Vertrauen wecken, Interesse nähren - publiform.ch
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Peter Appenzeller<br />
Joseph As<strong>ch</strong>wanden<br />
Rosmarie Blaser<br />
Christian Breme<br />
Ute Hallas<strong>ch</strong>ka<br />
Verena Hespelt<br />
Thomas Homberger<br />
Georg Jost<br />
Henning Köhler<br />
Thomas Marti<br />
Bettina Mehrtens<br />
Benz S<strong>ch</strong>affner<br />
Ueli Seiler-Hugova<br />
Claudia Simcic<br />
Andreas Tielcke<br />
Jörg Undeuts<strong>ch</strong><br />
Bruno Vanoni<br />
<strong>Vertrauen</strong><br />
<strong>wecken</strong>,<br />
<strong>Interesse</strong><br />
nähren<br />
Eine Einführung in die<br />
Rudolf Steiner-Pädagogik<br />
Bild: Charlotte Fis<strong>ch</strong>er
D<br />
enn es kann zum Beispiel<br />
sein, dass man dur<strong>ch</strong> die besondere<br />
Art von Lehrers<strong>ch</strong>aft<br />
und Kinders<strong>ch</strong>aft, die man, sagen<br />
wir, im Jahre 1920 vor si<strong>ch</strong> hat, ganz<br />
anders vorgehen muss als bei der<br />
Lehrers<strong>ch</strong>aft und S<strong>ch</strong>ülers<strong>ch</strong>aft, die<br />
man im Jahre 1924 vor si<strong>ch</strong> hat.<br />
Rudolf Steiner, GA 305<br />
D<br />
er Mens<strong>ch</strong> kann dur<strong>ch</strong> sein<br />
ganzes Leben hindur<strong>ch</strong> ein<br />
Lernender, ein vom Leben<br />
Lernender sein. Dann muss er aber<br />
dazu erzogen sein; dann müssen<br />
während der S<strong>ch</strong>ulzeit in ihm die<br />
Kräfte entwickelt werden, die nur in<br />
dieser Zeit stark werden können, so<br />
dass sie vom späteren Leben ni<strong>ch</strong>t<br />
wieder gebro<strong>ch</strong>en werden.<br />
Rudolf Steiner, GA 192
Inhalt<br />
GEORG JOST Mut zum Wagnis und <strong>Vertrauen</strong> – Was<br />
ist Rudolf Steiner-Pädagogik 4<br />
JÖRG UNDEUTSCH S<strong>ch</strong>ulstoff-Homöopathie – Ganzheitli<strong>ch</strong>e<br />
Pädagogik von der Vors<strong>ch</strong>ulstufe bis zum<br />
S<strong>ch</strong>ulabs<strong>ch</strong>luss 6<br />
UELI SEILER-HUGOVA Existenzielle Ko<strong>ch</strong>prozesse –<br />
Skizze einer integralen Wärmepädagogik 8<br />
CHRISTIAN BREHME/JOSEPH ASCHWANDEN<br />
Beziehungspädagogik – Eine Erziehung zur Beziehungsfähigkeit<br />
12<br />
BETTINA MEHRTENS Erziehung als<br />
Selbstfindung – 10 Jahre «Koordinationsstelle<br />
Elementarpädagogik» 16<br />
CLAUDIA SIMCIC Zauberwort Na<strong>ch</strong>ahmung – Kinder<br />
vor der S<strong>ch</strong>ulreife behutsam begleiten 20<br />
VERENA HASPELT Gut Ding will Weile haben – Der<br />
Übergang vom Kindergarten in die S<strong>ch</strong>ule 23<br />
THOMAS HOMBERGER Kein Sitzenbleiben, Integration<br />
statt Selektion – Ehrfur<strong>ch</strong>t vor der Individualität 25<br />
THOMAS MARTI Rhythmus, ein S<strong>ch</strong>lüssel zum Lernen –<br />
Vermittler des Gefühls- und Willenslebens, Grundlage<br />
begriffli<strong>ch</strong>en Denkens 26<br />
PETER APPENZELLER «Zoge am Boge…» –<br />
Musikpädagogik 30<br />
UTE HALLASCHKA Eurythmie, eine Liebeserklärung –<br />
Der K(r)ampf mit dem eigenen Leib 33<br />
BENZ SCHAFFNER Das Turnen in der Rudolf Steiner<br />
S<strong>ch</strong>ule – Aktiv und mit Freude die Welt entdecken 34<br />
HENNING KÖHLER Mephistophelis<strong>ch</strong>e Einflüsterung –<br />
Die Pubertät, ni<strong>ch</strong>ts ist mehr si<strong>ch</strong>er: «Ist alles Fata<br />
Morgana Am Ende sogar i<strong>ch</strong> selber» 42<br />
ANDREAS TIELCKE Willentli<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong>drungende<br />
Erfahrungen – Ist die Rudolf Steiner S<strong>ch</strong>ule au<strong>ch</strong><br />
in der Pubertätszeit die ri<strong>ch</strong>tige S<strong>ch</strong>ule 46<br />
ROSMARIE BLASER Arbeiten statt Lernen oder Arbeiten<br />
und Lernen – Vielfältiger Projektunterri<strong>ch</strong>t und Praktika<br />
in der Arbeitswelt 50<br />
JÖRG UNDEUTSCH Individuumzentriert und entwicklungsbezogen<br />
– Rudolf Steiner-Päddagogik als<br />
«Erziehungs-Kunst» 54<br />
BRUNO VANONI Hilfspersonal, Zahleltern oder e<strong>ch</strong>te<br />
Partner – Erziehungpartners<strong>ch</strong>aft zwis<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>ule<br />
und Elternhaus 58<br />
EHEMALIGE<br />
Alexander Sautter, Journalist beim «SonntagsBlick» 19<br />
Franz Bittmann, Jungunternehmer 37<br />
Thomas und Luc Frutiger, Bauunternehmer 41<br />
Simon Gebhardt, Einkaufsleiter 53<br />
Erziehungs-Kunst<br />
Liebe Leserin, lieber Leser<br />
Wenn Sie si<strong>ch</strong> auf www.<br />
steiners<strong>ch</strong>ule.<strong>ch</strong> über die<br />
Rudolf Steiner-Pädagogik<br />
informieren, werden oben<br />
beim Titel kurze Slogans<br />
eingeblendet: S<strong>ch</strong>lagworte,<br />
die bes<strong>ch</strong>reiben,<br />
was die Rudolf Steiner-<br />
Pädagogik einzigartig<br />
ma<strong>ch</strong>t. Der «S<strong>ch</strong>ulkreis» – die Zeits<strong>ch</strong>rift der Rudolf Steiner<br />
S<strong>ch</strong>ulen in der S<strong>ch</strong>weiz und Lie<strong>ch</strong>tenstein – hat diesen<br />
S<strong>ch</strong>lagworten eine Artikel-Serie gewidmet und die Beiträge<br />
unter der Übers<strong>ch</strong>rift «<strong>Vertrauen</strong> <strong>wecken</strong>, <strong>Interesse</strong><br />
nähren» in einer Sonderpublikation zusammengefasst.<br />
Das Heft ist mittlerweile vergriffen.<br />
Bereits in einer zweiten Auflage ers<strong>ch</strong>ienen und erneut<br />
vergriffen ist der entwicklungspädagogis<strong>ch</strong>e Beitrag «Vom<br />
Kleinkind zur Adoleszenz», ebenfalls eine Artikelserie, die<br />
bes<strong>ch</strong>reibt, wie si<strong>ch</strong> die Rudolf Steiner-Pädagogik mit dem<br />
Alter der Kinder und Jugendli<strong>ch</strong>en wandelt. Und au<strong>ch</strong> die<br />
«S<strong>ch</strong>ulkreis»-Sonderausgabe «Lebenstü<strong>ch</strong>tig – Was Ehemalige<br />
von Rudolf Steiner S<strong>ch</strong>ulen heute ma<strong>ch</strong>en» ist<br />
zwis<strong>ch</strong>enzeitli<strong>ch</strong> ausverkauft. Einzig no<strong>ch</strong> erhältli<strong>ch</strong>: «Der<br />
Kampf um das I<strong>ch</strong> – Jugendli<strong>ch</strong>e verstehen, begleiten und<br />
fördern».<br />
Aus allen vier Sonderpublikationen hat die «S<strong>ch</strong>ulkreis»-<br />
Redaktion nun no<strong>ch</strong> einmal eine Auswahl getroffen, ein<br />
«Best of Best» sozusagen, ergänzt um Beiträge aus einer<br />
bislang no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t zusammengefassten Artikelreihe: Beiträge<br />
über vers<strong>ch</strong>iedene si<strong>ch</strong> ergänzende Zugänge auf das<br />
pädagogis<strong>ch</strong>e Kernges<strong>ch</strong>äft, das für die Steiner-Pädagogik<br />
immer «Erziehungs-Kunst» sein will.<br />
Was das heisst – theoretis<strong>ch</strong> und ganz konkret: das beleu<strong>ch</strong>ten<br />
die in diesem einführenden Sammelband zusammengestellten<br />
Texte und Bilder aus zehn Jahren «S<strong>ch</strong>ulkreis».<br />
I<strong>ch</strong> wüns<strong>ch</strong>e Ihnen eine anregende Entdeckungsreise<br />
Jörg Undeuts<strong>ch</strong><br />
Impressum<br />
Herausgeber: Arbeitsgemeins<strong>ch</strong>aft der Rudolf Steiner S<strong>ch</strong>ulen in der<br />
S<strong>ch</strong>weiz, www.steiners<strong>ch</strong>ule.<strong>ch</strong>, www.s<strong>ch</strong>ulkreis.<strong>ch</strong><br />
Redaktion: Robert Thomas (rthomas@access.<strong>ch</strong>)<br />
Jörg Undeuts<strong>ch</strong> (undeuts<strong>ch</strong>@sunrise.<strong>ch</strong>)<br />
Layout/Produktion: PUBLIFORM Text und Gestaltung, www.<strong>publiform</strong>.<strong>ch</strong><br />
1. Auflage, November 2012<br />
© Arbeitsgemeins<strong>ch</strong>aft der Rudolf Steiner S<strong>ch</strong>ulen in der S<strong>ch</strong>weiz<br />
ISBN: 978-3-9523331-3-6<br />
3
Ein 7-Minuten-Vortrag von GEORG JOST<br />
Was ist Rudolf Steiner-Pädagogik<br />
Mut zum Wagnis<br />
und <strong>Vertrauen</strong><br />
Zwei Gesten grenzt Georg Jost von einander ab: Stellt si<strong>ch</strong> die<br />
Erziehung, der Erziehende mit seinen Forderungen, seinen «Lehrplänen»<br />
und «Erziehungszielen» der Individualität des Kindes<br />
entgegen – oder erklärt si<strong>ch</strong> der Erziehende bereit, si<strong>ch</strong> mit dem<br />
Kind auf dessen individuellen Weg zu begeben Rudolf Steiner-<br />
Pädagogik stellt si<strong>ch</strong> ganz in den Dienst der Lebensaufgabe, des<br />
Zukunftspotentials jedes einzelnen Kindes und Jugendli<strong>ch</strong>en.<br />
Aus dem Wesen<br />
des werdenden<br />
Mens<strong>ch</strong>en heraus<br />
werden si<strong>ch</strong> wie<br />
von selbst die<br />
Gesi<strong>ch</strong>tspunkte<br />
für die Erziehung<br />
ergeben.<br />
A<br />
In sieben Minuten<br />
kann keine au<strong>ch</strong><br />
nur annähernd umfassende<br />
Antwort<br />
auf die Frage «Was<br />
ist Steiner-Pädagogik»<br />
gegeben werden. Also ist es angebra<strong>ch</strong>t,<br />
einen Aspekt herauszugreifen,<br />
das Augenmerk auf einen grundlegenden<br />
Ansatz unserer Bemühungen zu ri<strong>ch</strong>ten.<br />
Rudolf Steiner s<strong>ch</strong>reibt 1907 in seiner<br />
frühen pädagogis<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>rift «Die Erziehung<br />
des Kindes vom Gesi<strong>ch</strong>tspunkte<br />
der Geisteswissens<strong>ch</strong>aft»: «Ni<strong>ch</strong>t Forderungen<br />
und Programme sollen aufgestellt,<br />
sondern die Kindesnatur soll einfa<strong>ch</strong> bes<strong>ch</strong>rieben<br />
werden. Aus dem Wesen des<br />
werdenden Mens<strong>ch</strong>en heraus werden si<strong>ch</strong><br />
wie von selbst die Gesi<strong>ch</strong>tspunkte für die<br />
Erziehung ergeben.» 1<br />
Remo Largo<br />
litik für die staatli<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>ulen vorgegebenen)<br />
orientieren si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t an den<br />
Bedürfnissen der Kinder.»<br />
– «Das Kind bestimmt mit seinem Entwicklungsstand,<br />
wozu es zu lernen<br />
bereit ist.» 2<br />
Aussagen, die nahe beieinander liegen.<br />
Wir – Lehrerinnen und Lehrer der Rudolf<br />
Steiner S<strong>ch</strong>ule – gehen davon aus, dass<br />
das Kind, wenn es geboren wird, als «vollständige»<br />
Individualität die Erde betritt, es<br />
seine Individualität s<strong>ch</strong>on mitbringt. Mit<br />
ihr bringt es au<strong>ch</strong> eine Art Lebensaufgabe<br />
mit, sein Zukunftspotential. Wir verstehen<br />
das ni<strong>ch</strong>t als fatalistis<strong>ch</strong>e S<strong>ch</strong>icksalsergebenheit.<br />
Aber do<strong>ch</strong> so, dass es ni<strong>ch</strong>t unsere<br />
– damit sind alle erziehenden Erwa<strong>ch</strong>senen<br />
gemeint – Aufgabe sein kann, die<br />
Individualität und Zukunft des Kindes zu<br />
definieren, zu gestalten und zu kreieren.<br />
Diese Individualität des Kindes mit Ihrer<br />
Zukunft begegnet nun den erziehenden<br />
Erwa<strong>ch</strong>senen: Eltern, Kleinkinderzieher/<br />
innen, Kindergärtner/innen, Lehrerinnen<br />
und Lehrern.<br />
Vor allem aber ist es in der Regel so, dass<br />
die Individualität s<strong>ch</strong>on vor der Geburt<br />
Programmen begegnet: Die Zeugung ist<br />
mögli<strong>ch</strong>erweise bald umfassend programmierbar,<br />
die Geburt und ihr Zeitpunkt ist<br />
zunehmend programmiert... Die Liste<br />
kann jeder selbst fortsetzen. Und selbstverständli<strong>ch</strong><br />
ist die rasant und umfassend<br />
eingreifende «Dur<strong>ch</strong>computerisierung»<br />
der Gesells<strong>ch</strong>aft ni<strong>ch</strong>ts anderes als «Programm<br />
pur». Programme sind eben ganz<br />
klar au<strong>ch</strong> die Lehrplanziele der öffentli<strong>ch</strong>en<br />
S<strong>ch</strong>ulen.<br />
An unseren S<strong>ch</strong>ulen bemühen wir uns<br />
darum, Rudolf Steiners Devise – aus der<br />
Wahrnehmung des si<strong>ch</strong> entwickelnden<br />
Kindes heraus die Gesi<strong>ch</strong>tspunkte für<br />
die Erziehungsaufgabe «abzulesen» –<br />
als Grundlage für eben diese Aufgabe<br />
zu nehmen.<br />
Natürli<strong>ch</strong> haben au<strong>ch</strong> wir Lehrpläne. Diese<br />
sind aber so aufgebaut, dass erstens Stoffverarbeitung<br />
als Erziehungshilfe verstanden<br />
wird und zweitens der Entwicklungsstand<br />
der Kinder massgebend ist für die<br />
Frage, was wann und wie mit den S<strong>ch</strong>ülerinnen<br />
und S<strong>ch</strong>ülern behandelt werden<br />
soll. Es ist au<strong>ch</strong> klar, dass wir diese grundsätzli<strong>ch</strong>e<br />
Erziehungshaltung ni<strong>ch</strong>t vollumfängli<strong>ch</strong><br />
und konsequent beibehalten<br />
können: Wir stehen im Kontext von Gesells<strong>ch</strong>aft<br />
und Zeitgenossens<strong>ch</strong>aft und wollen<br />
unseren S<strong>ch</strong>ülerinnen und S<strong>ch</strong>ülern keine<br />
ihnen mögli<strong>ch</strong>e «Ans<strong>ch</strong>lüsse» verbauen.<br />
Es geht um zwei in ihrer Ri<strong>ch</strong>tung gegensätzli<strong>ch</strong>e<br />
Gesten. Bei der einen begegnet<br />
die Kindesindividualität einer Welt, in der<br />
Erwa<strong>ch</strong>sene definieren, als Ziel inhaltli<strong>ch</strong><br />
festlegen, wohin ihre Entwicklung führen<br />
soll; und je umfassender und feiner der Erziehungsprozess<br />
dur<strong>ch</strong>programmiert ist,<br />
desto absehbarer kann zwis<strong>ch</strong>enzeitli<strong>ch</strong><br />
beurteilt werden, ob das Ziel vom Kind<br />
errei<strong>ch</strong>t wird oder ni<strong>ch</strong>t. Die inhaltli<strong>ch</strong>e<br />
Definition des Zieles wird aus einer Eins<strong>ch</strong>ätzung<br />
der Zukunft abgeleitet. Diese<br />
Eins<strong>ch</strong>ätzung wird einerseits aus in ihrer<br />
Vergangenheit von den Erwa<strong>ch</strong>senen<br />
gema<strong>ch</strong>ten Erfahrungen, vor allem aber<br />
aus Statistiken gewonnen, die ja wiederum<br />
ni<strong>ch</strong>ts anderes sind als der Versu<strong>ch</strong>,<br />
Zukunftsprognosen mittels Programmen<br />
zu definieren oder aber eine nur jeweils<br />
bru<strong>ch</strong>stückhaft erfasste Gegenwart ho<strong>ch</strong>zure<strong>ch</strong>nen.<br />
Zuerst wird also die Zukunft<br />
definiert aus dem Bedürfnis heraus, die<br />
Gegenwart zu optimieren oder gegenwärtige<br />
Defizite zu korrigieren. So werden<br />
Programme formuliert, na<strong>ch</strong> denen das<br />
Kind zu formen ist. Beispiel: Die «Pisaergebnisse»<br />
lösen in der Bildungspolitik<br />
Panik aus und führen zu fieberhaften Umformulierungen<br />
ni<strong>ch</strong>t nur der Lehrplanziele,<br />
sondern au<strong>ch</strong> des Bildungssystems.<br />
Dieser Geste steht gegenüber die von<br />
Steiner angeregte: Aus der Wahrnehmung<br />
der Individualität und des Entwicklungsstandes<br />
des Kindes heraus versu<strong>ch</strong>en zu<br />
ahnen, zu erspüren – ein «Wissen» kann<br />
es nie sein -, was das Kind brau<strong>ch</strong>t, damit<br />
es sein Potential mögli<strong>ch</strong>st gut, das<br />
heisst mögli<strong>ch</strong>st umfassend entwickeln,<br />
entfalten kann.<br />
stellen – und dazu muss jeder «Plan»<br />
gezählt werden, der ein inhaltli<strong>ch</strong> definiertes<br />
Entwicklungsziel festlegt –, das<br />
fordert ni<strong>ch</strong>t mehr und ni<strong>ch</strong>t weniger als<br />
Mut und <strong>Vertrauen</strong>. Mut zum Wagnis, zum<br />
Su<strong>ch</strong>en und <strong>Vertrauen</strong> auf das Gegenüber<br />
in der Erziehung, auf das Kind.<br />
Die Gesten sind klar: Hier stellt si<strong>ch</strong> die<br />
Erziehung, der Erziehende mit seinen Forderungen<br />
der Individualität des Kindes<br />
entgegen; da erklärt sie, erklärt si<strong>ch</strong> der<br />
Erziehende bereit, si<strong>ch</strong> mit dem Kind auf<br />
dessen Weg zu begeben.<br />
Die Steiners<strong>ch</strong>ule als «System» bemüht<br />
si<strong>ch</strong> um diese begleitende Erziehungsgeste.<br />
Lehrerin oder Lehrer an einer Steiners<strong>ch</strong>ule<br />
zu sein alleine bewahrt aber<br />
no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t davor, die konfrontative Geste<br />
einzusetzen. Hier ist die Individualität der<br />
Lehrerin, des Lehrers gefragt, ihre Überzeugung,<br />
ihre Bereits<strong>ch</strong>aft.<br />
Um eine Brücke über die zurückliegenden<br />
100 Jahre und zur aktuellen öffentli<strong>ch</strong>en<br />
Bildungsdiskussion zu s<strong>ch</strong>lagen, drei Zitate<br />
aus einem Interview mit Remo Largo,<br />
Kinderarzt in Züri<strong>ch</strong>:<br />
– «Orientieren wir uns also an den Fähigkeiten<br />
des einzelnen Kindes und ma<strong>ch</strong>en<br />
eine S<strong>ch</strong>ule, die diese mögli<strong>ch</strong>st<br />
Gesi<strong>ch</strong>tspunkte der Geisteswissens<strong>ch</strong>aft», Dor-<br />
Keine Programme<br />
1 Rudolf Steiner «Die Erziehung des Kindes vom<br />
fördert und dadur<strong>ch</strong> kompetente und<br />
Programme geben s<strong>ch</strong>einbar Si<strong>ch</strong>erheit, na<strong>ch</strong> 2003, S. 14.<br />
selbstbewusste Mens<strong>ch</strong>en heranzieht.»<br />
GEORG JOST ist Mittelstufenlehrer an der Rudolf sie sind übers<strong>ch</strong>aubar, bere<strong>ch</strong>enbar. In 2 Interview mit Remo Largo, «Das Magazin» Nr.<br />
– «Diese Lehrplanziele (die von der Po-<br />
Steiner S<strong>ch</strong>ule Basel<br />
der Erziehung keine Programme aufzu-<br />
2 vom 12. Januar 2008.<br />
4 5
JÖRG UNDEUTSCH<br />
Ganzheitli<strong>ch</strong>e Pädagogik von der Vors<strong>ch</strong>ulstufe<br />
bis zum S<strong>ch</strong>ulabs<strong>ch</strong>luss<br />
S<strong>ch</strong>ulstoff-<br />
Homöopathie<br />
«Na<strong>ch</strong>haltiges Lernen» haben si<strong>ch</strong> die Rudolf Steiner S<strong>ch</strong>ulen<br />
auf die Fahnen ges<strong>ch</strong>rieben, eine «ganzheitli<strong>ch</strong>e Pädagogik»<br />
vertreten sie, vom Kleinkindalter bis in die Oberstufe. Was heisst<br />
das – jenseits des alt bekannten S<strong>ch</strong>lagwortes von «Kopf, Herz<br />
und Hand» Das Ziel der S<strong>ch</strong>ulen ist ein anderes, meint Jörg<br />
Undeuts<strong>ch</strong>. Um zu beantworten, was er damit meint, nimmt er<br />
etwas Anlauf – und legt damit zuglei<strong>ch</strong> eine kurze, allgemein<br />
verständli<strong>ch</strong>e Einführung in die Rudolf Steiner-Pädagogik vor.<br />
W<br />
Was unters<strong>ch</strong>eidet<br />
die Rudolf Steiner-<br />
Pädagogik von der<br />
«Staatss<strong>ch</strong>ul»-Pädagogik<br />
oder anderen<br />
Formen «alternativen»<br />
Umganges mit Kindern und<br />
Jugendli<strong>ch</strong>en Äusserli<strong>ch</strong> betra<strong>ch</strong>tet, ist<br />
die Antwort s<strong>ch</strong>nell gefunden. S<strong>ch</strong>wieriger<br />
ist es, hinter den Kulissen na<strong>ch</strong> dem zu su<strong>ch</strong>en,<br />
was eine ganzheitli<strong>ch</strong>e, na<strong>ch</strong>haltige<br />
Pädagogik wirkli<strong>ch</strong> ausma<strong>ch</strong>t.<br />
Fangen wir mit dem an, was s<strong>ch</strong>nell zu<br />
finden ist: Es gibt keine Noten in der<br />
Rudolf Steiner S<strong>ch</strong>ule, keinen äusserli<strong>ch</strong><br />
aufgezwungenen Leistungsdruck. Die<br />
Kinder und Jugendli<strong>ch</strong>en können ni<strong>ch</strong>t<br />
«sitzen bleiben», in ihrem jeweiligen<br />
Klassenverband s<strong>ch</strong>reiten sie von Stufe<br />
zu Stufe gemeinsam weiter. Künstleris<strong>ch</strong>-<br />
Musis<strong>ch</strong>es und Handwerkli<strong>ch</strong>es nimmt einen<br />
breiteren Raum ein als in den meisten<br />
anderen S<strong>ch</strong>ulen, die Kinder singen und<br />
musizieren, malen und plastizieren, lernen<br />
und spre<strong>ch</strong>en Gedi<strong>ch</strong>te, spielen Theater.<br />
Epo<strong>ch</strong>enunterri<strong>ch</strong>t<br />
bis zwei Stunden Unterri<strong>ch</strong>t am Stück,<br />
ohne Pause, dafür in si<strong>ch</strong> gegliedert in einen<br />
bewegten künstleris<strong>ch</strong>-rhythmis<strong>ch</strong>en<br />
Auftakt, eine konzentrierte Lern- und Übphase<br />
und einen beruhigenden, abs<strong>ch</strong>liessenden<br />
S<strong>ch</strong>lussteil, in dem der Lehrer, die<br />
Lehrerin erzählt oder vorliest - Mär<strong>ch</strong>en,<br />
Fabeln und Legenden in den unteren<br />
Klassen, später Sagen, Episoden aus der<br />
Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te oder Biografien. Fast aller<br />
«Stoff», alle übli<strong>ch</strong>en «Fä<strong>ch</strong>er» werden in<br />
diesem Hauptunterri<strong>ch</strong>t vermittelt: S<strong>ch</strong>reiben,<br />
Lesen, Re<strong>ch</strong>nen, Pflanzen- und Tierkunde,<br />
Heimat- und Erdkunde, Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te,<br />
Physik und Chemie, aber au<strong>ch</strong> Astronomie,<br />
Haus- und Feldbau, Lebenskunde.<br />
Immer mehrere Wo<strong>ch</strong>en lang behandelt<br />
der Lehrer ein Fa<strong>ch</strong>, bleibt die Klasse an<br />
einem Thema, vertieft das Thema S<strong>ch</strong>ritt<br />
für S<strong>ch</strong>ritt, lebt si<strong>ch</strong> darin ein – dann darf<br />
es ruhen, absinken, wird erst ein halbes,<br />
ein ganzes Jahr später wieder aufgegriffen<br />
und weiter entwickelt. «Epo<strong>ch</strong>enunterri<strong>ch</strong>t»<br />
nennt das die Rudolf Steiner-Pädagogik.<br />
Diesen Hauptunterri<strong>ch</strong>t<br />
in Unteri<strong>ch</strong>ts-Epo<strong>ch</strong>en gibt der Klassenlehrer,<br />
die Klassenlehrerin. Au<strong>ch</strong> sie gehört<br />
zu den Besonderheiten der Rudolf<br />
Steiner-Pädagogik, die ins Auge fallen: In<br />
den Klassen eins bis a<strong>ch</strong>t begleitet in der<br />
Regel dieselbe Lehrperson die Klasse, Jahr<br />
für Jahr. So viel wie mögli<strong>ch</strong> unterri<strong>ch</strong>tet<br />
sie die Klasse selbst, begleitet sie ni<strong>ch</strong>t<br />
nur als Lernpartnerin, sondern ein wenig<br />
au<strong>ch</strong> als Erzieherin oder – wie Allan Guggenbühl<br />
es einmal ausgedrückt hat –<br />
«Oberbanden<strong>ch</strong>ef». Sie will den Kindern<br />
ihrer Klasse in dem Alter ein Vorbild sein,<br />
eine Führerin, in dem si<strong>ch</strong> Kinder na<strong>ch</strong><br />
sol<strong>ch</strong>en Erwa<strong>ch</strong>senen sehnen: Autorität,<br />
ohne autoritär sein zu müssen.<br />
Eurythmie und Gartenbau<br />
Meist s<strong>ch</strong>on von der ersten Klasse an werden<br />
zwei Fremdspra<strong>ch</strong>en unterri<strong>ch</strong>tet in<br />
den Rudolf Steiner S<strong>ch</strong>ulen - rhythmis<strong>ch</strong>,<br />
spieleris<strong>ch</strong> vermittelt zunä<strong>ch</strong>st, später<br />
mit au<strong>ch</strong> mit Kno<strong>ch</strong>en und Sehnen, mit<br />
Grammatik untermauert. Und es gibt eigentümli<strong>ch</strong>e<br />
Fä<strong>ch</strong>er in den Rudolf Steiner<br />
S<strong>ch</strong>ulen, Gartenbau, Eurythmie und Kupfertreiben<br />
zum Beispiel, oder ein Landvermessungspraktikum.<br />
- Warum das alles<br />
Bes<strong>ch</strong>reiben diese Äusserli<strong>ch</strong>keiten, was<br />
die Rudolf Steiner S<strong>ch</strong>ule will Ja - aber<br />
nur, wenn man zwis<strong>ch</strong>en den Zeilen zu lesen<br />
versteht. Der grosse, der eigentli<strong>ch</strong>e<br />
Unters<strong>ch</strong>ied zwis<strong>ch</strong>en den Rudolf Steiner<br />
S<strong>ch</strong>ulen und fast allen anderen S<strong>ch</strong>ulen<br />
liegt nämli<strong>ch</strong> im Ziel der S<strong>ch</strong>ule selbst.<br />
Die Rudolf Steiner S<strong>ch</strong>ulen kennen keine<br />
«Lernziele», zumindest keine konkreten,<br />
die man in klare Worte, in Anforderungsprofile<br />
giessen könnte und in Prüfungen<br />
ermitteln. Sie will die Kinder und Jugendli<strong>ch</strong>en<br />
zu ni<strong>ch</strong>ts erziehen, ni<strong>ch</strong>t zu<br />
Christen, ni<strong>ch</strong>t zu «nützli<strong>ch</strong>en Gliedern<br />
der Gesells<strong>ch</strong>aft», ni<strong>ch</strong>t zu «braven Bürgern»<br />
und au<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t zu rebellis<strong>ch</strong>en, sie<br />
will sie au<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t «fit ma<strong>ch</strong>en für den<br />
Arbeitsmarkt». Sie will die Kinder zu si<strong>ch</strong><br />
selber führen, will ihnen helfen, si<strong>ch</strong> zu<br />
entdecken, zu erproben, zu entfalten. Jeder<br />
Mens<strong>ch</strong> ist eine unverwe<strong>ch</strong>selbare,<br />
eigenständige Persönli<strong>ch</strong>keit, niemand<br />
kommt als «leere Tafel» auf die Welt. Jeder<br />
Mens<strong>ch</strong> bringt etwas mit, wenn er seine<br />
Erdenreise antritt, einen Lebensentwurf,<br />
ein Lebensziel, Lebensthemen zumindest<br />
und zuvorderst – si<strong>ch</strong> selbst. Davon<br />
gehen Rudolf Steiner-Pädagoginnen<br />
und -Pädagogen aus. Niemand irrt leer,<br />
sinn- und ziellos dur<strong>ch</strong> die Welt. Dieses<br />
Ziel, diese Themen, letztli<strong>ch</strong>: si<strong>ch</strong> selbst<br />
(wieder) zu finden – dabei will die Rudolf<br />
Steiner S<strong>ch</strong>ule helfen; damit jeder S<strong>ch</strong>üler,<br />
jede S<strong>ch</strong>ülerin aufre<strong>ch</strong>t aus dieser S<strong>ch</strong>ule<br />
gehen kann mit dem zur Gewissheit gereiften<br />
Empfinden: I<strong>ch</strong> kann mi<strong>ch</strong> finden,<br />
i<strong>ch</strong> gehe meinen Weg.<br />
Seelen-Nahrung<br />
Deshalb bemüht si<strong>ch</strong> die Rudolf Steiner<br />
S<strong>ch</strong>ule, die Kinder so lange wie mögli<strong>ch</strong><br />
«bildsam» bleiben zu lassen, ihr <strong>Interesse</strong><br />
zu <strong>wecken</strong>, ihre Lebendigkeit zu erhalten<br />
– und sie vor all den Einflüssen zu<br />
s<strong>ch</strong>ützen, die sie vorzeitig «verhärten»,<br />
erstarren lassen, vertrocknen. Deshalb<br />
versu<strong>ch</strong>t die Rudolf Steiner S<strong>ch</strong>ule, die<br />
Kinder und Jugendli<strong>ch</strong>en so vielseitig<br />
wie mögli<strong>ch</strong> anzuregen, si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t nur<br />
an den Kopf zu wenden, sondern au<strong>ch</strong><br />
Herz, Hand und Fuss mit einzubeziehen.<br />
Und deshalb ist der S<strong>ch</strong>ul»stoff» für die<br />
Rudolf Steiner S<strong>ch</strong>ule so etwas ganz anderes<br />
als wir das von so vielen anderen<br />
S<strong>ch</strong>ulen her gewohnt sind. Herkömmli<strong>ch</strong>e<br />
S<strong>ch</strong>ulen wollen ihren S<strong>ch</strong>ülerinnen und<br />
S<strong>ch</strong>ülern etwas beibringen; wollen, dass<br />
die S<strong>ch</strong>ülerinnen und S<strong>ch</strong>üler si<strong>ch</strong> etwas<br />
merken. Für Rudolf Steiner S<strong>ch</strong>ulen ist der<br />
«Stoff» kein Wissen, das i<strong>ch</strong> abspei<strong>ch</strong>ern<br />
