Tauernfenster 2007 (7,92 MB)

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09.11.2012 Aufrufe

Im Gespräch Ich bin durchs Gadertal. Um 11 Uhr in der Nacht bin ich wieder daheim gewesen, das weiß ich noch genau. Doch da ging’s dann erst richtig los. Was ist denn noch geschehen? Hansl: Am nächsten Tag kam es zum Zusammenbruch. Da ist richtig etwas los gewesen, hier in Prettau. Viele Deutsche haben gemeint, dass sie durch das Tal hinaus kommen nach Deutschland. Hier ist dann aber Endstation gewesen, wenigstens für die Autos und all die Sachen, die sie mit gehabt haben. Auf ihrer Flucht zu Fuß über die Berge haben sie das meiste zurück gelassen: Decken, Mäntel, Geräte, Waff en, Munition – haufenweise. Und da haben einige Prettauer schon arg gehaust. Mit Wagen haben manche all das Zeug zusammengeführt und verschwinden lassen. Ein Offi zier hat seinen Wagen zwischen Fischa und Maschtila abgestellt und ist zu uns gekommen. Er hat um Zivilgewand gebettelt, damit er unerkannt weiterkomme. Er wollte uns dafür die Stoff - ballen geben, die er im Auto gehabt hat. Als er uns dann aber zum Auto vor unserem Haus geführt hat, war schon alles weg: leer, alles gestohlen! Man hat dann schon gewusst, bei wem all das Zeug später wieder aufgetaucht ist … Damit war der Krieg für dich dann aber zu Ende? Hansl: Noch nicht ganz. Weil wir in Bassano di Grappa ja vertrieben wurden und so heim gefl ohen sind, sind wir ohne offi ziellen Entlassungsschein gewesen. Den sollten wir uns in Bozen holen. Als wir dort angekommen sind, wurden wir vorerst aber noch für sechs Wochen festgehalten, weil wir irgendwie als Fahnenfl üchtige galten. Du bist heute noch bei den Frontkämpfern? Hansl: Ja, einer der ganz wenigen, die übrig geblieben sind: der Pichl Hansl und der Brugga Zenz sind auch noch da. Lange warst du auch bei der Feuerwehr … Hansl: Ja, da war ich ganz lange. Eine Zeitlang war ich auch Hauptmann, bis es dann der Hans, mein Ältester, übernommen hat. Das war nach dem Nöethdurft Lois. Aber das war auch nicht immer gut. Wir haben ja nichts gehabt, keine Geräte und so. Was war dein größter Einsatz damals? 124 Hansl: Das war eigentlich, als es beim Schmied gebrannt hat. Das haben sie dann ja nicht mehr aufgestellt. Ja, und dann auch noch der Brand beim Wieser. Hansl (rechts) als Fähnrich bei der Feuerwehr mit seinem Sohn Hans Auch beim Wieser hat es in der jüngeren Vergangenheit einmal gebrannt? Hansl: O ja, und wie. Das haben sie später wieder hergerichtet. Zuletzt warst du auch noch Fähnrich bei der Feuerwehr? Hansl: Ja, ganz lange – so lange, bis es schließlich gesundheitlich, wegen meines Arms, nicht mehr gegangen ist. Bei anderen Vereinen warst du auch? Hansl: Nein, nie. Ich war nur bei der Feuerwehr, aber das mit Leib und Seele. Hansl (rechts) war lange Zeit Knecht beim Wieser und Wasserer TAUERNFENSTER 2007 Jäger warst du auch keiner? Hansl: Nein (schmunzelt). Ein bisschen gewildert habe ich halt, ein paar Mal. Aber das war aus purer Not, damit man etwas zu essen hatte. Man hat einfach alles anfangen müssen, um über die Runden zu kommen. Hast du denn ein Gewehr gehabt? Hansl: Nein, das habe ich vom Innerpichler. Der hat mir eines geliehen. Werfen wir noch einen kurzen Blick auf familiäre oder persönliche Aspekte deines langen Lebens. Was würdest du als die wichtigsten Ereignisse in deinem Leben bezeichnen? Hansl (denkt nach): Da wüsste ich jetzt nicht … nicht, was ich sagen soll. Jetzt bin ich 90 und so gut versorgt wie jetzt war ich selten in meinem Leben. So fein wie heute hatte ich es im ganzen Leben nicht. Ich denke heute oft, wie das früher alles nur gegangen ist: mit der ganzen Not und der vielen Arbeit. So lange ich noch ein bisschen gesund bin, wüsste ich eigentlich nicht, was mir fehlt. Auch nicht die Frau? Hansl: Ah ja, die Frau, die schon … Die Frau, ja, die fehlt schon. Nein, ich meine von der Versorgung her: Da geht es mir gut, das Essen bekomme ich täglich von Kasern und sonst fehlt mir nichts. Ich bin versorgt. Das mit der Frau (Aloisia Innerbichler 1918-1999) ist etwas anderes. Am meisten vermisse ich aber den Otto. Das war eigentlich der schwerste Schlag für mich. Dass der auch so jung sterben musste – und so schnell … Und dabei ist das auch schon zwei Jahre her … Hochzeitsfoto: Aloisia Innerbichler und Johann Steger TAUERNFENSTER 2007 Im Gespräch Erinnerst du dich noch, wie du deine Frau kennen gelernt hast? 50-jähriges Hochzeitsjubiläum Hansl: Das ist wohl in Kasern passiert. Da ist früher immer etwas los gewesen. Ich bin meistens mit dem Götsch Seppl und dem Wossra Hansl dort hin und so bin ich dann öfters auch der Loise, der Schwester vom Hansl, über den Weg gerannt. Schließlich hat es mich dann immer öfter ga Wosso zum Feiern gezogen und so haben wir halt zusammengefunden. Du hast ja auch erzählt, dass du elf Jahre lang Knecht beim Wasserer warst. Hansl: Ja, das war dann aber erst später. Erinnerst du dich noch an euere Hochzeit? Hansl: An die Hochzeit schon, aber das Jahr, in dem wir geheiratet haben, weiß ich nicht mehr. Es war halt nach Weihnachten, ich bin 23 oder 24 Jahre alt gewesen. (Geheiratet haben Johann Steger und Aloisia Innerbichler am 29.12.1941). Gegessen haben wir daheim. Meine Mutter (Cäcilia Eppacher aus Rein, 1885-1970) war eigentlich eine Köchin und die hat uns Knödel und Fleisch aufgekocht. Jedenfalls ist irgendwann das Fleisch dann fertig gewesen und so hat uns der alte Auer, er war mein Pate, mit einem Schaf ausgeholfen, das er schnell geschlachtet hat. Ja, ja, so war das früher. Und die Geburt der Kinder: Erinnerst du dich auch daran? Hansl: Ja, ja schon. Sie sind alle fünf in Prettau auf die Welt gekommen. Ein paar Mal war ich sogar dabei. Die erste Zeit hat noch die alte Weiherin als Hebamme geholfen, später dann schon die Motzile Moidl. 125

