Tauernfenster 2007 (7,92 MB)
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Genau geschaut Nostalgisches<br />
Th omas<br />
Th omas ist der Zweifl er, der nach<br />
Christi Tod an dessen Auferstehung<br />
zweifelt. Die Attribute der<br />
Darstellungen beziehen sich auf<br />
seine Legende. So zeigt ihn das<br />
Winkelmaß als Architekt. Er soll<br />
für einen König in Indien einen Palast bauen, verteilt aber<br />
das Geld an die Armen, worauf dieser ihn in den Kerker<br />
werfen lässt. Dem König erscheint aber sein kurz vorher<br />
verstorbener Bruder, der ihn wissen lässt, Th omas habe<br />
für ihn einen Palast im Jenseits errichtet. Daraufhin bekehrt<br />
sich der König und lässt Th omas weiter in fernere<br />
indische Gebiete ziehen, wo er viele Menschen bekehrt.<br />
Als man ihn zu einem Opfer vor dem Sonnengott zwingen<br />
will, lässt er das Bronzebild wie Wachs schmelzen.<br />
Daraufhin durchbohrt ihn der erzürnte Hohepriester<br />
mit seinem Schwert. Anderen Legenden zufolge zieht er<br />
durch weitere Länder, bis er von feindlich Gesinnten mit<br />
Lanzen durchstochen wird. So erscheint Th omas oft mit<br />
dem Schwert oder wie auch in Prettau mit der Lanze.<br />
Jakobus der Jüngere<br />
Nach dem Tod Jakobus des Älteren<br />
ist er das Haupt der Gemeinde<br />
in Jerusalem. Er soll von<br />
der Zinne des Tempels aus seinen<br />
Glauben widerrufen. Als<br />
er sich weigert, wird er auf Anstiften<br />
des Hohepriesters Hannas im Jahre 62 mit einer<br />
Walkerstange erschlagen. Jakobus der Jüngere ist selten<br />
in Einzeldarstellungen zu sehen, er erscheint in der für<br />
Apostel üblichen Tracht mit Buch oder Rolle. Ab dem<br />
12. Jh. erscheint auch die Walkerstange als sein Attribut.<br />
Auf dem Schlussstein von Prettau hat er als einziger der<br />
Apostel kein Attribut, kann aber aufgrund dieses Umstandes<br />
und durch sein jugendliches Äußeres dennoch<br />
identifi ziert werden.<br />
Simon Zelotes<br />
und Judas Th addäus<br />
Simon Zelotes und Judas Th addäus<br />
werden meist gemeinsam<br />
genannt, ihre Verehrung wird<br />
am gleichen Tag gefeiert. Simon<br />
Zelotes und Judas Th addäus werden<br />
Söhne des Alphäus und der Maria Kleophas und<br />
Brüder Jakobus des Jüngeren genannt. Nach der Legenda<br />
Aurea wirkt Judas in Syrien und Mesopotamien gemeinsam<br />
mit Simon, der zunächst in Ägypten lehrt und<br />
nach Persien kommt, wo beide dem Hauptmann des Kö-<br />
110<br />
nigs von Babylon Sieg und Frieden<br />
voraussagen, die am nächsten<br />
Tag eintreff en. Man bringt sie<br />
als Götter in Menschengestalt zu<br />
König Xerxes, wo sie viele taufen<br />
und bekehren. Nach zahlreichen<br />
Wundern, mit denen sie die<br />
Machtlosigkeit der alten Götter beweisen und die Zauberer<br />
entmachten, zetteln die Zauberer einen Aufstand<br />
der Priester an, die beide erstechen, enthaupten oder Judas<br />
mit einer Keule und Simon mit einer Säge zu Tode<br />
martern. In den Darstellungen wechseln die Attribute.<br />
Simon wird so zuweilen auch von einem Schwert oder<br />