und auf Befehl wiedergeben, im besten<br />
Fall anwenden können muss. Der «Stoff»<br />
ist Nahrung, Seelen-Nahrung. Er wird zum<br />
Erlebniss<strong>ch</strong>atz, zum Mittel individueller<br />
Mens<strong>ch</strong>en-Bildung.<br />
Aufwa<strong>ch</strong>en zu si<strong>ch</strong> selber sollen die Kinder<br />
am «Stoff». Er soll ihnen helfen, all die<br />
Entwicklungss<strong>ch</strong>ritte der Kindheit und des<br />
Jugendalters kraftvoll zu dur<strong>ch</strong>leben, an<br />
diesen S<strong>ch</strong>ritten, die jede und jeder ma<strong>ch</strong>t,<br />
das zu entfalten, was der ganz eigenen<br />
Entwicklung dient.<br />
Deshalb fragt die Rudolf Steiner S<strong>ch</strong>ule<br />
ni<strong>ch</strong>t: Wie muss i<strong>ch</strong> Stoffhäpp<strong>ch</strong>en an<br />
Stoffhäpp<strong>ch</strong>en reihen, damit der Stoff<br />
gut verdauli<strong>ch</strong> den Kindern mögli<strong>ch</strong>st<br />
s<strong>ch</strong>merzlos eingeflösst werden kann Sie<br />
fragt: Wel<strong>ch</strong>er «Stoff» hilft den Kindern,<br />
den Jugendli<strong>ch</strong>en in wel<strong>ch</strong>em Alter, wel<strong>ch</strong>en<br />
Entwicklungss<strong>ch</strong>ritt zu tun Jedes<br />
Alter hat seine verborgenen, latenten<br />
Fragen, man<strong>ch</strong>e bewusst, man<strong>ch</strong>e unbewusst.<br />
Sie zu beantworten, sie klären zu<br />
helfen - das vor allem ist die Aufgabe des<br />
S<strong>ch</strong>ulstoffes in der Rudolf Steiner S<strong>ch</strong>ule.<br />
Denn nur so dient er ni<strong>ch</strong>t irgendeinem<br />
äusseren Zweck, sondern dem einen grossen<br />
Ziel der Rudolf Steiner S<strong>ch</strong>ule: Mens<strong>ch</strong>en<br />
zu si<strong>ch</strong> selbst zu führen – der Erziehung<br />
zu Selbstbestimmung und Freiheit.<br />
Vergessen dürfen<br />
Das führt uns no<strong>ch</strong> einmal zu einem Unters<strong>ch</strong>ied<br />
zwis<strong>ch</strong>en den Rudolf Steiner<br />
S<strong>ch</strong>ulen und den meisten anderen: Rudolf<br />
Steiner S<strong>ch</strong>ulen wollen, dass die S<strong>ch</strong>ülerinnen<br />
und S<strong>ch</strong>üler den Stoff vergessen.<br />
Der S<strong>ch</strong>ulstoff der Rudolf Steiner S<strong>ch</strong>ulen<br />
wirkt ein wenig so, wie der Stoff, die Materie,<br />
die Heilsubstanz in homöopathis<strong>ch</strong>en<br />
Heilmitteln. Je höher diese potenziert werden,<br />
desto weniger Ausgangsstoff ist no<strong>ch</strong><br />
in der Trägersubstanz, dur<strong>ch</strong> Verdünnen<br />
und Vers<strong>ch</strong>ütteln oder Verrühren geht so<br />
etwas wie die Essenz der Ausgangssubstanz<br />
auf die Trägerstubstanz, das Wasser<br />
oder den Mil<strong>ch</strong>zucker über – und verwandelt<br />
ihn, ma<strong>ch</strong>t die Trägersubstanz<br />
zum Heilmittel.<br />
Wenn Kinder und Jugendli<strong>ch</strong>e S<strong>ch</strong>ulstoff<br />
ni<strong>ch</strong>t lernen, sondern si<strong>ch</strong> mit ihm verbinden,<br />
über mehrere Wo<strong>ch</strong>en hinweg, ein<br />
wenig zu leben beginnen mit ihm, dann<br />
wird er in ihnen lebendig, bleibt er kein<br />
toter, äusserli<strong>ch</strong> an sie herangetragener<br />
Stoff. Wenn sie dann die Fa<strong>ch</strong>epo<strong>ch</strong>e<br />
abs<strong>ch</strong>liessen, zu einem anderen Thema<br />
übergehen, sinkt das Aufgenommene, das<br />
innerli<strong>ch</strong> Bewegte und Bewegende ab. Es<br />
sinkt in die Vergessenheit – in die Tiefenstrukturen<br />
der Psy<strong>ch</strong>e und lebt dort weiter:<br />
fähigkeits- und persönli<strong>ch</strong>keitsbildend.<br />
Das vergessen Dürfen ist der S<strong>ch</strong>lüssel zu<br />
na<strong>ch</strong>haltigem S<strong>ch</strong>ulerfolg. Dabei kommt<br />
es ni<strong>ch</strong>t darauf an, was S<strong>ch</strong>ülerinnen<br />
und S<strong>ch</strong>üler in Prüfungen wiedergeben<br />
können, was sie im Bewusstsein haben,<br />
was sie haben aufnehmen und si<strong>ch</strong> merken<br />
können. Es kommt darauf an, ob der<br />
S<strong>ch</strong>ulstoff ihnen etwas sagen konnte, in<br />
ihnen etwas bewegen konnte, ihren Wissensdurst<br />
und Erfahrungshunger stillen<br />
konnte, ohne sie einfa<strong>ch</strong> abzufüllen – ob<br />
er sie nähren konnte – und weiter nährt,<br />
verwandelt zu Fähigkeiten, zu Lebenseinstellungen,<br />
zu Tatkraft, Mut und Lebenszuversi<strong>ch</strong>t.<br />
Wer Rudolf Steiner-S<strong>ch</strong>ülerinnen und<br />
-S<strong>ch</strong>üler fragt, was sie gelernt haben,<br />
stellt mitunter Defizite beim äusserli<strong>ch</strong>en<br />
Faktenwissen fest. Aber die meisten antworten:<br />
Wir trauen uns etwas zu. Weil sie<br />
spüren, dass sie seelis<strong>ch</strong> rei<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> genährt<br />
worden sind, einen tragfähigen Boden<br />
haben ausbilden können, dass sie si<strong>ch</strong><br />
auf si<strong>ch</strong> selbst verlassen können. Genau<br />
das will eine na<strong>ch</strong>haltig arbeitende S<strong>ch</strong>ule<br />
errei<strong>ch</strong>en.<br />
In den meisten Rudolf Steiner S<strong>ch</strong>ulen<br />
JÖRG UNDEUTSCH ist Vater von se<strong>ch</strong>s Kindern,<br />
beginnt jeder S<strong>ch</strong>ulmorgen mit dem so<br />
Waldorflehrer, Heimleiter und SCHULKREIS-Redaktor.<br />
Er lebt in Bern.<br />
genannten «Hauptunterri<strong>ch</strong>t»: eineinhalb<br />
6 7
Ueli Seiler-Hugova<br />
Skizze einer integralen Wärmepädagogik<br />
Existenzielle<br />
Ko<strong>ch</strong>prozesse<br />
Pädagogik ist existenziell ein zwis<strong>ch</strong>enmens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>er<br />
Vorgang. Es brau<strong>ch</strong>t wirkli<strong>ch</strong>e Mens<strong>ch</strong>en, die vor allem<br />
ein Wärmezentrum und eine Wärmehülle haben und<br />
bilden. Aufmerksamkeit ist die Grundlage einer Wärmepädagogik.<br />
Aufmerksamkeit der Welt gegenüber, Aufmerksamkeit<br />
dem Mitmens<strong>ch</strong>en gegenüber. Erst dur<strong>ch</strong><br />
innerste Wesensbegegnung kann die Grundlage zu einer<br />
integrierenden Pädagogik gelegt werden.<br />
E<br />
ines Morgens bin i<strong>ch</strong> Beitrag war natürli<strong>ch</strong> eine integrale Si<strong>ch</strong>t Wo<strong>ch</strong>e wurde alles präsentiert: Existentiell<br />
mal als Welle si<strong>ch</strong> äussernd – ist immer und Kälte müssen ni<strong>ch</strong>t Polaritäten bilden.<br />
Wärme könnte gerade die Mitte sein sonders wi<strong>ch</strong>tig genommen werden, heis-<br />
die gerade in der Waldorfpädagogik be-<br />
aufgewa<strong>ch</strong>t und wusste, und Praxis.<br />
mit Lampenfieber (ar<strong>ch</strong>ais<strong>ch</strong>), emotional<br />
no<strong>ch</strong> ein Rätsel. Es hat mehr Geist- als<br />
dass i<strong>ch</strong> über Wärmepädagogik<br />
s<strong>ch</strong>reiben werde.<br />
sierend (mental) zeigten die Beiträge, dass<br />
Erkenntnis<strong>ch</strong>arakter. «Es geht mir ein Li<strong>ch</strong>t ke faszinierte mi<strong>ch</strong> unsägli<strong>ch</strong>: Wärme als und Glei<strong>ch</strong>gewi<strong>ch</strong>tssinn. Die mittleren,<br />
(magis<strong>ch</strong>), gemütsvoll (mythis<strong>ch</strong>), analy-<br />
Materie<strong>ch</strong>arakter. Li<strong>ch</strong>t hat au<strong>ch</strong> vor allem zwis<strong>ch</strong>en Hitze und Kälte. Dieser Gedansen<br />
Tastsinn, Lebenssinn, Bewegungssinn<br />
Wärme der Begeisterung<br />
Die Anfrage der Universität<br />
So unterri<strong>ch</strong>tete i<strong>ch</strong> dort an der Fakultät das Thema ganzheitli<strong>ch</strong> integral verinnerli<strong>ch</strong>t<br />
auf.» Und wie ist es mit der Wärme Ganz Zentrum, das von zwei Tendenzen umgeben<br />
mehr seelis<strong>ch</strong>en Sinne, heissen Geru<strong>ch</strong>ssinn,<br />
Regensburg, an einem<br />
Bu<strong>ch</strong>projekt über «integrale Pädagogik»<br />
mitzuwirken, hinterliess in mir die Frage,<br />
was i<strong>ch</strong> denn darüber s<strong>ch</strong>reiben könnte.<br />
Seit 35 Jahren als Leiter einer anthroposophis<strong>ch</strong>en<br />
Bildungsstätte, könnte i<strong>ch</strong><br />
natürli<strong>ch</strong> einiges über integrale Elemente<br />
der Waldorfs<strong>ch</strong>ulpädagogik sagen. Mir ist<br />
für Germanistik, z. B. zum Thema Parzival<br />
von Wolfram von Es<strong>ch</strong>enba<strong>ch</strong>. I<strong>ch</strong> bekam<br />
eine Wo<strong>ch</strong>e lang Zeit, allmorgentli<strong>ch</strong> in<br />
das mittelalterli<strong>ch</strong>e Epos erzähleris<strong>ch</strong><br />
(mythis<strong>ch</strong>), aber au<strong>ch</strong> Zusammenhänge<br />
zeigend (mental, kognitiv), einzuführen.<br />
Zum Anfang der Vorlesungen sang i<strong>ch</strong> mit<br />
den Studenten und Studentinnen Lieder.<br />
wurde; das Thema wahrgenommen<br />
wurde, aber eben dann au<strong>ch</strong> eine Wahrgebung<br />
passierte. - Dies alles mit dem Feuer<br />
oder eben der Wärme der Begeisterung.<br />
Um über eine Wärmepädagogik zu s<strong>ch</strong>reiben,<br />
bedarf es zunä<strong>ch</strong>st einer Bes<strong>ch</strong>reibung<br />
des Phänomens Wärme. Als Verfasser<br />
eines Bu<strong>ch</strong>es über Farben, habe<br />
ähnli<strong>ch</strong>! Die Wärme selbst ist viellei<strong>ch</strong>t<br />
Energie, viellei<strong>ch</strong>t Welle, aber do<strong>ch</strong> vor<br />
allem Geist. Erst die Materie ist es, die<br />
eben wärmer oder kälter ers<strong>ch</strong>eint. So wie<br />
man bei Li<strong>ch</strong>t als Polarität das Ni<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>t,<br />
die Dunkelheit hat, so könnte man au<strong>ch</strong><br />
der Wärme die Ni<strong>ch</strong>twärme, die Kälte, gegenüber<br />
stellen.<br />
wird. Die Wärme gewissermassen als<br />
mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e, gesunde Körpertemperatur<br />
bei etwa 36 Grad. Steigt die Wärme im<br />
Körper, gibt es Fieber; sinkt sie, gibt es<br />
S<strong>ch</strong>üttelfrost. I<strong>ch</strong> selbst leide s<strong>ch</strong>nell unter<br />
der Hitze oder eben der Kälte. Hitze verlangt<br />
bei mir Kühle; Kälte verlangt Wärme.<br />
Rudolf Steiner bes<strong>ch</strong>reibt in seiner Zwölfmesinn.<br />
Ges<strong>ch</strong>macksinn, Sehsinn und Wär-<br />
Hier ist der Wärmesinn – der übli<strong>ch</strong>erweise<br />
eher zum taktilen Sinn, dem<br />
Tast- oder Hautsinn, zugeteilt wird – weit<br />
oben in der Hierar<strong>ch</strong>ie der Sinne, und zwar<br />
an der a<strong>ch</strong>ten Stelle. Das hat mi<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>on<br />
immer gewundert. Dem Wärmesinn folgen<br />
die oberen, mehr geistigen Sinne: Hörsinn,<br />
au<strong>ch</strong> das Werk Jean Gebsers bekannt. In Dana<strong>ch</strong> bekamen sie den Auftrag, diesen i<strong>ch</strong> mi<strong>ch</strong> viel mit dem Phänomen Li<strong>ch</strong>t<br />
Sinneslehre einen selbstständigen Wärmesinn.<br />
Wie oft bei Steiner wird etwas me wahrnehmen, aber eben au<strong>ch</strong> wahr-<br />
Spra<strong>ch</strong>sinn, Denksinn und I<strong>ch</strong>-Sinn. Wär-<br />
Wärme als gesundes Zentrum<br />
den Neunzigerjahren habe i<strong>ch</strong> als Gastprofessor<br />
Stoff künstleris<strong>ch</strong> mit Materialien wie Pa-<br />
bes<strong>ch</strong>äftigt. Li<strong>ch</strong>t, selbst unsi<strong>ch</strong>tbar, kann<br />
an der Universität Lettlands in pier, Farben, Ton, farbiges S<strong>ch</strong>attenspielen, erst an der Materie si<strong>ch</strong>tbar werden. Man<br />
Do<strong>ch</strong> an dem besagten Morgen als i<strong>ch</strong> hierar<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong> dargestellt. Die zwölf Sinne geben. Das ist hier ents<strong>ch</strong>eidend.<br />
Riga an Kolloquien teilgenommen, wo usw. zu verarbeiten. Es wurden Szenen kann zwar die Ges<strong>ch</strong>windigkeit des Li<strong>ch</strong>ts<br />
aufwa<strong>ch</strong>te, wusste i<strong>ch</strong> es besser: Wärme werden in drei Gruppen von unten na<strong>ch</strong><br />
Ursubstanz Wärme<br />
Ho<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>ullehrer/innen aus ganz Europa<br />
Ho<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>uldidaktik darstellten. Mein ges<strong>ch</strong>rieben, Texte verfasst. Am Ende der selber – man<strong>ch</strong>mal als Korpuskel, man<strong>ch</strong>-<br />
Innenseminars S<strong>ch</strong>lössli Ins.<br />
leibli<strong>ch</strong>en Sinne, au<strong>ch</strong> Basalsinne genannt, Was ist eigentli<strong>ch</strong> Wärme Rudolf Steiaus<br />
dem Parzival einstudiert, Gedi<strong>ch</strong>te einigermassen erfassen, do<strong>ch</strong> das Li<strong>ch</strong>t<br />
UELI SEILER-HUGOVA ist der Leiter des Erzieher- oben bes<strong>ch</strong>rieben. Die vier unteren, mehr<br />
8 9
ner bes<strong>ch</strong>reibt in seiner «Geheimwissens<strong>ch</strong>aft<br />
im Umriss», dass der erste vorplanetaris<strong>ch</strong>e<br />
Zustand der Erde aus Wärme<br />
ter. Es brau<strong>ch</strong>t die Wärme, um überhaupt<br />
in einen pädagogis<strong>ch</strong>en Prozess zu kommen.<br />
Wie sieht das ganz praktis<strong>ch</strong> aus<br />
störungen zu sehen! Heinri<strong>ch</strong> Pestalozzi,<br />
der grosse S<strong>ch</strong>weizer Pädagoge und erster<br />
Sozialpädagoge, hatte offensi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> die<br />
tis<strong>ch</strong>e integrale Wärmepädagogik verwirkli<strong>ch</strong>en,<br />
dann soll der pädagogis<strong>ch</strong>e Prozess<br />
auf allen Ebenen stattfinden. Zunä<strong>ch</strong>st ist<br />
gen (1136-1179), erste Ärztin und visionäre<br />
Seherin, sieht im Mens<strong>ch</strong>en überall<br />
Ko<strong>ch</strong>prozesse am Werk: Auf dem göttli<strong>ch</strong>en<br />
auf. Diese Auseinandersetzung zwis<strong>ch</strong>en<br />
Li<strong>ch</strong>t und Finsternis, zwis<strong>ch</strong>en Weltflü<strong>ch</strong>tlingen<br />
und Weltsü<strong>ch</strong>tigen, zwis<strong>ch</strong>en Auflösung<br />
Feuer werden na<strong>ch</strong> ihren Worten<br />
und sonst ni<strong>ch</strong>ts bestand. Dies war also<br />
Gabe, dur<strong>ch</strong> sehende Wärme und Wesensblick,<br />
andere Mens<strong>ch</strong>en tief wahrnehmen<br />
me von Mens<strong>ch</strong> zu Mens<strong>ch</strong> die Voraus- die elementaren Substanzen der grossen also der geistige Austaus<strong>ch</strong> der Wär-<br />
Mitmens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e Wärme<br />
gewissermassen die Ursubstanz. Am Anfang<br />
Wärme entsteht etwa dur<strong>ch</strong><br />
war also die Wärme. Und diese Wärme<br />
war zuglei<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> der erste «Leib» der<br />
Pädagogik ist existentiell ein zwis<strong>ch</strong>enmens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>er<br />
Vorgang. Und i<strong>ch</strong> meine<br />
zu können. Do<strong>ch</strong> er nahm ni<strong>ch</strong>t nur wahr,<br />
das wäre einseitig. Er gab si<strong>ch</strong> existentiell<br />
setzung und Motivation, um in einen pädagogis<strong>ch</strong>en<br />
Prozess zu kommen. Ohne<br />
Welt geko<strong>ch</strong>t, Winde und Sterne regulieren<br />
die Glut. Und so bri<strong>ch</strong>t au<strong>ch</strong> die feurige<br />
<strong>Interesse</strong> und Begeisterung<br />
am S<strong>ch</strong>ulstoff, dur<strong>ch</strong><br />
Seele des Mens<strong>ch</strong>en in seinem Leib Neugierigsein, wer wohl der<br />
Mens<strong>ch</strong>enkeime. Die «Mens<strong>ch</strong>en» bestanden<br />
also ursprüngli<strong>ch</strong> aus Wärme. Erst in heisst natürli<strong>ch</strong> zwis<strong>ch</strong>en Mens<strong>ch</strong>en mit er war au<strong>ch</strong> ein Wahrgebender. Nur so<br />
seelis<strong>ch</strong>, biologis<strong>ch</strong> und physis<strong>ch</strong> warm ein und ko<strong>ch</strong>t glei<strong>ch</strong>sam alle Stoffe dur<strong>ch</strong>:<br />
das ganz konkret. Zwis<strong>ch</strong>enmens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> hin. Er war ni<strong>ch</strong>t nur ein Wahrnehmender,<br />
die geistige Wärme ist die Pädagogik nur<br />
andere Mens<strong>ch</strong> ist.<br />
späteren planetaris<strong>ch</strong>en Phasen kamen Leib, Seele und Geist. Es brau<strong>ch</strong>t wirkli<strong>ch</strong>e entsteht der Wärmeaustaus<strong>ch</strong>. Dies erfährt<br />
und ni<strong>ch</strong>t ganzheitli<strong>ch</strong>. Dann brau<strong>ch</strong>t es «Das Gefäss meines Leibes wurde im Töpferofen<br />
Li<strong>ch</strong>t und Luft, Leben und Wasser dazu.<br />
Aus dieser ni<strong>ch</strong>tmateriellen Biomasse<br />
kristallisierte si<strong>ch</strong> dann die Materie, der<br />
Leib des Mens<strong>ch</strong>en aus. Also zuerst Wärme,<br />
Mens<strong>ch</strong>en, die vor allem ein Wärmezentrum<br />
und eine Wärmehülle haben und<br />
bilden. Dies ist heute ni<strong>ch</strong>t mehr selbstverständli<strong>ch</strong>,<br />
da Bildungsinhalte (sind sie<br />
man etwa bei autistis<strong>ch</strong>en Kindern:<br />
Ihre Wärme kann ni<strong>ch</strong>t hinaus. Und wir<br />
als Erzieher können ni<strong>ch</strong>t hinein. Wärme<br />
kann nur dur<strong>ch</strong> Gegenwärme hervorgerufen<br />
die seelis<strong>ch</strong>e Wärme: La<strong>ch</strong>en und Freude,<br />
Farben und Bilder, die die Seele erwärmen<br />
- dann aber gibt es au<strong>ch</strong> die magis<strong>ch</strong>e<br />
lebendige Wärme aus dem Bau<strong>ch</strong>,<br />
gebrannt.» Verdauung ist Ko<strong>ch</strong>-<br />
prozess, Stoffwe<strong>ch</strong>sel ist feuriger Verkehr<br />
mit Weltelementen, S<strong>ch</strong>laf ist Austaus<strong>ch</strong><br />
dur<strong>ch</strong>geko<strong>ch</strong>ter Lebensenergie: «Wie ein<br />
und Verhärtung, zwis<strong>ch</strong>en Illusion<br />
und Dogma nennt Rudolf Steiner wesenhaft<br />
das Luziferis<strong>ch</strong>e und das Ahrimanis<strong>ch</strong>e.<br />
Rudolf Steiner hat als Künstler eine grosse<br />
dann Materie.<br />
In der Al<strong>ch</strong>emie hat ja das Feuer, die<br />
Wärme, die Aufgabe, die Materie zu sublimieren,<br />
um s<strong>ch</strong>lussendli<strong>ch</strong> Gold herzustellen.<br />
Diese Hinaufentwicklung oder<br />
Vergeistigung der Materie, etwa au<strong>ch</strong> als<br />
<strong>ch</strong>ymis<strong>ch</strong>e Ho<strong>ch</strong>zeit dargestellt, in dem<br />
die Gegensätze, z. B. männli<strong>ch</strong> und weibli<strong>ch</strong>,<br />
in ein höheres Ganzes integriert oder<br />
au<strong>ch</strong> individuiert werden, ist eben diesem<br />
Wärmeprozess zu verdanken. Die Wärme<br />
ist es, die eine Höherentwicklung ermögli<strong>ch</strong>t.<br />
Die al<strong>ch</strong>ymis<strong>ch</strong>en Prozesse, zwar<br />
labormässig vollzogen, sind aber s<strong>ch</strong>lussendli<strong>ch</strong><br />
seelis<strong>ch</strong>-geistiger Natur, wie es<br />
au<strong>ch</strong> C.G. Jung bes<strong>ch</strong>rieb. Die Wärme ist<br />
also so etwas Zentralmens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>es, nur<br />
dur<strong>ch</strong> Wärme kann der Mens<strong>ch</strong> si<strong>ch</strong> höher<br />
entwickeln.<br />
das überhaupt) immer mehr virtuell vermittelt<br />
werden. Do<strong>ch</strong> die virtuellen Instrumente<br />
(Bilds<strong>ch</strong>irm, Handy, Computerspiele,<br />
usw.) sind mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> kalt. Die Welt ist<br />
im neu aufgebro<strong>ch</strong>enen Kommunitations-<br />
Zeitalter seelis<strong>ch</strong> kalt geworden und damit<br />
mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> verödet. E<strong>ch</strong>te Kommunikation,<br />
integral den ganzen Mens<strong>ch</strong>en erfassend,<br />
ges<strong>ch</strong>ieht nur über die mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e<br />
und mitmens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e Wärme!<br />
Am Anfang der Pädagogik brau<strong>ch</strong>t es<br />
Wärme! Das heisst, in mir muss motivierende<br />
Wärme entstehen, um dem anderen<br />
begegnen zu wollen. Wärme entsteht<br />
etwa dur<strong>ch</strong> <strong>Interesse</strong> und Begeisterung<br />
am S<strong>ch</strong>ulstoff, dur<strong>ch</strong> Neugierigsein, wer<br />
wohl der andere Mens<strong>ch</strong> ist. In der integralen<br />
Pädagogik begegnen si<strong>ch</strong> zumindest<br />
zwei Wärmewesen, die einander<br />
werden.<br />
Aufmerksamkeit ist die Grundlage einer<br />
Wärmepädagogik. Aufmerksamkeit der<br />
Welt gegenüber, Aufmerksamkeit dem<br />
Mitmens<strong>ch</strong>en gegenüber. Mit der augenblickli<strong>ch</strong>en<br />
Aufmerksamkeit nehmen<br />
wir das Wesenhafte – etwa eines blühenden<br />
Kirs<strong>ch</strong>baumes, eines Sonnenuntergangs,<br />
eines Kindes – wahr. Erst dur<strong>ch</strong><br />
innerste Wesensbegegnung, die eben<br />
nur dur<strong>ch</strong> geistige und seelis<strong>ch</strong>e Wärme<br />
entsteht, kann die Grundlage zu einer integrierenden<br />
Pädagogik gelegt werden.<br />
So einfa<strong>ch</strong> ist es! So s<strong>ch</strong>wer zu erfüllen<br />
ebenfalls!<br />
Wärme gibt es auf vers<strong>ch</strong>iedensten Ebenen.<br />
Natürli<strong>ch</strong> ist die physis<strong>ch</strong>e Wärme<br />
gut feststellbar in den Aggregatzuständen.<br />
Materie wird «vergeistigt», verdünnt,<br />
Der Mythos Prometheus zeigt uns, was es Wärme geben, die voneinander Wärme oder eben wieder zurück ins Feste, in die<br />
bedeutet, dass dem Mens<strong>ch</strong>en das Geistfeuer<br />
ges<strong>ch</strong>enkt wurde. Es ist eben das nennt, so etwas wie Wärme «Liebe dei-<br />
bekommen. Ist es das, was man Liebe Kristallisation, geholt. Hinauf und hinunter.<br />
Die ätheris<strong>ch</strong>e Wärme, viel feiner und<br />
feurige I<strong>ch</strong>, das den Mens<strong>ch</strong>en zum Ebenbild<br />
Gottes ma<strong>ch</strong>t. So kann der Mens<strong>ch</strong> Grundmaxime im Sinne von Eri<strong>ch</strong> Fromm,<br />
nen Nä<strong>ch</strong>sten wie di<strong>ch</strong> selbst», ist die<br />
sensibler, verhilft den Lebensprozessen<br />
si<strong>ch</strong> sogar gegen Gott auflehnen. Es ist<br />
in Pflanzen, Tieren und Mens<strong>ch</strong>en si<strong>ch</strong><br />
die die Kreativität generiert. Ni<strong>ch</strong>t Objektliebe,<br />
sondern Liebe als Fähigkeit wirkt zu vollziehen. Etwa im Mens<strong>ch</strong>en muss<br />
das Fünklein Gottes, das von den Mystikern<br />
im Innerseelis<strong>ch</strong>en des Mens<strong>ch</strong>en gefunden<br />
eben lebenskünstleris<strong>ch</strong> warm. Do<strong>ch</strong> Liebe die ri<strong>ch</strong>tige Wärme am ri<strong>ch</strong>tigen Ort sein.<br />
wurde, etwa au<strong>ch</strong> als «Ni<strong>ch</strong>t i<strong>ch</strong>,<br />
sondern Christus in mir» formuliert, und<br />
von Jean Gebser als das integrale i<strong>ch</strong>-freie<br />
ist dieses Lebensfeuer, das von Mens<strong>ch</strong> zu<br />
Mens<strong>ch</strong> (über)springt: «Coup de foudre»<br />
nennen es die Franzosen.<br />
Ni<strong>ch</strong>t zu kalt, ni<strong>ch</strong>t zu heiss. Steigt die<br />
Hitze irrtümli<strong>ch</strong> in den Kopf, gibt es Fieber;<br />
im Bau<strong>ch</strong> darf es ni<strong>ch</strong>t zu kalt sein.<br />
I<strong>ch</strong> oder Selbst benannt wird. Im Geistesfeuer<br />
der Urpfingstgemeinde verstehen<br />
Das Herz als Wärmezentrale tastet das<br />
die Emotionalität, viellei<strong>ch</strong>t sogar die Wut, Feuer ko<strong>ch</strong>t der Wille jedes Werkes in seiner<br />
Glut.» Au<strong>ch</strong> die Beziehung von Mann stellt er Christus dar, der die luziferis<strong>ch</strong>en<br />
Gestaltengruppe in Holz ges<strong>ch</strong>nitzt. Darin<br />
Wärme ermögli<strong>ch</strong>t Entwicklung<br />
Blut ab und reguliert den Wärmehaushalt.<br />
Die seelis<strong>ch</strong>e Wärme wird ebenfalls<br />
zung in einer Beziehung. Do<strong>ch</strong> die S<strong>ch</strong>üler und Frau wird bis in alle Einzelheiten als und ahrimanis<strong>ch</strong>en Kräfte in S<strong>ch</strong>a<strong>ch</strong> hält.<br />
aber au<strong>ch</strong> die erotis<strong>ch</strong>e und sexuelle Erhit-<br />
si<strong>ch</strong> alle Mens<strong>ch</strong>en, ungea<strong>ch</strong>tet ihrer Wärmeprozesse ermögli<strong>ch</strong>en Entwicklung<br />
bei Pflanzen, Tieren und Mens<strong>ch</strong>en.<br />
Spra<strong>ch</strong>e, Rasse oder Volkszugehörigkeit.<br />
dur<strong>ch</strong> das seelis<strong>ch</strong>e Herz impulsiert. Herz<br />
und S<strong>ch</strong>ülerinnen sollen au<strong>ch</strong> die Wärme Ko<strong>ch</strong>prozess gesehen, denn beide Partner<br />
ko<strong>ch</strong>en si<strong>ch</strong> gegenseitig in ihrer Liebe als Werkzeug, do<strong>ch</strong> müssen wir ständig die<br />
Diese Kräfte brau<strong>ch</strong>en wir Mens<strong>ch</strong>en zwar<br />
Bei Joseph Beuys ist die Wärme das Element<br />
der Kommunikation. Kupfer wird ve-<br />
Der Mens<strong>ch</strong> als ausgespro<strong>ch</strong>ener «Nesthocker»<br />
brau<strong>ch</strong>t diese Nestwärme. Aller-<br />
handwerkli<strong>ch</strong>en Tätigkeit, z.B. im S<strong>ch</strong>mie-<br />
dur<strong>ch</strong>: «Das Gefäss wird im Feuer gear-<br />
Mitte, das Christli<strong>ch</strong>e, finden. Nun zeigt si<strong>ch</strong><br />
und Lunge sind die Träger dieses rhythmis<strong>ch</strong>en<br />
Herzwärme-Austaus<strong>ch</strong>es. Die<br />
in den Muskeln spüren, im Sport, in der<br />
nushafter Leiter von Mens<strong>ch</strong> zu Mens<strong>ch</strong>. dings ni<strong>ch</strong>t zu heiss, aber au<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t zu<br />
den. Sie sollen Hitze und Kälte in der Natur beitet, aber seinen Glanz bekommt dies eben die Analogie dazu, dass die Wärme in<br />
Und nun eine Wärmepädagogik Wenn kalt. - Die Wärme kann in der Erziehung, geistige Wärme entsteht zwis<strong>ch</strong>en Individuen.<br />
Wenn Geister si<strong>ch</strong> wahrnehmen<br />
darin die Mitte der eigenen mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en der Heiligen.<br />
luziferis<strong>ch</strong>er Hitze und ahrimanis<strong>ch</strong>er Kälte<br />
erleben und feststellen können, dass sie Gefäss erst in der Liebe.», heisst es bei der <strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>en Liebe diese Mitte zwis<strong>ch</strong>en<br />
die Wärme tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> in der mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en in zu starken Abhängigkeiten und Symbiosen,<br />
zu heiss werden. Dann haben wir und wahrgeben, dann entsteht das Feuer<br />
Körpertemperatur finden.<br />
bildet. So könnte ein Konzept für eine Päda-<br />
Evolution und in der Anthropologie eine<br />