Im Gespräch<br />

Ich bin durchs Gadertal. Um 11 Uhr in der Nacht bin ich<br />

wieder daheim gewesen, das weiß ich noch genau. Doch<br />

da ging’s dann erst richtig los.<br />

Was ist denn noch geschehen?<br />

Hansl: Am nächsten Tag kam es zum Zusammenbruch.<br />

Da ist richtig etwas los gewesen, hier in Prettau.<br />

Viele Deutsche haben gemeint, dass sie durch das Tal<br />

hinaus kommen nach Deutschland. Hier ist dann aber<br />

Endstation gewesen, wenigstens für die Autos und all<br />

die Sachen, die sie mit gehabt haben. Auf ihrer Flucht zu<br />

Fuß über die Berge haben sie das meiste zurück gelassen:<br />

Decken, Mäntel, Geräte, Waff en, Munition – haufenweise.<br />

Und da haben einige Prettauer schon arg gehaust. Mit<br />

Wagen haben manche all das Zeug zusammengeführt<br />

und verschwinden lassen. Ein Offi zier hat seinen Wagen<br />

zwischen Fischa und Maschtila abgestellt und ist zu uns<br />

gekommen. Er hat um Zivilgewand gebettelt, damit er<br />

unerkannt weiterkomme. Er wollte uns dafür die Stoff -<br />

ballen geben, die er im Auto gehabt hat. Als er uns dann<br />

aber zum Auto vor unserem Haus geführt hat, war schon<br />

alles weg: leer, alles gestohlen! Man hat dann schon<br />

gewusst, bei wem all das Zeug später wieder aufgetaucht<br />

ist …<br />

Damit war der Krieg für dich dann aber zu Ende?<br />

Hansl: Noch nicht ganz. Weil wir in Bassano di Grappa<br />

ja vertrieben wurden und so heim gefl ohen sind, sind wir<br />

ohne offi ziellen Entlassungsschein gewesen. Den sollten<br />

wir uns in Bozen holen.<br />

Als wir dort angekommen sind, wurden wir vorerst<br />

aber noch für sechs Wochen festgehalten, weil wir irgendwie<br />

als Fahnenfl üchtige galten.<br />

Du bist heute noch bei den Frontkämpfern?<br />

Hansl: Ja, einer der ganz wenigen, die übrig geblieben<br />

sind: der Pichl Hansl und der Brugga Zenz sind auch<br />

noch da.<br />

Lange warst du auch bei der Feuerwehr …<br />

Hansl: Ja, da war ich ganz lange. Eine Zeitlang war ich<br />

auch Hauptmann, bis es dann der Hans, mein Ältester,<br />

übernommen hat. Das war nach dem Nöethdurft Lois.<br />

Aber das war auch nicht immer gut. Wir haben ja nichts<br />

gehabt, keine Geräte und so.<br />

Was war dein größter Einsatz damals?<br />

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Hansl: Das war eigentlich, als es beim Schmied gebrannt<br />

