zirkulation eine gesteigerte<br />
Neusynthese, sogar über das ursprüngliche Maß hinaus,<br />
auslösen kann, wurde der initiale Behandlungszyklus<br />
durch eine Stoßtherapie mit Cyclophosphamid (500 mg am<br />
1. Tag) und Dexamethason (je 100 mg an 3 Tagen) durchgeführt,<br />
an die sich eine orale Behandlung mit Methylprednisolon<br />
(0,5 mg/kg Körpergewicht) anschloss. Traten keine<br />
neuen Blasen mehr auf, wurde diese Dosis in 2-wöchentlichen<br />
Intervallen stufenweise bis auf 6 mg/Tag reduziert.<br />
Unter diesem Behandlungregime kam es innerhalb eines Monats<br />
zu einem deutlichen klinischen Ansprechen: Bei 3 Patienten<br />
traten keine neuen Blasen auf, bei den übrigen 2 war deren<br />
Zahl stark reduziert. Diese beiden Patienten entwickelten nach<br />
11 bzw. 15 Behandlungen ebenfalls keine neuen Läsionen mehr.<br />
Eine einzelne Immunadsorptionsbehandlung reduzierte die<br />
Autoantikörperkonzentration um 80–90 %, einen Monat<br />
nach Therapiebeginn waren die Ausgangswerte durchschnittlich<br />
auf 76 % (45–94 %) reduziert.<br />
Nach Beendigung der Immunadsorptionsbehandlung blieb jedoch<br />
nur ein Patient in einer kompletten klinischen und serologischen<br />
Remission. Ein weiterer Patient zeigte trotz klinischer<br />
Erscheinungsfreiheit erneut steigende Antikörperwerte,<br />
während die 3 übrigen auch neue Hautläsionen entwickelten.<br />
Abb. 2: Pemphigus foliaceus: Ablagerungen von IgG in der<br />
Epidermis mit interzellulärem Muster im fluoreszenzmikroskopischen<br />
Nachweis<br />
Protokoll mit modifizierter Immunsuppression: Um<br />
eine längere Remission nach Beendigung der Immunadsoption<br />
zu erreichen, wurden in der Folgezeit 9 weitere Patienten<br />
behandelt: 7 hatten eine über mindestens 11 Monate therapierefraktäre<br />
Erkrankung, 2 waren nicht vorbehandelt. Das<br />
ursprüngliche Immunadsorptionsprotokoll wurde durch<br />
die tägliche Gabe von hoch dosiertem Methylprednisolon<br />
(2 mg/kg Körpergewicht) und von Azathioprin (2,5 mg/kg<br />
Körpergewicht) oder Mycophenolat-Mofetil (2 g/Tag) ergänzt.<br />
Nach klinischem Verlauf erfolgte eine Reduktion der<br />
Methylprednisolon-Dosis um jeweils 25 % in 2-wöchigen<br />
Abständen. Wiederum kam es bei allen Patienten zu einer raschen<br />
deutlichen klinischen Befundbesserung mit Abfall der<br />
Antikörperwerte: 4 entwickelten nach einem Monat keine<br />
neuen Blasen mehr, 5 zeigten einen deutlichen Rückgang der<br />
Aktivität. Nach 6 Monaten waren 8 der 9 Patienten komplett<br />
beschwerdefrei. Nach Beendigung der Immunadsorptionsbehandlung<br />
blieb 1 Patient in einer anhaltenden klinischen und<br />
serologischen Remission, 4 zeigten bei klinischer Erscheinungsfreiheit<br />
noch erhöhte Antikörpertiter, während zwei<br />
weitere Patienten auch einen klinischen Rückfall erlitten. Bei<br />
zwei weiteren Patienten musste die Therapie wegen interkurrenten,<br />
unabhängigen Erkrankungen unterbrochen werden.<br />
Suche nach effektiver Rückfallprävention: Die Ergebnisse<br />
zeigen, dass eine Protein-A-Immunadsorption bei einem<br />
Pemphigus zu einer raschen signifikanten Besserung des klinischen<br />
Bildes und begleitender Reduktion der Autoantikörperwerte<br />
führt, die mit der bisherigen konventionellen Behandlung<br />
in vielen Fällen nicht zu erreichen war. Die jedoch<br />
häufig auftretenden klinischen oder serologischen Rückfälle<br />
erfordern eine weitere Optimierung der begleitenden immunsuppressiven<br />
Behandlung. Erste positive klinische Erfahrungen<br />
liegen dabei für die Behandlung mit hoch dosierten<br />
intravenösen Immunglobulinen und dem CD20-Antikörper<br />
Rituximab vor, die zurzeit in neuen Behandlungsprotokollen<br />
untersucht wird.<br />
■<br />
Literatur beim Verfasser<br />
Bei Pemphigus-Erkrankungen spielen Autoantikörper gegen<br />
epidermale Strukturproteine eine entscheidende pathophysiologische<br />
Rolle für die Entstehung von Blasen und Erosionen<br />
an Haut und Schleimhäuten. Eine immunsuppressive Therapie<br />
kann auf längere Sicht die Bildung dieser Autoantikörper<br />
beeinflussen, <strong>ist</strong> aber erst verzögert wirksam und in vielen<br />
Fällen nicht ausreichend effektiv und mit erheblichen Nebenwirkungen<br />
behaftet. Verschiedene Immunadsorptionsverfahren,<br />
z. B. mit IgG-bindendem Protein A, haben sich in den<br />
letzten Jahren als sehr wirksame zusätzliche Verfahren zum<br />
Erreichen einer raschen klinischen Remission auch in bislang<br />
therapierefraktären Fällen erwiesen und eine wichtige<br />
Rolle in verschiedenen Behandlungsschemata erobert.