so ents<strong>ch</strong>eidende Rolle spielt, dann ist sie «verbratene» Fehlentwicklungen zu konstatieren.<br />
Die Entwicklung kann au<strong>ch</strong> kalt me zwar ursprüngli<strong>ch</strong> geistig, sie zeigt si<strong>ch</strong><br />
Feurige Seele<br />
einer Wahlverwandts<strong>ch</strong>aft. So ist die Wär-<br />
Auflösung und Verhärtung<br />
gogik der Wärme skizziert werden.<br />
do<strong>ch</strong> der Ausgangspunkt jegli<strong>ch</strong>er ganzheitli<strong>ch</strong>en<br />
Pädagogik. Denn sie führt dur<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong> Ni<strong>ch</strong>tbea<strong>ch</strong>tung sein. S<strong>ch</strong>reckli<strong>ch</strong>, aber im Seelis<strong>ch</strong>en, Ätheris<strong>ch</strong>en (Biosphä-<br />
So s<strong>ch</strong>reibt Diether Rudloff in seinem phie den persis<strong>ch</strong>en Mythos in der Polari-<br />
erkannt; in einer weiteren Na<strong>ch</strong>t als ein<br />
Rudolf Steiner greift in seiner Anthroposo-<br />
... An einem Morgen beim Aufwa<strong>ch</strong>en<br />
alle Aggregatszustände hinauf und hinun-<br />
sol<strong>ch</strong>e «Erkältungen» als Entwicklungsre)<br />
und Physis<strong>ch</strong>en. Wollen wir nun prak-<br />
Bu<strong>ch</strong> über Romanik: Hildegard von Bin- tät zwis<strong>ch</strong>en Ahura Mazdao und Ahriman Versu<strong>ch</strong> formuliert...<br />
10 11
Christian Breme<br />
Joseph As<strong>ch</strong>wanden<br />
beziehungspädagogik<br />
Eine Erziehung<br />
zur Beziehungsfähigkeit<br />
In den vergangenen Jahren konstatieren Ärzte, Psy<strong>ch</strong>ologen und<br />
Pädagogen übereinstimmend eine markante Zunahme von Situationen,<br />
in denen eine weitgehende Unfähigkeit, soziale Beziehungen<br />
aufzunehmen, vorliegt und auf das Ganze gesehen eine abnehmende<br />
Bereits<strong>ch</strong>aft, länger anhaltende soziale Beziehungen und<br />
Partners<strong>ch</strong>aften einzugehen. In den Medien wird immer wieder die<br />
Frage gestellt: Gehen wir auf eine Single-Gesells<strong>ch</strong>aft zu, in der<br />
jeder seine eigenen Bedürfnisse optimal organisiert und soziale<br />
Verantwortung so weit es geht meidet Als Pädagogen und<br />
Erzieher müssen wir fragen: Wel<strong>ch</strong>en Raum hätten Kinder in einer<br />
sol<strong>ch</strong>en Gesells<strong>ch</strong>aft, Kinder, die das Soziale nur im sozialen Zusammenhang<br />
lernen können und die in ihren frühen Beziehungen<br />
die Basis für spätere, emotional si<strong>ch</strong>ere Partners<strong>ch</strong>aften und<br />
wiederum für die Erziehungsverhältnisse der Zukunft bilden<br />
B<br />
Brau<strong>ch</strong>t es heute eine<br />
Erziehung zur Beziehungsfähigkeit<br />
Wenn<br />
ja, wel<strong>ch</strong>e Leitideen<br />
können in Elternhaus<br />
und S<strong>ch</strong>ule unser Handeln<br />
bestimmen<br />
Die Metamorphose denken lernen<br />
Wird es ein ängstli<strong>ch</strong>er, zurückgezogener<br />
Mens<strong>ch</strong> werden Als Jugendli<strong>ch</strong>e finden<br />
wir sie wieder in der Jugendarbeit. Wenige<br />
Jahre später als Organisatorin von Jugendtreffen<br />
und Sozialeinsätzen in Entwicklungsländern.<br />
Ein Junge sitzt über<br />
lange Zeit beim Freispiel in den hö<strong>ch</strong>sten<br />
Ästen eines Baumes und s<strong>ch</strong>aut hinunter<br />
auf die spielenden Kameraden. Bleibt er<br />
ein Einzelänger In der S<strong>ch</strong>ulzeit ist er<br />
plötzli<strong>ch</strong> der Mittelpunkt eines Freundeskreises,<br />
den er zusammenhält. Im Sozialen<br />
und Berufli<strong>ch</strong>en zeigt er später grosse Liebefähigkeit<br />
und Verantwortung. Wir dürfen<br />
bei der Grundlegung sozialer Fähigkeiten<br />
ni<strong>ch</strong>t (nur) darauf s<strong>ch</strong>auen, ob das<br />
Kind die Spielregeln des Sozialen s<strong>ch</strong>on<br />
beherrs<strong>ch</strong>t, ob es mit anderen glei<strong>ch</strong>bere<strong>ch</strong>tigt<br />
kommuniziert und die Mitte findet<br />
Die Wurzeln der Beziehungsfähigkeit liegen<br />
eindeutig im 1. Jahrsiebt. Sie zu erkennen,<br />
CHRISTIAN BREME Studium der Ar<strong>ch</strong>itektur, Bild-<br />
ist ni<strong>ch</strong>t ganz einfa<strong>ch</strong>. Wollen wir bei<br />
hauerei und Pädagogik, 12 Jahre Klassenlehrer an der<br />
der Grundlegung dieser kostbarsten Fähigkeit<br />
helfen, ihre Entwicklung begleiten,<br />
über plastis<strong>ch</strong> erarbeitete Embryologie***. Seit 3 Jah-<br />
Waldorfs<strong>ch</strong>ule Bonn, seit 1989 Werk- und Kunstlehrer<br />
an der Rudolf Steiner S<strong>ch</strong>ule Basel, Veröffentli<strong>ch</strong>ungen<br />
so müssen wir erstaunli<strong>ch</strong>e Metamorphosen<br />
ren Beratungen von Rudolf Steiner S<strong>ch</strong>ulen im Auftrag<br />
denken lernen: Ein zartes Mäd<strong>ch</strong>en,<br />
der Arbeitsgemeins<strong>ch</strong>aft. Thema: Konzeption und Meren<br />
das ohne Ges<strong>ch</strong>wister aufwä<strong>ch</strong>st, steht<br />
thodik eines Beziehungskundeunterri<strong>ch</strong>ts<br />
JOSEPH ASCHWANDEN ist Oberstufenlehrer an der<br />
im Kindergarten aus Angst vor den groben<br />
Buben immer abseits. Zu Hause aber<br />
senlehrer und ist seit 10 Jahren in den Klassen 9/10<br />
Rudolf Steiner S<strong>ch</strong>ule Solothurn, war 9 Jahre Klas-<br />
spielt es phantasievoll und ausdauernd. zwis<strong>ch</strong>en dem «den eigenen Willen dur<strong>ch</strong>-<br />
als seelis<strong>ch</strong>e Liebefähigkeit und Verant-<br />
tätig. Vorher langjährige Tätigkeit als Heilpädagoge. seelis<strong>ch</strong> im Glei<strong>ch</strong>gewi<strong>ch</strong>t halten. Du sind.» Das ist ein Ideal, das wir heute<br />
12 13<br />
setzen» und dem «zurückstehen, den<br />
anderen zum Zug kommen lassen, ihm<br />
helfen». Die Sa<strong>ch</strong>e ist viel komplizierter<br />
und lässt si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t ho<strong>ch</strong>re<strong>ch</strong>nen. Gäbe<br />
es eine Bots<strong>ch</strong>aft, ein Handbu<strong>ch</strong> für die<br />
Kinder im ersten Jahrsiebt mit dem Titel:<br />
«Wie bekomme i<strong>ch</strong> soziale Fähigkeiten»<br />
– i<strong>ch</strong> denke an ein Bu<strong>ch</strong>, das mit der Geburt<br />
beginnt – so hiesse die erste Lektion:<br />
1. «Versu<strong>ch</strong>e als Erstes deinen Leib zu<br />
ergreifen, in ihm zu wohnen. Versu<strong>ch</strong>e,<br />
di<strong>ch</strong> selbst in einem di<strong>ch</strong> ganz umfassenden<br />
liebevollen «Gesprä<strong>ch</strong>» mit der<br />
Umgebung zu empfinden. Das kannst<br />
du am Besten in der Berührung mit der<br />
Mutter!» Liebe erfährt der Mens<strong>ch</strong> zuerst<br />
über die Haut, dur<strong>ch</strong> den Tastsinn.<br />
Da kann er leibli<strong>ch</strong> eine Verbundenheit<br />
mit der Welt erleben, die später einmal<br />
wortung in Beziehungen zu den Mitmens<strong>ch</strong>en<br />
ers<strong>ch</strong>einen wird.<br />
2. «Versu<strong>ch</strong>e di<strong>ch</strong> in dir wohl zu fühlen<br />
und das in dir auftau<strong>ch</strong>ende Unwohlsein<br />
zu ertragen. Versu<strong>ch</strong>e di<strong>ch</strong> ganz zu<br />
spüren, denn diese Wahrnehmung gibt<br />
dir Heimat im Leib. Das ist ein Gefühl,<br />
das du später als seelis<strong>ch</strong>e Selbständigkeit<br />
wieder finden wirst. Du wirst in dir<br />
ruhen können. Das ist eine Ausgangslage,<br />
ohne die soziale Beziehungen ni<strong>ch</strong>t<br />
in Freiheit begründet werden können.»<br />
Wir dürfen von der Entfaltung und Entwicklung<br />
eines gesunden Lebenssinnes<br />
spre<strong>ch</strong>en.<br />
3. «Versu<strong>ch</strong>e deinen Bewegungssinn<br />
dur<strong>ch</strong> Tanzen und Springen, Klettern<br />
und S<strong>ch</strong>aukeln zu entwickeln. Gelingt<br />
dir das, so wirst du später eine Bewegli<strong>ch</strong>keit<br />
und Ges<strong>ch</strong>meidigkeit in der Gestaltung<br />
von Beziehungen zeigen können,<br />
weil du ein innerli<strong>ch</strong> reger Mens<strong>ch</strong><br />
werden wirst.»<br />
4. «Versu<strong>ch</strong>e einen Glei<strong>ch</strong>gewi<strong>ch</strong>tssinn<br />
zu entwickeln. Balanciere über Mauern<br />
und Baumstämme. Es wird di<strong>ch</strong> später<br />
wirst als ein I<strong>ch</strong> der Meister sein in deinem<br />
Leib und ni<strong>ch</strong>t ein Mens<strong>ch</strong> werden,<br />
der allen auftau<strong>ch</strong>enden Neigungen<br />
und Begierden glei<strong>ch</strong> folgen muss.»<br />
Der Glei<strong>ch</strong>gewi<strong>ch</strong>tssinn stärkt die Souveränität<br />
der Seele gegenüber dem Leib.<br />
Au<strong>ch</strong> das ist eine Grundbedingung des<br />
sozialen Lebens.»<br />
Wie würde für Eltern und Kindergärtnerinnen<br />
dieselbe Bots<strong>ch</strong>aft heissen<br />
«Willst du ein beziehungsfähiges Kind,<br />
so unterstütze es bei den ges<strong>ch</strong>ilderten<br />
Aufgaben. S<strong>ch</strong>enke ihm eine Umgebung,<br />
die ihm S<strong>ch</strong>utz, Hülle und rei<strong>ch</strong>e Sinneserfahrungen<br />
gibt. Du weisst: Dur<strong>ch</strong> die<br />
Na<strong>ch</strong>ahmung verwurzeln si<strong>ch</strong> die Kinder<br />
in der Welt. Gestalte Deine Beziehungen<br />
zum Kind – aber au<strong>ch</strong> zu anderen Erwa<strong>ch</strong>senen<br />
– so, dass sie na<strong>ch</strong>ahmenswert
und <strong>wecken</strong> den selbstbewussten, urteilenden<br />
eigentli<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>on erwa<strong>ch</strong>senen<br />
Mens<strong>ch</strong>en im Kinde. Nun erleben wir zunehmend<br />
in den S<strong>ch</strong>ulen Kinder, die ihre<br />
Lehrer und Erzieher selbstbewusst auf ihre<br />
eigenen Re<strong>ch</strong>te und auf die Grenzen des<br />
anderen hinweisen. Da zeigt si<strong>ch</strong> eins:<br />
Die Losung: «Mein Körper gehört mir!»<br />
ist als Parole der Wehrhaftigkeit von Kindern<br />
verständli<strong>ch</strong>. Sie hat aber eine zweite<br />
Bots<strong>ch</strong>aft, die der Entwicklung ni<strong>ch</strong>t nur<br />
förderli<strong>ch</strong> ist. Eine in ständiger Selbstbezogenheit<br />
lebende Gebärde kann die Folge<br />
sein: «Mir muss wohl sein. I<strong>ch</strong> bestimme<br />
selbst.» Wie könnte man den Du-Pol, die<br />
soziale Gebärde als notwendiges Gegengewi<strong>ch</strong>t<br />
einbeziehen Wie s<strong>ch</strong>ult man neben<br />
der Wehrhaftigkeit die Beziehungsfähigkeit<br />
im Kindesalter Dazu sollte dieser<br />
Artikel Denkanstösse geben.<br />
Bildhafte Psy<strong>ch</strong>ologie und Moral<br />
dies in Vorstellungen und Gesprä<strong>ch</strong>en einen<br />
grossen Raum einnehmen kann. Obwohl<br />
die Ges<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>tsreife vorliegt, können<br />
Beziehungen aus einer seelis<strong>ch</strong>en Verantwortung<br />
für si<strong>ch</strong> selbst und den anderen<br />
no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t gestaltet werden.<br />
Das Wi<strong>ch</strong>tigste ges<strong>ch</strong>ieht im Stillen, in der<br />
Stimmung der Sehnsu<strong>ch</strong>t na<strong>ch</strong> der Begegnung<br />
mit dem Du. Sehnsu<strong>ch</strong>t ist das Milieu<br />
der seelis<strong>ch</strong>en Reifung.<br />
Ein bemerkenswerter Vorgang<br />
In früheren Ausgaben des S<strong>ch</strong>ulkreises<br />
wurde ein Vorgang ges<strong>ch</strong>ildert, der vor<br />
dem Hintergrund des oben ges<strong>ch</strong>ilderten<br />
Dilemmas bemerkenswert ist: Die Rudolf<br />
Steiner S<strong>ch</strong>ulen in der S<strong>ch</strong>weiz haben<br />
Gestalte Deine Beziehungen<br />
zum Kind – aber au<strong>ch</strong> zu anderen<br />
Erwa<strong>ch</strong>senen – so, dass sie<br />
na<strong>ch</strong>ahmenswert sind.<br />
persönli<strong>ch</strong>es Wa<strong>ch</strong>stum und individuelle<br />
Bewusstheit nur in der I<strong>ch</strong>-Du-Beziehung.<br />
Diese I<strong>ch</strong>-Du-Beziehung hat zwis<strong>ch</strong>en<br />
einem Kleinkind und seiner Mutter oder<br />
zwis<strong>ch</strong>en einer Lehrkraft und einer Zehntklässlerin<br />
eine ganze andere Bes<strong>ch</strong>affenheit.<br />
Sagt das Kleinkind no<strong>ch</strong> unausgespro<strong>ch</strong>en:<br />
«I<strong>ch</strong> brau<strong>ch</strong>e deine Führung!»,<br />
hat die Zwölftklässlerin den Wuns<strong>ch</strong>, si<strong>ch</strong><br />
selber zu führen.<br />
Dazwis<strong>ch</strong>en liegen viele Wandlungen in<br />
der Qualität der Beziehung. Gelingt es<br />
uns als Eltern oder Unterri<strong>ch</strong>tende hier<br />
ein adäquates Verhältnis zu finden und<br />
die notwendigen Wandlungen au<strong>ch</strong> wirkli<strong>ch</strong><br />
innerli<strong>ch</strong> zu vollziehen, ist ein Boden<br />
für die Entwicklung des Heranwa<strong>ch</strong>sen-<br />
Der Radius der kindli<strong>ch</strong>en Erfahrungswelt<br />
wird grösser. Dur<strong>ch</strong> die Eins<strong>ch</strong>ulung treten<br />
s<strong>ch</strong>lagartig viele soziale Beziehungen<br />
aber au<strong>ch</strong> viele we<strong>ch</strong>selnde Begegnungen<br />
kaum erfüllen können. Aber die Ri<strong>ch</strong>tung<br />
zu wissen ist wi<strong>ch</strong>tig.<br />
hungsfähigkeit und s<strong>ch</strong>aut dabei dankbar<br />
auf diese Erlebnisse in der S<strong>ch</strong>eune<br />
sen mö<strong>ch</strong>te, auf Gefahren aufmerksam<br />
ma<strong>ch</strong>en und seine innere Wehrhaftigkeit<br />
auf den S<strong>ch</strong>ulwegen und S<strong>ch</strong>ulhöfen hinzu.<br />
Der Klassenverband ist eine weitere<br />
vor drei Jahren in ihrer Arbeitsgemeins<strong>ch</strong>aft<br />
bes<strong>ch</strong>lossen, die Fragen einer Beziehungskunde<br />
den ges<strong>ch</strong>affen. Weil das Ganze ein dialogis<strong>ch</strong>er<br />
Prozess ist, also beide Seiten<br />
Ertragen des Mangels<br />
(Aufklärung und Prävenden<br />
zurück. Es ist Jaques Luceyran.*<br />
Wir müssen hier auf eine allgemeine, sehr<br />
zu stärken versu<strong>ch</strong>en.<br />
Wie s<strong>ch</strong>ult man das Selbstvertrauen, den<br />
Hülle, die dur<strong>ch</strong> Eltern und Erzieher no<strong>ch</strong><br />
übers<strong>ch</strong>aut und ges<strong>ch</strong>ützt werden kann. tion) glei<strong>ch</strong>zeitig anzugehen und si<strong>ch</strong> bei<br />
in Entwicklung begriffen sein müssen,<br />
bedeutet es alltägli<strong>ch</strong>e und meist s<strong>ch</strong>were<br />
Ganz ents<strong>ch</strong>eidend sind in unserem Zusammenhang<br />
zwei Fähigkeiten, die gelernt<br />
werden müssen: das Ertragen des<br />
Mangels und das Kultivieren des Genusses.<br />
Es müssen Zeiten der S<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>theit<br />
und der Entbehrung da sein, um den<br />
Rei<strong>ch</strong>tum der Feste erleben und geniessen<br />
zu können. Beide Erlebnisse zusammen<br />
geben erst ein Wahrbild des späteren<br />
Lebens in Beziehungen. Das S<strong>ch</strong>limmste,<br />
eine Sorge, die im Zusammenhang mit der<br />
Erkenntnis der Häufigkeit und der fatalen<br />
Folgen des Missbrau<strong>ch</strong>s an Kindern rapide<br />
gewa<strong>ch</strong>sen ist. Die von Politikern beauftragten<br />
Expertenkomissionen** fordern in<br />
diesen Tagen den obligatoris<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>ritt<br />
der Gewaltprävention und der Sexualaufklärung<br />
von der S<strong>ch</strong>ule in den Kindergarten.<br />
Das Motiv ist verständli<strong>ch</strong>. Do<strong>ch</strong> wo<br />
bere<strong>ch</strong>tigte Sorge zu spre<strong>ch</strong>en kommen,<br />
glei<strong>ch</strong> die Sensibilität für die Gefahr Wie<br />
stärkt man die Hilfsbereits<strong>ch</strong>aft, die Offenheit<br />
dem anderen gegenüber und im selben<br />
Moment den bere<strong>ch</strong>tigten Argwohn<br />
und die Kraft für die Verweigerung, für<br />
das «Nein-Sagen Wir stecken in einem<br />
Dilemma: träumen lassen und Gefahren<br />
in Kauf nehmen oder auf<strong>wecken</strong> und ein<br />
(weiteres) Stück Kindheit verlieren<br />
Mut, in die Welt hinauszugehen und zu-<br />
einem starken Rückhalt, den sie dur<strong>ch</strong> die<br />
Langzeitbeziehung mit dieser Gruppe der<br />
Klassenkameraden und -kameradinnen<br />
bekommen haben.<br />
Es ist die Zeit des seelis<strong>ch</strong>en Erwa<strong>ch</strong>ens.<br />
An den Erzählungen der Mär<strong>ch</strong>en, der Legenden<br />
und Sagen bilden und verfeinern<br />
si<strong>ch</strong> die Begriffe für das Mens<strong>ch</strong>sein, für<br />
das Mann- und Frausein, für das, was wir<br />
Ehemalige Steiners<strong>ch</strong>üler beri<strong>ch</strong>ten von<br />
zepten zu helfen.<br />
Die Leitfrage wurde ni<strong>ch</strong>t: Wie klären wir<br />
auf, wie entsteht ein na<strong>ch</strong>haltiger S<strong>ch</strong>utz<br />
gegenüber den Gefahren der genannten<br />
Gebiete Sondern: Wie fördern wir die Beziehungsfähigkeit<br />
der heranwa<strong>ch</strong>senden<br />
Generation Wie integrieren wir in eine<br />
als Entwicklungsbegleitung zu bes<strong>ch</strong>reibende<br />
Aufgabe sol<strong>ch</strong>e Veranstaltungen,<br />
der Erarbeitung von jeweils eigenen Kon-<br />
Arbeit.<br />
Diese Arbeit als Unterri<strong>ch</strong>tender auf si<strong>ch</strong><br />
zu nehmen, ist heute eine der wi<strong>ch</strong>tigsten<br />
Grundvoraussetzungen, um pädagogis<strong>ch</strong><br />
erfolgrei<strong>ch</strong> tätig sein zu können, und dies<br />
erst re<strong>ch</strong>t, wenn wir uns in das Feld der<br />
Beziehungspädagogik wagen.<br />
In diesem Feld versu<strong>ch</strong>en wir als Lehrkräfte<br />
Beziehungsinhalte darzustellen,<br />
zu moderieren, Erlebnisse zu vermitteln,<br />
was wir in dieser Ri<strong>ch</strong>tung tun können, dies ni<strong>ch</strong>t mit der grössten Sorgfalt ges<strong>ch</strong>ieht,<br />
können verheerende Begleits<strong>ch</strong>ä-<br />
Eitelkeit, Zuwendung, Abneigung nennen. nis<strong>ch</strong>en Fa<strong>ch</strong>leuten auf die Gefahren der danken anzuregen.<br />
Liebe, Treue, Geduld, Verzi<strong>ch</strong>t, Eigensu<strong>ch</strong>t, bei denen von Biologen oder medizi-<br />
diesbezügli<strong>ch</strong>e Fragen zu <strong>wecken</strong> und Ge-<br />
Wehrhaftigkeit und Du-Pol<br />
ist die sofortige Befriedigung aller auftau<strong>ch</strong>enden<br />
Bedürfnisse des Kindes. Es<br />
bildet Gewohnheiten und lebensfremde<br />
Erwartungen, in denen ein S<strong>ch</strong>eitern von<br />
sozialen Beziehungen programmiert ist.<br />
den entstehen, die man no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t ganz<br />
im Auge hat. Wie wollen wir die Problematik<br />
anfassen Können die Rudolf Steiner<br />
S<strong>ch</strong>ulen si<strong>ch</strong> mit ihren Kompetenzen der<br />
Alle mir bekannten und den S<strong>ch</strong>ulen<br />
angebotenen Präventionsmassnahmen<br />
zielen auf ein immer früheres Erwa<strong>ch</strong>en<br />
des Selbstbewusstseins. Sie <strong>wecken</strong> die<br />
Es entwickeln si<strong>ch</strong> daran Gefühlsurteile, ja<br />
fast ästhetis<strong>ch</strong>e Urteile. Dem einen strahlt<br />
Anerkennung entgegen: So mö<strong>ch</strong>te i<strong>ch</strong><br />
au<strong>ch</strong> werden, das andere wird mit Widerwillen<br />
ges<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> übertragbaren Krankheiten<br />
hingewiesen wird und über Verhütung<br />
und Familienplanung gespro<strong>ch</strong>en werden<br />
kann In diesem Zusammenhang haben<br />
Doktorspiele<br />
abgelehnt. Eine bildhafte Psy-<br />
immer wieder Beratungen stattgefunden<br />
gesteigerten Entwicklungswahrnehmung Kinder für Konflikte und Gefahren, die in<br />
als Stimme in diesen gesells<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Mens<strong>ch</strong>enbegegnungen liegen können.<br />
<strong>ch</strong>ologie entwickelt si<strong>ch</strong>. Zuglei<strong>ch</strong> eine und Strukturen der gegenseitigen Hilfe<br />
I<strong>ch</strong> mö<strong>ch</strong>te ein drittes Kind erwähnen. Ein<br />
Junge, der immer mitten in einer S<strong>ch</strong>ar<br />
von Kindern zu finden war, beteiligte si<strong>ch</strong><br />
Wer jüngere Kinder vor Gefahren und<br />
Übergriffen in ihrer näheren oder weiteren<br />
Vorgang einbringen<br />
spieleris<strong>ch</strong> den Ernstfall, das Verhüten<br />
beim Ges<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>tsverkehr, das Verhalten<br />
Man<strong>ch</strong>e trainieren s<strong>ch</strong>on mit 2. Klassen<br />
Es folgt mit der Pubertät die Zeit der Visionsbildung,<br />
des ersten, ahnungshaften<br />
Moralität.<br />
haben si<strong>ch</strong> gebildet. Bros<strong>ch</strong>üren sind ers<strong>ch</strong>ienen,<br />
wel<strong>ch</strong>e methodis<strong>ch</strong>e Hinweise<br />
und des Austaus<strong>ch</strong>es über Erfahrungen<br />
Umgebung bewahren will, wird mit bei und na<strong>ch</strong> einem Übergriff. Sie wissen,<br />
biografis<strong>ch</strong>en Entwurfes. Dies alles sind zu vers<strong>ch</strong>iedensten Unterri<strong>ch</strong>ten in allen * Jacques Lusseyran: Bekenntnis einer Liebe, Verlag<br />
interessiert an den Doktorspielen in der<br />
Freies Geistesleben<br />
S<strong>ch</strong>eune. Die Erwa<strong>ch</strong>senen ma<strong>ch</strong>ten si<strong>ch</strong> der s<strong>ch</strong>ützenden Gebärde allein ni<strong>ch</strong>t auskommen.<br />
Er wird in dem Masse, in dem Kindes ist das Einfallstor des Übergriffs.<br />
der Beziehung. In zarten Begegnungen<br />
der Eidgenössis<strong>ch</strong>en Kommission für Kinder- und<br />
die offene, allem hingegebene Seele des<br />
die seelis<strong>ch</strong>e Grundlagen für eine Kultur Altersstufen dokumentieren.<br />
** Veröffentli<strong>ch</strong>ung des Untersu<strong>ch</strong>ungsberi<strong>ch</strong>tes<br />
wie immer Sorgen: Kommen die Kinder auf<br />
Abwege, nehmen sie ni<strong>ch</strong>t S<strong>ch</strong>aden Der er das Kind frei lassen mö<strong>ch</strong>te, in dem<br />
Vom I<strong>ch</strong> zum Du<br />
Die Präventionsmassnahmen lösen diese<br />
mit dem anderen Ges<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>t finden diese<br />
Jugendfragen EKKJ am 16.10.2009; siehe: ekkj.<br />
Empfindungen ein erstes tastendes Üb-<br />
Beziehung beruht von Anfang an auf Ge-<br />
admin.<strong>ch</strong><br />
besagte Junge wird später Autor ergreifender<br />
Bü<strong>ch</strong>er. Er bes<strong>ch</strong>reibt mit grösster sen mö<strong>ch</strong>te, in dem er es in einen nä<strong>ch</strong>-<br />
grenzenlose <strong>Vertrauen</strong> und die Loyalität<br />
feld. Das Ausleben von ges<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>en genseitigkeit, sie hat dialogis<strong>ch</strong>en Chakunde,<br />
AAP-Verlag Plastis<strong>ch</strong> erarbeitete Embryolo-<br />
er es grössere Wege allein gehen las-<br />
an si<strong>ch</strong> gesunde kindli<strong>ch</strong>e Kondition, das<br />
*** Christian Breme: Mens<strong>ch</strong>enbild und Lebens-<br />
Sensibilität die Entwicklung seiner Beziesten<br />
S<strong>ch</strong>ritt in die Selbständigkeit entlas-<br />
mit den Erwa<strong>ch</strong>senen, ein Stück weit auf<br />
Beziehungen ist ni<strong>ch</strong>t an der Zeit, obwohl rakter. Na<strong>ch</strong> Martin Buber gestalten si<strong>ch</strong> gie, AAP-Verlag<br />
14 15
BETTINA MEHRTENS<br />
10 Jahre «Koordinationsstelle Elementarpädagogik»<br />
Erziehung als<br />
Selbstfindung<br />
A<br />
Die ersten Lebensjahre<br />
spielen für die<br />
Entwicklung des Kindes<br />
eine ents<strong>ch</strong>eidende<br />
Rolle. In der<br />
Rudolf Steiner-Pädagogik<br />
wurde deshalb immer die bedeutende<br />
Rolle eines behütenden Elternhauses<br />
und die Aufgabe der Mutter unterstri<strong>ch</strong>en,<br />
dem Kind S<strong>ch</strong>utz und Wärme,<br />
Geborgenheit und Liebe zu geben, damit<br />
es si<strong>ch</strong> gesund entfalten kann. Bis vor<br />
etwa 20 Jahren war das au<strong>ch</strong> in weiten<br />
Kreisen Selbstverständli<strong>ch</strong>keit. Die Frage<br />
na<strong>ch</strong> familienergänzenden Einri<strong>ch</strong>tungen<br />
wie Kinderkrippen, Halb- und Ganztagesbetreuung<br />
war deshalb ein wenig diskutiertes<br />
Thema.<br />
Diese Einstellung hat si<strong>ch</strong> in den letzten<br />
Jahren tief greifend gewandelt. Die Realität<br />
sieht häufig anders aus. Vers<strong>ch</strong>iedene<br />
Entwicklungen der Gegenwart sind Grund<br />
dafür: Tragende Familienstrukturen lösen<br />
si<strong>ch</strong> auf. Zahlrei<strong>ch</strong>e Eltern in der S<strong>ch</strong>weiz<br />
sind mit ihren Kindern allein erziehend.<br />
Die Frau hat si<strong>ch</strong> in den vergangenen<br />
Jahrzehnten in allen Lebensberei<strong>ch</strong>en<br />
emanzipiert und weitgehend von dem<br />
während Jahrzehnten vorherrs<strong>ch</strong>enden<br />
Bild der «Mutter am Herd» verabs<strong>ch</strong>iedet.<br />
Frauen dur<strong>ch</strong>laufen heute eine berufli<strong>ch</strong>e<br />
Ausbildung, ma<strong>ch</strong>en Karriere, lieben ihre<br />
Familienstrukturen lösen si<strong>ch</strong> auf. Zahlrei<strong>ch</strong>e Eltern sind allein erziehend.<br />
Die Frau hat si<strong>ch</strong> in den vergangenen Jahrzehnten in allen Lebensberei<strong>ch</strong>en<br />
emanzipiert und weitgehend von dem Bild der «Mutter am Herd» verabs<strong>ch</strong>iedet.<br />
So wie die Familie früher von einem sozialen Netz getragen wurde,<br />
bedarf es au<strong>ch</strong> heute zusätzli<strong>ch</strong>er Personen, die si<strong>ch</strong> an der Erziehung der<br />
Kinder beteiligen. Die «Koordinationsstelle Elementarpädagogik» nahm si<strong>ch</strong><br />
der Aufgabe an, den Kleinkind- und Vors<strong>ch</strong>ulberei<strong>ch</strong> neu zu impulsieren.<br />
Arbeit, benötigen Geld für den Lebensunterhalt<br />
und wollen ni<strong>ch</strong>t mehr auf den<br />
gewüns<strong>ch</strong>ten Lebensstandard verzi<strong>ch</strong>ten.<br />
Im Dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>nitt ist die erstgebärende<br />
Frau in der S<strong>ch</strong>weiz heute 28 Jahre alt.<br />
Au<strong>ch</strong> wenn Männer bereit sind, si<strong>ch</strong> an<br />
der Familienarbeit zu beteiligen, sind es<br />
realistis<strong>ch</strong> nur etwa 5 Prozent! Normalerweise<br />
verbringt der Mann tägli<strong>ch</strong> im<br />
Dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>nitt etwa 20 Minuten mit seinen<br />
Kindern. Der Leistungsdruck in der<br />
Arbeitswelt ist so gewa<strong>ch</strong>sen, dass Väter<br />
si<strong>ch</strong> kaum erlauben können, für die Erziehungsarbeit<br />
Zeit einzusetzen. Oft sind<br />
wegen des wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Drucks heute<br />
beide Elternteile gezwungen, berufstätig<br />
zu sein. Wegen häufig fehlender guter und<br />
