Tauernfenster 2007 (7,92 MB)
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Genau geschaut Genau geschaut<br />
jugendlich und bartlos, einige haben aber schon von Anfang<br />
an charakteristische, fast porträthafte Züge. Die<br />
Grundlagen für diese Darstellungen sind in der apokryphen<br />
Literatur mit ihren Angaben über persönliche<br />
Charaktereigenschaften der Apostel oder in der dieser<br />
als Grundlage dienenden Tradition zu suchen. Petrus erscheint<br />
so mit kurzem Haar und Bart, Paulus kahl mit<br />
spitzem Bart, Johannes bartlos und jung und Andreas<br />
mit wirrem Haarschopf. Mit dem Wandel des Christusbildes<br />
werden die Apostel bald alle bis auf Johannes bärtig<br />
dargestellt (im Westen, im Osten sind auch Philippus<br />
und Th omas bartlos). Die ersten gemeinsamen Attribute<br />
sind Schriftrolle, Buch und Kreuz, wobei das Kreuz<br />
als Machtsymbol zu verstehen ist. In diesem Sinne sind<br />
auch die Siegeskränze über den Köpfen schwebend oder<br />
von Christus geschenkt und ihm dargebracht verstanden.<br />
Als erstes individuelles Attribut erscheinen die Schlüssel<br />
bei Petrus (4. Jh.), bei Andreas ist ein Kreuzstab ab dem<br />
Ende des 6. Jh.s gesichert. Individuelle Attribute bilden<br />
sich im Westen dann im Hochmittelalter aufgrund der<br />
apokryphen Schriften, meist handelt es sich um Marterwerkzeuge.<br />
Im 13. Jh. werden den Aposteln schließlich<br />
individuelle Attribute zugeordnet:<br />
1.<br />
2.<br />
3.<br />
4.<br />
5.<br />
6.<br />
7.<br />
8.<br />
9.<br />
10.<br />
11.<br />
12.<br />
13.<br />
108<br />
Petrus – zwei Schlüssel<br />
Paulus – das Schwert<br />
Andreas – Schrägbalkenkreuz<br />
Jakobus der Ältere – Pilgerhut,<br />
Muschel oder Schwert<br />
Johannes der Evangelist – Adler<br />
oder Kelch mit Schlange<br />
Philippus – lateinisches Kreuz oder ägyptisches<br />
Kreuz in T-Form oder Kreuzstab, Geißel<br />
Bartholomäus – Messer oder abgezogene Haut<br />
Matthäus – Engel oder Mensch, auch<br />
Geldbeutel, Schwert oder Hellebarde<br />
Th omas – Winkelmaß oder Lanze<br />
Jakobus der Jüngere – Walkerstange, Keule<br />
Simon – Säge, Kreuz<br />
Judas Th addäus – Keule oder<br />
Hellebarde oder Steine<br />
Matthias – Beil, Lanze, Steine<br />
Petrus<br />
Berühmt sind die Worte Jesu<br />
zu Petrus: „Du bist Simon, der<br />
Sohn des Johannes, du wirst Kephas<br />
genannt werden, das heißt<br />
Fels (griechisch = Petrus)!“ (Joh.<br />
1,42) oder: “Du bist Petrus und<br />
auf diesen Felsen will ich meine Kirche bauen, und die<br />
Pforten der Hölle werden sie nicht überwältigen! Ich<br />
werde dir die Schlüssel des Himmelreiches geben und<br />
was du auf Erden bindest, das wird im Himmel gebunden<br />
sein, und was du auf Erden lösest, das wird im Himmel<br />
gelöset sein!“ (Matt. 16,18-19) Für alle in den Darstellungen<br />
vorkommenden Gestalten des Petrus gilt<br />
vom 4. Jh. an ein feststehender Typus: Petrus hat einen<br />
Rundkopf mit Backenbart und Lockenkranz, auf späteren<br />
Darstellungen ab dem 14. Jh. erhält er meist seine<br />
cholerische Stirnlocke. Ein oder auch zwei Schlüssel<br />
sind sein ständiges Attribut, Kreuzstab oder Handkreuz<br />
kommen dazu, evtl. auch Buch oder Buchrolle und gelegentlich<br />
der Hahn (der darauf hinweist, dass er Jesus<br />