54<br />
Immunadsorption bei<br />
dilatativer Kardiomyopathie<br />
Priv.-Doz. Dr. Alexander Staudt<br />
Klinik und Poliklinik für Innere Medizin B, Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald<br />
Trotz medikamentöser Therapie <strong>ist</strong> die Prognose von Patienten<br />
mit dilatativer Kardiomyopathie (DCM) als<br />
sehr ernst einzustufen. Es <strong>ist</strong> das Ziel der klinischen<br />
Forschung, neue Therapiekonzepte zur Behandlung dieser<br />
schweren Herzmuskelerkrankung zu entwickeln.<br />
Neben der koronaren Herzerkrankung stellt die dilatative<br />
Kardiomyopathie (DCM) die häufigste Ursache der terminalen<br />
Herzinsuffizienz dar. Alleine in Deutschland leiden<br />
schätzungsweise 500.000 Patienten an dieser Erkrankung.<br />
Pathogenese der<br />
dilatativen Kardiomyopathie<br />
Vermutungen zur Ätiologie: Die Ursache der DCM bleibt<br />
nach Ausschluss einer koronaren Herzerkrankung in vielen<br />
Fällen unklar. Häufig lautet die Diagnose idiopathische<br />
DCM. Auf der anderen Seite wird bei ungefähr 30 % der<br />
Fälle die Herzmuskelerkrankung durch hereditäre Mutationen<br />
verursacht, zu denen Polymorphismen in den Genen für<br />
Struktur- und Sarkolemmproteine gehören. Neueren Befunden<br />
zufolge spielen entzündliche Prozesse, die das zelluläre<br />
und humorale Immunsystem betreffen, bei der Pathogenese<br />
der DCM eine bedeutende Rolle. Es wird angenommen, dass<br />
sich die DCM bei vielen Patienten auf dem Boden einer Virusmyokarditis<br />
entwickelt. So konnten in Myokardbiopsieproben<br />
von Patienten mit DCM virale RNA mittels RT-PCR<br />
und In-situ-Hybridisierung nachgewiesen werden.<br />
Schlüsselrolle kardiotroper Antikörper Klinische und experimentelle<br />
Studien weisen auch auf eine Beteiligung kardialer<br />
Antikörper bei der Pathogenese und Progression der<br />
DCM hin. So können bei einem Teil der Patienten Antikörper<br />
gegen spezifische Antigene detektiert werden, so dass die<br />
Erkrankung von vielen auch als eine Autoimmunerkrankung<br />
angesehen wird. So wurden Antikörper nachgewiesen, u. a.<br />
gegen mitochondriale Proteine, gegen kontraktile Proteine<br />
oder gegen den kardialen Betarezeptor.<br />
An einem Tiermodell konnte kürzlich gezeigt werden, dass<br />
Antikörper gegen den Beta-1-Rezeptor direkt eine Kardiomyopathie<br />
induzieren können.<br />
Priv.-Doz. Dr.<br />
Alexander Staudt<br />
In einer weiteren Arbeit konnte gezeigt<br />
werden, dass BALB/c-Mäuse, die<br />
den immunregulatorischen PD-1-<br />
Rezeptor nicht exprimieren, eine<br />
DCM entwickeln können. Als wesentlicher<br />
Pathomechanismus wird in<br />
diesem Tiermodell die Bildung von<br />
Antikörpern gegen das Troponin angesehen.<br />
Es konnte außerdem gezeigt<br />
werden, dass die kardiotropen Antikörper<br />
die Herzfunktion negativ beeinflussen<br />
können. So konnte gezeigt werden, dass die Immunisierung<br />
von Tieren gegen den ADP/ATP-Carrier zu<br />
einer Störung des kardialen Energiemetabolismus führt. Autoantikörper,<br />
die gegen den ADP/ATP-Carrier reagieren,<br />
können ebenfalls mit dem Kalziumkanal kreuzreagieren. Bei<br />
einem Großteil der Patienten mit DCM wurden in der Vergangenheit<br />
funktionell aktive Antikörper nachgewiesen, die<br />
an isolierten adulten Kardiomyozyten zur einer akuten Abnahme<br />
des Kalziumtransienten und der systolischen Zellverkürzung<br />
geführt haben.<br />
Es <strong>ist</strong> davon auszugehen, dass kardiotrope Antikörper eine<br />
bedeutende Rolle in der Pathogenese und Progression der Erkrankung<br />
spielen. Aus diesem Grunde müsste die Entfernung<br />
von Autoantikörpern bei Patienten mit DCM zu einer Verbesserung<br />
der linksventrikulären Funktion führen.<br />
Effekte der Immunadsorption<br />
bei dilatativer Kardiomyopathie<br />
Die Immunadsorption <strong>ist</strong> ein bereits länger bekanntes Verfahren,<br />
das zur Entfernung von Autoantikörpern bei einer<br />
Reihe von Autoimmunerkrankungen genutzt wird (rheumatoide<br />
Arthritis, Myasthenia gravis).<br />
Verbesserung der linksventrikulären Funktion: Unsere Arbeitsgruppe<br />
führte in den letzten Jahren zuerst eine Pilotstudie<br />
zu den hämodynamischen Akuteffekten einer zusätzlichen<br />
Immunadsorptionstherapie bei Patienten mit DCM<br />
durch. Die Patienten wurden an 5 aufeinander folgenden<br />
Tagen mit einer Immunadsorptionstherapie behandelt.
56<br />
LV-EF (%)<br />
Kontrollgruppe (n = 9)<br />
Immunadsorptionsgruppe (n = 9)<br />
30 -<br />
20 -<br />
10 -<br />
0 -<br />
Baseline<br />
nach 3 Monaten<br />
Nach: Felix et al., Hemodynamic effects of immunoadsorption and subsequent<br />
immunoglobulin substitution in dilated cardiomyopathy: Three-Month Results<br />
from a Randomized Study. J Am Coll Cardiol 2000; 35:1590-1598<br />
Abb. 1: Veränderungen der linksventrikulären Auswurffraktion<br />
(LVEF) in der Immunadsorptions-Gruppe (grüne Säule, n = 9) und<br />
in der Kontrollgruppe (rote Säule, n = 9) „baseline“ und nach<br />
3 Monaten<br />
Es konnte eine Verbesserung der linksventrikulären Funktion<br />
nachgewiesen werden.<br />
Die Ergebnisse dieser Pilotstudie wurden in einer prospektiven<br />
und randomisierten Studie, in der auch die längerfr<strong>ist</strong>igen<br />
Effekte der Immunadsorptionstherapie verglichen<br />
wurden, untersucht. Im Vergleich zur Kontrollgruppe zeigte<br />
die Immunadsorptionsgruppe eine akute und längerfr<strong>ist</strong>ige<br />
Verbesserung der linksventrikulären Funktion (Abb. 1).<br />
Eine Case-Control-Studie einer anderen Arbeitsgruppe analysierte<br />
die längerfr<strong>ist</strong>igen Effekte einer Immunadsorption bei<br />
17 DCM-Patienten gegenüber einer Vergleichskontrollgruppe.<br />
Es konnte auch hier gezeigt werden, dass die Immunadsorptionstherapie<br />
über einen längeren Zeitraum die<br />
Pumpfunktion von Patienten mit DCM entscheidend bessern<br />
kann.<br />
Entzündungshemmung im Myokard: Eine weitere prospektive<br />
und randomisierte Studie untersuchte die Wirkung<br />
der Immunadsorptionstherapie auf die Entzündungsreaktion<br />
im Myokardgewebe von DCM-Patienten. Neben einer Zunahme<br />
der linksventrikulären Funktion nahm die Zahl der<br />
infiltrierenden Lymphozyten und Leukozyten im Myokardgewebe<br />
im Vergleich zur Kontrollgruppe ab. Ferner konnte<br />
eine Verminderung der Expression der HLA-Klasse-II-Moleküle<br />
in der Immunadsorptions-Gruppe nachgewiesen<br />
werden (Abb. 2).<br />
Eliminierung negativ inotroper Antikörper: Die Effekte<br />
der Immunadsorption können auf der Eliminierung negativ<br />
inotroper Antikörper beruhen. Zur Charakterisierung der<br />
