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Wiener Aphereseseminar 2007 - Was ist Nephrologie?

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Interdisziplinäre Fortbildungsreihe der<br />

Österreichischen Gesellschaft für <strong>Nephrologie</strong><br />

ÖGN<br />

10. Jahrgang / Nr. 2 / <strong>2007</strong><br />

P.b.b. GZ 02Z031654 M, Benachrichtigungspostamt 1080 Wien Falls unzustellbar, bitte retour an: MEDMEDIA Verlag, Alser Straße 21/8, 1080 Wien<br />

<strong>Wiener</strong> <strong>Aphereseseminar</strong> <strong>2007</strong><br />

Plasmaaustausch und Immunadsorption –<br />

ein praxisorientiertes Kompendium zur extrakorporalen<br />

Therapie immunologisch mediierter Erkrankungen<br />

MedMedia<br />

Medical Opinion<br />

Network


3<br />

EDITORIAL<br />

Sehr geehrte Frau Kollegin!<br />

Sehr geehrter Herr Kollege!<br />

ao. Univ.-Prof. Dr.<br />

Sabine Schmaldienst<br />

ao. Univ.-Prof. Dr.<br />

Kurt Derfler<br />

Von der Österreichischen Gesellschaft für <strong>Nephrologie</strong> wurde<br />

uns die Gelegenheit gegeben, die 2. Ausgabe von Nephro-<br />

Script im Jahre <strong>2007</strong> parallel zum „<strong>Wiener</strong> <strong>Aphereseseminar</strong>“<br />

(14. und 15. Juni <strong>2007</strong>) zu gestalten.<br />

Das „<strong>Wiener</strong> <strong>Aphereseseminar</strong>“ soll eine neue Plattform für<br />

Immunadsorption, Rheopherese und Plasmaaustauschtherapie<br />

schaffen.<br />

Obwohl diese therapeutischen Möglichkeiten seit vielen Jahren<br />

klinisch zum Einsatz kommen, hängt an ihnen noch immer ein<br />

etwas experimentelles Flair. Es <strong>ist</strong> jedoch in den letzten Jahren<br />

gelungen, vor allem mitbedingt durch besseres Verständnis von<br />

immunologischen Prozessen und technische Weiterentwicklungen,<br />

gesicherte Indikationen herauszuarbeiten. Ein breites<br />

Spektrum immunologisch mediierter Erkrankungen aus den Gebieten<br />

der Transplantation, der inneren Medizin, der Neurologie<br />

und der Dermatologie wird – wenn nicht als Primärtherapie,<br />

dann als so genannte „Rescue-Therapie“ – mit Immunadsorption<br />

und/oder Plasmaaustausch behandelt. Bedingt durch<br />

die Seltenheit mancher Erkrankungen wird es in vielen Fällen<br />

nie große kontrollierte Studien geben, aber die Dokumentation<br />

von größeren Fallserien ermutigt dennoch bei ausgewählten autoimmunologischen<br />

Krankheitsentitäten den Patienten diese extrakorporalen<br />

Behandlungsmodalitäten zukommen zu lassen.<br />

Durch beide Verfahren werden pathogene Immunglobuline, aber<br />

auch zirkulierende Immunkomplexe hoch effektiv entfernt.<br />

Ziel des Seminars <strong>ist</strong> es, autoimmunologische Prozesse zu beleuchten<br />

und daraus mögliche Ansätze für den therapeutischen<br />

Einsatz dieser extrakorporalen Verfahren zu verstehen.<br />

Thematisch wird in diesem Seminar ein Bogen zwischen etablierten<br />

Indikationen der Plasmatherapie und neuen Perspektiven<br />

gespannt. Wichtig <strong>ist</strong> uns das Eingehen auf praktische und<br />

verfahrenstechnische Aspekte, so dass in diese Veranstaltung eine<br />

eigene Vortragsreihe für diplomierte Pflegepersonen und ein<br />

Workshop integriert wurden.<br />

Da innerhalb der nephrologischen Gemeinschaft große Erfahrungen<br />

mit extrakorporaler Therapie bestehen, werden sowohl<br />

Plasmaaustauschbehandlungen, Rheopherese als auch Immunadsorptionen<br />

zu einem Großteil an diesen Spezialabteilungen<br />

durchgeführt. Aus diesem Grund schien es uns nahe liegend, die<br />

zahlreichen und ausgezeichneten Beiträge der Referenten in einer<br />

eigenen Ausgabe von NephroScript zusammenzufassen, die<br />

dann als kompaktes „Nachschlagwerk“ für Anwender fungieren<br />

kann und interessierten zuweisenden Kollegen aus anderen Fachdisziplinen<br />

die Thematik anschaulich und praxisorientiert darstellen<br />

soll.<br />

Wir möchten uns nochmals für das Engagement der Autoren bedanken<br />

und hoffen Ihnen auf diesem Weg ein interessantes<br />

Thema näher bringen zu können.<br />

Mit freundlichen Grüßen<br />

ao. Univ.-Prof. Dr. Sabine Schmaldienst<br />

ao. Univ.-Prof. Dr. Kurt Derfler<br />

Titelbild: Vienna-Vienna, Künstler: Dimitris Hoffmann<br />

Der 1960 in Griechenland geborene Künstler studierte in Wien Kunstgeschichte und Archäologie. In seinen Bildern kann man die Sonne<br />

des Mittelmeeres wiederfinden. Die Farben werden in kräftigen Tönen eingesetzt, sie bleiben ungemischt nebeneinaner und gewinnen<br />

dadurch an Intensität. Das Motiv spielt hier eine sekundäre Rolle, wichtig <strong>ist</strong> die Synthese aus Naturerlebnis und dem Streben nach<br />

der Ausdruckskraft der Farben. Werke des Künstlers sind in vielen in- und ausländischen Sammlungen zu finden. Eine kleine Auswahl<br />

seiner Bilder <strong>ist</strong> in der Galerie und Rahmenhandlung Böck, Währinger-Straße 27, 1090 Wien, zu sehen.


4<br />

INHALT<br />

03<br />

05<br />

08<br />

10<br />

13<br />

16<br />

18<br />

22<br />

26<br />

30<br />

34<br />

38<br />

42<br />

Editorial<br />

Seiten der Gesellschaft<br />

Plasmaaustausch<br />

ao. Univ.-Prof. Dr. Kurt Derfler<br />

Plasmaaustausch-Therapie bei Kindern<br />

ao. Univ.-Prof. Dr. Klaus Arbeiter<br />

Plasmaaustausch bei einem Kind<br />

mit MTX-Intoxikation<br />

OA Dr. Volker Witt<br />

LDL-Apherese zur Behandlung<br />

der familiären Hypercholesterinämie<br />

ao. Univ.-Prof. Dr. Alice Schmidt<br />

Immunadsorption<br />

ao. Univ.-Prof. Dr. Sabine Schmaldienst<br />

Immunologische Grundlagen<br />

von Plasmaaustausch und Immunadsorption<br />

ao. Univ.-Prof. Dr. Gerhard Zlabinger<br />

Immunadsorption und Transplantation<br />

(AKARIS-Studie)<br />

ao. Univ.-Prof. Dr. Georg A. Böhmig<br />

ABO-inkompatible Nierentransplantation<br />

Dr. Jörg Beimler<br />

Immunadsorption beim systemischen<br />

Lupus erythematodes<br />

Dr. Georg Stummvoll<br />

Antikoagulation bei Plasmaaustausch<br />

und Immunadsorption<br />

Dr. Edith Doberer<br />

Immunadsorption und Plasmaaustausch<br />

in der Schwangerschaft<br />

Dr. Elisabeth Dittrich<br />

44<br />

46<br />

50<br />

52<br />

54<br />

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60<br />

62<br />

63<br />

66<br />

68<br />

69<br />

Die erworbene Hemmkörperhämophilie<br />

OA Dr. Heike Zeitler<br />

Thrombotisch-thrombozytopenische Purpura<br />

ao. Univ.-Prof. Dr. Paul Knöbl<br />

Immunadsorption bei Isoagglutininpers<strong>ist</strong>enz<br />

ao. Univ.-Prof. Dr. Werner Rabitsch<br />

Immunadsorption bei Pemphigus<br />

Prof. Dr. med. Jürgen Grabbe<br />

Immunadsorption bei dilatativer Kardiomyopathie<br />

Priv.-Doz. Dr. Alexander Staudt<br />

Extrakorporale Therapie bei multipler Sklerose<br />

Univ.-Prof. Dr. Karl Vass<br />

Rheopherese bei Makuladegeneration<br />

Prof. Dr. med. Reinhard Klingel<br />

Impressum<br />

MEDAKTUELL<br />

Peritonealdialyse: 20 Prozent sind das Ziel<br />

FREIE THEMEN<br />

(entgeltliche Einschaltungen)<br />

Tygacil ® (Tigecyclin) – Wirksame Monotherapie<br />

bei polymikrobiellen Infektionen<br />

Mencord plus ® (Olmesartan-Medoxomil) –<br />

Mehrdimensionale Hochdruck-Therapie<br />

Renagel ® (Sevelamer) –<br />

Kalzifizierung der Gefäße frühzeitig vermeiden<br />

EXPERTENFORUM:<br />

Aranesp ® SureClick TM –<br />

Individuelle Therapiesteuerung auch in der Prädialyse<br />

FOTO: PICTUREDESK.COM


5<br />

SEITEN DER GESELLSCHAFT<br />

Liebe Kolleginnen und Kollegen!<br />

Univ.-Prof. Dr.<br />

Gert Mayer<br />

Ich möchte über einige Aktivitäten berichten, die uns derzeit<br />

beschäftigen.<br />

Nach wie vor besteht ein intensiver Kontakt zum ÖBIG, um<br />

in die nächste Diskussion zum ÖSG einen Vorschlag zur<br />

Strukturierung der Versorgung nephrologischer Patienten einbringen<br />

zu können. Es wurden 3 Versorgungsebenen definiert<br />

(Referenzzentrum, Schwerpunkt und Einheit), die jeweils bestimmte<br />

Le<strong>ist</strong>ungen für ein Einzugsgebiet erbringen, wobei<br />

dann auch eine entsprechende Infrastruktur vorgehalten werden<br />

muss. Bisher war im ÖSG nur die Dialyse abgebildet, nun<br />

sollte auf die intramurale Struktur und Dialyse ausgeweitet<br />

werden.<br />

In der Diskussion um die Therapierichtlinien der renalen<br />

Anämie sind wir mit Vertretern der EMEA in Kontakt getreten.<br />

Wir haben die Auskunft erhalten, dass es im Mai/Juni<br />

eine Stellungnahme der europäischen Behörden geben soll.<br />

Wir möchten diese noch abwarten, bevor wir als Gesellschaft<br />

eine offizielle Meinung abgeben, hoffen aber, dass die Praktikabilität<br />

der EMEA-Empfehlungen besser <strong>ist</strong> als jene der<br />

FDA.<br />

Die Problematik der Gadolinium-Gabe bei eingeschränkter<br />

Nierenfunktion verfolgen wir gemeinsam mit der Österreichischen<br />

Gesellschaft für Radiologie. Wir möchten verhindern,<br />

dass dabei das Kind mit dem Bade ausgeschüttet wird. Es <strong>ist</strong><br />

unsere Aufgabe, darauf hinzuweisen, dass die Indikation für die<br />

Verabreichung von Gadolinium natürlich kritisch gestellt werden<br />

muss. Allerdings muss dem Risiko einer nephrogenen systemischen<br />

Fibrose jenes eines akuten Nierenversagens durch<br />

konventionelle Kontrastmittel gegenübergestellt werden.<br />

Mit der Österreichischen Diabetesgesellschaft wurde ein gemeinsames<br />

Papier zur Betreuung der Patienten mit diabetischer<br />

Nephropathie erarbeitet. Sobald die Endversion vorliegt,<br />

werden wir diese im NephroScript publizieren.<br />

Die Arbeitsgruppe Öffentlichkeitsarbeit hat sich der Homepage<br />

der Gesellschaft angenommen, in den nächsten Wochen<br />

wird ein neues Portal vorgestellt.<br />

Ich möchte mich vor allem bei jenen bedanken, die sich im<br />

Rahmen dieser Arbeiten besonders einsetzen. Neben dem gesamten<br />

Vorstand waren dies vor allem die Kollegen Kramar,<br />

Rosenkranz, Watschinger, Prischl und Auinger sowie Mag.<br />

Mildschuh (ÖBIG).<br />

Zum Abschluss möchte ich noch auf unsere Jahrestagung (Organisator<br />

Prof. Balcke gemeinsam mit Prof. Slany von der<br />

Österreichischen Hochdruckliga) hinweisen und auch bitten,<br />

möglichst viele Abstracts einzureichen und auch die Gelegenheit<br />

wahrzunehmen, zusätzlich zur ÖGN- Mitgliedschaft auch<br />

Mitglied der Österreichischen Gesellschaft für Hypertensiologie<br />

zu werden (siehe beiliegendes Antragsformular).<br />

Mit freundlichen Grüßen<br />

Univ.-Prof. Dr. Gert Mayer


Anmeldung:<br />

Anmeldeformular-Download unter:


8<br />

GRUNDLAGEN UND INDIKATIONEN<br />

Plasmaaustausch<br />

ao. Univ.-Prof. Dr. Kurt Derfler<br />

Apheresestation, Klinische Abteilung für <strong>Nephrologie</strong> und Dialyse, Klinik für Innere Medizin III, Medizinische Universität Wien<br />

Bei der Plasmapherese, dem Plasmaaustausch, handelt<br />

es sich um ein extrakorporales Therapieverfahren, das<br />

wegen der vorhandenen Expertise mit extrakorporalen<br />

Therapieverfahren in der Regel von Hämodialyse-Abteilungen<br />

und internen Intensivstationen durchgeführt wird.<br />

Trotz des nachgewiesenen Bedarfs dieser Therapie gibt es<br />

in Österreich zurzeit keine flächendeckende Versorgung.<br />

Die unterschiedliche Bezeichnung für diese extrakorporale<br />

Behandlungsmethode beruht darauf, dass für unterschiedliche<br />

Substitutionslösungen teilweise eine andere Terminologie<br />

gewählt wurde (Plasmapherese bei Substitution von<br />

„Fresh Frozen Plasma“; FFP), international wird me<strong>ist</strong> die<br />

Abkürzung PE („Plasma Exchange“) verwendet, sodass im<br />

weiteren Manuskript generell die Abkürzung PE eingesetzt<br />

wird.<br />

Tabelle 1: Häufig praktizierte Indikationen<br />

für den Plasmaaustausch<br />

A. Renale/hämatologische Indikationen<br />

- Antiglomeruläre-Basalmembran-AK-Nephritis (b)<br />

- Pauci-immune rapid progrediente Glomerulonephritis<br />

(ANCA-positiv) (b)<br />

- Lupusnephritis, SLE (c)<br />

- akute Transplantatabstoßung (c)<br />

- renale Insuffizienz bei Kryoglobulinämie, Myelom (b)<br />

- thrombotisch-thrombozytopenische Purpura/<br />

hämolytisch-urämisches Syndrom (a)<br />

B. Neurologische Indikationen<br />

- Guillain-Barré-Syndrom, Miller-Fisher-Syndrom (b)<br />

- Myasthenia gravis (b)<br />

C. Seltene Indikationen<br />

- Hyperviskositätssyndrom (b)<br />

- Pemphigus vulgaris (c)<br />

- multiple Sklerose – akuter Schub (c)<br />

Evidenzgrade für PE bei unterschiedlichen Indikationen: a) Wirkung gesichert,<br />

b) Wirkung vermutet, c) Wirkung sehr fraglich bzw. kaum verwertbare Daten vorliegend<br />

Technische Grundlagen<br />

Die heute zur Verfügung stehenden<br />

Plasmaseparationsgeräte ermöglichen<br />

bei der Mehrzahl der Patienten die<br />

Durchführung der Behandlung über<br />

periphere Venen, selbst dann, wenn<br />

Behandlungen in 24-stündigem Intervall<br />

durchgeführt werden müssen.<br />

Dadurch können zentrale Zugänge,<br />

die mit einer erhöhten Rate an bakteriellen<br />

Infektionen verbunden sind, vermieden werden.<br />

Beim Plasmaaustausch wird das separierte Volumen verworfen<br />

und gleichzeitig durch eine Substitutionlösung ersetzt,<br />

dadurch kommt es zu einer kontinuierlichen Verdünnungsreaktion<br />

der als pathogenetisch angesehenen Autoantikörper,<br />

Immunkomplexe bzw. toxischen Eiweißkörper oder Lipoproteine.<br />

Mit zunehmender Menge an separiertem Plasma steigt<br />

jene Menge an Substituat, die wieder verworfen wird, was die<br />

Effizienz der Behandlungsmethode mit steigenden Volumina<br />

limitiert. Zusätzlich muss bei der PE-Therapie mit sehr<br />

hohen Austauschvolumina bzw. sehr hochfrequenten Behandlungen<br />

der Verlust von Gerinnungsfaktoren kalkuliert<br />

werden, der dann häufig zum Bedarf von FFP als Substitutionslösung<br />

führt.<br />

Generell gilt: die Substitution für das separierte Plasma muss<br />

isovolämisch, isoosmotisch erfolgen und den kolloidosmotischen<br />

Druck (KOD) konstant halten. Die einzige Ausnahme<br />

<strong>ist</strong> das Hyperviskositätssyndrom bzw. eine schwere Hypertriglyzeridämie,<br />

hier können Substituate ohne Eiweißbestandteile<br />

Verwendung finden.<br />

Die Substitutionslösung <strong>ist</strong> im Wesentlichen für die Behandlungskosten<br />

verantwortlich. So bedarf es im Vergleich zur Immunadsorption<br />

nur etwa 10–12 Behandlungen, bis das als<br />

sehr teuer eingeschätzte Verfahren der Immunadsorption<br />

einen Kostenvorteil bietet.<br />

Indikationen zum Plasmaaustausch<br />

<strong>2007</strong> wurde in der „<strong>Wiener</strong> Klinischen Wochenschrift“ von<br />

Frau Elisabeth Dittrich der Standard für die Plasmaausao.<br />

Univ.-Prof. Dr.<br />

Kurt Derfler


tauschtherapie publiziert (Wien Klin Wochenschr<br />

Education 1; <strong>2007</strong>: 39-54). Bei der<br />

Plasmaaustauschtherapie liegen trotz des<br />

jahrelangen Einsatzes dieser Behandlungsoption<br />

nur sehr wenige prospektive, randomisierte<br />

Studien vor, vielfach wurden Behandlungsindikationen<br />

nur auf Basis von „Case<br />

Reports“ generiert. In der Tabelle 1 sind die<br />

häufigsten Indikationen für einen PE zusammengestellt.<br />

Die thrombotisch-thrombozytopenische<br />

Purpura (hämolytisch-urämisches Syndrom;<br />

HUS) stellt zurzeit die einzige Indikation<br />

für den PE als Therapie der Wahl dar.<br />

International zeigen die Apheresereg<strong>ist</strong>er,<br />

dass es sich dabei um die häufigste Indikation<br />

für den PE handelt. Pathogenetisch findet<br />

sich bei der TTP/HUS ein Mangel der Von-<br />

Willebrand-Faktor spaltenden Esterase<br />

(ADAMTS13), dadurch bilden sich Von-<br />

Willebrand-Faktor-Multimere, die eine intravasale<br />

Plättchenaggregation fördern und dadurch<br />

sowohl Blutungskomplikationen (auf<br />

Basis einer Thrombozytopenie) als auch Mikrozirkulationsstörungen<br />

auslösen. Prinzipiell<br />

wäre die Substitution von 3–4 Liter Plasma therapeutisch<br />

zielführend, der PE dient bei diesen Patienten primär dazu,<br />

Volumen zu eliminieren, um Raum für den zu substituierenden<br />

FFP-Bedarf zu schaffen. Bis zu 80 % der mit PE behandelten<br />

Patienten zeigen ein Ansprechen auf die Therapie, es<br />

wurden aber auch Rezidive neben den lang dauernden Remissionen<br />

berichtet. Bei den anderen Indikationen liegt keine<br />

adäquate Studienlage vor.<br />

Substitutionslösung und Behandlungsfrequenz<br />

Tabelle 2: Behandlungsschema für den Plasmaaustausch (PE)<br />

Indikation PE-Frequenz/ Behandlungs- Substituat<br />

Dauer<br />

volumen<br />

Goodpasture- tgl. 14 Tage 50 ml/kg HA 5 %, FFP bei<br />

Syndrom Körpergewicht Gerinnungsproblem<br />

Vaskulitis + RPGN tgl. 7–10 bis 50 ml/kg HA 5%, FFP bei<br />

(z. B. ANCA-pos.) Response Körpergewicht Gerinnungsproblem<br />

Kryoglobulinämie, 1–2-tägiges 50 ml/kg Kr<strong>ist</strong>alloid bis 5 %<br />

Myelomniere, Intervall bis Körpergewicht HA, nach Se-EW<br />

Hyperviskositäts- Response<br />

Syndrom<br />

TTP/HUS tgl. 1–2 x PE 50 ml/kg FFP oder<br />

bis Response, Körpergewicht kryopräzipitiertes<br />

Thrombozyten<br />

Plasma<br />

> 80.000 G/l<br />

Myasthenia gravis initial 3–6 PE tgl., 50 ml/kg HA 5 % evt.<br />

bei Response Körpergewicht HES<br />

jeden 2./3.Tag §<br />

Guillain-Barrè- initial 3–6 PE tgl., 50 ml/kg HA 5 % evt.<br />

Syndrom bei Response Körpergewicht HES<br />

jeden 2./3.Tag §<br />

Hypertriglyzeridämie tgl. bis Response 50 ml/kg initial 50 %<br />

mit Pankreatitis = Abklingen der Körpergewicht, kr<strong>ist</strong>alloide + 50 %<br />

Pankreatitis bzw. auch höhere Substitution mit<br />

Ansprechen auf Volumina bei 5%igem HA<br />

medikamentöse<br />

Therapie<br />

exzessiven<br />

Tg-Werten<br />

TTP/HUS = thrombotisch-thrombozytopenische Purpura/hämolytisch-urämisches Syndrom; PE = Plasmaaustauschbehandlung;<br />

HA = Humanalbuminlösung, FFP = Fresh Frozen Plasma; Se-EW = Serum-Gesamteiweiß;<br />

HES = Hydroxyethylstärke, in Deutschland und Österreich am häufigsten verwendetes synthetisches Kolloid.<br />

§ = Ausschleichen der PE-Therapie<br />

Die Substitution mit Hydroxyethylstärke <strong>ist</strong> ein Sonderfall.<br />

Diese Substitutionslösung bietet einen gewaltigen<br />

Preisvorteil im Vergleich zu der Substitution mit Humanalbumin<br />

bzw. FFP, birgt aber auch einige wesentliche Nebeneffekte.<br />

So muss bedacht werden, dass weder Gerinnungsfaktoren<br />

substituiert werden, der raschere Abbau von HES<br />

im Vergleich zu Eiweißprodukten kann durchaus Eiweißmangel-Situationen<br />

induzieren, zusätzlich wurden vereinzelt<br />

deutliche Verschlechterungen der Nierenfunktion, bis<br />

hin zum akuten Nierenversagen bei hochvolumiger Substitution<br />

berichtet.<br />

■<br />

Das intensive Studium der publizierten Literatur zeigt, dass<br />

in der Regel bei ein und derselben Indikation absolut differente<br />

Behandlungsschemata gewählt wurden, häufig waren<br />

auch die Substitutionslösungen nicht vergleichbar. In einzelnen<br />

Publikationen wurden bereits Therapieversager nach 3<br />

Behandlungen im Abstand von einer Woche, bei denen jeweils<br />

nur 1 Liter Plasma ausgetauscht wurde, berichtet. Im<br />

Gegensatz dazu wurden vereinzelt bis zu 2 x täglich 6 Liter<br />

Plasma ausgetauscht. In den letzten Jahren wurde vermehrt<br />

versucht, einheitliche Standards zu generieren. Die Tabelle 2<br />

fasst die heute weitgehend akzeptierten Therapierichtlinien<br />

zusammen.<br />

Der Plasmaaustausch <strong>ist</strong> eine Therapieoption, die flächendeckend<br />

angeboten werden sollte. Auf Basis der apparativen<br />

Ausstattung und der vorliegenden Expertise des Behandlungspersonals<br />

scheinen Dialysestationen primär für diese<br />

Therapie geeignet, vermehrt werden PE-Behandlungen auch<br />

an intern<strong>ist</strong>ischen Intensivstationen und an Blutbanken<br />

durchgeführt. Die derzeitige Studienlage bedingt, dass zume<strong>ist</strong><br />

der Plasmaaustausch als letzte Therapieoption, also<br />

nach Versagen der konventionellen Therapie eingesetzt wird<br />

und dadurch das Potenzial dieser Behandlungsmethode<br />

schwer abgeschätzt werden kann. Zielführend wären multinationale<br />

Studienprotokolle und vereinheitlichte Therapiestandards,<br />

um neben der Indikation TTP/HUS weitere Indikationen<br />

für eine PE-Therapie zu sichern.


10<br />

INDIKATIONEN UND SPEZIELLE PROBLEME<br />

Plasmaaustausch-Therapie bei Kindern<br />

ao. Univ.-Prof. Dr. Klaus Arbeiter<br />

Klinische Abteilung für Allgemeine Pädiatrie und Neonatologie,<br />

Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde, Medizinische Universität Wien<br />

Der Plasmaaustausch (PA) <strong>ist</strong> ein Therapieverfahren, für<br />

das im Kindesalter nur wenige gesicherte Indikationen<br />

vorhanden sind. Dennoch wird er als Rescueverfahren<br />

bei schweren Verläufen unterschiedlicher Erkrankungen<br />

eingesetzt. Das sind Erkrankungen, bei denen fehlende Faktoren<br />

ersetzt werden sollen, Immunprozesse im Vordergrund<br />

stehen oder im Plasma lösliche Faktoren als Auslöser<br />

angenommen werden.<br />

Für die in Frage kommenden Indikationen zum PA im Kindesalter<br />

gibt es häufig nur Fallberichte oder kleine Kohortenuntersuchungen,<br />

aber kaum kontrollierte Studien. Die<br />

niedrige Inzidenz im Kindesalter sowie die unterschiedliche<br />

klinische Präsentation vieler dieser Erkrankungen machen es<br />

extrem schwer, kontrollierte Studien durchzuführen.<br />

Der PA bei Kindern wird me<strong>ist</strong> von nephrologisch ausgebildeten<br />

Ärzten und Pflegepersonal durchgeführt, obwohl einige<br />

Indikationen dafür auch aus ganz anderen Subspezialitäten<br />

kommen. Allerdings führt der tägliche Umgang mit<br />

extrakorporalen Verfahren möglicherweise dazu, dass bei Patienten<br />

mit nephrologischen Erkrankungen die Entscheidung,<br />

eine PA einzusetzen, eher erfolgt als in anderen Spezialgebieten.<br />

Eine Ausnahme stellt hier sicher die pädiatrische<br />

Onkologie dar, bei der auch häufig extrakorporale Verfahren<br />

angewendet werden.<br />

Durchführung<br />

Ein PA bei Kindern <strong>ist</strong>, außer bei schon bestehender Dialysef<strong>ist</strong>el,<br />

praktisch immer mit der Notwendigkeit zur Implantation<br />

eines zentralvenösen Katheters verbunden, da die<br />

venöse Situation nur in den seltensten Fällen und nur bei<br />

größeren Kindern einen PA zulässt. Auch muss dieser Katheter<br />

für größere Flussgeschwindigkeiten geeignet sein, was<br />

nur bei dialysefähigen Kathetern der Fall <strong>ist</strong>.<br />

Die Wahl, ob gegen Albumin oder Plasma ausgetauscht wird,<br />

liegt an der Erkrankung bzw. an der Entscheidung, ob Faktoren<br />

entfernt oder volumsneutral hinzugefügt werden sollen.<br />

Prinzipiell kann der PA über eine Zentrifuge oder über einen<br />

Plasmafilter erfolgen. Da im pädiatrischen Bereich me<strong>ist</strong> die<br />

Technik für Filter zur Verfügung steht, wird im Folgenden nur<br />

auf diese Technik eingegangen.<br />

Die Durchführung erfolgt mit Maschinen,<br />

die auch für Erwachsene verwendet<br />

werden. Dabei sind allerdings<br />

nicht alle Geräte in gleichem Maße für<br />

kleine Blutfluss- und Austauschvolumina<br />

und damit für sehr junge Patienten<br />

geeignet. So reicht die Blutflussgeschwindigkeit<br />

von 20–150 ml/min<br />

und die Austrauschrate von 3–20 ml/<br />

min. Die Wahl der verwendeten Filter<br />

hängt von der Größe des behandelten Kindes ab, wobei<br />

Filter von 0,15 bis 0,6 m 2 zur Verfügung stehen.<br />

Bei der Planung eines PA muss das extrakorporale Volumen,<br />

also jenes von Schlauchsystem und Kapillare abgeschätzt werden.<br />

Bei Überschreitung des extrakorporalen Volumens von<br />

mehr als 10 % des Blutvolumens oder 8 ml/kg Körpergewicht<br />

muss ein Vorfüllen des Systems, in der Regel mit Blut,<br />

erfolgen, da sonst schon beim Start mit einem rapiden Blutdruckabfall<br />

zu rechnen <strong>ist</strong>. Die Antikoagulation kann sowohl<br />

mit Citrat als auch Heparin erfolgen, wobei gerade bei kleinen<br />

oder schwerkranken Patienten eine Citrat-Toxizität zu<br />

bedenken <strong>ist</strong>.<br />

Indikationen<br />

ao. Univ.-Prof. Dr.<br />

Klaus Arbeiter<br />

In den Anfängen des PA in der Kinderheilkunde wich die anfängliche<br />

Skepsis rasch einer gewissen euphorischen Hoffnung,<br />

diese Technik bei vielen Erkrankungen effektiv einzusetzen.<br />

Dies drückt sich in vielen Einzelberichten aus, die<br />

aber oft keine Reproduzierbarkeit zeigten. Somit werden<br />

heute viele Indikationen für die Anwendung der PA aufgrund<br />

fehlender systematischer pädiatrischer Studien weitgehend<br />

von den Indikationen bei Erwachsenen abgeleitet.<br />

Neurologische Indikationen: Der Nutzen des PA <strong>ist</strong> bei der Myasthenia<br />

gravis und beim Guillain-Barre-Syndrom gut gesichert.<br />

Bei der akut disseminierten Enzephalomyelitis wird bei weniger<br />

guter Datenlage me<strong>ist</strong> nach dem Prinzip einer Rescuetherapie,<br />

nämlich wenn bei schwerem Verlauf eine Steroidtherapie<br />

eine ungenügende Remission erbracht hat, mit PA<br />

behandelt.


