Arbeitsrecht: Aktuelle Rechtsprechung - Eisenbeis Rechtsanwälte

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Arbeitsrecht: Aktuelle Rechtsprechung (83 Entscheidungen, Stand: 03.01.2010) Vorbemerkungen: Die Entscheidungen sind grundsätzlich in chronologischer Reihenfolge aufgeführt. Die vor jeder Entscheidung aufgeführten *** kennzeichnen die Bedeutung der Entscheidung aus der Sicht der Redaktion. Die Skala reicht von * bis *****. 1. ****BAG, Urt. v. 08.11.2007, Az. 2 AZR 528/06 DB 2009, 1024 [Bewusst wahrheitswidriger Vortrag des Arbeitnehmers im Prozess]: Ein zu Lasten des Arbeitgebers begangener (versuchter) Prozessbetrug kann einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 I BGB darstellen. 2. ****BAG, Urt. v. 28.11.2007, Az. 5 AZR 952/06, DB 2008, 2260 [Verdachtskündigung]: Der Arbeitgeber muss den Arbeitnehmer vor Ausspruch einer Verdachtskündigung anhören. Der gebotene Umfang der Anhörung richtet sich entsprechend des Zwecks der Aufklärung nach den Umständen des Einzelfalls. Kennt der Arbeitnehmer die gegen ihn erhobenen Vorwürfe einschließlich der den Verdacht begründeten Indiztatsachen, bedarf es insoweit keiner weiteren Vorhaltung oder Befragung. Vielmehr genügt es, dem Arbeitnehmer Gelegenheit zum Vorbringen der entlastenden Tatsachen Gesichtspunkte zu geben. 3. ****BAG, Urt. v. 17.01.2008, Az. 2 AZR 512/06, DB 2008, 2092 [Übergangsregelung nach § 23 KSchG]: Bei Anwendung des abgesenkten Schwellenwerts nach § 23 I 2 KSchG werden nur diejenigen noch beim Arbeitgeber beschäftigten Arbeitnehmer berücksichtigt, die bereits vor dem 01.01.2004 beschäftigt waren. 4. ****BAG, Urt. v. 13.02.2008, Az. 2 AZR 864/06, DB 2008, 1920 [Kündigung eines Schwerbehinderten]: Kündigt der Arbeitgeber einem schwerbehinderten Arbeitnehmer in Kenntnis von dessen Schwerbehinderteneigenschaft, so kann dieser das Fehlen der nach § 85 SGB IX erforderlichen Zustimmung bis zur Grenze der Verwirkung jederzeit geltend machen, wenn ihm eine entsprechende Entscheidung der zu- © Eisenbeis Rechtsanwaltsges. mbH 2010 1

<strong>Arbeitsrecht</strong>: <strong>Aktuelle</strong><br />

<strong>Rechtsprechung</strong><br />

(83 Entscheidungen, Stand: 03.01.2010)<br />

Vorbemerkungen: Die Entscheidungen<br />

sind grundsätzlich in chronologischer<br />

Reihenfolge aufgeführt. Die vor jeder<br />

Entscheidung aufgeführten *** kennzeichnen<br />

die Bedeutung der Entscheidung<br />

aus der Sicht der Redaktion. Die<br />

Skala reicht von * bis *****.<br />

1.<br />

****BAG, Urt. v. 08.11.2007, Az.<br />

2 AZR 528/06 DB 2009, 1024<br />

[Bewusst wahrheitswidriger Vortrag<br />

des Arbeitnehmers im Prozess]:<br />

Ein zu Lasten des Arbeitgebers<br />

begangener (versuchter) Prozessbetrug<br />

kann einen wichtigen<br />

Grund im Sinne des § 626 I BGB darstellen.<br />

2.<br />

****BAG, Urt. v. 28.11.2007, Az.<br />

5 AZR 952/06, DB 2008, 2260<br />

[Verdachtskündigung]: Der Arbeitgeber<br />

muss den Arbeitnehmer<br />

vor Ausspruch einer Verdachtskündigung<br />

anhören. Der gebotene Umfang<br />

der Anhörung richtet sich entsprechend<br />

des Zwecks der Aufklärung<br />

nach den Umständen des Einzelfalls.<br />

Kennt der Arbeitnehmer die gegen<br />

ihn erhobenen Vorwürfe einschließlich<br />

der den Verdacht begründeten<br />

Indiztatsachen, bedarf es insoweit<br />

keiner weiteren Vorhaltung oder Befragung.<br />

Vielmehr genügt es, dem<br />

Arbeitnehmer Gelegenheit zum Vorbringen<br />

der entlastenden Tatsachen<br />

Gesichtspunkte zu geben.<br />

3.<br />

****BAG, Urt. v. 17.01.2008, Az.<br />

2 AZR 512/06, DB 2008, 2092<br />

[Übergangsregelung nach § 23<br />

KSchG]: Bei Anwendung des abgesenkten<br />

Schwellenwerts nach § 23<br />

I 2 KSchG werden nur diejenigen<br />

noch beim Arbeitgeber beschäftigten<br />

Arbeitnehmer berücksichtigt, die bereits<br />

vor dem 01.01.2004 beschäftigt<br />

waren.<br />

4.<br />

****BAG, Urt. v. 13.02.2008, Az.<br />

2 AZR 864/06, DB 2008, 1920<br />

[Kündigung eines Schwerbehinderten]:<br />

Kündigt der Arbeitgeber<br />

einem schwerbehinderten Arbeitnehmer<br />

in Kenntnis von dessen<br />

Schwerbehinderteneigenschaft, so<br />

kann dieser das Fehlen der nach § 85<br />

SGB IX erforderlichen Zustimmung<br />

bis zur Grenze der Verwirkung jederzeit<br />

geltend machen, wenn ihm eine<br />

entsprechende Entscheidung der zu-<br />

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ständigen Behörde nicht bekannt gegeben<br />

worden ist (§ 4 S. 4 KSchG).<br />

5.<br />

****BAG, Urt. v. 13.03.2008, Az.<br />

2 AZR 961/06, DB 2008, 2200<br />

[Außerordentliche fristlose Verdachtskündigung]:<br />

Eine Verdachtskündigung<br />

ist dann zulässig,<br />

wenn sich starke Verdachtsmomente<br />

auf objektive Tatsachen gründen, die<br />

Verdachtsmomente geeignet sind,<br />

das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses<br />

erforderliche Vertrauen<br />

zu zerstören, und der Arbeitgeber<br />

alle zumutbaren Anstrengungen zur<br />

Aufklärung des Sachfalls unternommen,<br />

insbesondere dem Arbeitnehmer<br />

Gelegenheit zur Stellungnahme<br />

gegeben hat.<br />

Die Anhörung des Arbeitnehmers hat<br />

im Zuge der gebotenen Aufklärung<br />

des Sachverhalts zu erfolgen. Ihr<br />

Umfang richtet sich nach den Umständen<br />

des Einzelfalles.<br />

Die Anhörung muss sich auf einen<br />

greifbaren Sachverhalt beziehen. Der<br />

Arbeitnehmer muss die Möglichkeit<br />

haben, bestimmte, zeitlich und<br />

räumlich eingegrenzte Tatsachen zu<br />

bestreiten ohne die den Verdacht<br />

entkräftenden Tatsachen zu bezeichnen<br />

und so zur Aufklärung der für<br />

den Arbeitgeber im Dunkeln liegenden<br />

Geschehnisse beizutragen.<br />

Kommt es im Rahmen der Anhörung<br />

auf die Kenntnis des Arbeitnehmers<br />

von bestimmten Tatsachen an, so<br />

kann ihm das Wissen eines Bevollmächtigten<br />

nicht zugerechnet werden.<br />

Die Anhörung des Arbeitnehmers vor<br />

Ausspruch einer Verdachtskündigung<br />

soll ihm die Möglichkeit geben, den<br />

gegen ihn bestehenden Verdacht zu<br />

entkräften. Dies ist aber nur dann<br />

möglich, wenn der Arbeitnehmer eigene<br />

Kenntnis von den gegen ihn<br />

erhobenen Vorwürfen hat. Die Anwendung<br />

des zivilrechtlichen Stellvertretungsrechts<br />

kommt nicht in<br />

Betracht.<br />

6.<br />

****BAG, Urt. v. 13.03.2008, Az.<br />

2 AZR 88/07, DB 2009, 68 [Unentschuldigtes<br />

Fehlen eines Arbeitnehmers]:<br />

In einem unentschuldigten<br />

Fehlen eines Arbeitnehmers<br />

liegt regelmäßig eine erhebliche,<br />

kündigungsrechtlich relevante<br />

arbeitsvertragliche Pflichtverletzung.<br />

Es liegt jedoch kein unentschuldigtes<br />

Fehlen vor, wenn ein Arbeitnehmer<br />

berechtigterweise von einem Zurückbehaltungsrecht<br />

Gebrauch macht.<br />

Ein Zurückbehaltungsrecht an seiner<br />

Arbeitsleistung kann einem Arbeitnehmer<br />

nach § 273 I BGB zustehen,<br />

wenn der Arbeitgeber seine aus dem<br />

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Arbeitsverhältnis resultierenden<br />

Haupt- oder Nebenpflichten schuldhaft<br />

nicht erfüllt.<br />

Der Arbeitgeber hat die Pflicht, seine<br />

Arbeitnehmer vor Beleidigungen<br />

durch Vorgesetzte, Mitarbeiter oder<br />

Dritte, auf die er Einfluss hat, zu<br />

schützen.<br />

Die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts<br />

steht für den Arbeitnehmer<br />

unter dem Gebot von Treu und Glauben<br />

nach § 242 BGB und unterliegt<br />

dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.<br />

Daher muss der Arbeitnehmer<br />

vor Ausübung seines Zurückbehaltungsrechts<br />

an seiner Arbeitsleistung<br />

dem Arbeitgeber unter Angabe des<br />

Grundes klar und eindeutig mitteilen,<br />

dass er dieses Recht aufgrund einer<br />

ganz bestimmten, konkreten Gegenforderung<br />

ausübt. Nur dann kann der<br />

Arbeitgeber hinreichend den behaupteten<br />

Gegenanspruch prüfen und ihn<br />

ggf. erfüllen. So reicht ein pauschales<br />

Berufen auf einen „Mobbing-<br />

Sachverhalt“ mangels hinreichender<br />

Konkretisierung der behaupteten<br />

Pflichtverletzung und des Gegenanspruchs<br />

hierfür nicht aus.<br />

7.<br />

***LAG Köln, Urt. v. 19.03.2008,<br />

Az. 7 Sa 1369/07, DB 2009, 69<br />

[Außerordentliche Kündigung<br />

wegen Verstoß gegen absolutes<br />

Alkoholverbot]: Der – mindestens<br />

grob fahrlässige – Verstoß eines Berufskraftfahrers<br />

gegen das absolute<br />

Alkoholverbot bei Gefahrguttransporten<br />

ist auch ohne vorangegangene<br />

Abmahnung geeignet, eine außerordentliche<br />

Kündigung des Arbeitsverhältnisses<br />

zu rechtfertigen.<br />

8.<br />

*****LAG Nürnberg, Urt. v.<br />

19.03.2008, Az. 4 Sa 673/07, DB<br />

2009, 683 [Verlängerung eines<br />

befristeten<br />

Arbeitsvertrages]:<br />

Soweit objektiv die Voraussetzungen<br />

des § 14 II 1 und 2 TzBfG vorliegen,<br />

kann sich ein Verlängerungsvertrag<br />

nach § 14 II 1, 2. Halbsatz TzBfG<br />

zeitlich auch an eine Befristung mit<br />

sachlichem Grund (hier: befristetes<br />

Probearbeitsverhältnis nach § 14 I 2<br />

Nr. 5 TzBfG) anschließen.<br />

Ergänzender Hinweis: Die Entscheidung<br />

ist nicht rechtskräftig und trägt bei<br />

dem BAG das Az. 7 AZR 388/08.<br />

9.<br />

****BAG, Urt. v. 20.03.2008, Az.<br />

8 AZR 1016/06, DB 2008, 1922<br />

[Widerspruch gegen Übergang<br />

des Arbeitsverhältnisses im<br />

Rahmen eines Betriebsübergangs]:<br />

Nur eine ordnungsgemäße<br />

Unterrichtung setzt die Widerspruchsfrist<br />

in Gang.<br />

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Die Unterrichtung ist nicht ordnungsgemäß,<br />