hat. Das haben sie dann ja nicht mehr aufgestellt.<br />

Ja, und dann auch noch der Brand beim Wieser.<br />

Hansl (rechts) als Fähnrich bei der Feuerwehr mit seinem Sohn Hans<br />

Auch beim Wieser hat es in der jüngeren Vergangenheit<br />

einmal gebrannt?<br />

Hansl: O ja, und wie. Das haben sie später wieder hergerichtet.<br />

Zuletzt warst du auch noch Fähnrich bei der Feuerwehr?<br />

Hansl: Ja, ganz lange – so lange, bis es schließlich gesundheitlich,<br />

wegen meines Arms, nicht mehr gegangen<br />

ist.<br />

Bei anderen Vereinen warst du auch?<br />

Hansl: Nein, nie. Ich war nur bei der Feuerwehr, aber<br />

das mit Leib und Seele.<br />

Hansl (rechts) war lange Zeit Knecht beim Wieser und Wasserer<br />

TAUERNFENSTER <strong>2007</strong><br />

Jäger warst du auch keiner?<br />

Hansl: Nein (schmunzelt). Ein bisschen gewildert habe<br />

ich halt, ein paar Mal. Aber das war aus purer Not, damit<br />

man etwas zu essen hatte. Man hat einfach alles anfangen<br />

müssen, um über die Runden zu kommen.<br />

Hast du denn ein Gewehr gehabt?<br />

Hansl: Nein, das habe ich vom Innerpichler. Der hat<br />

mir eines geliehen.<br />

Werfen wir noch einen kurzen Blick auf familiäre oder<br />

persönliche Aspekte deines langen Lebens. Was würdest<br />

du als die wichtigsten Ereignisse in deinem Leben<br />

bezeichnen?<br />

Hansl (denkt nach): Da wüsste ich jetzt nicht … nicht,<br />

was ich sagen soll. Jetzt bin ich 90 und so gut versorgt wie<br />

jetzt war ich selten in meinem Leben. So fein wie heute<br />

hatte ich es im ganzen Leben nicht. Ich denke heute oft,<br />

wie das früher alles nur gegangen ist: mit der ganzen Not<br />

und der vielen Arbeit. So lange ich noch ein bisschen gesund<br />

bin, wüsste ich eigentlich nicht, was mir fehlt.<br />

Auch nicht die Frau?<br />

Hansl: Ah ja, die Frau, die schon … Die Frau, ja, die<br />

fehlt schon. Nein, ich meine von der Versorgung her: Da<br />

geht es mir gut, das Essen bekomme ich täglich von Kasern<br />

und sonst fehlt mir nichts. Ich bin versorgt. Das mit<br />

der Frau (Aloisia Innerbichler 1918-1999) ist etwas anderes.<br />

Am meisten vermisse ich aber den Otto. Das war<br />

eigentlich der schwerste Schlag für mich. Dass der auch<br />

so jung sterben musste – und so schnell … Und dabei ist<br />

das auch schon zwei Jahre her …<br />

Hochzeitsfoto: Aloisia Innerbichler und Johann Steger<br />

TAUERNFENSTER <strong>2007</strong><br />

Im Gespräch<br />

Erinnerst du dich noch, wie du deine Frau kennen<br />

gelernt hast?<br />

50-jähriges Hochzeitsjubiläum<br />

Hansl: Das ist wohl in Kasern passiert. Da ist früher<br />

immer etwas los gewesen. Ich bin meistens mit dem<br />

Götsch Seppl und dem Wossra Hansl dort hin und so bin<br />

ich dann öfters auch der Loise, der Schwester vom Hansl,<br />

über den Weg gerannt. Schließlich hat es mich dann immer<br />

öfter ga Wosso zum Feiern gezogen und so haben<br />

wir halt zusammengefunden.<br />

Du hast ja auch erzählt, dass du elf Jahre lang Knecht<br />

beim Wasserer warst.<br />

Hansl: Ja, das war dann aber erst später.<br />

Erinnerst du dich noch an euere Hochzeit?<br />

Hansl: An die Hochzeit schon, aber das Jahr, in dem<br />

wir geheiratet haben, weiß ich nicht mehr. Es war halt<br />

nach Weihnachten, ich bin 23 oder 24 Jahre alt gewesen.<br />

(Geheiratet haben Johann Steger und Aloisia Innerbichler<br />

am 29.12.1941). Gegessen haben wir daheim. Meine Mutter<br />

(Cäcilia Eppacher aus Rein, 1885-1970) war eigentlich<br />

eine Köchin und die hat uns Knödel und Fleisch aufgekocht.<br />

Jedenfalls ist irgendwann das Fleisch dann fertig<br />

gewesen und so hat uns der alte Auer, er war mein Pate,<br />

mit einem Schaf ausgeholfen, das er schnell geschlachtet<br />

hat. Ja, ja, so war das früher.<br />

Und die Geburt der Kinder: Erinnerst du dich auch<br />

daran?<br />

Hansl: Ja, ja schon. Sie sind alle fünf in Prettau auf die<br />

Welt gekommen. Ein paar Mal war ich sogar dabei. Die<br />

erste Zeit hat noch die alte Weiherin als Hebamme geholfen,<br />

später dann schon die Motzile Moidl.<br />

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