inotropen Wirkung der Antikörper wurden deshalb In-vitro-<br />
Untersuchungen mit den von der Immunadsorption entfernten<br />
Antikörpern durchgeführt. Diese Untersuchungen<br />
haben gezeigt, dass bei Patienten mit DCM negativ inotrope<br />
Antikörper durch die Immunadsorptionstherapie eliminiert<br />
werden können. Interessanterweise korrelierten die negativ<br />
inotropen Effekte mit den hämodynamischen Effekten der<br />
Immunadsorption. Die Entfernung der Antikörper scheint<br />
deshalb einen entscheidenden Mechanismus der Immunadsorptionstherapie<br />
bei DCM darzustellen.<br />
In einer weiteren prospektiven Studie konnte gezeigt werden,<br />
dass der Nachweis von negativ inotropen Antikörpern einen<br />
positiven Prädiktor für die Erfolge der Immunadsorptionstherapie<br />
bei den Patienten mit DCM darstellt. Diese<br />
funktionell aktiven Antikörper sind bei der Mehrzahl der Patienten<br />
mit DCM nachweisbar. Man kann daraus auch<br />
schließen, dass bei der Mehrheit der Patienten mit DCM das<br />
humorale Immunsystem eine bedeutende Rolle in der Pathogenese<br />
der kardialen Dysfunktion spielen könnte. In einer<br />
kürzlich publizierten Arbeit konnte gezeigt werden, dass die<br />
negativ inotropen Effekte der Antikörper auf die Herzmuskelzellen<br />
durch eine Kreuzvernetzung mit einem kardialen<br />
Fc-Rezeptor vermittelt werden.<br />
Entscheidende IgG 3 -Subklasse: Die einzelnen Immunglobulinklassen<br />
unterscheiden sich funktionell deutlich voneinander.<br />
So gilt die IgG 3 -Subklasse als der stärkste Aktivator<br />
des Komplementsystems. Neueren Befunden zufolge<br />
gehören einige kardiale Autoantikörper zum Teil nur der<br />
IgG 3 -Subklasse an. Eine weitere klinische Studie lässt vermu-<br />
HLA-Klasse-II-<br />
Antigen-Expression<br />
Baseline<br />
HLA-Klasse-II-<br />
Antigen-Expression<br />
nach 3 Monaten<br />
Nach: Staudt A., Schaper F., Stangl V. et al., Immunoh<strong>ist</strong>ological changes in<br />
dilated cardiomyopathy induced by immunoadsorption therapy and subsequent<br />
immunoglobulin substitution. Circulation 2001; 103:2681-2686<br />
Abb. 2: Veränderung der HLA-Klasse-II-Antigen-Expression<br />
eines Patienten vor und nach der Immunadsorptionstherapie<br />
(nach 3 Monaten; 400-fache Vergrößerung)
57<br />
ten, dass die Entfernung der Antikörper der IgG 3 -Subklasse<br />
eine entscheidende Bedeutung für die hämodynamischen Effekte<br />
während der Immunadsorptionstherapie darstellt. Für<br />
eine erfolgreiche Immunadsorption <strong>ist</strong> deshalb die Entfernung<br />
von Antikörpern der IgG 3 -Subklasse entscheidend.<br />
Verbesserung bei Herzinsuffizienz-Prognosemarkern:<br />
Die neurohumoralen Faktoren nt-BNP und nt-ANP stellen<br />
wichtige Prognosemarker bei der Herzinsuffizienz dar. Wir<br />
konnten im Rahmen einer Case-Control-Studie zeigen, dass<br />
durch die Immunadsorptionstherapie diese beiden wichtigen<br />
neurohumoralen Faktoren positiv beeinflusst werden können.<br />
Es <strong>ist</strong> noch unklar, welchen Einfluss die Immunadsorptionstherapie<br />
auf die langfr<strong>ist</strong>ige Prognose (Mortalität und<br />
Morbidität) von DCM-Patienten hat.<br />
■<br />
In klinischen und experimentellen Studien konnte eine Beteiligung<br />
kardialer Autoantikörper bei Pathogenese und Progression<br />
der dilatativen Kardiomyopathie gezeigt werden.<br />
Durch die extrakorporale Elimination von Antikörpern mittels<br />
Immunadsorption kann eine anhaltende Verbesserung der<br />
Linksventrikelfunktion erreicht werden. H<strong>ist</strong>ologisch findet<br />
sich parallel zur Verbesserung der Kontraktilität eine Abnahme<br />
der lymphozytären und leukozytären Infiltration im<br />
Myokard. Obwohl Langzeitbeobachtungen noch ausständig<br />
sind, zeigen bisherige Ergebnisse einen therapeutischen<br />
Erfolg bei Patienten mit dilatativer Kardiomyopathie.<br />
Literatur beim Verfasser<br />
Dear Member;<br />
Following the successes of the very first ISN Nexus Symposium (‘The Bone and the Kidney’ offered in the fall of 2006),<br />
Nexus – Liking Research to Practice - returns:<br />
*** Hypertension and the Kidney, November 29 - December 2, <strong>2007</strong>, Vienna, Austria ***<br />
In alignment with Nexus’ unique format, the core program will incorporate three parallel sessions to update on the very<br />
latest basic and clinical discovery aimed at researchers, physicians and clinicians respectively across the renal, hypertension,<br />
cardiology and endocrinology fields. Mirrored at both levels these basic and clinical sessions will provide<br />
in-depth, rigorous updates on topics such as RAAS and Cardiovascular Risk, Proteinuria and Hypertension, and Diuretics<br />
Revisited.<br />
Specially selected to signpost future directions and concrete solutions in research, treatment methodologies and patient<br />
care, the three translational sessions are offered to all participants, representing a progressive step toward resolving<br />
real day to day clinical challenges. Key themes will address Guyton’s Concept in <strong>2007</strong>, Salt – Regulation Effectors,<br />
and New Methods and Directions.<br />
We can also expect to be inspired and challenged by the eminent group of plenary speakers who will collectively map<br />
the relevance of Arthur C. Guyton’s pioneering work in both present and future contexts. Setting the stage and the pace<br />
for the entire meeting, the opening plenary will be delivered by John E. Hall (USA) on Renal-Pressure Natriuresis – An<br />
Infinite Gain Feedback Mechanism for Long-Term Blood Pressure Regulation<br />
*** For the detailed program, submit an abstract and reg<strong>ist</strong>er online please visit:<br />
http://www.isn-online.org/nexus/hypertension ***<br />
*** Abstract submission closes: June 15, <strong>2007</strong> ***<br />
To contribute to this conversation on the kidney’s causal role in hypertension leading to end-organ damage and kidney<br />
failure and join us for 3 days’ exploration into the kidney-hypertension cross-talk, we invite you to submit your abstract<br />
and reg<strong>ist</strong>er today.<br />
As symposium Co-Chairs, we look forward to welcoming you, your colleagues and peers to the spectacular city of<br />
Vienna to enjoy this inspiring and insightful ISN Nexus meeting.<br />
Friedrich Luft, Germany<br />
Giuseppe Mancia, Italy<br />
Bernard Rossier, Switzerland<br />
Should you require any additional information surrounding ISN Nexus Symposia or have any specific queries or questions,<br />
please do not hesitate in contacting ISN’s Nexus Symposia Manager, Michael Podt, directly: Tel: +32 2 743 4417,<br />
Fax: +32 2 743 1550, Email: mailto:info@isn-online.org.