finanzierbarer Betreuungsmögli<strong>ch</strong>keiten<br />
verzi<strong>ch</strong>ten aber au<strong>ch</strong> viele Familien in der<br />
S<strong>ch</strong>weiz auf Na<strong>ch</strong>wu<strong>ch</strong>s. Die S<strong>ch</strong>weizer<br />
Familie hat im Dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>nitt 1-2 Kinder.<br />
Aus diesen Gründen zeigte si<strong>ch</strong> dringender<br />
Handlungsbedarf, die Ein-Kind-<br />
Familien, allein erziehenden Mütter und<br />
Väter vom Druck zu befreien, alleine für<br />
die Erziehungsarbeit aufkommen zu müssen.<br />
So wie die Familie früher von einem<br />
sozialen Netz getragen wurde, bedarf es<br />
au<strong>ch</strong> heute zusätzli<strong>ch</strong>er Personen, die si<strong>ch</strong><br />
an der Erziehung der Kinder beteiligen.<br />
Es ist wi<strong>ch</strong>tig, dass in den Alltag von<br />
Kindern andere Erwa<strong>ch</strong>sene und Kinder<br />
integriert werden, mit denen tiefe Beziehungen<br />
eingegangen und aufgebaut<br />
werden können. Kleinkinder brau<strong>ch</strong>en<br />
viel Zuwendung, Geborgenheit, Si<strong>ch</strong>erheit,<br />
Interaktion und Kommunikation als<br />
Grundlage für eine gesunde Entwicklung.<br />
Si<strong>ch</strong>ere Bindungsbeziehungen eines Kindes<br />
in den ersten Lebensjahren stellen<br />
die Grundlage für eine spätere positive<br />
Entwicklung dar. Insofern bringt es das<br />
afrikanis<strong>ch</strong>e Spri<strong>ch</strong>wort auf den Punkt:<br />
«Um ein Kind zu erziehen, brau<strong>ch</strong>t es ein<br />
ganzes Dorf.»<br />
Diesen neuen Herausforderungen galt es<br />
si<strong>ch</strong> im Kleinkind- und Vors<strong>ch</strong>ulberei<strong>ch</strong><br />
der Rudolf Steiner-Pädagogik zu stellen<br />
und eine den Entwicklungsbedürfnissen<br />
des Kindes entspre<strong>ch</strong>ende weiterführende<br />
Antwort zu geben. Denn ihre Aufgabe<br />
und Verantwortung im 21. Jahrhundert<br />
lagen ni<strong>ch</strong>t mehr nur in der Pflege des<br />
«eigenen Gärt<strong>ch</strong>ens»: Sie musste die umliegende<br />
pädagogis<strong>ch</strong>e und bildungspolitis<strong>ch</strong>e<br />
Lands<strong>ch</strong>aft mitgestalten, damit si<strong>ch</strong><br />
die anvertrauten Kinder weiterhin gesund<br />
entwickeln können.<br />
BETTINA MEHRTENS ist Kindergärtnerin an der<br />
Rudolf Steiner S<strong>ch</strong>ule Sihlau, Adliswil. Leitung der<br />
Koordinationsstelle Elementarpädagogik der Rudolf<br />
Steiner S<strong>ch</strong>ulen in der S<strong>ch</strong>weiz. Leitung der<br />
Ausbildung zur Spielgruppenleiterin an der Akademie<br />
für Anthroposophis<strong>ch</strong>e Pädagogik (AfaP): Elternbildungskurse<br />
an vers<strong>ch</strong>iedensten Orten in der<br />
S<strong>ch</strong>weiz.<br />
Aktivitäten<br />
Die Koordinationsstelle Elementarpädagogik<br />
nahm si<strong>ch</strong> also der Aufgabe an, den<br />
Kleinkind- und Vors<strong>ch</strong>ulberei<strong>ch</strong> neu zu impulsieren<br />
und Entwicklungsaufgaben anzugehen.<br />
Die Aufgaben zielten in den vergangenen<br />
10 Jahren in zwei Ri<strong>ch</strong>tungen:<br />
Einerseits na<strong>ch</strong> aussen: Hier ging es um<br />
die Wahrnehmung, Dur<strong>ch</strong>dringung und<br />
Aufbereitung der laufenden bildungspolitis<strong>ch</strong>en<br />
Reformprozesse in den vers<strong>ch</strong>iedenen<br />
Kantonen sowie um Engagement<br />
für eine gesunde kindli<strong>ch</strong>e Entwicklung<br />
in breiter Öffentli<strong>ch</strong>keit und die Zusammenarbeit<br />
mit den entspre<strong>ch</strong>enden fa<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en<br />
und staatli<strong>ch</strong>en Organen. Andererseits<br />
na<strong>ch</strong> innen: Es war notwendig,<br />
die Qualitätsentwicklung bestehender<br />
Einri<strong>ch</strong>tungen zu unterstützen und neue<br />
pädagogis<strong>ch</strong>e Konzepte und Betreuungsinitiativen<br />
im Kleinkind- und Vors<strong>ch</strong>ulberei<strong>ch</strong><br />
aufzubauen und zu fördern.<br />
Au<strong>ch</strong> die Zusammenarbeit mit der S<strong>ch</strong>ulbewegung<br />
mittels intensiverem Informations-<br />
und Erfahrungsaustaus<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong> Zusammen-<br />
und Mitarbeit in dafür wi<strong>ch</strong>tigen<br />
Gremien musste verstärkt werden und regionale<br />
sowie überregionale bildungspolitis<strong>ch</strong>e<br />
Bestrebungen im Kleinkind- und<br />
Vors<strong>ch</strong>ulberei<strong>ch</strong> mussten wahrgenommen<br />
und koordiniert werden. Dafür wurde innerhalb<br />
der Koordinationsstelle Elementarpädagogik<br />
mit der Kommission für<br />
Kleinkind- und Vors<strong>ch</strong>ulerziehung ein Organ<br />
ges<strong>ch</strong>affen, um bisherige Strukturen<br />
zu hinterfragen, zu überdenken und gegebenenfalls<br />
Veränderungen einzuleiten.<br />
Entwicklung des Konzepts<br />
Mit dem Aufbru<strong>ch</strong> ins 21. Jahrhundert<br />
vollzieht si<strong>ch</strong>, wie oben s<strong>ch</strong>on erwähnt, in<br />
Folge der Erkenntnisse aus Neurowissens<strong>ch</strong>aften,<br />
der Bildungsfors<strong>ch</strong>ung und entwicklungspsy<strong>ch</strong>ologis<strong>ch</strong>er<br />
Fors<strong>ch</strong>ungen<br />
ein Paradigmenwe<strong>ch</strong>sel. Pädagogis<strong>ch</strong>e<br />
Handlungskonzepte werden überda<strong>ch</strong>t,<br />
da realisiert wird, dass Kinder keine Belehrungspädagogik<br />
brau<strong>ch</strong>en. Kinder bringen<br />
mit dem ersten Atemzug den Willen mit,<br />
si<strong>ch</strong> selber zu bilden. Sie sind motivierte<br />
Lernende, hellwa<strong>ch</strong>, selbstbewusst, wissend<br />
und haben einen ungeheuren Gestaltungs-<br />
und Lernwillen. Sie wollen die<br />
Erde, die Gesells<strong>ch</strong>aft, kennen lernen, sie<br />
bewegen und verändern. Bildung beginnt<br />
mit der Geburt. Diese Einsi<strong>ch</strong>t fragt na<strong>ch</strong><br />
pädagogis<strong>ch</strong>en Konzepten, die si<strong>ch</strong> an<br />
den Bedürfnissen des Kindes als Grundlage<br />
gesunder Bildungsprozesse ri<strong>ch</strong>ten.<br />
In den Rudolf Steiner-S<strong>ch</strong>ulen in der<br />
S<strong>ch</strong>weiz wurde aufgrund dieser Erkenntnisse<br />
der s<strong>ch</strong>ulis<strong>ch</strong>e Entwicklungsraum<br />
mit der so genannten «Elementarstufe»<br />
neu definiert.<br />
Pädagogis<strong>ch</strong>e Leitgedanken<br />
Grundlage jeder verantwortli<strong>ch</strong>en Erziehungstätigkeit<br />
ist die Anerkennung des<br />
Kindes als geistige Individualität mit eigenen<br />
biographis<strong>ch</strong>en Motiven. Die Kindheit<br />
verläuft na<strong>ch</strong> eigenen Entwicklungsgesetzen,<br />
die vor fremdbestimmenden Eingriffen<br />
zu s<strong>ch</strong>ützen ist. Die Ausnutzung des<br />
Kindes als Konsument und Wirts<strong>ch</strong>aftsfaktor,<br />
die verfrühte Einübung Gesells<strong>ch</strong>aft<br />
etablierender Leistungsgesinnung, der<br />
Eingriff wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>er Institutionen in<br />
das Erziehungswesen missa<strong>ch</strong>ten das Kind<br />
als si<strong>ch</strong> frei entwickelnde Individualität.<br />
Erziehung soll zur Selbstfindung des Mens<strong>ch</strong>en<br />
verhelfen, indem sie die Mögli<strong>ch</strong>keit<br />
eines kindgemässen Selbsterfahrungsprozesses<br />
s<strong>ch</strong>afft. Dazu gehört im Sinne<br />
der Salutogenese die Erfahrung von Geborgenheit,<br />
Pflege, Rhythmus, Kontinuität,<br />
sowie ein sinnesgesättigtes Erleben<br />
und Ers<strong>ch</strong>liessen neuer Lebensfelder, liebevolle<br />
Konsequenz und Grenzsetzung,<br />
aber au<strong>ch</strong> besonders zur Na<strong>ch</strong>ahmung<br />
anregendes Handeln und Verhalten seitens<br />
des Erziehenden. Dur<strong>ch</strong> die komplexen<br />
biographis<strong>ch</strong>en und berufli<strong>ch</strong>en<br />
16 17
Lebensumstände<br />
der Eltern, sind die<br />
Bedingungen einer<br />
kindgere<strong>ch</strong>ten<br />
Erziehung und Lebensgestaltung<br />
zunehmend gefährdet.<br />
Deshalb<br />
bedarf es familienergänzender<br />
Einri<strong>ch</strong>tungen, die<br />
dem Kind einen<br />
Entwicklungsfreiraum<br />
eröffnen, in<br />
dem es Geborgenheit<br />
und S<strong>ch</strong>utz erfahren<br />
kann. Um<br />
familienähnli<strong>ch</strong>e Strukturen sowie Kontinuität<br />
in den Lebensverhältnissen des<br />
Kindes zu gewährleisten, brau<strong>ch</strong>t es Erziehende,<br />
die den Entwicklungszeitraum von<br />
3-7 Jahren, bzw. von 1-7 Jahren begleiten<br />
können. Dur<strong>ch</strong> eine ganzheitli<strong>ch</strong>e Betreuungssituation,<br />
die Lernen und Betreuung<br />
ni<strong>ch</strong>t frühzeitig trennt, kann das Kind in<br />
einer Atmosphäre des <strong>Vertrauen</strong>s und der<br />
Mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>keit heranreifen. Dabei werden<br />
elementarpädagogis<strong>ch</strong>e Fähigkeiten<br />
(Bewegungs- und Sinnesentwicklung,<br />
soziale Fähigkeiten u.a.) erworben, die<br />
dur<strong>ch</strong> ihren gesundheitsfördernden und<br />
Persönli<strong>ch</strong>keit integrierenden Charakter<br />
gute Voraussetzungen und Grundlagen<br />
für den Beginn des s<strong>ch</strong>ulis<strong>ch</strong>en Bildungsweges<br />
s<strong>ch</strong>affen. S<strong>ch</strong>wierigkeiten, die mit<br />
gegenwärtig zahlrei<strong>ch</strong>en Rückstellungen<br />
verbunden sind, sowie die si<strong>ch</strong> bereits abzei<strong>ch</strong>nenden<br />
Gefahren einer verfrühten<br />
Bes<strong>ch</strong>ulung in den Basisstufen, können<br />
vermieden werden. Um dieser Situation<br />
und Notwendigkeit gere<strong>ch</strong>t zu werden,<br />
wurden in den vergangenen 10 Jahren<br />
familienergänzende Ausbildungen und<br />
Einri<strong>ch</strong>tungen für Kleinkinder ges<strong>ch</strong>affen.<br />
Sie wollen den Müttern und Vätern helfen,<br />
die oben erwähnten Beziehungen zu<br />
ihren Kindern zu ermögli<strong>ch</strong>en, aufzubauen<br />
und zu entwickeln. Als erster S<strong>ch</strong>ritt<br />
konnte die Ausbildung zur «ErziehungsbegleiterIn<br />
frühe Kindheit» vom freien pädagogis<strong>ch</strong>en<br />
Arbeitskreis (FPA) in Züri<strong>ch</strong><br />
aufgebaut werden. Sie bietet die Mögli<strong>ch</strong>keit,<br />
Eltern auf ihre Erziehungsarbeit<br />
vorzubereiten. Weiterbildungsmodule<br />
zur Leitung von Eltern-Kind-Gruppen sowie<br />
für Tagesfamilien werden seit Jahren<br />
an der Akademie für anthroposophis<strong>ch</strong>e<br />
Pädagogik (AfaP) angeboten (www.paedagogik-akademie.<strong>ch</strong>).<br />
Die Ausbildung zur<br />
Spielgruppenleiterin an der AfaP ist eine<br />
kompakte Ausbildung (1 Jahr). Sie wird<br />
entweder von Frauen wahrgenommen, die<br />
s<strong>ch</strong>on päd-agogis<strong>ch</strong>e Praxiserfahrung mitbringen<br />
und ihre Arbeit mit den Ansätzen<br />
der Rudolf Steiner-Pädagogik vertiefen<br />
wollen, oder von Müttern, die ihre Erziehungsarbeit<br />
bewusster gestalten wollen.<br />
Es gibt Eltern-Kind-Gruppen für Kinder ab<br />
etwa halbjährig bis zum Spielgruppenalter<br />
(3 Jahre). In diesen Gruppen haben Väter<br />
und Mütter die Mögli<strong>ch</strong>keit zu gemeinsamem<br />
Austaus<strong>ch</strong> und Tun mit anderen<br />
Eltern und einer Erzieherin und um Anregung<br />
für das Spiel der Kinder und den<br />
Erziehungsalltag zu erhalten, während die<br />
Kinder von der Erzieherin im Spiel begleitet<br />
und betreut werden. In den inzwis<strong>ch</strong>en<br />
zahlrei<strong>ch</strong> existierenden Spielgruppen wird<br />
Kindern im Alter zwis<strong>ch</strong>en 2,5 und 4,5<br />
Jahren die Mögli<strong>ch</strong>keit gegeben, ein-,<br />
zwei- oder dreimal pro Wo<strong>ch</strong>e für etwa<br />
drei Stunden in kleinen Gruppen von etwa<br />
8-10 Kindern ihre ersten sozialen ausserfamiliären<br />
Kontakte zu knüpfen.<br />
Um die Öffentli<strong>ch</strong>keit über die neuen Entwicklungen<br />
und Konzepte zu informieren,<br />
entstanden s<strong>ch</strong>riftli<strong>ch</strong>e Konzepte über die<br />
Elementarstufe, wel<strong>ch</strong>e an Informationsabenden<br />
für neue, interessierte Eltern abgegeben<br />
werden können. Diese finden si<strong>ch</strong><br />
Vorurteilen geprägte Welt. Dabei haben den Mut zum Auftritt vor Publikum mitgebra<strong>ch</strong>t.«<br />
von heute auf morgen ohne Arbeit da.<br />
aktuell auf den Websites vers<strong>ch</strong>iedener<br />
Steiner S<strong>ch</strong>ule und Boulevardjournalismus<br />
Ras<strong>ch</strong> bekam i<strong>ch</strong> jedo<strong>ch</strong> bei der Pendler-<br />
S<strong>ch</strong>ulen zum Ausdruck bereit (zum Beispiel:<br />
viel mehr gemeinsam, als man meint. Na<strong>ch</strong> der neunten Klasse verliess i<strong>ch</strong> die zeitung «Metropol» eine Chance, mi<strong>ch</strong><br />
www.sihlau.<strong>ch</strong>). Au<strong>ch</strong> zeigte si<strong>ch</strong>,<br />
Bei beiden steht ni<strong>ch</strong>t nur die Vermittlung Steiner S<strong>ch</strong>ule und begleitete meine Eltern als s<strong>ch</strong>reibender Journalist zu versu<strong>ch</strong>en.<br />
dass die Erarbeitung eines Lehrplans für<br />
harter Fakten, sondern au<strong>ch</strong> der Mens<strong>ch</strong> für ein Jahr na<strong>ch</strong> Rom. Als Musiker hatten<br />
Der Weg führte ans<strong>ch</strong>liessend weiter zum<br />
die Elementarstufe notwendig war, um<br />
im Vordergrund.<br />
sie ein Stipendiat am Istituto Svizzero BLICK und vor knapp drei Jahren zum<br />
der Verständigung von S<strong>ch</strong>ule und Elterns<strong>ch</strong>aft<br />
I<strong>ch</strong> bin nie gerne zur S<strong>ch</strong>ule gegangen. zugespro<strong>ch</strong>en bekommen.<br />
«SonntagsBlick«.<br />
zu dienen und deren pädago-<br />
Als i<strong>ch</strong> dann mit 13 Jahren die Chance Zurück in der S<strong>ch</strong>weiz versu<strong>ch</strong>te i<strong>ch</strong> mein Im Juli 1990 s<strong>ch</strong>rieb Klassenlehrerin<br />
gis<strong>ch</strong>e Zusammenarbeit zu fördern. Seit<br />
bekam, in meiner Freizeit für das alternative<br />
Glück bei der Aufnahmeprüfung für das Stuckey ins Zeugnis: «Es graust Di<strong>ch</strong> zu<br />
Einführung und Umsetzung<br />
Lokalradio LoRa in einer Kindersen-<br />
Lehrerseminar in Küsna<strong>ch</strong>t ZH. An die s<strong>ch</strong>reiben; Du s<strong>ch</strong>iebst es dauernd von<br />
dieser existiert, hilft er, den Bildungsgang<br />
an einer Rudolf Steiner S<strong>ch</strong>ule öffentli<strong>ch</strong><br />
dung mitzuwirken und beim S<strong>ch</strong>weizer Steiner S<strong>ch</strong>ule zog es mi<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t mehr, i<strong>ch</strong> Dir weg; es wird no<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>wieriger, weil<br />
An den meisten Rudolf Steiner S<strong>ch</strong>ulen transparent zu ma<strong>ch</strong>en. Der Lehrplan kann<br />
Fernsehen DRS als Jungreporter für die wollte eine andere Welt kennen lernen. die Zeit knapp wird; und Du sitzt da mit<br />
in der S<strong>ch</strong>weiz und Lie<strong>ch</strong>tenstein wurden<br />
unter «Aktuell»auf der Website www.<br />
damalige Jugendsendung «S<strong>ch</strong>lips» zu Kurz: I<strong>ch</strong> fiel s<strong>ch</strong>neller dur<strong>ch</strong> die Prüfung, stummer Feder. Ein e<strong>ch</strong>ter Teufelskreis. In<br />
Mittagstis<strong>ch</strong>- und Hortbetreuung re-<br />
elementarpaedagogik.<strong>ch</strong> und www.stei-<br />
arbeiten, merkte i<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>nell, dass meine als ein Stein zu Boden fällt. Wel<strong>ch</strong> wunder-<br />
der 9. Klasse sollst Du das S<strong>ch</strong>reibenler-<br />
spektive Kindertagesstätten aufgebaut, ners<strong>ch</strong>ule.<strong>ch</strong> gefunden und ausgedruckt<br />
Zukunft bei den Medien liegt. I<strong>ch</strong> wollte bare Bestätigung des gängigen Vorurteils, nen von Aufsätzen, Bu<strong>ch</strong>bespre<strong>ch</strong>ungen<br />
Eltern-Kind-/oder Krabbelgruppen und werden. Wenn Eltern heute an Aufnahmegesprä<strong>ch</strong>en<br />
Journalist werden!<br />
dass Steiner-S<strong>ch</strong>üler im «ri<strong>ch</strong>tigen« Leben und wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Bes<strong>ch</strong>reibungen<br />
Spielgruppen neben den Kindergärten gegründet<br />
gefragt werden, warum sie<br />
Mein Hobby hatte au<strong>ch</strong> Eingang ins Zeug-<br />
ni<strong>ch</strong>t bestehen können.<br />
zu Deiner Hauptaufgabe erheben.»<br />
und für die 1. und 2. Klasse neue für die Erziehung ihrer Kinder die Rudolf<br />
nis für die a<strong>ch</strong>te S<strong>ch</strong>ulklasse gefunden. Dass Steiner-S<strong>ch</strong>üler dur<strong>ch</strong>aus lebens- Damals hörte i<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t auf sie. Heute kann<br />
Methoden im bewegten Unterri<strong>ch</strong>t eingeführt.<br />
Steiner S<strong>ch</strong>ule gewählt haben, wird neu-<br />
Meine damalige Klassenlehrerin Barbara fähig sind, bewies i<strong>ch</strong> ans<strong>ch</strong>liessend in der i<strong>ch</strong> sagen: Das S<strong>ch</strong>reiben ist mehr als nur<br />
Junge Mütter und Väter s<strong>ch</strong>ätzen erdings gesagt: «Hier kann si<strong>ch</strong> mein Kind<br />
Stuckey (eine wunderbare Lehrerin, das Berufslehre zum Verlagsbu<strong>ch</strong>händler beim meine Hauptaufgabe geworden – es ist<br />
in den Eltern-Kind-Gruppen den Kontakt in einem sozialen und gepflegten Rahmen<br />
muss an dieser Stelle einfa<strong>ch</strong> mal gesagt Diogenes Verlag in Züri<strong>ch</strong>. Auf dem Beruf meine Lebensaufgabe.<br />
und Austaus<strong>ch</strong> mit Glei<strong>ch</strong>gesinnten und wohlfühlen, den i<strong>ch</strong> meinem Kind im privaten<br />
sein) s<strong>ch</strong>rieb in Bezug auf das A<strong>ch</strong>te-Klas-<br />
arbeitete i<strong>ch</strong> dann aber ni<strong>ch</strong>t einen Tag. Frau Stuckey, i<strong>ch</strong> ents<strong>ch</strong>uldige mi<strong>ch</strong>, dass<br />
die Mögli<strong>ch</strong>keit, akute Erziehungsfragen<br />
Rahmen genau so bieten würde,<br />
se-Theaterstück: «Du hattest es lei<strong>ch</strong>ter Zuerst ging es zum lokalen Fernsehsen-<br />
i<strong>ch</strong> es Ihnen ni<strong>ch</strong>t s<strong>ch</strong>on damals ge-<br />
bespre<strong>ch</strong>en zu können. Da in Kleinfami-<br />
wenn i<strong>ch</strong> die Mögli<strong>ch</strong>keiten dazu hätte!»<br />
als man<strong>ch</strong>e Mits<strong>ch</strong>üler gehabt. Du hast der TeleZüri, dann weiter zu Radio 24, glaubt habe!<br />
18 19<br />
lien dem sozialen<br />
Lernen Grenzen<br />
gesetzt sind, sind<br />
Eltern erlei<strong>ch</strong>tert,<br />
dass Spielgruppen<br />
Kindern im Alter<br />
von 2 1/2 Jahren<br />
bis zum Kindergartenalter<br />
die Mögli<strong>ch</strong>keit<br />
geben,<br />
in kleinen Gruppen<br />
mit anderen<br />
Kindern zu spielen<br />
und Sozialfähigkeiten<br />
in einer<br />
altersgemässen<br />
Gruppe zu lernen.<br />
Mittagstis<strong>ch</strong>- und Hortangebote mit gleitenden<br />
Abholzeiten ermögli<strong>ch</strong>en jungen<br />
Eltern, sorgenlos berufstätig zu sein und<br />
ihre Kinder «wie in einer grossen Familie»<br />
betreut zu wissen. Wo neue Konzepte für<br />
die ersten Klassen entstanden sind, werden<br />
sie positiv und fru<strong>ch</strong>tbar gewertet.<br />
Au<strong>ch</strong> in den Kollegien findet auf der Elementarstufe<br />
begeisternde Zusammenarbeit<br />
mit regem Austaus<strong>ch</strong> statt.<br />
Impulse bekannt ma<strong>ch</strong>en<br />
I<strong>ch</strong> bin mir ni<strong>ch</strong>t so si<strong>ch</strong>er, wel<strong>ch</strong>e Frage<br />
mehr Erstaunen ausdrückt: «Was, Du<br />
warst Steiner-S<strong>ch</strong>üler» oder «Was, Sie<br />
sind Journalist beim SonntagsBlick».<br />
Die erste Frage – wohl mehr eine Bemerkung<br />
– stellte kürzli<strong>ch</strong> ein Arbeitskollege.<br />
Die zweite stammt von einem ehemaligen<br />
Lehrer. Mit anderen Worten – die neun<br />
Jahre an der Rudolf Steiner S<strong>ch</strong>ule waren<br />
eine gute Vorbereitung auf eine von<br />
Alexander Sautter, 1975<br />
Journalist beim «SonntagsBlick»<br />
Rudolf Steiner S<strong>ch</strong>ule Züri<strong>ch</strong> 1982-1991<br />
zum Privatfernsehen RTL/Pro7-S<strong>ch</strong>weiz.<br />
Das an der Steiner S<strong>ch</strong>ule Gelernte konnte<br />
i<strong>ch</strong> jeden Tag anwenden. Damit meine<br />
i<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t das gelernte Wissen, sondern den<br />
zum freien Denken erzogenen Geist, die<br />
Neugier, die kritis<strong>ch</strong>e Grundhaltung, das<br />
in den Theaterkursen gelernte Auftreten.<br />
Vor knapp fünf Jahren platzte die Blase<br />
der privaten TV-Stationen. Die Sender<br />
ma<strong>ch</strong>ten reihenweise zu und i<strong>ch</strong> stand<br />
«Was, Du warst<br />
Steiner-S<strong>ch</strong>üler»
CLAUDIA SIMCIC<br />
Kinder vor der S<strong>ch</strong>ulreife behutsam begleiten<br />
Zauberwort<br />
Na<strong>ch</strong>ahmung<br />
A<br />
Es ist Abend, Zeit<br />
fürs Abendessen. I<strong>ch</strong><br />
hätte gerne, dass<br />
mein Kind jetzt aufräumt,<br />
ni<strong>ch</strong>t so das<br />
Kind. Ras<strong>ch</strong> unterbre<strong>ch</strong>e<br />
i<strong>ch</strong> meine Vorbereitungen fürs<br />
Abendessen und räume zusammen mit<br />
dem Kind auf. Am Ende aber bemerke<br />
i<strong>ch</strong>, dass eigentli<strong>ch</strong> i<strong>ch</strong> aufgeräumt habe,<br />
während das Kind fleissig weiter spielte.<br />
So einfa<strong>ch</strong> ist es ans<strong>ch</strong>einend do<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t<br />
mit der Na<strong>ch</strong>ahmung, denn dieses Zauberwort<br />
umfasst viele S<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten. Etwas<br />
vorma<strong>ch</strong>en, in der Hoffnung, dass das<br />
Kind es na<strong>ch</strong>tut, ist nur die oberste S<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>t<br />
dieses so komplizierten Prozesses. Meistens<br />
funktioniert es aber gerade so ni<strong>ch</strong>t.<br />
Denn s<strong>ch</strong>on unsere Erwartung, dass das<br />
Kind so tun soll, wie wir wollen, lässt es<br />
ni<strong>ch</strong>t mehr frei.<br />
In den Stimmungen mitleben<br />
Eine tiefere S<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>t des Na<strong>ch</strong>ahmens ist<br />
aber die, dass die Kleinen eine ausgespro<strong>ch</strong>ene<br />
Begabung haben, in die Stimmungen<br />
der Umgebung «hineinzus<strong>ch</strong>lüpfen».<br />
Bin i<strong>ch</strong> froh, ist es au<strong>ch</strong> das Kind, obwohl<br />
es viellei<strong>ch</strong>t ni<strong>ch</strong>t weiss, warum. Bin<br />
i<strong>ch</strong> traurig, lähme i<strong>ch</strong> viellei<strong>ch</strong>t mit meiner<br />
S<strong>ch</strong>were die Spielinitiative des Kindes, obwohl<br />
i<strong>ch</strong> ihm ni<strong>ch</strong>ts erzähle über meine<br />
Es gibt zwei Zauberworte, wel<strong>ch</strong>e angeben, wie das kleine Kind<br />
in ein Verhältnis zu seiner Umgebung tritt. Diese sind: Na<strong>ch</strong>ahmung<br />
und Vorbild (1) . Diese Worte von Rudolf Steiner können als<br />
Wegweiser angesehen werden für alle, wel<strong>ch</strong>e mit den kleinen<br />
Kindern im ersten Jahrsiebt zu tun haben. Claudia Simcic<br />
beri<strong>ch</strong>tet über die Erfahrungen, wel<strong>ch</strong>e sie als Erzieherin und<br />
au<strong>ch</strong> als Mutter gema<strong>ch</strong>t hat, indem sie si<strong>ch</strong> bemühte, die ihr<br />
anvertrauten Kinder ganz aus den Kräften der Na<strong>ch</strong>ahmung<br />
heraus zu begleiten.<br />
Trauer. Ein Bub hat z. B. die grossartige<br />
Begabung, in die Klänge der Umgebung<br />
hineinzus<strong>ch</strong>lüpfen. Plötzli<strong>ch</strong> ertönt eine<br />
Motorsäge aus dem Kinderzimmer, so<br />
dass die Mutter ers<strong>ch</strong>rocken zusammenfährt,<br />
bevor sie erlei<strong>ch</strong>tert aufatmet und<br />
denkt, a<strong>ch</strong> ja, diese Begabung! Na<strong>ch</strong>ahmen<br />
heisst: hereins<strong>ch</strong>lüpfen, si<strong>ch</strong> ganz hereingeben<br />
in das Wesen der Umgebung (in<br />
diesem Fall ins Wesen einer Motorsäge),<br />
innerli<strong>ch</strong> mits<strong>ch</strong>wingen. Das kleine Kind<br />
kann si<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t distanzieren von seiner<br />
Umgebung, es muss, ob es will oder<br />
ni<strong>ch</strong>t, in den Stimmungen mitleben.<br />
Im Mits<strong>ch</strong>wingen aber bildet es si<strong>ch</strong> seine<br />
Organe aus. Das ist die tiefste S<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>t<br />
der Na<strong>ch</strong>ahmung und für uns ni<strong>ch</strong>t so<br />
einfa<strong>ch</strong> zu verstehen, weil wir es ja ni<strong>ch</strong>t<br />
sehen können. Trotzdem sagt Rudolf Steiner:<br />
«Bis zum Zahnwe<strong>ch</strong>sel im siebenten<br />
Jahre hat der Mens<strong>ch</strong>enleib eine Aufgabe<br />
an si<strong>ch</strong> zu verri<strong>ch</strong>ten, die wesentli<strong>ch</strong> vers<strong>ch</strong>ieden<br />
von den Aufgaben aller anderer<br />
Lebensepo<strong>ch</strong>en ist. Die physis<strong>ch</strong>en Organe<br />
müssen in dieser Zeit si<strong>ch</strong> in gewisse Formen<br />
bringen, ihre Strukturverhältnisse<br />
müssen bestimmte Ri<strong>ch</strong>tungen und Tendenzen<br />
erhalten. Später findet Wa<strong>ch</strong>stum<br />
statt, aber dieses Wa<strong>ch</strong>stum ges<strong>ch</strong>ieht in<br />
aller Folgezeit auf Grund der Formen, die<br />
si<strong>ch</strong> bis zu der angegebenen Zeit herausgebildet<br />
haben.» (2) Weiter unten sagt er<br />
dann: «Nur die ri<strong>ch</strong>tige physis<strong>ch</strong>e Umgebung<br />
wirkt auf das Kind so, dass seine<br />
physis<strong>ch</strong>en Organe si<strong>ch</strong> in die ri<strong>ch</strong>tigen<br />
Formen prägen.»<br />
Alles hat Vorbild<strong>ch</strong>arakter<br />
Damit das Kind na<strong>ch</strong>ahmen kann, brau<strong>ch</strong>t<br />
es Vorbilder. Alles hat Vorbild<strong>ch</strong>arakter,<br />
ni<strong>ch</strong>t nur wir Mens<strong>ch</strong>en, au<strong>ch</strong> Formen, Farben,<br />
Klänge usw. wirken bildend auf das<br />
kleine Kind. In der Quintenstimmung z. B.<br />
bildet das Kind andere Organe aus als in<br />
der Dur- und Moll-Stimmung. In der Quintenstimmung<br />
weben si<strong>ch</strong> S<strong>ch</strong>wingungen<br />
wie Sonnenstrahlen aus fernen Zeiten in<br />
die Organe ein und dur<strong>ch</strong>ziehen diese mit<br />
einer gewissen Lei<strong>ch</strong>tigkeit.<br />