12<br />

Ebenso gibt es Berichte über die erfolgreiche Durchführung<br />

einer PA bei multipler Sklerose, allerdings wurde hier die Therapie<br />

bei schweren Verläufen und als Zusatztherapie eingesetzt.<br />

Systemerkrankungen: Gerade bei Vaskulitiden mit schwerem<br />

Verlauf gibt es Erfahrungsberichte und zum Teil auch<br />

größere Kohorten-Studien, die einen Vorteil des PA nahe<br />

legen. Hier dürfte insbesondere bei Kindern mit zerebraler<br />

Beteiligung und schwerer Niereninsuffizienz der frühe Einsatz<br />

des PA in Kombination mit einer immunsuppressiven<br />

Therapie entscheidende Vorteile bringen.<br />

Dies gilt auch für Kinder mit systemischem Lupus erythematodes,<br />

die an schweren Verläufen mit zerebraler oder pulmonaler<br />

Beteiligung leiden. Auch bei ausgeprägten Krankheitsverläufen<br />

des Kawasaki-Syndroms, die auf intravenöse Immunglobulintherapie<br />

nicht ausreichend ansprechen, hat die<br />

PA Vorteile gezeigt.<br />

Nephrologische Indikationen: Bei der fokal segmentalen<br />

Glomerulosklerose wird trotz intensiver Immunsuppression<br />

oft ein ungenügendes Ansprechen beobachtet. Bei einigen<br />

Patienten konnte jedoch mit zusätzlichem Einsatz eines PA<br />

eine Remission erzielt werden. Dabei handelt es sich um eine<br />

sehr heterogene Gruppe von Patienten: einerseits liegen genetische<br />

Ursachen zu Grunde, bei vielen bleibt aber die Ursache<br />

unklar. Die Annahme eines löslichen Faktors, wie er<br />

in einigen experimentellen Untersuchungen nachgewiesen<br />

wurde, ließ zwar auf eine breitere Wirkung des PA hoffen,<br />

allerdings zeigten nur wenige Patienten ein wirklich gutes<br />

Ansprechen. Anders <strong>ist</strong> die Situation nach Transplantation,<br />

nach der bis zur 50 % der Kinder ein Rezidiv der Erkrankung<br />

haben, jedoch ein relativ gutes Ansprechen (bis zu 50 %)<br />

auf PA zu beobachten <strong>ist</strong>.<br />

Das hämolytisch-urämische Syndrom (HUS) <strong>ist</strong> ein Krankheitsbild,<br />

das typischerweise durch eine Infektion mit Bakterien<br />

(Verotoxin-produzierend) ausgelöst wird. Ein HUS kann aber<br />

auch die Endstrecke völlig anderer Grunderkrankungen, teilweise<br />

auch genetischer Defekte im Komplement- und Gerinnungssystem<br />

(Faktor H, Faktor I, ADAMTS13) sein (atypisches<br />

HUS). Für die Behandlung des typischen HUS hat sich<br />

kein Vorteil durch den PA gezeigt. Allerdings kann der PA oder<br />

die Zufuhr von Plasma für Patienten mit atypischem HUS kurativ<br />

und lebensrettend sein, weshalb diese Therapie nicht vorenthalten<br />

werden sollte. Die tatsächliche Diagnose über den bestehenden<br />

Defekt im Komplement- oder Gerinnungssystem erfolgt<br />

ja me<strong>ist</strong> erst einige Wochen später.<br />

Auch bei der membranoproliferativen Glomerulonephritis<br />

können Komplementdefekte ursächlich sein, weshalb bei<br />

schwerem Verlauf auch ein PA in Erwägung gezogen werden<br />

sollte.<br />

Als Antikörper-mediierte Erkrankung sind noch das Goodpasture-Syndrom<br />

(extrem selten im Kindesalter) sowie eine humorale<br />

Abstoßung als Indikation anzuführen, wobei hier der Grund<br />

für eine eventuelle Bevorzugung des PA gegenüber der Immunadsorption<br />

vor allem an der technischen Verfügbarkeit liegt.<br />

Weitere Indikationen: Im Rahmen des Leberversagens wird<br />

die PA vor allem in Kombination mit der Hämofiltration als<br />

„Bridging-Verfahren“ bei Planung einer Lebertransplantation<br />

durchgeführt und <strong>ist</strong> sicher nur auf pädiatrischen Intensivstationen<br />

durchführbar. Ebenso sind Vergiftungen, wenn<br />

größere Moleküle oder stark eiweißgebundene Toxine zu entfernen<br />

sind, Indikationen für einen PA oder deren systemischen<br />

Adaptionen wie MARS oder Prometheus ® .<br />

Komplikationen<br />

Die Anlage eines zentralvenösen Katheters <strong>ist</strong> Teil der Behandlung<br />

beim PA und muss in die Überlegung zur Behandlung,<br />

gerade bei Indikation mit unsicherer Datenlage, miteinbezogen<br />

werden. Die möglichen Komplikationen reichen<br />

von Verletzung wichtiger Nerven bis zu lebensbedrohlichen<br />

Zwischenfällen mit Hämatoperikard sowie Thrombosen und<br />

Infektionen im weiteren Verlauf.<br />

Eine Gerinnung im Filtersystem, die in der Regel einen Abbruch<br />

der Behandlung erzwingt, entsteht nicht nur durch<br />

unzureichende Antikoagulation, sondern auch bei zu geringen<br />

Flussgeschwindigkeiten, die vor allem auf nicht ausreichend<br />

funktionierende Katheter zurückzuführen sind. Häufig<br />

erfordert dies die Neuanlage des Katheters.<br />

Bei der Zufuhr von Fremdeiweiß muss jederzeit mit<br />

Überempfindlichkeitsreaktionen gerechnet werden. Diese<br />

äußern sich häufig als einfacher Juckreiz, können sich jedoch<br />

bis zu Bronchospasmus, starkem Blutdruckabfall und anaphylaktischem<br />

Schock steigern. Problematisch können solche<br />

Reaktionen besonders bei kleinen Kindern sein, die oft<br />

keine Symptome äußern und erst bei Veränderung vitaler Parameter<br />

auffällig werden.<br />

Eine seltene, jedoch schwere Komplikation stellt eine<br />

TRALI (Transfusion-associated Lung Injury) dar, welche eine<br />

vorübergehende Beatmung notwendig machen kann.<br />

Nicht zuletzt <strong>ist</strong> aber auf das Risiko von Infektionen, das bei<br />

Verwendung von Plasmabestandteilen nie ausgeschlossen <strong>ist</strong>,<br />

hinzuweisen.<br />

■<br />

Der Einsatz der Plasmaaustausch-Therapie bei Kindern <strong>ist</strong><br />

nur bei wenigen Indikationen sehr gut gesichert. Dabei bedeutet<br />

Plasmaaustausch je nach Indikation „Hinzufügen“<br />

oder „Entfernen“ von Substanzen. Trotz der teils schwachen<br />

Datenlage sollte diese Therapie bei schweren und lebensbedrohlichen<br />

Erkrankungen, bei denen ein Therapieeffekt<br />

aber wahrscheinlich <strong>ist</strong>, angeboten werden.


13<br />

DOES IT WORK<br />

Plasmaaustausch bei<br />

einem Kind mit MTX-Intoxikation<br />

OA Dr. Volker Witt<br />

St.-Anna-Kinderspital, Wien<br />

Die Gabe von hochdosiertem MTX stellt zurzeit eine<br />

sehr wirksame Therapie bei lymphatischen Leukämien,<br />

Lymphomen und bei Osteosarkomen im Kindesalter<br />

dar, die unter einer supportiven Therapie, mit der Gabe von<br />

Leukovorin, der Alkalinisierung des Urins und einer ausreichenden<br />

Hydrierung, relativ sicher durchgeführt wird.<br />

Die Inzidenz letaler Komplikationen liegt unter 1 % (Kager<br />

L. et al., 2006), trotzdem werden schwere Intoxikationen<br />

mit letalen Verläufen nach wie vor beobachtet.<br />

Hoch dosiertes Methotrexat (MTX) wird bei den beschriebenen<br />

Indikationen in einer Dosierung von mehr als 1 g/m 2<br />

als kontinuierliche Infusion über 4 bis 36 h mit anschließender<br />

Leukovorin-Gabe (5-Formyl-Tetrahydrofolsäure) verabreicht.<br />

MTX wird zu 80 % unverändert über die Nieren wieder<br />

ausgeschieden, wobei die Elimination aufgrund des<br />

hohen Verteilungsvolumens (14 l/m 2 ) multiphasisch mit<br />

einer terminalen Halbwertszeit von 8–12 h erfolgt.<br />

MTX-Intoxikation<br />

Niereninsuffizienz und Multiorganversagen: Eine der akuten<br />

Nebenwirkungen von Methotrexat <strong>ist</strong> eine akute Niereninsuffizienz,<br />

die durch das Ausfallen von MTX und seiner<br />

Metaboliten DAMPA und 7-OH-MTX bei saurem pH in<br />

der Niere zustande kommt. Das macht seinerseits eine regelhafte<br />

Ausscheidung des MTX und seiner Metaboliten unmöglich,<br />

sodass ein Circulus vitiosus mit einer akut lebensbedrohlichen<br />

Situation entsteht, mit der Gefahr schwerster<br />

Organschädigungen an Nieren, Leber, Knochenmark,<br />

Schleimhäuten und Haut.<br />

Therapieoptionen: Alle Versuche einer Therapie der<br />

schweren Intoxikation sind auf die Überbrückung des MTXinduzierten<br />

Dehydrofolatreduktase-Blocks durch Gabe<br />

hoher Dosen von Leukovorin und die beschleunigte Elimination<br />

von MTX und seinen Metaboliten gerichtet.<br />

In den letzten Jahren wurde zusätzlich ein Antidot entwickelt<br />

und klinisch getestet, die Carboxypeptidase G 2 (CP). Es handelt<br />

sich um ein Enzym, welches MTX enzymatisch zu<br />

DAMPA und Glutamat hydrolisiert. Buchen S. et al. publizierten<br />

kürzlich eine größere Serie mit 65 Patienten im Alter<br />

von 0,9 bis 71,8 Jahren. Sie konnten<br />

zeigen, dass die Gabe von CP bei bestehender<br />

Niereninsuffizienz effektiv<br />

<strong>ist</strong> und gut vertragen wird. Trotzdem<br />

zeigten 10 bis 20 % der Patienten<br />

CTC-Grad-4-Nebenwirkungen in<br />

Form von schweren Infektionen,<br />

Mukositis, Erbrechen, Blutungen,<br />

Nierenversagen, Hepatopathie, Kardiomyopathie<br />

und neurologische<br />

Komplikationen. Letzlich starben 4 Patienten an diesen<br />

Komplikationen.<br />

Trotz des Einsatzes von CP plus der strikten Einhaltung der<br />

supportiven Maßnahmen verloren auch wir einen Patienten<br />

40 Tage nach der Gabe von hochdosiertem MTX (12 g/m 2 )<br />

mit verzögerter MTX-Ausscheidung in einem sekundären<br />

multiplen Organversagen.<br />

Case-Report<br />

OA Dr.<br />

Volker Witt<br />

Wir berichten von einem 12,5-jährigen Jungen mit einem<br />

Osteosarkom des rechten proximalen Humerus.<br />

Als Bestimmungsmethoden für MTX und seine Metaboliten<br />

benutzten wir einen enzymatischen Testkit, der MTX und<br />

seine Metabolite zusammen angibt, und die HPLC-Methode,<br />

die die Unterscheidung der Metaboliten von der aktiven Substanz<br />

MTX erlaubt.<br />

Hochdosierte MTX-Therapie: Nach der Tumorbiopsie erfolgte<br />

die Chemotherapie gemäß dem EURAMOS-Protokoll.<br />

Im Anschluss an das erste hochdosierte MTX kam es<br />

zu einer passageren, rasch rückläufigen und klinisch inapparenten<br />

Hepatopathie mit einem Anstieg der GPT auf maxi- <br />

Tabelle: Nebenwirkungen von HD-Methotrexat<br />

• akutes Nierenversagen<br />

• akuter Kreislaufschock<br />

• Mukositis<br />

• Knochenmarkdepression<br />

• Hepatopathie<br />

• Exanthem<br />

• akute Enzephalopathie<br />

• Leukenzephalopathie


1.000<br />

100<br />

µM/l<br />

10<br />

0<br />

0,1<br />

0,01<br />

0,001<br />

MTX = Methotrexat+DAMPA-Spiegel, da Bestimmung mittels enzymatischer Methode<br />

DAMPA = 4-([2,4-diamino-6-(pteridinyl)methyl]-methylamino)-benzoe-acid-Spiegel<br />

mittels HPLC bestimmt<br />

MTX HPLC = Methotrexat-Spiegel mittels HPLC bestimmt (Nachweisgrenze 0,005 µM/l)<br />

Abb.: Verlauf der Plasmaspiegel nach Gabe von Carboxypedidase<br />

(Pfeil 1) und nach TPE (Pfeile 2 + 3), der Spiegel fällt von 600 auf<br />

2 µM/l nach Gabe der Carboxypeptidase, während DAMPA<br />

zunächst auf 80 µM/l und dann nach der ersten TPE auf 77 und<br />

nach der zweiten TPE auf 53 µM/l fällt.<br />

mal 1.830 U/l. Nach klinischer Erholung und bei normalen<br />

Nierenwerten (Kreatinin i. S. 0,45 mg/dl) erfolgte dann die<br />

zweite Gabe von hochdosiertem Methotrexat mit 12 g/m 2 .<br />

Mit Ende des Einlaufes des MTX trat ein Kreislaufkollaps<br />

auf, der unter entsprechender Supportion rekompensierbar<br />

war. Im Weiteren zeigten sich Rückenschmerzen, bei ansonsten<br />

eher unauffälligem Verlauf.<br />

Intoxikation: Der routinemäßig abgenommene MTX-<br />

Spiegel 24 h nach der Gabe zeigte einen deutlich erhöhten<br />

Wert mit 753 µM/l (normalerweise < 10 µM/l, enzymatische<br />

Bestimmungsmethode). Die gleichzeitig bestimmten Nierenwerte<br />

zeigten ein Kreatinin-Anstieg auf 2,25 mg/dl.<br />

Carboxypeptidase G 2 (CP) plus Leucovorin-Rescue: Es erfolgte<br />

die Gabe von CP (2.000 IU über 10 min p. i.). Direkt<br />

vorher und nachher betrug der MTX-Spiegel 600 µM/l<br />

bzw. 9 µM/l (HPLC-Bestimmungsmethode) und der<br />

DAMPA-Spiegel nachher 73 µM/l (HPLC-Methode). 4 h<br />

nach Gabe der Carbopeptidase G 2 wurde der Leucovorin-<br />

Rescue mit 15 mg/m 2 alle 6 h begonnen und für 12 d fortgeführt.<br />

Zusätzlich Plasmaaustausch (PE): Aufgrund des nach wie<br />

vor hohen MTX-Spiegels in der HPLC-Methode wurde ein<br />

Plasmaaustausch (TPE) mit der COBE spectra (Gambro,<br />

Vienna, Austria) durchgeführt. Das Austauschvolumen betrug<br />

55 ml/kg Körpergewicht und als Substituat verwendeten<br />

wir Octaplas . Der MTX-Spiegel fiel von 75,31 µM/l<br />

auf 63,90 µM/l (MTX + DAMPA). Am nächsten Tag erfolgte<br />

noch ein Plasmaaustausch unter gleichen Bedingungen,<br />

wobei der MTX Spiegel von 61,0 µM/l auf 54,39 µM/l<br />

(MTX + DAMPA) fiel.<br />

h<br />

Verlauf: Die gleichzeitig durchgeführte HPLC-Bestimmung<br />

ergab das Vorliegen von keinen relevanten Konzentrationen<br />

von MTX im Serum (< 0,005 µM/l), sodass die detektierte<br />

Substanz ausschließlich DAMPA war. Die Nierenparameter<br />

waren jetzt schon wieder rückläufig und in den<br />

nächsten 48 h sank der DAMPA-Spiegel auf 9,5 µM/l, um<br />

dann im weiteren Verlauf auf < 0,25 µM/l abzufallen.<br />

Es traten eine Mukositis Grad IV, ein Erythem der gesamten<br />

Haut und eine Neutropenie mit Leuko < 1 G/l über<br />

7 d und eine Thrombopenie mit Werten < 50 G/l über 13 d<br />

auf. Die GPT von maximal 1.263 U/l war rückläufig.<br />

Zurzeit wird die Chemotherapie nach problemloser lokaler<br />

Tumorentfernung ohne Methotrexat fortgesetzt. Der Tumor<br />

hatte intraoperativ ein gutes Ansprechen auf die Chemotherapie<br />

gezeigt.<br />

Beurteilung der PE-Intervention<br />

Die Anwendung extrakorporaler Therapieverfahren zur Elimination<br />

bzw. Beschleunigung der Elimination von MTX<br />

wurde in der Zeit vor der Anwendung der CP kasu<strong>ist</strong>isch berichtet.<br />

Neben Hämodialyse, Hämoperfusion und Austauschtransfusionen<br />

wurde auch PE angewendet, wobei aber<br />

alle Verfahren keinen eindeutigen Nutzen für die Anwendung<br />

bei der MTX-Intoxikation belegen konnten. Aufgrund der<br />

nach wie vor lebensbedrohlichen Situation einer MTX-Intoxikation<br />

beschlossen wir eine extrakorporale Therapie mit<br />

PE einzusetzen. Wir konnten bei unserem Patienten zeigen,<br />

dass es nach dem PE zu einem Abfall des MTX-Spiegels ohne<br />

Auftreten eines Rebound-Phänomens kommt.<br />

Aus unserer Sicht hat der PE einen klinisch positiven Einfluss<br />

auf den Verlauf gehabt. Da es sich nur um einen einzelnen<br />

Fall handelt, muss die Indikation über die Durchführung<br />

eines PE individuell getroffen werden. Wir würden,<br />

auch wenn eine Therapie mit CP durchgeführt wurde, einen<br />

PE in Erwägung ziehen.<br />

■<br />

Literatur beim Verfasser<br />

Der therapeutische Plasmaaustausch spielt heute bei Intoxikationen<br />

eine geringe Rolle. Wie dieser Case-Report zeigt,<br />

kann jedoch bei einer mit schwersten Nebenwirkungen assoziierten<br />

hochdosierten Methotrexat-Intoxikation bei begleitender<br />

Niereninsuffizienz eine therapeutisch effektive<br />

Elimination primär der Reinsubstanz, sekundär aber auch<br />

der Metaboliten erreicht werden. Dies scheint bei einem<br />

speziellen Patientenkollektiv eine zusätzliche therapeutische<br />

Option zu bieten.


16<br />

LDL-Apherese zur Behandlung<br />

der familiären Hypercholesterinämie<br />

ao. Univ.-Prof. Dr. Alice Schmidt<br />

Klinische Abteilung für <strong>Nephrologie</strong> und Dialyse, Universitätsklinik für Innere Medizin III, Medizinische Universität Wien<br />

Die LDL-Apherese <strong>ist</strong> eine extrakorporale Behandlungsmethode,<br />

die die Elimination von Apo-Lipoprotein B<br />

enthaltenden Lipoproteinen aus der Zirkulation der<br />

Patienten ermöglicht. In den letzten Jahren hat diese Behandlungsmethode<br />

zunehmende Verbreitung gefunden,<br />

wobei primär Patienten mit homozygoter, familiärer Hypercholesterinämie<br />

behandelt wurden.<br />

Anhand der positiven Ergebnisse im Bezug auf die Progression<br />

der koronaren Herzkrankheit wurden auch Patienten<br />

mit schwerer heterozygoter familiärer Hypercholesterinämie<br />

und nur partiellem Ansprechen auf die medikamentöse lipidsenkende<br />

Therapie für diese Behandlungsmodalität akzeptiert.<br />

Allgemeines<br />

Die Methoden, die für eine weitgehend selektive Elimination<br />

von LDL-Cholesterin und Lp (a) entwickelt wurden, inkludieren<br />

die Heparin-induzierte extrakorporale LDL-Präzipitation<br />

(HELP), die Dextran-Sulfat-Adsorption und die<br />

Immunadsorption. Als neue Entwicklung wurde das DALI-<br />

System (Direct-Adsorption of Lipoproteins), das eine direkte<br />

Elimination von LDL-Cholesterin und Lp (a) aus dem Vollblut<br />

ermöglicht, zum klinischen Einsatz gebracht.<br />

Im Gegensatz zur unselektiven Plasmapherese wird nach der<br />

Primärtrennung von zellulären Blutbestandteilen von<br />

Plasma durch einen weiteren Filtrationsprozess (Sekundärtrennung)<br />

oder durch Adsorption (immunologisch oder physikochemisch)<br />

oder durch Präzipitation das Plasma von Apo-<br />

Lipoprotein B100 enthaltenden Lipoproteinen gereinigt und<br />

das gereinigte Plasma dem Patienten wieder zugeführt.<br />

Jede LDL-Apheresemethode besitzt im Vergleich zu den<br />

Konkurrenzprodukten Vor- und Nachteile, die für eine unterschiedliche<br />

Verbreitung der Systeme verantwortlich sind.<br />

Die früher in dieser Indikation eingesetzte unselektive Plasmapherese<br />

(Plasmaaustausch), aber auch die Doppelfiltration,<br />

bei der mittels eines zweiten Plasmafilters eine Diskrimination<br />

unterschiedlicher Plasmamoleküle möglich <strong>ist</strong> (gestattet<br />

eine selektivere Elimination von Lipoproteinen als<br />

beim reinen Plasmaaustausch), wurden durch die neueren<br />

Methoden weitestgehend ersetzt.<br />

ao. Univ.-Prof. Dr.<br />

Alice Schmidt<br />

Durch die Entwicklung hocheffektiver<br />

Statine <strong>ist</strong> es (Atorvastatin, Rosuvastatin)<br />

heute möglich, bei einem<br />

Teil der Patienten, die mit den zuvor<br />

erhältlichen Statinen nicht suffizient<br />

behandelt werden konnten, auch<br />

ohne extrakorporales Therapieverfahren<br />

die NCEP-Kriterien (National<br />

Cholesterol Education Program) zu<br />

erreichen. Aus diesem Grund wird<br />

heute die Indikation zur LDL-Apherese<br />

nur dann gestellt, wenn die Patienten<br />

trotz Diät und hochdosierten Statinen keine ausreichende<br />

Lipidsenkung erzielen.<br />

Anzumerken <strong>ist</strong> jedoch, dass es durch den Einsatz dieser hocheffektiven<br />

Medikamente gelungen, die LDL-Apherese-Frequenz<br />

um fast 50 % zu senken.<br />

Die Systeme<br />

1. HELP-LDL-Apherese: Bei diesem System wird das abgetrennte<br />

Blutplasma mit einem Heparinazetatpuffer versetzt,<br />

wodurch der Plasma-pH abgesenkt wird. Die im sauren<br />

pH-Bereich positiv geladenen Apo-B enthaltenden Lipoproteine<br />

präzipitieren mit dem negativ geladenen Heparin.<br />

Das Präzipitat wird durch einen Filter und das überschüssige<br />

Heparin durch Adsorption aus dem Plasma eliminiert. Dies<br />

<strong>ist</strong> ein aufwändiges Therapieverfahren, da neben der LDL-<br />

Elimination auch eine Bicarbonat-Dialyse erforderlich <strong>ist</strong>,<br />

um die pH-Änderungen zu korrigieren. Zusätzlich wird mit<br />

diesem System auch Fibrinogen eliminiert, was einerseits von<br />

therapeutischem Nutzen sein dürfte, andererseits limitiert<br />

aber die Fibrinogendepletion das Plasmavolumen, das prozessiert<br />

werden kann, auf etwa 3.000 ml. Dadurch <strong>ist</strong> eine<br />

etwas geringere Kapazität der LDL-Entfernung bedingt. Werden<br />

höhere Plasmavolumina behandelt, müssen Blutungskomplikationen<br />

kalkuliert werden. Ferner verteuert die Notwendigkeit<br />

einer zusätzlichen Dialyse die Kosten dieses LDL-<br />

Apherese-Systems.<br />

Für dieses System konnte gezeigt werden (HELP LDL-Apheresis<br />

Multicenter Study), dass von 33 Patienten, die angiographisch<br />

kontrolliert wurden, 23 eine Regression der KHK


17<br />

FOTO: PICTUREDESK.COM<br />

erzielten, während bei 9 Patienten trotz Therapie eine Progression<br />

der Erkrankung auftrat.<br />

2. Dextran-Sulfat-Adsorption: Dieses System, das vorwiegend<br />

in Japan große Verbreitung findet, ermöglicht die Elimination<br />

atherogener (positiv geladener Apo-B100 enthaltende)<br />

Lipoproteine mittels Bindung an immobilisiertes, negativ<br />

geladenes niedermolekulares Dextran. Die klinische Effizienz<br />

wurde mittels der LDL-Apheresis Regression Study<br />

dokumentiert. 14 der 31 behandelten Patienten zeigten eine<br />

Regression der koronaren Herzkrankheit. In der deutschen<br />

Multicenter -LDL-Apheresis-Studie wurden vorwiegend<br />

funktionelle Besserungen (höhere Belastbarkeit in der Ergometrie,<br />

geringerer Nitrobedarf), aber keine angiographischen<br />

Regressionen dokumentiert.<br />

Dieses System kann bei Patienten, die unter ACE-Hemmer-<br />

Therapie stehen, nicht eingesetzt werden, da durch den Kontakt<br />

mit Dextran-Sulfat schwere Bradykinin-Reaktionen ausgelöst<br />

werden.<br />

Kürzlich wurden Ergebnisse zum neu eingeführten, auf Dextran-Sulfat-Adsorption<br />

basierenden Vollblutsystem publiziert,<br />

welche vergleichbare Absenkraten in Bezug auf LDL<br />

und Lp (a) zeigten wie das DALI-Vollblutsystem, jedoch eine<br />

signifikant höhere Elimination von Fibrinogen.<br />

3. LDL-Immunadsorption: Bei diesem System werden die<br />

atherogenen Lipoproteine mittels (polyklonaler Schafs-) Antikörper<br />

gegen Apo-B aus dem Plasma eliminiert. Die Adsorptionssäulen<br />

werden wiederaufbereitet, gelagert und bis<br />

zu 70-mal bei einem Patienten wiederverwendet. Dadurch<br />

<strong>ist</strong> eine größere Lagerkapazität erforderlich. Durch die häufige<br />

Wiederverwendung sinken jedoch die Behandlungskosten<br />

deutlich unter jenen Preis, der für die Einmal-Systeme<br />

kalkuliert werden muss. Interventionsstudien mit diesem System<br />

liegen zum jetzigen Zeitpunkt nicht vor. Ein großer Vorteil<br />

dieses Systems besteht darin, dass es bei Patienten unter<br />

einer ACE-Hemmer-Therapie keine Interaktion gibt.<br />

4. DALI-Vollblutsystem: Dieses Verfahren ermöglicht die<br />

direkte Eliminierung von LDL-Cholesterin und Lp (a) aus<br />

dem Vollblut. Bei dieser Form der LDL-Apherese <strong>ist</strong> keine<br />

primäre Plasmaseparation notwendig, wodurch die Behandlungsdauer<br />

auf etwa 120 Minuten (ca. 30 % kürzer als bei<br />

den sonstigen Verfahren) reduziert werden konnte.<br />

Die LDL-Cholesterin-Elimination erfolgt mittels einer elektrostatischen<br />

Interaktion der Lipoproteine mit dem Polyacrylamid<br />

des Einmaladsorbers. Es stehen zur Entfernung<br />

von LDL-Cholesterin und Lp (a) verschiedene Adsorbergrößen<br />

zur Verfügung. Die Effizienz einer Einzelbehandlung<br />

(60 ml/kg Körpergewicht) liegt gering unter den Absenkraten<br />

der Dextran-Sulfat-Adsorption und der Immunadsorption.<br />

Der Einfluss einer DALI-Langzeitbehandlung auf die<br />

Progredienz der Erkrankung <strong>ist</strong> zum jetzigen Zeitpunkt nicht<br />

untersucht.<br />

Dieses System kann bei Patienten, die unter ACE-Hemmer-<br />

Therapie stehen, wegen der bekannten Interaktion (Bradykinin-Freisetzung)<br />

nicht eingesetzt werden.<br />

Das DALI-LDL-Apheresesystem <strong>ist</strong> eine wertvolle Ergänzung<br />

auf dem Sektor der extrakorporalen Lipidtherapie, der wesentliche<br />

Vorteil diese Systems <strong>ist</strong> die kürzere Behandlungszeit<br />

bei vergleichbarer Effizienz. Letztendlich wird aber die<br />

Entscheidung über den Einsatz der verschiedenen LDL-<br />

Apheresesysteme auf Basis der Behandlungskosten getroffen<br />

werden.<br />

■<br />

Literatur beim Verfasser<br />

Die LDL-Apherese <strong>ist</strong> ein extrakorporales Verfahren zur selektiven<br />

Elimination Apo-Liporotein-B100-hältiger Lipoproteine.<br />

Diese Verfahren werden bei Patienten mit homozygoter<br />

oder heterozygoter familiärer Hyperlipoproteinämie eingesetzt,<br />

die unzureichend auf eine entsprechende medikamentöse<br />

Therapie und Diät ansprechen. Die ausgeprägte Absenkung<br />

von LDL-Cholesterin bzw. von Lp (a) führt zu einer<br />

signifikanten Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse in diesem<br />

Patientenkollektiv.


18<br />

GRUNDLAGEN UND INDIKATIONEN<br />

Immunadsorption<br />

ao. Univ.-Prof. Dr. Sabine Schmaldienst<br />

Klinische Abteilung für <strong>Nephrologie</strong> und Dialyse, Universitätsklinik für Innere Medizin III, Medizinische Universität Wien<br />

Basierend auf den Erfahrungen mit der Plasmaaustausch-Behandlung<br />

wurde kontinuierlich nach Möglichkeiten<br />

gesucht, pathogene Substanzen spezifisch<br />

aus dem Blut zu entfernen, ohne dass eine begleitende Substitution<br />

von Plasma bzw. kolloidalen Lösungen erforderlich<br />

<strong>ist</strong>. Dadurch sollten wesentlich größere Plasmavolumina<br />

im extrakorporalen Kreislauf therapierbar und wesentlich<br />

drastischere Absenkungsraten der IgG- bzw. Auto-<br />

Antikörper-(AK)-Spiegel möglich sein.<br />

Abb. 1: Schematische Darstellung der Immunadsorption<br />

Initial wurde auf dem Gebiet der familiären Hypercholesterinämie<br />

experimentiert und in der Folge therapiert. In den<br />

letzten 15 Jahren wurden auch Apherese-Technologien entwickelt,<br />

die spezifisch in der Therapie von Autoimmunerkrankungen<br />

eingesetzt werden. Über die Membrandoppelfiltration,<br />

den Tryptophan-Alanin-Adsorber führte der Weg<br />

zu den heute umfangreich eingesetzten Systemen der Protein-<br />

A-Immunadsorption, dem Ig-Immunadsorber auf Basis von<br />

polyklonalen Schaf-AK, und dem Globaffin ® -System, bei<br />

dem ein an Sepharose gekoppeltes synthetisches Peptid Eigenschaften<br />

ähnlich dem Protein A<br />

aufwe<strong>ist</strong>.<br />

Zur Methode<br />

Technik: Bei der Immunadsorption<br />

(IAS) wird primär eine Plasmaseparation<br />

(siehe Artikel von Prof. Derfler)<br />

duchgeführt, wobei in Hinblick auf<br />

Plasmaqualität und Zeiteffizienz der<br />

Antikoagulation: Um eine extrakorporale Koagulation des<br />

Systems und damit auch eine verbundene Zell- und Komplementaktivierung<br />

zu vermeiden, muss bei der Plasmaseparation<br />

antikoaguliert werden. Da es sich bei den me<strong>ist</strong>en IAS-<br />

Systemen um sehr teure Mehrfachsysteme handelt, <strong>ist</strong> das<br />

Aufrechterhalten einer optimalen Säulenqualität ein entscheidender<br />

Aspekt. Schlechte Plasmaqualität und rezidivierende<br />

extrakorporale Koagulationen führen zu einem Effektivitätsverlust.<br />

Aus diesem Grund wird bei der IAS eine kombinierte<br />

Antikoagulation mit Zitrat und Heparin durchgeführt. Bei<br />

der Behandlung von blutungsgefährdeten Patienten<br />

(Hemmkörperhämophilie, frisch operierte Patienten)<br />

kommt eine reine „extrakorporale Antikoagulation“ (Antaao.<br />

Univ.-Prof. Dr.<br />

Sabine Schmaldienst<br />

Zentrifugen-Plasmaseparation der<br />

Vorzug zu geben <strong>ist</strong>. Das so gewonnene Patientenplasma wird<br />

nun mit einer Flussgeschwindigkeit von 25 bis 50 ml/min,<br />

gesteuert durch eine Adsorptions-Desorptions-Maschine,<br />

über die Apheresesäulen geleitet. An den Säulen kommt es<br />

zur Bindung der AK und der zirkulierenden Immunkomplexe.<br />

Das desorbierte Plasma wird anschließend mit den<br />

korpuskulären Blutbestandteilen resuspendiert und als Vollblut<br />

in den Patienten rückinfundiert (Abbildung 1). Das extrakorporale<br />

Volumen beträgt, vergleichbar dem Plasmaaustausch,<br />

250–300 ml. Bei Blutflussraten von 60 bis 80 ml/min<br />

<strong>ist</strong> primär ein periphervenöser Zugang mit 16- oder 17-<br />

Gauge-Nadeln zu erwägen. Dafür eignen sich vor allem Kubitalvenen<br />

oder für die Rückführung auch Handrückenvenen.<br />

Falls eine periphervenöse Behandlung nicht möglich <strong>ist</strong>,<br />

sollte ein doppellumiger zentralvenöser Hämofiltrationskatheter<br />

verwendet werden.