vor dessen Tod noch ehe der Hahn krähte, dreimal verleugnet<br />
hat). Die Prettauer Darstellung zeigt ihn mit typischer<br />
Haar- und Barttracht und mit zwei Schlüsseln.<br />
Paulus<br />
Paulus wird als Saulus im Jahre<br />
5. n. Chr. geboren und erhält als<br />
Sohn eines Pharisäers eine strenge<br />
Ausbildung. Er besitzt, vom<br />
Vater ererbt, das römische Bürgerrecht.<br />
Sein hitziges Temperament<br />
macht ihn zu einem fanatischen Christenverfolger,<br />
bis er schließlich vor den Toren von Damaskus durch<br />
eine übermächtige Erscheinung erblindet und letztlich<br />
von Ananias geheilt, bekehrt und auf den Namen Paulus<br />
getauft wird. Paulus predigt in Arabien, Israel, Tarsien,<br />
Griechenland und Antiochien. Letztlich wird Paulus<br />
nach zahlreichen Wundertaten enthauptet und fi ndet in<br />
der Kirche San Paolo fuori le Mura in Rom seine letzte<br />
Ruhestätte. Die Darstellung des Apostels Paulus folgt<br />
einem im 4. Jh. festgelegten Typ: ein länglicher kahler<br />
Schädel, ein spitz zulaufender Bart, meist mit Tunika<br />
und Mantel bekleidet, anfangs hält er eine Rolle oder ein<br />
Buch, ab dem 13. Jh. fi ndet sich das Schwert als Attribut.<br />
In Prettau erscheint er mit seiner typischen Physiognomie<br />
und dem Schwert als Attribut.<br />
Andreas<br />
Als Jünger Johannes des Täufers<br />
folgt er nach der Taufe Christi<br />
diesem, den er als Messias erkannt<br />
hat, mit seinem Bruder Simon<br />
Petrus nach. Zahlreiche<br />
Wunder werden aus seinem Leben<br />
berichtet, schließlich lässt er sich in Achaia nieder,<br />
wo er Kirchen baut und zahlreiche Menschen bekehrt.<br />
Der Statthalter Egea von Patras lässt ihn schließlich ge-<br />
TAUERNFENSTER <strong>2007</strong><br />
fangen nehmen, geißeln und zu besonderer Pein und<br />
langsamem Tod an ein Gabelkreuz binden. Aber Andreas<br />
predigt noch zwei Tage, am Kreuz hängend, bevor er<br />
schließlich, von himmlischem Licht verhüllt, stirbt und<br />
von der Gattin des Egea in allen Ehren bestattet wird.<br />
Darstellungen zeigen ihn in zeitentsprechender Mantelform,<br />
Haar- und Barttracht, barfuß mit Buch oder<br />
Schriftrolle, ab dem 6. Jh. mit einem Kreuzstab, ab dem<br />
13. Jh. mit schrägem Balken- oder Gabelkreuz. Auch in<br />
Prettau hält er ein Schrägkreuz.<br />
Jakobus der Ältere<br />
Jakobus der Ältere war der Sohn<br />
des Zebedäus und der Maria Salome.<br />
Gleich nach der Himmelfahrt<br />
predigt er der Legende<br />
nach in Spanien und sagt voraus,<br />
er werde nach seinem Tod dort<br />
unzählige Menschen bekehren. Dann verkündet er das<br />
Evangelium in Samaria und Jerusalem, bis ihn schließlich<br />
Herodes Agrippa im Jahre 44 enthaupten lässt. Die<br />
Legenden schließen nun seine Bestattung in Spanien an,<br />
wo sein Grab angeblich um 820 gefunden wird. Ab dem<br />
11. Jh. entwickelt sich Compostela mit dem Grab des Jakobus<br />
zum berühmten Wallfahrtsort, zu welchem auch<br />
in heutiger Zeit unzählige Menschen pilgern. Die Darstellungen<br />
des Apostels zeigen ihn wie auch die anderen<br />
Apostel mit Buch und Schriftrolle, er erscheint in Idealtracht,<br />
auch durch die Jakobsmuschel gekennzeichnet.<br />
Ab dem 14. Jh. erscheint er als Pilger mit Hut, Mantel,<br />