58<br />
Extrakorporale Therapie<br />
bei multipler Sklerose<br />
Univ.-Prof. Dr. Karl Vass<br />
Universitätsklinik für Neurologie, Medizinische Universität Wien<br />
Aus neuropathologischen Untersuchungen weiß man,<br />
dass bei etwa 50 % der Patienten Antikörper eine<br />
wichtige pathogenetische Rolle spielen. Eine Reihe<br />
von Strukturen, insbesondere solche, die an der Oberfläche<br />
der Myelinscheiden exprimiert werden, wie etwa das Myelin-Oligodendrozyten-Glykoprotein<br />
(MOG), aber auch<br />
andere werden als relevante Antigene diskutiert. Endgültige<br />
Beweise stehen aber leider aus.<br />
Pathophysiologie und Klinik: Die multiple Sklerose <strong>ist</strong> eine<br />
zu Beginn me<strong>ist</strong> schubförmige, in weiterer Folge häufig auch<br />
progredient verlaufende entzündliche Erkrankung des zentralen<br />
Nervensystems. Die Entzündung führt zu Schädigung<br />
der Myelinscheiden sowie bei vielen Betroffenen in weiterer<br />
Folge auch zu axonalen Läsionen. Zu Grunde liegen vermutlich<br />
autoimmune Mechanismen, wobei das Zusammenspiel<br />
von T-Zell- und Antikörper-mediierten Mechanismen postuliert<br />
wird.<br />
Therapiestandard: Akute Verschlechterungen der multiplen<br />
Sklerose werden mit hochdosierten Steroidinfusionen behandelt.<br />
Interferon-beta-Präparate und Glatiramer-Azetat sind<br />
als immunmodulierende Substanzen zur Therapie im Schubintervall<br />
allgemein üblich. Bei Progredienz der Erkrankung<br />
unter Immunmodulation <strong>ist</strong> der die Lymphozytenmigration<br />
durch die Blut-Hirn-Schranke verhindernde VLA4-Antikörper<br />
bzw. die Immunsuppression mit dem Zytostatikum Mitoxantron<br />
zugelassen.<br />
Plasmapherese bei multipler Sklerose<br />
Extrakorporaler Plasmaaustausch wird seit vielen Jahren zu<br />
Behandlung der multiplen Sklerose diskutiert. Ursprünglich<br />
zur Beeinflussung schwerwiegender Verläufe in Kombination<br />
mit Immunsuppression und Steroiden vorgeschlagen, hat der<br />
Plasmaaustausch in den letzten Jahren zur Behandlung akuter<br />
steroidrefraktärer Schübe wieder vermehrt Aufmerksamkeit<br />
bekommen.<br />
Signifikante Symptomverbesserung: In einer Placebo-kontrollierten<br />
Crossover-Studie verbesserten sich 42 % der Patienten<br />
nach Plasmapherese signifikant<br />
zum Ausgangsbefund. Die me<strong>ist</strong>en<br />
Patienten sprachen nach dem 3.<br />
oder 4. Plasmaaustausch an. Ähnliche<br />
Ergebnisse fanden sich auch in einer<br />
offenen Studie an 10 Patienten mit<br />
isolierter Retrobulbär-Neuritis. In<br />
einem medianen Beobachtungszeitraum<br />
von über 450 Tagen zeigten alle<br />
Patienten eine Verbesserung im Vergleich<br />
zum Ausgangsbefund.<br />
Univ.-Prof. Dr.<br />
Karl Vass<br />
Nur bei Antikörper-vermitteltem Mechanismus effektiv<br />
Eine weitere Studie mit Patienten, von denen Biopsien ihrer<br />
MS-Läsionen vorlagen, zeigte, dass Plasmaaustausch nur bei<br />
jenen Patienten wirksam <strong>ist</strong>, bei denen in der Biopsie ein Antikörper-vermittelter<br />
Mechanismus der Entmarkung nachweisbar<br />
war.<br />
Auch für die Neuromyelitis optica (NMO, Devic-Syndrom),<br />
eine Variante der MS, bei der vermutlich Antikörper<br />
gegen den <strong>Was</strong>serkanal Aquaporin 4 eine zentrale Rolle spielen,<br />
konnte die Wirksamkeit des Plasmaaustausches in einer<br />
kleinen Studie belegt werden.<br />
Rezidivprophylaxe: Häufig kommt es allerdings bereits<br />
kurze Zeit nach Plasmaaustausch-Behandlungen zu neuerlichen<br />
Verschlechterungen der klinischen Symptomatik. Aus<br />
diesem Grund <strong>ist</strong> me<strong>ist</strong> eine immunmodulierende bzw. immunsuppressive<br />
Behandlung im Anschluss an die Plasmapherese<br />
notwendig.<br />
Immunadsorption bei multipler Sklerose<br />
Immunadsorption wird wegen der besseren Verträglichkeit<br />
und wegen der längerfr<strong>ist</strong>igen Anwendbarkeit in vielen Indikationen,<br />
bei denen eine Wirksamkeit der Plasmapherese<br />
etabliert <strong>ist</strong>, als Alternative vorgeschlagen.<br />
Einzelfallbeschreibungen und Fallserien: Zur Behandlung<br />
der MS sind nur Einzelfallbeschreibungen und kleine
59<br />
Fallserien mit insgesamt etwa 40 Fällen publiziert.<br />
In einer Fallserie wurden 12 Patienten<br />
mit schubförmiger und sekundär progredienter<br />
multipler Sklerose innerhalb von<br />
3 Monaten mit jeweils insgesamt 14 Immunadsorptionen<br />
behandelt. Es wird eine signifikante<br />
Verbesserung der neurologischen<br />
Symptome beschrieben, die etwa 3 Monate<br />
nach Beendigung der Behandlungen anhielt.<br />
10 der 12 Patienten blieben auch noch<br />
innerhalb des weiteren Beobachtungszeitraums<br />
von 1 Jahr stabil.<br />
■<br />
Leider liegen zur Immunadsorption derzeit keine kontrollierten Studien vor. Auch<br />
<strong>ist</strong> die Fallzahl der inkludierten Patienten viel zu gering und die Beobachtungszeiträume<br />
der einzelnen Fallserien sind viel zu kurz, um definitive Aussagen über<br />
die Wirksamkeit machen zu können. Weitere, größere und länger andauernde<br />
und vor allem kontrollierte Studien sind also notwendig, um den Stellenwert der<br />
Immunadsorption in der Behandlung der multiplen Sklerose endgültig beurteilen<br />
zu können. Bis dahin sollte die Methode nur in ausgewählten, gut begründeten<br />
Einzelfällen und im Rahmen prospektiver Studienprotokolle durchgeführt werden.