wenn eine Darstellung der<br />

begrenzten gesamtschuldnerischen<br />

Nachhaftung nach § 613a II BGB<br />

fehlt.<br />

Das Widerspruchsrecht kann auch<br />

noch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses<br />

ausgeübt werden. Es<br />

wirkt auf den Zeitpunkt des Betriebsübergangs<br />

zurück.<br />

Das Widerspruchsrecht ist verwirkt,<br />

wenn der Verpflichtete annehmen<br />

durfte, es werde nicht mehr in Anspruch<br />

genommen.<br />

10.<br />

****BAG, Urt. v. 16.04.2008, Az.<br />

7 AZR 132/07, DB 2008, 2256<br />

[Zweifache Befristung als überraschende<br />

Klausel]: Enthält ein<br />

Formulararbeitsvertrag neben einer<br />

drucktechnisch hervorgehobenen Befristung<br />

für die Dauer eines Jahres im<br />

nachfolgenden Vertragstext ohne<br />

besondere Hervorhebung eine weitere<br />

Befristung zum Ablauf der 6-<br />

monatigen Probezeit, wird die Probezeitbefristung<br />

als überraschende<br />

Klausel nach § 305c I BGB nicht Bestandteil<br />

des Vertrages.<br />

11.<br />

*****BAG, Urt. v. 16.04.2008,<br />

Az. 7 AZR 1048/06, DB 2008,<br />

2255 [Schriftform nach § 14 IV<br />

TzBfG]: Eine nur mündlich vereinbarte<br />

Befristung ist nach § 14 IV<br />

TzBfG, § 125 S. 1 BGB nichtig, so<br />

dass bei Vertragsbeginn nach § 16 1<br />

TzBfG ein unbefristetes Arbeitsverhältnis<br />

entsteht. Die spätere schriftliche<br />

Niederlegung der zunächst nur<br />

mündlich vereinbarten Befristung<br />

führt nicht dazu, dass die zunächst<br />

formnichtige Befristung rückwirkend<br />

wirksam wird.<br />

Der Arbeitgeber kann den Abschluss<br />

eines befristeten Arbeitsvertrages<br />

von der Unterzeichnung einer Vertragsurkunde<br />

durch den Arbeitnehmer<br />

abhängig machen. Ein ihm gegenüber<br />

bis zur Arbeitsaufnahme<br />

abgegebenes schriftliches Vertragsangebot<br />

kann der Arbeitnehmer regelmäßig<br />

nur durch eine den Anforderungen<br />

des § 126 II BGB genügende<br />

Aufnahmeerklärung annehmen.<br />

Der Arbeitgeber macht sein Angebot<br />

auf Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrags<br />

von einer schriftlichen<br />

Annahmeerklärung des Arbeitnehmers<br />

abhängig, wenn er dem Arbeitnehmer<br />

– ohne vorangegangene Absprache<br />

– ein von ihm bereits unterschriebenes<br />

Vertragsformular mit der<br />

Bitte um Unterzeichnung übersendet.<br />

Hat der Arbeitgeber den Abschluss<br />

des befristete Arbeitsvertrags von<br />

der Einhaltung des Schriftformerfor-<br />

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dernisses abhängig gemacht, kann<br />

der Arbeitnehmer ein ihm vorliegendes<br />

schriftliches Vertragsangebot<br />

nicht durch die Arbeitsaufnahme<br />

konkludent, sondern nur durch die<br />

Unterzeichnung der Vertragsurkunde<br />

annehmen.<br />

zugleich mit dem Betriebserwerber<br />

ein neues Arbeitsverhältnis, so stellt<br />

dies eine Umgehung des § 613a IV<br />

BGB dar. Dies hat nach § 134 BGB<br />

die Nichtigkeit des Aufhebungsvertrages<br />

zur Folge.<br />

13.<br />

12.<br />

****BAG, Urt. v. 21.05.2008, Az.<br />

8 AZR 481/07, DB 2009, 291 [Betriebsteilübergang<br />

/ Umgehung<br />

des § 613a BGB]: Gründet ein<br />

Kommunalunternehmen, das ein<br />

Krankenhaus betreibt, eine Service-<br />

GmbH und übernimmt diese alle Reinigungskräfte<br />

dieses Krankenhauses,<br />

so liegt ein Betriebsteilübergang vor,<br />

wenn die Service-GmbH im Wege der<br />

Arbeitnehmerüberlassung alle übernommenen<br />

Reinigungskräfte an das<br />

Kommunalunternehmen „zurück verleiht“<br />

und diese dort die gleichen Tätigkeiten<br />

wie bisher verrichten.<br />

Reinigungsarbeiten im Krankenhaus<br />

erfüllen einen organisatorisch abgrenzbaren<br />

arbeitstechnischen Teilzweck<br />

und stellen damit einen Betriebsteil<br />

des Krankenhauses dar, der<br />

gem. § 613a I BGB auf einen Betriebserwerber<br />

übergehen kann.<br />

Schließt im Fall eines Betriebsübergangs<br />

ein Arbeitnehmer mit seinem<br />

bisherigen Arbeitsgeber einen Aufhebungsvertrag<br />

und vereinbart er<br />

****BAG, Urt. v. 05.06.2008, Az.<br />

2 AZR 25/07, DB 2008, 2313<br />

[Ausschlussfrist des § 626 II<br />

BGB]: Die Ausschlussfrist des § 626<br />

II BGB beginnt, wenn der Kündigungsberechtigte<br />

eine zuverlässige<br />

und möglichst vollständige positive<br />

Kenntnis der für die Kündigung maßgebenden<br />

Tatsachen hat, die ihm die<br />

Entscheidung ermöglichen, ob die<br />

Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses<br />

zumutbar ist oder nicht.<br />

Ein Kündigungsberechtigter darf den<br />

Aus- bzw. Fortgang eines Strafermittlungs-<br />

bzw. eines Strafverfahrens<br />

abwarten und seinen Kündigungsentschluss<br />

davon abhängig<br />

machen. Insbesondere kann er die<br />

Kündigung auf die rechtskräftige<br />

Verurteilung stützen.<br />

14.<br />

****BAG, Urt. v. 05.06.2008, Az.<br />

2 AZR 984/06, DB 2009, 123<br />

[Außerordentliche Kündigung<br />

wegen Verlust einer Fahrerlaubnis]:<br />

Der Verlust einer Fahrerlaubnis<br />

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kann bei einem Kraftfahrer sowohl<br />

einen wichtigen Grund zur außerordentlichen<br />

Kündigung nach § 626 I<br />

BGB als auch einen personenbedingten<br />

Grund zur Kündigung im Sinne<br />

von § 1 II KSchG darstellen, da er zu<br />

einem gesetzlichen Beschäftigungsverbot<br />

führt.<br />

15.<br />

****BAG, Urt. v. 26.06.2008, Az.<br />

2 AZR 264/07, DB 2008, 2311<br />

[Darlegungs- und Beweislast im<br />

Zusammenhang mit der Kleinbetriebsklausel]:<br />

Der Arbeitnehmer<br />

trägt die Darlegungs- und Beweislast<br />

für das Vorliegen der in § 23 I KSchG<br />

geregelten Geltungsvoraussetzungen<br />

des KSchG. Das gilt auch für die am<br />

01.01.2004 in Kraft getretene Neufassung<br />

des § 23 KSchG. Dem im<br />

Einzelfall etwaig auftretenden Problem<br />

kann mit einer abgestuften Darlegungs-<br />

und Beweislast begegnet<br />

werden.<br />

16.<br />

****BAG, Urt. v. 09.07.2008, Az.<br />

5 AZR 810/07 [Entgeltanspruch<br />

des Arbeitnehmers, § 615 S. 3<br />

BGB]: Der Arbeitgeber trägt auch<br />

dann das Risiko des Arbeitsausfalls<br />

nach § 615 S. 3 BGB, wenn er selbst<br />

den Betrieb aus Gründen, die in seinem<br />

betrieblichen oder wirtschaftlichen<br />

Verantwortungsbereich liegen,<br />

einschränkt oder stilllegt.<br />

Ergänzender Hinweis: In dem entschiedenen<br />

Fall ging es um eine witterungsbedingte<br />

Stilllegung des Betriebs.<br />

17.<br />

****BAG, Urt. v. 10.07.2008, Az.<br />

2 AZR 209/07, DB 2009, 124<br />

[§ 1a KSchG]: Weicht die in einem<br />

Kündigungsschreiben<br />

angebotene<br />

Abfindung in der Höhe deutlich von<br />

dem gesetzlich vorgesehenen Betrag<br />

(hier: nur rund die Hälfte der nach<br />

§ 1a II 1 KSchG genannten Höhe)<br />

ab, so spricht vieles dafür, dass der<br />

Arbeitgeber ein vom Gesetz abweichendes,<br />

individuelles Auflösungsangebot<br />

abgegeben hat.<br />

Die Regelung des § 1a KSchG etabliert<br />

keinen unabdingbaren Mindestanspruch<br />

auf eine Abfindung bei Ausspruch<br />

einer betriebsbedingten Kündigung.<br />

18.<br />

****BAG, Urt. v. 24.07.2008, Az.<br />

8 AZR 205/07, DB 2009, 69 [Verwirkung<br />

des Rechts zum Widerspruch<br />

beim Betriebsübergang]:<br />

Das Recht des Arbeitnehmers, dem<br />

Übergang seines Arbeitsverhältnisses<br />

auf einen Betriebserwerber zu widersprechen<br />

(§ 613a VI BGB) kann verwirken.<br />

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Dabei stehen das für die Annahme<br />

einer Verwirkung erforderliche Umstands-<br />

und Zeitmoment in einer<br />

Wechselwirkung. Je gewichtiger das<br />

Umstandsmoment ist, desto schneller<br />

kann ein Anspruch verwirken.<br />

19.<br />

****BAG, Urt. v. 30.07.2008, Az.<br />

10 AZR 606/07, DB 2008, 2194<br />

[Freiwilligkeitsvorbehalt bei<br />

Sonderzahlungen]: Weist der Arbeitgeber<br />

in einem vorformulierten<br />

Arbeitsvertrag darauf hin, dass die<br />

Gewährung einer Sonderzahlung keinen<br />

Rechtsanspruch des Arbeitnehmers<br />

auf die Leistung für künftige<br />

Bezugszeiträume begründet, benachteiligt<br />

ein solcher Freiwilligkeitsvorbehalt<br />

den Arbeitnehmer nicht unangemessen.<br />

Die Klausel ist auch dann<br />

wirksam, wenn die Sonderzahlung<br />

ausschließlich im Bezugszeitraum<br />

geleistete Arbeit zusätzlich vergütet.<br />

20.<br />

****BAG, Urt. v. 21.08.2008, Az.<br />

VIII AZR 210/07, DB 2009, 184<br />

[Wiedereinstellungsanspruch]:<br />

Ein Wiedereinstellungsanspruch eines<br />

wirksam gekündigten Arbeitnehmers<br />

kommt dann in Betracht, wenn nach<br />

dem Ablauf der Kündigungsfrist aufgrund<br />

eines Betriebsüberganges eine<br />

Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für<br />

den Arbeitnehmer besteht. Diesen<br />

Anspruch muss der gekündigte Arbeitnehmer<br />

innerhalb eines Monats<br />

ab dem Zeitpunkt, in dem er von den<br />

den Betriebsübergang ausmachenden<br />

tatsächlichen Umständen Kenntnis<br />

erlangt, gegenüber dem bisherigen<br />

Arbeitgeber bzw. nach erfolgtem Betriebsübergang<br />

gegenüber dem Betriebserwerber<br />

geltend machen.<br />

21.<br />

****BAG, Urt. v. 18.09.2008, Az.<br />

2 AZR 1039/06, DB 2009, 964<br />

[Außerordentliche Kündigung<br />

wegen Schlägerei]: Tätlichkeiten<br />

unter Arbeitnehmern sind grundsätzlich<br />

geeignet, einen wichtigen Grund<br />

zur Kündigung zu bilden. Bei schweren<br />

Tätlichkeiten unter Arbeitskollegen<br />

bedarf es regelmäßig keiner Abmahnung.<br />

Ein einmaliger Vorfall kann<br />

schon ein wichtiger Grund zur Kündigung<br />

sein, ohne dass der Arbeitgeber<br />

noch eine Wiederholungsgefahr begründen<br />

und den Arbeitnehmer zuvor<br />

abmahnen müsste.<br />

Im Fall einer Schlägerei liegt nicht in<br />

jeder auch unfreiwilligen Verwicklung<br />

eines Arbeitnehmers eine Pflichtverletzung.<br />

Jedoch kann wegen des beträchtlichen<br />

Gefährdungspotentials<br />

eine erhebliche, aktive Beteiligung<br />

des Arbeitnehmers an der tätlichen<br />

Auseinandersetzung einen wichtigen<br />

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Grund zur fristlosen Kündigung darstellen.<br />

