Tauernfenster 2007 (7,92 MB)
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Im Gespräch<br />
Was hast du dir selber zu deinem 90sten gewünscht,<br />
den du am 8. November feiern konntest?<br />
Hansl: Nur ein bisschen gesund zu bleiben.<br />
Wenn du dir heute Prettau anschaust: Was ist die größte<br />
Veränderung gewesen, die das Dorf im Laufe deines Lebens<br />
mitgemacht hat?<br />
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Hansl (links) mit seinen Schwestern, die alle noch leben:<br />
Maria, Agatha, Marianna und Olga<br />
Hansl: O, da gäbe es wohl viel aufzuzählen … Am<br />
meisten hat sich aber die Arbeit verändert – durch den<br />
technischen Fortschritt, vor allem auf dem Feld. Da ist ja<br />
ein Unterscheid wie Tag und Nacht.<br />
Etwa bei der Heuernte: ’s Packetrougn ist mehr als anstrengend<br />
gewesen. Über die steilsten Felder musste alles<br />
getragen werden. Keiner der Knechte hätte es je gewagt,<br />
einen Heupack daherzuziehen. Schon wegen dem bisschen<br />
Plüima, das es dabei gegeben hätte.<br />
Und dann das Misten: In einem Korb musste der<br />
schwere Mist auf die Felder getragen werden, bis ganz<br />
nach oben. Da hatte man oft bis zu 100 Kilo auf dem<br />
Buggl. Heute ist das ganz anders geworden. Heute machen<br />
das alles die Maschinen, die Transporter und so.<br />
Auch bei der Holzarbeit. Ein Bauer könnte sich heute ja<br />
auch gar nicht mehr zwei Knechte leisten.<br />
Einmal, da ist auf dem Karboden, weit über dem Hörmann,<br />
eine Kuh verendet. Die haben wir herunter tragen<br />
müssen. Wir waren zu dritt: Die vorderen zwei Viertel<br />
habe ich getragen, je ein hinteres Viertel die anderen. Als<br />
wir bei der Metzbonk beim Kroma angekommen sind,<br />
haben die nicht schlecht gestaunt: Die vorderen Viertel,<br />
die ich getragen habe, haben 123 kg gewogen.<br />
Da geht es uns heute doch wesentlich besser …<br />
Hansl: Ja, ja, das schon, aber leichter haben es die jungen<br />
Leute deswegen nicht: Die ganze Woche arbeiten,<br />
und übers Wochenende muss das schwer verdiente Geld<br />
dann wieder gar gemacht werden. Früher musste man<br />
oft überlegen, ob man im Gasthaus noch ein Kartenspiel<br />
wagen kann oder nicht. Ich bin dann halt aufs Klosett<br />
gegangen, um heimlich nachzuschauen, ob ich noch soviel<br />
Geld habe. Na, na leicht hat es die Jugend heute auch<br />
nicht immer: Wer die ganze Woche arbeitet, soll ja auch<br />
ein Vergnügen haben. Recht wäre halt, ein bisschen auf<br />
die Mitte antragen.<br />
Den Leuten heute geht’s ja gut. Oft wundere ich mich,<br />
wie wir das früher überhaupt alles leisten und bezahlen<br />
konnten. Hätten wir es früher so gehabt wie heute, dann<br />
wär’s Leben wohl leichter gewesen. Und auch wenn die<br />
Leute heute oft weit zur Arbeit fahren müssen, so lässt es<br />
sich schon doch gut aushalten in Prettau. Gerade wenn<br />
man im Fernsehen sieht, wie’s anderswo zugeht …<br />
Was wäre also dein Ratschlag, dein Wunsch an Prettau<br />
und die Prettauer<br />
Hansl: Da bin ich jetzt überfragt … Halt ein bisschen<br />
zufrieden sein und nicht wegen jeder Kleinigkeit niedergedrückt<br />
und trübsinnig sein. Schließlich kann niemand<br />
etwas mitnehmen …<br />
Das Gespräch führten<br />
Eduard Tasser und Stefan Steinhauser<br />
TAUERNFENSTER <strong>2007</strong><br />
Angeregt durch die Kindheitserinnerungen von Johann<br />
.Steger habe ich mich in den Zeitungsarchiven auf die<br />
Suche nach Berichten über jene tragischen Ereignisse<br />
gemacht, welche sich Ende Juli 1931 auf der Niederwieseralm<br />
zugetragen haben … und bin fündig geworden.<br />
Eine Bluttat<br />
Ein Senner erschlägt seinen Mitknecht<br />
mit einer Hacke<br />
Das Opfer: Friedrich Tasser<br />
vom „Kerschbaumhaus“ (heute<br />
„Pöschta“) – Niederwieserknecht<br />
(*24.02.1896, St. Peter,<br />