Pilgerstab, umgehängter Tasche und Flasche. Jakobus<br />
der Ältere wird auch in Prettau als Pilger im Mantel mit<br />
Pilgerstab und Jakobsmuschel dargestellt.<br />
Johannes<br />
Der Evangelist wird in der Kunst<br />
gemeinhin mit dem Lieblingsjünger<br />
Jesu, der beim letzten Abendmahl<br />
an seiner Seite lag, gleichgesetzt.<br />
Er ist es auch, dem Jesus<br />
noch am Kreuz seine Mutter anvertraut.<br />
Die Legenda Aurea berichtet ausführlich von<br />
den Taten des Johannes in Kleinasien und davon, dass<br />
er sich weigert, im Artemistempel zu opfern. Daraufhin<br />
bringt man ihn nach Rom, wo er die Marter im Ölkessel<br />
erleiden soll. Er aber entsteigt dem Kessel unversehrt<br />
und begibt sich nach Patmos, um die Apokalypse zu<br />
schreiben. Er kehrt nach Ephesus zurück, wo man ihm<br />
einen vergifteten Trank reicht. Er aber segnet ihn, worauf<br />
das Gift in Form von zwei Schlangen aus dem Kelch<br />
entweicht. Johannes stirbt letztlich nach einer Predigt in<br />
TAUERNFENSTER <strong>2007</strong><br />
großer Lichterscheinung, als er direkt nach der Predigt<br />
in das neben dem Altar vorbereitete Grab steigt. Darstellungen<br />
zeigen Johannes immer als schönen Jüngling,<br />
meist bartlos und mit langem Haar. Zuweilen erscheint<br />
der Kelch mit Schlangen als Attribut. Sein typisches Attribut<br />
als Evangelist sind der Adler, das Buch und die Feder.<br />
Auch auf dem Prettauer Schlussstein erscheint er<br />
mit Buch und Feder.<br />
Philippus<br />
Philippus erleidet sein Martyrium<br />
am Kreuz mit zusätzlicher<br />
Steinigung in Skythien in Südrussland.<br />
Philippus erscheint in<br />
Darstellungen - wie die anderen<br />
Apostel in den bekannten Szenen<br />
– oft mit Buch oder Rolle, seit dem 14. Jh. mit einem lateinischen<br />
Kreuz, wie auch in Prettau.<br />
Bartholomäus<br />
Bartholomäus wird bei seiner<br />
Berufung noch mit seinem israelitischen<br />
Namen Nathanael genannt.<br />
Er verbreitet das Evangelium<br />
von Kleinasien über Armenien,<br />
Mesopotamien bis nach Indien.<br />
Er heilt Kranke, lässt Götterbilder von ihren Sockeln<br />
stürzen und bekehrt viele Menschen. Er stirbt, als<br />
man ihn mit Knütteln schlägt und ihm die Haut abzieht.<br />
Auch er trägt zuweilen die klassischen Apostelattribute<br />
wie Buch oder Rolle. Manchmal trägt er auch seine abgezogene<br />
Haut. Sein klassisches Attribut aber ist das Messer,<br />
mit welchem man ihn geschunden hat. Dieses Messer<br />
hält er auch in Prettau in der Hand.<br />
Matthäus<br />
Matthäus war der Zöllner, den<br />
Jesus direkt vom Zolltisch weg zu<br />
seinen Jüngern berufen hatte. Er<br />
zieht ins Mohrenland, um dort<br />
das Evangelium zu verkünden.<br />
Als er dem Bruder des Königs<br />
eine geweihte Jungfrau nicht zur Ehefrau gibt, lässt dieser<br />
ihn während der Messe am Altar von einem gedungenen<br />
Mörder von rückwärts mit dem Schwert durchbohren.<br />
So bilden Schwert oder ab dem 13. Jh. auch die Hellebarde<br />
sein Attribut. Seine häufi gste Darstellung aber ist<br />
das Autorenbild, das ihn als Verfasser des Evangeliums<br />
mit Buch und Feder zeigt, begleitet von seinem Symbol,<br />
dem Engel. In Prettau erscheint er mit einem Buch.<br />
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