22.<br />

***BAG, Urt. v. 25.09.2008, Az. 8<br />

AZR 717/07, DB 2009, 569 [Einmalige<br />

jährliche Kündigungsmöglichkeit<br />

/ Vertragstrafenregelung<br />

in Allgemeinen Geschäftsbedingungen]:<br />

Eine Allgemeine Geschäftsbedingung<br />

in einem Arbeitsvertrag<br />

mit einer Lehrkraft, die nur<br />

eine einmalige jährliche Kündigungsmöglichkeit<br />

zu einem bestimmten<br />

Kündigungstermin mit einer 2-<br />

monatigen Kündigungsfrist vorsieht,<br />

benachteiligt die Lehrkraft nicht unangemessen<br />

im Sinne des § 307<br />

BGB.<br />

Eine unangemessene Benachteiligung<br />

der Lehrkraft stellt es jedoch dar,<br />

wenn der Arbeitsvertrag die Bestimmung<br />

enthält, dass jene eine Vertragsstrafe<br />

in Höhe von 3 Bruttomonatsverdiensten<br />

für den Fall zahlen<br />

soll, dass sie den vertraglich vereinbarten<br />

Kündigungstermin nicht einhält.<br />

Es gibt keine generelle Höchstgrenze<br />

für eine arbeitsvertraglich vereinbarte<br />

Vertragsstrafe.<br />

Ergänzende Hinweise: In den Entscheidungsgründen<br />

weist das BAG darauf<br />

hin, dass längere als in § 622 I BGB vorgesehene,<br />

für beide Vertragsparteien<br />

gleiche Kündigungsfristen, durch Strafversprechen<br />

„abgesichert“ werden können.<br />

Eine Vertragsstrafenabrede in Formularverträgen<br />

ist zwar nach<br />

§ 309 Nr. 6 BGB unzulässig. Nach der<br />

<strong>Rechtsprechung</strong> des BAG folgt aber aus<br />

der angemessenen Berücksichtigung der<br />

im <strong>Arbeitsrecht</strong> geltenden Besonderheiten<br />

nach § 310 IV 2 BGB die grundsätzliche<br />

Zulässigkeit von Vertragsstrafenabreden<br />

in Arbeitsverträgen; der Ausschluss<br />

der Vollstreckbarkeit der Arbeitsleistung<br />

nach § 888 III ZPO ist dabei<br />

eine im <strong>Arbeitsrecht</strong> geltende Besonderheit<br />

in diesem Sinn.<br />

Im konkreten Fall hält das BAG die Vertragsstrafe<br />

für nicht angemessen im Sinne<br />

des § 307 I 1 BGB. Die Höhe der vertraglich<br />

festgelegten Vertragsstrafe von<br />

3 Bruttomonatsgehältern stelle eine Ü-<br />

bersicherung des Arbeitgebers und damit<br />

eine unangemessene Benachteiligung<br />

der betroffenen Arbeitnehmerin dar.<br />

In diesem Zusammenhang weist das<br />

BAG darauf hin, dass es eine absolute<br />

Höchstgrenze für eine Vertragsstrafe in<br />

Höhe eines Bruttomonatsentgelts nicht<br />

gäbe; § 307 I 1 BGB und § 310 III Nr. 3<br />

BGB ließen es nicht zu, eine generelle<br />

Höchstgrenze in Höhe eines Bruttomonatsgehalts<br />

für eine wirksame Vertragstrafe<br />

im Rahmen eines formularmäßigen<br />

Arbeitsvertrags festzuschreiben.<br />

Eine Teilung der Vertragsstrafenklausel<br />

in einen zulässigen und einen unzulässigen<br />

Teil lässt das BAG nur zu, wenn der<br />

unzulässige Teil sprachlich eindeutig von<br />

dem zulässigen Teil trennbar ist, was das<br />

BAG für den konkret entschiedenen Fall<br />

verneint. Auch lehnt das BAG allgemein<br />

eine geltungserhaltende Reduktion der<br />

Vertragsstrafenabrede ab.<br />

23.<br />

***BAG, Urt. v. 23.10.2008, Az. 2<br />

AZR 483/07, DB 2009, 1544<br />

[Kündigung eines Tendenzträgers]:<br />

Eine Arbeitnehmerin verletzt<br />

ihre arbeitsvertragliche Mitteilungs-<br />

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und Aufklärungspflicht nicht, wenn<br />

sie ihrem Arbeitgeber einen Einblick<br />

in die Akten eines gegen sie geführten<br />

staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens<br />

verweigert. Dies gilt<br />

auch für eine Tendenzträgerin (Redakteurin)<br />

einer Zeitung.<br />

Ein Tendenzträger kann seine vertraglichen<br />

Rücksichtnahmepflichten<br />

verletzen indem er sich gegen eine<br />

Veröffentlichung in der Presse des<br />

eigenen Arbeitgebers mit einer Gegendarstellung<br />

wendet und sich diese<br />

als eine unverhältnismäßige Reaktion<br />

auf einen Pressebericht darstellt.<br />

Die bloße Weigerung von Arbeitskollegen,<br />

mit einer Arbeitnehmerin zusammen<br />

zu arbeiten, rechtfertigen<br />

eine Auflösung eines Arbeitsverhältnisses<br />

nach § 14 II KSchG nicht.<br />

24.<br />

***BAG, Urt. v. 30.10.2008, Az. 8<br />

AZR 855/07, DB 2009, 739 [Befristeter<br />

Arbeitsvertrag und Betriebsübergang]:<br />

Die Befristung<br />

eines Arbeitsvertrags ist unwirksam,<br />

wenn Grund für die Befristung ein<br />

Betriebs- oder Teilbetriebsübergang<br />

im Sinne des § 613a BGB ist.<br />

25.<br />

****BAG, Urt. v. 30.10.2008, Az.<br />

8 AZR 54/07, DB 2009, 741 [Betriebsübergang<br />

in der Insolvenz]:<br />

Die Richtlinie 2001/23/EG<br />

des Rates vom 12.03.2001 zur Angleichung<br />

der Rechtsvorschriften der<br />

Mitgliedsstaaten für die Wahrung von<br />

Ansprüchen der Arbeitnehmer beim<br />

Übergang von Unternehmen, Betrieben<br />

oder Unternehmens- oder Betriebsteilen<br />

gestattet es, im Fall des<br />

Betriebserwerbs während eines Insolvenzverfahrens<br />

die vor dem Betriebsübergang<br />

fälligen Verbindlichkeiten<br />

des Veräußerers aus Arbeitsverhältnissen<br />

vom Übergang auszunehmen.<br />

26.<br />

****BAG, Urt. v. 30.10.2008, Az.<br />

8, AZR 397/07, [In einer Rechtsanwalts–GbR<br />

tätiger Anwalt als<br />

Betriebsteil]: Wird eine RA-Kanzlei<br />

von mehreren <strong>Rechtsanwälte</strong>n als<br />

GbR betrieben, so ist diese Gesellschaft<br />

grundsätzlich Arbeitgeber,<br />

nicht der einzelne Rechtsanwalt beziehungsweise<br />

Gesellschafter der<br />

Kanzlei.<br />

Beschließen die Gesellschafter die<br />

Schließung der Anwaltskanzlei, so<br />

liegt darin kein Betriebs- oder Betriebsteilübergang<br />

vor, wenn sich<br />

nach der erfolgten Einstellung der<br />

Kanzleitätigkeit ein Teil der bisherigen<br />

Sozien zu einer neuen RA-<br />

Sozietät in anderen Geschäftsräumen<br />

zusammenschließt und die übrigen<br />

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Gesellschafter in eine andere Anwaltskanzlei<br />

eintreten oder sich als<br />

<strong>Rechtsanwälte</strong> selbstständig machen<br />

und jeder Gesellschafter seinen bisherigen<br />

Mandantenstamm weiter betreut,<br />

ohne dass er das bisher beschäftigte<br />

Büropersonal oder einen<br />

wesentlichen Teil<br />

desselben übernimmt<br />

Ergänzende Hinweise: In der Entscheidung<br />

des BAG bestätigt dieses noch<br />

einmal seine Auffassung, wonach der<br />

(Außen-)GbR Rechtsfähigkeit zuzuerkennen<br />

ist, Arbeitgeber einer RA-Sozietät ist<br />

sodann diese GbR selbst und nicht ein<br />

einzelner GbR-Gesellschafter. Ist ein<br />

Rechtsanwalt als Sozius in einer Kanzlei<br />

tätig, so ist mit seinem Ausscheiden aus<br />

der Kanzlei und einem etwaigen Neubeginn<br />

seiner Tätigkeit in einer anderen<br />

Kanzlei oder als Einzelanwalt kein Betriebs-<br />

bzw. Betriebsteilübergang verbunden.<br />

Das ist auch dann der Fall,<br />

wenn Mandantenbeziehungen von dem<br />

ausscheidenden Rechtsanwalt mitgenommen<br />

werden. Der Einzelne, in einer<br />

Sozietät tätige Anwalt ist mit den von<br />

ihm betreuten Mandanten regelmäßig<br />

keine organisatorische Einheit im Sinne<br />

des § 613 a BGB (BAG, Urt. v.<br />

23.10.2008, Az. 2 AZR 131/07).<br />

27.<br />

***BAG, Urt. v. 06.11.2008, Az. 2<br />

AZR 935/07, DB 2009, 515 [Entlassungssperre<br />

nach § 18<br />

KSchG]: Die Entlassungssperre nach<br />

§ 18 I KSchG hindert weder den Ausspruch<br />

einer Kündigung nach Anzeige<br />

der Massenentlassung bei der Agentur<br />

für Arbeit während des Laufs der<br />

Sperrfrist nach § 18 I oder II KSchG,<br />

noch verlängert die Sperrfrist die gesetzlichen<br />

Kündigungsfristen.<br />

28.<br />

*****BAG, Urt. v. 06.11.2008,<br />

Az. 2 AZR 523/07, DB 2009, 626<br />

[Diskriminierungsverbote des<br />

AGG und KSchG]: Verstößt eine<br />

ordentliche Kündigung gegen das<br />

Diskriminierungsverbot des AGG, so<br />

kann dies zur Sozialwidrigkeit der<br />

Kündigung nach § 1 KSchG führen.<br />

Dem steht § 2 IV AGG nicht entgegen.<br />

29.<br />

***BAG, Urt. v. 18.11.2008, Az. 3<br />

AZR 192/07, DB 2009, 853<br />

[Rückzahlungsklausel]: Eine<br />

Rückzahlungsverpflichtung, die auch<br />

für den Fall vereinbart ist, dass der<br />

potentielle Arbeitgeber dem potentiellen<br />

Arbeitnehmer keinen ausbildungsadäquaten<br />

Arbeitsplatz anbieten<br />

kann oder will, hält regelmäßig<br />

einer Inhaltskontrolle anhand des<br />

Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen<br />

nicht stand.<br />

30.<br />

****BAG, Urt. v. 19.11.2008, Az.<br />

10 AZR 671/07, DB 2009, 686<br />

[Reichweite einer Abgeltungsklausel<br />

in einem Abwicklungsoder<br />

Aufhebungsvertrag]: Abgel-<br />

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tungsklauseln in Abwicklungs- oder<br />

Aufhebungsverträgen sind grundsätzlich<br />

weit auszulegen. Sie sind<br />

regelmäßig keine überraschenden<br />

oder ungewöhnlichen Klauseln im<br />

Sinne des § 305c BGB.<br />

31.<br />

****BAG, Urt. v. 27.11.2008, Az.<br />

2 AZR 675/07 [Abmahnung des<br />

sog. low performers]: Zur Wirksamkeit<br />

einer Abmahnung bedarf es<br />

eines konkret bezeichneten Fehlverhaltens.<br />

Pauschale Vorwürfe sind<br />

nicht ausreichend und führen dazu,<br />

dass die Abmahnung aus der Personalakte<br />

zu entfernen ist.<br />

Die Anforderungen an einen Konkretisierung<br />

des vom Arbeitnehmer angeblich<br />

gezeigten Fehlverhaltens<br />

müssen sich an dem orientieren, was<br />

der Arbeitgeber wissen kann. Im Falle<br />

einer sog. quantitativen Minderleistung<br />

sind dies die Arbeitsergebnisse<br />

und deren erhebliches Zurückbleiben<br />

hinter den Leistungen vergleichbarer<br />

Arbeitnehmer, verbunden<br />

mit der Rüge des Arbeitgebers, dass<br />

aus seiner Sicht der Arbeitnehmer<br />

seine Leistungsfähigkeit pflichtwidrig<br />

nicht ausschöpft.<br />

In Zahlen gemessene Arbeitserfolge<br />

mehrere Arbeitnehmer und ein daraus<br />

gebildeter Durchschnitt können<br />

über die Frage, ob einer dieser Arbeitnehmer<br />

seine persönliche Leistungsfähigkeit<br />

ausgeschöpft hat, nur<br />

dann Aussagekraft besitzen, wenn<br />

die Arbeitserfolge unter in etwa gleichen<br />

Bedingungen erzielt werden.<br />

Ergänzende Hinweise: Die Entscheidung<br />

wird unter anderem kommentiert<br />

von Straube in GWR 2009, S. 73. Straube<br />

verweist darauf, dass Kündigungen<br />

des Arbeitgebers wegen einer Minderleistung<br />

des Arbeitnehmers in der Regel gar<br />

nicht, jedenfalls nicht in hinreichender<br />

Zeit zum Erfolg, nämlich zur Beendigung<br />

des Arbeitsverhältnisses führen. Hier<br />

wird der Arbeitgeber mithin den Weg der<br />

betriebsbedingten Kündigung gehen<br />

müssen.<br />

32.<br />

****BAG, Urt. v. 27.11.2008, 2<br />

AZR 98/07, DB 2009, 1192 [Verdachtskündigung]:<br />

Eine Verdachtskündigung<br />

kommt, schon wegen<br />

der in besonderem Maße bestehenden<br />

Gefahr, dass ein Unschuldiger<br />

getroffen wird – auch als ordentliche<br />

Kündigung nur in Betracht, -<br />

wenn das Arbeitsverhältnis bereits<br />

durch den Verdacht so gravierend<br />

beeinträchtigt wird, dass dem Arbeitgeber<br />

die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses<br />

nicht mehr zugemutet<br />

werden kann.<br />

Dies setzt voraus, dass nicht nur der<br />

Verdacht als solcher schwerwiegend<br />

ist, vielmehr muss ihm ein erhebliches<br />

Fehlverhalten des Arbeitsnehmers<br />

– strafbare Handlung oder<br />

schwerwiegende<br />

Pflichtverletzung<br />

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(Tat) – zugrunde liegen. Die Verdachtsmomente<br />