IgG<br />

–95,3 %<br />

gonisierung von Heparin durch Protamin vor der Rückführung)<br />

zur Anwendung (siehe Beitrag von Dr. Doberer).<br />

IAS-Systeme: Die IAS <strong>ist</strong> ein extrakorporales Therapieverfahren,<br />

das wegen der vorhandenen Expertise des Behandlungspersonals<br />

und der in der Regel vorhandenen apparativen<br />

Ausrüstung bevorzugt von Hämodialyseabteilungen und<br />

intern<strong>ist</strong>ischen Intensivstationen angeboten werden sollte.<br />

Mittlerweile steht eine Reihe von IAS-Systemen zur Verfügung,<br />

die über verschiedene Mechanismen immunologisch<br />

aktive Peptide an immobilisierte Aminosäuren, Peptide oder<br />

Proteine binden. Die me<strong>ist</strong>en Systeme verwenden zwei Säulen<br />

pro Patient, wobei während einer Behandlung abwechselnd<br />

eine Säule beladen und eine Säule regeneriert wird.<br />

Bei dem Ig-Therasorb ® -System sind Schaf-AK gegen humanes<br />

Immunglobulin auf einer Sepharosematrix gebunden. Es<br />

werden alle 4 IgG-Subklassen und auch IgM und IgA adsorbiert.<br />

IgG spezifischer <strong>ist</strong> das Immunosorba ® -System, bei<br />

dem als Ligand Staphylokokkenprotein A an Sepharose gekoppelt<br />

<strong>ist</strong>. Es werden hauptsächlich die Subklassen IgG 1 ,<br />

IgG 2 und IgG 4 gebunden.<br />

Eine weitere Entwicklung stellt das Globaffin ® -System dar.<br />

Es <strong>ist</strong> hierbei ein synthetisches Peptid mit Bindungsstellen<br />

ähnlich dem Protein A an Sepharose gekoppelt. Die erwähnten<br />

Adsorber werden gekühlt und unter sterilen Bedingungen<br />

gelagert und sind für den jeweiligen Patienten wieder verwendbar.<br />

Zuletzt sind Adsorber auf den Markt gekommen, die sich<br />

ganz spezifisch gegen bestimmte AK richten (z. B. Glycosorb ®<br />

– bindet AK des AB-Blutgruppensystems).<br />

Effektivität: Bei Desorption des 2,5-Fachen des kalkulierten<br />

Plasmavolumens <strong>ist</strong>, bei Ausgangs-IgG-Spiegeln im<br />

Normbereich, eine Absenkung der IgG-Spiegel um etwa 75<br />

% möglich. Im Verlauf einer Behandlung nimmt die Effektivität<br />

der Immunglobulinabsenkung stetig ab, da sich nur<br />

etwa 50 % der Immunglobuline intravasal befinden. Dennoch<br />

<strong>ist</strong> die AK-Elimination effektiver verglichen zum Plasmaaustausch.<br />

Nach Beendigung der Behandlung kommt es<br />

relativ rasch zu einer Umverteilung der extravasal vorliegenden<br />

Immunglobuline nach intravasal. Werden mehrere IgG-<br />

Apheresen im täglichen Behandlungsintervall durchgeführt,<br />

kommt es aber zu einer > 98%igen Reduktion (IgG-Serumkonzentrationen<br />

von < 30 mg/dl publiziert) der zirkulierenden<br />

IgG-Spiegel (Abbildung 2).<br />

Infektionsprophylaxe, zusätzliche Immunsuppression:<br />

Initial wurde angenommen, dass durch diese therapeutische<br />

Elimination der zirkulierenden Immunglobuline eine Substitution<br />

von IVIG zur Infektionsprophylaxe erforderlich <strong>ist</strong>.<br />

Es konnte aber im Rahmen einer prospektiven, randomisierten<br />

Studie keine Reduktion der primär schon geringen Frequenz<br />

an Infektionskomplikationen durch die Gabe von<br />

IVIG gezeigt werden. Zusätzlich wurde diskutiert, ob durch<br />

mg/dl<br />

1.000 -<br />

IgM<br />

mg/dl<br />

IgA<br />

mg/dl<br />

800 -<br />

600 -<br />

400 -<br />

200 -<br />

0 -<br />

250 -<br />

200 -<br />

150 -<br />

100 -<br />

50 -<br />

0 -<br />

200 -<br />

150 -<br />

100 -<br />

50 -<br />

0 -<br />

Abb. 2: Immunglobulin-Elimination durch 2 konsekutive<br />

Behandlungen<br />

die Elimination von zirkulierenden AK eine überschießende<br />

AK-Produktion auftritt und den zusätzlichen Einsatz zytotoxischer<br />

Medikamente erfordert. Es kommt aber auch ohne<br />

zusätzliche immunsuppressive Medikation zu keiner gesteigerten<br />

AK-Synthese nach einer IAS.<br />

Indikationen<br />

–82,6 %<br />

Pre 1 Post 1 Pre 2 Post 2<br />

–52,4 %<br />

–82,6 %<br />

Pre 1 Post 1 Pre 2 Post 2<br />

–74,1 %<br />

–92,6 %<br />

Pre 1 Post 1 Pre 2 Post 2<br />

Die Indikationsbereiche für die IAS sind denen der Plasmaaustausch-Behandlung<br />

vergleichbar. Die Datenlage über<br />

diese Behandlungsmodalität <strong>ist</strong> jedoch noch gering, so dass<br />

nur vereinzelt von gesicherten Indikationen gesprochen wird.<br />

Autoimmunerkrankungen präsentieren sich mit einer weit<br />

gestreuten klinischen Symptomatik, die auf unterschied-


- hochimmunisierte<br />

NTX-Patienten<br />

- humorale Abstoßung<br />

- Guillain-Barré-<br />

Syndrom<br />

- Myasthenia gravis<br />

- multiple Sklerose<br />

- SLE<br />

- M. Wegener<br />

dilatative<br />

CMP<br />

AB0-inkompatible<br />

Nierentransplantation<br />

Abb. 3: Immunadsorption<br />

IgG-Apherese<br />

Hemmkörperhämophilie<br />

- rheumatoide<br />

Arthritis<br />

- Pemphigus<br />

- autoimmune<br />

hämolyt. Anämie<br />

- ITP<br />

lichen pathophysiologischen Mechanismen beruht. In der<br />

Regel geht man heute davon aus, dass durch die IAS humorale<br />

Immunreaktionen therapierbar sein sollten (Abbildung 3).<br />

Nachfolgend sind die derzeit häufigsten Indikationen kurz<br />

zusammengefasst.<br />

Hämatologie: Die hämatologische Hauptindikation <strong>ist</strong> die<br />

Hemmkörperhämophilie. Hierbei wird heute auch aus Kostengründen<br />

und wegen der Effektivität der Einsatz der IAS<br />

bevorzugt (siehe Beitrag von Prof. Zeitler).<br />

Bei Blutgruppen-ungleicher Knochenmarkstransplantation<br />

mit folgender aregeneratorischer Anämie induziert durch<br />

hohe Isoagglutinintiter, scheint eine Indikation für die IAS<br />

vorzuliegen (siehe Beitrag von Prof. Rabitsch). Bei den weiteren<br />

hämatologischen Indikationen liegen zum jetzigen Zeitpunkt<br />

nur sehr begrenzt positive Erfahrungen vor, die Protein-A-IAS<br />

<strong>ist</strong> jedoch in den USA eine „FDA-approved“-<br />

Therapieoption bei der Immun-Thrombozytopenie.<br />

<strong>Nephrologie</strong>: In der <strong>Nephrologie</strong> gibt es zunehmend positive<br />

Erfahrungen mit IAS bei der Transplantation von hochsensibilisierten<br />

Nierenempfängern. Wiederholte Organtransplantationen<br />

werden durch zunehmende Sensibilisierung<br />

des Empfängers (vermehrt zytotoxische AK) gegen<br />

fremde HLA-Eigenschaften immunologisch schwieriger.<br />

Durch eine vorbereitende IAS gelingt es die HLA-AK-Konzentrationen<br />

so weit abzusenken, dass in einem akzeptablen<br />

Zeitraum Spenderorgane mit negativem Crossmatch gefunden<br />

werden.<br />

Eine weitere Indikation für die IAS <strong>ist</strong> das Auftreten einer<br />

h<strong>ist</strong>ologisch gesicherten humoralen Abstoßung (C4d-positiv)<br />

auch bei nicht hochimmunisierten Nierentransplantatempfängern,<br />

wobei die Effektivität der IAS mittlerweile in einer<br />

prospektiven randomisierten Studie gezeigt wurde (siehe Beitrag<br />

von Prof. Böhmig).<br />

Ein interessantes neues Feld stellt die Nierentransplantation<br />

bei AB0-inkompatibler Spender-Empfänger-Konstellation<br />

dar. Durch eine selektive IAS (Glycosorb A oder Glycosorb<br />

B) können in der Prätransplant- und in der unmittelbaren<br />

Posttransplant-Phase Anti-A- und/oder Anti-B-AK entfernt<br />

werden. Damit gelingt es, hyperakute Abstoßungen zu verhindern<br />

und ein befriedigendes Transplantat- und Patientenüberleben<br />

zu erreichen (siehe Beitrag von Dr. Beimler).<br />

Die überwiegend positiven Resultate, die in den 90er Jahren<br />

bei der FSGS unter IAS publiziert wurden, konnten in den<br />

folgenden Studien nur teilweise bestätigt werden. Eigene Ergebnisse<br />

zeigen, dass es nach initialem Rückgang der Proteinurie<br />

rasch zu einem Rezidiv der Erkrankung kam. Die Erfahrungen<br />

bei einer RPGN reduzieren sich auf vereinzelte,<br />

durchwegs positive Berichte bezüglich des Einsatzes der IAS.<br />

Da auch der SLE eine durch Immunkomplexe mediierte Systemerkrankung<br />

<strong>ist</strong>, wurde dieses extrakorporale Verfahren bei<br />

schweren Verläufen und auch bei Multiorganbefall zur Anwendung<br />

gebracht (siehe Beitrag von Dr. Stummvoll).<br />

Neurologie: Das Spektrum dieser Erkrankungen inkludiert<br />

die neurologischen Indikationen wie Myasthenia gravis, wo<br />

Acetylcholinrezeptor-AK zu einer Störung der Muskelfunktion<br />

führen, und das Guillain-Barré-Syndrom, bei dem bis<br />

heute keine spezifischen AK für das Auftreten der Krankheit<br />

identifiziert werden konnten, aber extrakorporale Therapieverfahren<br />

sich als effektiv erwiesen haben. Vor allem bei Patienten<br />

mit Myasthenie, die unter konventioneller Therapie<br />

einen unbefriedigenden Verlauf hatten, kann durch intermittierende<br />

IAS, in den me<strong>ist</strong>en Fällen 2 Behandlungen alle 2<br />

Wochen, ein befriedigender klinischer Zustand erreicht und<br />

so die Dosis der potenziell knochenmarktoxischen Medikamente<br />

(z. B. Azathioprin) in vielen Fällen reduziert werden.<br />

Kardiologie: In der Kardiologie konnten klinische Studien<br />

den positiven Einsatz der IAS bei der dilatativen Kardiomyopathie<br />

(CMP) zeigen. Die dilatative CMP <strong>ist</strong> durch eine progrediente<br />

Abnahme der myokardialen Pumpfunktion und<br />

durch ventrikuläre Dilatation charakterisiert. Bei Patienten<br />

mit CMP haben sich zirkulierende, gegen kardiale zelluläre<br />

Proteine gerichtete Auto-AK nachweisen lassen, die durch<br />

IAS entfernt werden können. Nach initial dramatischer Besserung<br />

<strong>ist</strong> es im Langzeitverlauf dann nur zu einer minimalen<br />

Verschlechterung der kardialen Pumpfunktion gekommen.<br />

Auch in wiederholten prospektiven Studien konnten<br />

diese Ergebnisse bestätigt werden, Herzindex und Schlagvolumenindex<br />

stiegen signifikant an, der systemvaskuläre und<br />

pulmonalvaskuläre Widerstand nahmen signifikant ab (siehe<br />

Beitrag von Prof. Staudt).<br />

Bullöse Autoimmundermatosen: Die me<strong>ist</strong>en bullösen<br />

Hauterkrankungen weisen typischerweise gewebegebundene<br />

und zirkulierende AK gegen Strukturproteine der Haut<br />

auf. Trotz der systemischen Gabe von Steroiden, auch in<br />

Kombination mit anderen Immunsuppressiva, kann bei manchen<br />

Patienten mit bullösen Hauterkrankungen, z. b. einem<br />

Pemphigus vulgaris, kein befriedigender klinischer Erfolg erreicht<br />

werden. Durch den initial hochfrequenten Einsatz der


21<br />

IAS und einer anschließenden Ausschleichphase konnte bei<br />

einem Großteil der Patienten eine komplette Abheilung der<br />

Hautläsionen beobachtet werden (siehe Beitrag von Prof.<br />

Grabbe).<br />

Rheumatoide Arthritis: Bei der rheumatoiden Arthritis liegen<br />

positive Ergebnisse mit einer Protein-A-Säule (Prosorba ® )<br />

vor, die in dieser Indikation zur FDA-Zulassung geführt<br />

haben. Es konnte eine hochsignifikante Abnahme der Entzündungsaktivität<br />

nachgewiesen werden. Bei den jedoch derzeit<br />

verfügbaren potenten Primärtherapien spielt die IAS bei<br />

dieser Indikation nur eine untergeordnete Rolle.<br />

■<br />

Die Immunadsorption kann vorrangig über periphere Venen<br />

durchgeführt werden. Durch wiederholte Immunadsorptionen<br />

gelingt eine > 95%ige Absenkung der zirkulierenden IgG. Eine<br />

Substitution von intravenösen Immunglobulinen <strong>ist</strong> nicht notwendig,<br />

da keine gesteigerte Infektanfälligkeit beobachtet<br />

wurde. Obwohl es wenige gesicherte Indikationen für die Immunadsorption<br />

gibt, geht man heute jedoch davon aus, dass<br />

humorale Immunreaktionen mit diesem Verfahren therapierbar<br />

sein sollten.<br />

ANMELDUNG:<br />

Klinische Abteilung<br />

für <strong>Nephrologie</strong>,<br />

Medizinische Universität<br />

Innsbruck<br />

z. Hd. Herrn ao. Univ.-Prof.<br />

Alexander Rosenkranz<br />

6020 Innsbruck,<br />

Anichstraße 35<br />

Tel.: +43/512/504-25857<br />

oder E-Mail:<br />

alexander.rosenkranz@<br />

i-med.ac.at


22<br />

Immunologische Grundlagen von<br />

Plasmaaustausch und Immunadsorption<br />

ao. Univ.-Prof. Dr. Gerhard Zlabinger<br />

Institut für Immunologie, Zentrum für Physiologie, Pathophysiologie und Immunologie, Medizinische Universität Wien<br />

Um einem Organismus pathogene Substanzen auf möglichst<br />

selektive Weise zu entziehen, wurden seit den<br />

70er Jahren verstärkt extrakorporale Therapieverfahren<br />

etabliert, welche mittlerweile bei zahlreichen klinischen<br />

Indikationen wie Stoffwechselerkrankungen, Autoimmunerkrankungen<br />

oder Abstoßungsreaktionen zur Anwendung<br />

kommen.<br />

Die Vorgangsweise dabei <strong>ist</strong>, entweder eine Substitution des<br />

Blutplasmas der Patienten vorzunehmen oder die schädigenden<br />

Substanzen mittels eines chromatographischen Trennverfahrens<br />

aus dem Plasma zu eliminieren.<br />

Tabelle: Bindungsstärke von Protein A und<br />

Protein G für polyklonale IgG von<br />

verschiedenen Spezies<br />

Spezies Protein A Protein G Protein A/G<br />

Mensch<br />

IgG 1, 2, 4 ++ ++ ++<br />

IgG 3 – ++ ++<br />

Maus<br />

IgG 1 – + +<br />

IgG 2a, 2b, 3 ++ ++ ++<br />

Ratte – + +<br />

Meerschweinchen ++ + ++<br />

Kaninchen ++ ++ ++<br />

Schaf – ++ ++<br />

Ziege + ++ ++<br />

Schwein ++ – ++<br />

Huhn – – –<br />

Hund ++ + ++<br />

Kuh + ++ ++<br />

Pferd – ++ ++<br />

++ starke Bindung; + mittelstarke Bindung; – schwache oder keine Bindung<br />

Apherese: Behandlungsverfahren, deren Therapieeffekt auf<br />

der extrakorporalen Entfernung oder physikalischen/chemischen/biologischen<br />

Modifikation<br />

einer pathogenen Substanz bzw. pathogener<br />

Zellen des Blutes basiert,<br />

werden als Apheresen bezeichnet.<br />

Plasmaaustausch: Bei einer Plasmapherese<br />

wird die Elimination von Inhaltstoffen<br />

im Plasma durch den<br />

Austausch des patienteneigenen Plasmas<br />

(therapeutischer Plasmaaustausch)<br />

durch geeignete Substitutionslösungen<br />

aus Elektrolyten, Plasmaexpandern, Humanalbumin<br />

oder Frischplasma nach Separation des Plasmas mittels<br />

eines Membranplasmaseparators oder durch eine Hämozentrifuge<br />

bewerkstelligt.<br />

Immunadsorption: Andererseits wird bei selektiveren Verfahren<br />

die Entfernung des schädigenden Agens durch Adsorption,<br />

Präzipitation oder Filtration durchgeführt. Bei der<br />

Immunadsorption kommt es zur Bindung von Immunglobulinen<br />

an geeignete Liganden, welche an einer Festphase immobilisiert<br />

sind. Nach Plasmaseparation wird das Plasma<br />

über die eigentlichen Adsorptionssäulen geleitet, wo es zur<br />

Bindung der jeweiligen Antikörper bzw. von Immunkomplexen<br />

an ihre Liganden kommt. Hierbei kann eine Selektivität<br />

der Bindung für bestimmte Immunglobulinklassen (z. B.<br />

IgG), aber auch für bestimmte Antigene erreicht werden (z.<br />

B. Coraffin ® für Antikörper gegen 1 -adrenerge Rezeptoren).<br />

Das Verfahren folgt me<strong>ist</strong> einem Doppelsäulensystem, bei<br />

dem eine Säule von Plasma durchströmt wird, während die<br />

zweite regeneriert wird und somit für eine erneute Bindung<br />

vorbereitet wird. Auf diese Weise kann eine Elimination des<br />

Gesamt-IgG um bis zu 90 % des Ausgangswertes erreicht<br />

werden.<br />

Affinitätschromatographie<br />

ao. Univ.-Prof. Dr.<br />

Gerhard Zlabinger<br />

Der Immunadsorption liegt das Prinzip der Affinitätschromatographie<br />

zu Grunde, welches auf der Eigenschaft von biologischen<br />

Makromolekülen basiert, spezifisch und reversibel<br />

an andere Substanzen (Liganden) zu binden (Abb.). Solche


23<br />

Interaktionen, die für die Affinitätschromatographie genutzt<br />

werden, bestehen z. B. zwischen Antigen und Antikörper<br />

oder Enzym und Substrat. Eine der beiden Komponenten<br />

wird dabei kovalent und irreversibel an eine wasserunlösliche<br />

polymere Matrix fixiert.<br />

Immobilisierte Liganden auf Trägermaterialien: Die so erhaltene<br />

Liganden-beladene Matrix wird in eine Trennsäule<br />

gegeben und das zu trennende Substanzgemisch, welches die<br />

zu isolierende Komponente enthält, wird appliziert. Dabei<br />

erkennt und bindet dann der immobilisierte Ligand aus dem<br />

komplexen Gemisch mit hoher Spezifität nur den zu ihm<br />

passenden Bindungspartner, während alle anderen Bestandteile<br />

des Substanzgemisches die Säule ungebunden passieren.<br />

Eine wesentliche Voraussetzung für dieses Verfahren <strong>ist</strong>, dass<br />

der Ligand seine Fähigkeit, an das Zielmolekül zu binden,<br />

auch in fixiertem Zustand beibehält.<br />

Als Trägermaterialien haben sich insbesondere Agarose und<br />

Dextran in Form kleiner Kügelchen etabliert, welche relativ<br />

formstabile Hydrogele bilden und nur geringe unspezifische<br />

Wechselwirkungen zeigen.<br />

Als Möglichkeit zur Immobilisation von Affinitätsliganden<br />

hat sich die kovalente Bindung an das Trägermaterial als vielseitigst<br />

verwendbare Methode erwiesen. Für die Kopplung<br />

von Liganden mit dem Trägermaterial <strong>ist</strong> es vorteilhaft, wenn<br />

auf der einen Seite nukleophile Gruppen (Amino-, Hydroxyl-,<br />

Thio-Reste) und auf der anderen Seite elektrophile Gruppen<br />

(Aldehyde, Ketone, Isocyanate, Isothiocyanate, Epoxide) vorhanden<br />

sind. Die klassische Methode <strong>ist</strong> die Bromcyan-Aktivierung<br />

von Agarose bzw. von Polysaccharid-Beads. Durch<br />

Reaktion mit den Hydroxyl-Gruppen der Agarose kommt es<br />

zur Ausbildung von höchst reaktiven Cyanatester-Gruppen,<br />

welche mit primären Amino-Gruppen der jeweiligen Liganden<br />

stabile Isoharnstoff-Bindungen ausbilden.<br />

Regeneration der Affinitätssäulen: Von großer Bedeutung<br />

für den Trennprozess <strong>ist</strong> auch die nachfolgende Elution. Die<br />

Dissoziation des Bindungspartners von seinem Liganden<br />

kann durch Zugabe einer Lösung mit ungebundenem Liganden<br />

(oder Analoga) erfolgen. Die Elution kann auch durch<br />

eine starke Veränderung des pH-Wertes, der Ionenstärke oder<br />

der Temperatur vorgenommen werden. Dissoziierend wirkende<br />

Substanzen wie Detergentien oder Harnstoff können<br />

ebenfalls verwendet werden, um derartige Affinitätssäulen<br />

wieder zu regenerieren und einer Wiederverwendung zuzuführen.<br />

Affinitätsliganden<br />

Man kann zwei Klassen von Affinitätsliganden entsprechend<br />

der Art der Affinität unterscheiden.<br />

• Die Wirkweise eines biologischen Adsorbers beruht auf der<br />

Abb.: Prinzip der Affinitätschromatographie<br />

biologischen Wechselwirkung zu einem natürlichen Bindungspartner,<br />

wie es bei der Antigen-Antikörper-Reaktion<br />

zu beobachten <strong>ist</strong>. In diesem Fall <strong>ist</strong> aufgrund der hohen<br />

Spezifität der Bindung eine hohe Bindungsaffinität gegeben.<br />

Derartige bioaktive Liganden können jedoch chemisch<br />

und biologisch instabil sein, sodass deren Sterilisation<br />

bzw. ihre Verwendung in kommerziellen Herstellungsprozessen<br />

problematisch sein kann.<br />

• Ein so genannter nicht-biologischer Adsorber entfaltet seine<br />

Affinität über physikochemische Interaktionen wie Ionenbindungen<br />

bzw. hydrophobe Wechselwirkungen (z. B. mit<br />

Tryptophan oder Phenylalanin). Derartige Affinitätsliganden<br />

weisen dadurch eine geringere Spezifität auf, haben<br />

aber den Vorteil, dass sie viel stabiler und auch leichter sterilisierbar<br />

sind.<br />

Immunglobulin-bindende Moleküle mit me<strong>ist</strong> bakteriellem<br />

Ursprung: Bei der Immunadsorption wird eine hohe Selektivität<br />

für die Bindung von Antikörpern entweder durch<br />

die Verwendung von spezifischen Antikörpern gegen die zu<br />

entfernenden Antikörper einer bestimmten Spezies oder<br />

durch den Einsatz von hochaffinen Immunglobulin-bindenden<br />

Molekülen me<strong>ist</strong> bakteriellen Ursprungs erreicht.<br />

• Protein A <strong>ist</strong> ein derartiges Membranprotein von Staphylococcus<br />

aureus, welches zwischen den CH2- und CH3-<br />

Domänen der konstanten Abschnitte von IgG-Molekülen<br />

unabhängig von deren Spezifität bindet, aber auch eine<br />

Bindungsstelle für den variablen Abschnitt von Immunglobulinen<br />

besitzt, welche der VH3-Familie angehören.<br />

Letztere Wechselwirkung dürfte insbesondere auch für die<br />

biologische Wirkung von Protein A als Virulenzfaktor von<br />

Staphylococcus aureus von Bedeutung sein, da es dadurch<br />

zur Aktivierung und nachfolgender Apoptose der gebundenen<br />

B-Zellen kommt.


24<br />

• Protein G <strong>ist</strong> ein Zellwandprotein aus Streptokokken der<br />

Gruppe C und G, welches ebenfalls eine starke Bindungsaffinität<br />

zur Fc-Region von IgG hat, aber im Vergleich zu<br />

Protein A ein breiteres Spektrum an Immunglobulin-Isotypen<br />

verschiedener Spezies bindet (siehe Tab.). Neben den<br />

zwei Immunglobulin-bindenden Stellen besitzt Protein G<br />

noch die Möglichkeit, an Albumin bzw. auch an Zelloberflächen<br />

zu binden.<br />

• Protein A/G <strong>ist</strong> ein genetechnisch hergestelltes Protein,<br />

welches die Bindungseigenschaften von Protein A und Protein<br />

G vereinigt und an alle humanen IgG-Subklassen mit<br />

nennenswerter Affinität bindet, aber keine weiteren<br />

Wechselwirkungen mit anderen Molekülen eingeht.<br />

• Daneben gibt es noch eine Reihe weiterer bakterieller<br />

Membranproteine wie z. B. Protein L von Peptostreptococcus<br />

magnus oder EibG von E. coli.<br />

Derzeit im klinischen Alltag in Verwendung stehende Liganden<br />

sind Polyacrylsäure (DALI ® -Systeme, Fresenius Medical<br />

Care) und Dextransulfat (Liposorber ® -System, Kaneka<br />

Corp.) zur Entfernung von LDL und Lp (a), wobei Letzteres<br />

auch zur Elimination von kationischen Anti-dsDNS-AK<br />

und Immunkomplexen aus dem Plasma von SLE-Patienten<br />

verwendet wird, sowie eine Reihe von Immunglobulin-bindenden<br />

Substanzen. Unter diesen sind insbesondere<br />

Phenylalanin und Tryptophan (Immusorba ® , ASAHI Kasei<br />

Medical), polyklonale Anti-human-Immunglobulin-Schafsantikörper<br />

(Ig-Therasorb ® -System, Miltenyi), das Staphylokokken-Toxin<br />

Protein-A (Immunosorba ® -System und Prosorba<br />

® -System, Fresenius Medical Care) sowie synthetisch<br />

hergestellte Peptide (Globaffin ® und Coraffin ® , Fresenius<br />

Medical Care) zu erwähnen. Weitere Liganden sind Protein<br />

G, Protein A/G für Immunglobuline, C 1q für Immunkomplexe,<br />

Concanavalin A für Polysaccharide, Glykoproteine<br />

und Glykolipide, Lysin für Plasminogen, Plasminogen-Aktivator<br />

und ribosomale RNA sowie Adenosin-5’-Monophosphat<br />

für NAD + -abhängige Dehydrogenasen.<br />

■<br />

Immunadsorption<br />

Methodische Grundlage: Affinitätschromatographie<br />

Affinitätsliganden: a) biologisch, b) nicht-biologisch<br />

- ad a) biologische Wechselwirkung zwischen Ligand und<br />

Bindungspartner<br />

(z. B. Antigen-Antikörper-Reaktion)<br />

Vorteil: hohe Spezifität und hohe Affinität<br />

Nachteil: biologische und produktionstechnische<br />

Instabilität<br />

- ad b) physikochemische Interaktion der Bindungspartner<br />

Vorteil: produktionstechnische Stabilität<br />

Nachteil: geringere Affinität und Spezifität<br />

FOTO: PICTUREDESK.COM


26<br />

STELLENWERT BEI HOCHIMMUNISIERTEN PATIENTEN UND BEI<br />

HUMORALER ABSTOSSUNG (AKARIS-STUDIE)<br />

Immunadsorption und Transplantation<br />

ao. Univ.-Prof. Dr. Georg A. Böhmig<br />

Abteilung für <strong>Nephrologie</strong> und Dialyse, Univ.-Klinik für Innere Medizin III, Medizinische Universität Wien<br />

In diesem Beitrag soll der Stellenwert der Immunadsorption<br />

in Prävention und Therapie Alloantikörper-vermittelter<br />

Abstoßungskrisen besprochen werden. Diskutiert<br />

wird die Bedeutung der Immunadsorption als präemptive<br />

Strategie zur Überwindung harter immunologischer Barrieren<br />

(Crossmatch-positive Leichennierentransplantation),<br />

zudem auch die Ergebnisse einer aktuellen randomisierten<br />

kontrollierten Studie (AKARIS-Studie), welche die<br />

zuvor postulierte Effizienz der Immunadsorption in der<br />

Therapie schwerer C 4d -positiver akuter humoraler Abstoßungskrisen<br />

unterstreichen.<br />

C 4d -positive schwere Tx-Dysfunktion<br />

Randomisierung – Computer-basiert,<br />

Stratifiziert: (1) Spenderalter, (2) zelluläre Abstoßung<br />

Gruppe A<br />

IA-Therapie<br />

Tx = Transplantation,<br />

IA = Immunadsorption<br />

Abb. 1: Design der AKARIS-Studie<br />

Gruppe B<br />

keine IA<br />

Tacrolimus-Switch<br />

Standardtherapie bei zellulärer Abstoßung<br />

(Steroide ± ATG bei Banff-'97-Abstoßung)<br />

IA-Rescue nach 21 d<br />

Nicht-Ansprechen<br />

Die Entität der Alloantikörper-bedingten Abstoßung („antibody-mediated<br />

rejection“, AMR) nach Nierentransplantation<br />

<strong>ist</strong> heute allgemein etabliert. Diagnostische Kriterien der<br />

akuten AMR (serologischer Nachweis von Alloantikörpern,<br />

Pathoh<strong>ist</strong>ologie, kapilläre Ablagerung von C 4d ) sind mittlerweile<br />

in die Banff-Klassifikation integriert. Der mehrfach gezeigte<br />

klinisch prädiktive Wert einer Ablagerung des Komplementspaltprodukts<br />

C 4d in Nierentransplantaten unterstreicht<br />

den besonderen diagnostischen<br />

Wert dieses Markers im klinischen<br />

Kontext.<br />

C 4d -positive Abstoßungsepisoden<br />

sind oft therapierefraktär und sprechen<br />

in vielen Fällen nur auf spezifische<br />

„antihumorale“ Therapiestrategien<br />

an. Während die Notwendigkeit<br />

spezifischer therapeutischer Maßnahmen<br />

bei schweren klinischen Verläufen<br />

unumstritten <strong>ist</strong>, bleibt nach derzeitigem Wissensstand<br />

offen, ob C 4d -Positivität bei leichter Dysfunktion oder subklinischem<br />

Verlauf einer Therapie bedarf. In diesem Zusammenhang<br />

wesentlich <strong>ist</strong> die Erkenntnis, dass frühe C 4d -Positivität<br />

das spätere Auftreten irreversibler morphologischer<br />

Läsionen (z. B. chronische Transplantat-Glomerulopathie)<br />

begünstigen dürfte.<br />

Immunadsorption<br />

bei akuter humoraler Abstoßung<br />

Die ungünstige Prognose Antikörper-vermittelter Abstoßung<br />

impliziert den Bedarf an gezielten therapeutischen<br />

(„antihumoralen“) Maßnahmen. Wesentliches Standbein<br />

„antihumoraler“ Therapie sind extrakorporale Verfahren mit<br />

dem Ziel einer Elimination pathogener Alloantikörper<br />

(Apherese). In mehreren unkontrollierten Analysen wurde<br />

über die Effizienz polypragmatischer Plasmapherese-basierter<br />

Protokolle (Plasmapherese kombiniert mit intravenösen<br />

Immunglobulinen, Tacrolimus/Mycophenolat-Mofetil<br />

(MMF) und/oder Antilymphozyten-Antikörper) als „antihumorale“<br />

Abstoßungstherapie berichtet.<br />

AKARIS-Studie<br />

ao. Univ.-Prof. Dr.<br />

Georg A. Böhmig<br />

Unkontrollierte Analysen, auch eine Serie unserer Transplantationseinheit,<br />

weisen auf eine Effektivität einer Immunadsorption<br />

mit Protein A bei Antikörper-mediierten Abstoßungskrisen<br />

hin. Eine von unserer Arbeitsgruppe initiierte<br />

randomisierte kontrollierte Studie (AKARIS, „acute kidney


28<br />

allograft rejection immunoadsorption study“) unterstreicht<br />

letztlich die hohe „antihumorale“ Effizienz der Immunadsorption<br />

bei akuter humoraler Abstoßung. Unsere Interventionsstudie<br />

wurde als randomisierte, kontrollierte Analyse<br />

konzipiert. Zwei Zentren (Medizinische Universität Wien;<br />

Krankenhaus der Elisabethinen, Linz) nahmen teil. Inkludiert<br />

wurden Patienten mit schwerer akuter Transplantat-<br />

Dysfunktion (Kreatinin 4 mg/dl bzw. Dialysepflicht) und<br />

bioptischem Nachweis kapillärer Ablagerungen von C 4d .<br />

Design: Die Randomisierung erfolgte in zwei Gruppen:<br />

Gruppe A: Immunadsorption (Protein A) sowie Konversion<br />

auf Tacrolimus (wenn nicht bereits Komponente der Bas<strong>ist</strong>herapie);<br />

Gruppe B: Tacrolimus ohne Immunadsorption.<br />

Bei zellulärer Abstoßung wurde in beiden Gruppen nach<br />

Zentrumsstandard therapiert (Hochdosissteroide und/oder<br />

Antilymphozyten-Antikörper). Bei Nichtansprechen über 21<br />

Tage hatten die Patienten der Kontrollgruppe die Option<br />

einer „Rescue-Therapie“ mit Immunadsorption. Pro Immunadsorptionssitzung<br />

wurde das 2,5-Fache des errechneten Plasmavolumens<br />

behandelt. Die Immunadsorption wurde<br />

während der ersten 3 Tage täglich, dann 2–3 x/Woche durchgeführt<br />

(maximale Behandlungsdauer: 6 Wochen). Das Studiendesign<br />

<strong>ist</strong> in Abbildung 1 dargestellt.<br />

Kumulatives Tx-Überleben<br />

Kaplan-Meier-Überleben<br />

1,0 -<br />

0,8 -<br />

0,6 -<br />

0,4 -<br />

0,2 -<br />

0,0 -<br />

-<br />

p = 0,04<br />

-<br />

Gruppe A<br />

-<br />

Gruppe A<br />

-<br />

0 12 24 36<br />

Monate nach Randomisierung<br />

Abb. 2: Ergebnisse der AKARIS-Studie<br />

Ansprechrate<br />

Gruppe A 5/5<br />

Gruppe B 1/5<br />

p = 0,048<br />

Ergebnisse: Zwischen 2001 und 2005 wurden 10 von insgesamt<br />

756 Nierentransplantatempfängern inkludiert. Die<br />

Studienergebnisse sind in Abbildung 2 illustriert. Alle 5 Patienten<br />

der Gruppe A sprachen gut auf die Therapie mit Immunadsorption<br />

an. Zwei Patienten mit zusätzlich zellulärer<br />

Abstoßung erhielten eine antizelluläre Therapie. 21 Tage<br />

nach Randomisierung lag das Serum-Kreatinin in Gruppe A<br />

bei 2,2 mg/dl. Ein Patient verstarb nach 5 Wochen mit funktionierendem<br />

Transplantat an einer Therapie-unabhängigen<br />

Komplikation (Aspirationspneumonie mit nachfolgender<br />

Sepsis). Die anderen 4 Patienten zeigten über den gesamten<br />

Beobachtungszeitraum eine gute Organfunktion. In Gruppe<br />

B kam es nur bei einer Patientin zu einer Stabilisierung der<br />

Nierenfunktion. Die anderen 4 Patienten blieben dialysepflichtig,<br />

wobei ein Empfänger eine AMR-bedingte Transplantatnekrose<br />

entwickelte. Bei den anderen 3 „Non-Respondern“<br />

ergaben serielle Folgebiopsien ein Fortbestehen humoraler<br />

Abstoßungszeichen. Gemäß Protokoll wurde bei diesen<br />

Patienten nach 21 Tagen eine Rescue-Therapie mit Immunadsorption<br />

durchgeführt, allerdings ohne Effekt auf die<br />

Transplantatfunktion. Ein Vergleich der beiden Gruppen<br />

bzgl. unzensurierten Transplantatüberlebens bzw. Ansprechens<br />

der Therapie innerhalb von 3 Wochen (Abb. 2) ergab<br />

signifikante Unterschiede (p < 0,05). Nach Durchführung<br />

einer ersten Interimsanalyse wurde die Studie im Konsens beendet.<br />

Gründe für den Studienabbruch waren nicht nur die<br />

hohe Rate an Transplantatverlusten in der Kontrollgruppe,<br />

sondern auch die zwischenzeitliche Publikation mehrerer unkontrollierter<br />

Analysen, die eine Effizienz von Plasmapherese<br />

plus IVIG diskutierten, und nicht zuletzt die unerwartet<br />

niedrige Inzidenz an schwerer AMR, die zu einer inakzeptablen<br />

Verlängerung der Rekrutierungsphase geführt hätte.<br />

Diskussion: Trotz begrenzter Fallzahl unterstützen die Ergebnisse<br />

unserer Studie die Effizienz einer frühzeitig eingesetzten<br />

Immunadsorption mit Protein A bei Antikörper-vermittelter<br />

Nierentransplantatabstoßung. Basierend auf diesen<br />

Ergebnissen empfehlen wir den Einsatz dieser Therapie bei<br />

C 4d -positiver AMR als Teil einer Biopsie-basierten Differenzialtherapie.<br />

Ein Vergleich der Effizienz unterschiedlicher Strategien, wie<br />

z. B. Plasmapherese (als Komponente einer polypragmatischen<br />

Strategie) vs. Immunadsorption steht momentan aus.<br />

In Hinblick auf die Seltenheit humoraler Abstoßungskrisen<br />

und die für eine Analyse theoretisch notwendige hohe Fallzahl<br />

<strong>ist</strong> die Durchführung einer solchen Vergleichsstudie<br />

wohl kaum möglich. Es bleibt aber anzumerken, dass in einer<br />

kleinen Fallserie eine effiziente Reversion Plasmapherese-refraktärer<br />

humoraler Abstoßung durch Immunadsorption erreicht<br />

werden konnte. Ein wesentlicher Vorteil der Immunadsorption<br />

könnte dabei die selektive und höchst effiziente<br />

Antikörper-Elimination sein. Sowohl für Plasmapherese als<br />

auch Immunadsorption bleibt ungeklärt, warum ein kurzer<br />

Apherese-Therapiezyklus über längere Zeit eine stabile<br />

Transplantatfunktion, oft ohne Notwendigkeit weiterer Interventionen,<br />

ermöglicht. Mit einem immunmodulatorischen<br />

Effekt extrakorporaler Therapien (Induktion einer Immuntoleranz)<br />

kann spekuliert werden.