60<br />
Rheopherese bei Makuladegeneration<br />
Prof. Dr. med. Reinhard Klingel<br />
Apherese ForschungsInstitut, Köln<br />
Die Rheopherese <strong>ist</strong> ein Verfahren der therapeutischen<br />
Apherese zur Behandlung von Mikrozirkulationsstörungen.<br />
Methode: Die zugrunde liegende Methodik der Doppelfiltrations-Plasmapherese<br />
wurde für die Rheopherese optimiert,<br />
um ein definiertes Spektrum hochmolekularer Plasmaproteine<br />
simultan aus dem Blutplasma zu entfernen (Abb. 1).<br />
Spezielle Erkenntnisse der ultrastrukturellen Membran-<br />
Technologie führten zuletzt zur Entwicklung des Polysulfon-<br />
Rheofilters, der dieses Filtrationsziel sehr gut realisiert.<br />
Möchte man pathologisch stark erhöhte Protein-Fraktionen<br />
innerhalb dieses Molekülspektrums filtrieren, z. B. bei der<br />
schweren Hypercholesterinämie, bieten andere Membranen<br />
Vorteile. Der unmittelbare Effekt der Rheopherese <strong>ist</strong> eine<br />
pulsartige Veränderung der intravaskulären Rheologie durch<br />
Absenkung der Blut- und Plasmaviskosität und der Zellaggregation.<br />
Postulierter Effekt bei Mikrozirkulationsstörungen: Eine<br />
Serie derartiger gepulster Plasmaveränderungen kann dauerhafte<br />
funktionelle Korrekturen von Mikrozirkulationsstörungen<br />
bewirken. Entsprechend diesen Vorstellungen<br />
kann die Rheopherese bei Krankheiten eingesetzt werden, an<br />
deren Entstehung und Fortschreiten<br />
eine Störung der Mikrozirkulation beteiligt<br />
<strong>ist</strong>. Diese Hypothese wird<br />
durch Studienergebnisse bei Patienten<br />
mit altersabhängiger Makuladegeneration<br />
(AMD), ischämisch-diabetischem<br />
Fuß, kritischer Extremitätenischämie<br />
und akutem Hörverlust<br />
vielfältig belegt.<br />
Indikation altersabhängige<br />
Makuladegeneration (AMD)<br />
Prof. Dr. med.<br />
Reinhard Klingel<br />
Die aktuell wichtigste Indikation der Rheopherese stellt die<br />
AMD dar, eine Erkrankung der Netzhaut des Auges, die zum<br />
Verlust des zentralen Sehens führt und in Europa und Nordamerika<br />
inzwischen die häufigste Ursache der Erblindung<br />
über dem 50. Lebensjahr darstellt.<br />
Pathophysiologie: Die AMD we<strong>ist</strong> Charakter<strong>ist</strong>ika einer<br />
Mikrozirkulationsstörung auf, die Wechselwirkungen von<br />
retinalem Pigmentepithel, Bruch’scher Membran und<br />
choroidalem Gefäßnetz in Form von entzündlichen Veränderungen,<br />
Akkumulationsprozessen und Permeabilitäts-<br />
Zur Verfügung gestellt vom Rheopherese-Zentrum Köln mit Zustimmung der abgebildeten Personen<br />
Abb. 1: Rheopherese: schematische Darstellung des extrakorporalen Kreislaufs (links); Durchführung in der Praxis (rechts)
61<br />
störungen betrifft. Die Rheopherese greift direkt bei pathophysiologisch<br />
relevanten Faktoren der AMD an: Absenkung<br />
der Plasmaviskosität, Elimination von Fibrinogen, Cholesterin,<br />
Willebrand-Faktor, Alpha-2-Makroglobulin und<br />
multimerem Vitronektin. Bei einem Patienten mit AMD<br />
besteht eine Funktionsreserve seiner Netzhaut, die durch<br />
die individuelle Ausprägung reversibler und irreversibler<br />
funktioneller und morphologischer Netzhautveränderungen<br />
festgelegt wird. Die Regenerationsfähigkeit <strong>ist</strong> abhängig<br />
vom Ausmaß der morphologischen Netzhautschädigung<br />
und Mikrozirkulationsstörung auf zellulärer und molekularer<br />
Ebene. Der Spontanverlauf der AMD <strong>ist</strong> chronisch<br />
progredient, d. h. der Anteil irreversibler Schädigungen<br />
nimmt mit der Krankheitsdauer zu. Das Ziel der Rheopherese<br />
<strong>ist</strong> es, die Funktionsreserve zu aktivieren bzw. zu stabilisieren.<br />
Klinik: Klinisch lassen sich zwei Formen der AMD unterscheiden,<br />
die auch einen stadienhaften Zusammenhang aufweisen:<br />
die trockene und feuchte AMD. Die trockene Form<br />
stellt mit ca. 80 % die häufigste Manifestation dar und <strong>ist</strong><br />
durch protein- und lipidhaltige Ablagerungen (Drusen) im<br />
Bereich der Bruch’schen Membran oder im Spätstadium<br />
durch atrophische Prozesse gekennzeichnet. Gefäßneubildungen<br />
in der Netzhaut charakterisieren die feuchte Form der<br />
AMD.<br />
Die feuchte AMD verursacht in der Regel eine schwere Sehbeeinträchtigung,<br />
aber auch Patienten mit trockener AMD<br />
können derart eingeschränkt sein. Anzahl, Größe, Konfluenz<br />
und beidseitiges Auftreten von Drusen sind prognostisch<br />
ungünstig für den weiteren Visusverlust und die Progression<br />
zur feuchten AMD. Patienten mit feuchter AMD in einem<br />
Auge und weichen Drusen im zweiten, in der Regel noch besser<br />
sehenden Auge stellen eine besondere Hochrisikogruppe<br />
dar. Lasertherapie, photodynamische Therapie, Operation<br />
und Angiogeneseinhibitoren stehen zur Behandlung der<br />
feuchten AMD zur Verfügung. Die einzige vorbeugende<br />
Maßnahme für Patienten mit trockener AMD <strong>ist</strong> die<br />
langjährige Gabe einer Vitaminkombination (Antioxidantien),<br />
ergänzt durch Zink und Lutein. Die Rheopherese stellt<br />
gegenwärtig das einzige Angebot einer interventionellen Therapie<br />
für Patienten mit trockener AMD dar, für das positive<br />
Studiendaten und kongruente Ergebnisse aus der praktischen<br />
Anwendung vorliegen.<br />
Klinischer Stellenwert der<br />
Rheopherese bei AMD<br />
Klinische Studien in Deutschland und eine FDA-Pilotstudie<br />
in den USA haben in den 90er Jahren die Grundlagen<br />
für den Therapieansatz der Rheopherese bei AMD erarbeitet.<br />
Patienten mit in %<br />
60 -<br />
50 -<br />
40 -<br />
30 -<br />
20 -<br />
10 -<br />
0 -<br />
46,7 %<br />
12 Monate<br />
12,0 %<br />
p < 0,01<br />
Abb. 2: Patienten der MIRA-1-Studie mit Ausgangsvisus von<br />
< 0,5 (Rheo-Gruppe n = 47, Schein-Apherese-Gruppe n = 24<br />
bei 2:1-Randomisierung), die sich im Laufe der Studie auf 0,5<br />
verbesserten. Der mittlere Unterschied der Kategorien < 0,5<br />
und 0,5 betrug 2 Linien der ETDRS-Lesetafel.<br />
Die erste randomisierte kontrollierte Studie wurde an der<br />
Universitätsaugenklinik in Köln durchgeführt. Die Rheopherese-Gruppe<br />
hatte, gemessen mit der ETDRS-Lesetafel, im<br />
Mittel eine Verbesserung des Sehvermögens und nach 3 Monaten<br />
eine signifikante Verbesserung des natürlichen Verlaufs<br />
der Erkrankung im Vergleich zur unbehandelten Kontrollgruppe.<br />