müssen daher auch<br />

im Falle einer ordentlichen Kündigung<br />

regelmäßig ein solches Gewicht<br />

erreichen, dass dem Arbeitgeber die<br />

Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses<br />

überhaupt nicht mehr zugemutet<br />

werden kann, hierauf also grundsätzlich<br />

eine außerordentliche Kündigung<br />

gestützt werden könnte.<br />

33.<br />

****BAG, Urt. v. 03.12.2008, Az.<br />

5 AZR 74/08, DB 2009, 460 [Überbetriebliche<br />

Gleichbehandlung]:<br />

Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz<br />

verpflichtet<br />

den Arbeitgeber in Bezug auf seine<br />

Arbeitnehmer. Jedenfalls dann, wenn<br />

eine Entscheidung des Arbeitgebers<br />

nicht auf einen einzelnen Betrieb beschränkt<br />

ist, sondern sich auf alle<br />

oder mehrere Betriebe des Unternehmens<br />

bezieht, ist auch die<br />

Gleichbehandlung betriebsübergreifend<br />

zu gewährleisten.<br />

Eine Unterscheidung zwischen den<br />

einzelnen Betrieben ist nur zulässig,<br />

wenn es hierfür sachliche Gründe<br />

gibt. Dabei sind die Besonderheiten<br />

des Unternehmens und der Betriebe<br />

zu berücksichtigen.<br />

Der Arbeitgeber darf bei freiwilligen<br />

Lohnerhöhungen zwischen den Betrieben<br />

nach deren wirtschaftlicher<br />

Leistung und dem bereits bestehenden<br />

Lohnniveau differenzieren. Sachgerechte<br />

Kriterien sind z. B. die Arbeitsanforderungen<br />

an die Arbeitnehmer,<br />

die Ertragssituation der Betriebe<br />

allgemein oder in bestimmter<br />

Hinsicht, die Lohnentwicklung in der<br />

Vergangenheit und die absolute<br />

Lohnhöhe.<br />

Der Arbeitgeber darf diese und andere<br />

vernünftige Gesichtspunkte bis zur<br />

Grenze der Willkür selbst einschätzen.<br />

Gehören die Betriebe zu unterschiedlichen<br />

Branchen oder liegen sie<br />

in verschiedenen Tarifgebieten,<br />

kommt dem Arbeitgeber ein besonders<br />

weiter Beurteilungsspielraum<br />

zu.<br />

34.<br />

***BAG, Urt. v. 03.12.2008, Az. 5<br />

AZR 62/08, DB 2009, 850 [AGB-<br />

Kontrolle einer Versetzungsklausel]:<br />

Der arbeitsvertragliche Vorbehalt,<br />

dem Arbeitnehmer innerhalb<br />

des Unternehmens eine andere, seiner<br />

Ausbildung und beruflichen Entwicklung<br />

oder vorherigen Tätigkeit<br />

entsprechende Tätigkeit zu übertragen,<br />

soweit dies mit einem Wohnungswechsel<br />

nicht verbunden ist,<br />

hält der AGB-Kontrolle gem. § 307 I<br />

BGB stand.<br />

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35.<br />

***BAG, Urt. v. 10.12.2008, Az.<br />

10 AZR 15/08, DB 2009, 514<br />

[Weihnachtsgeld und Bestehen<br />

des Arbeitsverhältnisses]: Ist im<br />

Arbeitsvertrag vereinbart, dass der<br />

Arbeitgeber jeweils im November<br />

eines jeden Jahres in Abhängigkeit<br />

von der Geschäftslage und der persönlichen<br />

Leistung festlegt, ob und in<br />

welcher Höhe ein Weihnachtsgeld<br />

gezahlt wird und hierauf auch bei<br />

wiederholter Zahlung kein Rechtsanspruch<br />

besteht, muss sich ein Arbeitnehmer<br />

zu diesem Zeitpunkt noch in<br />

einem Arbeitsverhältnis befinden,<br />

damit auch für ihn ein Anspruch entstehen<br />

kann. Ein anteiliger ratierlicher<br />

Anspruch für jeden Monat des<br />

zuvor beendeten Arbeitsverhältnisses<br />

kann ohne weitere Voraussetzungen<br />

daraus nicht hergeleitet werden.<br />

Eine derartige Klausel ist weder unklar<br />

noch widersprüchlich, selbst<br />

wenn eine darin enthaltene Rückzahlungsklausel<br />

wegen der unbestimmten<br />

Höhe des Anspruchs und damit<br />

der nicht überprüfbaren Bindungsfrist<br />

unwirksam sein sollte.<br />

36.<br />

*****BAG, Urt. v. 10.12.2008,<br />

Az. 10 AZR 1/08, DB 2009, 684<br />

[AGB-Klauselkontrolle und sog.<br />

Altfälle]: Es spricht viel dafür, dass<br />

durch die Einräumung der 1-jährigen<br />

Übergangsfrist in Art. 229 § 5 S. 2<br />

EGBGB dem Vertrauensschutz genügt<br />

ist und eine ergänzende Vertragsauslegung<br />

nicht in Betracht<br />

kommt, wenn der Arbeitgeber als<br />

Klauselverwender nicht versucht hat,<br />

die einer AGB-Kontrolle nicht standhaltenden<br />

Klauseln der neuen Gesetzeslage<br />

anzupassen.<br />

37.<br />

***BAG, Urt. v. 11.12.2008, Az. 2<br />

AZR 395/07, NJW 2009, 2153<br />

[Kenntnis des Betriebsveräußerers<br />

von der Schwerbehinderteneigenschaft]:<br />

Im Falle des Betriebsübergangs<br />

nach § 613a BGB<br />

muss sich der Betriebsübernehmer<br />

die Kenntnis des Betriebsveräußerers<br />

von der Schwerbehinderteneigenschaft<br />

eines Arbeitnehmers zurechnen<br />

lassen.<br />

38.<br />

****BAG, Urt. v. 11.12.2008, Az.<br />

2 AZR 472/08, NZA 2009, 636<br />

[Zurechnung von Anwaltsverschulden]:<br />

Das Verschulden eines<br />

Prozessbevollmächtigten an der Versäumung<br />

der Klagefrist nach<br />

§ 4 S. 1 KSchG bei einer Kündigungsschutzklage<br />

ist dem klagenden<br />

Arbeitnehmer nach § 85 II ZPO zuzurechnen.<br />

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Ergänzende Hinweise: Durch eine seit<br />

01.04.2008 einschlägige Gesetzesänderung<br />

sieht § 5 IV 1 KSchG vor, dass das<br />

Verfahren über den Antrag auf nachträgliche<br />

Zulassung mit dem Verfahren über<br />

die Klage zu verbinden ist. So erfolgt<br />

eine Prüfung des § 5 KSchG im Rahmen<br />

der Präklusionsprüfung nach §§ 4, 7<br />

KSchG, mithin in der Begründetheitsprüfung<br />

der Kündigungsschutzklage. Aufgrund<br />

der erforderlichen Verbindung mit<br />

der Kündigungsschutzklage ergeht eine<br />

Entscheidung durch Urteil. Das Arbeitsgericht<br />

kann nach § 5 IV 2 KSchG das<br />

Verfahren zunächst auf die Verhandlung<br />

und Entscheidung über den Antrag nach<br />

§ 5 KSchG beschränken. In diesem Fall<br />

ergeht nach § 5 IV 3 KSchG die Entscheidung<br />

durch Zwischenurteil, das wie<br />

ein Endurteil angefochten werden kann.<br />

39.<br />

***BAG, Urt. v. 16.12.2008, Az. 9<br />

AZR 164/08, DB 2009, 1246<br />

[Kurzarbeit u.a.]: Eine Betriebsvereinbarung<br />

über Kurzarbeit, die die<br />

Arbeitszeit auf Null verringert, befreit<br />

den Arbeitnehmer auch dann von<br />

seiner Arbeitspflicht, wenn der Arbeitgeber<br />

vor Einführung der Kurzarbeit<br />

für die Zeit der Kurzarbeit Urlaub<br />

gewährt hat. Deshalb kann der mit<br />

der Festsetzung des Urlaubs bezweckte<br />

Leistungserfolg, die Befreiung<br />

des Arbeitnehmers von der Arbeitspflicht<br />

für die Dauer des Urlaubs,<br />

nicht eintreten (Fall der nachträglichen<br />

Unmöglichkeit nach § 275<br />

I BGB). Der Arbeitnehmer hat gegenüber<br />

dem Arbeitgeber einen Anspruch<br />

auf Ersatzurlaub nach §§ 283<br />

I, 280 I, 275 I, 249 I BGB. Die Haftung<br />

des Arbeitgebers ist nur dann<br />

ausgeschlossen, wenn er die Unmöglichkeiten<br />

nicht zu vertreten hat,<br />

§ 280 I 2 BGB. Führt der Arbeitgeber<br />

aus betrieblichen Gründen Kurzarbeit<br />

ein, hat er die hierdurch nachträglich<br />

eintretende Unmöglichkeit zu vertreten.<br />

40.<br />

****BAG, Urt. v. 14.01.2009, Az.<br />

3 AZR 900/07, NZA 2009, 666<br />

[Rückzahlungsklausel in einem<br />

Formularvertrag]: Gibt der Arbeitgeber<br />

bei einer Rückzahlungsklausel<br />

eine zu lange Bindungsdauer vor, ist<br />

die daran geknüpfte Forderung nach<br />

Rückzahlung von Fortbildungskosten<br />

grundsätzlich nicht berechtigt. Ein<br />

Rückzahlungsanspruch besteht nicht.<br />

Jedoch kann im Wege der ergänzenden<br />

Vertragsauslegung die unzulässige<br />

Bindungsdauer auf eine zulässige<br />

Dauer zurückgeführt werden,<br />

wenn es wegen der einzelfallbezogenen<br />

Betrachtung für den Arbeitgeber<br />

objektiv schwierig war, die zulässige<br />

Bindungsdauer im Einzelfall zu<br />

bestimmen. Verwirklicht sich dieses<br />

Prognoserisiko, ist die Bindungsdauer<br />

durch ergänzende Vertragsauslegung<br />

zu bestimmen.<br />

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41.<br />

***BAG, Urt. v. 15.01.2009, Az. 2<br />

AZR 641/07, DB 2009, 1299 [Änderungskündigung]:<br />

Für den Empfänger<br />

einer Änderungskündigung<br />

muss bereits im Zeitpunkt des Zugangs<br />

der Kündigung das Änderungsangebot<br />

hinreichend klar bestimmt<br />

sein bzw. sich dessen Inhalt<br />

eindeutig bestimmen lassen.<br />

42.<br />

****EuGH, Urt. v. 20.01.2009,<br />

Az. C-350/06 und C-520/06, DB<br />

2009, 234 [Verfall von Urlaubsansprüchen<br />

wegen Krankheit]:<br />

Art. 7 I der Richtlinie 2003/88/EG<br />

des Europäischen Parlaments und<br />

des Rates vom 04.11.2003 über bestimmte<br />

Aspekte der Arbeitszeitgestaltung<br />

ist dahin auszulegen, dass er<br />

einzelstaatlichen Rechtsvorschriften<br />

oder Gepflogenheiten entgegensteht,<br />

nach denen der Ausspruch auf bezahlten<br />

Jahresurlaub bei Ablauf des<br />

Bezugszeitraums und/oder eines im<br />

nationalen Recht festgelegten Übertragungszeitraums<br />

auch dann erlischt,<br />

wenn der Arbeitnehmer während<br />

des gesamten Bezugszeitraums<br />

oder eines Teils davon krank geschrieben<br />

war und seine Arbeitsunfähigkeit<br />

bis zum Ende seines Arbeitsverhältnisses<br />

fortgedauert hat, weshalb<br />

er seinen Anspruch auf bezahlten<br />

Jahresurlaub nicht ausüben<br />

konnte.<br />

Art. 7 II der erwähnten Rechtlinie ist<br />

dahin auszulegen, dass er einzelstaatlichen<br />

Rechtsvorschriften oder<br />

Gepflogenheiten entgegensteht, nach<br />

denen für nicht genommenen Jahresurlaub<br />

am Ende des Arbeitsverhältnisses<br />

keine finanzielle Vergütung<br />

gezahlt wird, wenn der Arbeitnehmer<br />

während des gesamten Bezugszeitraums<br />

und/oder Übertragungszeitraums<br />

oder eines Teils davon krank<br />

geschrieben (…) war und deshalb<br />

seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub<br />

nicht ausüben konnte. Für<br />

die Berechnung der entsprechenden<br />

finanziellen Vergütung ist das gewöhnliche<br />

Arbeitsentgelt des Arbeitnehmers,<br />

das während der dem bezahlten<br />

Jahresurlaub entsprechenden<br />

Ruhezeit weiter zu zahlen ist, maßgebend.<br />

Ergänzende Hinweise: Die Entscheidung<br />

des EuGH ist zum Teil heftigster<br />

Kritik ausgesetzt. So meint etwa der e-<br />

hemals Vorsitzende Richter am BAG Leinemann<br />

in einem Gastkommentar in Der<br />

Betrieb, Heft 8 v. 20.02.2009, der Europäische<br />

Gerichtshof „deformiere“ die<br />

Urlaubsabgeltung; das Urteil sei für die<br />

Erkenntnis rechtlicher Zusammenhänge<br />

wertlos, immerhin aber geeignet, als<br />

Anschauungsmaterial für den Tiefpunkt<br />

des Rechtszustands zu dienen, auf dem<br />

die Europäische Union aufgrund der<br />

<strong>Rechtsprechung</strong> des Europäischen Gerichtshofs<br />

angelangt sei(!).<br />

Die Folgen der Entscheidung sind im Einzelnen<br />

noch nicht vollständig absehbar.<br />

Klar erscheint, dass § 7 III BUrlG nunmehr<br />

richtlinienkonform dahingehend<br />

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auszulegen ist, dass Ansprüche auf den<br />