einer Lanze durchbohrt, erhält schließlich einen Knüttel<br />
als Attribut, bis um 1300 die Säge als sein Marterinstrument<br />
auftaucht. Die Säge hält Simon Zelotes auch<br />
auf dem Schlussstein in Prettau. Die Attribute des Judas<br />
Th addäus sind vom 13. Jh. an die Hellebarde oder Steine,<br />
die seine Henker erschlagen. Auch in Prettau hält er<br />
Steine in Händen.<br />
Martina Stifter<br />
Gottvater Gottsohn<br />
Hl. Geist Maria mit Kind<br />
TAUERNFENSTER <strong>2007</strong><br />
Die Höüsn-Loise. Die Höüsn-Loise war bekannt ob ihres<br />
guten Mundwerks. Sie blieb nie jemandem eine<br />
Antwort schuldig und war auch nicht kleinlich in der<br />
Wahl der Worte. Vielleicht hat sie ja auch viel gehört und<br />
gelernt auf den zahllosen Fahrten mit dem Postauto, der<br />
Corriera, wie es damals hieß. Eines Tages kam sie zum<br />
Neuwirt und trank ihr übliches Glasl Wein. Auf einmal<br />
kam der Neuwirt in die Gaststube, sah die Loise und<br />
sagte: „I moan dou öbm liegt a Brieftasche in Lablan!“<br />
Nun muss man wissen, dass damals auch die Gasthäuser<br />
nur über ein freistehendes Plumpsklo verfügten. Als<br />
die Loise das hörte, stand sie auf, verschwand aus der<br />
Stube, besorgte sich eine Stange bzw. einen langen Stecken<br />
und begann, mit Hingabe in den von Schmeißfl iegen<br />
übersäten Exkrementen nach der Brieftasche zu suchen.<br />
Voller Genugtuung beobachtete der Neuwirt eine<br />
Weile verstohlen das Treiben und freute sich insgeheim<br />
über die Wirkung seiner Nachricht, machte sich dann<br />
aber aus dem Staube, bevor die Loise wieder in die Gaststube<br />
stürmte und an dem armen Wirt Rache nehmen<br />
wollte. Diesmal war er schlauer gewesen und frühzeitig<br />
verschwunden.<br />
Der alte Neuwirt. Der alte Neuwirt in Steinhaus mit<br />
Namen Mairhofer Josef war im ganzen Tal bekannt<br />
wegen der Späße, die er gut und gerne mit seinen Gästen<br />
trieb. Eines Tages war er geschäftlich unterwegs nach<br />
St. Johann. Auf halbem Wege kam ihm ein einzelnes<br />
verirrtes Schwein entgegen. Sofort fragte er einen Bekannten,<br />
ob er ihm das Schwein nach Steinhaus in seinen<br />
Stall treibe, es sei ihm leider entlaufen. Der Mann<br />
ließ sich nicht zweimal bitten und tat, wie ihm aufgetragen.<br />
Er kam aber nicht weit, da meldete sich der rechtmäßige<br />
Besitzer und verlangte in barschem Tone Aufklärung.<br />
Und sofort stellte sich heraus, dass ihn der Neuwirt<br />
hereingelegt hatte. Während der neue Besitzer sein<br />
Schwein nach Hause zurücktrieb, wartete der Bauer so<br />
lange, bis der Neuwirt von seinen Geschäften wieder in<br />
Richtung Steinhaus unterwegs war. Er stellte ihn zur<br />
Rede und bedachte ihn mit allerlei Schimpfworten. Der<br />
Neuwirt war nicht verlegen und versprach ihm zur Entschädigung<br />
und im Sinne einer Wiedergutmachung einen<br />
Rucksack voll Kartoff eln, die er auf seinem Acker<br />
graben könne. Mit Genugtuung willigte der Mann ein,<br />
ging auf den angezeigten Acker und grub nach den Kartoff<br />