Studienaugen mit weichen Drusen wiesen das beste<br />
Therapieergebnis auf.<br />
MIRA-1-Studie: Die in den USA multizentrisch, doppelt<br />
verblindet und placebokontrolliert (Schein-Apherese)<br />
durchgeführte MIRA-1-Studie baute auf diesen Ergebnissen<br />
auf und untersuchte Patienten in einem Hochrisikostadium<br />
der trockenen AMD. Im Rahmen der Endauswertung der<br />
Studie mussten aufgrund fehlerhafter Studiendurchführung<br />
Patienten im Nachhinein ausgeschlossen werden, und die zur<br />
FDA-Zulassung erforderliche Patientenzahl wurde nicht erreicht.<br />
Die Ergebnisse der 121 komplett auswertbaren Patienten<br />
der Studie (MPP, modified per protocol population)<br />
bestätigten, dass die Rheopherese eine sichere und wirksame<br />
Behandlung für ausgewählte Patienten mit trockener AMD<br />
<strong>ist</strong>. Erstmals konnte mit den MIRA-1-Ergebnissen placebokontrolliert<br />
gezeigt werden, dass der natürliche Verlauf der<br />
trockenen AMD durch eine einmalige Therapieserie über<br />
einen Zeitraum von 12 Monaten signifikant verbessert wird.<br />
Nach 12 Monaten fand sich eine mittlere Sehverbesserung<br />
von ca. einer Linie bei 47 % vs. 18 % (p < 0,02) der Patienten,<br />
von 2 Linien bei 28 % vs. 9 % (p < 0,02) zugunsten<br />
der Rheopherese-Gruppe. Von den Patienten, die zu Beginn<br />
der Studie ein Sehvermögen schlechter als 0,5 hatten, lagen<br />
46,7 % nach 12 Monaten oberhalb dieser Grenze, die in
62<br />
den USA über die Fahrtüchtigkeit entscheidet. Dies war nur<br />
bei 12,5 % der Augen in der Placebogruppe der Fall (Abb. 2)<br />
(p < 0,01). Weiterhin wurde in der MIRA-1-Studie anhand<br />
eines standardisierten Fragebogens (VFQ25) eine signifikante<br />
Verbesserung der visusbezogenen Lebensqualität der Rheopherese-Patienten<br />
dokumentiert.<br />
Mit dem Ziel der FDA-Zulassung <strong>ist</strong> nun in <strong>2007</strong> der<br />
Startschuss für die internationale RHEO-AMD-Studie<br />
unter Aufsicht der FDA und Beteiligung von Studienzentren<br />
in den USA, Kanada und Deutschland gefallen. Bei 300<br />
Patienten soll die Wirksamkeit der Rheopherese einwandfrei<br />
doppelt verblindet und placebokontrolliert dokumentiert<br />
werden.<br />
Umfangreiche Erfahrungen an deutschen Zentren: Über<br />
die erwähnten Studien hinaus verfügen die Universitäts-Augenklinik<br />
in Köln und weitere Zentren in Deutschland inzwischen<br />
über umfangreiche Erfahrungen mit der Rheopherese<br />
bei AMD. Ergebnisse der Kölner Universitätsklinik von<br />
ca. 300 Patienten schließen auch Patienten ein, die inzwischen<br />
über mehr als 4 Jahre behandelt wurden und zeigen,<br />
dass der Therapieeffekt bei geeigneten Patienten mit wenigen<br />
Wiederholungsbehandlungen über viele Jahre stabilisiert<br />
werden kann.<br />
Außerhalb klinischer Studien werden Patienten im Rahmen<br />
eines interdisziplinären Qualitätssicherungskonzeptes<br />
behandelt, dessen wesentlicher Bestandteil das RheoNet-Reg<strong>ist</strong>er<br />
darstellt. Anfang <strong>2007</strong> lag die Zahl der im RheoNet-<br />
Reg<strong>ist</strong>er dokumentierten Rheopherese-Behandlung bei fast<br />
7.000. Hierunter knapp 6.000 Behandlungen bei ca. 750<br />
AMD-Patienten. Die AMD-Patienten hatten ein mittleres<br />
Alter von 76 Jahren. Die Nebenwirkungsrate <strong>ist</strong> auch bei diesen<br />
hochbetagten Patienten äußerst gering, und es <strong>ist</strong> keine<br />
Zunahme unerwünschter Ereignisse mit zunehmendem Lebensalter<br />
festzustellen. Nur 0,5 % der Behandlungen mussten<br />
wegen einer Nebenwirkung vorzeitig beendet werden,<br />
hierunter die transiente Hypotension als häufigste. Die mittleren<br />
Therapieergebnisse bezüglich des Sehvermögens<br />
decken sich sehr gut mit den Studienergebnissen.<br />
Empfehlungen für die Praxis<br />
Unter Würdigung aller zur Verfügung stehenden Daten <strong>ist</strong><br />
es daher gerechtfertigt, nach ophthalmologischer Indikationsstellung<br />
die Rheopherese in der Praxis anzubieten. Folgende<br />
Empfehlung für den Einsatz in der ambulanten Praxis wurde<br />
von der deutschen Expertengruppe formuliert, hierunter die<br />
Universitätsaugenkliniken in Köln, Frankfurt und Aachen:<br />
1. Das zu behandelnde Auge hat den Befund einer trockenen<br />
AMD mit weichen Drusen, Pigmentverschiebungen<br />
oder gering ausgeprägter Atrophie; subjektiv oder objektiv<br />
fortschreitender Visusverlust mit Leidensdruck; Visus<br />
0,6–0,1.<br />
2. Späte AMD am Partnerauge <strong>ist</strong> keine Kontraindikation,<br />
kontraindiziert bei Exsudation, Blutung, fortgeschrittener<br />
Atrophie oder Fibrose.<br />
3. Die initiale Behandlungsserie besteht aus 8 Behandlungen;<br />
jeweils 2 Behandlungen innerhalb einer Woche, gefolgt<br />
von einer 2-wöchigen Therapiepause. Nach 12 Monaten<br />
sollte die Notwendigkeit von Wiederholungsbehandlungen<br />
überprüft werden.<br />
■<br />
Literatur:<br />
Weiterführende Literatur zum Thema <strong>ist</strong> zu finden in der Online-Bibliothek<br />
des Apherese ForschungsInstituts (www.apheresis-research.org).<br />
IMPRESSUM<br />
Verlag: MEDMEDIA Verlag und Mediaservice Ges.m.b.H. Herausgeber: Österreichische Gesellschaft für <strong>Nephrologie</strong>, Univ.-Prof. Dr. Gert Mayer und<br />
ao. Univ.-Prof. Dr. Alexander Rosenkranz, Klinische Abteilung für <strong>Nephrologie</strong>, Universitätsklinik für Innere Medizin, Innsbruck. Chefredakteur: ao. Univ.-<br />
Prof. Dr. Sabine Schmaldienst, ao. Univ.-Prof. Dr. Kurt Derfler, Klinische Abteilung für <strong>Nephrologie</strong> und Dialyse, Universitätsklinik für Innere Medizin III,<br />
Medizinische Universität Wien. Anzeigen/Organisation: MEDMEDIA Verlag und Mediaservice Ges.m.b.H., Alser Straße 21/8, 1080 Wien, Tel.: 01/407 31 11.<br />
Projektleitung: Friederike Maierhofer. Produktion: Alexandra Kogler. Redaktion: Susanne Hinger, Peter Lex. Layout/DTP: Martin Grill. Lektorat: Peter Lex.<br />
Druck: Bauer Druck, Wien. Druckauflage: 8.000 Stück im 1. Quartal <strong>2007</strong>, geprüft von der Österreichischen Auflagenkontrolle. Bezugsbedingungen: Die<br />
Zeitschrift <strong>ist</strong> zum Einzelpreis von Euro 6,50 plus Mwst. zu beziehen. Grundsätze und Ziele von NephroScript: Information für nephrologisch interessierte<br />