gesetzlichen Mindestjahresurlaub bei<br />

fortbestehender Arbeitsunfähigkeit nicht<br />

mit Ablauf des Übertragungszeitraums<br />

erlöschen, sondern in den nächsten Bezugszeitraum<br />

zu übertragen bzw. bei<br />

Beendigung des Arbeitsverhältnisses<br />

abzugelten sind.<br />

Es ist umstritten, ob weiterhin nur befristet<br />

bis zum Ablauf des Übertragungszeitraums<br />

Urlaubsansprüche übertragbar<br />

sind, die über den gesetzlichen Mindesturlaub<br />

hinausgehen; das gilt auch für<br />

den Zusatzurlaub nach § 125 SGB IX.<br />

Zu weiteren Einzelheiten siehe Subatzus,<br />

DB 2009, S. 510 ff.<br />

43.<br />

*****BAG, Urt. v. 21.01.2009,<br />

Az. 10 AZR 219/08, DB 2009, 907<br />

[Freiwilligkeitsvorbehalt und betriebliche<br />

Übung]: Vereinbaren die<br />

Arbeitsvertragsparteien in einem<br />

Formulararbeitsvertrag ein monatliches<br />

Bruttogehalt und weist der Arbeitgeber<br />

darauf hin, dass die Gewährung<br />

sonstiger Leistungen wie<br />

die Zahlung von Weihnachtsgeld<br />

freiwillig und mit der Maßgabe erfolgt,<br />

dass auch bei einer wiederholten<br />

Zahlung kein Rechtsanspruch für<br />

die Zukunft begründet wird, entsteht<br />

kein Anspruch auf Weihnachtsgeld<br />

aus betrieblicher Übung, auch wenn<br />

der Arbeitnehmer jahrelang Weihnachtsgeld<br />

in Höhe eines halben<br />

Bruttomonatsgehalts erhält. Mangels<br />

eines Anspruchs des Arbeitnehmers<br />

auf die Zahlung von Weihnachtsgeld<br />

bedarf es in einem solchen Fall weder<br />

einer Ankündigung des Arbeitgebers,<br />

kein Weihnachtsgeld (mehr) zu zahlen,<br />

noch einer Begründung des Arbeitgebers,<br />

aus welchen Gründen er<br />

nunmehr von der Zahlung von Weihnachtsgeld<br />

absieht.<br />

44.<br />

****BAG, Urt. v. 22.01.2009, Az.<br />

8 AZR 906/07, DB 2009, 2045<br />

[Entschädigungsanspruch nach<br />

§ 15 II AGG]: Ein Anspruch des Arbeitnehmers<br />

nach § 15 II AGG gegen<br />

den Arbeitgeber auf Entschädigung<br />

wegen eines Nichtvermögensschadens<br />

aufgrund eines Verstoßes gegen<br />

das Benachteiligungsgebot setzt kein<br />

schuldhaftes Verhalten des Arbeitgebers<br />

voraus.<br />

Voraussetzung für einen Entschädigungsanspruch<br />

nach § 15 II AGG ist<br />

nicht, dass der Arbeitnehmer in seinem<br />

allgemeinen Persönlichkeitsrecht<br />

verletzt worden ist. Bei einem<br />

Verstoß des Arbeitgebers gegen das<br />

Benachteiligungsverbot ist grundsätzlich<br />

das Entstehen eines immateriellen<br />

Schadens beim Arbeitnehmer<br />

anzunehmen, welcher zu einem Entschädigungsanspruch<br />

führt.<br />

45.<br />

****BAG, Urt. v. 22.01.2009, Az.<br />

8 AZR 158/07, DB 2009, 1878<br />

[Betriebsübergang / Eingliederung<br />

in Organisationsstruktur<br />

© <strong>Eisenbeis</strong> Rechtsanwaltsges. mbH 2010 16


des Erwerbers]: Für einen Betriebsübergang<br />

muss die „organisierte<br />

Zusammenfassung von Ressourcen<br />

zur Verfolgung einer wirtschaftlichen<br />

Haupt- oder Nebentätigkeit“<br />

ihre Identität bewahren. Dabei ist<br />

nicht so sehr auf die konkrete Organisation<br />

der verschiedenen Produktionsfaktoren<br />

durch den Unternehmer<br />

abzustellen als vielmehr auf den Zusammenhang<br />

der Wechselbeziehung<br />

und gegenseitigen Ergänzung, der<br />

die Produktionsfaktoren verknüpft.<br />

Wird die übertragene Einheit in die<br />

Struktur des Erwerbers eingegliedert,<br />

so fällt dieser Zusammenhang der<br />

funktionellen Verknüpfung der Wechselbeziehung<br />

und gegenseitigen Ergänzung<br />

zwischen den für einen Betriebsübergang<br />

maßgeblichen Faktoren<br />

nicht zwangsläufig weg.<br />

Die Beibehaltung der „organisatorischen<br />

Selbstständigkeit“ der übertragenen<br />

Einheit ist nicht erforderlich,<br />

wohl aber die Beibehaltung des<br />

Funktions- und Zweckzusammenhangs<br />

zwischen den verschiedenen<br />

übertragenen Faktoren, der es dem<br />

Erwerber erlaubt, diese Faktoren zur<br />

Verfolgung einer bestimmten wirtschaftlichen<br />

Tätigkeit zu nutzen,<br />

auch wenn sie in eine andere Organisationsstruktur<br />

eingegliedert worden<br />

sind.<br />

Eine bloße Auftragsnachfolge erfüllt<br />

für sich genommen diese Voraussetzung<br />

nicht. Dies gilt auch dann, wenn<br />

ein Dienstleistungsauftrag der einzige<br />

Auftrag eines Betriebes ist.<br />

Sind in der Organisationsstruktur des<br />

Betriebserwerbers keine in ihrem<br />

Funktions- und Zweckzusammenhang<br />

beibehaltenen Faktoren des<br />

Betriebsveräußerers mehr aufrecht<br />

erhalten, spricht dies gegen einen<br />

Betriebsübergang.<br />

Bei der Prüfung, ob eine wirtschaftliche<br />

Einheit unter Wahrung ihrer I-<br />

dentität übergegangen ist, sind<br />

sämtliche den betreffenden Vorgang<br />

kennzeichnenden Umstände zu berücksichtigen.<br />

46.<br />

****BAG, Beschl. v. 03.02.2009,<br />

Az. 5 AZB 100/08, DB 2009, 907<br />

[Auflösung eines Arbeitsverhältnisses<br />

durch Geschäftsführer-<br />

Dienstvertrag]: Ein Arbeitsverhältnis<br />

wird formwirksam aufgelöst,<br />

wenn die Arbeitsvertragsparteien<br />

einen schriftlichen Geschäftsführer-<br />

Dienstvertrag abschließen.<br />

47.<br />

****BAG, Urt. v. 05.02.2009, Az.<br />

6 AZR 151/08, DB 2009, 1710<br />

[Anwendungsbereich von § 4 S. 1<br />

KSchG/vorbehaltene Möglichkeit<br />

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der einseitigen Versetzung des<br />

Arbeitnehmers in den einstweiligen<br />

Ruhestand]: Für die Anwendung<br />

des § 4 S. 1 KSchG ist kein<br />

Raum, wenn keine Kündigungserklärung<br />

vorliegt, sondern die Parteien<br />

um die Änderung des Inhalts des Arbeitsverhältnisses<br />

oder seine Beendigung<br />

in anderer Weise als durch<br />

Kündigung streiten. Es fehlt an der<br />

für eine Analogie erforderlichen, positiv<br />

festzustellenden Gesetzeslücke,<br />

weil der Gesetzgeber eine einheitliche<br />

Klagefrist nur in den Fällen anordnen<br />

wollte, in denen der Arbeitnehmer<br />

die Rechtsunwirksamkeit<br />

einer Arbeitgeberkündigung geltend<br />

machen will.<br />

Behält sich der Arbeitgeber in Anlehnung<br />

an das Beamtenrecht die einseitige<br />

Versetzung des Arbeitnehmers<br />

in den einstweiligen Ruhestand<br />

vor, ohne dafür eine Kündigung erklären<br />

zu müssen, ist eine derartige<br />

Bestimmung wegen der Umgehung<br />

zwingender kündigungsschutzrechtlicher<br />

Bestimmungen nichtig.<br />

48.<br />

*****EuGH, Urt. v. 12.02.2009,<br />

Az. C-466/07, DB 2009, 517 [Betriebsteilübergang]:<br />

Ein Betriebsübergang<br />

bzw. Betriebsteilübergang<br />

liegt auch dann vor, wenn die organisatorische<br />

Selbstständigkeit des ü-<br />

bernommenen Betriebsteils nicht<br />

gewahrt bleibt; erforderlich ist jedoch<br />

die Beibehaltung einer funktionellen<br />

Verknüpfung zwischen Produktionsfaktoren.<br />

Ergänzende Hinweise: Nach der<br />

<strong>Rechtsprechung</strong> des BAG liegt ein Betriebsübergang<br />

dann nicht vor, wenn der<br />

Erwerber den Betrieb oder Betriebsteil<br />

nicht „im Wesentlichen unverändert“<br />

fortführt. Demzufolge ist die Anwendbarkeit<br />

von § 613a BGB insbesondere dann<br />

zu verneinen, wenn der Betrieb oder<br />

Betriebsteil zerschlagen und vollständig<br />

in die Organisationsstruktur des Erwerbers<br />

eingegliedert wird.<br />

Mit der Entscheidung des EuGH vom<br />

12.02.2009 vertritt das Gericht die Auffassung,<br />

dass hinsichtlich der Identität<br />

einer wirtschaftlichen Einheit nicht allein<br />

auf das Kriterium der organisatorischen<br />

Selbstständigkeit abzustellen ist. Zwar<br />

kann demnach eine Änderung der Organisationsstruktur<br />

einem Betriebsübergang<br />

entgegenstehen, dies muss jedoch<br />

im Rahmen einer Gesamtbetrachtung<br />

unter Berücksichtigung der hierfür durch<br />

den EuGH entwickelten Kriterien ermittelt<br />

werden.<br />

Der EuGH begründet seinen Standpunkt<br />

mit dem Gesichtspunkt des Arbeitnehmerschutzes.<br />

Würde man allein auf das<br />

Kriterium der organisatorischen Selbstständigkeit<br />

abstellen, hätte es der Erwerber<br />

in der Hand, den Arbeitnehmern<br />

durch Eingliederung des erworbenen<br />

Betriebs oder Betriebsteils in die eigene<br />

Arbeitsorganisation den von der Richtlinie<br />

gewährten Schutz zu entziehen.<br />

Demnach führt eine vollständige Eingliederung<br />

der erworbenen Produktionsfaktoren<br />

in die eigene Arbeitsorganisation<br />

nicht mehr zwangsläufig zum Ausschluss<br />

eines Betriebsübergangs. Allerdings ist<br />

die Organisationsänderung im Rahmen<br />

der Gesamtbetrachtung zu berücksichtigen<br />

und kann demzufolge im Einzelfall<br />

der Annahme eines Betriebsübergangs<br />

entgegenstehen. Ein Betriebsübergang<br />

ist nur dann ohne weiteres ausgeschlossen,<br />

wenn keine funktionelle Verknüpfung<br />

mehr zwischen den erworbenen<br />

Produktionsfaktoren besteht.<br />

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49.<br />

****LAG Berlin, Urt. v.<br />

03.03.2009, Az. 12 Sa 2468/08,<br />

DB 2009, 1353 [Betriebsbedingte<br />

Kündigung und Einsatz von Leiharbeitnehmern]:<br />

Beschäftigt ein<br />

Arbeitgeber dauerhaft Leiharbeitnehmer,<br />

so hat er zur Vermeidung<br />

einer betriebsbedingten Kündigung<br />

eines Stammarbeitnehmers zunächst<br />

den Einsatz des Leiharbeitnehmers<br />

zu beenden, soweit dieser auf einem<br />

für die Stammarbeitskraft geeigneten<br />

Arbeitsplatz beschäftigt wird.<br />

Wird der Leiharbeitnehmer zur<br />

Krankheitsvertretung beschäftigt, so<br />

erfolgt der Einsatz gleichwohl auf<br />

Dauerarbeitsplätzen, wenn der Vertretungsbedarf<br />

ständig und ununterbrochen<br />

anfällt und der Arbeitgeber<br />

hierfür im Tätigkeitsbereich der zu<br />

kündigenden<br />

Stammarbeitskraft<br />

dauerhaft Personal beschäftigt. Ein<br />

solcher – geeigneter – Arbeitsplatz<br />

steht dem Ausspruch einer betriebsbedingten<br />

Kündigung einer Stammarbeitskraft<br />

entgegen.<br />

Ergänzender Hinweis: Gegen die Entscheidung<br />

des LAG ist Revision zugelassen<br />

worden.<br />

50.<br />

****LAG Berlin-Brandenburg,<br />

Beschl. v. 05.03.2009, Az. 6 Ta<br />

443/08, DB 2009, 236 [Kündigungsschutzklage<br />

gegen Tatkündigung]:<br />

Spricht Arbeitgeber unter<br />

demselben Datum aufgrund desselben<br />

Sachverhalts in zwei getrennten<br />

Schreiben eine Tat- und eine Verdachtskündigung<br />

aus, so erfasst die<br />

gegen die Tatkündigung gerichtete<br />

Kündigungsschutzklage auch die<br />

Verdachtskündigung.<br />

51.<br />

****BAG, Urt. v. 12.03.2009, Az.<br />

2 AZR 894/07, DB 2009, 1880<br />

[Eigenkündigung des Arbeitnehmers]:<br />

Die Geltendmachung der<br />

Unwirksamkeit einer schriftlich erklärten<br />

fristlosen Eigenkündigung<br />

durch den Arbeitnehmer (hier: wegen<br />

Vergütungsrückstand) ist regelmäßig<br />

treuwidrig.<br />

52.<br />

*****BAG, Urt. v. 18.03.2009,<br />

Az. 10 AZR 281/08, DB 2009,<br />

1186 [Gegenläufige betriebliche<br />

Übung]: Hat ein Arbeitgeber einem<br />

Arbeitnehmer jahrelang vorbehaltlos<br />

Weihnachtsgeld bezahlt, wird der<br />

Anspruch des Arbeitnehmers auf<br />

Weihnachtsgeld aus betrieblicher Ü-<br />

bung nicht dadurch aufgehoben, dass<br />

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der Arbeitgeber später bei der Leistung<br />