29<br />

Immunadsorption<br />

bei chronischer humoraler Abstoßung<br />

Ein hochaktuelles Thema <strong>ist</strong> die evidente Bedeutung Alloantikörper-abhängiger<br />

Mechanismen in der Genese der chronischen<br />

Transplantatdysfunktion bzw. Abstoßung. Eine der<br />

großen Herausforderungen <strong>ist</strong> die Therapie der chronischen<br />

humoralen Abstoßung. Zu diesem Thema gibt es kaum Literatur<br />

und die wenigen verfügbaren Studien sind widersprüchlich.<br />

Diskutierte Therapieoptionen umfassen eine Umstellung<br />

der Bas<strong>ist</strong>herapie auf Tacrolimus und/oder MMF<br />

oder den Einsatz von hochdosiertem IVIG. Prospektive kontrollierte<br />

Analysen sind allerdings noch ausständig. Eine<br />

mögliche Effizienz einer Immunadsorptionsbehandlung in<br />

der Behandlung chronisch humoraler Abstoßungsprozesse<br />

kann mangels entsprechender Studien nur spekuliert werden.<br />

Stellenwert nur bei frühzeitigem Einsatz Wir berichteten<br />

über einen Patienten mit bereits fortgeschrittener chronischer<br />

humoraler Abstoßung (C 4d -positive Transplantat-Glomerulopathie,<br />

große Proteinurie), bei dem auch eine Immunadsorptionstherapie<br />

eine weitere Transplantatfunktionsverschlechterung<br />

nicht aufhalten konnte. Diese präliminären Ergebnisse<br />

weisen darauf hin, dass auch hocheffiziente Strategien<br />

zur Antikörper-Elimination bei bereits fortgeschrittener<br />

chronischer Organdysfunktion wenig effektiv sein dürften.<br />

Es <strong>ist</strong> wohl anzunehmen, dass ein frühzeitiger Einsatz solcher<br />

Strategien, z. B. auf Basis von Protokollbiopsien oder serologischem<br />

Monitoring, entscheidend <strong>ist</strong>.<br />

Immunadsorption<br />

bei humoraler Vorsensibilisierung<br />

Eine humorale Empfänger-Vorsensibilisierung bedingt oft inakzeptable<br />

Wartezeiten und <strong>ist</strong> ein wesentlicher Risikofaktor<br />

für einen Transplantatverlust durch AMR. Es gibt zahlreiche<br />

Versuche, durch immunmodulierende bzw. immunsuppressive<br />

Maßnahmen (z. B. hochdosiert IVIG oder Apherese) im<br />

Vorfeld der Transplantation den Sensibilisierungsgrad zu reduzieren,<br />

mit dem Ziel einer Wartezeitverkürzung und Reduktion<br />

des Abstoßungsrisikos.<br />

Crossmatch-Negativierung: Ein heißes Thema <strong>ist</strong> Transplantation<br />

über die immunologische Barriere eines positiven<br />

Prä-Transplant-Crossmatches. Tatsächlich <strong>ist</strong> es bei der Lebendtransplantation<br />

gelungen, durch hochdosiertes IVIG<br />

und/oder Einsatz extrakorporaler Therapieverfahren ein positives<br />

zytotoxisches Crossmatch zu negativieren und erfolgreich,<br />

mit gutem Ergebnis, zu transplantieren.<br />

„Peri-Transplant-Immunadsorption“ am Transplantationszentrum<br />

Wien: Aufgrund der zeitlichen Limitation <strong>ist</strong><br />

die Situation bei der Crossmatch-positiven Leichenspende<br />

viel schwieriger. Hier muss, im Gegensatz zur Lebendspende,<br />

eine Crossmatch-Negativierung innerhalb weniger Stunden<br />

im Rahmen der präoperativen Vorbereitung erfolgen. Die an<br />

unserem Zentrum eingesetzte „Peri-Transplant-Immunadsorption“<br />

stellt dabei eine gangbare Strategie dar. Dieses<br />

präemptive Schema umfasst eine einmalige, unmittelbar<br />

präoperativ durchgeführte Immunadsorptionsbehandlung,<br />

gefolgt von seriellen postoperativen Therapiesitzungen<br />

(Ziel: Prävention eines postoperativen Alloantikörper-Rebounds).<br />

Zudem erfolgt eine Antilymphozytenantikörper-Induktionstherapie.<br />

Zwischen 1999 und 2003 wurden am<br />

Transplantationszentrum Wien 40 Hochrisikoempfänger<br />

einer Leichenspende (mediane PRA-Reaktivität 77 %, 38 retransplantierte<br />

Patienten) unter Peri-Transplant-Immunadsorption<br />

transplantiert. Eine Inklusion war möglich, wenn<br />

das zytotoxische Crossmatch negativ war bzw. ein positives<br />

Prä-Transplant-Crossmatch durch eine einmalige präoperative<br />

Immunadsorptionsbehandung negativiert werden<br />

konnte. Um die Verlängerung der kalten Ischämiezeiten und<br />

das immunologische Risiko in Grenzen zu halten, wurden<br />

dabei nur Empfänger inkludiert, bei denen die Behandlung<br />

von maximal 6 l Plasmavolumen zu einer Crossmatch-Negativierung<br />

geführt hatte. Bei 9 Empfängern konnte ein positives<br />

zytotoxisches Crossmatch negativiert werden. Bei 31<br />

Empfängern war das zytotoxische Crossmatch bereits vor der<br />

präoperativen Immunadsorptionsbehandlung negativ. Ein<br />

Vergleich der Patientengruppen ergab weder einen Unterschied<br />

im 3-Jahres-Transplantatüberleben (78 % [Crossmatch-positiv)]<br />

versus 71 % [Crossmatch-negativ]) noch<br />

bzgl. der immunologischen Transplantatverlustrate sowie<br />

Transplantatfunktion im Langzeitverlauf.<br />

■<br />

Literatur beim Verfasser<br />

Die bedeutende Rolle Antikörper-vermittelter Immunmechanismen<br />

bei akuter und chronischer Abstoßung nach Nierentransplantation<br />

<strong>ist</strong> mittlerweile gut etabliert. Die Immunadsorption<br />

mit Protein A <strong>ist</strong> eine interessante therapeutische<br />

Strategie zur Elimination deletärer Alloantikörper, einerseits<br />

zur präemptiven Alloantikörper-Depletion, auch Negativierung<br />

eines positiven Prä-Transplant-Crossmatches, andererseits<br />

zur Behandlung etablierter Antikörper-vermittelter<br />

Abstoßungskrisen. Während in mehreren Studien, zuletzt in<br />

einer von unserer Arbeitsgruppe initiierten kontrollierten<br />

Analyse, über hohe Reversionsraten akuter Abstoßungskrisen<br />

unter extrakorporaler Therapie berichtet wurde, steht<br />

der Nachweis einer Effizienz solcher Strategien bei chronischer<br />

Antikörper-vermittelter Abstoßung noch aus.


30<br />

AB0-inkompatible Nierentransplantation<br />

Dr. Jörg Beimler<br />

Nierenzentrum Heidelberg, Sektion <strong>Nephrologie</strong>, Medizinische Universitätsklinik Heidelberg<br />

Trotz einer Zunahme der Lebendnierentransplantationen<br />

müssen in Abhängigkeit der Blutgruppenverteilung verschiedener<br />

Populationen 20–30 % aller potenziellen<br />

Lebendnierenspender aufgrund einer AB0-Inkompatibilität<br />

abgelehnt werden. Aktuelle Behandlungsprotokolle sind jedoch<br />

in der Lage, die Transplantation eines AB0-inkompatiblen<br />

Organs zu ermöglichen.<br />

Alexandre et al. veröffentlichten 1987 eine erste Serie von 26<br />

AB0-inkompatiblen Nierentransplantationen nach Splenektomie,<br />

Radiatio des Transplantats und immunsuppressiver<br />

Therapie mit Steroiden, Cyclosporin, Azathioprin, Antithymozytenglobulin<br />

und Transfusions-Donor-spezifischen<br />

Dr.<br />

Jörg Beimler<br />

Thrombozyten. Die geringen Langzeitüberlebensraten<br />

haben damals<br />

einen weiteren Einsatz der AB0-inkompatiblen<br />

Transplantation verhindert.<br />

Aufgrund des Mangels an Verstorbenenspendern<br />

wurden die me<strong>ist</strong>en<br />

AB0-inkompatiblen Transplantationen<br />

bislang in Japan durchgeführt.<br />

Aktuell veröffentlichte Ergebnisse<br />

zeigten einen sehr guten Langzeitverlauf<br />

AB0-inkompatibler Lebendspendetransplantationen in<br />

Japan. Ähnlich erfolgreiche Verläufe konnten mit in Europa<br />

und den USA entwickelten Protokollen gezeigt werden.<br />

Drei Protokolle<br />

Im Verlauf der letzten Jahre wurden im Wesentlichen 3 Behandlungsprotokolle<br />

entwickelt, die erfolgreiche AB0-inkompatible<br />

Nierentransplantationen ermöglichen.<br />

Der europäische Weg: Die Entwicklung einer spezifischen<br />

Anti-A- oder Anti-B-Säule zur Immunadsorption (Glycosorb<br />

® ) und der Einsatz des monoklonalen Anti-CD20-Antikörpers<br />

(Rituximab) in verschiedenen Protokollen führten<br />

zur erfolgreichen Etablierung der AB0-inkompatiblen Nierentransplantation<br />

als Routineverfahren in verschiedenen europäischen<br />

Ländern. Die erste Serie AB0-inkompatibler Nierentransplantationen<br />

wurde von der Stockholmer Arbeitsgruppe<br />

veröffentlicht. 21 Patienten wurden mit dem so genannten<br />

„Stockholmer Protokoll“ erfolgreich behandelt, bestehend<br />

aus der einmaligen Gabe von Rituximab (375<br />

mg/m 2 ) 2–4 Wochen vor Beginn der Immunadsorption, gefolgt<br />

von einer konventionellen Tripletherapie mit Tacrolimus,<br />

Mycophenolat-Mofetil und Prednisolon 1 Woche vor<br />

Immunadsorption. Präoperativ wurden Antikörper mittels<br />

der spezifischen Anti-A/B-Glycosorb ® -Säule entfernt. Die<br />

Glycosorb ® -Säule, eine niedermolekulare Kohlenhydratsäule,<br />

enthält an eine Sepharosematrix gekoppelte Blutgruppenantigene<br />

(A oder B). Die Immunadsorption mit der<br />

Glycosorb ® -Säule besitzt eine hohe Effektivität, IgG- und<br />

IgM-Isoagglutinin-Titer können mit einer einzelnen Immunadsorption<br />

um etwa 2–3 Titerstufen reduziert werden.<br />

FOTOS: PICTUREDESK.COM


31<br />

Durchschnittlich waren 4 präoperative<br />

Immunadsorptionen erforderlich, um den<br />

unmittelbar vor Transplantation angestrebten<br />

AB0-Antikörpertiter von < 1:8 zu<br />

erreichen. Nach der letzten präoperativen<br />

Immunadsorption wurden zusätzlich intravenöse<br />

Immunoglobuline in einer Dosis<br />

von 0,5 g/kg verabreicht. Um in der frühen<br />

postoperativen Phase einen Rebound der<br />

Antikörper zu vermeiden, wurden durchschnittlich<br />

3 zusätzliche postoperative Immunadsorptionen<br />

durchgeführt. Über<br />

einen maximalen Beobachtungszeitraum<br />

von 4 Jahren wurden keine Behandlungsassoziierten<br />

Komplikationen beobachtet,<br />

die Serumkreatininwerte der Patienten<br />

lagen im Normbereich. Ein spätes Wiederauftreten<br />

der Isoagglutinine konnte nicht<br />

beobachtet werden. Ähnlich gute Ergebnisse<br />

konnten mit geringfügigen Adaptationen<br />

dieses Behandlungsprotokolls von<br />

anderen Zentren in Deutschland und<br />

Schweden gezeigt werden. Trotz der guten<br />

Verlaufsergebnisse müssen jedoch auch die<br />

zusätzlichen Kosten einer solchen Transplantation<br />

bedacht werden, die im Durchschnitt<br />

etwa 20.000 Euro ausmachen. Zusammengefasst<br />

wurden in den letzten 6<br />

Jahren bislang ca. 150 AB0-inkompatible<br />

Nierentransplantationen mit diesem Protokoll<br />

erfolgreich in Europa durchgeführt.<br />

Der japanische Weg: Takahashi et al. veröffentlichten<br />

die Verlaufsdaten von 494<br />

AB0-inkompatiblen Nierentransplantationen,<br />

die zwischen 1989 and 2001<br />

durchgeführt wurden. In diesem Zeitraum<br />

wurden neben einer Splenektomie verschiedene immunosuppressive<br />

Protokolle inklusive extrakorporaler Verfahren zur<br />

Entfernung von Isoagglutininen (präoperativer Titer < 1:8 bis<br />

1:16) eingesetzt. Die Splenektomie erfolgte aufgrund der<br />

Rolle der Milz in der Produktion von Isoagglutinen. Die immunosuppressive<br />

Tripletherapie basierte weitestgehend auf<br />

dem Einsatz von Calcineurininhibitoren, Steroiden und Antimetaboliten.<br />

Zentrumsabhängig wurden zusätzliche Immunsuppressiva<br />

wie Antilymphozytenglobuline, Deoxyspergualin<br />

oder Cyclophosphamid eingesetzt. Eine extrakorporale<br />

Entfernung von Antikörpern erfolgte postoperativ in der<br />

Regel nicht. Verglichen mit einer h<strong>ist</strong>orischen Gruppe von<br />

Lebendnierentransplantationen im gleichen Zeitraum (n =<br />

1.055) fanden sich trotz schlechterer Kurzzeitergebnisse (Abstoßungen<br />

18 %, mehr Infektionen) im Langzeitverlauf keine<br />

stat<strong>ist</strong>ischen Unterschiede. Seit 2001 haben sich die Ergebnisse<br />

mit einem Einjahres- bzw. Zweijahres-Transplantatüberleben<br />

von 96 % und 94 % nochmals deutlich verbessert.<br />

Diese Verbesserung könnte zumindest teilweise auf die Einführung<br />

neuerer Immunsuppressiva wie Mycophenolsäure<br />

und monoklonaler Anti-CD25-Antikörper zurückzuführen<br />

sein. Eine Splenektomie wurde viele Jahre als Bedingung für<br />

eine erfolgreiche AB0-inkompatible Transplantation angesehen,<br />

aber selbst mit Splenektomie konnten in einzelnen Fällen<br />

noch schwere Antikörper-vermittelte Abstoßungen beobachtet<br />

werden. Seit 2004 wurde in Japan ein verändertes<br />

Protokoll ohne Splenektomie eingeführt. Die Behandlung<br />

startet 4 Wochen vor geplanter Transplantation und umfasst<br />

die Doppelfiltrationsplasmapherese zur Antikörperelimination<br />

sowie die Gabe von Rituximab. Auf postoperative


32<br />

Apheresebehandlungen oder die Gabe intravenöser Immunglobuline<br />

wurde verzichtet.<br />

Der amerikanische Weg: An der Johns-Hopkins-Universität<br />

wurde ein eigenes Behandlungsprotokoll mit Einsatz von Plasmaaustausch,<br />

CMV-Hyperimmunglobulin (CMVIg) und<br />

Anti-CD20-Antikörper (Rituximab 375 mg/kg) etabliert, das<br />

AB0-inkompatible Nierentransplantationen ohne Splenektomie<br />

erlaubt. Dieses Behandlungsregime erfordert zumindest<br />

4 bis 5 präoperative Plasmaaustauschbehandlungen (präoperativer<br />

Titer < 1:16), im Anschluss an jede Behandlung erfolgt<br />

die Gabe von CMVIg in einer Dosis von 100 mg/kg. Danach<br />

wurde eine immunsuppressive Therapie mit Tacrolimus, Mycophenolat,<br />

Steroiden und Daclizumab begonnen. Postoperativ<br />

folgten zumindest 3 weitere Plasmapherese/CMVIg-Behandlungen.<br />

Das Fehlen humoraler Abstoßungen sowie eine<br />

stabile Langzeitfunktion des Transplantats zeigen auch hier<br />

das Potenzial von Behandlungsprotokollen, die an Stelle einer<br />

Splenektomie die Gabe von Rituximab beinhalten.<br />

Zur Diskussion<br />

Die Prävention einer hyperakuten Abstoßung in der unmittelbaren<br />

postoperativen Phase stellt den entscheidenden Faktor<br />

für den Erfolg einer AB0-inkompatiblen Nierentransplantation<br />

dar. Die aktuellen Behandlungsprotokolle ermöglichen<br />

dann auch nach Beendigung der extrakorporalen Antikörperelimination<br />

eine stabile und adäquate Langzeitfunktion<br />

des Transplantates, man spricht von einer Toleranzentwicklung<br />

(im Englischen „accomodation“) gegenüber dem<br />

AB0-inkompatiblen Transplantat. Der Begriff der „accommodation“<br />

wird definiert als Fehlen einer Antigen-Antikörper-Reaktion<br />

trotz „fremden“ Antigens auf vaskulären<br />

Endothelzellen des Transplantats und Antikörpern gegen die<br />

fremde Blutgruppe beim Transplantatempfänger.<br />

Immunadsorption vs. Plasmapherese: Behandlungsprotokolle<br />

in den USA und Japan unterscheiden sich von in Europa<br />

üblichen Therapieregimes, die statt klassischem Plasmaaustausch<br />

oder Doppelfiltrationsapherese Antigen-spezifische<br />

Immunadsorption zur Antikörperelimination einsetzen. Die<br />

Immunadsorption mit der Anti-A/B-spezifischen Glycosorb<br />

® -Säule stellt eine sehr effektive Methode zur Elimination<br />

von Blutgruppenantikörpern dar und vermeidet typische<br />

Nebenwirkungen der klassischen Plasmapherese wie Gerinnungsstörungen,<br />

Infektionsrisiko oder allergische Reaktionen<br />

auf Frischplasmagabe. Über die Rolle anderer Adsorptionstechniken<br />

wie z. B. der Protein-A- oder der Globaffin ® -Säule<br />

zur Elimination von Isoagglutininen kann derzeit nur spekuliert<br />

werden, die Protein-A-Säule wurde bereits bei kombinierter<br />

AB0-Inkompatibilität und HLA-Immunisierung erfolgreich<br />

eingesetzt.<br />

Die Frage nach dem Isoagglutinin-Titer, der eine Transplantation<br />

ohne die Gefahr einer humoralen Abstoßung erlaubt,<br />

bleibt derzeit offen. Auf der Basis der aktuellen immunsuppressiven<br />

Protokolle könnten Titer < 1:32 vor Transplantation<br />

ausreichend sein. Aufgrund technischer Details<br />

bestehen zwischen verschiedenen Zentren erhebliche Unterschiede<br />

in der Methodik und Reproduzierbarkeit von Titerbestimmungen.<br />

Ob nach Gabe eines Anti-CD20-Antikörpers überhaupt<br />

noch eine routinemäßige extrakorporale Antikörperelimination<br />

nach der Transplantation durchgeführt werden muss,<br />

kann nicht abschließend beurteilt werden. Erste Daten aus<br />

Japan und Deutschland zeigen auch ohne postoperative Plasmapheresen<br />

bzw. mit einer in Abhängigkeit des postoperativen<br />

Titerverlaufs bedarfsadaptierten Entscheidung zur<br />

Immunadsorption gute Funktionsergebnisse.<br />

Auch ohne Rituximab bzw. Splenektomie bei bestimmten<br />

Konstellationen: Eine B-Zell-ablative Therapie mit Rituximab<br />

hat den Einsatz der Splenektomie obsolet werden<br />

lassen. Inwieweit der Einsatz von Rituximab wirklich bei<br />

jedem Patienten erforderlich <strong>ist</strong>, wurde vereinzelt bereits in<br />

Frage gestellt. In einer aktuellen Serie der Johns-Hopkins-<br />

Universität wurden bereits erfolgreich 13 AB0-inkompatible<br />

Nierentransplantationen von Spendern mit Blutgruppe A1<br />

oder AB auf Empfänger mit Blutgruppe 0 ohne den Einsatz<br />

von Rituximab oder Splenektomie durchgeführt. ■<br />

Literatur beim Verfasser<br />

Die AB0-inkompatible Nierentransplantation bietet die Möglichkeit<br />

einer erfolgreichen Transplantation, sofern kein geeigneter<br />

Blutgruppen-kompatibler Lebendspender zur Verfügung<br />

steht. Das AB0-Blutgruppensystem stellt noch vor dem<br />

HLA-System die wichtigste immunologische Barriere bei der<br />

Transplantation dar, da Blutgruppenantigene nicht nur auf<br />

der Erythrozytenoberfläche, sondern auch im Gewebe und<br />

auf dem Gefäßendothel verschiedener Organe, einschließlich<br />

der Niere, exprimiert werden. Die Transplantation eines<br />

Organs mit der „falschen“ Blutgruppe kann ohne vorbereitende<br />

Maßnahmen somit zu einer schweren hyperakuten<br />

Antikörper-vermittelten Abstoßung führen.<br />

Zusammenfassend unterscheiden sich heute die Langzeitergebnisse<br />

der AB0-inkompatiblen Nierentransplantation mit<br />

den vorgestellten Behandlungsprotokollen nicht mehr signifikant<br />

von denen der Blutgruppen-kompatiblen Transplantation.


34<br />

Immunadsorption beim<br />

sytemischen Lupus erythematodes<br />

Dr. Georg Stummvoll<br />

Klinische Abteilung für Rheumatologie, Universitätsklinik für Innere Medizin III, Medizinische Universität Wien<br />

Zahlreiche Berichte sprechen für die Wirksamkeit der<br />

Immunadsorption zur direkten Antikörper-Entfernung<br />

bei Patienten mit schwerem, lebensbedrohlichem<br />

sytemischen Lupus erythematodes (SLE), bei denen die<br />

Therapie mit Cyclophosphamid kontraindiziert <strong>ist</strong> bzw.<br />

versagt hat, was insbesondere bei renaler Beteiligung der<br />

Fall sein kann.<br />

Klinik des SLE: Der systemische Lupus erythematodes<br />

(SLE) <strong>ist</strong> eine systemische Autoimmunerkrankung, gekennzeichnet<br />

durch eine variable Kombination von Allgemeinsymptomen,<br />

typischen Hautveränderungen, muskuloskeletalen<br />

Symptomen und potenziell lebensbedrohlichen Entzündungsprozessen<br />

in inneren Organen, besonders der Niere.<br />

Eine erhöhte Gerinnungsbereitschaft kann zu Thrombosen<br />

und Thromboembolien führen und <strong>ist</strong> oft schwierig von der<br />

primär entzündlichen Organbeteiligung beim SLE zu differenzieren.<br />

Epidemiologie des SLE: In europäischen Studien beträgt<br />

die Prävalenz zwischen 25 und 91 auf 100.000 Einwohner.<br />

Das Verhältnis Frauen zu Männern beträgt 10:1 und das<br />

Durchschnittsalter zu Krankheitsbeginn liegt bei 29 Jahren.<br />

Neben dem Geschlecht spielen genetische Faktoren, ethnische<br />

Zugehörigkeit und sozioökonomischer Status eine<br />

Rolle.<br />

Immunologische Besonderheiten des SLE: Obwohl die eigentliche<br />

Krankheitsursache bislang unbekannt <strong>ist</strong>, sind zahlreiche<br />

immunologische Auffälligkeiten bei SLE bekannt.<br />

Eine Reihe von Autoantikörpern (Auto-Ak) sind krankheitstypisch:<br />

Anti-H<strong>ist</strong>on-Ak lösen das LE-Zell-Phänomen aus,<br />

andere Auto-Ak binden an andere Teile der Chromatinstruktur,<br />

wie doppelsträngige DNA (dsDNA), aber auch an RNA<br />

(Sm, Ro, La, RA33) und Zelloberflächen bindende Proteine<br />

(Phospholipide, Erythrozyten, Thrombozyten) wurden<br />

nachgewiesen.<br />

Ein Teil dieser Auto-Ak <strong>ist</strong> pathogen, entweder direkt oder<br />

durch Formierung von Immunkomplexen, die sich im Gewebe<br />

ablagern und lokal für die Entzündung in verschiedenen<br />

Organen (Niere, Gelenke, Haut, Gefäßsystem) verantwortlich<br />

sind. Generell sind die<br />

me<strong>ist</strong>en Organmanifestationen eine<br />

Folge von (Immunkomplex-vermittelten)<br />

entzündlichen oder vaskulitischen<br />

Prozessen, eine Konsequenz<br />

der Abräumung Antikörper-beladener<br />

Zellen oder eine Folge thrombotischer<br />

Ereignisse im Rahmen<br />

einer gesteigerten Gerinnungsneigung.<br />

Dr.<br />

Georg Stummvoll<br />

Renaler SLE: Eine Nierenbeteiligung bei SLE tritt in Form<br />

einer Glomerulonephritis (GN) bei etwa 50 % der Patienten<br />

auf. Zur Standarddiagnostik gehören die Evaluation der<br />

Nierenfunktion, das Harnsediment und die Quantifizierung<br />

der Proteinurie. Die Nierenbiopsie <strong>ist</strong> der Goldstandard<br />

in der Diagnostik, die Klassifizierung <strong>ist</strong> jedoch Gegenstand<br />

intensiver Debatten, wobei die ursprüngliche<br />

WHO-Klassifikation mehrfach modifiziert wurde. Übersichtsmäßig<br />

unterscheidet man die mesangiale GN (Klasse<br />

II), die fokal-segmental (III), die diffus-proliferative GN<br />

(IV) und die membranöse GN (V) sowie ein sklerosiertes<br />

Stadium (Klasse VI). Die Art der Nephritis <strong>ist</strong> wesentlich<br />

von der Lokalisation der Immunkomplexe abhängig,<br />

Mischformen kommen allerdings vor. Die mesangiale und<br />

membranöse GN haben eine bessere Prognose im Vergleich<br />

zu proliferativen Formen (WHO III und IV). Bei der GN<br />

Klasse VI sind Interventionen in Hinblick auf die Nierenfunktion<br />

me<strong>ist</strong> ohne Erfolg, da bereits ein ausgedehnter fibrotischer<br />

Umbau des Organs bis hin zur Sklerose stattgefunden<br />

hat.<br />

Therapie des SLE: Cyclophosphamid intravenös (IVCP) <strong>ist</strong><br />

eine effektive Standardbehandlung für den schweren SLE mit<br />

Organbeteiligung, allerdings gibt es aber vor allem bei Patienten<br />

mit einer renalen Beteiligung auch „Therapieversager“.<br />

IVCP <strong>ist</strong> mit zahlreichen Nebenwirkungen verbunden, wie<br />

Leukopenie und erhöhtem Risiko für Malignome, Infektionen<br />

und Gonadendysfunktion. Weiters gibt es Patientenkollektive,<br />

bei denen der Einsatz von IVCP kontraindiziert <strong>ist</strong>,<br />

wie z. B. bei Schwangeren.