Krankenhaus- und niedergelassene Ärzte. Angaben über Dosierungen, Applikationsformen und Indikationen von pharmazeutischen Spezialitäten müssen vom<br />
jeweiligen Anwender auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Herausgeber und Medieninhaber übernehmen dafür keine Gewähr. Literatur zu den Fachbeiträgen<br />
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MEDAKTUELL<br />
63<br />
PERITONEALDIALYSE<br />
20 Prozent sind das Ziel<br />
Redaktion: Mag. Andrea Weiss, MedMedia<br />
Im Rahmen eines Symposiums * mit einer Reihe von Fachvorträgen<br />
wurde das 20-jährige Bestehen des Peritonealdialyse-Programms<br />
am Wilhelminenspital gefeiert.<br />
Insgesamt 7.242 Patienten in Österreich unterzogen sich im<br />
Jahr 2005 einer Nierenersatztherapie (Hämodialyse, Peritonealdialyse,<br />
Transplantation). Von den 3.742 Dialysepatienten<br />
wurden allerdings nur 290 mittels Peritonealdialyse (PD)<br />
behandelt. Damit liegt der Anteil deutlich unter dem europäischen<br />
Niveau von 20 %. 92 der 290 PD-Patienten leben<br />
in Wien bzw. werden dort behandelt, ein wesentlicher<br />
Anteil davon, nämlich 30 bis 40 Patienten, am Wilhelminenspital.<br />
Peritonealdialyse im Kurzüberblick<br />
Bei der kontinuierlichen ambulanten Peritonealdialyse<br />
(CAPD) werden über einen fix in die Bauchdecke implantierten<br />
Katheter 2–2,5 l Dialyseflüssigkeit aus einem sterilen<br />
Beutel in den freien Bauchraum instilliert. Aufgrund des<br />
Konzentrationsgefälles diffundieren harnpflichtige Substanzen<br />
aus dem Blut in die Dialyseflüssigkeit, wobei das Peritoneum<br />
als Membran fungiert. Der Austausch von Natrium<br />
und <strong>Was</strong>ser erfolgt über einen osmotischen Gradienten zur<br />
Dialyseflüssigkeit.<br />
Der Katheter wird im Rahmen eines 2- bis 3-tägigen stationären<br />
Aufenthaltes (möglichst durch einen erfahrenen<br />
Bauchchirurgen) implantiert. Den Wechsel der Dialyseflüssigkeit<br />
führt der Patient nach seiner Entlassung aus dem Spital<br />
alle 4 bis 6 Stunden zu Hause durch. Bei der automatisierten<br />
PD (APD) erfolgt das Wechseln des Dialysats – me<strong>ist</strong><br />
in der Nacht – durch ein Dialysegerät (Cycler). Kontrollen<br />
in der Dialyseambulanz sind im Normalfall monatlich vorgesehen.<br />
Das Verhältnis der Patienten mit CAPD zu jenen<br />
mit APD beträgt etwa 3:1.<br />
Bezüglich Patientenüberleben kann kein Unterschied zwischen<br />
PD und HD festgestellt werden. Die PD bietet im<br />
Vergleich zur Hämodialyse einige Vorteile: neben dem längeren<br />
Erhalt der Restnierenfunktion und einer weniger restriktiven<br />
Diät bestehen diese in einer größeren Flexibilität<br />
und Unabhängigkeit von medizinischen Einrichtungen. Allerdings<br />
setzt sie auch ein Maß an Eigenverantwortung des<br />
Patienten voraus, weshalb diese sorgfältig selektiert werden<br />
müssen.<br />
Für wen <strong>ist</strong> die CAPD geeignet<br />
„Ausschlaggebend für die Indikation zur CAPD sind heute<br />
weniger medizinische Gründe als vielmehr psychosoziale<br />
Aspekte“, erklärt Univ.-Prof. Dr. Paul König, Univ.-Klinik<br />
für Innere Medizin, Innsbruck. Zu den bekannten medizinischen<br />
Indikationen für eine CAPD zählen fehlende Gefäßzugänge,<br />
die eine Hämodialyse erschweren, Diabetes mellitus,<br />
kardiovaskuläre Instabilität und Heparinunverträglichkeit.<br />
Darüber hinaus sind aber Eigenschaften wie Verantwortungsgefühl,<br />
Gelassenheit, Freiheitsbegriff und ein geordnetes<br />
soziales Umfeld unabdingbare Merkmale des „idealen Patienten“<br />
für die CAPD, so König. Entscheidend sei auch, ob<br />
der Partner bzw. die Familie hinter der Entscheidung zur<br />
CAPD steht. „Die Entscheidung zur CAPD <strong>ist</strong> dann <br />
Entwicklung der Dialyse im Wilhelminenspital<br />
1965 Beginn der Hämodialyse<br />
1968 1. Nierentransplantation<br />
1976 Aufbau der Heim-Dialyse<br />
1987 Start des Peritonealdialyse-Programms
64<br />
MEDAKTUELL<br />
Portugal<br />
Germany<br />
Austria<br />
Spain<br />
Ireland<br />
Switzerland<br />
Belgium<br />
Baltic<br />
Norway<br />
UK<br />
Finland<br />
Sweden<br />
Denmark<br />
Holland<br />
5,2<br />
5,4<br />
8,7<br />
9,7<br />
9,7<br />
9,9<br />
11,3<br />
13,6<br />
20,2<br />
20,9<br />
21,0<br />
21,7<br />
23,9<br />
27,1<br />
-<br />
-<br />
-<br />
-<br />
-<br />
-<br />
-<br />
0,0 5,0 10,0 15,0 20,0 25,0 30,0<br />
Nach: Keith D.S., Nichols G.A., Gullion C.M. et al., Arch Intern Med 2004; 164:659-663<br />
Abb.: Prävalenz der Peritonealdialyse in Europa, April <strong>2007</strong> in %<br />
richtig, wenn der Patientenwunsch besteht, das Dialyse-Personal<br />
überzeugt <strong>ist</strong> und keine Kontraindikation besteht“, fasst<br />
Elisabeth Moser, 6. Medizinische Abteilung, Wilhelminenspital,<br />
zusammen. Der höchste Anteil von Patienten unter<br />
PD im Vergleich zur Hämodialyse (HD) findet sich, so OA<br />
Dr. Walter Manker, 6. Medizinische Abteilung, Wilhelminenspital,<br />
in der Altersgruppe von 65–70 Jahren.<br />
Zur Entscheidung für eine Hämodialyse könnte der Gewinn<br />
eines „sozialen Netzes“ durch das regelmäßige Aufsuchen des<br />
Krankenhauses beitragen, „von dem erfahrungsgemäß z. B.<br />
betagte alleinstehende Personen profitieren“, so König.<br />
Voraussetzungen für ein<br />
erfolgreiches CAPD-Programm<br />
Eine erfolgreiche CAPD <strong>ist</strong> laut Moser definiert durch die<br />
Zufriedenheit des Patienten (durch Beibehalten des adäquaten<br />
Lebensstils, der beruflichen Tätigkeit u. a.), gute Dialysequalität<br />
(Urämiefreiheit) und niedrige Infektionsraten (Peritoneum,<br />
Katheteraustrittsstelle).<br />
Einen wesentlichen Beitrag le<strong>ist</strong>et die Sozialanamnese, die bereits<br />
im Rahmen des ersten Informationsgespräches erhoben<br />
wird. Erfasst werden dabei neben dem aktuellen Ist-Zustand<br />
das soziale Umfeld, die Wohnungsgröße (Wohnungen unter<br />
25 m 2 bieten zu wenig Platz, um ausreichend Dialysat-Beutel<br />
zu lagern), die körperlichen Aktivitäten, Berufstätigkeit<br />
bzw. Verpflichtungen und Urlaubsgewohnheiten.<br />
Ebenfalls wesentlich zum Erfolg trägt die umfassende Patientenschulung<br />
bei, die an der Dialyseeinheit etwa am 2. bis<br />
3. Tag nach der Katheterimplantation beginnt. Dabei werden<br />
nicht nur die manuellen Handgriffe inklusive Händedesinfektion<br />
und Pflege der Katheteraustrittsstelle genau erklärt<br />
