Tauernfenster 2007 (7,92 MB)
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Aus alten Zeitungsberichten<br />
viel Trinkwasser für Vieh, ja auch für Menschen aus diesem<br />
Bache genommen wird, dann ist ein solch astatischer<br />
Zustand höchst empörend. Unser Bach ist bei näherer<br />
Untersuchung überhaupt eine Leichenwaschstätte. Unsere<br />
„Väter“ spielen jetzt über die Empörung der ganzen<br />
Gemeinde die arg Beleidigten. Allein sie müssen bedenken,<br />
dass wir eben nicht in Russland wohnen, wo einfach<br />
über die Köpfe hinweg tyrannisiert wird, sondern dass sie<br />
gewählt worden sind und sie das Vertrauen ihrer Wähler<br />
in anderer Weise als dieser erwerben und erhalten sollen.<br />
Den eigentlichen Grund der Zwölfhundesteuer werden wir<br />
nächstens einmal bringen.<br />
(Pustertaler Bote; 19. April 1907)<br />
Prettau, 27. April. Gestern früh ging auf die Heiliggeist-<br />
Kirche eine gewaltige Lawine nieder, welche 400 Meter<br />
lang, 200 Meter breit und 8 – 10 Meter tief war, und fügte<br />
dem Kirchlein einen Schaden von etwas 200 Kr. zu. Ein<br />
Fenster und zum Teil das Dach waren eingedrückt. Am<br />
Gewölbe sind zwei durchgehende Längsrisse; auch die<br />
Dekoration, welche erst vor einem Jahr gemacht wurde,<br />
hat sehr gelitten. Mögen die vielen Wallfahrer ihre mildtätigen<br />
Hände recht weit öffnen! – Infolge des vielen Regens<br />
ist der Schnee stark zurückgegangen und der Feldbau<br />
schon lustig im Gang.<br />
(Brixener Chronik; 30. April 1907)<br />
Kasern, Prettau, 1. Juli. (Saisonbeginn.) Wenn in den<br />
Niederungen die Hitze lästig zu werden beginnt und die<br />
Auswanderung der Sommerfrischler und Touristen ihren<br />
Anfang nimmt, dann geht ein merkwürdiges Leben durch<br />
die Hochtäler. So ist es auch in Prettau, bezw. Kasern.<br />
Alljährlich verdichtet sich der Touristenverkehr in diesem<br />
schönen Erdenwinkel mehr und mehr und so hat sich die<br />
Notwendigkeit herausgestellt, Stellwagenfahrten bis Kasern<br />
einzurichten. Diese brachten dann wieder eine weitere<br />
Verkehrsverstärkung. Es trat dann auch allmählich die<br />
Notwendigkeit zu Tage, um den Wünschen jener gerecht<br />
zu werden, die fernab von Hasten und Getöse der Welt<br />
Ruhe, Erholung und Stärkung suchen wollen, Sommerfrischgelegenheit<br />
zu schaffen. Dies hat der Besitzer des<br />
Gasthofes „Kasern“, Herr Johann Leimegger, getan, indem<br />
er das ehemalige schlichte bäuerliche Einkehrwirtshaus<br />
am Kreuzungspunkte der Touristenwege übers Hl.<br />
Geist-Jöchl ins Zillertal, über den Krimmler Tauern und<br />
die Birnlücke nach Salzburg, über das Lenkjöchl nach<br />
Defrereggen und über das Umbaltörl nach Prägraten,<br />
zu einem äußerst stattlichen großen Gasthofe ausgestaltet<br />
hat. Das nunmehr fertiggestellte, geradezu imposante<br />
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Haus hat nichts mehr von seinem früheren schüchternen<br />
Aussehen; zwöl Balkone verleihen ihm einen äußerst malerischen<br />
Anblick; eine große Glasveranda gibt dem Hause<br />
das freundlich einladende Gepräge. Dazu die herrliche<br />