Wie tief verbunden das Kind mit seiner<br />
Umgebung ist, zeigen au<strong>ch</strong> folgende<br />
Beispiele: In der Na<strong>ch</strong>t, erzählte mir eine<br />
Mutter, wa<strong>ch</strong>e sie oft fast gemeinsam mit<br />
ihrem Baby auf. Oder: Wenn das eine Kind<br />
Bau<strong>ch</strong>weh hat, kriegt das S<strong>ch</strong>westerlein<br />
sofort au<strong>ch</strong> Bau<strong>ch</strong>weh. Spätestens wenn<br />
man hört, dass beiden fast glei<strong>ch</strong>zeitig<br />
au<strong>ch</strong> der Bau<strong>ch</strong> knurrt, bemerkt man, dass<br />
da etwas Unsi<strong>ch</strong>tbares zwis<strong>ch</strong>en den beiden<br />
webt. Diese Erlebnisse lassen einen<br />
in Ehrfur<strong>ch</strong>t verstummen und zeigen uns<br />
au<strong>ch</strong> die grosse Verantwortung, die wir als<br />
Vorbilder haben. Sind wir überhaupt würdig,<br />
Vorbild zu sein Wenn man so als Vor-<br />
bild über die Na<strong>ch</strong>ahmung arbeitet, muss<br />
man bei genauem Beoba<strong>ch</strong>ten s<strong>ch</strong>on mit<br />
ein paar Selbsterkenntnissen re<strong>ch</strong>nen,<br />
denn die Kinder sind unser Spiegel. Und<br />
das ist für uns ni<strong>ch</strong>t immer angenehm.<br />
Dazu ein Beispiel: Die Erzieherin steht im<br />
Spielraum und bügelt Seidentü<strong>ch</strong>er, wel<strong>ch</strong>e<br />
sie später für ihr Puppentheater brau<strong>ch</strong>en<br />
wird. Sorgfältig mit behutsamer Gebärde<br />
hängt sie dana<strong>ch</strong> Tu<strong>ch</strong> für Tu<strong>ch</strong> über den<br />
dafür bereitgestellten Spielständer. Dazu<br />
summt sie leise ein Lied. Die Kinder spielen<br />
im Raum verteilt ihre ganz individuellen<br />
Spiele. Ein kleines Kind kniet neben<br />
der Erzieherin auf dem Boden und legt<br />
hingebungsvoll kleine Spieltü<strong>ch</strong>er zusammen<br />
und «bügelt» mit einem Stück Holz<br />
zum S<strong>ch</strong>luss no<strong>ch</strong> einmal über jedes Tu<strong>ch</strong>.<br />
Einige Kinder feiern in der Puppenecke gerade<br />
Puppengeburtstag und decken mit liebevollen<br />
Gebärden das Geburtstagstis<strong>ch</strong><strong>ch</strong>en.<br />
Andere Kinder bauen mit Tis<strong>ch</strong>en,<br />
Stühlen, Ständern und Tü<strong>ch</strong>ern ein Riesenunterseeboot,<br />
die 6-jährigen Buben bauen<br />
bis ins Detail genau einen hohen Kran, fast<br />
bis an die Zimmerdecke. Alle sind zufrieden<br />
und mit Begeisterung in ihr Spiel vertieft.<br />
Atmosphäre im Raum<br />
Die Erzieherin als Vorbild strahlt hier<br />
CLAUDIA SIMCIC ist Erzieherin an der Rudolf<br />
Steiner S<strong>ch</strong>ule Birseck<br />
dur<strong>ch</strong> ihre Arbeit, dur<strong>ch</strong> die Freude am<br />
Tun, dur<strong>ch</strong> die behutsame Art ihrer Gebärden,<br />
dur<strong>ch</strong> die innere Ruhe, dur<strong>ch</strong> das<br />
Summen einer Melodie eine Atmosphäre<br />
aus, wel<strong>ch</strong>e den ganzen Raum dur<strong>ch</strong>webt.<br />
Die Kinder fühlen si<strong>ch</strong> in dieser Stimmung<br />
wohl, zufrieden und freigelassen für ihr individuelles<br />
Spiel. Dieses ist ni<strong>ch</strong>t vorgegeben<br />
und ist je na<strong>ch</strong> Alter sehr vers<strong>ch</strong>ieden.<br />
Nehmen wir an, diese harmonis<strong>ch</strong>e Stimmung<br />
würde plötzli<strong>ch</strong> gestört werden. Aus<br />
irgendeinem Grunde würde si<strong>ch</strong> die Erzieherin<br />
innerli<strong>ch</strong> ärgern. (Viellei<strong>ch</strong>t hatte sie<br />
ein s<strong>ch</strong>wieriges Gesprä<strong>ch</strong> am Vorabend.)<br />
Sie zeigt den Ärger ni<strong>ch</strong>t, denn dieser hat<br />
ja ni<strong>ch</strong>ts mit den Kindern zu tun. Aber vor<br />
den Kindern kann man ni<strong>ch</strong>ts verstecken!<br />
Was ges<strong>ch</strong>ieht nun im Raum<br />
Dur<strong>ch</strong> diesen feinen Ärger webt si<strong>ch</strong> nun<br />
etwas in die Stimmung ein, so dass si<strong>ch</strong><br />
die Spielsituation grundlegend verändert.<br />
In der Puppenecke leert ein Puppenkind<br />
plötzli<strong>ch</strong> den «Sirup» über das Tis<strong>ch</strong><strong>ch</strong>en<br />
und wird deshalb von der wütenden Puppenmutter<br />
ganz ordentli<strong>ch</strong> ges<strong>ch</strong>üttelt.<br />
Das Unterseeboot rammt plötzli<strong>ch</strong> ein<br />
Kriegss<strong>ch</strong>iff, wel<strong>ch</strong>es vorher gar ni<strong>ch</strong>t da<br />
war. Es kra<strong>ch</strong>t gar gefährli<strong>ch</strong>, während einer<br />
der Stühle und ein Ständer umfallen.<br />
Dem Kran reisst plötzli<strong>ch</strong> das Seil, ein mit<br />
Klötzen gefüllter Korb fällt polternd auf<br />
den Boden. All dies ges<strong>ch</strong>ieht fast glei<strong>ch</strong>zeitig,<br />
niemand weiss warum, ausser viellei<strong>ch</strong>t<br />
die erfahrene Erzieherin. Mit ihrer<br />
geheimnisvollen Begabung, in die Stimmungen<br />
der Umgebung einzutau<strong>ch</strong>en,<br />
leben hier die Kinder zuerst in der Freude<br />
der Erzieherin, in ihren liebevollen Gebärden,<br />
na<strong>ch</strong>her aber au<strong>ch</strong> in ihrem Ärger.<br />
Die Fähigkeit na<strong>ch</strong>zuahmen ist eigenli<strong>ch</strong><br />
ein Ges<strong>ch</strong>enk aus der geistigen Welt. Es<br />
ist ein Na<strong>ch</strong>klingen von dem, was das<br />
Kind erlebte, bevor es auf die Erde kam.<br />
Diese Fähigkeit gilt es zu behüten und<br />
zu pflegen. Versteht man das ni<strong>ch</strong>t, kann<br />
man die Kraft s<strong>ch</strong>on frühzeitig zum Erlahmen<br />
bringen.<br />
Dem «Träumen» Raum geben<br />
Na<strong>ch</strong>ahmen zu können heisst verbunden<br />
sein, eins sein mit der Umgebung. Reflektieren,<br />
verbalisieren, na<strong>ch</strong>bespre<strong>ch</strong>en<br />
s<strong>ch</strong>afft Distanz. Das ins Spielen vertiefte<br />
Kind hat no<strong>ch</strong> keine Distanz zu seinem<br />
Tun. Also sollte man es au<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t stören,<br />
indem man z. B. sagt: «Das hast Du<br />
aber s<strong>ch</strong>ön gema<strong>ch</strong>t, was baust Du da»<br />
Sofort ist Reflektieren angesagt. Das Kind<br />
muss antworten, es distanziert si<strong>ch</strong> von<br />
seinem Tun, indem es na<strong>ch</strong>denken muss.<br />
Es wird wa<strong>ch</strong>! Je wa<strong>ch</strong>er die Kinder sind,<br />
desto weniger können sie na<strong>ch</strong>ahmend<br />
eintau<strong>ch</strong>en. Ein na<strong>ch</strong>ahmendes Kind<br />
ist ein «träumendes» Kind, und diesem<br />
20 21
«Träumen» Raum zu geben, ist eine der<br />
wi<strong>ch</strong>tigen Aufgaben im ersten Jahrsiebt.<br />
Rudolf Steiner sagt in der «Allgemeinen<br />
Mens<strong>ch</strong>enkunde»: «... alles S<strong>ch</strong>lafen hat<br />
dem Lebenrhythmus gemäss die Tendenz,<br />
na<strong>ch</strong> einiger Zeit aufzuwa<strong>ch</strong>en.» (3)<br />
Das bedeutet für mi<strong>ch</strong> als Erzieherin:<br />
Behüte das Kind vor dem frühzeitigen<br />
Aufwa<strong>ch</strong>en, denn das ges<strong>ch</strong>ieht auf Kosten<br />
der Organbildung. Lass ihm Zeit,<br />
dass es aus eigener Kraft die Welt erobert.<br />
Das heisst viellei<strong>ch</strong>t, dass i<strong>ch</strong> sehr<br />
lange Geduld haben muss, bis z. B. das<br />
kleine, s<strong>ch</strong>ü<strong>ch</strong>terne Mäd<strong>ch</strong>en, wel<strong>ch</strong>es 6<br />
Wo<strong>ch</strong>en lang tägli<strong>ch</strong> vom Bänklein aus<br />
zuges<strong>ch</strong>aut hat beim rhythmis<strong>ch</strong>-musikalis<strong>ch</strong>en<br />
Reigenspiel, aus eigener Kraft<br />
na<strong>ch</strong>ahmend in den Bewegungsstrom<br />
eintau<strong>ch</strong>en kann. Was für ein Glückserlebnis<br />
für mi<strong>ch</strong> und das Kind!<br />
Abs<strong>ch</strong>liessend no<strong>ch</strong> ein letztes Beispiel.<br />
Es ist 10 Uhr, Zeit zum Aufräumen.<br />
Na<strong>ch</strong>ahmen<br />
heisst: hineins<strong>ch</strong>lüpfen,<br />
si<strong>ch</strong><br />
ganz hereingeben<br />
in das<br />
Wesen der Umgebung,<br />
innerli<strong>ch</strong><br />
mits<strong>ch</strong>wingen.<br />
Das kleine<br />
Kind muss, ob es<br />
will oder ni<strong>ch</strong>t,<br />
in den Stimmungen<br />
mitleben.<br />
nun Zeit ist und fangen au<strong>ch</strong> an zu helfen.<br />
Einige Kleine sind no<strong>ch</strong> so im Spiel<br />
vertieft in ihrem Ecklein, dass sie no<strong>ch</strong><br />
eine Weile weiter spielen, bevor au<strong>ch</strong><br />
sie bemerken, dass es jetzt Zeit ist. Au<strong>ch</strong><br />
da versu<strong>ch</strong>e i<strong>ch</strong> Zeit zu lassen, dass die<br />
Kinder selbst in den Strom der Tätigkeit<br />
eintau<strong>ch</strong>en können. Zum Troste aller Eltern;<br />
in einer grösseren Kindergruppe<br />
funktioniert das einfa<strong>ch</strong>er als zu Hause,<br />
wenn man mit dem Kind allein ist. Denn<br />
die Kinder ahmen einander ja au<strong>ch</strong> gegenseitig<br />
na<strong>ch</strong>. Je geplanter und klarer<br />
i<strong>ch</strong> aufräume, desto besser können die<br />
Kinder na<strong>ch</strong>ahmend eintau<strong>ch</strong>en. Dass<br />
wir tägli<strong>ch</strong> ungefähr um die glei<strong>ch</strong>e<br />
Zeit aufräumen, unterstüzt diesen Prozess<br />
zusätzli<strong>ch</strong>, denn es bilden si<strong>ch</strong> gute<br />
Gewohnheiten.<br />
Wort und Gebärde<br />
Würde i<strong>ch</strong> wie ein S<strong>ch</strong>metterling vom<br />
Ständer zur Puppenecke, dann zum<br />
Korb dur<strong>ch</strong> den Raum flattern, hätte<br />
i<strong>ch</strong> den Spielraum im Nu in ein Bienenhaus<br />
verzaubert. Es gibt au<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong> ein<br />
weiteres wi<strong>ch</strong>tiges Geheimnis. Gebärden<br />
und Worte müssen immer identis<strong>ch</strong><br />
sein. Lege i<strong>ch</strong> ein Tu<strong>ch</strong> zusammen und<br />
sage dem Kind glei<strong>ch</strong>zeitig, es solle mir<br />
einen Korb aus der Kü<strong>ch</strong>e bringen, wird<br />
es mi<strong>ch</strong> erstaunt ans<strong>ch</strong>auen, ohne den<br />
Korb zu holen. Denn da stimmt etwas<br />
ni<strong>ch</strong>t! Wort und Gebärde stimmen ni<strong>ch</strong>t<br />
überein und das Kind kann ni<strong>ch</strong>t eintau<strong>ch</strong>en,<br />
es wird wa<strong>ch</strong>!<br />
Na<strong>ch</strong> all dem Gesagten, könnte man<br />
fragen, bin i<strong>ch</strong> dieser Verantwortung,<br />
Vorbild zu sein, überhaupt gewa<strong>ch</strong>sen<br />
Dazu gibt es folgende Antworten: Die<br />
Kinder ahmen sehr individuell na<strong>ch</strong>. Sie<br />
ahmen au<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t alles na<strong>ch</strong>, sondern<br />
treffen ihrem S<strong>ch</strong>icksal gemäss eine<br />
Auswahl, zusammen mit ihrem Engel.<br />
Das andere ist: Wir sind alle auf dem<br />
Weg und alle ma<strong>ch</strong>en Fehler. Wer aber<br />
beginnt, an si<strong>ch</strong> zu arbeiten, si<strong>ch</strong> bemüht<br />
mit all seiner Kraft, der s<strong>ch</strong>afft<br />
au<strong>ch</strong> eine Qualität für die Zukunft. Denn<br />
au<strong>ch</strong> in dieses Bemühen wird das Kind<br />
na<strong>ch</strong>ahmend eintau<strong>ch</strong>en und so si<strong>ch</strong><br />
diese neue Qualität einverleiben und<br />
mit in die Zukunft nehmen.<br />
N<br />
Nehmen wir das Bild<br />
vom Brotbacken. Heute<br />
verwendet man<br />
Treibmittel, um die<br />
Zeit zu verkürzen und<br />
alles besser «im Griff» zu haben. Alle<br />
Brote haben zur glei<strong>ch</strong>en Zeit glei<strong>ch</strong> auszusehen.<br />
Lässt man aber den Teig in aller<br />
Ruhe aufgehen, so entdecken wir die vers<strong>ch</strong>iedenen<br />
Phasen in ihrer aktiven Zeit.<br />
Wie mundet do<strong>ch</strong> so ein Brot, das heranreifen<br />
durfte.<br />
In den ersten sieben Lebensjahren des<br />
Mens<strong>ch</strong>en können wir eine grosse Entwicklung<br />
beoba<strong>ch</strong>ten. In keiner anderen<br />
Lebenszeit entwickeln wir uns in sol<strong>ch</strong><br />
grossen S<strong>ch</strong>ritten. Aber dazu brau<strong>ch</strong>t es<br />
alle Kräfte, denn der physis<strong>ch</strong>e Organismus<br />
muss si<strong>ch</strong> zunä<strong>ch</strong>st der Aussenwelt<br />
anpassen. Diese Entwicklung kommt<br />
dur<strong>ch</strong> den Zahnwe<strong>ch</strong>sel zu einem Abs<strong>ch</strong>luss<br />
und dadur<strong>ch</strong> wird ein Teil der Kräfte<br />
frei für etwas anderes – zum Beispiel<br />
für die Entwicklung des Gedä<strong>ch</strong>tnisses.<br />
Deshalb ist es der S<strong>ch</strong>ule wi<strong>ch</strong>tig, die Kindergartenkinder<br />
in Bezug auf diese Ausreifung<br />
sorgfältig anzus<strong>ch</strong>auen. Ni<strong>ch</strong>t jeder<br />
Brotteig brau<strong>ch</strong>t die genau glei<strong>ch</strong>e Ausreifungszeit.<br />
Wird der Prozess zu früh unterbro<strong>ch</strong>en,<br />
geht das Brot ni<strong>ch</strong>t ri<strong>ch</strong>tig auf,<br />
es wird kompakt und hart und verliert an<br />
Elastizität. Selbstverständli<strong>ch</strong> kann man<br />
au<strong>ch</strong> zu lange warten!<br />
Ausreifen der Organe<br />
Der Übergang vom Kindergarten in die S<strong>ch</strong>ule<br />
Gut Ding will<br />
Weile haben<br />
ein dauernder, ni<strong>ch</strong>t mehr gut zu ma<strong>ch</strong>ender<br />
S<strong>ch</strong>aden.<br />
Das Aufnahmegesprä<strong>ch</strong> vom Kindergartenkind<br />
in die S<strong>ch</strong>ule findet in Zusammenarbeit<br />
mit Kindergärtnerinnen, Therapeuten,<br />
S<strong>ch</strong>ularzt, Lehrer und den Eltern<br />
statt. Dabei versu<strong>ch</strong>en wir zusammen<br />
sorgfältig ein Bild entstehen zu lassen, wo<br />
das einzelne Kind steht in seiner Entwicklung<br />
und was es no<strong>ch</strong> brau<strong>ch</strong>t.<br />
VERENA HESPELT<br />
Das Gefühl, keine Zeit zu haben, beherrs<strong>ch</strong>t immer mehr unser Leben.<br />
Wir werden ni<strong>ch</strong>t nur in eine Hektik hineingetrieben, sondern greifen<br />
au<strong>ch</strong> immer weiter voraus – na<strong>ch</strong> dem Motto: «Je früher, desto besser.»<br />
Der Kindergarten wird heute neu definiert und die S<strong>ch</strong>ule na<strong>ch</strong><br />
unten ges<strong>ch</strong>oben. Do<strong>ch</strong> was gewinnen wir dadur<strong>ch</strong> und was verlieren<br />
wir dabei Verena Hespelt plädiert dafür, Kindern Zeit zu lassen, zu<br />
wa<strong>ch</strong>sen und zu reifen. So starten sie gut gerüstet in die S<strong>ch</strong>ule.<br />
Sprü<strong>ch</strong>e und Gedi<strong>ch</strong>te, die im inneren Erleben<br />
begleitet werden bis in äussere Gesten<br />
hinein, selbstverständli<strong>ch</strong> übernommen<br />
und dadur<strong>ch</strong> verbinden si<strong>ch</strong> die Kinder<br />
auf kürzestem Weg damit. Au<strong>ch</strong> gilt es<br />
jetzt den Leib bis in alle Feinheiten hinein<br />
zu ergreifen, so wie au<strong>ch</strong> beim Erlernen<br />
eines jeden Musikinstruments irgendwann<br />
die Fingerübungen nötig sind. Fingersprü<strong>ch</strong>e,<br />
Fadenspiele, Rhythmusklats<strong>ch</strong>en und<br />
-laufen und vieles mehr begeistern die 1.-<br />
und 2.-Klässler. Glei<strong>ch</strong>zeitig wird in der 1.<br />
Klasse in der Handarbeit mit Sticken und<br />
Stricken angefangen.<br />
Nun wird aber au<strong>ch</strong> am Seelenleben gearbeitet.<br />
Es ist wi<strong>ch</strong>tig, dass das Kind<br />
si<strong>ch</strong> mit ganzer «Seele» verbinden kann<br />
mit dem Unterri<strong>ch</strong>tsstoff. Innert kürzester<br />
Zeit haben die S<strong>ch</strong>üler dur<strong>ch</strong> den künstleris<strong>ch</strong>en<br />
Unterri<strong>ch</strong>t die Gedi<strong>ch</strong>te und Sprü<strong>ch</strong>e<br />
auswendig gelernt (s<strong>ch</strong>neller als der<br />
Lehrer). Ihr ganzes Wesen ist mit dabei<br />
(mit Leib und Seele). Dur<strong>ch</strong> innere Bilder<br />
geben wir dem Kind diese Mögli<strong>ch</strong>keit. So<br />
bringen wir an das Kind au<strong>ch</strong> die Bu<strong>ch</strong>staben,<br />
die ja nur abstrakte Formen sind,<br />
in Bildern und Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten heran. Dadur<strong>ch</strong><br />
haben die Kinder die Mögli<strong>ch</strong>keit,<br />
dur<strong>ch</strong> Erlebnisse si<strong>ch</strong> mit den Formen zu<br />
Gemeinsames Erleben<br />
Im sozialen Leben brau<strong>ch</strong>t es etwa ein<br />
halbes Jahr, bis die ehemaligen Kindergartengruppen<br />
si<strong>ch</strong> auflösen und dadur<strong>ch</strong><br />
die Klasse ganz neu gemis<strong>ch</strong>t wird. Die<br />
meisten Freunds<strong>ch</strong>aften vom Kindergarten<br />
lösen si<strong>ch</strong> früher oder später auf und<br />
neue werden geknüpft. Dur<strong>ch</strong> dieses gemeinsame<br />
Erleben während des Unterri<strong>ch</strong>ts<br />
und die vielen Aktivitäten ausserhalb<br />
der S<strong>ch</strong>ulstube wä<strong>ch</strong>st langsam eine<br />
Gemeins<strong>ch</strong>aft heran für die nä<strong>ch</strong>sten 10<br />
bis 12 Jahre. Da gibt es no<strong>ch</strong> viele Mögli<strong>ch</strong>keiten<br />
und Felder, si<strong>ch</strong> anzunähern und<br />
au<strong>ch</strong> abzus<strong>ch</strong>leifen.<br />
Die Kinder zeigen beim S<strong>ch</strong>uleintritt eine<br />
s<strong>ch</strong>eue Ehrfur<strong>ch</strong>t dem Lehrer gegenüber.<br />
Es beginnt si<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong> die Begegnung eine<br />
tiefe Verbindung zwis<strong>ch</strong>en Lehrer und<br />
Kind zu weben.<br />
Das Kind nimmt mit offenem Herzen auf<br />
was der Lehrer ausspri<strong>ch</strong>t und wie er es<br />
sagt. Deshalb ist ein ausserordentli<strong>ch</strong>es<br />
Feingefühl seitens des Lehrers notwendig.<br />
Der Anfang der S<strong>ch</strong>ulzeit ist eine wi<strong>ch</strong>tige<br />
und au<strong>ch</strong> prägende Zeit. Wir mö<strong>ch</strong>ten alles<br />
tun, dass es für jedes S<strong>ch</strong>ulkind eine<br />
s<strong>ch</strong>öne Zeit wird.<br />
Lässt man dem Kind ni<strong>ch</strong>t genügend Zeit,<br />
indem man die Kräfte zu früh abzieht für<br />
das Lernen, verhindert man die gesunde<br />
Ausreifung der Organe und andererseits<br />
kann si<strong>ch</strong> das Gedä<strong>ch</strong>tnis ni<strong>ch</strong>t genügend<br />
Gut gefüllter Rucksack<br />
entwickeln. Es wird immer s<strong>ch</strong>wä<strong>ch</strong>er und<br />
Wenn das Kind in die 1. Klasse kommt, ist<br />
unbewegli<strong>ch</strong>er – es entstehen Vorurteile<br />
es wie eine strahlende aufgehende Sonne.<br />
und Eingleisigkeit. Die Kinder sind später<br />
Ganz hingegeben an das, was auf es<br />
viel müde und ni<strong>ch</strong>t mehr motiviert<br />
zukommt, steht es jeden Morgen fröhli<strong>ch</strong><br />
zum Lernen.<br />
in der Klasse. Das Kind fühlt si<strong>ch</strong> erstarkt<br />
Dieses Bild widerspri<strong>ch</strong>t der Meinung,<br />
und bereit für die nä<strong>ch</strong>sten S<strong>ch</strong>ritte. Es<br />
man müsse die Kräfte in mögli<strong>ch</strong>st jungen<br />
bringt in seinem gut gefüllten Rucksack<br />
Die Kinder spielen no<strong>ch</strong>. Um ganz aus<br />
Jahren nutzen, um grossen Gewinn<br />
zum Beispiel gute Gewohnheiten mit vom<br />
der Na<strong>ch</strong>ahmung heraus zu arbeiten,<br />
zu erzielen. Der vermeintli<strong>ch</strong>e Gewinn,<br />
Kindergarten, die wir als Lehrer gerne als<br />
könnte es etwa so aussehen. Zuerst<br />
den man dur<strong>ch</strong> die Intellektualisierung<br />
Grundlage übernehmen. So ist ein fliessender<br />
fange i<strong>ch</strong> bei mir an. I<strong>ch</strong> räume meinen<br />
vor dem Zahnwe<strong>ch</strong>sel zu erzielen hofft,<br />
Übergang vom Kindergarten in die<br />
Arbeitsplatz auf, ohne Eile, aber mit<br />
entpuppt si<strong>ch</strong> in Wirkli<strong>ch</strong>keit als Verlust,<br />
S<strong>ch</strong>ule gewährleistet. Au<strong>ch</strong> die Na<strong>ch</strong>ahmungskräfte,<br />
klaren Bewegungen. Dana<strong>ch</strong> gehe i<strong>ch</strong><br />
denn die Organbildekräfte werden von ihrer<br />
die im ersten Jahrsiebt stark<br />
zu den Kindern. I<strong>ch</strong> gehe immer glei<strong>ch</strong><br />
eigentli<strong>ch</strong>en Aufgabe abgezogen und<br />
vorhanden waren, wirken no<strong>ch</strong> bis ins 2.<br />
vor: zuerst die grossen Sa<strong>ch</strong>en, dann die Quellenangaben:<br />
missbrau<strong>ch</strong>t. Es ist genauso Raubbau,<br />
S<strong>ch</strong>uljahr hinein. Da werden die Lieder,<br />
1+2: Rudolf Steiner: Die Erziehung des Kindes<br />
kleinen. I<strong>ch</strong> räume zuerst um die spielenden<br />
Kinder herum auf. Langsam be-<br />
3: Rudolf Steiner: Allgemeine Mens<strong>ch</strong>enkunde, spätere Generationen mit den Folgen zu<br />
VERENA HESPELT ist Klassenlehrerin an der<br />
wie man es in der Natur au<strong>ch</strong> ma<strong>ch</strong>t. Wie<br />
vom Gesi<strong>ch</strong>tspunkte der Geisteswissens<strong>ch</strong>aft<br />
ginnen die Ersten zu bemerken, dass es 6. Vortrag<br />
kämpfen haben, so bleibt au<strong>ch</strong> dem Kind<br />
Rudolf Steiner S<strong>ch</strong>ule Birseck<br />
verbinden.<br />
22 23
THOMAS HOMBERGER<br />
Ehrfur<strong>ch</strong>t vor der Individualität<br />
Kein Sitzenbleiben<br />
– Integration<br />
statt Selektion<br />
Im Konzept der Rudolf Steiner S<strong>ch</strong>ulen in der S<strong>ch</strong>weiz<br />
lautet eine der Kernaussagen: Kein Sitzenbleiben – Integration<br />
statt Selektion. Thomas Homberger erläutert,<br />
wie in Steiner S<strong>ch</strong>ulen mit «begriffsstutzigen»<br />
oder lei<strong>ch</strong>t ablenkbaren Kindern umgegangen wird.<br />
Bild: Charlotte Fis<strong>ch</strong>er<br />
E<br />
Eine Studie des S<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>en<br />
Nationalfonds stellt<br />
2005 fest, dass Sitzenbleiben<br />
keine fru<strong>ch</strong>tbare Massnahme<br />
darstellt, obwohl im<br />
Lauf der obligatoris<strong>ch</strong>en<br />
neun S<strong>ch</strong>uljahre fast jedes 5. Kind eine<br />
Klasse wiederholen muss. Der Studienleiter,<br />
Prof. Bess von der Universität Fribourg,<br />
stellt lapidar fest: «Klassenrepetitionen<br />
sollten abges<strong>ch</strong>afft werden.» Selektion<br />
solle frühestens beim Übergang an die<br />
Sekundarstufe stattfinden. Im Pisa-Spitzenreiterland<br />
Finnland tritt sie erst na<strong>ch</strong><br />
neun S<strong>ch</strong>uljahren ein.<br />
Es geht aber ni<strong>ch</strong>t nur um Klassenrepetitionen,<br />
sondern au<strong>ch</strong> um Zuweisungen<br />
zu Sonderklassen vers<strong>ch</strong>iedenster Art,<br />
die heute au<strong>ch</strong> im Umfeld der staatli<strong>ch</strong>en<br />
Volkss<strong>ch</strong>ule abgenommen haben.<br />
Steiner S<strong>ch</strong>ulen haben seit ihrem Bestehen<br />
Klassenrepetitionen sozusagen nie<br />
zur Anwendung gebra<strong>ch</strong>t; es konnte si<strong>ch</strong><br />
in ganz wenigen Fällen als notwendig erweisen,<br />
ein Kind eine Klasse zurückzuversetzen,<br />
weil es seinem seelis<strong>ch</strong>-geistigen<br />
Wesen na<strong>ch</strong> eindeutig zu jung war für<br />
die Klasse, in der es ursprüngli<strong>ch</strong> war. Nie<br />
ges<strong>ch</strong>ah dies aber wegen irgendwel<strong>ch</strong>er<br />
Selektions-Kriterien. Aus glei<strong>ch</strong>en Gründen<br />
kam es au<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>on vor, dass ein Kind<br />
eine Klasse überspringen konnte, weil es<br />
seinem Wesen na<strong>ch</strong> in der höheren Klasse<br />
besser aufgehoben war. Immer steht<br />
das Wesen des Kindes im Mittelpunkt<br />
und ni<strong>ch</strong>t ein irgendwie gearteter Leistungskataster.<br />
Was sind die Hintergründe zu dieser Haltung,<br />
alle Kinder in ihrer angestammten<br />
Klasse mitzuführen Au<strong>ch</strong> dann, wenn<br />
ein Kind auf gewissen Gebieten – z.B. im<br />
Re<strong>ch</strong>nen – sehr grosse S<strong>ch</strong>wierigkeiten<br />
hat. Au<strong>ch</strong> dann, wenn ein Kind Probleme<br />
des Verhaltens zeigt. Au<strong>ch</strong> dann, wenn ein<br />
Kind dur<strong>ch</strong> lange Krankheit grosse Lücken<br />
aufweist. Au<strong>ch</strong> dann, wenn…<br />
Entwicklungshemmungen<br />
wegräumen<br />
Dazu mö<strong>ch</strong>te i<strong>ch</strong> mir erlauben, einen Passus<br />
aus einem Vortrag von Rudolf Steiner<br />
anzuführen, der in sehr grundsätzli<strong>ch</strong>er<br />
Weise unsere Aufgabe als Eltern und<br />
Lehrer <strong>ch</strong>arakterisiert: «Wir können uns<br />
da ausserordentli<strong>ch</strong> zu Hilfe kommen,<br />
wenn wir, i<strong>ch</strong> mö<strong>ch</strong>te sagen, wiederum<br />
meditierend uns re<strong>ch</strong>t tief zum Bewusstsein<br />
bringen, dass alle Erziehung mit der<br />
wirkli<strong>ch</strong>en Individualität des Mens<strong>ch</strong>en<br />
im Grunde genommen gar ni<strong>ch</strong>ts zu tun<br />
hat, dass wir eigentli<strong>ch</strong> als Erzieher und<br />
Unterri<strong>ch</strong>ter im Wesentli<strong>ch</strong>en die Aufgabe<br />
haben, mit Ehrfur<strong>ch</strong>t vor der Individualität<br />
zu stehen, ihr die Mögli<strong>ch</strong>keit zu bieten,<br />
dass sie ihren eigenen Entwicklungsgesetzen<br />
folge und wir nur die im Physis<strong>ch</strong>-<br />
Leibli<strong>ch</strong>en und Leibli<strong>ch</strong>-Seelis<strong>ch</strong>en, also<br />
im physis<strong>ch</strong>en Leibe und im Ätherleibe<br />
liegenden Entwicklungshemmungen wegräumen.<br />
Wir sind nur dazu berufen, diese<br />
im Physis<strong>ch</strong>-Leibli<strong>ch</strong>en und im Leibli<strong>ch</strong>-<br />
Seelis<strong>ch</strong>en liegenden Hemmungen wegzuräumen<br />
und die Individualität frei si<strong>ch</strong><br />
entwickeln zu lassen; so dass wir dasjenige,<br />
was wir dem Kinde an Erkenntnissen<br />
beibringen, im Grunde nur dazu benützen<br />
sollten, um das Leibli<strong>ch</strong>e, sowohl das<br />
Physis<strong>ch</strong>-Leibli<strong>ch</strong>e wie au<strong>ch</strong> das Ätheris<strong>ch</strong>-<br />
Leibli<strong>ch</strong>e, so weit vorwärts zu bringen,<br />
dass der Mens<strong>ch</strong> si<strong>ch</strong> eben frei entwickeln<br />
kann.» (GA 302a, S.88). Die Ehrfur<strong>ch</strong>t vor<br />
der Individualität ist eine weit rei<strong>ch</strong>ende<br />
Herausforderung, die im Grunde genommen<br />
keine Selektion erlaubt. Die Individualität<br />
des Kindes soll si<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong> ihren eigenen<br />
Gesetzen entwickeln und entzieht<br />
si<strong>ch</strong> damit jeder Normierung. Aber das<br />
Hinwegräumen von Hemmungen, das ist<br />