des Weihnachtsgeldes erklärt,<br />

die Zahlung des Weihnachtsgeldes<br />

sei eine freiwillige Leistung und begründe<br />

keinen Rechtsanspruch und<br />

der Arbeitnehmer der Handhabung<br />

über einen Zeitraum von 3 Jahren<br />

nicht widerspricht.<br />

Erklärt ein Arbeitgeber unmissverständlich,<br />

dass die bisherige betriebliche<br />

Übung einer vorbehaltlosen<br />

Weihnachtsgeldzahlung<br />

beendet<br />

werden und durch eine Leistung ersetzt<br />

werden soll, auf die in Zukunft<br />

kein Rechtsanspruch mehr besteht,<br />

kann nach dem Inkrafttreten des Gesetzes<br />

zur Modernisierung des<br />

Schuldrechts am 01. Januar 2002<br />

nach § 308 Nr. 5 BGB eine dreimalige<br />

widerspruchlose Entgegennahme<br />

der Zahlung durch den Arbeitnehmer<br />

nicht mehr den Verlust des Anspruchs<br />

auf Weihnachtsgeld bewirken<br />

(Aufgabe der <strong>Rechtsprechung</strong> zur<br />

gegenläufigen betrieblichen Übung).<br />

Ergänzende Hinweise: In dem durch<br />

das BAG entschiedenen Fall ging es um<br />

ein Arbeitsverhältnis, das bereits 1971<br />

und damit vor dem Inkrafttreten der<br />

Schuldrechtsreform begründet worden<br />

war. Vor diesem Hintergrund hat das<br />

BAG die Frage aufgeworfen, ob die nunmehr<br />

geänderte <strong>Rechtsprechung</strong> auch<br />

für solche Arbeitsverträge gilt, die im<br />

Vertrauen auf die Rechtslage vor 2002<br />

abgeschlossen worden sind. Abschließend<br />

beantwortet hat das BAG die Frage<br />

nicht. Es hat aus anderen Gründen nicht<br />

auf eine gegenläufige betriebliche Übung<br />

erkannt. Das Gericht hat darauf hingewiesen,<br />

dass die nach der früher maßgeblichen<br />

<strong>Rechtsprechung</strong> für die Anerkennung<br />

einer gegenläufigen betrieblichen<br />

Übung notwendigen Voraussetzungen<br />

im konkreten Fall nicht gegeben waren.<br />

Wollte der Arbeitgeber die betriebliche<br />

Übung einer vorbehaltlosen Gratifikationszahlung<br />

beenden, dürfe sich der<br />

Arbeitgeber nämlich nicht – wie hier –<br />

auf den Hinweis der Freiwilligkeit beschränken,<br />

sondern muss bzw. musste<br />

gegenüber seinen Arbeitnehmern unmissverständlich<br />

erklären, dass die bisherige<br />

betriebliche Übung einer vorbehaltlosen<br />

Zahlung beendet werden und<br />

durch eine Leistung ersetzt werden soll,<br />

auf die in Zukunft kein Rechtsanspruch<br />

mehr besteht. Damit musste der Arbeitgeber<br />

auf die bisherige betriebliche Ü-<br />

bung hinweisen und sein Änderungsangebot<br />

mit dem Anerkenntnis eines<br />

Rechtsanspruchs des Arbeitnehmers auf<br />

die Gratifikation verbinden. Ein solches<br />

Anerkenntnis hat das BAG in seiner Entscheidung<br />

vom 18.03.2009 nicht erkannt.<br />

53.<br />

****BAG, Urt. v. 18.03.2009, Az.<br />

10 AZR 289/08, DB 2009, 1189<br />

[Freiwilligkeitsvorbehalt und betriebliche<br />

Übung]: Bei einem klar<br />

und verständlich formulierten Vorbehalt,<br />

der einen Anspruch auf eine<br />

jährlich gezahlte Sonderleistung für<br />

die Zukunft ausschließt, fehlt es an<br />

einer versprochenen Leistung im<br />

Sinne vom § 308 Nr. 4 BGB. Eine<br />

betriebliche Übung kann dann nicht<br />

entstehen.<br />

Solche Freiwilligkeitsvorbehalte weichen<br />

nicht von anerkannten Rechtsgrundsätzen<br />

ab und halten unabhängig<br />

von Höhe und Zweck der Leistung<br />

der AGB-Kontrolle nach § 307 II<br />

Nr. 1 BGB stand. Der Arbeitgeber ist<br />

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dann frei darin, jedes Jahr neu zu<br />