✝ 22.07.1931, Prettau)<br />
TAUERNFENSTER <strong>2007</strong><br />
Eduard Tasser<br />
Predoi, 25. Juli.<br />
Am 22. Juli gegen halb<br />
7 Uhr früh ereignete sich<br />
auf der sogenannten Niederwieser-Alm<br />
eine entsetzliche<br />
Bluttat, deren<br />
Opfer ein Familienvater,<br />
der 35jährige Knecht<br />
Friedrich Tasser geworden<br />
ist.<br />
Ein Senner auf dieser<br />
Alm, der 33 Jahre alte<br />
Johann Hofer, genannt<br />
Wieser-Joggl, ersuchte<br />
den in der Sennhütte<br />
befi ndlichen Tasser, er<br />
möge ihm beim Holzabschneiden<br />
helfen. Ah-<br />
nungslos trat letzterer aus der Hütte, um dem Ersuchen<br />
Hofers zu entsprechen, als ihm gleich bei der Türe dieser<br />
mit der Hacke einen furchtbaren Hieb über den Kopf<br />
versetzte. Dem armen Tasser wurde der Kopf sozusagen<br />
gespaltet.<br />
Die Bluttat geschah so blitzschnell und geräuschlos<br />
– das Opfer konnte keinen Hilfeschrei ausstoßen, denn er<br />
war im nächsten Moment tot –, daß der im Stalle befi ndliche<br />
Bauer Alois Stolzlechner, sowie die in der Sennhütte<br />
befi ndlichen Kinder des Bauers von dem furchtbaren<br />
Vorgang außerhalb der Hütte nichts merkten.<br />
Nach der Mordtat begab sich der Täter zum Bauern<br />
und erzählte ihm seine entsetzliche Tat mit den Worten:<br />
„Nun ist er tot, meinen besten Freund habe ich getötet.<br />
Ich habe ihn gleich zugedeckt, damit die Kinder nichts<br />
sehen!“<br />
Auf die sogleich erstattete Meldung über das schreckliche<br />
Ereignis begaben sich sofort Carabinieri an Ort und<br />
Stelle.<br />
Totschlag auf der Alm<br />
Im Gespräch<br />
Da der Bauer den Körper des Toten berührt und sich<br />
dabei die Hände blutig gemacht hatte, war es der Täter<br />
selbst, der die Sicherheitsorgane von der Unschuld des<br />
Bauers überzeugte, indem er gleich erklärte, daß er, der<br />
Fütterer, den Knecht erschlagen habe. Er hielt den Carabinieri<br />
dabei freiwillig die Hände hin, um sich fesseln und<br />
abführen zu lassen.<br />
Am nächsten Tage erschien die Gerichtskommission,<br />
um den Tatbestand aufzunehmen.<br />
Der Täter hat ein verstörtes Wesen. Schon öfters wurde<br />
er von Wahnvorstellungen befallen. Vor einiger Zeit war<br />
er in Lana bedienstet.<br />
In dieser Zeit ging er<br />
infolge Wahnideen<br />
zweimal in selbstmörderischer<br />
Absicht<br />
in die Etsch. Im verfl<br />
ossenen Winter soll<br />
er sich einmal – so<br />
wird erzählt – unbekleidet<br />
in den Schnee<br />
gelegt haben. In der<br />
Nacht, welche dem<br />
Tage des Totschlages<br />
vorausging, war er,<br />
wie er selbst mitteilte,<br />
schon entschlossen,<br />
den Knecht ums<br />
Die Pöscht-Familie im Sommer 1934:<br />
die verwitwete Agnes Tasser geb.<br />
Brugger mit ihren Kindern Friedl und<br />
Moidl (heute Sr. Ida)<br />
Leben zu bringen. Er<br />
habe bereits das Messer<br />
zu diesem Zweck<br />
ergriff en. Da habe er<br />
noch den Rosenkranz<br />
in die Hand genom-<br />
men und dadurch sei er vor der Tat in der Nacht bewahrt<br />
geblieben. Bei der Vernehmung lachte er wiederholt und<br />
zum Schluss bat er um ein gnädiges Urteil. Alles in allem<br />
scheint festzustehen, dass der Totschlag im Zustand der<br />
Geistesgestörtheit geschah.<br />
Der Vorfall ist umso beklagenswerter, da das Opfer des<br />
Wahnsinnigen, Friedrich Tasser, Familienvater ist. Er ist<br />
35 Jahre alt, verehelicht und hinterlässt die Witwe mit<br />
zwei Kindern im Alter von zwei und vier Jahren. Bei der<br />
Beerdigung des so tragisch den seinen Entrissenen bekundete<br />
die Bevölkerung von Predoi durch sehr zahlreiche<br />
Beteiligung das aufrichtige Mitleid mit der Familie des<br />
Ermordeten, dessen alter Vater schon früher zwei Söhne<br />
bei der Holzarbeit verloren hat.<br />
(Volksbote, 30. Juli 1931)<br />
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