eine begeisternde Aufgabe!<br />
Bewusst Umwege bes<strong>ch</strong>reiten<br />
Was für Hemmungen sind wir berufen,<br />
hinwegzuräumen Da denke i<strong>ch</strong> an bestimmte<br />
S<strong>ch</strong>wä<strong>ch</strong>en im Berei<strong>ch</strong> der Sinne,<br />
z.B. beim Bewegungssinn und beim Tastsinn;<br />
ein Kind bewegt si<strong>ch</strong> unges<strong>ch</strong>ickt,<br />
es hat Mühe, si<strong>ch</strong> an etwas heranzubegeben,<br />
heranzutasten, es fällt ihm s<strong>ch</strong>wer,<br />
etwas zu «begreifen». Diese Begriffsstutzigkeit<br />
kann si<strong>ch</strong> im Lesen, im Re<strong>ch</strong>nen,<br />
in den Fremdspra<strong>ch</strong>en äussern. Es geht<br />
nun ni<strong>ch</strong>t darum, direkt auf diese Fä<strong>ch</strong>er<br />
einzuwirken, sondern die Hemmungen<br />
im Berei<strong>ch</strong> der Bewegung, des Glei<strong>ch</strong>gewi<strong>ch</strong>ts,<br />
des Tastens anzugehen. Das heisst,<br />
bewusst Umwege zu bes<strong>ch</strong>reiten und<br />
ni<strong>ch</strong>t Symptombekämpfung zu betreiben.<br />
Entspre<strong>ch</strong>ende Übungen in spieleris<strong>ch</strong>er<br />
Form können mit der ganzen Klasse angegangen<br />
werden; dadur<strong>ch</strong> werden die<br />
betreffenden Kinder ni<strong>ch</strong>t stigmatisiert.<br />
Dazu können – wenn nötig – gezielte<br />
Massnahmen in Zusammenarbeit mit dem<br />
S<strong>ch</strong>ularzt, z.B. dur<strong>ch</strong> Heileurythmie, angeordnet<br />
werden.<br />
Ein anderes Beispiel: Ein sehr ablenkbares<br />
Kind kann si<strong>ch</strong> nur kurze Zeit auf<br />
eine Sa<strong>ch</strong>e konzentrieren, dann s<strong>ch</strong>weift<br />
es bereits wieder ab und hat alles ras<strong>ch</strong><br />
vergessen und ist darüber völlig unbekümmert.<br />
Die Hemmung liegt bei diesem Kind<br />
im Seelis<strong>ch</strong>-Leibli<strong>ch</strong>en, alles geht gewissermassen<br />
dur<strong>ch</strong> das Kind hindur<strong>ch</strong> und<br />
hinterlässt zu wenig Spuren. Au<strong>ch</strong> hier<br />
THOMAS HOMBERGER ist Klassen- und Fa<strong>ch</strong>lehrer<br />
an der Rudolf Steiner S<strong>ch</strong>ule Züri<strong>ch</strong> und Dozent<br />
an vers<strong>ch</strong>iedenen Seminaren<br />
können die Hemmungen so gross sein,<br />
dass das Kind normierte Lernziele z.B. im<br />
S<strong>ch</strong>reiben und Lesen oder im Re<strong>ch</strong>nen<br />
ni<strong>ch</strong>t errei<strong>ch</strong>en kann. Hier kann eine liebevoll<br />
intensive Beziehung zur Pädagogin,<br />
zum Pädagogen Wunder wirken. Der<br />
intensive «Liebefaden» bildet die Verbindung<br />
zur Welt.<br />
Beim Wiederholen der Klasse hätten beide<br />
Kinder am Anfang viellei<strong>ch</strong>t einen kleinen<br />
Vorsprung, der dann ras<strong>ch</strong> «verpuffen»<br />
würde, denn die Hemmungen blieben<br />
bestehen.<br />
In beiden Fällen brau<strong>ch</strong>en wir als Begleiter<br />
einen langen Atem. Dabei kann uns<br />
eine weitere Äusserung Rudolf Steiners<br />
Boden geben: «Pädagogis<strong>ch</strong> betra<strong>ch</strong>tet<br />
werden Sie si<strong>ch</strong> jetzt ni<strong>ch</strong>t mehr verwundern,<br />
wenn Sie die Sa<strong>ch</strong>e so ansehen, dass<br />
die Kinder vers<strong>ch</strong>ieden sind mit Bezug auf<br />
die Wa<strong>ch</strong>heit ihres Bewusstseins. (....) Das<br />
werden Sie dann zum Anlass nehmen, um<br />
dur<strong>ch</strong> starke Gefühle auf ein sol<strong>ch</strong>es Kind<br />
zu wirken. Und Sie werden dann die Hoffnung<br />
haben können, dass diese starken<br />
Gefühle bei ihm au<strong>ch</strong> das helle Erkennen<br />
er<strong>wecken</strong> werden, denn alles S<strong>ch</strong>lafen<br />
hat dem Lebensrhythmus gemäss die Tendenz,<br />
na<strong>ch</strong> einiger Zeit aufzuwa<strong>ch</strong>en.»<br />
(GA 293, S.110)<br />
Das ist eine grosse Wahrheit, wel<strong>ch</strong>e im<br />
Umgang mit begriffsstutzigen Kindern von<br />
zentraler Wi<strong>ch</strong>tigkeit ist. Natürli<strong>ch</strong> muss<br />
etwas am S<strong>ch</strong>lafen sein; es darf ein ni<strong>ch</strong>t<br />
Vorhandenes damit ni<strong>ch</strong>t verwe<strong>ch</strong>selt<br />
werden. Dabei ist ein wi<strong>ch</strong>tiges Zei<strong>ch</strong>en,<br />
ob das Kind auf die erwähnten starken<br />
Gefühle anspri<strong>ch</strong>t. Eine weitere Äusserung<br />
Rudolf Steiners in diesem Zusammenhang:<br />
«I<strong>ch</strong> kann ni<strong>ch</strong>t einsehen, dass<br />
es so fur<strong>ch</strong>tbar s<strong>ch</strong>limm sein soll, wenn so<br />
ein Junge einfa<strong>ch</strong> da ist. Ganz spurlos geht<br />
es ni<strong>ch</strong>t vorüber. Das Unbewusste hört die<br />
Sa<strong>ch</strong>e. Bei ihm müsste man warten, bis er<br />
14 Jahre alt ist. Er sollte mögli<strong>ch</strong>st entlastet<br />
werden; wenig Unterri<strong>ch</strong>tsstoff, und<br />
der sollte stark wirksam sein.» (GA 300c,<br />
Konferenz vom 29.4.1924)<br />
Aufmerksamheit und Liebesfähigkeit<br />
Natürli<strong>ch</strong> dürfen wir es ni<strong>ch</strong>t zulassen,<br />
dass Kinder reine Statisten in der Klasse<br />
werden. «Stark wirksam», «starke Gefühle»,<br />
«das Physis<strong>ch</strong>-Leibli<strong>ch</strong>e wie au<strong>ch</strong><br />
das Ätheris<strong>ch</strong>-Leibli<strong>ch</strong>e so weit vorwärts<br />
bringen, dass der Mens<strong>ch</strong> si<strong>ch</strong> eben frei<br />
entwickeln kann» sind Forderungen an<br />
uns Begleiterinnen und Begleiter, die von<br />
uns hö<strong>ch</strong>ste A<strong>ch</strong>tsamkeit, Aktivität und<br />
Liebefähigkeit erfordern.<br />
Integration statt Selektion ist eine Aufgabe,<br />
die ni<strong>ch</strong>t lei<strong>ch</strong>t zu bewältigen ist.<br />
Es ist eine ho<strong>ch</strong>moderne Aufgabe, die<br />
Jacques Delors im Folgenden beleu<strong>ch</strong>tet:<br />
24 25
«Na<strong>ch</strong>dem si<strong>ch</strong> die Kommission diese<br />
Gedanken zu eigen gema<strong>ch</strong>t hatte, hob<br />
sie eine der vier Säulen, die sie als tragendes<br />
Gerüst von Bildung sieht, besonders<br />
hervor: Lernen, zusammenzuleben,<br />
bei den Mens<strong>ch</strong>en Verständnis für die<br />
Mitmens<strong>ch</strong>en, für ihre Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te, Traditionen<br />
und geistigen Werte entwickeln.»<br />
(Jacques Delors: Lernfähigkeit – Unser<br />
verborgener Rei<strong>ch</strong>tum)<br />
Lernen als soziale Tätigkeit<br />
THOMAS MARTI<br />
Vermittler des Gefühls- und Willenslebens,<br />
Grundlage begriffli<strong>ch</strong>en Denkens<br />
Rhythmus –<br />
ein S<strong>ch</strong>lüssel<br />
zum Lernen<br />
Lernen, zusammenzuleben als wi<strong>ch</strong>tigste<br />
Säule der Bildung in der Zukunft beinhaltet<br />
natürli<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t nur das Zusammenleben<br />
unter den Kindern; dazu gehört das<br />
Zusammenleben von uns Erwa<strong>ch</strong>senen.<br />
Das Konzept «Integration statt Selektion»<br />
kann nur fru<strong>ch</strong>tbar werden, wenn<br />
Eltern und Lehrpersonen, S<strong>ch</strong>ulärztin<br />
oder S<strong>ch</strong>ularzt, Therapeutinnen und Therapeuten<br />
so zusammenarbeiten, dass das<br />
Kind in jedem Moment im Mittelpunkt<br />
der Bemühungen steht. Das heisst, beim<br />
Lernen und Zusammenleben sind wir auf<br />
alle Beteiligten angewiesen, au<strong>ch</strong> auf die<br />
Eltern derjenigen Kinder, die keine besonderen<br />
Eine Pädagogik, die nur intellektuelle oder soziale Fähig-<br />
kann si<strong>ch</strong> diesen Erwerb vorstellen wie den unteren Klassen ganz besonderer nung um den Wert 4:1 statt (musikalis<strong>ch</strong><br />
Hemmnisse aufweisen, die keinen keiten im Blick hat, müsste einseitig sein, wenn ni<strong>ch</strong>t au<strong>ch</strong> die<br />
das Erlernen des Musizierens: Der Besitz Wert gelegt auf eine rhythmis<strong>ch</strong>e und entspri<strong>ch</strong>t das Verhältnis 4:1 der Doppe-<br />
besonders s<strong>ch</strong>lafenden Eindruck ma<strong>ch</strong>en. Entwicklung der körperli<strong>ch</strong>en Verfassung als zum ganzen<br />
einer Flöte oder Geige bedeutet ja no<strong>ch</strong> künstleris<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong>gestaltete Arbeit mit loktav). Bei Kindern im Kindergarten und<br />
Dazu geben neuere Fors<strong>ch</strong>ungen bedeutsame<br />
Hinweise: «Aufgrund der For-<br />
Verfassung ist quasi die irdis<strong>ch</strong>e Basis, auf der ein Mens<strong>ch</strong><br />
menten au<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>on gespielt werden kann. Eine Besonderheit des ausgereiften Rhythli<strong>ch</strong>e<br />
Wert bei 7:1, 6:1 oder 5:1 liegen.<br />
Mens<strong>ch</strong>en dazugehörig einbezogen würde. Die körperli<strong>ch</strong>e<br />
ni<strong>ch</strong>t automatis<strong>ch</strong>, dass auf diesen Instru-<br />
den Kindern.<br />
in den unteren Klassen kann der nä<strong>ch</strong>ts<strong>ch</strong>ung<br />
kann man von einer so genannten<br />
20/50% Regel ausgehen, d.h. solange<br />
kann. Die s<strong>ch</strong>önsten Ideen und ausgeklügeltsten Konzepte<br />
ihr Zusammenklingen bedürfen der lanmonisierung<br />
von Herzpuls und Atmung ab der 6. Klasse auf. Sie sind der «musi-<br />
im handfesten Sinne überhaupt erst handlungsfähig werden<br />
Das Beherrs<strong>ch</strong>en der Instrumente und mis<strong>ch</strong>en Systems ist die allnä<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>e Har-<br />
Erwa<strong>ch</strong>sene Werte treten erst ungefähr<br />
der Anteil weniger privilegierter S<strong>ch</strong>üler taugen ni<strong>ch</strong>ts, wenn sie ni<strong>ch</strong>t wirkli<strong>ch</strong> ins Leben hineingeführt<br />
gen und beharrli<strong>ch</strong>en Übung. Tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> während des S<strong>ch</strong>lafes. Rudolf Steiner hat kalis<strong>ch</strong>e» Ausdruck der Herz-/Atem- oder<br />
weniger als 20% einer Klasse ausma<strong>ch</strong>t,<br />
werden können und damit erst Hand und Fuss bekommen.<br />
müssen au<strong>ch</strong> die Instrumente des Rhythmis<strong>ch</strong>en<br />
Systems or<strong>ch</strong>estral gestimmt wer-<br />
si<strong>ch</strong> diese Harmonisierung in einem be-<br />
Was bedeutet dies nun alles Die Ver-<br />
bereits 1905 darauf hingewiesen, dass Rhythmis<strong>ch</strong>en Reife.<br />
ist anzunehmen, dass die Leistung dieser<br />
Unser Leib ist dafür das wi<strong>ch</strong>tigste Werkzeug.<br />
s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>teren S<strong>ch</strong>üler dur<strong>ch</strong> die hohe Anzahl<br />
von guten S<strong>ch</strong>ülern positiv beeinflusst<br />
den, um ihre Funktionen im Gesamtorganismus<br />
voll und ganz erfüllen zu können.<br />
stimmten Zahlenwert nieders<strong>ch</strong>lägt und hältnisse im Na<strong>ch</strong>ts<strong>ch</strong>laf geben ein Bild<br />
D<br />
Das Herz und das Au<strong>ch</strong> für das Lernen ist Rhythmus eine<br />
wird. Weiter kann man annehmen, dass so<br />
gesamte Kreislaufsystem<br />
gehören ge-<br />
muss aber selbst au<strong>ch</strong> erlernt und entordination<br />
von Atem- und Herzfunktionen<br />
wi<strong>ch</strong>tige Voraussetzung. Rhythmus<br />
Diese «Stimmung» oder rhythmis<strong>ch</strong>e Ko-<br />
Tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> müssen au<strong>ch</strong> die Instrumente<br />
des Rhythmis<strong>ch</strong>en Systems<br />
lange die Zahl der S<strong>ch</strong>üler mit s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>ten<br />
Lernvoraussetzungen weniger als 50%<br />
meinsam mit den wickelt werden. Wir können davon ausgehen,<br />
dass diese Fähigkeitsbildung die<br />
etwa 6 und 12 Jahren statt. Die volle<br />
findet zur Hauptsa<strong>ch</strong>e im Alter zwis<strong>ch</strong>en<br />
beträgt, die Leistungen der besseren<br />
Atemorganen zur<br />
S<strong>ch</strong>üler dur<strong>ch</strong> die anderen S<strong>ch</strong>üler ni<strong>ch</strong>t «Mitte» des Mens<strong>ch</strong>en. Ihre Tätigkeit ist ersten ungefähr zwölf bis vierzehn Lebensjahre<br />
beanspru<strong>ch</strong>t.<br />
ginnenden Jugendalter errei<strong>ch</strong>t, womit<br />
Herz-/Atem-Reife wird also erst im be-<br />
or<strong>ch</strong>estral gestimmt werden, um ihre<br />
negativ beeinträ<strong>ch</strong>tigt wird.» (Dr. Stefan ni<strong>ch</strong>t nur die Folge von Körpervorgängen<br />
im Organismus (Transport und Ver-<br />
die rhythmis<strong>ch</strong>e Organisation «erwa<strong>ch</strong>-<br />
Funktionen im Gesamtorganismus<br />
C. Wolter, Direktor der S<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>en<br />
Koordinationsstelle für Bildungsfors<strong>ch</strong>ung,<br />
Die Herz-/Atem-Reife<br />
teilung wi<strong>ch</strong>tiger Stoffe, Energieversorgung),<br />
die Organe widerspiegeln au<strong>ch</strong> Die Fähigkeit des Rhythmis<strong>ch</strong>en Sy-<br />
autonom wird. Namentli<strong>ch</strong> die ersten<br />
sen» und in einer gewissen Weise au<strong>ch</strong> voll und ganz erfüllen zu können.<br />
Aarau, in einem Referat anlässli<strong>ch</strong> der<br />
«Worlddidac» 2002, Züri<strong>ch</strong>)<br />
seelis<strong>ch</strong>e Vorgänge: Ein s<strong>ch</strong>nelles oder stems, körperli<strong>ch</strong>e und seelis<strong>ch</strong>-geistige<br />
S<strong>ch</strong>uljahre sind für das Kind eine rhythmologis<strong>ch</strong><br />
besonders sensible Zeit, wesfrequenz<br />
in einem einfa<strong>ch</strong>en mathemaderungen<br />
seelis<strong>ch</strong> bewältigen zu können<br />
si<strong>ch</strong> das Einpendeln der Puls- und Atem-<br />
ab von der Fähigkeit, die tägli<strong>ch</strong>en Anfor-<br />
S<strong>ch</strong>liessen mö<strong>ch</strong>te i<strong>ch</strong> mit einem kurzen langsames Herzklopfen, ein tiefer Seufzer<br />
oder ein stockender Atem sind ein koordinieren, ist ni<strong>ch</strong>t angeboren. Zwar<br />
halb der rhythmis<strong>ch</strong>en Gestaltung der tis<strong>ch</strong>en Verhältnis ausdrücken lässt: Beim und wieder «geordnete» und «stimmige»<br />
Vorgänge zusammenzubringen und zu<br />
Zitat von Conrad Ferdinand Meyer, das<br />
er seiner Di<strong>ch</strong>tung «Huttens letzte Tage» jeweils direkter Ausdruck vielfältigster haben si<strong>ch</strong> während der Embryonal- und<br />
Lebensbedingungen eine herausragende gesunden Erwa<strong>ch</strong>senen liegt dieser Wert Verhältnisse herzustellen. Ein regenerierender,<br />
gesundender S<strong>ch</strong>laf ist objektiv<br />
voransetzt:<br />
psy<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>er Zustände und Vorgänge. Fötalentwicklung die Organe Herz und<br />
Bedeutung für die Gesundheit der Kinder im Tiefs<strong>ch</strong>laf bei 4:1, d.h. auf vier Pulss<strong>ch</strong>läge<br />
kommt ein Atemzug (ausgedrückt dur<strong>ch</strong> die bes<strong>ch</strong>riebene Harmonisierung<br />
«... I<strong>ch</strong> bin kein ausgeklügelt Bu<strong>ch</strong>.<br />
In den Rhythmis<strong>ch</strong>en Organen greifen Lunge gebildet und sind auf die Geburt<br />
zukommt. Aus diesem Grund wird in den<br />
I<strong>ch</strong> bin ein Mens<strong>ch</strong>, mit seinem Widerspru<strong>ch</strong>...zesse<br />
intim ineinander und bestimmen Funktionen ausgereift. Die Fähigkeit<br />
sind diese Werte individuell und können je zei<strong>ch</strong>net, subjektiv wird beim Aufwa<strong>ch</strong>en<br />
körperli<strong>ch</strong>e und seelis<strong>ch</strong>-geistige Pro-<br />
hin zu elementaren physiologis<strong>ch</strong>en<br />
Rudolf Steiner S<strong>ch</strong>ulen hauptsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> in als QPA = Quotient Puls/Atem). Tagsüber des Puls-/Atem-Quotienten gekenn-<br />
Diesen Gedanken müssen wir ganz besonders<br />
im Umgang mit allen uns anvermis<strong>ch</strong>en<br />
Organe sind psy<strong>ch</strong>osomatis<strong>ch</strong>e si<strong>ch</strong> jeder Mens<strong>ch</strong> aber im Verlaufe seiters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong><br />
sein. Na<strong>ch</strong>ts dagegen findet erholt und gekräftigt». S<strong>ch</strong>lafstörungen<br />
THOMAS MARTI ist wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>er Projektleiter<br />
der basal-stufe an der Rudolf Steiner S<strong>ch</strong>ule<br />
we<strong>ch</strong>selseitig ihre Funktion. Die Rhyth-<br />
zum rhythmis<strong>ch</strong>en Zusammenspiel muss<br />
na<strong>ch</strong> äusseren Anforderung au<strong>ch</strong> sehr un-<br />
erlebt: «I<strong>ch</strong> fühle mi<strong>ch</strong> ausges<strong>ch</strong>lafen,<br />
Bern und Dozent an der «Freien Ho<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>ule für anthroposophis<strong>ch</strong>e<br />
Pädagogik» in Mannheim eine über-individuelle rhythmis<strong>ch</strong>e Ord-<br />
zeigen si<strong>ch</strong> physiologis<strong>ch</strong> in der Unfä-<br />
trauten Kindern immer wieder denken. Organe par excellence.<br />
ner Kindheit erst no<strong>ch</strong> erwerben. Man<br />
26 27
higkeit, die tägli<strong>ch</strong>e «Chaotisierung»<br />
na<strong>ch</strong>ts zu harmonisieren und zu ordnen.<br />
Ein disharmonis<strong>ch</strong>er und vom Goldstandard<br />
abwei<strong>ch</strong>ender QPA ist Ausdruck der<br />
Unfähigkeit, im S<strong>ch</strong>laf wieder zu vollen<br />
Kräften zu kommen.<br />
Das Rhythmis<strong>ch</strong>e System und seine Tätigkeit<br />
lässt si<strong>ch</strong> in einem Bild ausdrücken:<br />
Das Rhythmis<strong>ch</strong>e System ist wie eine Tänzerin,<br />
die ihre Bewegungen in ein sensibles<br />
We<strong>ch</strong>selspiel mit den Rhythmen der<br />
gespielten Musik zu bringen vermag. Dabei<br />
kann sie sowohl ganz bei si<strong>ch</strong> bleiben<br />
wie au<strong>ch</strong> ganz in der Musik leben und si<strong>ch</strong><br />
von ihr tragen lassen. Das Spieleris<strong>ch</strong>e ist<br />
ihr Element. Im Gegensatz zu mars<strong>ch</strong>ierenden<br />
Soldaten, die unpersönli<strong>ch</strong> werden<br />
müssen, um ihre uniformen S<strong>ch</strong>ritte na<strong>ch</strong><br />
dem me<strong>ch</strong>anis<strong>ch</strong>en Takt der Pauken ausri<strong>ch</strong>ten<br />
zu können, s<strong>ch</strong>wingt der Rhythmus<br />
des Tänzers und umspielt die Rhythmen<br />
der Musiker. Musiker und Tänzerin spielen<br />
miteinander und bringen erst dur<strong>ch</strong> dieses<br />
We<strong>ch</strong>selspiel hervor, was man einen lebendigen<br />
Gesamtrhythmus nennen kann.<br />
S<strong>ch</strong>ulis<strong>ch</strong>es Lernen<br />
Lernen ist weit mehr als ein blosses Aneignen<br />
von Fertigkeiten und Kenntnissen.<br />
Die an der Informationste<strong>ch</strong>nik orientierte<br />
Vorstellung, Lernen sei eine Art der Eingabe,<br />
der Verarbeitung und Spei<strong>ch</strong>erung von<br />
Daten, ist unzurei<strong>ch</strong>end. Eine blosse Datenverarbeitungsmas<strong>ch</strong>ine<br />
kann ja weder<br />
<strong>Interesse</strong> aufbringen no<strong>ch</strong> Begeisterung<br />
entfalten oder si<strong>ch</strong> gar langweilen! Das<br />
sind alles Seelenregungen, die zwar aufgrund<br />
des Gehirns bewusst werden können,<br />
ihre Wurzeln aber im Gefühls- und<br />
Willensleben haben. Für das Lernen ist<br />
diese Einwurzelung im ganzen Mens<strong>ch</strong>en<br />
unerlässli<strong>ch</strong>. Das Gefühls- und Willensleben<br />
wird dur<strong>ch</strong> das Rhythmis<strong>ch</strong>e System<br />
vermittelt.<br />
Zum Lernen gehört ni<strong>ch</strong>t nur das Gedä<strong>ch</strong>tnis<br />
und die Fähigkeit zum Erinnern,<br />
sondern au<strong>ch</strong> das Vergessen. Wie sonst<br />
sollten wir Fantasie entfalten und für<br />
Neues offen werden können, wenn wir<br />
ständig besetzt wären von der Gegenwart<br />
des s<strong>ch</strong>on Gewussten oder Bekannten<br />
Die Fähigkeit, si<strong>ch</strong> im ri<strong>ch</strong>tigen Moment<br />
an das Ri<strong>ch</strong>tige zu erinnern oder auf neue<br />
und zündende Ideen zu kommen, geht<br />
einher mit der Fähigkeit, au<strong>ch</strong> vergessen<br />
und loslassen zu können. Ein sol<strong>ch</strong>es<br />
Vergessen und Loslassen ges<strong>ch</strong>ieht aber<br />
immer na<strong>ch</strong>ts, wenn wir s<strong>ch</strong>lafen – es ist<br />
sogar die notwendige Bedingung dafür,<br />
überhaupt s<strong>ch</strong>lafen zu können!<br />
Aus der neueren S<strong>ch</strong>laffors<strong>ch</strong>ung ist empiris<strong>ch</strong><br />
gut belegt, dass das Gelernte na<strong>ch</strong>ts<br />
ni<strong>ch</strong>t verloren geht, sondern eine essenzielle<br />
Wandlung und Läuterung erfährt.<br />
Was wir gestern viellei<strong>ch</strong>t mit Mühe und<br />
Anstrengung gelernt haben, erfährt dur<strong>ch</strong><br />
den S<strong>ch</strong>laf eine Kräftigung und Verankerung<br />
in unserem Wesen, so dass wir na<strong>ch</strong><br />
dem Aufwa<strong>ch</strong>en die Erfahrung ma<strong>ch</strong>en<br />
können, wie wir jetzt mehr können als<br />
no<strong>ch</strong> vor dem Eins<strong>ch</strong>lafen am Vorabend.<br />
Au<strong>ch</strong> Probleme lösen si<strong>ch</strong> erstaunli<strong>ch</strong>erweise<br />
oft im S<strong>ch</strong>laf – wenn wir dieser<br />
Lösung vorher nur kräftig genug zugearbeitet<br />
haben. Der S<strong>ch</strong>laf spielt ganz<br />
ents<strong>ch</strong>ieden eine seelis<strong>ch</strong>-geistig klärende<br />
und kräftigende Rolle!<br />
Ein gesundes Lernen und das Vergessenkönnen<br />
gehören untrennbar zusammen.<br />
Ihre Verbindung ist eine ähnli<strong>ch</strong>e<br />
wie diejenige zwis<strong>ch</strong>en Aufwa<strong>ch</strong>en und<br />
Eins<strong>ch</strong>lafen oder zwis<strong>ch</strong>en dem Ein- und<br />
Ausatmen: Erst in ihrer rhythmis<strong>ch</strong>en<br />
We<strong>ch</strong>selwirkung kommt das Ganze des<br />
jeweiligen Vorgangs zum Tragen. Die<br />
Herz-/Atem-Reife geht also einher mit der<br />
Fähigkeit des ri<strong>ch</strong>tigen Eins<strong>ch</strong>lafen- und<br />
Aufwa<strong>ch</strong>enkönnens als Voraussetzung<br />
einer gesunden Lernkultur. Das Medium,<br />
wel<strong>ch</strong>es eine sol<strong>ch</strong>e Lernkultur fördert,<br />
heisst rhythmis<strong>ch</strong>-künstleris<strong>ch</strong>er Unterri<strong>ch</strong>t.<br />
Kinder verfügen über ein vollumfängli<strong>ch</strong>es,<br />
also au<strong>ch</strong> intellektuelles Lernvermögen<br />
erst, wenn sie fähig sind, si<strong>ch</strong><br />
selber im S<strong>ch</strong>laf zu ordnen und sozusagen<br />
Ans<strong>ch</strong>luss an die regenerierenden<br />
Ressourcen der Na<strong>ch</strong>t zu finden. Wie wir<br />
gesehen haben, ist dies ab etwa dem 12.<br />
bis 14. Lebensjahr der Fall.<br />
begriffli<strong>ch</strong>es Denken<br />
Die Entwicklung des Rhythmis<strong>ch</strong>en Systems<br />
hat no<strong>ch</strong> weitere Folgen für das<br />
Lernen des Kindes und Jugendli<strong>ch</strong>en: Die<br />
Herz-/Atem-Reife ist au<strong>ch</strong> eine Vorbedingung<br />
für das realitätsbezogene oder<br />
sa<strong>ch</strong>gemässe begriffli<strong>ch</strong>e Denken. - Da<br />
dieser Zusammenhang ni<strong>ch</strong>t einfa<strong>ch</strong> so<br />
auf der Hand liegt, versu<strong>ch</strong>e i<strong>ch</strong> ihn kurz<br />
zu erläutern:<br />
Wenn wir etwa sagen, dass wir irgendeine<br />
Ers<strong>ch</strong>einung aus ihren Ursa<strong>ch</strong>en heraus<br />
verstehen, dann ist dies nur mögli<strong>ch</strong>,<br />
weil wir die Ers<strong>ch</strong>einung ni<strong>ch</strong>t nur sinnli<strong>ch</strong><br />
wahrnehmen und erleben, sondern<br />
sie au<strong>ch</strong> begreifen und also in einem gesetzmässigen<br />
Zusammenhang mit anderen<br />
Ers<strong>ch</strong>einungen denkend erfassen können.<br />
Ein Beispiel: Aus dem Erlebnis eines<br />
sehr heissen und s<strong>ch</strong>wülen Sommertages<br />
ergibt si<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t ohne weiteres das<br />
Verständnis des abendli<strong>ch</strong>en heftigen<br />
Gewitters. Und aus dem Erleben dieses<br />
Gewitters verstehen wir au<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t<br />
unbedingt den erneut strahlenden und<br />
sonnigen Folgetag. Zunä<strong>ch</strong>st erleben wir<br />
ja nur eine Abfolge von we<strong>ch</strong>selnden atmosphäris<strong>ch</strong>en<br />
Ers<strong>ch</strong>einungen. Um diese<br />
jedo<strong>ch</strong> in ihrem inneren Zusammenhang<br />
au<strong>ch</strong> zu verstehen, müssen wir die Ers<strong>ch</strong>einungen<br />
ni<strong>ch</strong>t nur erleben, sondern<br />
au<strong>ch</strong> denken können. Das Erlebenkönnen<br />
ist dabei unerlässli<strong>ch</strong>, wenn wir zu den<br />
Phänomenen au<strong>ch</strong> einen begriffli<strong>ch</strong>en,<br />
denkenden Zugang bekommen wollen.<br />
Das begriffli<strong>ch</strong>e Denken ist die wi<strong>ch</strong>tigste<br />
Voraussetzung naturwissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>er<br />
Welterklärung und konstituiert im Wesentli<strong>ch</strong>en<br />
unser modernes Bewusstsein.<br />
Ohne begriffli<strong>ch</strong>es Denkvermögen würden<br />
wir in einer Welt der blossen Bilder und<br />
Empfindungen leben - bar jeder Mögli<strong>ch</strong>keit,<br />
ihren Zusammenhang au<strong>ch</strong> wirkli<strong>ch</strong><br />
verstehen zu können und zu tieferen Einsi<strong>ch</strong>ten<br />
zu kommen.<br />
Dieser begriffli<strong>ch</strong>e Zusammenhang ist<br />
meistens ein kausaler, also ein Zusammenhang<br />
von Ursa<strong>ch</strong>e und Wirkung. Der<br />
naive oder no<strong>ch</strong> kindli<strong>ch</strong>e Mens<strong>ch</strong> erlebt<br />
nur die zeitli<strong>ch</strong>e Abfolge von Ereignissen,<br />
ohne diese Abfolge aber au<strong>ch</strong> begriffli<strong>ch</strong><br />
dur<strong>ch</strong>dringen zu können. Jean Gebser<br />
hat dies das «mythis<strong>ch</strong>e Bewusstsein»<br />
genannt, das von Wirkungsges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten<br />
und vom Geheimnis ihrer magis<strong>ch</strong>en Hintergründe<br />
erfüllt ist. Erst im begriffli<strong>ch</strong>en<br />
Denken aber ist Aufklärung mögli<strong>ch</strong>, indem<br />
in der Wirkung au<strong>ch</strong> die Ursa<strong>ch</strong>e und<br />
in der Ursa<strong>ch</strong>e die Wirkung erfasst und<br />
geda<strong>ch</strong>t werden kann.<br />
Ursa<strong>ch</strong>e und Wirkung gehören begriffli<strong>ch</strong><br />
untrennbar zusammen. Es ma<strong>ch</strong>t keinen<br />
Sinn, von Ursa<strong>ch</strong>en zu reden, wenn i<strong>ch</strong><br />
keinen Begriff von Wirkung habe - und<br />