Gebirgsumgebung mit den saftigen grünen Matten der<br />
Almen, dem dunklen Grün der letzten Nadelholzwälder,<br />
in denen die Zirbelkiefer mit den mächtigen harzigen<br />
Zapfen stark vertreten ist, die herrliche Aussicht auf die<br />
Birnlücke und die gletschergepanzerten Berge und last not<br />
least der nahe von der Röte herniederdonnernde Wasserfall:<br />
All das macht diesen Fleck Erde zu einer bevorzugten<br />
Sommerfrischstation. Von diesem letzten Gasthause erreicht<br />
man bequem in wenigen Stunden die ringsum an<br />
den Jöchern stehenden Unterkunftshütten (Lenkjöchhütte,<br />
Birnlückhütte und die neue am Krimmler Tauern erbaute<br />
Neugersdorfers Hütte, die in etwa 14 Tagen fertig<br />
dahstehen wird). Die Preise sind bei vorzüglicher Küche<br />
und alles Lob verdienenden Getränken nicht zu hoch. Das<br />
Haus hat 28 Zimmer mit 50 Betten, die K 1 bis K 1.60<br />
kosten. Der Pensionspreis für eine Person beträgt 5 K.<br />
(Der Tiroler; 4. Juli 1907)<br />
Prettau, 22. Dezember. Nicht, wie das „Pustertaler Bötl “<br />
berichtet und andere nachgedruckt hatten, hinter Kasern<br />
wird ein Hotel gebaut, sondern auf dem Archenhügel neben<br />
dem Waldnersee, am Fuße des Rauchkofel; zunächst<br />
beim Uebergang ins Zillergründl wird eine Touristenhütte<br />
gebaut, dazu noch ein neuer Weg vom Krimler Tauernweg,<br />
so daß die Touristen von der Kürsinger- und Warnsdorferhütte<br />
um 9 Stunden näher ins Zillertal haben. Da<br />
ist freilich vom neuen Weg und der zu erbauenden Hütte<br />
eine kolossale Fernsicht. – Am 2. Jänner wird in Prettau<br />
die Klöppelschule mit 20 Schülerinnen eröffnet. Fräulein<br />
Rosa Kofl er, welche die k.k. Staatsklöppelschule in Wien<br />
mit den besten Zeugnissen absolviert hat und als Musterklöpplerin<br />
in der derzeitigen österreichischen Industrieausstellung<br />
in London gewirkt und in Idria den Leitungskurs<br />
zur vollen Zufriedenheit der Behörden geleitet hat, wird<br />
als provisorische Leiterin mit einem Anfangsgehalt von<br />
Kr. 1000 den Kurs leiten. – Der „Batterer“ ist von seiner<br />
Amerikareise glücklich zurückgekehrt. – Die Hundesteuer<br />
ist nun glücklich durchgeführt, nachdem das größte Hindernis<br />
längst beseitigt ist. – Die Gemeinde will also doch<br />
bald ein großartiges Schulhaus bauen in der Nähe vom<br />
„Schacher“. Besser wäre es ob der Kirche, wo doch auch<br />
im Winter ein wenig Sonne ist.<br />
(Brixener Chronik; 28. Dezember 1907)<br />
Aus dem Archiv von Rudolf Fischer<br />
TAUERNFENSTER <strong>2007</strong><br />
Johann Steger über sein Leben<br />
und seine Sicht der Dinge mit 90 Jahren<br />
TAUERNFENSTER <strong>2007</strong><br />
Johann Steger<br />
Nein, alt braucht man nun wahrlich nicht zu sein, damit<br />
einem zum Stichwort Fischa Hansl gleich Bilder von<br />
einem Unimog samt Schneepfl ug in den Sinn kommen:<br />
Jahrzehnte lang war der Hansl Garant dafür, dass Prettau<br />
auch im Winter erreichbar blieb, dass Fabrikarbeiter<br />
und Schüler zur Arbeit und wieder heim kamen, dass<br />
sich Feriengäste überhaupt in den Talschluss vorwagen<br />