entscheiden, ob, an wen und unter<br />

welchen Voraussetzungen er eine<br />

Sonderleistung erbringen will. Er<br />

kann Mitarbeiter vom Kreis der Anspruchsberechtigten<br />

ausschließen,<br />

die zur Zeit der Entstehung des Anspruchs<br />

bereits ausgeschieden sind.<br />

54.<br />

*****BAG, Urt. v. 24.03.2009,<br />

Az. 9 AZR 983/07 [Verfall von<br />

Urlaubsansprüchen wegen<br />

Krankheit]: Art. 7 II der Richtlinie<br />

2003/88/EG steht nach der Entscheidung<br />

des EuGH v. 20.01.2009 einzelstaatlichen<br />

Rechtsvorschriften entgegen,<br />

nach denen Arbeitnehmern, die<br />

wegen Krankheit den Jahresurlaub<br />

nicht in Anspruch nehmen können,<br />

am Ende des Arbeitsverhältnisses<br />

keine „finanzielle Vergütung“ gezahlt<br />

wird. Nationale Rechtsvorschriften<br />

dürfen diese Ansprüche nicht untergehen<br />

lassen. Der IX. Senat hat § 7<br />

III und IV BUrlG bisher so ausgelegt,<br />

dass der Urlaubsabgeltungsanspruch<br />

erlischt, wenn der Urlaubsanspruch<br />

aufgrund der krankheitsbedingten<br />

Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers<br />

bis zum Ende des Übertragungszeitraums<br />

nicht erfüllt werden kann.<br />

Daran hält der Senat nicht mehr fest.<br />

55.<br />

****BAG, Urt. v. 25.03.2009, Az.<br />

7 AZR 34/08, DB 2009, 2272 [Befristete<br />

Beschäftigung mit Sachgrund]:<br />

Der die Befristung eines<br />

Arbeitsvertrages nach § 14 I 2 Nr. 3<br />

TzBfG rechtfertigende Sachgrund der<br />

Vertretung wird nicht dadurch in Frage<br />

gestellt, dass der Arbeitnehmer<br />

wiederholt zur Vertretung desselben<br />

vorübergehend an der Arbeitsleistung<br />

verhinderten Arbeitnehmers<br />

befristet beschäftigt wird.<br />

Die Anzahl der mit der Vertretungskraft<br />

abgeschlossenen befristeten<br />

Arbeitsverträge führt nicht dazu,<br />

dass an die Prüfung, ob der Sachgrund<br />

der Vertretung vorliegt, besonders<br />

strenge Anforderungen zu<br />

stellen sind.<br />

Für die Beurteilung, ob der Arbeitnehmer<br />

zur Deckung eines durch die<br />

vorübergehende Abwesenheit eines<br />

anderen Arbeitnehmers verursachten<br />

Beschäftigungsbedarfs eingestellt<br />

wird, ist es unerheblich, ob der befristet<br />

eingestellte Arbeitnehmer bereits<br />

zuvor im Rahmen befristeter<br />

Arbeitsverträge bei dem Arbeitgeber<br />

beschäftigt war.<br />

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56.<br />

***BAG, Urt. v. 26.03.2009, Az. 2<br />

AZR 879/07, DB 2009, 2381<br />

[Auflösungsantrag nach § 9<br />

KSchG]: Der Arbeitgeber kann eine<br />

Auflösung nach § 9 I 2 KSchG nur<br />

verlangen, wenn die Kündigung lediglich<br />

sozialwidrig ist.<br />

57.<br />

*****BAG, Urt. v. 26.03.2009,<br />

Az. 2 AZR 403/07, DB 2009, 2219<br />

[Klagefrist bei Kündigung durch<br />

vollmachtlosen Vertreter]: Die<br />

dreiwöchige Klagefrist des § 4 S. 1<br />

KSchG findet nur auf eine dem Arbeitgeber<br />

zurechenbare Kündigung<br />

Anwendung.<br />

Kündigt ein vollmachtloser Vertreter<br />

oder ein Nichtberechtigter das Arbeitsverhältnis<br />

des Arbeitnehmers,<br />

liegt keine Kündigung des Arbeitgebers<br />

im Sinne von § 4 S. 1 KSchG<br />

vor. Eine ohne Billigung (Vollmacht)<br />

des Arbeitgebers ausgesprochene<br />

Kündigung ist dem Arbeitgeber erst<br />

durch eine (nachträglich) erteilte Genehmigung<br />

zurechenbar. Die dreiwöchige<br />

Klagefrist kann deshalb frühestens<br />

mit Zugang der Genehmigung<br />

zu laufen beginnen.<br />

58.<br />

****BGH, Beschl. v. 02.04.2009,<br />

Az. 9 ZR 182/08, DB 2009, 897<br />

[Rechtsweg für Insolvenzanfechtungsklagen<br />

gegenüber Arbeitnehmern<br />

auf Lohnzahlungsrückerstattung]:<br />

Für die Anfechtungsklage<br />

des Insolvenzverwalters gegen<br />

einen Arbeitnehmer des Schuldners<br />

ist der ordentliche Rechtsweg auch<br />

dann gegeben, wenn die Anfechtung<br />

eine vom Schuldner geleistete Vergütung<br />

betrifft.<br />

Ergänzende Hinweise: Zwischen BAG<br />

und BGH besteht Streit darüber, welcher<br />

Rechtsweg bei Streitigkeiten vorstehend<br />

geschilderter Art maßgeblich ist. Das<br />

BAG hält den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten<br />

für eröffnet. Nach Einschätzung<br />

des BGH sind die ordentlichen Gerichte<br />

zuständig. Der BGH argumentiert,<br />

der Rechtsweg bestimme sich aus der<br />

Natur des Rechtsverhältnisses. Da der<br />

Anfechtungsanspruch ein bürgerlichrechtlicher<br />

Anspruch sei, führe dies zur<br />

Eröffnung des Rechtswegs zu den ordentlichen<br />

Gerichten.<br />

Es ist nunmehr der gemeinsame Senat<br />

der obersten Bundesgerichte angerufen<br />

worden.<br />

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59.<br />

***BAG, Urt. v. 02.04.2009, Az. 8<br />

AZR 178/07, DB 2009, 2213<br />

[Verwirkung des Rechts auf Widerspruch]:<br />

Das Recht des Arbeitnehmers,<br />

dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses<br />

auf den Betriebserwerber<br />

zu widersprechen (§ 613a<br />

VI BGB), kann verwirken.<br />

Kein Umstandsmoment im Sinne der<br />

Verwirkung ist darin zu sehen, dass<br />

der Arbeitnehmer sich gegen eine<br />

Kündigung des Betriebserwerbers<br />

nach Betriebsübergang wehrt. Damit<br />

akzeptiert er nicht den Betriebserwerber<br />

als seinen neuen Arbeitgeber.<br />

Vielmehr tritt er der einseitigen Disposition<br />

der Arbeitgeberseite über<br />

den Bestand seines Arbeitsverhältnisses<br />

entgegen, um gerade die Verwirklichung<br />

eines Umstandsmoments<br />

zu verhindern.<br />

Ergänzende Hinweise: Das BAG weist<br />

noch einmal darauf hin, dass angesichts<br />

der gesetzlichen Regelung hinsichtlich<br />

des Zeitmoments nicht auf eine feststehende<br />

Monatsfrist, z. B. von 6 Monaten<br />

abgestellt werden könne. Abzustellen sei<br />

auf die konkreten Umstände des Einzelfalls.<br />

Es sei im Übrigen davon auszugehen,<br />

dass bei schwierigen Sachverhalten<br />

die Rechte des Arbeitnehmers erst nach<br />

längerer Untätigkeit verwirken könnten.<br />

60.<br />

****BAG, Urt. v. 02.04.2009, Az.<br />

8 AZR 220/07, DB 2009, 2214<br />

[Schadensersatz wegen Verletzung<br />

der Unterrichtungspflicht<br />

nach § 613a V BGB]: Hat der Arbeitnehmer<br />

sein Widerspruchsrecht<br />

verwirkt, so hat er im Wege des<br />

Schadensersatzes keinen Anspruch<br />

auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses<br />

mit dem Betriebsveräußerer<br />

weil dieser seiner Unterrichtungspflicht<br />

nach § 613a V BGB nicht ordnungsgemäß<br />

nachgekommen war.<br />

Ergänzende Hinweise: Bei der Unterrichtungspflicht<br />

nach § 613a V BGB handelt<br />

es sich um eine echte Rechtspflicht,<br />

deren Verletzung einen Schadensersatzanspruch<br />

nach § 280 I BGB auslösen<br />

kann. Macht der Arbeitnehmer geltend,<br />

nicht oder nicht vollständig über den<br />

Betriebsübergang unterrichtet worden zu<br />

sein, ist er so zu stellen, wie er gestanden<br />

hätte, wenn er richtig und vollständig<br />

informiert worden wäre. Dies bedeutet,<br />

dass der Arbeitnehmer vortragen<br />

und beweisen muss, dass ihm in Folge<br />

der unterbliebenen Unterrichtung der<br />

geltend gemachte Schaden entstanden<br />

ist.<br />

Führt ein Verhalten des Arbeitnehmers<br />

dazu, dass sein Recht auf Ausübung des<br />

Widerspruchs untergegangen ist, z.B.<br />

durch das Rechtsinstitut der Verwirkung,<br />

liegt es nicht im Schutzzweck der Vorschrift<br />

des § 613a V BGB dem Arbeitnehmer<br />

gleichsam eine weitere Widerspruchsmöglichkeit<br />

einzuräumen, indem<br />

er im Weg der Naturalrestitution den<br />

Fortbestand des Arbeitsverhältnisses<br />

verlangen kann. Würde ein solcher<br />

Schadensersatzanspruch zuerkannt, würden<br />

letztlich die Regelungen, die zum<br />

Untergang des Widerspruchsrechts geführt<br />

haben, umgangen.<br />

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61.<br />

****BAG, Urt. v. 02.04.2009, Az.<br />

8 AZR 262/07, DB 2009, 2215<br />

[Verwirkung des Widerspruchsrechts<br />

nach § 613a VI BGB]: Ein<br />

Arbeitnehmer, der eine fehlerhafte<br />

Unterrichtung rügt und eine selbst<br />

gesetzte Frist zur Entscheidung über<br />

sein Widerspruchsrecht verstreichen<br />

lässt, verwirklicht jedenfalls dann das<br />

Umstandsmoment im Sinne der Verwirkung,<br />

wenn er danach mit dem<br />

Betriebserwerber ein Aufhebungsvertrag<br />

und mit einem dritten Unternehmen<br />

einen neuen Arbeitsvertrag<br />

abschließt.<br />

62.<br />

*****BAG, Urt. v. 22.04.2009,<br />

Az. 5 AZR 436/08 [Lohnwucher]:<br />

Ein auffälliges Missverhältnis zwischen<br />

Leistung und Gegenleistung im<br />

Sinne von § 138 II BGB ist gegeben,<br />

wenn die Arbeitsvergütung nicht<br />

einmal 2/3 eines in der betreffenden<br />

Branche und Wirtschaftsregion üblicherweise<br />

gezahlten Tariflohns erreicht.<br />

Üblichkeit einer Tarifvergütung<br />

kann angenommen werden,<br />

wenn mehr als 50 % der Arbeitgeber<br />

eines Wirtschaftsgebiets tarifgebunden<br />

sind oder wenn die organisierten<br />

Arbeitgeber mehr als 50 % der Arbeitnehmer<br />

eines Wirtschafsgebiets<br />

beschäftigen. Zu vergleichen ist die<br />

regelmäßig gezahlte Vergütung mit<br />

dem regelmäßigen Tariflohn. Besondere<br />

Einzelumstände können die Bestimmung<br />

des Wertes der Arbeitsleistung<br />

und die Beurteilung der sittenwidrigen<br />

Ausbeutung beeinflussen<br />

und ggf. zu einer Korrektur der Zwei-<br />

Drittel-Grenze führen.<br />

Eine Entgeltvereinbarung kann auch<br />

nachträglich wucherisch werden,<br />

wenn sie nicht an die allgemeine<br />

Lohnentwicklung angepasst wird.<br />

Der begünstigte Vertragsteil muss<br />

Kenntnis vom Missverhältnis der beiderseitigen<br />

Leistungen haben. Regelmäßig<br />

wird davon ausgegangen<br />

werden können, dass die einschlägigen<br />

Tariflöhne den Arbeitgebern bekannt<br />

sind. Ob auch die Üblichkeit<br />

des Tariflohns bekannt ist oder sich<br />

jedenfalls aufdrängen muss, hängt<br />

von den jeweiligen Umständen ab.<br />

63.<br />

***BAG, Urt. v. 22.04.2009, Az. 5<br />

AZR 133/08, DB 2009, 1652<br />

[Langfristige Überschreitung der<br />

vertraglichen Arbeitszeit]: Die<br />

Tatsache, dass ein Arbeitnehmer<br />

vom Arbeitgeber – auf längere Zeit –<br />

unter Überschreitung der vorgesehenen<br />

Arbeitszeit eingesetzt wird, beinhaltet<br />

für sich genommen auch keine<br />

einvernehmliche Vertragsänderung.<br />

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64.<br />

***BFH, Urt. v. 23.04.2009, Az. 6<br />

AZR 81/06, DB 2009, 1571 [Selbständige<br />

im Sinne des Sozialversicherungsrechts]:<br />

Gesellschafter-<br />

Geschäftsführer die mindestens 50 %<br />

des Stammkapitals einer GmbH innehaben,<br />

sind regelmäßig Selbstständige<br />

im Sinne des Sozialversicherungsrechts.<br />

65.<br />

****BAG, Urt. v. 23.04.2009, Az.<br />

6 AZR 189/08, DB 2009, 1936<br />

[Beweisverwertungsverbot bei<br />

Mithören eines Telefonats]: Das<br />

zivilrechtliche allgemeine Persönlichkeitsrecht<br />

des Gesprächspartners<br />

eines Telefongesprächs ist verletzt,<br />

wenn der andere einen Dritten durch<br />

aktives Handeln zielgerichtet veranlasst,<br />

das Telefongespräch heimlich<br />

mitzuhören. Aus der rechtswidrigen<br />

Erlangung des Beweismittels folgt ein<br />

Beweisverwertungsverbot. Der Dritte<br />

darf nicht als Zeuge zum Inhalt der<br />

Äußerungen des Gesprächspartners<br />

vernommen werden, der von dem<br />

Mithören keine Kenntnis hat.<br />

Konnte ein Dritter zufällig, ohne dass<br />

der Beweispflichtige etwas dazu beigetragen<br />

hat, den Inhalt des Telefongesprächs<br />

mithören, liegt keine<br />

rechtswidrige Verletzung des zivilrechtlichen<br />

allgemeinen Persönlichkeitsrechts<br />

des Gesprächspartners<br />

vor. In diesem Fall besteht deshalb<br />

auch kein Beweisverwertungsverbot.<br />

66.<br />

****LAG Niedersachsen, Urt. v.<br />

24.04.2009, Az. 10 Sa 1402/08<br />

[Arbeitnehmerhaftung]: Ein Arbeitnehmer,<br />

der wahllos einen der<br />

Knöpfe der Steuereinheit eines medizinischen<br />

Diagnosegeräts drückt, ohne<br />

deren Funktion zu kennen, handelt<br />

grob fahrlässig. Gerade einem<br />

mit der Funktion medizinischer Apparate<br />

nicht vertrautem Arbeitnehmer<br />

ist es objektiv geboten, nicht irgendeinen<br />

Knopf einer augenscheinlich<br />

wertvollen Apparatur zu drücken,<br />

weil ein Alarmsignal ertönt. Dies gilt<br />

jedenfalls dann, wenn kein Anlass<br />

besteht, von einer unmittelbar drohenden<br />

Gefahr auszugehen.<br />

Bei grober Fahrlässigkeit hat der Arbeitnehmer<br />

in aller Regel den gesamten<br />

Schaden zu ersetzen. Eine Haftungsteilung<br />

ist aber nicht ausgeschlossen,<br />

wenn der Verdienst des<br />

Arbeitnehmers in einem deutlichen<br />

Missverhältnis zu dem Schadensrisiko<br />

der Tätigkeit steht.<br />

Eine vom Arbeitnehmer abgeschlossene<br />

Haftpflichtversicherung wirkt<br />

sich nicht auf die Haftung aus. Die<br />

private Haftpflichtversicherung haftet<br />

nur in dem Umfang, in dem der Ar-<br />

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eitnehmer selbst haftet und kann<br />

daher keinen Einfluss auf das Bestehen<br />

und die Höhe einer Ersatzpflicht<br />

haben.<br />

Ergänzende Hinweise: In dem durch<br />

das LAG entschiedenen Fall ging es um<br />

einen durch eine Reinigungskraft verursachten<br />

Schaden an einem Magnetresonanztomografen.<br />

Die Arbeitnehmerin<br />

hatte einen Schalter gedrückt, wodurch<br />

das in dem Magnetresonanztomografen<br />

als Kühlmittel befindliche Helium entwich<br />

und das im Gerät vorhandene elektromagnetische<br />

Feld zusammenbrach. Die<br />

notwendigen Reparaturkosten beliefen<br />

sich auf 30.500 EUR. Das monatliche<br />

Bruttoentgelt der Arbeitnehmerin beläuft<br />

sich auf lediglich 320 EUR. Das LAG hat<br />

der Klage in einem Umfange von 3.840<br />

EUR stattgegeben und im Übrigen die<br />

Klage abgewiesen.<br />

Der Rechtsstreit ist bei dem BAG unter<br />

dem Az. 8 AZR 418/09 anhängig.<br />

67.<br />

****BAG, Urt. v. 06.05.2009, Az.<br />

X AZR 443/08, DB 2009, 1601<br />

[Blue-pencil-test]: Ist eine Klausel<br />

in einem Formulararbeitsvertrag<br />

sprachlich teilbar und wird der unwirksame<br />

Teil der Klausel “mit einem<br />

blauen Stift” gestrichen (blue-penciltest),<br />

ist die restliche Regelung aufrecht<br />

zu erhalten, wenn sie verständlich<br />

und wirksam ist.<br />

ber verlängerten Kündigungsfristen<br />

(§ 622 II BGB) auch für eine seitens<br />

eines Arbeitnehmers ausgesprochene<br />

Kündigung gelten sollen, ist rechtlich<br />

nicht zu beanstanden.<br />

69.<br />

***BAG, Urt. v. 28.05.2009, Az. 8<br />

AZR 226/08, DB 2009, 2379 [Ersatz<br />

von Detektivkosten]: Die Erstattung<br />

von Detektivkosten im Wege<br />

des Kostenfestsetzungsverfahrens<br />

nach den §§ 103 ff. ZPO kommt nur<br />

dann in Betracht, wenn sie als prozessuale<br />

(Vorbereitungs-)Kosten geltend<br />

gemacht werden. Ein materiellrechtlicher<br />

Anspruch auf Kostenserstattung<br />

ist nicht Gegenstand des<br />

prozessualen Kostenerstattungsverfahrens.<br />

Um Detektivkosten ersetzt verlangen<br />

zu können, muss der Arbeitgeber<br />

vortragen, dass er vor Beauftragung<br />

der Detektei einen konkreten Tatverdacht<br />

gegen den Arbeitnehmer hatte<br />

und haben durfte, der bei vernünftiger,<br />

wirtschaftlicher Betrachtung die<br />

Einschaltung eines Detektivs erforderlich<br />

erscheinen ließ.<br />

68.<br />

****BAG, Urt. v. 28.05.2009, Az.<br />

8 AZR 896/07 [Gleichstellungsklausel]:<br />

Eine formularmäßige Vereinbarung,<br />

nach der die für Arbeitge-<br />

70.<br />

****BAG, Urt. v. 28.05.2009, Az.<br />

8 AZR 273/08, DB 2009, 2216<br />

[Anzeigepflicht nach § 17<br />

KSchG]: Eine Kündigung ist recht-<br />

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sunwirksam, wenn sie der Arbeitgeber<br />