umgekehrt. In unserem Beispiel: Im Begriff<br />
«s<strong>ch</strong>wüler und heisser Sommertag» ist<br />
die Wirkung «heftiges Abendgewitters»<br />
glei<strong>ch</strong>sam veranlagt. Der Begriff umfasst<br />
ni<strong>ch</strong>t nur die Jahreszeit, die starke Sonneneinstrahlung<br />
mit hohen Temperaturen<br />
und einer hohen Luftfeu<strong>ch</strong>tigkeit, sondern<br />
ebenso die damit zusammenhängende atmosphäris<strong>ch</strong>e<br />
Dynamik, das ras<strong>ch</strong>e Aufziehen<br />
und mä<strong>ch</strong>tige Auftürmen von Wolken,<br />
die einsetzenden Böen, dann der heftige<br />
Wolkenbru<strong>ch</strong> usw. In all diesen Ers<strong>ch</strong>einungen<br />
ist das Gewitter als Wirkung sozusagen<br />
s<strong>ch</strong>on inbegriffen, es ist in seinen<br />
erkennbaren Ursa<strong>ch</strong>en s<strong>ch</strong>on anwesend,<br />
bevor das Gewitter mit Blitz und Donner<br />
ausbri<strong>ch</strong>t und uns als atmosphäris<strong>ch</strong>e Ers<strong>ch</strong>einung<br />
beeindruckt.<br />
Was hat dies alles mit Rhythmus und mit<br />
der Herz-/Atem-Reife zu tun Zunä<strong>ch</strong>st<br />
kann jetzt klar werden, dass kausales begriffli<strong>ch</strong>es<br />
Denken eine innere Bewegung<br />
voraussetzt, und zwar von der Ursa<strong>ch</strong>e zur<br />
Wirkung und von der Wirkung zur Ursa<strong>ch</strong>e.<br />
Das ist als Vorgang ni<strong>ch</strong>ts anderes, als<br />
was z.B. au<strong>ch</strong> die rhythmis<strong>ch</strong>e Verbindung<br />
s<strong>ch</strong>afft von Einatmen und Ausatmen oder<br />
von Aufwa<strong>ch</strong>en und Eins<strong>ch</strong>lafen. Um Begriffe<br />
bilden zu können und das Denken<br />
an die erfahrbare Realität anzus<strong>ch</strong>liessen,<br />
bedarf es einer Art dialektis<strong>ch</strong>er Bewegli<strong>ch</strong>keit,<br />
eine Kunst der inneren Gesprä<strong>ch</strong>sführung,<br />
dur<strong>ch</strong> wel<strong>ch</strong>e Gegensätze und<br />
Widersprü<strong>ch</strong>e, Trennendes und Verbindendes,<br />
Einfälle und Wahrnehmungen,<br />
Thesen und Antithesen etc. aufgefunden<br />
und zur Begegnung oder gar Aussöhnung<br />
geführt werden können. Diese Fähigkeit<br />
zum inneren Dialog hat als Voraussetzung<br />
die Fähigkeit, Differenzen und Spannungen<br />
seelis<strong>ch</strong> auszuhalten und ertragen<br />
zu können, sie sogar zu steigern und damit<br />
aktiv einer Lösung und Klärung zuzuführen.<br />
Diese Grundlagenfähigkeit zum begriffli<strong>ch</strong>en<br />
Denken ist mit dem Beginn des<br />
Jugendalters dur<strong>ch</strong> die Herz-/Atem-Reife<br />
gegeben. Es ist au<strong>ch</strong> die Zeit, in wel<strong>ch</strong>er<br />
si<strong>ch</strong> der Jugendli<strong>ch</strong>e selbst als Ursa<strong>ch</strong>e<br />
begreifen lernt und anfängt, Zukunft zu<br />
gestalten und Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te zu ma<strong>ch</strong>en.<br />
Die Herz-/Atem-Reife ist die Grundlage<br />
für das Aufkommen des so genannten<br />
Jugendidealismus.<br />
eine Zeitaufgabe<br />
Rhythmus bedeutet «Gestaltung in der<br />
Zeit»: Ruhe und Bewegung, Bes<strong>ch</strong>leunigung<br />
und Verlangsamung, äussere<br />
Aktivität und innere Konzentration, Vergessen<br />
und Erinnern, Leistung und Erholung,<br />
Eins<strong>ch</strong>lafen und Aufwa<strong>ch</strong>en, si<strong>ch</strong><br />
verwandelnde Wiederholungen etc. Das<br />
sind alles Beispiele sol<strong>ch</strong>er Gestaltungselemente<br />
in der Zeit. Was wir tagtägli<strong>ch</strong><br />
bewusst oder unbewusst tun und wie wir<br />
dabei die Zeitläufe gestalten, greift tief in<br />
das Rhythmis<strong>ch</strong>e System unseres Organismus<br />
ein und kann hier zu körperli<strong>ch</strong>en<br />
Auswirkungen führen. Im idealen Fall gibt<br />
Rhythmus Kraft, so wie au<strong>ch</strong> umgekehrt<br />
alle Einseitigkeiten wie ununterbro<strong>ch</strong>ene<br />
Leistungsbereits<strong>ch</strong>aft («Stress») oder<br />
Ruhelosigkeit und Hektik an den Kräften<br />
zehren und si<strong>ch</strong> auf die Dauer krankma<strong>ch</strong>end<br />
auswirken.<br />
Die Organe des Rhythmis<strong>ch</strong>en Systems<br />
sind eine Art Wahrnehmungsorgane für<br />
zeitli<strong>ch</strong>e Lebensverhältnisse. Sie funktionieren<br />
ni<strong>ch</strong>t nur rhythmis<strong>ch</strong> (Systole<br />
und Diastole des Herzens, Einatmen<br />
und Ausatmen), sie tun dies im intimen<br />
We<strong>ch</strong>selspiel mit den Aussenrhythmen,<br />
in wel<strong>ch</strong>en wir leben. Es ist deshalb ni<strong>ch</strong>t<br />
verwunderli<strong>ch</strong>, dass Herz- und Kreislauferkrankungen<br />
eigentli<strong>ch</strong>e Zivilisationskrankheiten<br />
sind und heute in der Rangliste der<br />
verbreitetsten ernsthaften Bes<strong>ch</strong>werden<br />
ganz vorne stehen. In den meisten Fällen<br />
treten die krankhaften Symptome erst<br />
na<strong>ch</strong> dem ungefähr 40. Lebensjahr auf.<br />
Aus jüngeren Untersu<strong>ch</strong>ungen ist aber<br />
bekannt, dass die ersten pathologis<strong>ch</strong>en<br />
Veränderungen am Herzen s<strong>ch</strong>on in der<br />
frühesten Jugendzeit, wenn au<strong>ch</strong> «verdeckt»,<br />
aber do<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong>weisbar auftreten.<br />
So haben Untersu<strong>ch</strong>ungen an jungen Organspendern<br />
ergeben, dass ungefähr 20<br />
% aller 13- bis 19-Jährigen bereits arteriosklerotis<strong>ch</strong>e<br />
Veränderungen der Herzkranzgefässe<br />
aufweisen und damit eine<br />
riskante Disposition für spätere Erkrankungen<br />
zeigen. Bei den 20- bis 29-Jährigen<br />
ist der Anteil von Betroffenen bereits<br />
mehr als verdoppelt. Es ist dabei bekannt,<br />
dass neben Rau<strong>ch</strong>en, Fehlernährung und<br />
mangelnder Bewegung der so genannte<br />
«Stress» (also die Dauerüberspannung,<br />
die Hektik und Atemlosigkeit) zu den<br />
Hauptrisikofaktoren gehört. Der Pflege<br />
rhythmis<strong>ch</strong>er Lebensverhältnisse kommt<br />
aus diesen Gründen eine ganz besondere<br />
Bedeutung zu.<br />
In der Pädagogik der Rudolf Steiner S<strong>ch</strong>ulen<br />
ist die Bedeutung des Rhythmus und<br />
der künstleris<strong>ch</strong> geführten Prozesse bereits<br />
in der Begründung umfassend erkannt<br />
worden und findet ihren Nieders<strong>ch</strong>lag<br />
ni<strong>ch</strong>t nur im Fä<strong>ch</strong>erkanon oder in<br />
der Unterri<strong>ch</strong>tsmethodik, sondern au<strong>ch</strong><br />
in der Gestaltung des Stundenplans und<br />
dem epo<strong>ch</strong>alen Unterri<strong>ch</strong>t. Die rhythmis<strong>ch</strong>-künstleris<strong>ch</strong><br />
gestaltete Arbeit mit<br />
den Kindern ist also ni<strong>ch</strong>t nostalgis<strong>ch</strong><br />
begründet und folgt ni<strong>ch</strong>t romantis<strong>ch</strong>en<br />
Harmoniebedürfnissen, sondern ist von<br />
grösster Aktualität und ergibt si<strong>ch</strong> als<br />
unabdingbare gesundheitsfördernde Notwendigkeit<br />
aus den gegenwärtigen Zivilisationsverhältnissen.<br />
1 weiterführende Literatur: Thomas Marti: Wie<br />
kann S<strong>ch</strong>ule die Gesundheit fördern Erziehungskunst<br />
und Salutogenese. Verlag Freies<br />
Geistesleben, Stuttgart 2006 (Kapitel «S<strong>ch</strong>lafen<br />
und Wa<strong>ch</strong>en»)<br />
28 29
PETER APPENZELLER<br />
musikpädagogik<br />
«Zoge<br />
am Boge…»<br />
D<br />
Dass der Musikunterri<strong>ch</strong>t<br />
heute wi<strong>ch</strong>tig<br />
sei, hört man immer<br />
wieder. Die Medien<br />
beri<strong>ch</strong>ten seit vielen<br />
Jahren vom Nutzen des Musikunterri<strong>ch</strong>ts,<br />
von Erfolgen mit mehr Musiklektionen pro<br />
Wo<strong>ch</strong>e auf Kosten von Hauptunterri<strong>ch</strong>tsfä<strong>ch</strong>ern<br />
im Sinne von «intelligenter dur<strong>ch</strong><br />
Musik». Man hört von der Ausgewogenheit<br />
beider Hirnhälften dur<strong>ch</strong> das Musikalis<strong>ch</strong>e<br />
und besonders erfreuli<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>eint mir<br />
die Tatsa<strong>ch</strong>e, dass Hirnfors<strong>ch</strong>er vor kurzer<br />
Zeit endgültig bewiesen haben, dass das<br />
Singen gesund sei (!).<br />
Bes<strong>ch</strong>eidenes Niveau<br />
Die Wissens<strong>ch</strong>aft feiert die Musik, no<strong>ch</strong> nie haben<br />
in Mitteleuropa so viele Kinder ein Instrument gespielt<br />
– do<strong>ch</strong> verkümmert das Singen und für viele<br />
ist Musik nur kommerziell-synthetis<strong>ch</strong> produzierte<br />
Geräus<strong>ch</strong>kulisse. Wie sieht vor diesem Hintergrund<br />
ein zeitgemässer Musikunterri<strong>ch</strong>t aus Peter<br />
Appenzeller plädiert vor allem für eines: «einfa<strong>ch</strong><br />
viel Musik zu ma<strong>ch</strong>en». Und die Stille zu a<strong>ch</strong>ten,<br />
«das Unhörbare hörbar zu ma<strong>ch</strong>en».<br />
sto mehr müssen wir uns um das reale<br />
musikalis<strong>ch</strong>e Leben bemühen! Was den<br />
Instrumentalunterri<strong>ch</strong>t in Musiks<strong>ch</strong>ulen<br />
anbelangt, kann man heute von grossen<br />
Entwicklungen spre<strong>ch</strong>en. No<strong>ch</strong> nie haben<br />
in Mitteleuropa so viele Kinder ein Musikinstrument<br />
gespielt wie heute. Übersehen<br />
wir aber au<strong>ch</strong> hier ni<strong>ch</strong>t die Realität: Sehr<br />
wenige Kinder spielen na<strong>ch</strong> den ersten Pubertätsjahren<br />
ihr Instrument no<strong>ch</strong> weiter.<br />
Die meisten verbleiben musikalis<strong>ch</strong> also<br />
auf einem relativ bes<strong>ch</strong>eidenen Niveau.<br />
Au<strong>ch</strong> Jugendor<strong>ch</strong>ester oder Instrumentalferienwo<strong>ch</strong>en<br />
werden von einem kleinen<br />
Prozentsatz von Kindern und Jugendli<strong>ch</strong>en<br />
besu<strong>ch</strong>t.<br />
Volksgesang vers<strong>ch</strong>windet<br />
jüngeren Lehrpersonen haben s<strong>ch</strong>on gar<br />
keine Ausbildung dafür erhalten. Der einstige<br />
Volksgesang mutiert Jahr für Jahr<br />
mehr zur Angelegenheit einiger Spezialisten,<br />
die mehr oder weniger originelle<br />
Veranstaltungen anbieten: Bekannte<br />
Liederma<strong>ch</strong>er, deren Lieder zunä<strong>ch</strong>st vor<br />
allem den Eltern gefallen und deren CD-<br />
S<strong>ch</strong>wemme dadur<strong>ch</strong> so man<strong>ch</strong>es Kinderund<br />
S<strong>ch</strong>ulzimmer errei<strong>ch</strong>t. Zugegeben, es<br />
hat einige s<strong>ch</strong>öne Melodien dabei, man<br />
bea<strong>ch</strong>te aber au<strong>ch</strong> die dazu gehörenden<br />
Worte: Ist es einfa<strong>ch</strong> «lässig», oder errei<strong>ch</strong>t<br />
das Lied die Kinderseele au<strong>ch</strong> in erzieheris<strong>ch</strong>er<br />
Form Die Sings<strong>ch</strong>ulen kämpfen<br />
ums Überleben (Angebot in mehreren<br />
S<strong>ch</strong>weizer Städten, na<strong>ch</strong> dem normalen<br />
Unterri<strong>ch</strong>t die Sings<strong>ch</strong>ulklassen zu besu<strong>ch</strong>en).<br />
Bestrebungen, Sings<strong>ch</strong>ullehrper-<br />
sind hoffnungsvoll, finanziell aber längst<br />
ni<strong>ch</strong>t überall staatli<strong>ch</strong> getragen.<br />
PETER APPENZELLER (*1955) ist Musikpädagoge,<br />
Chorleiter und Komponist. 30 Jahre Musiklehrer<br />
an der Rudolf Steiner S<strong>ch</strong>ule Züri<strong>ch</strong>. Leiter der<br />
S<strong>ch</strong>ulmusikseminare an den Freien Musiks<strong>ch</strong>ulen<br />
Basel und Züri<strong>ch</strong>. Zusammenarbeit mit der AfaP in<br />
Dorna<strong>ch</strong>. Mitverantwortli<strong>ch</strong> für die Musikpädagogik<br />
in vielen Seminarien und S<strong>ch</strong>ulen Italiens.<br />
Verbindende Kraft<br />
Ist das s<strong>ch</strong>on altmodis<strong>ch</strong>, dass wir au<strong>ch</strong> in<br />
den Rudolf Steiner S<strong>ch</strong>ulen die S<strong>ch</strong>weizer<br />
Volkslieder immer no<strong>ch</strong> mit grosser Freude<br />
singen Altmodis<strong>ch</strong> können sie dann<br />
wirken, wenn wir Eltern und Lehrpersonen<br />
ni<strong>ch</strong>t mehr vom Wert dieser Lieder überzeugt<br />
sind. Es liegt an uns! Die Kinder<br />
erleben die verbindende Kraft und die<br />
dur<strong>ch</strong> sol<strong>ch</strong>e Lieder vermittelte Geborgenheit<br />
ohnehin. Die Frage na<strong>ch</strong> dem<br />
wann und wie bleibt natürli<strong>ch</strong>. Wenn wir<br />
«Es Puurebüebli» vor dreissig Jahren in<br />
der 6. Klasse gesungen haben, so werden<br />
wir es heute si<strong>ch</strong>er früher bringen.<br />
Wissen wir denn heute no<strong>ch</strong>, dass sol<strong>ch</strong>e<br />
Melodien von grossem erzieheris<strong>ch</strong>em<br />
Wert sind Fast alle diese Lieder haben<br />
Refrains. Der Refrain ist die perfekte<br />
Sings<strong>ch</strong>ulung (Joli-duli..., fiderii, fideraa...,<br />
holderia,holalaia...). Jede Strophe<br />
trägt ihre Charakteristik, also singen wir<br />
stimmli<strong>ch</strong> variationenrei<strong>ch</strong>. Ganz abgesehen<br />
vom meist humorvollen Inhalt, was<br />
uns den S<strong>ch</strong>ulalltag wesentli<strong>ch</strong> erlei<strong>ch</strong>tern<br />
kann!<br />
Digitale Klangkulisse<br />
wel<strong>ch</strong>e von immer jüngeren Jugendli<strong>ch</strong>en<br />
mehr als tausendfa<strong>ch</strong> in der Hosentas<strong>ch</strong>e<br />
samt feinen Hördräht<strong>ch</strong>en mitgeführt<br />
und viel zu oft abgehört wird. Da wird ja<br />
ni<strong>ch</strong>t unbedingt zugehört. Diese Klangkulisse<br />
läuft einfa<strong>ch</strong> ab und vermittelt<br />
die jeweils gewüns<strong>ch</strong>te Stimmung. Man<br />
spri<strong>ch</strong>t heute au<strong>ch</strong> von «weghören», was<br />
Jugendli<strong>ch</strong>en natürli<strong>ch</strong> als S<strong>ch</strong>utz dient.<br />
Das sol<strong>ch</strong>erart Gehörte ist nur Illusion. Es<br />
ist ja gar keine wirkli<strong>ch</strong>e Musik. Verfolgt<br />
man den Weg einer heute übli<strong>ch</strong>en digitalen<br />
Musikaufnahme, so wird man bald<br />
bemerken, dass der lebendige Klang in<br />
ein synthetis<strong>ch</strong> erzeugtes, dem lebendigen<br />
täus<strong>ch</strong>end ähnli<strong>ch</strong>es Gegenbild verwandelt<br />
wird, wel<strong>ch</strong>es der Lautspre<strong>ch</strong>er dann<br />
von si<strong>ch</strong> gibt. Dieses an Lebenskraft fast<br />
völlig arme Klangwerk hören wir in meist<br />
Ma<strong>ch</strong>en wir uns ni<strong>ch</strong>ts vor: Je mehr Wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>keit<br />
das Musikalis<strong>ch</strong>e sozusagen<br />
Und das Singen In der Staatss<strong>ch</strong>ule<br />
Besonders ers<strong>ch</strong>werend für uns Musik-<br />
absi<strong>ch</strong>ert (Qualität si<strong>ch</strong>ert), de- mehrheitli<strong>ch</strong> vers<strong>ch</strong>wunden. Die meisten sonen in S<strong>ch</strong>ulklassen wirken zu lassen,<br />
lehrpersonen wirkt die konservierte Musik, billiger Qualität. Eine Beleidigung für<br />
30 31
unseren fein ausgebildeten Sinnesorganismus.<br />
Dieser wehrt si<strong>ch</strong>, indem er si<strong>ch</strong><br />
zurückzieht und unbewegli<strong>ch</strong> wird. Das<br />
kann ni<strong>ch</strong>t so s<strong>ch</strong>nell regeneriert werden;<br />
eine gewisse seelis<strong>ch</strong>e Dumpfheit stellt<br />
si<strong>ch</strong> ein. Bedenken wir, dass vor hundert<br />
Jahren jeder musikalis<strong>ch</strong>e Ton no<strong>ch</strong> von<br />
einer Person erzeugt wurde – es gab nur<br />
die lebendige Musik! So wundern wir uns<br />
au<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t, dass die absolute, erfüllte Stille<br />
heute kaum no<strong>ch</strong> erlebt wird.<br />
Was ist also zeitgemässer Musikunterri<strong>ch</strong>t<br />
Si<strong>ch</strong>er einmal: einfa<strong>ch</strong> viel Musik<br />
ma<strong>ch</strong>en! Wir haben einen kulturellen<br />
Auftrag, Kinder und Jugendli<strong>ch</strong>e in wertvolle<br />
Musik einzuführen. Singen und<br />
musizieren, was nur immer mögli<strong>ch</strong> ist.<br />
Viel mehr no<strong>ch</strong>, als wir in unseren S<strong>ch</strong>ulen<br />
bisher gewohnt sind! Man bedenke:<br />
Zwei Stunden in der Wo<strong>ch</strong>e sind viel zu<br />
wenig. Dazu müssten mindestens immer<br />
wieder Musikepo<strong>ch</strong>en gehalten werden.<br />
Da kann man einfa<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t mit anderen<br />
Fä<strong>ch</strong>ern verglei<strong>ch</strong>en. Ein S<strong>ch</strong>ulkollegium<br />
muss si<strong>ch</strong> im Klaren darüber sein, was<br />
es will! Die immer wieder vorges<strong>ch</strong>obene<br />
finanzielle Frage gibt es bei einem<br />
von der Musikpädagogik überzeugten<br />
<strong>ch</strong>e, die oft unerfahren vom Kollegium<br />
zu «Feuerwehrübungen» in der 7. bis 9.<br />
Klasse berufen werden.<br />
Erfüllte Innenwelt<br />
Wir haben glückli<strong>ch</strong>erweise die Eurythmie,<br />
die wir au<strong>ch</strong> zur Musik re<strong>ch</strong>nen dürfen.<br />
Die pädagogis<strong>ch</strong>e Eurythmie s<strong>ch</strong>afft notwendige<br />
Voraussetzungen zu einem neuen<br />
Musikverständnis: das wa<strong>ch</strong>e Wahrnehmen<br />
von Raumesverhältnissen und zeitli<strong>ch</strong>en<br />
Abläufen, das Harmonisieren eines sozialen<br />
Gefüges und das Dur<strong>ch</strong>leben eines musikalis<strong>ch</strong>en<br />
Prozesses im ganzen hörenden<br />
Lehrkörper ni<strong>ch</strong>t. Wenn die s<strong>ch</strong>ulis<strong>ch</strong>en<br />
Finanzen wirkli<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t genügen, muss<br />
man si<strong>ch</strong> an Stiftungen und Sponsoren<br />
wenden und musikalis<strong>ch</strong>e S<strong>ch</strong>ulprojekte<br />
vorstellen. Au<strong>ch</strong> sollte, wenn immer mögli<strong>ch</strong><br />
eine Musiklehrkraft in der Unterstufe<br />
mindestens einmal in der Wo<strong>ch</strong>e wirken<br />
können. Gerade die wesentli<strong>ch</strong>sten<br />
Übungen für das innere Hören lernt das<br />
Kind im Kindergarten und in den ersten<br />
drei S<strong>ch</strong>uljahren. Musiklehrer, die ab erster<br />
Klasse hinaufführen dürfen, werden<br />
in den interessanten (!) Pubertätsjahren<br />
weniger S<strong>ch</strong>wierigkeiten haben, als solund<br />
mitklingenden Mens<strong>ch</strong>enwesen. Zur<br />
heutigen Musikerziehung gehört eine fundamentale<br />
S<strong>ch</strong>ulung des Hörens, wobei<br />
hier vor allem das innere Hören gemeint<br />
ist. Dieses kann nur in der Stille entstehen.<br />
In einer jüngeren Klasse, die im Hauptunterri<strong>ch</strong>t<br />
na<strong>ch</strong> dem Erzählstoff in Ruhe<br />
zei<strong>ch</strong>net, entsteht da und dort ein Summen,<br />
das si<strong>ch</strong> zum Singen erweitern kann.<br />
Das kommt aus einer musikalis<strong>ch</strong> erfüllten<br />
Innenwelt. Diese Fähigkeit kann au<strong>ch</strong> über<br />
den Neunjahress<strong>ch</strong>ritt hinaus erhalten werden,<br />
wenn wir die Klassen altersgemäss in<br />
die hörende Stille führen. Au<strong>ch</strong> Zuhören<br />
lernen im Sinne von Taktgefühl entwickeln<br />
(im doppelten Sinne des Wortes), Bildung<br />
einer ehrfur<strong>ch</strong>tsvollen Stimmung (Musikstunden<br />
sind oft au<strong>ch</strong> Religionsstunden),<br />
Zusammenklingen vers<strong>ch</strong>iedener Charaktere,<br />
ist Auftrag des Musikunterri<strong>ch</strong>tes<br />
geworden. Das ist eigentli<strong>ch</strong> rhythmis<strong>ch</strong>e,<br />
melodis<strong>ch</strong>e und harmonis<strong>ch</strong>e Musikpädagogik.<br />
Alle Fä<strong>ch</strong>er werden in diesem Sinne<br />
musikalis<strong>ch</strong> und tragen dadur<strong>ch</strong> sehr viel<br />
zur Mens<strong>ch</strong>enbildung bei.<br />
Wa<strong>ch</strong>stumsprozesse unterstützen<br />
Rudolf Steiner lehrt den Künstlern, das<br />
Unhörbare hörbar zu ma<strong>ch</strong>en, die Pausen<br />
und das Wesen des Musikalis<strong>ch</strong>en<br />
zwis<strong>ch</strong>en den Tönen wahrzunehmen. Die<br />
eurythmis<strong>ch</strong>e Kunst lebt gerade darin!<br />
Damit kann si<strong>ch</strong> das künstleris<strong>ch</strong>e Element<br />
aus dem bausteinhaft materiellen,<br />
heutigen Denken herausheben und den<br />
lebendigen Wa<strong>ch</strong>stumsprozess des jungen<br />
Mens<strong>ch</strong>en bis ins Organis<strong>ch</strong>e hinein<br />
unterstützen. Die Stille vor dem Lied und<br />
das darauf folgende Na<strong>ch</strong>laus<strong>ch</strong>en sind<br />
Voraussetzungen dafür, dass dieses Lied<br />
aus der Vergangenheit hier ins Jetzt herein<br />
klingt und dann in eine Zukunft wieder abgegeben<br />
wird. Das ist prozessuales S<strong>ch</strong>affen,<br />
was als Gesetz au<strong>ch</strong> von Note zu Note<br />
gilt. Jede hier auf Erden ges<strong>ch</strong>riebene und<br />
daraufhin erklingende Note hat glei<strong>ch</strong>sam<br />
einen ihr zugehörenden Stern im Weltenall.<br />
Wird die Note im prozesshaften Sinne<br />
s<strong>ch</strong>ön gesungen oder gespielt – mit anderen<br />
Worten – hört man beim Singen oder<br />
Spielen glei<strong>ch</strong>sam den Stern mitklingen,<br />
so wird er au<strong>ch</strong> hell leu<strong>ch</strong>ten. Dann werden<br />
die Elementarwesen tätig, weil sie<br />
diese klingende Gebärde verstehen und<br />
darin leben können. Die Natur lebt auf.<br />
Hörbilder als Seelennahrung<br />
«I<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>aue in die Welt....i<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>aue in<br />
die Seele...» spre<strong>ch</strong>en die S<strong>ch</strong>üler der älteren<br />
Klassen im ihnen zugeda<strong>ch</strong>ten Morgenspru<strong>ch</strong><br />
von Rudolf Steiner. Da ist das<br />
musikalis<strong>ch</strong>e Prinzip darinnen: Was von<br />
aussen tönend an den Mens<strong>ch</strong>en heranwellt,<br />
lebt herna<strong>ch</strong> im Inneren, Seelis<strong>ch</strong>en<br />
weiter und wird Nahrung für sein Wesen.<br />
A<strong>ch</strong>ten wir also darauf, was die jungen<br />
Mens<strong>ch</strong>en zu hören bekommen, was wir<br />
für Hörbilder mit ihnen entstehen lassen.<br />
Arbeiten wir daran, bis sie s<strong>ch</strong>ön werden.<br />
Au<strong>ch</strong> die ästhetis<strong>ch</strong>e Erziehung ist eng mit<br />
dem Musikalis<strong>ch</strong>en verbunden.<br />
Lebendige Klangwelt<br />
Bei den jüngeren Kindern heisst es im<br />
Morgenspru<strong>ch</strong> «Der Sonne liebes Li<strong>ch</strong>t, es<br />
hellet mir den Tag...» – sie leben no<strong>ch</strong> im<br />
Sonnenli<strong>ch</strong>t als Ganzes und dürfen in diesem<br />
grossen Raum die lebendige Klangwelt<br />
wahrnehmen, ohne davon wirkli<strong>ch</strong> zu<br />
wissen. Hier können wir musikalis<strong>ch</strong> viel<br />
säen, was in reiferen S<strong>ch</strong>uljahren wä<strong>ch</strong>st<br />
und in den obersten Klassen bewusst erlebt<br />
werden kann: das melodis<strong>ch</strong> Fliessende,<br />
das harmonis<strong>ch</strong> Stimmungsvolle, in<br />
wel<strong>ch</strong>es man ganz eintau<strong>ch</strong>en kann (die<br />
kleinen Kinder sind immer halb träumend,<br />
aber ganz drin im Musikalis<strong>ch</strong>en, wenn<br />
wir sie entspre<strong>ch</strong>end führen) und das lebendig<br />
Rhythmis<strong>ch</strong>e, das si<strong>ch</strong> immer über<br />
das Taktieren s<strong>ch</strong>wingend heraushebt.<br />
Instrumentalspiel<br />
Aus dem laus<strong>ch</strong>enden Singen der kleinen<br />
Kinder wird ab der 4. Klasse beherzter und<br />
kräftiger Gesang, der si<strong>ch</strong> allmähli<strong>ch</strong> ins<br />
Mehrstimmige bis hin zum Erlebnis des<br />
grossen Chores entwickelt und dadur<strong>ch</strong><br />
immer wieder neue Nahrung erhält. Im<br />
Planetentanz einer Melodie wird der<br />
wa<strong>ch</strong>ende harmonis<strong>ch</strong>e Bes<strong>ch</strong>ützer, der<br />
Liederspirale» (Pforte Verlag, Dorna<strong>ch</strong>)<br />
darf i<strong>ch</strong> eine Sammlung meines eigenen<br />
pädagogis<strong>ch</strong>en Liedgutes für die Unterund<br />
Mittelstufe vorlegen, das zum Erlebnis<br />
der oben angeführten musikerzieheris<strong>ch</strong>en<br />
Elemente dienli<strong>ch</strong> sein kann. Die<br />
vers<strong>ch</strong>iedenen Stufen der Quint-, Quartund<br />
Terzempfindung sind mit vielen Liedern<br />
zum Jahreslauf, Jahresfesten usw.<br />
rei<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> erlebbar. In Hinweisen findet<br />
si<strong>ch</strong> jeweils eine kleine Einführung in die<br />
vers<strong>ch</strong>iedenen Erlebniswelten der Kinder<br />
und Jugendli<strong>ch</strong>en.<br />
Zur heutigen Musikerziehung gehört<br />
eine fundamentale S<strong>ch</strong>ulung des<br />
Hörens, wobei hier vor allem das<br />
innere Hören gemeint ist. Dieses<br />
kann nur in der Stille entstehen.<br />
ruhende Tierkreis als Heimat des Zusammenklangs,<br />
der Tonarten, immer deutli<strong>ch</strong>er<br />
wahrnehmbar. Das Instrumentalspiel<br />
fördert diesen Prozess in s<strong>ch</strong>önster<br />
Weise, weil es vom Kinde objektiv erlebt<br />
und in der Entwicklung immer mehr zu<br />
einem selbst gehörend erkannt werden<br />
kann. Wir lassen die Kinder der unteren<br />
Klassen auf Elementarinstrumenten erste<br />
feingliedrige Hörerfahrungen ma<strong>ch</strong>en. Da<br />
kann man die Freude am Musikalis<strong>ch</strong>en in<br />
jeder Klasse erleben! Die seelis<strong>ch</strong>en Berei<strong>ch</strong>e<br />
Denken, Fühlen und Wollen werden<br />
im Blasen (lei<strong>ch</strong>t zu spielende Fünftonflöte),<br />
Strei<strong>ch</strong>en (Strei<strong>ch</strong>psalter) und<br />
Zupfen/S<strong>ch</strong>lagen (Leier, Metallophontöne)<br />
wundersam angespro<strong>ch</strong>en und gefördert.<br />
Dann sollte es eigentli<strong>ch</strong> in allen S<strong>ch</strong>ulen<br />
so gehandhabt werden, dass jedes Kind<br />
ein Instrument lernen darf! Diese im sinnvollen<br />
Wo<strong>ch</strong>enrhythmus stattfindende<br />
Privatstunde bildet eine stützende Säule<br />
neben dem alltägli<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>ulbetrieb. Die<br />
Mögli<strong>ch</strong>keit, ab 4. /5. Klasse im Klassenor<strong>ch</strong>ester<br />
zu spielen, später in grösseren<br />
Formationen, ist für die heutige Zeit eine<br />
sehr wirkungsvolle soziale S<strong>ch</strong>ulung.<br />
S<strong>ch</strong>ulungsseminare<br />
All dies wäre mit Beispielen und Bes<strong>ch</strong>reibungen<br />
weiter auszuführen. Das<br />
kann im Rahmen meiner S<strong>ch</strong>ulmusikseminare<br />