konnten:<br />
Der Hansl bei dichtem Schneetreiben am Steuer seines<br />
Unimogs – ein Bild, als wäre es erst gestern aufgenommen.<br />
Kaum zu glauben, dass er im November seinen 90.<br />
Geburtstag feierte. Für uns vom „<strong>Tauernfenster</strong>“ Anlass<br />
genug, beim Fischa anzuklopfen und uns mit dem Jubilar<br />
über sein Leben, seine Erinnerungen und Erfahrungen<br />
zu unterhalten. Daraus geworden ist Beitrag Nr. 7 aus der<br />
Reihe „Unsere älteren Mitmenschen im Gespräch“.<br />
Hansl, die erste Frage an unsere älteren Mitmenschen<br />
ist eigentlich immer dieselbe: Was ist das erste aus deiner<br />
Kindheit, an das du dich erinnerst?<br />
Hansl: Also da fällt mir eigentlich sofort jener Morgen<br />
ein, an dem ich miterleben musste, wie der Pöschta<br />
(Friedrich Tasser sen., 1896-1931) erschlagen wurde.<br />
Das war bei der Heumahd beim Niedowiesahittl im Juli<br />
1931: Ich war damals Büi beim Niederwieser und im<br />
Sommer auf der Alm. Der Jouggl Hansl (Johann Hofer,<br />
1898-1976) war dort Melcha. Er war ein recht eigenartiger<br />
Mensch, der alles andere als gern gearbeitet hat.<br />
Die Arbeiten sind alle mir geblieben. Aber zuleide getan<br />
hat der Hansl niemandem etwas, bis zu jenem Morgen.<br />
„Man hat allerhand mitgemacht“<br />
Im Gespräch<br />
Wegen der Heumahd waren, außer uns, auch noch der<br />
alte Niederwieser, seine Tochter Maria, die spätere Bruggerin,<br />
meine Schwester Agatha und eben der Pöschta auf<br />
der Alm. Der Pöschta war Knecht beim Niederwieser.<br />
Es war Schlechtwetter an jenem Tag und deshalb keine<br />
besondere Eile geboten. Beim Frühstück hat der Jouggl<br />
Hansl den Pöschta gefragt, ob er ihm anschließend helfe,<br />
Brennholz herzurichten. Der Pöschta hat mir vorher<br />
noch bei den Kühen geholfen und wir haben auch noch<br />
einige Späne zum Feuermachen hergerichtet. Dann ist er<br />
hinaus vor die Hütte, um dem Jouggla beim Brennholz<br />
zu helfen. Wenig später ist es dann passiert …<br />
Was genau ist passiert?<br />
Hansl: Wir alle haben zuerst gar nichts mitbekommen,<br />
bis der Jouggla selber zum Niederwieser gegangen<br />
ist und ihm von seiner Tat erzählt hat. „Jetzt habe ich<br />
meinen besten Freund erschlagen!“, hat er gesagt. Dann<br />
ist er wortlos in den Stall gegangen und hat sich in einen<br />
Kuhbarren gesetzt. Regungslos, ohne Greittla, hat er<br />
dort gewartet, bis ihn die Carabinieri geholt und abgeführt<br />
haben.<br />
Was war geschehen? Wie konnte es soweit kommen?<br />
Hansl: Das war ja das Unfassbare: Nichts war geschehen.<br />
Während sich der Pöschta beim Holzhacken, wohl<br />
ahnungslos, um einen Baum gebückt hat, hat ihn der<br />
Jouggla von hinten mit der Axt den Kopf zertrümmert.<br />
Hansl (3. von links) mit seinen Eltern Sebastian und Cäcilia<br />
und den Geschwistern (von links nach rechts) Olga, Agatha und<br />
Marianna<br />
Die Gitschn, meine Schwester Agatha und die Niederwieser<br />
Moidl, waren in der Hütte. Direkt vor dem Fenster<br />
ist es passiert. Und sie haben nichts mitbekommen<br />
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