36<br />

Tabelle: Literatur zur Immunadsorption bei SLE<br />

Ligand Säule Pat. UntersuchteParameter Kommentar Literatur<br />

IgG Therasorb ® n = 16 Proteinurie, Aktivität, dsDNA renaler SLE G.H. Stummvoll, Ann Rheum Dis 2005<br />

n = 16 Infektionen, Aktivität, dsDNA SLE G.H. Stummvoll, Wien Klin Wo 2004<br />

n = 2 Ausgang der Schwangerschaft schwangere Pat. E. Dittrich, Kid Blood Press Res 2002<br />

mit akt. SLE<br />

n = 1 Proteinurie, dsDNA, renaler SLE und S. Schmaldienst, Am J Kid Dis 2002<br />

aktive TB!<br />

n = 2 Infektionen, dsDNA, IgG Effekt von IVIG, S. Schmaldienst, Rheumatology 2001<br />

SLE + andere<br />

Autoimmunerkr.<br />

Protein A Prosorba ® , n = 8 dsDNA, IgG SLE + andere Pat. N. Braun, Trans Sci 1998<br />

Immunosorba ®<br />

Dextran- Selesorb ® n = 1 Nierenfunktion GN IV C. Stefanutti, Bio Drugs 2005<br />

sulfat<br />

n = 1 klin. Besserung Hautvaskulitis N. Braun, Ther Apher 2002<br />

n = 19 SLEDAI, dsDNA SLE K. Suzuki, Ther Apher 2000<br />

n = 6 Proteinurie, renaler SLE K. Suzuki, Arthr Rheum 1991<br />

dsDNA, CIC<br />

n = 6 dsDNA, ACL, SLE H. Hashimoto, J Rheumatol 1991<br />

Phenyl- Immusorba ® n = 6 dsDNA, Proteinurie renaler SLE Sugimoto, Ther Apher Dial 2006<br />

alanin<br />

n = 50 Aktivität (SLAM) SLE M. Schneider, Ther Apher 1997<br />

n = 10 Aktivität, dsDNA SLE; vs. Gaubitz, J Autoimm 1998<br />

Therasorb-Säulen<br />

C 1q n = 8 Proteinurie, Nierenfunktion, F. Hiepe, Ther Apher 1999<br />

Arthritis, Haut<br />

Neben anderen therapeutischen Effekten reduziert IVCP die<br />

Autoantikörpersynthese, aber dieser Effekt braucht Zeit. Sehr<br />

früh kamen deshalb schon extrakorporale Therapieoptionen<br />

zum Einsatz, die bei Patienten mit lebensbedrohlichem SLE<br />

die Antikörper direkt entfernen. Die sehr unselektive Ak-Enfernung<br />

mittels Plasmaaustausch war jedoch in prospektiven<br />

Studien nicht effektiv. Zusäzlich war diese Methode, vor<br />

allem in Kombination mit IVCP, mit einer gesteigerten Anzahl<br />

von fatalen bakteriellen und viralen Infektionen verbunden.<br />

Die selektive Entfernung von Ak und Immunkomplexen<br />

mittels Immunadsorption (IAS) bietet hier einen eleganteren<br />

Ansatz.<br />

Datenlage zur Immunadsorption bei SLE<br />

Zahlreiche Berichte liegen zu Behandlungen von SLE-Patienten<br />

mit Immunadsorption vor, die me<strong>ist</strong>en als Fallbericht<br />

oder als kleinere Fallserien. Bisher wurde keine größere prospektive,<br />

randomisierte Studie publiziert. Kleine Fallzahlen<br />

mit verschiedenen Säulen und Techniken, unterschiedlicher<br />

Anzahl und Dauer der IAS-Sitzungen und unterschiedlichen<br />

Plasmavolumina machen allerdings eine generelle Aussage<br />

schwierig. Dennoch sind manche Aussagen gut zu belegen:<br />

Allen Berichten gemeinsam <strong>ist</strong> eine erfolgreiche Reduktion<br />

der Immunglobuline sowie der spezifischen AK wie<br />

dsDNA-Ak und Anti-Cardiolipin-Ak. Me<strong>ist</strong> kommt es auch<br />

zum Rückgang der generellen Krankheitsaktivität (Aktivitätsscores<br />

wie SIS, SLEDAI, SLAM) und der Proteinurie (Tab.).<br />

Dabei <strong>ist</strong> kritisch anzumerken, dass negative Fälle mit fehlendem<br />

Erfolg möglicherweise nicht berichtet wurden („report<br />

bias“).<br />

Eigene Erfahrungen mit Immunadsorption beim SLE<br />

IgG-Apherese: An unserer Klinik wurden SLE-Patienten mit<br />

dem Therasorb ® -System, Protein-A- und Globaffin ® -Säulen<br />

behandelt (6.000–8.000 ml Plasmavolumen pro IAS-Zyklus,<br />

2 Behandlungszyklen innerhalb von 3 Tagen im Abstand von<br />

2 bis 3 Wochen in der Erhaltungsphase, initial jedoch bis zu<br />

3 x pro Woche). Die Patienten wurden standardisiert beobachtet,<br />

was die h<strong>ist</strong>orisch prospektive Aufarbeitung der Ergebnisse<br />

erlaubte.


37<br />

10 -<br />

20 -<br />

600 -<br />

Proteinurie<br />

8 -<br />

6 -<br />

4 -<br />

2 -<br />

0 -<br />

6,7<br />

4,3<br />

2,5<br />

2,9<br />

0 3 6 12<br />

Aktivität<br />

15 -<br />

10 -<br />

5 -<br />

0 -<br />

15<br />

5<br />

4<br />

5<br />

0 3 6 12<br />

Monate<br />

Anti-dsDNA<br />

500 -<br />

400 -<br />

300 -<br />

200 -<br />

100 -<br />

0 -<br />

391<br />

146<br />

77 53<br />

0 3 6 12<br />

Abb.: Reduktion der Proteinurie, der Krankheitsaktivität und der Serum-dsDNA-Werte unter Langzeit-IAS<br />

FOTO: PICTUREDESK.COM<br />

Inzidenz von Infektionen: In Hinblick auf einige schlechte<br />

Erfahrungen mit der Plasmapherese bei SLE wurde auf die<br />

Beobachtung von Infektionen großer Wert gelegt. Es kam zu<br />

keiner wesentlichen Häufung von bakteriellen oder viralen<br />

Infektionen, was durch Ergebnisse einer prospektiven Studie<br />

unterstützt wird, die eine niedrige Zahl von Infektionen<br />

bei Patienten mit Autoimmunerkrankungen unter IAS beschreibt,<br />

wobei die zusätzliche Gabe von intravenösen Immunglobulinen<br />

(IVIG) hierbei kein entscheidender Faktor<br />

war. Darüber hinaus wurde ein Patient mit gleichzeitig bestehender<br />

aktiver Tuberkulose und aktiver Lupusnephritis<br />

(GN IV) erfolgreich mit IAS, ohne begleitende Immunsuppression,<br />

behandelt.<br />

Outcome bei renalem SLE: Eine Gruppe von 16 SLE-Patienten<br />

(IVCP unwirksam oder kontraindiziert) wurde in ein<br />

Behandlungsprotokoll mit IAS eingeschlossen. 14 der 16 Patienten<br />

(88 %) wurden erfolgreich behandelt, der Rest beendete<br />

das Protokoll vorzeitig. Nach 3 Monaten kam es in<br />

der Gesamtgruppe zu einer signifikanten Senkung der Proteinurie,<br />

der Krankheitsaktivität und der Anti-dsDNA-Antikörper<br />

(gemessen vor dem IAS-Zyklus). Patienten mit einer<br />

zumindest 20%igen Reduktion dieser Parameter wurden zu<br />

einer verlängerten Behandlung eingeladen, wobei nach weiteren<br />

9 Monaten IAS die erreichte Remission gehalten oder<br />

sogar verbessert werden konnte (Abb.). Infektionen und andere<br />

Nebenwirkungen waren auch in diesem Patientenkollektiv<br />

selten.<br />

■<br />

Literatur beim Verfasser<br />

Extrakorporale Therapieverfahren wie die Immunadsorption<br />

sind heute eine real<strong>ist</strong>ische Therapieoption bei schwerem,<br />

therapierefraktärem SLE oder aktivem SLE mit Kontraindikationen<br />

gegen Cyclophosphamid und MMF. Zahlreiche Berichte<br />

sprechen für die Wirksamkeit der IAS bei schwerem,<br />

lebensbedrohlichem SLE unter diesen Bedingungen. Ohne<br />

prospektive, randomisierte Studien <strong>ist</strong> jedoch eine definitive<br />

Aussage zum Wert der IAS beim SLE nicht zu treffen.


38<br />

Antikoagulation bei<br />

Plasmaaustausch und Immunadsorption<br />

Dr. Edith Doberer<br />

Abteilung für <strong>Nephrologie</strong> und Dialyse, Universitätsklinik für Innere Medizin III, Medizinische Universität Wien<br />

In dieser Übersicht sollen zunächst allgemein mögliche<br />

Antikoagulationsverfahren inklusive deren Vorteile und<br />

Nachteile diskutiert werden, in weiterer Folge werden<br />

diejenigen Antikoagulationsverfahren genauer vorgestellt,<br />

die an unserer Abteilung derzeit standardmäßig verwendet<br />

werden.<br />

Folgende Anforderungen werden an ein optimales Antikoagulationsverfahren<br />

gestellt:<br />

• idealerweise rein regionales Verfahren ohne systemische<br />

Antikoagulation zur Verminderung des Blutungsrisikos<br />

• hohe Effektivität hinsichtlich der Kosten und Laufzeiten<br />

des extrakorporalen Systems<br />

• einfache Anwendung, einfaches Monitoring<br />

• minimale Nebenwirkungsrate<br />

Systemische und<br />

regionale Antikoagulationsverfahren<br />

Die derzeit am häufigsten verwendeten Antikoagulationsverfahren<br />

kann man einteilen in systemische und regionale Verfahren:<br />

• systemische AK-Verfahren: unfraktioniertes Heparin<br />

(UFH), niedermolekulares Heparin (LMWH),<br />

Prostaglandine<br />

• regionale AK-Verfahren: Zitrat, Heparin-Protamin<br />

Unfraktioniertes Heparin: UFH galt lange Zeit als Standard<br />

der Antikoagulation bei extrakorporalen Therapieverfahren,<br />

wobei es in den letzten Jahren immer mehr durch LMWH<br />

abgelöst worden. Die Wirkung von Heparin besteht primär<br />

in der Hemmung von Thrombin (Faktor II) und Faktor X<br />

mit Hilfe von Antithrombin III. Die übliche Dosierung von<br />

UFH erfolgt durch Gabe eines Heparinbolus (1.000 IE) vor<br />

Behandlungsbeginn, gefolgt von einer kontinuierlichen Infusion<br />

mit einer Dosierung von 500–1.000 IE/h über die<br />

Dauer der extrakorporalen Therapie. Als Vorteil sind die trotz<br />

Niereninsuffizienz bestehende kurze Halbwertszeit und<br />

somit gegebene gute Steuerbarkeit, die niedrigen Kosten und<br />

weiters die Möglichkeit einer Antagonisierung bei Blutungskomplikationen<br />

durch die Gabe von Protamin zu nennen.<br />

Das größte Problem bei einer Antikoagulation<br />

mit UFH stellt die Gefahr<br />

einer heparininduzierten Thrombopenie<br />

(HIT) dar. Weitere Nachteile<br />

sind die negative Beeinflussung der<br />

Stoffwechsellage durch Aktivierung<br />

von Lipoproteinlipasen, das Auftreten<br />

von Osteoporose und Hyperaldosteronismus<br />

mit Hyperkaliämie.<br />

Dr.<br />

Edith Doberer<br />

Niedermolekulares Heparin: Niedermolekulares,<br />

fraktioniertes Heparin<br />

wirkt zusätzlich zur Thrombinhemmung über eine im<br />

Vergleich zu UFH deutlich stärkeren Anti-Faktor-X-Aktivität.<br />

Die Vorteile einer Antikoagulation mit LMWH im<br />

Vergleich zu UFH liegen in erster Linie in der geringeren<br />

Inzidenz von HIT, weiters sind Stoffwechselneutralität und<br />

höhere und konstantere Bioverfügbarkeit zu nennen. Die im<br />

Vergleich zu UFH deutlich längere Halbwertszeit von<br />

LMWH kann einerseits als vorteilhaft durch die Möglichkeit<br />

einer Bolusgabe zu Beginn der extrakorporalen Therapie<br />

gesehen werden, andererseits ergibt sich dadurch auch<br />

der Nachteil einer schlechteren Steuerbarkeit. Im Gegensatz<br />

zur kontinuierlichen Applikation von UFH kann<br />

LMWH als einzelner Bolus zu Beginn der extrakorporalen<br />

Therapie intravenös verabreicht werden. Auch die Überwachung<br />

einer Therapie mit LMWH <strong>ist</strong> durch Messung der<br />

Anti-Faktor-Xa-Aktivität möglich. Im Gegensatz zu UFH<br />

besteht allerdings nur eine eingeschränkte Möglichkeit, die<br />

Wirkung von LMWH durch die Gabe von Protamin zu antagonisieren.<br />

Prostaglandine: Die Protaglandine Prostacyclin (PGI 2 )<br />

und Prostaglandin E 1 bewirken eine potente, kurz wirksame<br />

(Halbwertszeit 2–3 Minuten) und reversible Hemmung der<br />

prokoagulatorischen Aktivität von Thrombozyten, ohne<br />

dabei Auswirkung auf die plasmatische Gerinnung zu<br />

haben. Aufgrund der fehlenden direkten Hemmung der plasmatischen<br />

Gerinnung <strong>ist</strong> die alleinige antithrombotische<br />

Therapie mit Prostaglandinen ungenügend, sodass diese<br />

me<strong>ist</strong> in Kombination mit niedrig dosiertem UFH oder


40<br />

LMWH verwendet werden. Prostaglandine sollen nicht systemisch,<br />

sondern kontinuierlich extrakorporal verabreicht<br />

werden. Als Nachteile dieser Form der Antikoagulation sind<br />

einerseits die Nebenwirkungen (Hypotonie, Kopfschmerz<br />

und Flush) sowie der hohe Preis zu nennen. Auf eine Konditionierung<br />

des Patienten mit intravenöser Infusion von<br />

Prostaglandinen soll bei Patienten mit instabiler Kreislaufsituation<br />

verzichtet werden.<br />

Regionale Zitrat-Antikoagulation: Da die Zitrat-Antikoagulation<br />

eine wesentliche Rolle als Antikoagulationsverfahren<br />

bei Plasmaaustausch sowie Immunadsorption spielt,<br />

wird auf diese Form der Antikoagulation etwas genauer eingegangen.<br />

Primäre Indikation für eine Zitrat-Antikoagulation<br />

stellt der blutungsgefährdete Patient dar. Die antikoagulatorische<br />

Wirkung von Zitrat basiert auf der Chelatierung<br />

von Kalzium. Durch die Bindung von Kalzium kommt<br />

es nicht nur zu einer Inhibierung der plasmatischen Gerinnungskaskade,<br />

zusätzlich kommt es zu einer verminderten<br />

Aktivierung von Thrombozyten, Granulozyten sowie des<br />

Komplementsystems. Als Zielwert <strong>ist</strong> hierbei ein ionisierter<br />

Kalziumwert < 0,3 mmol/l im extrakorporalen System anzustreben,<br />

darunter <strong>ist</strong> eine optimale Antikoagulation gewährle<strong>ist</strong>et.<br />

Vor Rückinfusion des Blutes muss die Wirkung<br />

von Zitrat durch Infusion von Kalzium antagonisiert werden.<br />

Die Menge des zu infundierenden Kalziums richtet sich<br />

nach der Konzentration des systemischen, ionisierten Kalziums,<br />

das stets im Normbereich gehalten werden muss. Zu<br />

beachten <strong>ist</strong> allerdings, dass Zitrat als Chelatbildner auch<br />

Komplexe mit Magnesium bildet, sodass Magnesium speziell<br />

bei kontinuierlichen extrakorporalen Verfahren (z. B.<br />

Hämofiltration) ebenfalls substituiert werden sollte. Die Nebenwirkungen<br />

einer Zitrat-Antikoagulation sind durch den<br />

systemischen Metabolismus von Zitrat zu erklären. Zitrat<br />

wird größtenteils in der Leber zu Bicarbonat metabolisiert.<br />

Somit kann es zu Ausbildung einer metabolischen Alkalose<br />

kommen, die allerdings beispielsweise durch die Zugabe von<br />

„saureren Salzen“ der Zitronensäure (z. B. Zusammensetzung<br />

von ACD-A) minimiert werden kann. Nicht zu vernachlässigen<br />

<strong>ist</strong> auch die Natriumbelastung, da Zitrat me<strong>ist</strong><br />

als Trinatriumzitrat verwendet wird. Speziell bei Patienten<br />

mit akutem Leberversagen, aber auch bei Patienten mit<br />

chronischer Leberzirrhose kann es durch einen verzögerten<br />

Metabolismus von Zitrat zu einer Zitrat-Akkumulation<br />

kommen, die durch eine metabole Azidose mit großer Anionenlücke<br />

sowie eine Erhöhung des Verhältnisses von Gesamtkalzium<br />

zu ionisiertem Kalzium allerdings frühzeitig erkannt<br />

werden kann. Die Durchführung einer Zitrat-Antikoagulation<br />

<strong>ist</strong> zwar technisch etwas aufwändiger, durch optimale<br />

Filterlaufzeiten und somit Kosten- und Therapieeffizienz<br />

wird diese Form der Antikoagulation allerdings in<br />

den letzten Jahren immer attraktiver.<br />

Heparin-Protamin: Diese Form der Antikoagulation stellt<br />

eine Alternative zur regionalen Antikoagulation mit Zitrat<br />

dar und hat sich speziell in der Anwendung bei Immunadsorption<br />

bewährt. Die extrakorporale Wirkung von UFH<br />

wird durch Zugabe von Protamin vor Rückinfusion des Blutes<br />

antagonisiert. Protamin bildet Komplexe mit Heparin<br />

und führt so zu einer Neutralisierung der antikoagulatorischen<br />

Aktivität von Heparin. Besonders wichtig <strong>ist</strong> hier die<br />

richtige Dosierung von Protamin, um eine Überdosierung<br />

von Protamin zu vermeiden. Als Nachteile dieses Antikoagulationsverfahrens<br />

sind die unterschiedlichen Halbwertszeiten<br />

von Heparin und Protamin zu erwähnen, weiters auch<br />

die Möglichkeit von anaphylaktischen Reaktionen auf Protamin.


41<br />

FOTOS: PICTUREDESK.COM<br />

Antikoagulation bei Plasmaaustausch<br />

Zitrat: An unserer Abteilung erfolgt die Antikoagulation bei<br />

Plasmaaustausch mit Zitrat, und zwar in Form von ACD-A.<br />

Die Dosierung von Zitrat richtet sich nach dem Hämatokrit<br />

und wird individuell bei jeder Behandlung adaptiert. Die rein<br />

extrakorporale Wirkung <strong>ist</strong> hier der Hauptgrund für die<br />

Wahl von Zitrat. Aber bei Behandlungen über periphere<br />

Venen kann es durch kurzfr<strong>ist</strong>ige Blutpumpenstillstände zu<br />

akzidenteller Bolusgabe von Kalzium kommen, die von einigen<br />

Patienten zwar als unangenehm empfunden werden<br />

(periorale Parästhesien), allerdings üblicherweise zu keinen<br />

weiteren Komplikationen führen.<br />

LMWH: Im Gegensatz zu Heparin und Zitrat findet man<br />

in der Literatur nur vereinzelt Berichte über die Anwendung<br />

von LMWH als Antikoagulation bei Plasmaaustausch,<br />

wobei als Ursache dafür die im Vergleich zu Heparin durch<br />

die längere Halbwertszeit bedingte etwas schlechtere Steuerbarkeit<br />

zu sehen <strong>ist</strong>. Auch die Heterogenität der verschiedenen<br />

LMW-Heparine lässt keine generellen Empfehlungen für<br />

die genaue Dosierung von LMWH zu. Eine rezente Arbeit<br />

hat eine Dalteparin-Antikoagulation bei Plasmaaustausch untersucht<br />

und hat trotz hoher Anti-Xa-Spiegel kein erhöhtes<br />

Blutungsrisiko beschrieben<br />

Antikoagulation bei Immunadsorption<br />

Aufgrund der hohen Kosten dieser Therapie nimmt hier die<br />

adäquate und suffiziente Antikoagulation einen großen Stellenwert<br />

ein.<br />

Zitrat plus UFH: Eine rein zitratbasierte Antikoagulation <strong>ist</strong><br />

hierfür nicht untersucht und wahrscheinlich nicht ausreichend,<br />

sodass an unserer Abteilung bei nicht-blutungsgefährdeten<br />

Patienten zusätzlich zu Zitrat unfraktioniertes Heparin<br />

(Heparin-Bolus 2.000 IE; 1.500 IE/h kontinuierlich) verabreicht<br />

wird. Im extrakorporalen System sollte dabei ein<br />

Zielwert des ionisierten Kalziums < 0,3 mmol/l angstrebt<br />

werden und somit bei Werten > 0,3 mmol/l die Zitratinfusion<br />

erhöht werden. Bei Patienten mit erhöhter Blutungsgefahr,<br />

beispielsweise bei Hemmkörperhämophilie oder bei Patienten<br />

unmittelbar postoperativ, kann eine Zitrat-Antikoagulation<br />

in Kombination mit einer regionalen Heparin-Antikoagulation<br />

(Heparin-Antagonisierung mit Protamin:<br />

kein Heparin-Bolus; 1.500 IE UFH/h; 1.125 IE<br />

Protamin/h) durchgeführt werden. Wie oben beschrieben<br />

gibt es hierzu gute und erfolgreiche Erfahrungen an unserer<br />

Abteilung. Alternativ kann auch eine reine Zitrat-Antikoagulation<br />

mit einem höheren ACD-A-Mischungsverhältnis<br />

durchgeführt werden, wobei es hierfür keine Langzeitdaten<br />

hinsichtlich der Säulenqualität gibt.<br />

LMWH oder Prostaglandine: Auch bezüglich einer Antikoagulation<br />

mit LMWH oder Prostaglandinen findet man<br />

für die Immunadsorption nur wenige Studien. Hinsichtlich<br />

LMWH gilt auch oben Genanntes bezüglich der reduzierten<br />

Steuerbarkeit, wobei dies im Fall einer Immunadsorption<br />

aufgrund der sehr hohen Kosten von entscheidenderer Bedeutung<br />

<strong>ist</strong>. Aufgrund der hohen Kosten, des gegebenen Nebenwirkungsprofils<br />

(siehe oben) und des Vorhandenseins von<br />

guten Erfahrungen mit Alternativsubstanzen dürften Prostaglandine<br />

bislang bei der Immunadsorption nur eine geringe<br />

Rolle spielen.<br />

■<br />

Literatur beim Verfasser<br />

Der Wahl eines geeigneten Antikoagulationsverfahrens<br />

kommt genauso wie bei extrakorporalen Nierenersatzverfahren<br />

auch bei Plasmaaustausch und Immunadsoprtion ein<br />

großer Stellenwert zu, da nur durch adäquate Antikoagulation<br />

die Effektivität der Behandlung gewährle<strong>ist</strong>et <strong>ist</strong>.


42<br />

Immunadsorption und<br />

Plasmaaustausch in der Schwangerschaft<br />

Dr. Elisabeth Dittrich<br />

Klinische Abteilung für <strong>Nephrologie</strong> und Dialyse, Klinik für Innere Medizin III, Medizinische Universität Wien<br />

Während einer Schwangerschaft können sich sowohl<br />

Autoimmunerkrankungen als auch hyperlipidämische<br />

Stoffwechselstörungen manifestieren oder exazerbieren.<br />

Bedingt durch die Toxizität und die mögliche Teratogenität<br />

verschiedener Medikamente sind die therapeutischen<br />

Möglichkeiten bei schwangeren Frauen eingeschränkt,<br />

was durchaus mit einer erhöhten Morbidität und<br />

Mortalität für Mutter und Kind vergesellschaftet sein kann.<br />

Die familiäre Hyperlipidämie, der sytemische Lupus erythematodes<br />

(SLE) und der Gestations-Pemphigus sind Erkrankungen,<br />

bei denen bislang eine kleine Anzahl an Berichten<br />

über den Einsatz von Immunadsorption in der Schwangerschaft<br />

vorliegt. Eine weitere Indikation könnte die peripartale<br />

Kardiomyopathie sein, bei deren Genese neben viralen<br />

Faktoren auch autoimmunologische Prozesse als ursächlich<br />

erachtet werden. Allerdings gibt es bei dieser Erkrankung bis<br />

dato nur geringe publizierte klinischen Erfahrungen mit Immunadsorption.<br />

Hypertriglyzeridämie<br />

Bei schwangeren Frauen mit familiärer Hyperlipidämie kann<br />

es im Verlauf der Schwangerschaft zu einem kritischen Anstieg<br />

der Triglyzeride auf über 1.000 mg/dl kommen, da für<br />

die me<strong>ist</strong>en lipidsenkenden Medikamente keine Untersuchungen<br />

bei Schwangeren vorliegen und deshalb diese Therapien<br />

mit Beginn der Schwangerschaft abgesetzt werden.<br />

Triglyzeridwerten über 1.000 mg/dl kommt eine enorme Bedeutung<br />

bei der Entstehung und der Verschlechterung der<br />

Triglyzerid-assoziierten Pankreatitis zu, da zirkulierende<br />

Triglyzeride laufend zu einer Schädigung des Pankreasgewebes<br />

führen. Unbehandelt verläuft die Pankreatitis in der<br />

Schwangerschaft in bis zu 20 % der Fälle letal für die Mutter.<br />

Anzumerken <strong>ist</strong>, dass die herkömmlichen therapeutischen<br />

Maßnahmen wie Heparin, Insulin und dietätische Einschränkungen<br />

me<strong>ist</strong>ens nicht effektiv genug sind.<br />

Mit einem einzigen Plasmaaustausch können die Triglyzeride<br />

um bis zu 50 % reduziert werden, es kommt allerdings<br />

ohne Applikation von lipidsenkenden Medikamenten zu<br />

einem raschen neuerlichen Anstieg<br />

der Triglyzeride in den kritischen Bereich.<br />

Aus diesem Grund sind wiederholte<br />

Behandlungen in kurzen Abständen<br />

notwendig. Durch den Plasmaaustausch<br />

werden aber nicht nur<br />

pathogene Substanzen, sondern auch<br />

essenzielle Proteine wie z. B. Gerinnungsfaktoren<br />

entfernt, sodass<br />

Frischplasma substituiert werden<br />

muss, um Blutungskomplikationen zu<br />

vermeiden. Dies kann mit allergischen<br />

Dr.<br />

Elisabeth Dittrich<br />

Reaktionen vergesellschaftet sein und birgt das Risiko der<br />

Übertragung viraler Erkrankungen.<br />

Durch den Einsatz der LDL-Immunadsorption können<br />

Triglyzeridwerte um über 30 % reduziert werden, es können<br />

die Behandlungen auch in kurzen Intervallen durchgeführt<br />

werden, ohne dass die Substitution von Frischplasma notwendig<br />

<strong>ist</strong>. Ab einer Behandlungsanzahl von 12 <strong>ist</strong> die Immunadsorption<br />

auch kostengünstiger als der Plasmaaustausch,<br />

da bei der Adsorption wiederverwendbare Säulensysteme<br />

verwendet werden.<br />

Aus unserem Zentrum wurden die Daten von 4 Schwangerschaften<br />

publiziert, die kompliziert waren durch ausgeprägte<br />

Hypertriglyzeridämie (TG > 2.000 mg/dl). Eine Frau wurde<br />

während 2 hintereinander folgender Schwangerschaften behandelt.<br />

2 der 3 betroffenen Frauen hatten bereits eine peripartale<br />

Hypertriglyzeridämie-induzierte Pankreatitis durchgemacht.<br />

Insgesamt wurden 40 Adsorptionsbehandlungen, 6 isolierte<br />

Plasmaaustauschbehandlungen und 36 kombinierte Behandlungen<br />

(initialer Plasmaaustausch, gefolgt von Adsorptionsbehandlung)<br />

in den 4 Schwangerschaften durchgeführt. Die Behandlungen<br />

verliefen komplikationslos, es kamen 4 gesunde<br />

Neugeborene zur Welt (Geburtsgewicht 2.250–3.360 g).<br />

Systemischer Lupus erythematodes (SLE)<br />

Wie bei vielen anderen Autoimmunprozessen kann es auch<br />

beim SLE während der Schwangerschaft zu einer Verschlech-


terung der klinischen Situation kommen. Neben dem Risiko<br />

für die Mutter besteht auch ein enormes Risiko für den Feten<br />

(Wachstumsretardierung und intrauteriner Fruchttod). Die<br />

bis dato etablierten Therapiemöglichkeiten sind in der<br />

Schwangerschaft deutlich limitiert, und viele der Schübe verlaufen<br />

nicht-steroidsensibel. Standardtherapien wie zytotoxische<br />

Substanzen (Cyclophosphamid) und moderne Proliferationshemmer<br />

(Mycophenolat-Mofetil) sind in der<br />

Schwangerschaft kontraindiziert oder nicht zugelassen.<br />

FOTO: BILDERBOX<br />

Immunadsorption an unserem Zentrum: Die Immunadsorption<br />

beim SLE <strong>ist</strong> vor allem bei schweren Verläufen eine<br />

Therapieoption (siehe Beitrag von Dr. Stummvoll). Eine<br />

Reihe von schwangeren Frauen mit Exazerbation ihrer Grunderkrankung<br />

(SLE) konnte an unserem Zentrum zum Teil<br />

erfolgreich mittels Immunadsorption behandelt werden. Die<br />

Hälfte der Schwangerschaften verlief erfolgreich mit der Geburt<br />

eines gesunden Neugeborenen (1-mal Zwillinge). Die<br />

Behandlungen wurden alle 3 bis 10 Tage je nach klinischer<br />

und immunologischer Aktivität des SLE durchgeführt. Die<br />

Immunadsorptionen erfolgten über periphere Venen und<br />

ohne hämodynamische oder infektiologische Nebenwirkungen<br />

für die schwangeren Frauen.<br />

Immunadsorption bei Anti-Ro/SSA-Antikörpern: Eine<br />

seltene Indikation für die Immunadsorption <strong>ist</strong> die Anti-<br />

Ro/SSA-Antikörper-positive Schwangere. Hier kann es zu<br />

einem kompletten kongenitalen AV-Block, fetaler Myokarditis,<br />

fetalem Hydrops sowie auch zum intrauterinen<br />

Fruchttod kommen. In dieser Behandlungsindikation ex<strong>ist</strong>ieren<br />

einzelne Fallberichte mit durchaus positivem Einfluss der<br />

Immunadsorption auf das kindliche Outcome mit sogar zum<br />

Teil Verhinderung der Schrittmacherpflichtigkeit des Neugeborenen.<br />

Gestations-Pemphigus<br />

Der Pemphigus vulgaris <strong>ist</strong> eine Autoimmunerkrankung, bei<br />

der es durch verschiedene zirkulierende und gewebsgebundene<br />

Antikörper zu einer Blasenbildung der Haut kommt.<br />

Typischerweise tritt diese Erkrankung ab der 5. Dekade auf,<br />

findet sich jedoch vereinzelt auch früher und kann sich vor<br />

allem aber auch in der Schwangerschaft manifestieren. Der<br />

so genannte Gestations-Pemphigus spricht häufig nicht suffizient<br />

auf eine hochdosierte Steroidtherapie an. Andere immunsuppressive<br />

Therapien sind ähnlich wie beim SLE in der<br />

Schwangerschaft kontraindiziert.<br />

Plasmaaustausch: Bedingt durch die exzellenten Erfahrungen<br />

beim therapieres<strong>ist</strong>enten Pemphigus bei nicht-schwangeren<br />

Patienten wurde auch der Weg der extrakorporalen Autoantikörperentfernung<br />

bei schwangeren Frauen eingeschlagen.<br />

In der Literatur finden sich nur vereinzelte, aber positive<br />

Berichte über den Einsatz des Plasmaaustausches in dieser<br />

Indikation. Da aber vor allem in den letzten Wochen der<br />

Schwangerschaft hochfrequente Behandlungen (bis zu 3-mal<br />

pro Woche) notwendig sind, kann es beim Plasmaaustausch<br />

zu Gerinnungsstörungen sowie Sensibilisieruns- und Infektionsproblemen<br />

durch die Gabe von Frischplasma kommen.<br />

Durch den Einsatz der Immunadsorption kann die Frequenz<br />

der Behandlungen ohne das Risiko einer Fremdplasmaverabreichung<br />

deutlich erhöht werden.<br />

Auch bei in Wien behandelten Schwangeren konnte mittels<br />

Immunadsorption der Krankheitsverlauf bei Gestations-Pemphigus<br />

positiv beeinflusst werden. Dabei kam es zu einem befriedigenden<br />

Abheilen der kutanen Läsionen und damit auch<br />

zu einem drastischen Rückgang der Schmerzen. Erfreulicherweise<br />

kam es auch unter strikter Fortführung der Therapie<br />

zu keiner wesentlichen Neubildung von bullösen Veränderungen.<br />

■<br />

Literatur beim Verfasser<br />

Sowohl präex<strong>ist</strong>ente Fettstoffwechselstörungen als auch<br />

Autoimmunerkrankungen können sich während einer<br />

Schwangerschaft erstmalig manifestieren oder mit schweren<br />

Schüben zeichnen. Eine Reihe von so genannten Standard-Therapien<br />

bei nicht-schwangeren Patienten können im<br />

Fall einer Schwangerschaft nicht eingesetzt werden. Das<br />

Auftreten der Erkrankung <strong>ist</strong> mit einer hohen Mortalität für<br />

Mutter und Kind vergesellschaftet. Der Einsatz von Plasmaaustausch<br />

und/oder Immunadsorption erwies sich bei<br />

schwangeren Frauen als nebenwirkungsarm und hämodynamisch<br />

unproblematisch. Die Krankheitsverläufe konnten in<br />

der Mehrzahl der Fälle positiv beeinflusst werden.