und zunächst im „Trockentraining“ geübt, sondern<br />
auch theoretisches Wissen zur Funktionsweise der CAPD,<br />
klinischen Zeichen von Komplikationen (Infektion, Überwässerung<br />
etc.) sowie Empfehlungen zu Ernährung und<br />
Trinkverhalten vermittelt.<br />
Der Patient wird dann nach Hause entlassen, wenn er sich<br />
im Umgang mit seiner Therapie sicher fühlt und wenn auch<br />
das PD-Team davon überzeugt <strong>ist</strong>. Die Kontrollen sowie das<br />
Management etwaiger Komplikationen erfolgen in der Dialyse-Ambulanz.<br />
Qualitätsmanagement<br />
Zur Sicherung der Qualität sollten, so Univ.-Prof. Dr.<br />
Vychytil, 6. Universitätsklinik für Innere Medizin III, Abteilung<br />
für <strong>Nephrologie</strong> und Dialyse, Wien, gewisse Standards<br />
etwa in der Pflege der Katheteraustrittsstelle und beim Erreichen<br />
von Zielwerten eingehalten werden. Europäische und internationale<br />
Guidelines geben dazu Vorschläge, die allerdings<br />
zum Teil Evidenzklasse A aufweisen und in manchen Punkten<br />
große Freiheiten einräumen.<br />
Gertrude Kopriva-Altfahrt, 6. Medizinische Abteilung,<br />
Wilhelminenspital, präsentierte die Ergebnisse einer Umfrage<br />
zur Katheteraustrittsstellenpflege im Jahr 2006, an der alle<br />
23 österreichischen PD-Zentren teilnahmen. Die Umfrage<br />
zeigte, dass zwar unterschiedliche Kathetermodelle und Pflegemethoden<br />
zum Einsatz kommen, die sich allerdings bei<br />
sorgfältigem Vorgehen kaum hinsichtlich Erfolg bzw. Komplikationsrate<br />
unterscheiden.<br />
Zukunftsaspekt: breiterer Zugang<br />
Ebenso wie die anderen Experten fordert OA Dr. Ursula<br />
Lang, 6. Medizinische Abteilung, Wilhelminenspital, künftig<br />
einen breiteren Zugang zur PD, der vor allem durch bessere<br />
Information sowohl der Ärzte als auch der Bevölkerung
MEDAKTUELL<br />
65<br />
unterstützt werden könnte. Der Hausarzt sei als erster Ansprechpartner<br />
involviert, der u. a. zum geeigneten Zeitpunkt<br />
den Kontakt zu einem Nephrologen suchen sollte.<br />
Außerdem sollten weitere Patientengruppen verstärkt<br />
mittels CAPD behandelt werden. Beispielsweise profitieren<br />
Patienten mit (terminaler) Herzinsuffizienz von der<br />
CAPD: „Die Hospitalisierungsrate sinkt und das NYHA-<br />
Stadium verbessert sich“, erläutert Lang die Daten. Auch<br />
Patienten in Pflegeheimen könnten zunehmend adressiert<br />
werden. Weitere Verbesserungen seien durch innovative<br />
biokompatible Dialyselösungen zu erwarten, die das Risiko<br />
für den Verlust der Restnierenfunktion weiter senken<br />
könnten.<br />
Lang we<strong>ist</strong> auch darauf hin, dass eine Kombination von Peritoneal-<br />
und Hämodialyse, bei der gewechselt wird, unter<br />
entsprechenden Voraussetzungen ein gangbarer Weg sei.<br />
Nicht zuletzt wünscht sich Lang eine breitere Information<br />
über die Therapieform der PD – sowohl unter den Ärzten<br />
als auch in der Bevölkerung.<br />
■<br />
* 20 Jahre Peritonealdialyse am Wilhelminenspital: „Peritonealdialyse – mehr als eine<br />
attraktive Alternative. Steigerung auf europäisches Niveau angestrebt“, Mai <strong>2007</strong>,<br />
Wien<br />
INTERVIEW<br />
Steigerung auf<br />
europäisches Niveau angestrebt<br />
Prim. Univ.-Prof. Dr. Josef Kovarik<br />
Vorstand der 6. Medizinischen Abteilung mit <strong>Nephrologie</strong> und Dialyse,<br />
Wilhelminenspital der Stadt Wien<br />
„Die Peritonealdialyse hat als Alternative zur Hämodialyse<br />
noch nicht den Stellenwert, den sie verdient.“<br />
Prim. Univ.-Prof. Dr.<br />
Josef Kovarik<br />
Herr Prof. Kovarik, warum setzen Sie sich für die stärkere<br />
Verbreitung der Peritonealdialyse in Österreich ein<br />
Prim. Univ.-Prof. Josef Kovarik: Die Peritonealdialyse bietet<br />
als Alternative zur Hämodialyse bei gut selektionierten<br />
Patienten entscheidende Vorteile: Die Patienten sind wesentlich<br />
flexibler, sie müssen sich keiner restriktiven Diät<br />
unterziehen wie bei der Hämodialyse, und die Restnierenfunktion<br />
bleibt erhalten. Die Vorteile kommen besonders<br />
dann zum Tragen, wenn die PD initial vom Beginn der Dialysepflicht<br />
an eingesetzt wird. Während Österreich bezüglich<br />
Nierentransplantation im gesamteuropäischen Vergleich<br />
weit vorne liegt, <strong>ist</strong> die PD trotz ihrer positiven Aspekte unterrepräsentiert:<br />
Beträgt der Anteil der PD in Europa ca.<br />
20 %, sind es in Österreich nur etwa 9 %.<br />
Bei Ihnen im Wilhelminenspital beträgt der Anteil der<br />
PD-Patienten bereits jetzt deutlich über 20 %, worauf<br />
führen Sie das zurück<br />
Im Wilhelminenspital wurde vor 20 Jahren ein PD-Programm<br />
mit 15 Patienten gestartet. Man blickt hier aber<br />
nicht nur auf eine lange Tradition der PD zurück, sondern<br />
verfügt verbunden damit auch über eine entsprechende Expertise.<br />
Darüber hinaus sind wir auch strukturell sehr gut<br />
auf die Betreuung von Patienten mit PD eingerichtet; so<br />
verfügen wir über eigenes, speziell geschultes Personal, das<br />
diese Patienten umfassend betreut, was unter anderem so<br />
wichtige Aspekte wie die Patientenschulung beinhaltet. Ich<br />
freue mich, dass ich vor nunmehr 4 Jahren eine intakte PD-<br />
Einheit übernehmen konnte, die ich mittlerweile auf ca. 40<br />
Patienten ausbauen konnte.<br />
Aktuell werden die Strukturen für einen weiteren Ausbau<br />
der PD geschaffen<br />
Ja, derzeit befindet sich ein Neu- bzw. Zubau zur Erweiterung<br />
der PD-Ambulanz in Bau, der im Jahr 2008 in Betrieb<br />
geht. Mit dieser räumlichen Erweiterung werden auch<br />
strukturelle und personelle Verbesserungen einhergehen, die<br />
es uns ermöglichen, unser PD-Programm weiter auszubauen.<br />
Mittelfr<strong>ist</strong>ig werden wir in der Lage sein, 60 bis 80<br />
PD-Patienten zu betreuen.<br />
<strong>Was</strong> <strong>ist</strong> Ihr weiteres Ziel<br />
Mein Ziel <strong>ist</strong>, dass der Anteil an PD-Patienten nicht nur im<br />
Wilhelminenspital, sondern künftig in ganz Österreich 20 %<br />
beträgt. Dazu beitragen können unterschiedlichste Zukunftsaspekte<br />
wie z. B. die Verbreitung der PD auch in Altersheimen,<br />
der Einsatz innovativer, biokompatibler Dialyselösungen<br />
und nicht zuletzt ein adäquates Reimbursement-System.<br />
Vielen Dank für das Gespräch!<br />
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