vor einer nach § 17 KSchG erforderlichen,<br />

den gesetzlichen Anforderungen<br />

entsprechenden Anzeige an<br />

die Agentur für Arbeit ausspricht.<br />

Anzeigepflichtige Kündigungen dürfen<br />

bereits unmittelbar nach Eingang<br />

der Anzeige bei der Agentur für Arbeit<br />

ausgesprochen werden. Eine anzeigepflichtige<br />

Kündigung beendet,<br />

sofern der Kündigungstermin vor Ablauf<br />

der einmonatigen Sperrfrist des<br />

§ 18 I KSchG liegt, das Arbeitsverhältnis<br />

nicht zu dem in der Kündigungserklärung<br />

genannten Zeitpunkt,<br />

sondern erst mit Ablauf eines<br />

Monats nach Eingang der Anzeige,<br />

wenn keine Zustimmung der Agentur<br />

für Arbeit zu einer früheren Beendigung<br />

des Arbeitsverhältnisses vorliegt.<br />

71.<br />

***BAG, Urt. v. 28.05.2009, Az. 2<br />

AZR 282/08, DB 2009, 1939<br />

[Auflösungsantrag nach § 9<br />

KSchG]: Es ist regelmäßig ausgeschlossen,<br />

über einen Kündigungsschutzantrag<br />

gegen eine spätere<br />

Kündigung eher zu entscheiden, als<br />

über einen zeitlich vorhergehenden<br />

Auflösungsantrag.<br />

Bei der Gewichtung der Auflösungsgründe<br />

und Bestimmung der Abfindungshöhe<br />

sind zum einen die voraussichtliche<br />

Dauer des Arbeitsverhältnisses<br />

und zum anderen der<br />

wahrscheinliche Ausgang des Rechtsstreits<br />

über den nachgehenden Beendigungstatbestand<br />

vorausschauend<br />

zu würdigen.<br />

72.<br />

****BAG, Urt. v. 23.06.2009, Az.<br />

2 AZR 606/08, DB 2009, 1991<br />

[Weisungsrecht des Arbeitgebers]:<br />

Das Weisungsrecht des Arbeitgebers<br />

ist nach § 106 S. 1, 2<br />

GewO beschränkt auf „Inhalt, Ort<br />

und Zeit der Arbeitsleistung“ sowie<br />

auf „Ordnung und Verhalten im Betrieb“.<br />

In diesem Rahmen kann der<br />

Arbeitgeber den Arbeitnehmer auch<br />

zur Teilnahme an Gesprächen verpflichten,<br />

in denen er Weisungen<br />

vorbereiten, erteilen oder ihre Nichteinhaltung<br />

beanstanden will.<br />

Die Teilnahme an Gesprächen, die<br />

mit den im Gesetz genannten Zielen<br />

nicht im Zusammenhang stehen –<br />

beispielsweise Gespräche mit dem<br />

einzigen Ziel einer vom Arbeitnehmer<br />

bereits abgelehnten Vertragsänderung<br />

-, kann der Arbeitnehmer nicht<br />

durch einseitige Anordnung zur nach<br />

§ 106 GewO verbindlichen Dienstpflicht<br />

erheben.<br />

Weisungen des Arbeitgebers müssen<br />

stets billiges Ermessen wahren. Das<br />

schließt die Achtung grundrechtlich<br />

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geschützter Interessen, z.B. des<br />

Rechts des Arbeitnehmers zur Ablehnung<br />

von Vertragsverhandlungen,<br />

ein.<br />

73.<br />

****BAG, Urt. v. 25.06.2009, Az.<br />

8 AZR 258/08, DB 2009, 2554<br />

[Betriebübergang eines Callcenters]:<br />

Bei einem Callcenter steht die<br />

Kundenbetreuung durch die Mitarbeiter<br />

im Mittelpunkt der betrieblichen<br />

Betätigung. Sächliche Betriebsmittel,<br />

wie die Telefonanlage, spielen neben<br />

der menschlichen Arbeitskraft nur<br />

eine untergeordnete Rolle für die<br />

wirtschaftliche Wertschöpfung.<br />

Übernimmt ein neu gegründetes<br />

Callcenter einen wesentlichen Teil<br />

der in einem Callcenter beschäftigten<br />

Mitarbeiter, so liegt in der Regel auch<br />

dann ein Betriebsübergang vor, wenn<br />

der neue Betreiber das Serviceangebot<br />

erweitert und deshalb eine Fortbildung<br />

der übernommenen Mitarbeiter<br />

nötig wird.<br />

74.<br />

****BVerfG, Beschl. v.<br />

07.07.2009, Az. 1 BvR 1164/07,<br />

DB 2009, 2441 [Gleichbehandlung<br />

von Ehe und eingetragener<br />

Lebenspartnerschaft]: Die Ungleichbehandlung<br />

von Ehe und eingetragener<br />

Lebenspartnerschaft im Bereich<br />

der betrieblichen Hinterbliebenenversorgung<br />

für Arbeitnehmer des<br />

öffentlichen Dienstes, die bei der<br />

Versorgungsanstalt des Bundes und<br />

der Länder zusatzversichert sind, ist<br />

mit Art. 3 I GG unvereinbar.<br />

Geht die Privilegierung der Ehe mit<br />

einer Benachteiligung anderer Lebensformen<br />

einher, obgleich diese<br />

nach dem geregelten Lebenssachverhalt<br />

und den mit der Normierung<br />

verfolgten Zielen der Ehe vergleichbar<br />

sind, rechtfertigt der bloße Verweis<br />

auf das Schutzgebot der Ehe<br />

gem. Art. 6 I GG eine solche Differenzierung<br />

nicht.<br />

75.<br />

****BAG, Urt. v. 05.08.2009, Az.<br />

10 AZR 483/08, DB 2009, 2662<br />

[Betriebliche Übung und Günstigkeitsprinzip]:<br />

Ist der Arbeitgeber<br />

durch eine dreimalige vorbehaltlose<br />

Gratifikationszahlung vertraglich<br />

zur Leistung verpflichtet, kann er<br />

einen nach den Grundsätzen der betrieblichen<br />

Übung entstandenen Anspruch<br />

des Arbeitnehmers auf Weihnachtsgeld<br />

ebenso wie einen im Arbeitsvertrag<br />

geregelten Weihnachtsgeldanspruch<br />

nur durch Kündigung<br />

oder eine entsprechende Vereinbarung<br />

mit dem Arbeitnehmer beseitigen.<br />

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Will ein Arbeitgeber verhindern, dass<br />

im Verhältnis zu einer Betriebsvereinbarung<br />

das Günstigkeitsprinzip<br />

gilt und dem Arbeitnehmer günstigere<br />

einzelvertragliche Abreden über<br />

eine Sonderzahlung gegenüber den<br />

in einer Betriebsvereinbarung getroffenen<br />

Regelungen Vorrang haben,<br />

darf er die Sonderzahlung nicht jahrelang<br />

ohne jeden Vorbehalt leisten.<br />

76.<br />

****LAG<br />

Mecklenburg-<br />

Vorpommern, Urt. v. 19.08.2009,<br />

Az. 2 Sa 132/09 [§ 622 II 2<br />

BGB]: § 622 II 2 BGB ist wegen Europarechtswidrigkeit<br />

nicht anzuwenden.<br />

77.<br />

****BAG, Urt. v. 20.08.2009, Az.<br />

2 AZR 267/08 [Abfindungsanspruch<br />

nach § 1 a KSchG]: Auch<br />

eine nach Ablauf der dreiwöchigen<br />

Klagefrist erhobene Kündigungsschutzklage<br />

hindert die Entstehung<br />

des Abfindungsanspruchs nach § 1 a<br />

KSchG. Zweck der gesetzlichen Regelung<br />

ist es, gerichtliche Auseinandersetzungen<br />

der Arbeitsvertragsparteien<br />

zu vermeiden. Deswegen ist<br />

dem Arbeitnehmer eine Abfindung zu<br />

versagen, wenn er eine gerichtliche<br />

Auseinandersetzung eingeleitet hat.<br />

78.<br />

****BAG, Urt. v. 26.08.2009, Az.<br />

5 AZR 522/08, DB 2009, 2480<br />

[Weiterführung des beendeten<br />

Vorstandsanstellungsverhältnisses<br />

als Arbeitsverhältnis]: Sieht<br />

der Anstellungsvertrag des Vorstandes<br />

einer Aktiengesellschaft für den<br />

Fall der Beendigung der Organstellung<br />

die unveränderte Weiterführung<br />

des Anstellungsverhältnisses als Arbeitsverhältnis<br />

über die Fristen des<br />

§ 84 I AktG hinaus vor, liegt eine<br />

objektive Gesetzesumgehung vor.<br />

Gemäß § 134 BGB kommt ein Arbeitsverhältnis<br />

nicht zustande.<br />

79.<br />

***BAG, Beschl. v. 07.09.2009,<br />

Az. 3 AZB 19/09, DB 2009, 2719<br />

[Zwangsweise Durchsetzung eines<br />

Anspruchs auf Abrechnung<br />

von Arbeitsentgelt]: Der Anspruch<br />

des Arbeitnehmers auf Abrechnung<br />

von Arbeitsentgelt nach § 108 GewO<br />

entsteht, wenn das Arbeitsentgelt<br />

gezahlt wird. Der Arbeitgeber hat<br />

abzurechnen, wie er das Arbeitsentgelt<br />

tatsächlich berechnet hat und<br />

welche Abzüge er aus welchen Gründen<br />

tatsächlich vorgenommen und<br />

welche Beträge er abgeführt hat.<br />

Die Abrechnungspflicht ist eine nicht<br />

vertretbare Handlung. Soweit sie ti-<br />

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tuliert ist, ist das Urteil nach § 888<br />

ZPO zu vollstrecken.<br />

Liegen die dort genannten Voraussetzungen<br />

vor, kann insbesondere<br />

ein Zwangsgeld nicht beigetrieben<br />

werden, ist der Erlass eines Haftbefehls<br />

nach § 901 ZPO möglich.<br />

Der auch im Zwangsvollstreckungsrecht<br />

zu beachtende Grundsatz der<br />

Verhältnismäßigkeit steht dem nicht<br />

entgegen. Der Arbeitnehmer als Vollstreckungsgläubiger<br />

ist darauf angewiesen,<br />

dass sein Anspruch auf Abrechnung<br />

effektiv vollstreckt wird.<br />

Dem Arbeitgeber als Vollstreckungsschuldner<br />

ist es ohne weiteres möglich,<br />

die ihm obliegende Handlung zu<br />

erbringen.<br />

80.<br />

****LAG Berlin-Brandenburg,<br />

Urt. v. 09.09.2009, Az. 15 Sa<br />

797/09 [Gegenläufige betriebliche<br />

Übung in Altfällen]: Es kann<br />

offen bleiben, ob unter Vertrauensgesichtspunkten<br />

zugunsten des Arbeitgebers<br />

für sog. Altfälle anzunehmen<br />

ist, dass für vor dem<br />

01.01.2002 vereinbarte Arbeitsverträge<br />

nicht die Beschränkungen nach<br />

§ 308 Nr. 5 BGB zu gelten haben, so<br />

dass eine gegenläufige betriebliche<br />

Übung grundsätzlich möglich ist. In<br />

einem solchen Fall muss der Arbeitgeber<br />

die Arbeitnehmer bei Verweigerung<br />

der Leistung unter Einräumung<br />

einer angemessenen Frist darauf<br />

hinweisen, dass ihr (dreimaliges)<br />

Schweigen als Zustimmung zu einer<br />

Abänderung des Arbeitsvertrags gewertet<br />

wird.<br />

Ergänzender Hinweis: Die Entscheidung<br />

ist nicht rechtskräftig und trägt bei<br />

dem BAG das Az. 10 AZR 721/09.<br />

81.<br />

****BAG, Urt. v. 15.09.2009, Az.<br />

9 AZR 757/08, DB 2009, 2551<br />

[Sonn- und Feiertagsarbeit]: Wollen<br />

die Vertragsparteien das Weisungsrecht<br />

des Arbeitgebers für die<br />

Arbeitszeitverteilung durch eine konstitutive<br />

Regelung einschränken,<br />

müssen hierfür besondere Anhaltspunkte<br />

bestehen. Das gilt auch für<br />

den Ausschluss gesetzlich und kollektivrechtlich<br />

erlaubter Sonn- und Feiertagsarbeit.<br />

82.<br />

***BSG, Urt. v. 24.09.2008, Az. B<br />

12 KR 22/07 R, DB 2009, 2326<br />

[Sozialversicherungsrechtliches<br />

Beschäftigungsverhältnis<br />

trotz<br />

Freistellung]: Ein die Versicherungspflicht<br />

in der gesetzlichen Rentenversicherung<br />

und in der Arbeitslosenversicherung<br />

begründende Beschäftigung<br />

kann auch dann vorliegen,<br />

wenn bei fortlaufender Zahlung<br />

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des Arbeitsentgelts der Arbeitnehmer<br />

einvernehmlich und unwiderruflich<br />

bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses<br />

von der Arbeitsleistung freigestellt<br />

ist.<br />

83.<br />

***BAG, Urt. v. 23.09.2009, Az. 5<br />

AZR 518/09 [Eintritt in die Rechte<br />

und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis<br />

nach Betriebsübergang]:<br />

Der Eintritt in die Rechte und<br />

Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis<br />

nach § 613a I 1 BGB erfasst einen<br />

bei dem früheren Betriebsinhaber<br />

begründeten Annahmeverzug. Ein<br />

Angebot der Arbeitsleistung gegenüber<br />

dem neuen Betriebsinhaber ist<br />

dann entbehrlich.<br />

Macht der Arbeitnehmer den Übergang<br />

seines Arbeitsverhältnisses im<br />

Wege einer Feststellungsklage gegen<br />

den neuen Betriebsinhaber geltend,<br />

liegt darin regelmäßig auch die Geltendmachung<br />

der von dem Bestand<br />

des Arbeitsverhältnisses abhängigen<br />

Vergütungsansprüche.<br />

Redaktion:<br />

RA Dr. Uwe Schlegel, <strong>Eisenbeis</strong><br />

Rechtsanwaltsges. mbH, Köln<br />

uwe.schlegel@etl.de<br />

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