44<br />

Die erworbene Hemmkörper-Hämophilie<br />

OA Dr. Heike Zeitler<br />

Leiterin des Zentrums für therapeutische Apherese und Autoimmunität, Medizinische Poliklinik, Universitätsklinik Bonn<br />

Bei der erworbenen Hemmkörperhämophilie handelt es<br />

sich um eine seltene Autoimmunerkrankung (Inzidenz<br />

d1–4 x 10 –6 ), bei der Autoantikörper (Auto-AK) gegen<br />

Gerinnungsfaktoren primär gerinnungsgesunder Patienten<br />

einen hämophilen Gerinnungsstatus induzieren.<br />

Bei den Auto-AK handelt es sich me<strong>ist</strong>ens um einen Antikörper-Subklassentyp<br />

IgG I und IV. Die me<strong>ist</strong>en Auto-AK<br />

sind gegen den Faktor VIII gerichtet, aber auch Faktor-V-Antikörper<br />

und Faktor-IV-Antikörper sind publiziert worden.<br />

Symptomatologie: Die Klinik zeigt me<strong>ist</strong> massive Weichteileinblutungen<br />

sowie Blutung im Bereich des Magen-Darmund<br />

Respirationstraktes. Einblutungen in die Gelenke finden<br />

sich im Gegensatz zur hereditären Hämophilie eher selten.<br />

Unbehandelt liegt die Mortalität bei diesem Krankheitsbild<br />

zwischen 22 und 25 %. Obwohl die Inzidenz gering <strong>ist</strong>,<br />

können die Therapiekosten bezüglich der lang anhaltenden<br />

hoch dosierten Faktorsubstitution immens sein. Laborchemisch<br />

auffallend <strong>ist</strong> initial eine deutliche Verlängerung der<br />

PTT. Die weitere Diagnostik bei entsprechender Klinik erfolgt<br />

dann über den Nachweis der Faktor-VIII-Aktivität, die<br />

deutlich vermindert oder < 1 % sein kann. Der unmittelbare<br />

Antikörpernachweis erfolgt im Bethesda-Assay. Bei ca. 33 %<br />

der Patienten liegt eine weitere Autoimmunerkrankung vor,<br />

in ca. 12 % der Fälle findet sich eine Koinzidenz mit Malignomen.<br />

Konventionelle Therapien<br />

OA Dr.<br />

Heike Zeitler<br />

Die derzeitigen konventionellen Therapieregime umfassen<br />

die Hochdosis-Faktor-VIII-Therapie (100 IE/kg KG) sowie<br />

den Einsatz von Schweine-Faktor-VIII. Hierbei kann es aufgrund<br />

einer Inhibitorkreuzreaktivität zur Therapieineffektivität<br />

kommen.<br />

Weiters <strong>ist</strong> der Einsatz von „Bypassing Factors“, wie z. B. aktiviertem<br />

Prothrombinkomplex und rekombinantem Faktor<br />

VIIa, im akuten Blutungsereignis sinnvoll. Allerdings wird<br />

hierdurch keine Immuntoleranz induziert.<br />

Umfangreiche Therapieversuche wurden mit Immunsuppressiva,<br />

Steroiden und Cyclophosphamid insbesondere bei niedrigtitrigen<br />

Antikörpern (< 5 Bethesda)<br />

durchgeführt.<br />

Eine neuere Therapiestrategie <strong>ist</strong> der<br />

Einsatz von CD20-Antikörpern. Auch<br />

hier scheint insbesondere bei hochtitrigen<br />

Antikörpern (> 5 Bethesda) nur<br />

eine bedingte Induktion einer Immuntoleranz<br />

möglich zu sein.<br />

Response: Die Angabe über komplette<br />

Responseraten variiert zwischen<br />

25 % und 82 %. Ein Vergleich der Fallstudien bezüglich<br />

Kosten-Nutzen-Effizienz <strong>ist</strong> bei fehlenden Angaben über<br />

Menge, Art und Dauer der Faktor-Substitution im Blutungsevent<br />

sowie Schwere und Anzahl der Blutungsereignisse nicht<br />

möglich.<br />

Prognose: Die von 2003 erhobene Meta-Analyse von Delgado<br />

zeigte, dass die Prognose der erworbenen Hemmkörperhämophilie<br />

im Wesentlichen vom Erreichen des kompletten<br />

Remissionsstatus, dem Patientenalter und der Dauer der<br />

immunsuppressiven Therapie abhängt. Derzeit versterben<br />

15 % der Patienten an den Nebenwirkungen der Langzeit-<br />

Immunsuppression und nicht an Blutungen.<br />

MBMP (modifiziertes Bonn-Malmö-Protokoll)<br />

In Bonn wurde ab 1996 das Malmö-Protokoll (Nielsen und<br />

Freiburghaus, 1995), das zur Therapie von Faktor-VIII-Auto-<br />

AK, die im Rahmen der Hämophilie-A-Substitutionstherapie<br />

aufgetreten sind, für die Therapie der Hemmkörperhämophilie<br />

modifiziert. Es besteht aus:<br />

• 1. Immunadsorption: Tag 1–5 IgG-Depletion des<br />

2–3-fachen Plasmavolumens<br />

• 2. Substitution von Immunglobulinen: Tag 5–7<br />

0,3 g/kg KG pro Tag<br />

• 3. Faktor-VIII-Substitution ab Tag 1: initiale Dosis<br />

100 IE/kg KG, bei BMI > 30 200 IE F VIII/kg KG alle<br />

6 Stunden, Dosisreduktion bei 50–80 % Restaktivität<br />

nach 4–6 Stunden um 20 % der Vortagsdosis<br />

• 4. Immunsuppressive Therapie ab Tag 1 mit Prednisolon


45<br />

1 mg/kg KG und Cyclophosphamid 2 mg/kg KG bis zur<br />

kompletten Remission<br />

Die angegebenen Therapiezyklen werden bis zur kompletten<br />

Remission wiederholt. Diese <strong>ist</strong> definiert als dauerhafte<br />

Hemmkörperelimination mit normalen Faktor-VIII-Werten<br />

– ohne Substitution zwischen 70 und 100 % für einen Follow-up<br />

von mind. 12 Monaten. Die partielle Remission <strong>ist</strong><br />

definiert als Faktor-VIII-Anstieg unter Substitution auf mindestens<br />

30 % und/oder einem Inhibitortiter von < 5 Bethesda-Einheiten.<br />

Ergebnisse: In unserem Zentrum wurden insgesamt 51<br />

Hemmkörper-Patienten diagnostiziert und therapiert. Initial<br />

wurde bei 45 Patienten das MBMP-Protokoll durchgeführt.<br />

Von Januar 1993 bis Februar 1996 wurden insgesamt 6 Patienten<br />

initial ausschließlich konservativ behandelt mit: Cyclophosphamid<br />

(n = 6), Kortison (n = 6), intravenöse Immunglobuline<br />

(n = 6), Azathioprin (n = 4), Vincr<strong>ist</strong>in (n =<br />

1), FEIBA (n = 2), Faktor-VIII-Substitution (n = 6). Von diesen<br />

6 Patienten wurden 3 Patienten sekundär nach dem<br />

MBMP therapiert. Bei unserem Kollektiv handelt es sich ausschließlich<br />

um Patienten mit hochtitrigen Inhibitoren und<br />

lebensbedrohlichen Blutungen. Der mittlere Inhibitorwert<br />

lag bei 343 BU/ml (Range 6–3.600). Das Durchschnittsalter<br />

lag bei 61 Jahren. Bei den Blutungstypen handelt es sich<br />

fast ausschließlich um Weichteileinblutungen. 4 Patienten<br />

entwickelten ein Kompartmentsyndrom, 3 Patienten hatten<br />

retropharyngeale Blutungen und mussten intubiert werden.<br />

Retroperitoneale Blutungen traten bei 4 Patienten auf und<br />

1 Patient hatte eine renale Blutung. Unter MBMP kommt<br />

es zu einem Inhibitorabfall im Schnitt nach 2–3 Apheresetagen<br />

und einer Faktor-VIII-Recovery von 3–5 % ab dem 3.<br />

bis 4. Therapietag. Es folgt danach eine Steady-State-Phase,<br />

wo weiterhin Inhibitor aus der Zirkulation entfernt wird und<br />

eine hoch dosierte Faktor-VIII-Substitution erforderlich <strong>ist</strong>.<br />

In der 3. Phase kommt es dann zu einem raschen Anstieg des<br />

Faktor-VIII-Recovery auf hochnormale Werte, danach werden<br />

zuerst die Faktor-VIII-Substitution und anschließend die<br />

Apheresetherapie ausgeschlichen. Die durchschnittliche<br />

Hemmkörpereliminationszeit lag im Median bei 3 Tagen<br />

(Range: 3–7), die durchschnittliche Dauer der Faktor-VIII-<br />

Substitution lag bei 13 Tagen (Range: 10–16), die durchschnittlich<br />

Apheresedauer lag bei 15 Tagen (Range: 13–17).<br />

Bei 2 Patienten musste die Therapie wegen Begleiterkrankungen<br />

abgebrochen werden, 46 Patienten beendeten das<br />

MBMP. Von diesen Patienten erreichten 43 eine komplette<br />

Remission, bei 3 Patienten wurde eine partielle Remission erreicht.<br />

Bei diesen Patienten wurde ein Malignom während der<br />

MBMP-Therapie diagnostiziert und der Hemmkörper <strong>ist</strong><br />

somit als ein paraneoplastisches Syndrom zu sehen. ■<br />

Nach der Initiierung von MBMP bei der akuten Hemmkörperhämophilie<br />

s<strong>ist</strong>iert die Blutung innerhalb von 24–48 Stunden.<br />

Es wird eine schnelle und sichere Inhibitor-Elimination mit<br />

einer Langzeitremission erreicht. Die konsequente Inhibitor-<br />

Elimination erlaubt eine schnelle Reduktion der Substitution<br />

mit Gerinnungspräparaten und reduziert damit die Therapiekosten<br />

deutlich. Grundsätzlich muss differenzialdiagnostisch<br />

bei älteren Patienten mit Hemmkörperhämophilie auch an ein<br />

paraneoplastisches Syndrom gedacht werden, hier <strong>ist</strong> ggf.<br />

eine Hemmkörper-Eliminierung nur im Rahmen der Tumortherapie<br />

möglich.


46<br />

ENGE KLINISCHE VERWANDTSCHAFT MIT HÄMOLYTISCH-URÄMISCHEM SYNDROM<br />

Thrombotisch-thrombozytopenische Purpura<br />

ao. Univ.-Prof. Dr. Paul Knöbl<br />

Abteilung für Hämatologie und Hämostaseologie, Universitätsklinik für Innere Medizin I, Medizinische Universität Wien<br />

Die erstmalige Beschreibung der thrombotisch-thrombozytopenischen<br />

Purpura (TTP) erfolgte 1924. Dr. Eli<br />

Moschkowitz, nach dem diese Erkrankung benannt <strong>ist</strong>,<br />

berichtete über eine 16-jährige Patientin mit schweren neurologischen<br />

Symptomen, Hämolyse und erniedrigten<br />

Thrombozytenzahlen. Die Patientin verstarb, in der Obduktion<br />

zeigte sich, dass die kleinsten Blutgefäße (Kapillaren)<br />

durch Blutgerinnsel verstopft waren, was den Tod der<br />

Patientin verursacht hatte.<br />

Über viele Jahrzehnte blieb die Ursache der TTP unbekannt,<br />

man kannte auch keine wirksame Behandlung. Die me<strong>ist</strong>en<br />

erkrankten Patienten verstarben. 1960 beschrieb Schulman<br />

ein ähnliches Krankheitsbild bei einem 8-jährigen Mädchen,<br />

das mehrere Rückfälle hatte. 1978 berichtete Upshaw von<br />

einer 29-jährigen Patientin, die ebenfalls schon mehrere<br />

Episoden erlitten hatte, die erste im Alter von 6 Monaten.<br />

Beide Patientinnen sprachen sehr gut auf die Infusion von<br />

Blutplasma an. Heute weiß man, dass es sich in beiden Fällen<br />

um die angeborene Form der TTP (das Schulman-<br />

Upshaw-Syndrom) handelte (eine autosomal-rezessive Erbkrankheit.<br />

das normale Multimerenmuster entsteht.<br />

Im Blut von Patienten mit TTP<br />

konnten ungewöhnlich große VWF-<br />

Multimere nachgewiesen werden.<br />

Nach heutigem Verständnis der TTP<br />

können diese großen Multimere<br />

unter bestimmten Umständen (Infektionen,<br />

Schwangerschaft, Tumorerkrankungen<br />

etc.) eine spontane<br />

Thrombozytenaggregation verursachen<br />

und so einen TTP-Schub auslösen.<br />

Enzym ADAMTS13 zur VWF-Spaltung fehlend oder inaktiviert:<br />

Es wurde daher vermutet, dass im Blut von TTP-<br />

Patienten ein Enzym fehlt, das die normale Zusammensetzung<br />

des VWF sicherstellt. Erst 1996 veröffentlichten Furlan<br />

und Tsai unabhängig voneinander Testsysteme zur Messung<br />

dieses Enzyms. Es zeigte sich, dass bei Patienten mit TTP dieses<br />

Enzym ganz oder fast völlig fehlte, nach der Genesung<br />

konnte es jedoch bei den me<strong>ist</strong>en Patienten wieder nachgewiesen<br />

werden. Lediglich die wenigen Patientin mit der anao.<br />

Univ.-Prof. Dr.<br />

Paul Knöbl<br />

Pathogenese<br />

Die ersten Erkenntnisse über die Ursachen der<br />

TTP wurden 1982 durch Moake publiziert. Er<br />

erkannte, dass Veränderungen im Aufbau des<br />

Von-Willebrand-Faktors (VWF) vorlagen, die<br />

eine vermehrte Aggregation der Thrombozyten<br />

verursachten.<br />

Zu viele große VWF-Multimere: VWF <strong>ist</strong> das<br />

größte Molekül im Blutkreislauf. Er tritt in<br />

Form von Multimeren auf, die kleineren Multimere<br />

sind für die Bindung des Gerinnungsfaktors<br />

VIII verantwortlich, die großen Multimere<br />

dienen zur Aggregation von Thrombozyten im<br />

Rahmen der Blutstillung. VWF wird von den<br />

Endothelzellen produziert, vor allem als sehr<br />

große Multimere. Diese werden dann im Blut<br />

durch ein Enzym in kleinere Teile zerlegt, sodass<br />

Abb. 1: Pathogenese der TTP


47<br />

geborenen (familiären) TTP hatten<br />

immer niedrige Werte. Daraus wurde geschlossen,<br />

dass die Funktion des Enzyms<br />

bei der erworbenen TTP blockiert sein<br />

muss. Tatsächlich konnte dann nachgewiesen<br />

werden, dass im Blut nahezu aller<br />

TTP-Patienten Antikörper gegen dieses<br />

Enzym vorhanden sind (Abb. 1). Abb. 2: ADAMTS13<br />

Das Enzym selbst konnte erst 2001 eindeutig<br />

charakterisiert werden, es wird als ADAMTS13 (A<br />

Disintegrin And Metalloprotease with ThromboSpondin-like<br />

repeats) bezeichnet (Abb. 2). Seither konnten exaktere Testsysteme<br />

zur Messung von ADAMTS13 entwickelt werden<br />

und es gelang auch, ADAMTS13 mittels gentechnischer Methoden<br />

künstlich herzustellen.<br />

Formen der TTP: Es werden daher heute folgende Formen<br />

der TTP unterschieden (Abb. 3):<br />

• angeborene/familiäre/hereditäre TTP: Angeborener Mangel<br />

von ADAMTS13 auf Grund von Defekten/Mutationen im<br />

Gen. Schübe können während des gesamten Lebens in unregelmäßigen<br />

Abständen immer wieder auftreten. Auslöser<br />

sind oft Infektionen, Operationen oder Schwangerschaften.<br />

• erworbene/idiopathische/sporadische TTP: Autoantikörper<br />

gegen ADAMTS13 – Auslöser können sein: Schwangerschaft,<br />

Medikamente, Infektionen. In den me<strong>ist</strong>en Fällen tritt<br />

ein TTP-Schub spontan, d. h. ohne erkennbare Ursache auf.<br />

• sekundäre TTP: Es sind jedoch auch Zustandsbilder bekannt,<br />

die per se eine TTP auslösen können: Medikamente<br />

(Cyclosporin, Clopidogrel, Tiklopidin, Penicillin, Mitomycin<br />

C, Kokain etc.), Infektionen (Bakterien, Viren etc.),<br />

Tumorerkrankungen oder Organtransplantationen. Hier<br />

sind die Ursachen unbekannt, die ADAMTS13-Aktivität<br />

und die VWF-Zusammensetzung sind me<strong>ist</strong> normal.<br />

• hämolytisch-urämisches Syndrom: Ausgelöst durch Organtransplantationen,<br />

Infektionen (E. coli, Shigella, HIV),<br />

Medikamente, aber auch spontan. Auch hier sind die Ursachen<br />

unbekannt, die ADAMTS13-Aktivität und die<br />

VWF-Zusammensetzung me<strong>ist</strong> normal.<br />

Klinik<br />

Die klinischen Symptome der TTP werden durch die aggregierenden<br />

Thrombozyten verursacht. Es kommt zu Mikrozirkulationsstörungen<br />

in allen Organsystemen. Jedoch sind<br />

die besonders empfindlichen Organe wie das Gehirn, Nieren<br />

und Herz besonders betroffen.<br />

Neurologische Veränderungen: Die neurologischen Symptome<br />

eines TTP-Schubes können ganz unterschiedlich sein:<br />

von Kopfschmerzen, Übelkeit, verwaschener Sprache, Desorientiertkeit<br />

über Sehstörungen, Bewegungseinschränkungen<br />

und Lähmungserscheinungen bis zu schweren Krämpfen<br />

und Koma. In vielen Fällen kann deshalb eine intensivmedizinische<br />

Betreuung notwendig werden.<br />

Nierenfunktionsstörungen: Durch die Thrombozytenaggregate<br />

in den Nierenkapillaren wird die Funktion der Nieren<br />

gestört: die Harnproduktion nimmt ab, es sammeln sich<br />

Stoffwechsel-Endprodukte im Körper an.<br />

Hämolyse: Bei der TTP kommt es immer zur Hämolyse.<br />

Dadurch entsteht eine oft beträchtliche Anämie, die sich in<br />

Müdigkeit, Abgeschlagenheit, niedrigem Blutdruck und<br />

Kopfschmerzen äußern kann. Es handelt sich immer um eine<br />

nicht-immunologische Hämolyse (d. h. der Coombs-Test <strong>ist</strong><br />

negativ). Außerdem können ein Ikterus und eine Braunfärbung<br />

des Harns auftreten.<br />

Thrombozytopenie: Thrombozyten sind für die Blutstillung<br />

verantwortlich. Bei niedrigen Werten treten Blutungen auf:<br />

Petechien, Ep<strong>ist</strong>axis, Schleimhautblutungen und Hämatome.<br />

Bei der TTP können solche Blutungen auftreten, sind aber<br />

nicht obligat.<br />

Fieber: In manchen Fällen kann bei einer TTP auch Fieber<br />

auftreten.<br />

Blutdruckanstieg: Manchmal kommt es auch zu erhöhtem<br />

Blutdruck.<br />

Andere Organschäden: Durch die gestörte Mikrozirkulation<br />

können auch Zeichen anderer Organschäden auftreten: Herz,<br />

Darm, Bauchspeicheldrüse, seltener auch Leber oder Lunge.<br />

Zu beachten:<br />

Die Kombination aus Thrombopenie, Coombs-negativer hämolytischer<br />

Anämie, neurologischen Ausfällen und/oder Nierenfunktionseinschränkung<br />

muss an die Möglichkeit einer<br />

TTP denken lassen.<br />

Labordiagnostik<br />

Folgende Laboruntersuchungen werden bei Verdacht auf<br />

TTP durchgeführt:


48<br />

familiäre/<br />

hereditäre/<br />

kongenitale<br />

TTP<br />

erworbene/<br />

sporadische<br />

TTP<br />

sekundäre<br />

TTP<br />

HUS<br />

ADAMTS13:<br />

Akt erniedrigt<br />

ADAMTS13:<br />

Akt blockiert<br />

ADAMTS13:<br />

Akt normal<br />

ADAMTS13:<br />

Akt normal<br />

Gendefekt<br />

Autoantikörper<br />

<br />

Abb. 3: Einteilung der TTP<br />

• Thrombozytenzahl (wichtigster Parameter für Verlauf<br />

und Ansprechen auf die Behandlung)<br />

• Erythrozytenzahl, Hämoglobin<br />

• Fragmentozyten (halbierte rote Blutkörperchen –<br />

Abb. 4): typische Veränderung bei TTP<br />

• Retikulozyten (erhöhte Werte sind typisch für Hämolyse)<br />

• LDH: erhöhte Werte sind Zeichen für Hämolyse,<br />

Verlaufsparameter<br />

• Haptoglobin: erniedrigte Werte sind Zeichen für<br />

Hämolyse<br />

• Kreatinin, BUN: zur Messung der Nierenfunktion<br />

• Coombs-Test: zur Testung auf anti-erythrozytäre<br />

Antikörper<br />

• ADAMTS13-Aktivität, -Antigen und<br />

Anti-ADAMTS13-Antikörper<br />

Differenzialdiagnose<br />

Ähnliche/verwandte Krankheitsbilder:<br />

• hämolytisch-urämisches Syndrom (HUS)<br />

• disseminierte intravasale Gerinnung (DIC)<br />

• Sepsis-Syndrom<br />

• immunhämolytische Anämie und Thrombozytopenie<br />

(Evans-Syndrom)<br />

• mechanische Hämolysen (Herzklappen, extrakorporale<br />

Zirkulation)<br />

• HELLP-Syndrom (Hypertension, Elevated Liver<br />

enzymes, Low Platelets) in der Schwangerschaft<br />

• Eklampsie<br />

• maligne Hypertonie<br />

• schwere Formen der Vaskulitis<br />

• Systemerkrankungen (syst. Lupus erythematodes)<br />

• Anti-Phospholipid-Antikörper-Syndrom<br />

• Malignome, Knochenmarks-Karzinose<br />

• Heparin-induzierte Thrombopenie<br />

• perniziöse Anämie<br />

Therapie<br />

Erste Therapieerfolge wurden erzielt, als in den 60er Jahren<br />

Blutplasma zur Behandlung der TTP eingesetzt wurde. Aber<br />

Abb. 4: Fragmentozyten<br />

erst die konsequente Durchführung einer Plasmaaustauschtherapie<br />

konnte die zuvor hohe Sterblichkeit von > 90 % auf<br />

ca. 10 % senken. Diese Therapie hat also die TTP zu einer<br />

heilbaren Erkrankung gemacht. Die Erkenntnisse über die<br />

Ursachen und Grundlagen der TTP haben die Entwicklung<br />

von modernen Behandlungsformen ermöglicht.<br />

Plasmaaustausch: Bei der Plasmaustauschtherapie wird das<br />

Blutplasma des Patienten entfernt und durch Spenderplasma<br />

ersetzt (50–80 ml/kg/d). Dadurch werden auch die<br />

ungewöhnlich großen VWF-Moleküle und die Autoantikörper<br />

gegen ADAMTS13 entfernt und normal funktionierendes<br />

ADAMTS13 zugeführt. Die Plasmaaustauschtherapie<br />

wird täglich durchgeführt, bis sich die Blutplättchenwerte<br />

normalisiert haben und die Krankheitszeichen verschwunden<br />

sind. Lediglich bei der angeborenen (familiären)<br />

Form der TTP <strong>ist</strong> die Infusion von 600–1.000 ml Plasma<br />

alle 3 Wochen ausreichend, um das Wiederauftreten der<br />

TTP zu verhindern. Bei akuten Schüben muss öfter behandelt<br />

werden.<br />

Kortison: Eine Kortisontherapie <strong>ist</strong> heute fixer Bestandteil<br />

der Therapie der erworbenen TTP, da nur damit die Bildung<br />

des die Krankheit verursachenden Antikörpers gegen<br />

ADAMTS13 nachhaltig unterdrückt werden kann. Die Therapie<br />

wird üblicherweise oral verabreicht. Die Dosis muss<br />

zunächst hoch sein (1–1,5 mg/kg Körpergewicht) und wird<br />

nach Rückgang der Symptome rasch reduziert.<br />

Azetylsalizylsäure: Diese Substanz wird vor allem bei Patienten<br />

mit durch die TTP verursachten schweren Organschäden,<br />

vor allem bei Durchblutungsstörungen des Herzmuskels<br />

oder des Gehirns, verabreicht. Die Dosis beträgt 100 mg<br />

pro Tag. Im Gegensatz zu früheren Meinungen kann Azetylsalizylsäure<br />

auch bei noch niedrigen Blutplättchenzahlen gegeben<br />

werden, da ein früher Einsatz nachhaltige Organschäden<br />

verhindern kann. Dazu gibt es jedoch noch keine eindeutigen<br />

wissenschaftlichen Untersuchungen.


49<br />

sein. Da dies jedoch ein größerer operativer Eingriff<br />

<strong>ist</strong>, sollte die TTP, wenn möglich, behandelt und<br />

unter Kontrolle sein. Vor allem sind normale<br />

Thrombozyten- und Erythrozytenzahlen notwendig,<br />

um das Operationsrisiko gering zu halten. Lediglich<br />

bei schweren Verlaufsformen, die auf die Therapie<br />

nicht ansprechen, <strong>ist</strong> eine Notfall-Splenektomie indiziert.<br />

Intensivmedizinische Betreuung: Da viele TTP-Patienten<br />

schwer krank sind und schwere Organschäden<br />

auftreten können, <strong>ist</strong> oft eine Überwachung oder<br />

Betreuung auf einer Intensivstation notwendig.<br />

Dort können Komplikationen rasch und gezielt erkannt<br />

und behandelt werden.<br />

Abb. 5: Verlauf einer TTP-Patientin unter Immunadsorption<br />

Blutkonserven: Da ein charakter<strong>ist</strong>isches Merkmal der TTP<br />

eine Hämolyse <strong>ist</strong>, müssen oft auch Blutkonserven verabreicht<br />

werden. Als Richtwert dient me<strong>ist</strong> der Hämoglobinwert<br />

im Blut, Konserven müssen bei Werten unter 7,0 g/dl<br />

gegeben werden.<br />

Rituximab (MabThera ® ): Diese moderne Therapieform<br />

wurde ursprünglich zur Behandlung von bösartigen Lymphknotenerkrankungen<br />

entwickelt. Es handelt sich dabei um<br />

einen gentechnisch hergestellten Antikörper (CD20), der B-<br />

Lymphozyten gezielt zerstören kann. Da gerade diese B-Lymphozyten<br />

auch für die Produktion aller Antikörper verantwortlich<br />

sind, kann durch deren Zerstörung auch die Produktion<br />

von „falschen“ Antikörpern, die Autoimmunerkrankungen<br />

verursachen, gestoppt werden. Da auch die erworbene<br />

TTP eine Autoimmunerkrankung <strong>ist</strong>, kann Rituximab<br />

auch hier erfolgreich sein.<br />

Es gibt noch keine eindeutigen wissenschaftlichen Untersuchungen,<br />

jedoch einige positive Fallberichte. Daher wird Rituximab<br />

vorerst nur bei Patienten eingesetzt, die auf die gängige<br />

Therapie nur unzureichend ansprechen.<br />

Splenektomie: Bei Patienten, die auf die Behandlung nicht<br />

ansprechen bzw. beim häufigen Auftreten von schweren<br />

Schüben kann die operative Entfernung der Milz wirksam<br />

Immunadsorption: Bei der erworbenen TTP <strong>ist</strong><br />

auch die Immunadsorption eine therapeutische Option,<br />

da damit der Autoantikörper entfernt wird und<br />

die ADAMTS13-Aktivität damit wiederhergestellt<br />

werden kann. Studien zu dieser Option gibt es jedoch<br />

nicht. Wir haben drei Patienten mit TTP zusätzlich<br />

zur Plasmaaustauschtherapie mit Immunadsorption<br />

behandelt. Ein Verlauf <strong>ist</strong> in Abbildung 5<br />

dargestellt.<br />

Zu beachten:<br />

Auch bei sehr niedrigen Thrombozytenwerten dürfen keine<br />

Thrombozytenkonzentrate verabreicht werden, da die darin<br />

enthaltenen Plättchen ebenfalls aggregieren und so die Mikrozirkulationsstörung<br />

verstärkt wird!<br />

■<br />

Literatur beim Verfasser<br />

• Die erworbene thrombotisch-thrombozytopenische Purpura<br />

<strong>ist</strong> eine Autoimmunerkrankung mit Antikörpern gegen<br />

ADAMTS13, ein Enzym, das für die Spaltung der hochmolekularen<br />

Von-Willebrand-Faktor-Multimere verantwortlich<br />

<strong>ist</strong>.<br />

• Durch die Pers<strong>ist</strong>enz dieser Multimere kommt es zur spontanen<br />

Thrombozytenaggregation, dadurch zu Mikrozirkulationsstörungen,<br />

neurologischen Ausfällen, Nierenschäden<br />

und Hämolyse.<br />

• Durch konsequente Plasmaaustauschtherapie wird die<br />

Krankheit beherrscht und me<strong>ist</strong> geheilt. Weitere Optionen<br />

sind Kortison, Rituximab, Splenektomie, Immunadsorption<br />

und Aspirin.


50<br />

BLUTGRUPPEN-UNGLEICHE ALLOGENE KNOCHENMARK- BZW. STAMMZELLTRANSPLANTATION<br />

Immunadsorption<br />

bei Isoagglutininpers<strong>ist</strong>enz<br />

ao. Univ.-Prof. Dr. Werner Rabitsch<br />

Abteilung für Knochenmarktransplantation, Klinik für Innere Medizin I, Medizinische Universität Wien<br />

In ca. 20–40 % aller allogenen Knochenmark- bzw.<br />

Stammzelltransplantationen liegt ein so genanntes AB0-<br />

Missmatch vor. Man unterscheidet ein Minor-AB0-Missmatch<br />

(Spenderantikörper sind gegen die Blutgruppe des<br />

Empfängers gerichtet), ein Major-AB0-Missmatch (Empfänger-Isoagglutinine<br />

sind gegen die Blutgruppe des Spenders<br />

gerichtet) sowie ein bidirektionales AB0-Missmatch.<br />

Kontext AB0-Missmatch-Transplantation: Eine allogene<br />

Knochenmark- bzw. Stammzelltransplantation stellt für<br />

viele Patienten mit einer malignen hämatologischen Erkrankung<br />

die einzige kurative Therapieoption dar. Neben den<br />

während einer Knochenmark- bzw. Stammzelltransplantation<br />

aufgrund der Chemotherapie und Strahlentherapie zu erwartenden<br />

Komplikationen (Toxizität, Infektionen, Graft-versus-Host-Erkrankung),<br />

kann es bei blutgruppenungleicher<br />

Transplantation aufgrund von pers<strong>ist</strong>ierenden Isoagglutininen<br />

zusätzlich zu einer lang andauernden Aplasie der roten<br />

Zellreihe (Erythropoese) kommen. Die Folge <strong>ist</strong> eine hohe<br />

Transfusionsfrequenz mit den damit verbundenen Risiken<br />

(Infektion, Eisenüberladung, Unverträglichkeit etc.) sowie<br />

eine starke Beeinträchtigung der Lebensqualität der Patienten.<br />

Pers<strong>ist</strong>ierende Empfänger-Isoagglutinine<br />

Prolongierte Aplasie der Erythropoese: Bei ca. 20 % der<br />

transplantierten Patienten, die ein Major-AB0-Missmatch<br />

aufweisen, kommt es aufgrund der pers<strong>ist</strong>ierenden Isoagglutinine<br />

des Empfängers zu einer prolongierten Aplasie der<br />

Erythropoese. Die pers<strong>ist</strong>ierenden Isoagglutinine (Anti-A<br />

und Anti-B) können mittels eines einfachen Titrationsverfahrens<br />

(Empfängerserum gegen passende Spendererythrozyten)<br />

nachgewiesen werden und werden mittels eines Scoringsystems<br />

je nach Stärke der Agglutination zwischen 0 und<br />

4 angegeben.<br />

Unbedingt Knochenmarkpunktion zur Bestätigung:<br />

Bevor jedoch mögliche Therapieentscheidungen getroffen<br />

werden, <strong>ist</strong> zuvor eine entsprechende Diagnostik erforderlich.<br />

Es sollte unbedingt eine Knochenmarkpunktion zur Bestätigung<br />

des Fehlens der roten Vorstufen<br />

bei gleichzeitigem Vorhandensein der<br />

restlichen Zelllinien durchgeführt<br />

werden. Weiters können mit dieser<br />

Knochenmarkpunktion eine eventuelle<br />

toxische Schädigung des Knochenmarks,<br />

ein Rezidiv der Grunderkrankung<br />

sowie eine virale oder bakterielle<br />

Infektion ausgeschlossen werden.<br />

Nach bestätigter Diagnose kann<br />

eine Therapie eingeleitet werden.<br />

ao. Univ.-Prof. Dr.<br />

Werner Rabitsch<br />

Therapiestandard Plasmapherese: Die unterschiedlichsten<br />

Therapiemöglichkeiten (Erythropoetin, Plasmapherese vor<br />

und nach der Transplantation, Immunsuppression mit Kortikosteroiden<br />

und Antithymozytenglobulin, Gabe von Anti-<br />

CD20-Antikörpern sowie die Transfusion von Spendererythrozytenkonzentraten)<br />

wurden in den letzten Jahren mit<br />

unterschiedlichem Erfolg durchgeführt. Die besten Ergebnisse<br />

konnten mit der Plasmapherese erzielt werden, und<br />

diese gilt nach wie vor als Standardtherapie in dieser Indikation.<br />

Zu den anderen zur Verfügung stehenden Therapiemöglichkeiten,<br />

insbesondere der immunsuppressiven<br />

Therapie und Antikörpertherapie, gibt es nur einzelne Fallberichte.<br />

Therapiealternative Immunadsorption: Eine weitere<br />

Möglichkeit, die an unserem Zentrum seit Jahren angewandt<br />

wird, <strong>ist</strong> die Immunadsorption. Die Immunadsorption bei<br />

pers<strong>ist</strong>ierenden Isoagglutininen bei Major-AB0-Inkompatibilität<br />

<strong>ist</strong> wie bei vielen anderen immunologisch bedingten<br />

Krankheitsbildern als mögliche, nicht jedoch als gesicherte<br />

Therapie anzusehen.<br />

<strong>Wiener</strong> Erfahrungen mit Immunadsorption<br />

13 Patienten mit aregeneratorischer Anämie nach Major-<br />

AB0-inkompatibler allogener Stammzelltransplantation<br />

wurden bisher an unserem Zentrum mittels Immunadsorption<br />

therapiert. Bei allen Patienten wurde initial mit einer<br />

Erythropoetintherapie begonnen, die jedoch keinen Erfolg


51<br />

brachte. 5 dieser Patienten wurden in weiterer Folge mittels<br />

Plasmapherese therapiert, es gelang jedoch keine langfr<strong>ist</strong>ige<br />

Reduktion der Isoagglutinine. Diese Patienten wurden in<br />

weiterer Folge einer Immunadsorption zugeführt. Die restlichen<br />

8 Patienten wurden direkt nach dem Nichtansprechen<br />

auf die Erythropoetintherapie immunadsorbiert.<br />

Ergebnisse: Es gelang bei allen Patienten eine Reduktion<br />

der Isoagglutinine und somit ein Anwachsen der Spendererythropoese.<br />

Insgesamt wurden bei den Patienten 248 Behandlungen<br />

durchgeführt. Die Behandlungen wurden in<br />

den ersten beiden Wochen 4–5-mal/Woche durchgeführt,<br />

und in weiterer Folge in Abhängigkeit von der Höhe der<br />

Isoagglutinintiter auf 3-mal/Woche reduziert. Im Durchschnitt<br />

benötigte der einzelne Patient 19 Behandlungen<br />

(Range 2–60). Die Behandlungen wurden großteils über<br />

periphere Venen durchgeführt. Bis auf eine CMV-Reaktivierung,<br />

die nach allogener Stammzelltransplantation relativ<br />

häufig vorkommt, sowie einer Katheterinfektion kam es<br />

während der Behandlungsperiode zu keinerlei nennenswerten<br />

Komplikationen. Alle Patienten hatten nach Abschluss<br />

der Therapie eine stabile Erythropoese und wurden transfusionsunabhängig.<br />

■<br />

Unsere bisherigen Erfahrungen mit der Immunadsorption bei<br />

aregeneratorischer Anämie nach Major-AB0-inkompatibler<br />

allogener Stammzelltransplantation zeigen ein hervorragendes<br />

Ansprechen, und es wurden kaum Nebenwirkungen bei<br />

den Patienten beobachtet. Insgesamt muss jedoch gesagt<br />

werden, dass es sich bei der hier beschriebenen Behandlungsmethode<br />

um eine hochspezifische Therapie handelt,<br />

die nur von speziell geschultem Personal durchgeführt werden<br />

sollte.