eln. Er hatte erst eine Handvoll gegraben, als ganz<br />
unerwartet und aufgebracht wieder der richtige Besitzer<br />
des Ackers kam und ihn mit scharfen Worten vom Feld<br />
trieb. Da reichte es dem Mann. Er hatte die Schnauze<br />
TAUERNFENSTER <strong>2007</strong><br />
Wahre Begebenheiten – aus dem Leben gegriffen<br />
voll von den Späßen des Neuwirts, ging in seine Metzgerei,<br />
bestellte ein Kilo Knödelwürste und erklärte: „Die<br />
Rechnung bezahlt heute der Neuwirt selbst!“ Er nahm<br />
die Würste und ging mit einem verschmitzten Lächeln<br />
auf den Lippen nach Hause.<br />
Sterben. Sterben ist eine ernste Sache. Diese Erfahrung<br />
bleibt niemandem erspart. Dass zwischendurch<br />
aber auch der Humor über die schwere Zeit hinweghelfen<br />
kann, belegt eine Begebenheit, welche ich vom Hörensagen<br />
kenne. In der Familie meiner Schwiegereltern<br />
starb vor Zeiten eine enge Verwandte. „Und was soll auf<br />
die Schleifen des Kranzes geschrieben werden?“ fragte<br />
die neue Angestellte im Blumengeschäft. „Ruhe sanft“<br />
formulierte der Trauernde und fügte hinzu: „Schreiben<br />
Sie auf beiden Seiten, so dass man es auch lesen kann,<br />
wenn der Wind die Schleifen umdreht!“. Die Geschäftsfrau<br />
hatte aber nicht ganz gut aufgepasst, notierte sich<br />
den Spruch und versprach das Beste. Am Tage der Beerdigung<br />
bemerkten die Trauergäste auf den Schleifen des<br />
Familienkranzes folgenden Spruch: „Ruhe sanft auf beiden<br />
Seiten!“ Natürlich konnten sie sich ein Schmunzeln<br />
nicht verkneifen, doch schließlich beruhigten sich die<br />
Gemüter, denn man vergönnte der Verstorbenen selbst<br />
im Tode noch eine kleine Aufmunterung.<br />
Religionsstunde. In einer Volksschule im hintersten<br />
Ahrntal kam der Pfarrer in die Religionsstunde. Damals<br />
gab es noch keinen Priestermangel und die Pfarrer<br />
unterrichteten Religion noch selbst. Heute ist alles ganz<br />
anders, neumodischer. Auf dem Programm stand das<br />
Th ema Maria Verkündigung. Der Pfarrer versuchte sehr<br />
behutsam, das Vorwissen der Kinder zu erfragen, musste<br />
ihnen aber die Worte einzeln und mit einer Zange aus<br />
dem Munde ziehen. Eigenartig, denn die Kinder im Tale<br />
sind sonst ja nicht verlegen und wissen immer eine Antwort<br />
auf die Fragen der Erwachsenen. Der Pfarrer fragte<br />
also: „Wie beginnt die Geschichte?“ Hans antwortete:<br />
„Da kam der Engel des Herrn zu Maria.“ Der Pfarrer gab<br />
sich damit nicht zufrieden. “Und dann?“ Darauf sagte<br />
das Nannile: „Er brachte ihr die Botschaft des Herrn!“<br />
„Und dann, was geschah dann?“ Darauf antwortete Peter:<br />
„Der Engel sagte zu Maria, dass sie ein Kind bekomme.<br />
Ihm soll sie den Namen Jesus geben.“ Darauf wollte<br />
der Pfarrer wissen, was Maria geantwortet habe. Nun<br />
meldete sich das Seppile zu Wort und schrie aus vollem<br />
Hals: „Sie woaß net wie, obo sie tüts!“ Im Angesicht dieser<br />
Volksfrömmigkeit war sogar der Pfarrer sprachlos<br />
und musste heimlich schmunzeln.<br />
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