52<br />

Immunadsorption bei Pemphigus<br />

Prof. Dr. med. Jürgen Grabbe<br />

Klinik für Dermatologie, Allergologie und Venerologie, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck<br />

Der Pemphigus gehört zur Gruppe der organspezifischen<br />

Autoimmunerkrankungen und zeichnet sich klinisch<br />

durch ausgedehnte, häufig therapieres<strong>ist</strong>ente Blasenbildung<br />

und konsekutive Entstehung von Erosionen der<br />

Haut und Schleimhäute aus (Abb. 1).<br />

Kontext Pemphigus-Erkrankungen<br />

Pathophysiologie: Immunpathologisch sind diese Erkrankungen<br />

durch zirkulierende und gewebegebundene Autoantikörper<br />

gegen verschiedene kutane Adhäsionsmoleküle<br />

charakterisiert. Pemphigus- und Pemphigoid-Erkrankungen<br />

sowie die Epidermolysis bullosa acquisita unterscheiden sich<br />

u. a. in den jeweils relevanten Autoantigenen und damit der<br />

anatomischen Ebene des Adhäsionsverlusts und der Blasenbildung<br />

(intraepidermale oder subepidermale Spaltbildung).<br />

Beim Pemphigus finden sich IgG-Autoantikörper gegen verschiedene<br />

Keratinozytenproteine, u. a. Bestandteile der Desmosomen<br />

(Desmoglein [DSG] 1 und 3, Plakoglobin) und<br />

Acetylcholinrezeptoren (-9-Acetylcholin-Rezeptor, Pemphaxin).<br />

Die pathogenetische Bedeutung solcher Antikörper<br />

zeigt sich experimentell bei passivem Transfer von Serumimmunglobulinen<br />

von Pemphigus-Patienten auf neugeborene<br />

Mäuse, der zu den gleichen pathologischen Veränderungen<br />

wie bei einem Pemphigus führt. Die Präadsorption der Immunglobuline<br />

mit rekombinantem DSG 1 und 3 verhindert<br />

eine solche Blasenbildung. Auch der diaplazentare Übergang<br />

mütterlicher Pemphigusautoantikörper kann beim Neugeborenen<br />

zu einer passageren Pemphigus-Erkrankung führen.<br />

Häufige klinische Erscheinungsformen: Die häufigsten Formen<br />

der Erkrankung sind der Pemphigus vulgaris und der<br />

Pemphigus foliaceus: sie unterscheiden sich klinisch durch die<br />

Beteiligung der Schleimhäute (bei P. foliaceus fehlend), h<strong>ist</strong>ologisch<br />

(oberflächlicher Adhäsionsverlust innerhalb der Epidermis<br />

bei P. foliaceus) und den erkannten Autoantigenen<br />

(DSG 1 und 3 beim P. vulgaris, DSG 1 beim P. foliaceus).<br />

Therapie:<br />

• Immunsuppression: Die Standardtherapie der unbehandelt<br />

oft tödlich verlaufenden Pemphigus-Erkrankungen besteht<br />

in hochdosierter Anwendung von Glukokortikoiden in<br />

Kombination mit verschiedenen Immunsupressiva wie<br />

Azathioprin, Mycophenolat-Mofetil,<br />

Cyclophosphamid. Eine solche<br />

Behandlung muss in den me<strong>ist</strong>en<br />

Fällen bei dieser chronischen Erkrankung<br />

auf Dauer erfolgen und<br />

<strong>ist</strong> daher mit einer erheblichen nebenwirkungsbezogenen<br />

Morbidität<br />

und Mortalität verbunden.<br />

• Antikörperelimination: Da sich die<br />

eindeutige pathophysiologische<br />

Rolle der Pemphigus-Autoantikörper<br />

auch in der Korrelation zwischen<br />

ihren Serumtitern und der<br />

Prof. Dr. med.<br />

Jürgen Grabbe<br />

klinischen Krankheitsaktivität widerspiegelt, wurden in der<br />

Vergangenheit bereits erfolgreich Versuche zur Beseitigung<br />

dieser Autoantikörper mittels Plasmapherese unternommen.<br />

Um einige Nachteile dieser Methode (nicht-selektive Entfernung<br />

von Plasmaproteinen, notwendige Substitution<br />

von Plasmabestandteilen) zu umgehen, wurden in der Folgezeit<br />

verschiedene Immunadsorptionsverfahren eingesetzt.<br />

Hierbei wurden Tryptophan- und Dextransulfat-Adsorber<br />

eingesetzt. Schoen et al. verwendeten erstmals im Falle<br />

eines paraneoplastischen Pemphigus erfolgreich eine mit<br />

Anti-IgG beschichtete Matrix.<br />

Protein-A-Immunadsorption bei Pemphigus<br />

Protein A, ein Bestandteil der Zellwand von Staphylococcus<br />

aureus, bindet an den Fc-Teil von Immunglobulinen, bevorzugt<br />

von IgG 1 , IgG 2 und IgG 4 und im geringeren Maße von<br />

IgG 3 , IgA, IgM und IgE.<br />

Protokoll mit begleitender immunsuppressiver Therapie<br />

zur Unterdrückung der Autoantikörper-Neosynthese: Vor<br />

4 Jahren berichteten Schmidt et al. über die Behandlung von<br />

5 Pemphigus-Patienten (4 mit P. vulgaris, 1 mit P. foliaceus)<br />

mittels einer Protein-A-Immunadsorption, von denen 3 bereits<br />

erfolglos mit verschiedenen Immunsuppressiva vortherapiert<br />

worden waren. Die Protein-A-Adsorption wurde<br />

3-malig an einander folgenden Tagen durchgeführt, an die<br />

sich weitere einmalige Behandlungen anschlossen (jeweils<br />

4 in 1-wöchigem, dann 2-, 3- und 4-wöchigem Abstand). Da


Abb. 1: Pemphigus vulgaris: ausgedehnte Erosionen durch<br />

intraepidermale Blasenbildung<br />

die Entfernung von Antikörpern aus der Zirkulation eine gesteigerte<br />

Neusynthese, sogar über das ursprüngliche Maß hinaus,<br />

auslösen kann, wurde der initiale Behandlungszyklus<br />

durch eine Stoßtherapie mit Cyclophosphamid (500 mg am<br />

1. Tag) und Dexamethason (je 100 mg an 3 Tagen) durchgeführt,<br />

an die sich eine orale Behandlung mit Methylprednisolon<br />

(0,5 mg/kg Körpergewicht) anschloss. Traten keine<br />

neuen Blasen mehr auf, wurde diese Dosis in 2-wöchentlichen<br />

Intervallen stufenweise bis auf 6 mg/Tag reduziert.<br />

Unter diesem Behandlungregime kam es innerhalb eines Monats<br />

zu einem deutlichen klinischen Ansprechen: Bei 3 Patienten<br />

traten keine neuen Blasen auf, bei den übrigen 2 war deren<br />

Zahl stark reduziert. Diese beiden Patienten entwickelten nach<br />

11 bzw. 15 Behandlungen ebenfalls keine neuen Läsionen mehr.<br />

Eine einzelne Immunadsorptionsbehandlung reduzierte die<br />

Autoantikörperkonzentration um 80–90 %, einen Monat<br />

nach Therapiebeginn waren die Ausgangswerte durchschnittlich<br />

auf 76 % (45–94 %) reduziert.<br />

Nach Beendigung der Immunadsorptionsbehandlung blieb jedoch<br />

nur ein Patient in einer kompletten klinischen und serologischen<br />

Remission. Ein weiterer Patient zeigte trotz klinischer<br />

Erscheinungsfreiheit erneut steigende Antikörperwerte,<br />

während die 3 übrigen auch neue Hautläsionen entwickelten.<br />

Abb. 2: Pemphigus foliaceus: Ablagerungen von IgG in der<br />

Epidermis mit interzellulärem Muster im fluoreszenzmikroskopischen<br />

Nachweis<br />

Protokoll mit modifizierter Immunsuppression: Um<br />

eine längere Remission nach Beendigung der Immunadsoption<br />

zu erreichen, wurden in der Folgezeit 9 weitere Patienten<br />

behandelt: 7 hatten eine über mindestens 11 Monate therapierefraktäre<br />

Erkrankung, 2 waren nicht vorbehandelt. Das<br />

ursprüngliche Immunadsorptionsprotokoll wurde durch<br />

die tägliche Gabe von hoch dosiertem Methylprednisolon<br />

(2 mg/kg Körpergewicht) und von Azathioprin (2,5 mg/kg<br />

Körpergewicht) oder Mycophenolat-Mofetil (2 g/Tag) ergänzt.<br />

Nach klinischem Verlauf erfolgte eine Reduktion der<br />

Methylprednisolon-Dosis um jeweils 25 % in 2-wöchigen<br />

Abständen. Wiederum kam es bei allen Patienten zu einer raschen<br />

deutlichen klinischen Befundbesserung mit Abfall der<br />

Antikörperwerte: 4 entwickelten nach einem Monat keine<br />

neuen Blasen mehr, 5 zeigten einen deutlichen Rückgang der<br />

Aktivität. Nach 6 Monaten waren 8 der 9 Patienten komplett<br />

beschwerdefrei. Nach Beendigung der Immunadsorptionsbehandlung<br />

blieb 1 Patient in einer anhaltenden klinischen und<br />

serologischen Remission, 4 zeigten bei klinischer Erscheinungsfreiheit<br />

noch erhöhte Antikörpertiter, während zwei<br />

weitere Patienten auch einen klinischen Rückfall erlitten. Bei<br />

zwei weiteren Patienten musste die Therapie wegen interkurrenten,<br />

unabhängigen Erkrankungen unterbrochen werden.<br />

Suche nach effektiver Rückfallprävention: Die Ergebnisse<br />

zeigen, dass eine Protein-A-Immunadsorption bei einem<br />

Pemphigus zu einer raschen signifikanten Besserung des klinischen<br />

Bildes und begleitender Reduktion der Autoantikörperwerte<br />

führt, die mit der bisherigen konventionellen Behandlung<br />

in vielen Fällen nicht zu erreichen war. Die jedoch<br />

häufig auftretenden klinischen oder serologischen Rückfälle<br />

erfordern eine weitere Optimierung der begleitenden immunsuppressiven<br />

Behandlung. Erste positive klinische Erfahrungen<br />

liegen dabei für die Behandlung mit hoch dosierten<br />

intravenösen Immunglobulinen und dem CD20-Antikörper<br />

Rituximab vor, die zurzeit in neuen Behandlungsprotokollen<br />

untersucht wird.<br />

■<br />

Literatur beim Verfasser<br />

Bei Pemphigus-Erkrankungen spielen Autoantikörper gegen<br />

epidermale Strukturproteine eine entscheidende pathophysiologische<br />

Rolle für die Entstehung von Blasen und Erosionen<br />

an Haut und Schleimhäuten. Eine immunsuppressive Therapie<br />

kann auf längere Sicht die Bildung dieser Autoantikörper<br />

beeinflussen, <strong>ist</strong> aber erst verzögert wirksam und in vielen<br />

Fällen nicht ausreichend effektiv und mit erheblichen Nebenwirkungen<br />

behaftet. Verschiedene Immunadsorptionsverfahren,<br />

z. B. mit IgG-bindendem Protein A, haben sich in den<br />

letzten Jahren als sehr wirksame zusätzliche Verfahren zum<br />

Erreichen einer raschen klinischen Remission auch in bislang<br />

therapierefraktären Fällen erwiesen und eine wichtige<br />

Rolle in verschiedenen Behandlungsschemata erobert.


54<br />

Immunadsorption bei<br />

dilatativer Kardiomyopathie<br />

Priv.-Doz. Dr. Alexander Staudt<br />

Klinik und Poliklinik für Innere Medizin B, Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald<br />

Trotz medikamentöser Therapie <strong>ist</strong> die Prognose von Patienten<br />

mit dilatativer Kardiomyopathie (DCM) als<br />

sehr ernst einzustufen. Es <strong>ist</strong> das Ziel der klinischen<br />

Forschung, neue Therapiekonzepte zur Behandlung dieser<br />

schweren Herzmuskelerkrankung zu entwickeln.<br />

Neben der koronaren Herzerkrankung stellt die dilatative<br />

Kardiomyopathie (DCM) die häufigste Ursache der terminalen<br />

Herzinsuffizienz dar. Alleine in Deutschland leiden<br />

schätzungsweise 500.000 Patienten an dieser Erkrankung.<br />

Pathogenese der<br />

dilatativen Kardiomyopathie<br />

Vermutungen zur Ätiologie: Die Ursache der DCM bleibt<br />

nach Ausschluss einer koronaren Herzerkrankung in vielen<br />

Fällen unklar. Häufig lautet die Diagnose idiopathische<br />

DCM. Auf der anderen Seite wird bei ungefähr 30 % der<br />

Fälle die Herzmuskelerkrankung durch hereditäre Mutationen<br />

verursacht, zu denen Polymorphismen in den Genen für<br />

Struktur- und Sarkolemmproteine gehören. Neueren Befunden<br />

zufolge spielen entzündliche Prozesse, die das zelluläre<br />

und humorale Immunsystem betreffen, bei der Pathogenese<br />

der DCM eine bedeutende Rolle. Es wird angenommen, dass<br />

sich die DCM bei vielen Patienten auf dem Boden einer Virusmyokarditis<br />

entwickelt. So konnten in Myokardbiopsieproben<br />

von Patienten mit DCM virale RNA mittels RT-PCR<br />

und In-situ-Hybridisierung nachgewiesen werden.<br />

Schlüsselrolle kardiotroper Antikörper Klinische und experimentelle<br />

Studien weisen auch auf eine Beteiligung kardialer<br />

Antikörper bei der Pathogenese und Progression der<br />

DCM hin. So können bei einem Teil der Patienten Antikörper<br />

gegen spezifische Antigene detektiert werden, so dass die<br />

Erkrankung von vielen auch als eine Autoimmunerkrankung<br />

angesehen wird. So wurden Antikörper nachgewiesen, u. a.<br />

gegen mitochondriale Proteine, gegen kontraktile Proteine<br />

oder gegen den kardialen Betarezeptor.<br />

An einem Tiermodell konnte kürzlich gezeigt werden, dass<br />

Antikörper gegen den Beta-1-Rezeptor direkt eine Kardiomyopathie<br />

induzieren können.<br />

Priv.-Doz. Dr.<br />

Alexander Staudt<br />

In einer weiteren Arbeit konnte gezeigt<br />

werden, dass BALB/c-Mäuse, die<br />

den immunregulatorischen PD-1-<br />

Rezeptor nicht exprimieren, eine<br />

DCM entwickeln können. Als wesentlicher<br />

Pathomechanismus wird in<br />

diesem Tiermodell die Bildung von<br />

Antikörpern gegen das Troponin angesehen.<br />

Es konnte außerdem gezeigt<br />

werden, dass die kardiotropen Antikörper<br />

die Herzfunktion negativ beeinflussen<br />

können. So konnte gezeigt werden, dass die Immunisierung<br />

von Tieren gegen den ADP/ATP-Carrier zu<br />

einer Störung des kardialen Energiemetabolismus führt. Autoantikörper,<br />

die gegen den ADP/ATP-Carrier reagieren,<br />

können ebenfalls mit dem Kalziumkanal kreuzreagieren. Bei<br />

einem Großteil der Patienten mit DCM wurden in der Vergangenheit<br />

funktionell aktive Antikörper nachgewiesen, die<br />

an isolierten adulten Kardiomyozyten zur einer akuten Abnahme<br />

des Kalziumtransienten und der systolischen Zellverkürzung<br />

geführt haben.<br />

Es <strong>ist</strong> davon auszugehen, dass kardiotrope Antikörper eine<br />

bedeutende Rolle in der Pathogenese und Progression der Erkrankung<br />

spielen. Aus diesem Grunde müsste die Entfernung<br />

von Autoantikörpern bei Patienten mit DCM zu einer Verbesserung<br />

der linksventrikulären Funktion führen.<br />

Effekte der Immunadsorption<br />

bei dilatativer Kardiomyopathie<br />

Die Immunadsorption <strong>ist</strong> ein bereits länger bekanntes Verfahren,<br />

das zur Entfernung von Autoantikörpern bei einer<br />

Reihe von Autoimmunerkrankungen genutzt wird (rheumatoide<br />

Arthritis, Myasthenia gravis).<br />

Verbesserung der linksventrikulären Funktion: Unsere Arbeitsgruppe<br />

führte in den letzten Jahren zuerst eine Pilotstudie<br />

zu den hämodynamischen Akuteffekten einer zusätzlichen<br />

Immunadsorptionstherapie bei Patienten mit DCM<br />

durch. Die Patienten wurden an 5 aufeinander folgenden<br />

Tagen mit einer Immunadsorptionstherapie behandelt.


56<br />

LV-EF (%)<br />

Kontrollgruppe (n = 9)<br />

Immunadsorptionsgruppe (n = 9)<br />

30 -<br />

20 -<br />

10 -<br />

0 -<br />

Baseline<br />

nach 3 Monaten<br />

Nach: Felix et al., Hemodynamic effects of immunoadsorption and subsequent<br />

immunoglobulin substitution in dilated cardiomyopathy: Three-Month Results<br />

from a Randomized Study. J Am Coll Cardiol 2000; 35:1590-1598<br />

Abb. 1: Veränderungen der linksventrikulären Auswurffraktion<br />

(LVEF) in der Immunadsorptions-Gruppe (grüne Säule, n = 9) und<br />

in der Kontrollgruppe (rote Säule, n = 9) „baseline“ und nach<br />

3 Monaten<br />

Es konnte eine Verbesserung der linksventrikulären Funktion<br />

nachgewiesen werden.<br />

Die Ergebnisse dieser Pilotstudie wurden in einer prospektiven<br />

und randomisierten Studie, in der auch die längerfr<strong>ist</strong>igen<br />

Effekte der Immunadsorptionstherapie verglichen<br />

wurden, untersucht. Im Vergleich zur Kontrollgruppe zeigte<br />

die Immunadsorptionsgruppe eine akute und längerfr<strong>ist</strong>ige<br />

Verbesserung der linksventrikulären Funktion (Abb. 1).<br />

Eine Case-Control-Studie einer anderen Arbeitsgruppe analysierte<br />

die längerfr<strong>ist</strong>igen Effekte einer Immunadsorption bei<br />

17 DCM-Patienten gegenüber einer Vergleichskontrollgruppe.<br />

Es konnte auch hier gezeigt werden, dass die Immunadsorptionstherapie<br />

über einen längeren Zeitraum die<br />

Pumpfunktion von Patienten mit DCM entscheidend bessern<br />

kann.<br />

Entzündungshemmung im Myokard: Eine weitere prospektive<br />

und randomisierte Studie untersuchte die Wirkung<br />

der Immunadsorptionstherapie auf die Entzündungsreaktion<br />

im Myokardgewebe von DCM-Patienten. Neben einer Zunahme<br />

der linksventrikulären Funktion nahm die Zahl der<br />

infiltrierenden Lymphozyten und Leukozyten im Myokardgewebe<br />

im Vergleich zur Kontrollgruppe ab. Ferner konnte<br />

eine Verminderung der Expression der HLA-Klasse-II-Moleküle<br />

in der Immunadsorptions-Gruppe nachgewiesen<br />

werden (Abb. 2).<br />

Eliminierung negativ inotroper Antikörper: Die Effekte<br />

der Immunadsorption können auf der Eliminierung negativ<br />

inotroper Antikörper beruhen. Zur Charakterisierung der<br />

inotropen Wirkung der Antikörper wurden deshalb In-vitro-<br />

Untersuchungen mit den von der Immunadsorption entfernten<br />

Antikörpern durchgeführt. Diese Untersuchungen<br />

haben gezeigt, dass bei Patienten mit DCM negativ inotrope<br />

Antikörper durch die Immunadsorptionstherapie eliminiert<br />

werden können. Interessanterweise korrelierten die negativ<br />

inotropen Effekte mit den hämodynamischen Effekten der<br />

Immunadsorption. Die Entfernung der Antikörper scheint<br />

deshalb einen entscheidenden Mechanismus der Immunadsorptionstherapie<br />

bei DCM darzustellen.<br />

In einer weiteren prospektiven Studie konnte gezeigt werden,<br />

dass der Nachweis von negativ inotropen Antikörpern einen<br />

positiven Prädiktor für die Erfolge der Immunadsorptionstherapie<br />

bei den Patienten mit DCM darstellt. Diese<br />

funktionell aktiven Antikörper sind bei der Mehrzahl der Patienten<br />

mit DCM nachweisbar. Man kann daraus auch<br />

schließen, dass bei der Mehrheit der Patienten mit DCM das<br />

humorale Immunsystem eine bedeutende Rolle in der Pathogenese<br />

der kardialen Dysfunktion spielen könnte. In einer<br />

kürzlich publizierten Arbeit konnte gezeigt werden, dass die<br />

negativ inotropen Effekte der Antikörper auf die Herzmuskelzellen<br />

durch eine Kreuzvernetzung mit einem kardialen<br />

Fc-Rezeptor vermittelt werden.<br />

Entscheidende IgG 3 -Subklasse: Die einzelnen Immunglobulinklassen<br />

unterscheiden sich funktionell deutlich voneinander.<br />

So gilt die IgG 3 -Subklasse als der stärkste Aktivator<br />

des Komplementsystems. Neueren Befunden zufolge<br />

gehören einige kardiale Autoantikörper zum Teil nur der<br />

IgG 3 -Subklasse an. Eine weitere klinische Studie lässt vermu-<br />

HLA-Klasse-II-<br />

Antigen-Expression<br />

Baseline<br />

HLA-Klasse-II-<br />

Antigen-Expression<br />

nach 3 Monaten<br />

Nach: Staudt A., Schaper F., Stangl V. et al., Immunoh<strong>ist</strong>ological changes in<br />

dilated cardiomyopathy induced by immunoadsorption therapy and subsequent<br />

immunoglobulin substitution. Circulation 2001; 103:2681-2686<br />

Abb. 2: Veränderung der HLA-Klasse-II-Antigen-Expression<br />

eines Patienten vor und nach der Immunadsorptionstherapie<br />

(nach 3 Monaten; 400-fache Vergrößerung)


57<br />

ten, dass die Entfernung der Antikörper der IgG 3 -Subklasse<br />

eine entscheidende Bedeutung für die hämodynamischen Effekte<br />

während der Immunadsorptionstherapie darstellt. Für<br />

eine erfolgreiche Immunadsorption <strong>ist</strong> deshalb die Entfernung<br />

von Antikörpern der IgG 3 -Subklasse entscheidend.<br />

Verbesserung bei Herzinsuffizienz-Prognosemarkern:<br />

Die neurohumoralen Faktoren nt-BNP und nt-ANP stellen<br />

wichtige Prognosemarker bei der Herzinsuffizienz dar. Wir<br />

konnten im Rahmen einer Case-Control-Studie zeigen, dass<br />

durch die Immunadsorptionstherapie diese beiden wichtigen<br />

neurohumoralen Faktoren positiv beeinflusst werden können.<br />

Es <strong>ist</strong> noch unklar, welchen Einfluss die Immunadsorptionstherapie<br />

auf die langfr<strong>ist</strong>ige Prognose (Mortalität und<br />

Morbidität) von DCM-Patienten hat.<br />

■<br />

In klinischen und experimentellen Studien konnte eine Beteiligung<br />

kardialer Autoantikörper bei Pathogenese und Progression<br />

der dilatativen Kardiomyopathie gezeigt werden.<br />

Durch die extrakorporale Elimination von Antikörpern mittels<br />

Immunadsorption kann eine anhaltende Verbesserung der<br />

Linksventrikelfunktion erreicht werden. H<strong>ist</strong>ologisch findet<br />

sich parallel zur Verbesserung der Kontraktilität eine Abnahme<br />

der lymphozytären und leukozytären Infiltration im<br />

Myokard. Obwohl Langzeitbeobachtungen noch ausständig<br />

sind, zeigen bisherige Ergebnisse einen therapeutischen<br />

Erfolg bei Patienten mit dilatativer Kardiomyopathie.<br />

Literatur beim Verfasser<br />

Dear Member;<br />

Following the successes of the very first ISN Nexus Symposium (‘The Bone and the Kidney’ offered in the fall of 2006),<br />

Nexus – Liking Research to Practice - returns:<br />

*** Hypertension and the Kidney, November 29 - December 2, <strong>2007</strong>, Vienna, Austria ***<br />

In alignment with Nexus’ unique format, the core program will incorporate three parallel sessions to update on the very<br />

latest basic and clinical discovery aimed at researchers, physicians and clinicians respectively across the renal, hypertension,<br />

cardiology and endocrinology fields. Mirrored at both levels these basic and clinical sessions will provide<br />

in-depth, rigorous updates on topics such as RAAS and Cardiovascular Risk, Proteinuria and Hypertension, and Diuretics<br />

Revisited.<br />

Specially selected to signpost future directions and concrete solutions in research, treatment methodologies and patient<br />

care, the three translational sessions are offered to all participants, representing a progressive step toward resolving<br />

real day to day clinical challenges. Key themes will address Guyton’s Concept in <strong>2007</strong>, Salt – Regulation Effectors,<br />

and New Methods and Directions.<br />

We can also expect to be inspired and challenged by the eminent group of plenary speakers who will collectively map<br />

the relevance of Arthur C. Guyton’s pioneering work in both present and future contexts. Setting the stage and the pace<br />

for the entire meeting, the opening plenary will be delivered by John E. Hall (USA) on Renal-Pressure Natriuresis – An<br />

Infinite Gain Feedback Mechanism for Long-Term Blood Pressure Regulation<br />

*** For the detailed program, submit an abstract and reg<strong>ist</strong>er online please visit:<br />

http://www.isn-online.org/nexus/hypertension ***<br />

*** Abstract submission closes: June 15, <strong>2007</strong> ***<br />

To contribute to this conversation on the kidney’s causal role in hypertension leading to end-organ damage and kidney<br />

failure and join us for 3 days’ exploration into the kidney-hypertension cross-talk, we invite you to submit your abstract<br />

and reg<strong>ist</strong>er today.<br />

As symposium Co-Chairs, we look forward to welcoming you, your colleagues and peers to the spectacular city of<br />

Vienna to enjoy this inspiring and insightful ISN Nexus meeting.<br />

Friedrich Luft, Germany<br />

Giuseppe Mancia, Italy<br />

Bernard Rossier, Switzerland<br />

Should you require any additional information surrounding ISN Nexus Symposia or have any specific queries or questions,<br />

please do not hesitate in contacting ISN’s Nexus Symposia Manager, Michael Podt, directly: Tel: +32 2 743 4417,<br />

Fax: +32 2 743 1550, Email: mailto:info@isn-online.org.


58<br />

Extrakorporale Therapie<br />

bei multipler Sklerose<br />

Univ.-Prof. Dr. Karl Vass<br />

Universitätsklinik für Neurologie, Medizinische Universität Wien<br />

Aus neuropathologischen Untersuchungen weiß man,<br />

dass bei etwa 50 % der Patienten Antikörper eine<br />

wichtige pathogenetische Rolle spielen. Eine Reihe<br />

von Strukturen, insbesondere solche, die an der Oberfläche<br />

der Myelinscheiden exprimiert werden, wie etwa das Myelin-Oligodendrozyten-Glykoprotein<br />

(MOG), aber auch<br />

andere werden als relevante Antigene diskutiert. Endgültige<br />

Beweise stehen aber leider aus.<br />

Pathophysiologie und Klinik: Die multiple Sklerose <strong>ist</strong> eine<br />

zu Beginn me<strong>ist</strong> schubförmige, in weiterer Folge häufig auch<br />

progredient verlaufende entzündliche Erkrankung des zentralen<br />

Nervensystems. Die Entzündung führt zu Schädigung<br />

der Myelinscheiden sowie bei vielen Betroffenen in weiterer<br />

Folge auch zu axonalen Läsionen. Zu Grunde liegen vermutlich<br />

autoimmune Mechanismen, wobei das Zusammenspiel<br />

von T-Zell- und Antikörper-mediierten Mechanismen postuliert<br />

wird.<br />

Therapiestandard: Akute Verschlechterungen der multiplen<br />

Sklerose werden mit hochdosierten Steroidinfusionen behandelt.<br />

Interferon-beta-Präparate und Glatiramer-Azetat sind<br />

als immunmodulierende Substanzen zur Therapie im Schubintervall<br />

allgemein üblich. Bei Progredienz der Erkrankung<br />

unter Immunmodulation <strong>ist</strong> der die Lymphozytenmigration<br />

durch die Blut-Hirn-Schranke verhindernde VLA4-Antikörper<br />

bzw. die Immunsuppression mit dem Zytostatikum Mitoxantron<br />

zugelassen.<br />

Plasmapherese bei multipler Sklerose<br />

Extrakorporaler Plasmaaustausch wird seit vielen Jahren zu<br />

Behandlung der multiplen Sklerose diskutiert. Ursprünglich<br />

zur Beeinflussung schwerwiegender Verläufe in Kombination<br />

mit Immunsuppression und Steroiden vorgeschlagen, hat der<br />

Plasmaaustausch in den letzten Jahren zur Behandlung akuter<br />

steroidrefraktärer Schübe wieder vermehrt Aufmerksamkeit<br />

bekommen.<br />

Signifikante Symptomverbesserung: In einer Placebo-kontrollierten<br />

Crossover-Studie verbesserten sich 42 % der Patienten<br />

nach Plasmapherese signifikant<br />

zum Ausgangsbefund. Die me<strong>ist</strong>en<br />

Patienten sprachen nach dem 3.<br />

oder 4. Plasmaaustausch an. Ähnliche<br />

Ergebnisse fanden sich auch in einer<br />

offenen Studie an 10 Patienten mit<br />

isolierter Retrobulbär-Neuritis. In<br />

einem medianen Beobachtungszeitraum<br />

von über 450 Tagen zeigten alle<br />

Patienten eine Verbesserung im Vergleich<br />

zum Ausgangsbefund.<br />

Univ.-Prof. Dr.<br />

Karl Vass<br />

Nur bei Antikörper-vermitteltem Mechanismus effektiv<br />

Eine weitere Studie mit Patienten, von denen Biopsien ihrer<br />

MS-Läsionen vorlagen, zeigte, dass Plasmaaustausch nur bei<br />

jenen Patienten wirksam <strong>ist</strong>, bei denen in der Biopsie ein Antikörper-vermittelter<br />

Mechanismus der Entmarkung nachweisbar<br />

war.<br />

Auch für die Neuromyelitis optica (NMO, Devic-Syndrom),<br />

eine Variante der MS, bei der vermutlich Antikörper<br />

gegen den <strong>Was</strong>serkanal Aquaporin 4 eine zentrale Rolle spielen,<br />

konnte die Wirksamkeit des Plasmaaustausches in einer<br />

kleinen Studie belegt werden.<br />

Rezidivprophylaxe: Häufig kommt es allerdings bereits<br />

kurze Zeit nach Plasmaaustausch-Behandlungen zu neuerlichen<br />

Verschlechterungen der klinischen Symptomatik. Aus<br />

diesem Grund <strong>ist</strong> me<strong>ist</strong> eine immunmodulierende bzw. immunsuppressive<br />

Behandlung im Anschluss an die Plasmapherese<br />

notwendig.<br />

Immunadsorption bei multipler Sklerose<br />

Immunadsorption wird wegen der besseren Verträglichkeit<br />

und wegen der längerfr<strong>ist</strong>igen Anwendbarkeit in vielen Indikationen,<br />

bei denen eine Wirksamkeit der Plasmapherese<br />

etabliert <strong>ist</strong>, als Alternative vorgeschlagen.<br />

Einzelfallbeschreibungen und Fallserien: Zur Behandlung<br />

der MS sind nur Einzelfallbeschreibungen und kleine


59<br />

Fallserien mit insgesamt etwa 40 Fällen publiziert.<br />

In einer Fallserie wurden 12 Patienten<br />

mit schubförmiger und sekundär progredienter<br />

multipler Sklerose innerhalb von<br />

3 Monaten mit jeweils insgesamt 14 Immunadsorptionen<br />

behandelt. Es wird eine signifikante<br />

Verbesserung der neurologischen<br />

Symptome beschrieben, die etwa 3 Monate<br />

nach Beendigung der Behandlungen anhielt.<br />

10 der 12 Patienten blieben auch noch<br />

innerhalb des weiteren Beobachtungszeitraums<br />

von 1 Jahr stabil.<br />

■<br />

Leider liegen zur Immunadsorption derzeit keine kontrollierten Studien vor. Auch<br />

<strong>ist</strong> die Fallzahl der inkludierten Patienten viel zu gering und die Beobachtungszeiträume<br />

der einzelnen Fallserien sind viel zu kurz, um definitive Aussagen über<br />

die Wirksamkeit machen zu können. Weitere, größere und länger andauernde<br />

und vor allem kontrollierte Studien sind also notwendig, um den Stellenwert der<br />

Immunadsorption in der Behandlung der multiplen Sklerose endgültig beurteilen<br />

zu können. Bis dahin sollte die Methode nur in ausgewählten, gut begründeten<br />

Einzelfällen und im Rahmen prospektiver Studienprotokolle durchgeführt werden.


60<br />

Rheopherese bei Makuladegeneration<br />

Prof. Dr. med. Reinhard Klingel<br />

Apherese ForschungsInstitut, Köln<br />

Die Rheopherese <strong>ist</strong> ein Verfahren der therapeutischen<br />

Apherese zur Behandlung von Mikrozirkulationsstörungen.<br />

Methode: Die zugrunde liegende Methodik der Doppelfiltrations-Plasmapherese<br />

wurde für die Rheopherese optimiert,<br />

um ein definiertes Spektrum hochmolekularer Plasmaproteine<br />

simultan aus dem Blutplasma zu entfernen (Abb. 1).<br />

Spezielle Erkenntnisse der ultrastrukturellen Membran-<br />

Technologie führten zuletzt zur Entwicklung des Polysulfon-<br />

Rheofilters, der dieses Filtrationsziel sehr gut realisiert.<br />

Möchte man pathologisch stark erhöhte Protein-Fraktionen<br />

innerhalb dieses Molekülspektrums filtrieren, z. B. bei der<br />

schweren Hypercholesterinämie, bieten andere Membranen<br />

Vorteile. Der unmittelbare Effekt der Rheopherese <strong>ist</strong> eine<br />

pulsartige Veränderung der intravaskulären Rheologie durch<br />

Absenkung der Blut- und Plasmaviskosität und der Zellaggregation.<br />

Postulierter Effekt bei Mikrozirkulationsstörungen: Eine<br />

Serie derartiger gepulster Plasmaveränderungen kann dauerhafte<br />

funktionelle Korrekturen von Mikrozirkulationsstörungen<br />

bewirken. Entsprechend diesen Vorstellungen<br />

kann die Rheopherese bei Krankheiten eingesetzt werden, an<br />

deren Entstehung und Fortschreiten<br />

eine Störung der Mikrozirkulation beteiligt<br />

<strong>ist</strong>. Diese Hypothese wird<br />

durch Studienergebnisse bei Patienten<br />

mit altersabhängiger Makuladegeneration<br />

(AMD), ischämisch-diabetischem<br />

Fuß, kritischer Extremitätenischämie<br />

und akutem Hörverlust<br />

vielfältig belegt.<br />

Indikation altersabhängige<br />

Makuladegeneration (AMD)<br />

Prof. Dr. med.<br />

Reinhard Klingel<br />

Die aktuell wichtigste Indikation der Rheopherese stellt die<br />

AMD dar, eine Erkrankung der Netzhaut des Auges, die zum<br />

Verlust des zentralen Sehens führt und in Europa und Nordamerika<br />

inzwischen die häufigste Ursache der Erblindung<br />

über dem 50. Lebensjahr darstellt.<br />

Pathophysiologie: Die AMD we<strong>ist</strong> Charakter<strong>ist</strong>ika einer<br />

Mikrozirkulationsstörung auf, die Wechselwirkungen von<br />

retinalem Pigmentepithel, Bruch’scher Membran und<br />

choroidalem Gefäßnetz in Form von entzündlichen Veränderungen,<br />

Akkumulationsprozessen und Permeabilitäts-<br />

Zur Verfügung gestellt vom Rheopherese-Zentrum Köln mit Zustimmung der abgebildeten Personen<br />

Abb. 1: Rheopherese: schematische Darstellung des extrakorporalen Kreislaufs (links); Durchführung in der Praxis (rechts)


61<br />

störungen betrifft. Die Rheopherese greift direkt bei pathophysiologisch<br />

relevanten Faktoren der AMD an: Absenkung<br />

der Plasmaviskosität, Elimination von Fibrinogen, Cholesterin,<br />

Willebrand-Faktor, Alpha-2-Makroglobulin und<br />

multimerem Vitronektin. Bei einem Patienten mit AMD<br />

besteht eine Funktionsreserve seiner Netzhaut, die durch<br />

die individuelle Ausprägung reversibler und irreversibler<br />

funktioneller und morphologischer Netzhautveränderungen<br />

festgelegt wird. Die Regenerationsfähigkeit <strong>ist</strong> abhängig<br />

vom Ausmaß der morphologischen Netzhautschädigung<br />

und Mikrozirkulationsstörung auf zellulärer und molekularer<br />

Ebene. Der Spontanverlauf der AMD <strong>ist</strong> chronisch<br />

progredient, d. h. der Anteil irreversibler Schädigungen<br />

nimmt mit der Krankheitsdauer zu. Das Ziel der Rheopherese<br />

<strong>ist</strong> es, die Funktionsreserve zu aktivieren bzw. zu stabilisieren.<br />

Klinik: Klinisch lassen sich zwei Formen der AMD unterscheiden,<br />

die auch einen stadienhaften Zusammenhang aufweisen:<br />

die trockene und feuchte AMD. Die trockene Form<br />

stellt mit ca. 80 % die häufigste Manifestation dar und <strong>ist</strong><br />

durch protein- und lipidhaltige Ablagerungen (Drusen) im<br />

Bereich der Bruch’schen Membran oder im Spätstadium<br />

durch atrophische Prozesse gekennzeichnet. Gefäßneubildungen<br />

in der Netzhaut charakterisieren die feuchte Form der<br />

AMD.<br />

Die feuchte AMD verursacht in der Regel eine schwere Sehbeeinträchtigung,<br />

aber auch Patienten mit trockener AMD<br />

können derart eingeschränkt sein. Anzahl, Größe, Konfluenz<br />

und beidseitiges Auftreten von Drusen sind prognostisch<br />

ungünstig für den weiteren Visusverlust und die Progression<br />

zur feuchten AMD. Patienten mit feuchter AMD in einem<br />

Auge und weichen Drusen im zweiten, in der Regel noch besser<br />

sehenden Auge stellen eine besondere Hochrisikogruppe<br />

dar. Lasertherapie, photodynamische Therapie, Operation<br />

und Angiogeneseinhibitoren stehen zur Behandlung der<br />

feuchten AMD zur Verfügung. Die einzige vorbeugende<br />

Maßnahme für Patienten mit trockener AMD <strong>ist</strong> die<br />

langjährige Gabe einer Vitaminkombination (Antioxidantien),<br />

ergänzt durch Zink und Lutein. Die Rheopherese stellt<br />

gegenwärtig das einzige Angebot einer interventionellen Therapie<br />

für Patienten mit trockener AMD dar, für das positive<br />

Studiendaten und kongruente Ergebnisse aus der praktischen<br />

Anwendung vorliegen.<br />

Klinischer Stellenwert der<br />

Rheopherese bei AMD<br />

Klinische Studien in Deutschland und eine FDA-Pilotstudie<br />

in den USA haben in den 90er Jahren die Grundlagen<br />

für den Therapieansatz der Rheopherese bei AMD erarbeitet.<br />

Patienten mit in %<br />

60 -<br />

50 -<br />

40 -<br />

30 -<br />

20 -<br />

10 -<br />

0 -<br />

46,7 %<br />

12 Monate<br />

12,0 %<br />

p < 0,01<br />

Abb. 2: Patienten der MIRA-1-Studie mit Ausgangsvisus von<br />

< 0,5 (Rheo-Gruppe n = 47, Schein-Apherese-Gruppe n = 24<br />

bei 2:1-Randomisierung), die sich im Laufe der Studie auf 0,5<br />

verbesserten. Der mittlere Unterschied der Kategorien < 0,5<br />

und 0,5 betrug 2 Linien der ETDRS-Lesetafel.<br />

Die erste randomisierte kontrollierte Studie wurde an der<br />

Universitätsaugenklinik in Köln durchgeführt. Die Rheopherese-Gruppe<br />

hatte, gemessen mit der ETDRS-Lesetafel, im<br />

Mittel eine Verbesserung des Sehvermögens und nach 3 Monaten<br />

eine signifikante Verbesserung des natürlichen Verlaufs<br />

der Erkrankung im Vergleich zur unbehandelten Kontrollgruppe.<br />

Studienaugen mit weichen Drusen wiesen das beste<br />

Therapieergebnis auf.<br />

MIRA-1-Studie: Die in den USA multizentrisch, doppelt<br />

verblindet und placebokontrolliert (Schein-Apherese)<br />

durchgeführte MIRA-1-Studie baute auf diesen Ergebnissen<br />

auf und untersuchte Patienten in einem Hochrisikostadium<br />

der trockenen AMD. Im Rahmen der Endauswertung der<br />

Studie mussten aufgrund fehlerhafter Studiendurchführung<br />

Patienten im Nachhinein ausgeschlossen werden, und die zur<br />

FDA-Zulassung erforderliche Patientenzahl wurde nicht erreicht.<br />

Die Ergebnisse der 121 komplett auswertbaren Patienten<br />

der Studie (MPP, modified per protocol population)<br />

bestätigten, dass die Rheopherese eine sichere und wirksame<br />

Behandlung für ausgewählte Patienten mit trockener AMD<br />

<strong>ist</strong>. Erstmals konnte mit den MIRA-1-Ergebnissen placebokontrolliert<br />

gezeigt werden, dass der natürliche Verlauf der<br />

trockenen AMD durch eine einmalige Therapieserie über<br />

einen Zeitraum von 12 Monaten signifikant verbessert wird.<br />

Nach 12 Monaten fand sich eine mittlere Sehverbesserung<br />

von ca. einer Linie bei 47 % vs. 18 % (p < 0,02) der Patienten,<br />

von 2 Linien bei 28 % vs. 9 % (p < 0,02) zugunsten<br />

der Rheopherese-Gruppe. Von den Patienten, die zu Beginn<br />

der Studie ein Sehvermögen schlechter als 0,5 hatten, lagen<br />

46,7 % nach 12 Monaten oberhalb dieser Grenze, die in


62<br />

den USA über die Fahrtüchtigkeit entscheidet. Dies war nur<br />

bei 12,5 % der Augen in der Placebogruppe der Fall (Abb. 2)<br />

(p < 0,01). Weiterhin wurde in der MIRA-1-Studie anhand<br />

eines standardisierten Fragebogens (VFQ25) eine signifikante<br />

Verbesserung der visusbezogenen Lebensqualität der Rheopherese-Patienten<br />

dokumentiert.<br />

Mit dem Ziel der FDA-Zulassung <strong>ist</strong> nun in <strong>2007</strong> der<br />

Startschuss für die internationale RHEO-AMD-Studie<br />

unter Aufsicht der FDA und Beteiligung von Studienzentren<br />

in den USA, Kanada und Deutschland gefallen. Bei 300<br />

Patienten soll die Wirksamkeit der Rheopherese einwandfrei<br />

doppelt verblindet und placebokontrolliert dokumentiert<br />

werden.<br />

Umfangreiche Erfahrungen an deutschen Zentren: Über<br />

die erwähnten Studien hinaus verfügen die Universitäts-Augenklinik<br />

in Köln und weitere Zentren in Deutschland inzwischen<br />

über umfangreiche Erfahrungen mit der Rheopherese<br />

bei AMD. Ergebnisse der Kölner Universitätsklinik von<br />

ca. 300 Patienten schließen auch Patienten ein, die inzwischen<br />

über mehr als 4 Jahre behandelt wurden und zeigen,<br />

dass der Therapieeffekt bei geeigneten Patienten mit wenigen<br />

Wiederholungsbehandlungen über viele Jahre stabilisiert<br />

werden kann.<br />

Außerhalb klinischer Studien werden Patienten im Rahmen<br />

eines interdisziplinären Qualitätssicherungskonzeptes<br />

behandelt, dessen wesentlicher Bestandteil das RheoNet-Reg<strong>ist</strong>er<br />

darstellt. Anfang <strong>2007</strong> lag die Zahl der im RheoNet-<br />

Reg<strong>ist</strong>er dokumentierten Rheopherese-Behandlung bei fast<br />

7.000. Hierunter knapp 6.000 Behandlungen bei ca. 750<br />

AMD-Patienten. Die AMD-Patienten hatten ein mittleres<br />

Alter von 76 Jahren. Die Nebenwirkungsrate <strong>ist</strong> auch bei diesen<br />

hochbetagten Patienten äußerst gering, und es <strong>ist</strong> keine<br />

Zunahme unerwünschter Ereignisse mit zunehmendem Lebensalter<br />

festzustellen. Nur 0,5 % der Behandlungen mussten<br />

wegen einer Nebenwirkung vorzeitig beendet werden,<br />

hierunter die transiente Hypotension als häufigste. Die mittleren<br />

Therapieergebnisse bezüglich des Sehvermögens<br />

decken sich sehr gut mit den Studienergebnissen.<br />

Empfehlungen für die Praxis<br />

Unter Würdigung aller zur Verfügung stehenden Daten <strong>ist</strong><br />

es daher gerechtfertigt, nach ophthalmologischer Indikationsstellung<br />

die Rheopherese in der Praxis anzubieten. Folgende<br />

Empfehlung für den Einsatz in der ambulanten Praxis wurde<br />

von der deutschen Expertengruppe formuliert, hierunter die<br />

Universitätsaugenkliniken in Köln, Frankfurt und Aachen:<br />

1. Das zu behandelnde Auge hat den Befund einer trockenen<br />

AMD mit weichen Drusen, Pigmentverschiebungen<br />

oder gering ausgeprägter Atrophie; subjektiv oder objektiv<br />

fortschreitender Visusverlust mit Leidensdruck; Visus<br />

0,6–0,1.<br />

2. Späte AMD am Partnerauge <strong>ist</strong> keine Kontraindikation,<br />

kontraindiziert bei Exsudation, Blutung, fortgeschrittener<br />

Atrophie oder Fibrose.<br />

3. Die initiale Behandlungsserie besteht aus 8 Behandlungen;<br />

jeweils 2 Behandlungen innerhalb einer Woche, gefolgt<br />

von einer 2-wöchigen Therapiepause. Nach 12 Monaten<br />

sollte die Notwendigkeit von Wiederholungsbehandlungen<br />

überprüft werden.<br />

■<br />

Literatur:<br />

Weiterführende Literatur zum Thema <strong>ist</strong> zu finden in der Online-Bibliothek<br />

des Apherese ForschungsInstituts (www.apheresis-research.org).<br />

IMPRESSUM<br />

Verlag: MEDMEDIA Verlag und Mediaservice Ges.m.b.H. Herausgeber: Österreichische Gesellschaft für <strong>Nephrologie</strong>, Univ.-Prof. Dr. Gert Mayer und<br />

ao. Univ.-Prof. Dr. Alexander Rosenkranz, Klinische Abteilung für <strong>Nephrologie</strong>, Universitätsklinik für Innere Medizin, Innsbruck. Chefredakteur: ao. Univ.-<br />

Prof. Dr. Sabine Schmaldienst, ao. Univ.-Prof. Dr. Kurt Derfler, Klinische Abteilung für <strong>Nephrologie</strong> und Dialyse, Universitätsklinik für Innere Medizin III,<br />

Medizinische Universität Wien. Anzeigen/Organisation: MEDMEDIA Verlag und Mediaservice Ges.m.b.H., Alser Straße 21/8, 1080 Wien, Tel.: 01/407 31 11.<br />

Projektleitung: Friederike Maierhofer. Produktion: Alexandra Kogler. Redaktion: Susanne Hinger, Peter Lex. Layout/DTP: Martin Grill. Lektorat: Peter Lex.<br />

Druck: Bauer Druck, Wien. Druckauflage: 8.000 Stück im 1. Quartal <strong>2007</strong>, geprüft von der Österreichischen Auflagenkontrolle. Bezugsbedingungen: Die<br />

Zeitschrift <strong>ist</strong> zum Einzelpreis von Euro 6,50 plus Mwst. zu beziehen. Grundsätze und Ziele von NephroScript: Information für nephrologisch interessierte<br />

Krankenhaus- und niedergelassene Ärzte. Angaben über Dosierungen, Applikationsformen und Indikationen von pharmazeutischen Spezialitäten müssen vom<br />

jeweiligen Anwender auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Herausgeber und Medieninhaber übernehmen dafür keine Gewähr. Literatur zu den Fachbeiträgen<br />

bei den jeweiligen Autoren. Allgemeine Hinweise: Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben die persönliche und/oder wissenschaftliche<br />

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Trotz sorgfältiger Prüfung übernehmen Medieninhaber und Herausgeber keinerlei Haftung für drucktechnische und inhaltliche Fehler.


MEDAKTUELL<br />

63<br />

PERITONEALDIALYSE<br />

20 Prozent sind das Ziel<br />

Redaktion: Mag. Andrea Weiss, MedMedia<br />

Im Rahmen eines Symposiums * mit einer Reihe von Fachvorträgen<br />

wurde das 20-jährige Bestehen des Peritonealdialyse-Programms<br />

am Wilhelminenspital gefeiert.<br />

Insgesamt 7.242 Patienten in Österreich unterzogen sich im<br />

Jahr 2005 einer Nierenersatztherapie (Hämodialyse, Peritonealdialyse,<br />

Transplantation). Von den 3.742 Dialysepatienten<br />

wurden allerdings nur 290 mittels Peritonealdialyse (PD)<br />

behandelt. Damit liegt der Anteil deutlich unter dem europäischen<br />

Niveau von 20 %. 92 der 290 PD-Patienten leben<br />

in Wien bzw. werden dort behandelt, ein wesentlicher<br />

Anteil davon, nämlich 30 bis 40 Patienten, am Wilhelminenspital.<br />

Peritonealdialyse im Kurzüberblick<br />

Bei der kontinuierlichen ambulanten Peritonealdialyse<br />

(CAPD) werden über einen fix in die Bauchdecke implantierten<br />

Katheter 2–2,5 l Dialyseflüssigkeit aus einem sterilen<br />

Beutel in den freien Bauchraum instilliert. Aufgrund des<br />

Konzentrationsgefälles diffundieren harnpflichtige Substanzen<br />

aus dem Blut in die Dialyseflüssigkeit, wobei das Peritoneum<br />

als Membran fungiert. Der Austausch von Natrium<br />

und <strong>Was</strong>ser erfolgt über einen osmotischen Gradienten zur<br />

Dialyseflüssigkeit.<br />

Der Katheter wird im Rahmen eines 2- bis 3-tägigen stationären<br />

Aufenthaltes (möglichst durch einen erfahrenen<br />

Bauchchirurgen) implantiert. Den Wechsel der Dialyseflüssigkeit<br />

führt der Patient nach seiner Entlassung aus dem Spital<br />

alle 4 bis 6 Stunden zu Hause durch. Bei der automatisierten<br />

PD (APD) erfolgt das Wechseln des Dialysats – me<strong>ist</strong><br />

in der Nacht – durch ein Dialysegerät (Cycler). Kontrollen<br />

in der Dialyseambulanz sind im Normalfall monatlich vorgesehen.<br />

Das Verhältnis der Patienten mit CAPD zu jenen<br />

mit APD beträgt etwa 3:1.<br />

Bezüglich Patientenüberleben kann kein Unterschied zwischen<br />

PD und HD festgestellt werden. Die PD bietet im<br />

Vergleich zur Hämodialyse einige Vorteile: neben dem längeren<br />

Erhalt der Restnierenfunktion und einer weniger restriktiven<br />

Diät bestehen diese in einer größeren Flexibilität<br />

und Unabhängigkeit von medizinischen Einrichtungen. Allerdings<br />

setzt sie auch ein Maß an Eigenverantwortung des<br />

Patienten voraus, weshalb diese sorgfältig selektiert werden<br />

müssen.<br />

Für wen <strong>ist</strong> die CAPD geeignet<br />

„Ausschlaggebend für die Indikation zur CAPD sind heute<br />

weniger medizinische Gründe als vielmehr psychosoziale<br />

Aspekte“, erklärt Univ.-Prof. Dr. Paul König, Univ.-Klinik<br />

für Innere Medizin, Innsbruck. Zu den bekannten medizinischen<br />

Indikationen für eine CAPD zählen fehlende Gefäßzugänge,<br />

die eine Hämodialyse erschweren, Diabetes mellitus,<br />

kardiovaskuläre Instabilität und Heparinunverträglichkeit.<br />

Darüber hinaus sind aber Eigenschaften wie Verantwortungsgefühl,<br />

Gelassenheit, Freiheitsbegriff und ein geordnetes<br />

soziales Umfeld unabdingbare Merkmale des „idealen Patienten“<br />

für die CAPD, so König. Entscheidend sei auch, ob<br />

der Partner bzw. die Familie hinter der Entscheidung zur<br />

CAPD steht. „Die Entscheidung zur CAPD <strong>ist</strong> dann <br />

Entwicklung der Dialyse im Wilhelminenspital<br />

1965 Beginn der Hämodialyse<br />

1968 1. Nierentransplantation<br />

1976 Aufbau der Heim-Dialyse<br />

1987 Start des Peritonealdialyse-Programms


64<br />

MEDAKTUELL<br />

Portugal<br />

Germany<br />

Austria<br />

Spain<br />

Ireland<br />

Switzerland<br />

Belgium<br />

Baltic<br />

Norway<br />

UK<br />

Finland<br />

Sweden<br />

Denmark<br />

Holland<br />

5,2<br />

5,4<br />

8,7<br />

9,7<br />

9,7<br />

9,9<br />

11,3<br />

13,6<br />

20,2<br />

20,9<br />

21,0<br />

21,7<br />

23,9<br />

27,1<br />

-<br />

-<br />

-<br />

-<br />

-<br />

-<br />

-<br />

0,0 5,0 10,0 15,0 20,0 25,0 30,0<br />

Nach: Keith D.S., Nichols G.A., Gullion C.M. et al., Arch Intern Med 2004; 164:659-663<br />

Abb.: Prävalenz der Peritonealdialyse in Europa, April <strong>2007</strong> in %<br />

richtig, wenn der Patientenwunsch besteht, das Dialyse-Personal<br />

überzeugt <strong>ist</strong> und keine Kontraindikation besteht“, fasst<br />

Elisabeth Moser, 6. Medizinische Abteilung, Wilhelminenspital,<br />

zusammen. Der höchste Anteil von Patienten unter<br />

PD im Vergleich zur Hämodialyse (HD) findet sich, so OA<br />

Dr. Walter Manker, 6. Medizinische Abteilung, Wilhelminenspital,<br />

in der Altersgruppe von 65–70 Jahren.<br />

Zur Entscheidung für eine Hämodialyse könnte der Gewinn<br />

eines „sozialen Netzes“ durch das regelmäßige Aufsuchen des<br />

Krankenhauses beitragen, „von dem erfahrungsgemäß z. B.<br />

betagte alleinstehende Personen profitieren“, so König.<br />

Voraussetzungen für ein<br />

erfolgreiches CAPD-Programm<br />

Eine erfolgreiche CAPD <strong>ist</strong> laut Moser definiert durch die<br />

Zufriedenheit des Patienten (durch Beibehalten des adäquaten<br />

Lebensstils, der beruflichen Tätigkeit u. a.), gute Dialysequalität<br />

(Urämiefreiheit) und niedrige Infektionsraten (Peritoneum,<br />

Katheteraustrittsstelle).<br />

Einen wesentlichen Beitrag le<strong>ist</strong>et die Sozialanamnese, die bereits<br />

im Rahmen des ersten Informationsgespräches erhoben<br />

wird. Erfasst werden dabei neben dem aktuellen Ist-Zustand<br />

das soziale Umfeld, die Wohnungsgröße (Wohnungen unter<br />

25 m 2 bieten zu wenig Platz, um ausreichend Dialysat-Beutel<br />

zu lagern), die körperlichen Aktivitäten, Berufstätigkeit<br />

bzw. Verpflichtungen und Urlaubsgewohnheiten.<br />

Ebenfalls wesentlich zum Erfolg trägt die umfassende Patientenschulung<br />

bei, die an der Dialyseeinheit etwa am 2. bis<br />

3. Tag nach der Katheterimplantation beginnt. Dabei werden<br />

nicht nur die manuellen Handgriffe inklusive Händedesinfektion<br />

und Pflege der Katheteraustrittsstelle genau erklärt<br />

und zunächst im „Trockentraining“ geübt, sondern<br />

auch theoretisches Wissen zur Funktionsweise der CAPD,<br />

klinischen Zeichen von Komplikationen (Infektion, Überwässerung<br />

etc.) sowie Empfehlungen zu Ernährung und<br />

Trinkverhalten vermittelt.<br />

Der Patient wird dann nach Hause entlassen, wenn er sich<br />

im Umgang mit seiner Therapie sicher fühlt und wenn auch<br />

das PD-Team davon überzeugt <strong>ist</strong>. Die Kontrollen sowie das<br />

Management etwaiger Komplikationen erfolgen in der Dialyse-Ambulanz.<br />

Qualitätsmanagement<br />

Zur Sicherung der Qualität sollten, so Univ.-Prof. Dr.<br />

Vychytil, 6. Universitätsklinik für Innere Medizin III, Abteilung<br />

für <strong>Nephrologie</strong> und Dialyse, Wien, gewisse Standards<br />

etwa in der Pflege der Katheteraustrittsstelle und beim Erreichen<br />

von Zielwerten eingehalten werden. Europäische und internationale<br />

Guidelines geben dazu Vorschläge, die allerdings<br />

zum Teil Evidenzklasse A aufweisen und in manchen Punkten<br />

große Freiheiten einräumen.<br />

Gertrude Kopriva-Altfahrt, 6. Medizinische Abteilung,<br />

Wilhelminenspital, präsentierte die Ergebnisse einer Umfrage<br />

zur Katheteraustrittsstellenpflege im Jahr 2006, an der alle<br />

23 österreichischen PD-Zentren teilnahmen. Die Umfrage<br />

zeigte, dass zwar unterschiedliche Kathetermodelle und Pflegemethoden<br />

zum Einsatz kommen, die sich allerdings bei<br />

sorgfältigem Vorgehen kaum hinsichtlich Erfolg bzw. Komplikationsrate<br />

unterscheiden.<br />

Zukunftsaspekt: breiterer Zugang<br />

Ebenso wie die anderen Experten fordert OA Dr. Ursula<br />

Lang, 6. Medizinische Abteilung, Wilhelminenspital, künftig<br />

einen breiteren Zugang zur PD, der vor allem durch bessere<br />

Information sowohl der Ärzte als auch der Bevölkerung


MEDAKTUELL<br />

65<br />

unterstützt werden könnte. Der Hausarzt sei als erster Ansprechpartner<br />

involviert, der u. a. zum geeigneten Zeitpunkt<br />

den Kontakt zu einem Nephrologen suchen sollte.<br />

Außerdem sollten weitere Patientengruppen verstärkt<br />

mittels CAPD behandelt werden. Beispielsweise profitieren<br />

Patienten mit (terminaler) Herzinsuffizienz von der<br />

CAPD: „Die Hospitalisierungsrate sinkt und das NYHA-<br />

Stadium verbessert sich“, erläutert Lang die Daten. Auch<br />

Patienten in Pflegeheimen könnten zunehmend adressiert<br />

werden. Weitere Verbesserungen seien durch innovative<br />

biokompatible Dialyselösungen zu erwarten, die das Risiko<br />

für den Verlust der Restnierenfunktion weiter senken<br />

könnten.<br />

Lang we<strong>ist</strong> auch darauf hin, dass eine Kombination von Peritoneal-<br />

und Hämodialyse, bei der gewechselt wird, unter<br />

entsprechenden Voraussetzungen ein gangbarer Weg sei.<br />

Nicht zuletzt wünscht sich Lang eine breitere Information<br />

über die Therapieform der PD – sowohl unter den Ärzten<br />

als auch in der Bevölkerung.<br />

■<br />

* 20 Jahre Peritonealdialyse am Wilhelminenspital: „Peritonealdialyse – mehr als eine<br />

attraktive Alternative. Steigerung auf europäisches Niveau angestrebt“, Mai <strong>2007</strong>,<br />

Wien<br />

INTERVIEW<br />

Steigerung auf<br />

europäisches Niveau angestrebt<br />

Prim. Univ.-Prof. Dr. Josef Kovarik<br />

Vorstand der 6. Medizinischen Abteilung mit <strong>Nephrologie</strong> und Dialyse,<br />

Wilhelminenspital der Stadt Wien<br />

„Die Peritonealdialyse hat als Alternative zur Hämodialyse<br />

noch nicht den Stellenwert, den sie verdient.“<br />

Prim. Univ.-Prof. Dr.<br />

Josef Kovarik<br />

Herr Prof. Kovarik, warum setzen Sie sich für die stärkere<br />

Verbreitung der Peritonealdialyse in Österreich ein<br />

Prim. Univ.-Prof. Josef Kovarik: Die Peritonealdialyse bietet<br />

als Alternative zur Hämodialyse bei gut selektionierten<br />

Patienten entscheidende Vorteile: Die Patienten sind wesentlich<br />

flexibler, sie müssen sich keiner restriktiven Diät<br />

unterziehen wie bei der Hämodialyse, und die Restnierenfunktion<br />

bleibt erhalten. Die Vorteile kommen besonders<br />

dann zum Tragen, wenn die PD initial vom Beginn der Dialysepflicht<br />

an eingesetzt wird. Während Österreich bezüglich<br />

Nierentransplantation im gesamteuropäischen Vergleich<br />

weit vorne liegt, <strong>ist</strong> die PD trotz ihrer positiven Aspekte unterrepräsentiert:<br />

Beträgt der Anteil der PD in Europa ca.<br />

20 %, sind es in Österreich nur etwa 9 %.<br />

Bei Ihnen im Wilhelminenspital beträgt der Anteil der<br />

PD-Patienten bereits jetzt deutlich über 20 %, worauf<br />

führen Sie das zurück<br />

Im Wilhelminenspital wurde vor 20 Jahren ein PD-Programm<br />

mit 15 Patienten gestartet. Man blickt hier aber<br />

nicht nur auf eine lange Tradition der PD zurück, sondern<br />

verfügt verbunden damit auch über eine entsprechende Expertise.<br />

Darüber hinaus sind wir auch strukturell sehr gut<br />

auf die Betreuung von Patienten mit PD eingerichtet; so<br />

verfügen wir über eigenes, speziell geschultes Personal, das<br />

diese Patienten umfassend betreut, was unter anderem so<br />

wichtige Aspekte wie die Patientenschulung beinhaltet. Ich<br />

freue mich, dass ich vor nunmehr 4 Jahren eine intakte PD-<br />

Einheit übernehmen konnte, die ich mittlerweile auf ca. 40<br />

Patienten ausbauen konnte.<br />

Aktuell werden die Strukturen für einen weiteren Ausbau<br />

der PD geschaffen<br />

Ja, derzeit befindet sich ein Neu- bzw. Zubau zur Erweiterung<br />

der PD-Ambulanz in Bau, der im Jahr 2008 in Betrieb<br />

geht. Mit dieser räumlichen Erweiterung werden auch<br />

strukturelle und personelle Verbesserungen einhergehen, die<br />

es uns ermöglichen, unser PD-Programm weiter auszubauen.<br />

Mittelfr<strong>ist</strong>ig werden wir in der Lage sein, 60 bis 80<br />

PD-Patienten zu betreuen.<br />

<strong>Was</strong> <strong>ist</strong> Ihr weiteres Ziel<br />

Mein Ziel <strong>ist</strong>, dass der Anteil an PD-Patienten nicht nur im<br />

Wilhelminenspital, sondern künftig in ganz Österreich 20 %<br />

beträgt. Dazu beitragen können unterschiedlichste Zukunftsaspekte<br />

wie z. B. die Verbreitung der PD auch in Altersheimen,<br />

der Einsatz innovativer, biokompatibler Dialyselösungen<br />

und nicht zuletzt ein adäquates Reimbursement-System.<br />

Vielen Dank für das Gespräch!<br />

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