in Basel und Züri<strong>ch</strong> erfahren<br />
werden. Mit meinem neuen Bu<strong>ch</strong> «Die<br />
32 33
Ute Hallas<strong>ch</strong>ka<br />
Der K(r)ampf mit dem eigenen Leib<br />
Eurythmie –<br />
eine Liebeserklärung<br />
Bild: Charlotte Fis<strong>ch</strong>er<br />
Solange diese Kunst von Erwa<strong>ch</strong>senen ni<strong>ch</strong>t gepflegt wird,<br />
hat sie au<strong>ch</strong> bei den Kindern keine Chance.<br />
A<br />
ls erstes soll gesagt<br />
sein: Liebe Eu-<br />
das – aus der Haltung von Abwehr und i<strong>ch</strong> das ma<strong>ch</strong>e. Wie man da rumstolpert,<br />
das Bewusstsein kommt ni<strong>ch</strong>t mehr mit – wohin mit den Armen und Händen. Aber Mag der ers<strong>ch</strong>einen, wie er will, er ist ein-<br />
– ohne Liebe zu ihr. Sie ist Kunst, wie soll man will – das sieht ni<strong>ch</strong>t gut aus, wenn<br />
Aber siehe da, es passiert Unglaubli<strong>ch</strong>es, steht dumm im Weg rum und weiss ni<strong>ch</strong>t, Autonomie des eigenen Bewegungssinns.<br />
rythmie, Du kannst Widerstand – gehen<br />
hilflos mit den Armen rudert und über die<br />
als ob man plötzli<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t mehr wüsste, alle wissen: Das wird s<strong>ch</strong>on. Alle wissen malig. Es ist wesentli<strong>ch</strong> deiner – unter all<br />
ni<strong>ch</strong>ts dafür, dass Laut Karl Valentin ist Kunst s<strong>ch</strong>ön, ma<strong>ch</strong>t eigenen Füsse fällt. Voll peinli<strong>ch</strong>, wie ein<br />
wo vorn und hinten ist, als ob man gegen<br />
unsi<strong>ch</strong>tbare Hindernisse prallte. Das man si<strong>ch</strong> frei in der Hingabe an die Rolle du di<strong>ch</strong> so in deinem Körper. Das bist du,<br />
Bes<strong>ch</strong>eid: Das ist Kunst. Irgendwann spielt den Milliarden Erdbewohnern fühlst nur<br />
Du mit so vielen Klis<strong>ch</strong>ees<br />
aber viel Arbeit. Im Fall der Eurythmie hat Opfer, eine Zumutung!<br />
von Leuten<br />
behängt wirst, die Di<strong>ch</strong> gar ni<strong>ch</strong>t kennen.<br />
Aber als zweites muss gefragt werden:<br />
Woran liegt das denn, es muss do<strong>ch</strong> einen<br />
die Arbeit Hand und Fuss, ihr Arbeitsplatz<br />
ist die mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e Leibli<strong>ch</strong>keit. Hier liegt<br />
das Problem. Wieso sollten es Jugendli<strong>ch</strong>e<br />
gut finden, an ihrer eigenen Gestalt zu arbeiten<br />
Gehen wir davon aus, dass ein Di<strong>ch</strong>terwort<br />
no<strong>ch</strong> Gültigkeit hat und sagen mit<br />
Ingeborg Ba<strong>ch</strong>mann: Die Wahrheit ist<br />
dem Mens<strong>ch</strong>en zumutbar. In der Euryth-<br />
ma<strong>ch</strong>t hilflos und aggressiv. Wie soll das<br />
ein Jugendli<strong>ch</strong>er aushalten, ohne die Krise<br />
zu kriegen<br />
Das geht nur dur<strong>ch</strong> ein Vorbild, wie immer<br />
und dann kleidet sie. S<strong>ch</strong>auspiel ist auf<br />
jeden Fall cool und geniesst Renommée<br />
draussen in der Welt. Wer wäre ni<strong>ch</strong>t gern<br />
ein grosser S<strong>ch</strong>auspieler, alle mussten ja<br />
es ist deine Persönli<strong>ch</strong>keit, die diesen<br />
Körper trägt, ihn bewohnt, bewegt, zum<br />
Lebensausdruck bringt. Dies einzusehen,<br />
dazu verhilft Eurythmie.<br />
Anders wäre die Sa<strong>ch</strong>e natürli<strong>ch</strong>, mie wird die Wahrheit si<strong>ch</strong>tbar, dass der<br />
in der Kunst. Nehmen wir die Theaterkunst mal klein anfangen…<br />
Grund dafür geben Also ma<strong>ch</strong>en wir uns<br />
Übung der Lebenskräfte<br />
ni<strong>ch</strong>ts vor und geben zu: Du wirst ni<strong>ch</strong>t immer<br />
geliebt, sogar an Waldorfs<strong>ch</strong>ulen oft s<strong>ch</strong>iene und verkündigen würde: Pass mal hat – dass er in Wirkli<strong>ch</strong>keit ni<strong>ch</strong>t Ma<strong>ch</strong>t<br />
Drama: Niemand ma<strong>ch</strong>t bei den ersten<br />
Da sie nun aber eine Kunst ist, ergeht<br />
wenn über Na<strong>ch</strong>t ein Engel im Traum er-<br />
Mens<strong>ch</strong> seinen Körper ni<strong>ch</strong>t in der Hand<br />
als Beispiel. Am Anfang ein ähnli<strong>ch</strong>es<br />
Kaum Vorbilder<br />
eher geduldet aus Respekt vor den Ideen<br />
Rudolf Steiners. Mathematik wird au<strong>ch</strong><br />
eher selten aus vollem Herzen geliebt,<br />
aber Mathematik ist wi<strong>ch</strong>tig, das weiss<br />
auf, morgen früh vor dem Spiegel, da hast<br />
du die Ma<strong>ch</strong>t, dir im Handumdrehen einen<br />
neuen Körper zu vers<strong>ch</strong>affen – s<strong>ch</strong>wupp –<br />
und s<strong>ch</strong>on siehst du genauso gut aus, wie<br />
hat über den Leib. Es sieht so aus im Alltag,<br />
als könne er das – ihn von oben bis<br />
unten beherrs<strong>ch</strong>en – aber das stimmt<br />
ni<strong>ch</strong>t. Eurythmie konfrontiert uns mit der<br />
Proben eine gute Figur. Au<strong>ch</strong> da wird gehampelt<br />
und gezappelt, der eigene Körper<br />
Ute Hallas<strong>ch</strong>ka Eurythmiestudium 1984-88 in<br />
Liebe Eurythmie, Du bist eine arme Kunst,<br />
trotz Deiner Seidengewänder, Di<strong>ch</strong> gibt’s<br />
da draussen als Kunst ja kaum no<strong>ch</strong>. Beinah<br />
ausgestorben bist Du auf der Bühne,<br />
die bere<strong>ch</strong>tigte Frage von S<strong>ch</strong>ülerseite:<br />
Kann man mal sehen, wie das aussieht,<br />
wenn einer wirkli<strong>ch</strong> Lust dazu hat Hier<br />
liegt der Hund begraben. Es ist die Frage<br />
jeder. Ohne Mathe geht’s ni<strong>ch</strong>t, also muss du s<strong>ch</strong>on immer aussehen wolltest. Cool! (geistigen) Wirkli<strong>ch</strong>keit des körperli<strong>ch</strong>en<br />
Stuttgart, in freier Gruppe. Dana<strong>ch</strong> 10 Jahre in der hast keine Vorbilder, nur ein Urbild – das an die Wirkli<strong>ch</strong>keit der Erwa<strong>ch</strong>senen: Wie<br />
Erwa<strong>ch</strong>senenbildung. Kurse in Eurythmie, Poetik,<br />
das irgendwie gehen, reingehen in den – Extrem uncool s<strong>ch</strong>eint dagegen die Forderung<br />
der Eurythmie: Bewege di<strong>ch</strong> von gungen, total anspru<strong>ch</strong>slos auf leibli<strong>ch</strong>er<br />
als Autorin, Journalistin, Theaterpädagogin u.a. nen Körper jenseits aller Rollenbilder und sie Damit s<strong>ch</strong>liesst si<strong>ch</strong> der Kreis dieser<br />
Seins. Sie erfordert ganz simple Bewe-<br />
Philosophie. Ans<strong>ch</strong>liessend freiberufli<strong>ch</strong>e Tätigkeit ist der freie Mens<strong>ch</strong>. Derjenige, der sei-<br />
haltet Ihr’s mit der Eurythmie, liebt Ihr<br />
Kopf. Eurythmie dagegen »Muss ni<strong>ch</strong>t<br />
sein«. Nur: Eurythmie kann gar ni<strong>ch</strong>t sein innen! Man kann das vers<strong>ch</strong>leiern, wie Ebene, das kann jeder, sollte man meinen.<br />
Klassenspiele in Waldorfs<strong>ch</strong>ulen, Regisseurin. Klis<strong>ch</strong>ees von innen wahrnimmt, aus der Betra<strong>ch</strong>tung. Jede Kunst brau<strong>ch</strong>t einen<br />
34 35
S<strong>ch</strong>auplatz. Wenn sie jedo<strong>ch</strong> in der S<strong>ch</strong>ule<br />
im Erfahrungsfeld der Erwa<strong>ch</strong>senen keine<br />
Würdigung findet, ist es damit s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>t<br />
bestellt. Das Wohl und Wehe dieser päd-<br />
In der Eurythmie wird die Wahrheit si<strong>ch</strong>tbar, dass der<br />
Mens<strong>ch</strong> seinen Körper ni<strong>ch</strong>t in der Hand hat – dass er in<br />
Wirkli<strong>ch</strong>keit ni<strong>ch</strong>t Ma<strong>ch</strong>t hat über den Leib.<br />
Eurythmie konfrontiert uns mit der (geistigen)<br />
Wirkli<strong>ch</strong>keit des körperli<strong>ch</strong>en Seins.<br />
agogis<strong>ch</strong>en Unternehmung liegt in der<br />
Anteilnahme von Eltern- und Lehrers<strong>ch</strong>aft.<br />
Damit aber steht es ni<strong>ch</strong>t zum besten.<br />
Wer soll sie den Kindern näherbringen,<br />
diese grosse Unbekannte, die Übung der<br />
Lebenskräfte<br />
Es zei<strong>ch</strong>net si<strong>ch</strong> hier ein neuzeitli<strong>ch</strong>er Bedarf<br />
an eurythmis<strong>ch</strong>er Öffentli<strong>ch</strong>keitsarbeit<br />
ab, handfest, praktis<strong>ch</strong>, bloss ni<strong>ch</strong>t<br />
wieder als Mission. Eurythmie wird als<br />
S<strong>ch</strong>ulfa<strong>ch</strong> auf Dauer nur zu halten sein,<br />
wenn sie leben darf als Kunst wenigstens<br />
im S<strong>ch</strong>ulbetrieb. Neue Künstler brau<strong>ch</strong>t<br />
der Betrieb, die zur Erwa<strong>ch</strong>senenbildung<br />
freigestellt werden. Dann, wenn Eurythmie<br />
von der S<strong>ch</strong>ulgemeins<strong>ch</strong>aft tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong><br />
getragen und erlebt wird, kann si<strong>ch</strong><br />
lei<strong>ch</strong>ter das Wunder ereignen, das si<strong>ch</strong><br />
heute die Eurythmisten nebenbei aus den<br />
Kno<strong>ch</strong>en s<strong>ch</strong>inden: dass man Zeuge der<br />
unglaubli<strong>ch</strong>en Metamorphose wird, wie<br />
ein verklemmter, eben no<strong>ch</strong> halbwü<strong>ch</strong>sig<br />
ungelenker Körper plötzli<strong>ch</strong> alle Bes<strong>ch</strong>ränkung<br />
abwirft. Seine Seele breitet weit ihre<br />
Flügel aus … S<strong>ch</strong>ön wie ein Engel, als ein<br />
Inbegriff von Würde ers<strong>ch</strong>eint da plötzli<strong>ch</strong><br />
des Mens<strong>ch</strong>en Bild. So s<strong>ch</strong>ön, dass man<br />
weinen könnte vor Begeisterung. Kann<br />
sein, es kommt mal irgendwann ein Weltkünstler<br />
vorbei und sieht das ein.<br />
So wie mit Steiners Wandtafelzei<strong>ch</strong>nungen<br />
damals, aber die Eurythmie kann<br />
man ni<strong>ch</strong>t in Ar<strong>ch</strong>iven einlagern und für<br />
die Zukunft aufbewahren. Also los, Ihr Erwa<strong>ch</strong>senen,<br />
ab an die Arbeit. Die Kinder<br />
warten drauf.<br />
Na<strong>ch</strong> der Matura 1996 gründete Franz<br />
Bittmann das Snowboardbekleidungslabel<br />
«eleven». Zuerst hat er parallel dazu<br />
in einem Laden gearbeitet, seit 2000 ist<br />
er auss<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> für «eleven» tätig, hat<br />
heute vier Mitarbeiter, Produktionen in<br />
vers<strong>ch</strong>iedenen Ländern und Vertriebe in<br />
Europa und der S<strong>ch</strong>weiz (www.eleven.<strong>ch</strong>).<br />
«I<strong>ch</strong> erinnere mi<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong> gut an den<br />
ersten Bazar während der ersten Klasse,<br />
einfa<strong>ch</strong> überwältigend. Oder mein erstes<br />
Johannispiel, der Geru<strong>ch</strong> von fris<strong>ch</strong> ges<strong>ch</strong>nittenen<br />
Zweigen im grossen Saal.<br />
Au<strong>ch</strong> der ausfahrbare Stern im Hirtenspiel<br />
hat bei mir einen bleibenden Eindruck hinterlassen.<br />
Au<strong>ch</strong> erinnere i<strong>ch</strong> mi<strong>ch</strong> an meinen<br />
Bankna<strong>ch</strong>barn, der glei<strong>ch</strong> am ersten<br />
Tag vor die Türe musste und das mit ei-<br />
Franz Bittmann, 1976<br />
Jungunternehmer<br />
für Snowboardbekleidung<br />
Rudolf Steiner S<strong>ch</strong>ule Züri<strong>ch</strong> 1983-1995<br />
ner ‚Coolness‘ meisterte, während bei mir te, begleitete mi<strong>ch</strong> auf meinem Lebensweg<br />
ken an der S<strong>ch</strong>ule und die Inkonsequenz,<br />
na<strong>ch</strong>her oft die Tränen flossen.<br />
bisher treu und verlässli<strong>ch</strong>, und i<strong>ch</strong> mit der Regeln aufgestellt und Ideale verken<br />
Dann kommen mir s<strong>ch</strong>nell die vers<strong>ch</strong>iedenen<br />
fühle mi<strong>ch</strong> allen Aufgaben gewa<strong>ch</strong>sen, teidigt wurden, denen dann oft au<strong>ch</strong> Leh-<br />
Lager und Praktika in den Sinn: der Rucksack wurde gut gepackt. Was i<strong>ch</strong> rer ni<strong>ch</strong>t gere<strong>ch</strong>t werden konnten. Au<strong>ch</strong><br />
Wie wir in Oberwald den Wald säuberten, ausser dem S<strong>ch</strong>ulstoff aus dieser Zeit mitgenommen<br />
dass der Einzug der neuen Te<strong>ch</strong>nologien<br />
in Sedrun eine Zufahrtsstrasse ausmassen<br />
habe sind: Offenheit gegenü-<br />
in den S<strong>ch</strong>ulalltag der Oberstufe so vieler<br />
und auf der Ile d’ Yeu mit dem Velo ber Neuem, das objektive Herangehen an Diskussionen bedurfte, war für uns ni<strong>ch</strong>t<br />
vers<strong>ch</strong>iedene praktis<strong>ch</strong>e Untersu<strong>ch</strong>ungen Probleme, die Kreativität, das selbständige na<strong>ch</strong>vollziehbar.<br />
ma<strong>ch</strong>ten. Das Abs<strong>ch</strong>lusslager in Italien Arbeiten und das räumli<strong>ch</strong>e Vorstellungsvermögen.<br />
Wenn i<strong>ch</strong> mi<strong>ch</strong> heute mit S<strong>ch</strong>ülern der öf-<br />
mit den Diskussionsrunden, dem gemeinsamen<br />
Alles Eigens<strong>ch</strong>aften, die mir fentli<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>ule verglei<strong>ch</strong>e, so komme<br />
Musizieren, den ausgiebigen bei meinem jetzigen Beruf als Designer, i<strong>ch</strong> aber zum S<strong>ch</strong>luss, dass i<strong>ch</strong> eine rei<strong>ch</strong>haltige,<br />
nä<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>en Streifzügen, alles no<strong>ch</strong>, wie Verkäufer und in der Personal- und Firmenführung<br />
facettenrei<strong>ch</strong>e S<strong>ch</strong>ulbildung ge-<br />
wenn es gestern gewesen wäre. Es fallen<br />
zugute kommen. Au<strong>ch</strong> beniessen<br />
durfte und in gewissen Berei<strong>ch</strong>en<br />
mir nur no<strong>ch</strong> positive Eindrücke, Erlebnisse<br />
wundere i<strong>ch</strong> im Na<strong>ch</strong>hinein den Enthusi-<br />
Vorteile habe, z.B. was Sozialkompetenz,<br />
und s<strong>ch</strong>öne Erinnerungen an diese asmus meiner damaligen Lehrer, die uns Kreativität und Dur<strong>ch</strong>haltewillen anbewundere<br />
Lager ein. Au<strong>ch</strong> die eigentli<strong>ch</strong>e S<strong>ch</strong>ulzeit unermüdli<strong>ch</strong> und mit grossem Einsatz langt. Keine Rolle spielt heute, dass i<strong>ch</strong> die<br />
ruft bei mir eine positive Grundstimmung unterri<strong>ch</strong>tet und si<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> über S<strong>ch</strong>ulangelegenheiten<br />
S<strong>ch</strong>nürlis<strong>ch</strong>rift erst in der 3. Klasse lernte<br />
hervor, i<strong>ch</strong> erinnere mi<strong>ch</strong> gerne an die Zeit<br />
hinaus für uns eingesetzt oder die Matura ein Jahr später absolvierte<br />
an der Plattenstrasse. Man<strong>ch</strong>mal vermisse haben. Ein paar unserer ‚Taten‘ im S<strong>ch</strong>ulzimmer<br />
als Staatss<strong>ch</strong>üler. Zugegeben: Die rauhen<br />
i<strong>ch</strong> heute die damalige Unbes<strong>ch</strong>wertheit,<br />
würde i<strong>ch</strong> im Na<strong>ch</strong>hinein gerne Winde, die in der Arbeitswelt wehen, kön-<br />
vor allem, wenn si<strong>ch</strong> die Probleme und unges<strong>ch</strong>ehen ma<strong>ch</strong>en.<br />
nen einen Steiners<strong>ch</strong>üler s<strong>ch</strong>on ziemli<strong>ch</strong><br />
Anforderungen vor mir auftürmen. Die Dur<strong>ch</strong>mis<strong>ch</strong>ung der Klassen mit S<strong>ch</strong>ülern<br />
beuteln; da wird kaum darauf gewartet,<br />
Das Wissen, wel<strong>ch</strong>es i<strong>ch</strong> mir an der RSS<br />
vers<strong>ch</strong>iedenster Herkunft, mit den bis einem ‚der Knopf aufgeht‘.»<br />
Züri<strong>ch</strong> und au<strong>ch</strong> an der MARS (i<strong>ch</strong> legte vers<strong>ch</strong>iedensten Fähigkeiten und Zielen<br />
dann eine Matura C ab) aneignen konn-<br />
im Leben, habe i<strong>ch</strong> immer als Berei<strong>ch</strong>e-<br />
36 37<br />
rung empfunden. Der Umgang mit den<br />
vers<strong>ch</strong>iedensten Mens<strong>ch</strong>en und die individuelle<br />
Förderung sehe i<strong>ch</strong> im Na<strong>ch</strong>hinein<br />
als grosses Plus. Weiter habe i<strong>ch</strong> es sehr<br />
ges<strong>ch</strong>ätzt, na<strong>ch</strong> den Ferien immer in die<br />
vertraute Klasse zurückzukehren und ein<br />
neues Jahr mit denselben Mits<strong>ch</strong>ülern in<br />
Angriff nehmen zu können.<br />
Dass i<strong>ch</strong> gelernt habe selbständig zu arbeiten,<br />
mi<strong>ch</strong> selbst zu motivieren, wurde<br />
seit meinem S<strong>ch</strong>ulende immer wi<strong>ch</strong>tiger.<br />
Im Alter von 14-16 Jahren jedo<strong>ch</strong> hatte i<strong>ch</strong><br />
ni<strong>ch</strong>t immer die nötige Disziplin, um alle<br />
Aufgaben anzugehen, da fehlte in gewissen<br />
Fä<strong>ch</strong>ern ein Lehrer mit starker Hand;<br />
solange man ni<strong>ch</strong>t negativ auffiel, konnte<br />
ja ni<strong>ch</strong>ts passieren.<br />
Gestört hat mi<strong>ch</strong> das etwas erstarrte Den-<br />
«I<strong>ch</strong> bewundere im Na<strong>ch</strong>hinein<br />
den Enthusiasmus<br />
meiner damaligen Lehrer.»<br />
Bild: Charlotte Fis<strong>ch</strong>er
BENZ SCHAFFNER<br />
Aktiv und mit Freude die Welt entdecken und in ihr tätig werden<br />
DasTurnen in der<br />
Rudolf Steiner S<strong>ch</strong>ule<br />
In der Arbeit mit seinem eigenen «Erdenwerkzeug», seinem Körper, geht der Mens<strong>ch</strong> mit der<br />
Bewegung dur<strong>ch</strong> viele Stationen (u.a. Altersstufen) bis hin zum freien Handeln. Da im Sportunterri<strong>ch</strong>t<br />
das Aktivsein ganz im Vordergrund steht, können die Kinder in den mannigfaltigen<br />
Berei<strong>ch</strong>en der Mens<strong>ch</strong>werdung (Sozialkompetenz, Eigenverantwortung usw.) besser aufwa<strong>ch</strong>en<br />
und si<strong>ch</strong> diese Eigens<strong>ch</strong>aften zu eigen ma<strong>ch</strong>en.<br />
BENZ SCHAFFNER ist seit 20 Jahren Lehrer in der<br />
Rudolf Steiner S<strong>ch</strong>ule Basel, heute als Turnlehrer tätig.<br />
Er ist Gastdozent an der Afap in Dorna<strong>ch</strong> und<br />
an der Ho<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>ule in Mannheim.<br />
A<br />
ndli<strong>ch</strong>, die Tunhallentüre<br />
öffnet si<strong>ch</strong>,<br />
und die Drittklässler<br />
strömen jau<strong>ch</strong>zend<br />
in den Saal.<br />
Aber halt, da stehen<br />
überall Geräte. Unruhig setzen si<strong>ch</strong> die<br />
Kinder an die Seite. Der Lehrer nimmt die<br />
Kinder in einer Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te mit auf die bevorstehende<br />
Reise: Mit Lianen wird über<br />
Flüsse ges<strong>ch</strong>wungen, es wird Felswände<br />
ho<strong>ch</strong>geklettert, über Klippen auf Sandbänke<br />
gesprungen usw. Die Kinderaugen werden<br />
gross und grösser, sie werden ruhig<br />
und staunen, wie der Lehrer ein Abenteuer<br />
na<strong>ch</strong> dem anderen besteht. Die Drittklässler<br />
hören au<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong>, dass es wi<strong>ch</strong>tig<br />
ist, einander über die vers<strong>ch</strong>iedenen Gegebenheiten<br />
zu helfen. Keiner überholt<br />
den anderen. Wir wollen als ganze Klasse<br />
diese Weltreise erleben. Und dann geht<br />
es los, und wenn es s<strong>ch</strong>wierig wird, ruft<br />
man den Lehrer.<br />
Später, in der 7. Klasse, wenn die S<strong>ch</strong>üler<br />
z.B. das Faustballspiel erlernen, sind sie<br />
anders gefordert: Mit vereinten Kräften<br />
wird der Ball aufgenommen, es entsteht<br />
ein Zusammenspiel und ein Einzelner<br />
s<strong>ch</strong>liesst den Angriff ab.<br />
In der 12. Klasse, beim Todess<strong>ch</strong>wung<br />
am hohen Reck, muss jeder S<strong>ch</strong>üler zuerst<br />
den Bewegungsablauf verstehen und<br />
erkennen. Hat er das <strong>Vertrauen</strong> in seine<br />
Erkenntnis gewonnnen, so kann er die<br />
Angst überwinden und die Übung ausführen.<br />
Der Todess<strong>ch</strong>wung ist im Grunde sehr<br />
einfa<strong>ch</strong> zum Turnen, sodass jeder Zwölftklässler<br />
mit Hilfestellung des Lehrers es<br />
wagen kann. Es brau<strong>ch</strong>t aber unglaubli<strong>ch</strong><br />
viel Mut zur Tat.<br />
In der Arbeit mit seinem eigenen «Erdenwerkzeug»,<br />
seinem Körper, geht der<br />
Mens<strong>ch</strong> mit der Bewegung dur<strong>ch</strong> viele<br />
Stationen (u.a. Altersstufen) bis hin zum<br />
freien Handeln. Vers<strong>ch</strong>iedene Untersu<strong>ch</strong>ungen<br />
haben gezeigt, dass 90% von<br />
dem behalten wird, was wir selbst ausprobieren<br />
und ausführen. Nur 50% des<br />
Gehörten und Gesehenen bleibt in Erinnerung,<br />
und sogar nur 10% des Gelesenen.<br />
Da im Sportunterri<strong>ch</strong>t das Aktivsein<br />
ganz im Vordergrund steht, können die<br />
Kinder in den mannigfaltigen Berei<strong>ch</strong>en<br />
der Mens<strong>ch</strong>werdung (Sozialkompetenz,<br />
Eigenverantwortung usw.) besser aufwa<strong>ch</strong>en<br />
und si<strong>ch</strong> diese Eigens<strong>ch</strong>aften zu eigen<br />
ma<strong>ch</strong>en. Dieses praktis<strong>ch</strong>e Tun findet<br />
im Turnen mit dem eigenen Körper statt.<br />
Das Kind lernt seine Physis dur<strong>ch</strong> die Bewegung<br />
kennen. Es kann erfahren, wie<br />
dur<strong>ch</strong> beharrli<strong>ch</strong>es Üben etwas errei<strong>ch</strong>t<br />
wird. Dur<strong>ch</strong> das Wiederholen eines Bewegungsablaufs<br />
erlebt das Kind mehr Si<strong>ch</strong>erheit,<br />
es wird in der Sa<strong>ch</strong>e selbständig. Der<br />
Erfolg stellt si<strong>ch</strong> ein, das Kind ist glückli<strong>ch</strong>.<br />
Freude dur<strong>ch</strong> Üben<br />
Die elementare Kraft, die das Kind, der<br />
Jugendli<strong>ch</strong>e dabei lernt, heisst: Arbeiten<br />
und Üben erzeugt Freude und i<strong>ch</strong> entwickle<br />
mi<strong>ch</strong> weiter. Im Sportunterri<strong>ch</strong>t, sei<br />
es in den Spielen, in der Gymnastik oder<br />
an den Geräten, ist die Auseinandersetzung<br />
des «Sportlers» mit si<strong>ch</strong> selber auf<br />
den vers<strong>ch</strong>iedensten Ebenen sehr intensiv<br />
(emotional, sozial, körperli<strong>ch</strong>, usw.). Dur<strong>ch</strong><br />
die Bewegung erfahre i<strong>ch</strong> sehr viel über<br />
mi<strong>ch</strong>, als ganzer Mens<strong>ch</strong>. Das Ergreifen<br />
meiner selbst in meinem Körper wird in<br />
diesem Unterri<strong>ch</strong>t zum Wi<strong>ch</strong>tigsten. I<strong>ch</strong><br />
muss in den vers<strong>ch</strong>iedensten Situationen<br />
lernen, mit mir umzugehen. Im Turnunterri<strong>ch</strong>t<br />
kann si<strong>ch</strong> das I<strong>ch</strong> mit seinem<br />
Leib verbinden.<br />
Die Spiele sind etwas ganz Besonderes<br />
für die Kinder. Sie beinhalten ein klares<br />
Regelwerk, die Voraussetzungen sind<br />
gegeben. Darin kann si<strong>ch</strong> das lernende<br />
Wesen aber frei bewegen. Je na<strong>ch</strong> Spiel<br />
brau<strong>ch</strong>t es Ruhe und Zurückhaltung, Ideen<br />
und sofortiges zupacken Können, oder<br />
Übersi<strong>ch</strong>t behalten und Wahrnehmen der<br />
Mitmens<strong>ch</strong>en, usw. Das alles sind Grundlagen<br />
zur Mens<strong>ch</strong>werdung. Waren dies<br />
au<strong>ch</strong> Gedanken von S<strong>ch</strong>iller, als er den<br />
Satz prägte: «Der Mens<strong>ch</strong> ist nur wirkli<strong>ch</strong><br />
Mens<strong>ch</strong>, wenn er spielt.»<br />
Lieben die Kinder die Spiele, weil sie wie<br />
eine Vorahnung für das Leben sind Die<br />
Gegebenheiten sind klar, jetzt kommt es<br />
darauf an, was i<strong>ch</strong> daraus ma<strong>ch</strong>e.<br />
Die Diskrepanz in der heutigen Gesells<strong>ch</strong>aft<br />
zwis<strong>ch</strong>en Theorie und Praxis ist<br />
allgegenwärtig. Immer wieder sehen wir,<br />
was jetzt anstünde und bringen es trotzdem<br />
ni<strong>ch</strong>t fertig, es in die Tat umzusetzen.<br />
Gerade hier setzt das Turnen wiederum<br />
den «Hebel» an. Es wird ein Spiel<br />
erklärt (altersgemäss), eine s<strong>ch</strong>wierige<br />
Übung am Barren wird bespro<strong>ch</strong>en oder<br />
ein koordinativ komplizierter Gymnastikteil<br />
steht uns bevor: Immer wird das<br />
miteinander Betra<strong>ch</strong>tete, theoretis<strong>ch</strong> Anges<strong>ch</strong>aute,<br />
sofort ins Praktis<strong>ch</strong>e übergeleitet.<br />
Je na<strong>ch</strong> S<strong>ch</strong>üler und Situation entsteht<br />
dann Begeisterung, Angst, Zurückhaltung,<br />
Übermut usw. Herrli<strong>ch</strong> ist es, zu<br />
erleben, wie alle S<strong>ch</strong>üler in der Klassengemeins<strong>ch</strong>aft<br />
keine Übung unversu<strong>ch</strong>t<br />
lassen. Dieses «Versu<strong>ch</strong>en», egal wie es<br />
vorerst gelingt, ist für den Turnlehrer das<br />
Wertvollste. Er hilft mit und s<strong>ch</strong>enkt den<br />
S<strong>ch</strong>ülern (Selbst-)<strong>Vertrauen</strong>. Viel Mut zur<br />
Tat wird damit dem Kind für sein Leben<br />
mitgegeben.<br />
Hauptunterri<strong>ch</strong>t vertiefen<br />
Als letztes mö<strong>ch</strong>te i<strong>ch</strong> kurz auf das fä<strong>ch</strong>erübergreifende<br />
Unterri<strong>ch</strong>ten eingehen: Die<br />
38 39<br />
Bild: Charlotte Fis<strong>ch</strong>er
Fünftklässler nehmen im Hauptunterri<strong>ch</strong>t<br />
die grie<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>e Epo<strong>ch</strong>e dur<strong>ch</strong>. Sie lernen<br />
die Korinther, Athener usw. kennen. Die<br />
olympis<strong>ch</strong>en Spiele werden dabei ein<br />
grosses Thema. Im Turnen wird dieses<br />
Sportfest dann z.B. als Korinther erlebt<br />
und empfunden. Der S<strong>ch</strong>üler kann dadur<strong>ch</strong><br />
das im Hauptunterri<strong>ch</strong>t Erarbeitete<br />
no<strong>ch</strong> einmal auf eine andere Art vertiefen.<br />
In unserer immer bewegungsärmeren<br />
Welt «s<strong>ch</strong>reien» die Kinder und Jugendli<strong>ch</strong>en<br />
na<strong>ch</strong> mehr sinnvoller körperli<strong>ch</strong>er<br />
Aktivität. Tägli<strong>ch</strong> erlebe i<strong>ch</strong> dieses überaus<br />
starke Bedürfnis in der S<strong>ch</strong>ule. Die mannigfaltigsten<br />
Untersu<strong>ch</strong>ungen haben gezeigt,<br />
dass die S<strong>ch</strong>üler mit mehr Sportunterri<strong>ch</strong>t<br />
im Dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>nitt die besseren Abs<strong>ch</strong>lüsse<br />
vorweisen, sei es an einer Fa<strong>ch</strong>ho<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>ule,<br />
bei einem Lehrabs<strong>ch</strong>luss oder<br />
im Gymnasium. Lasst uns mehr Turnhallen<br />
bauen! Die Kinder brau<strong>ch</strong>en Raum, um<br />
si<strong>ch</strong> mit gesunder Bewegung ganz praktis<strong>ch</strong><br />
auf das Leben vorbereiten zu können.<br />
Luc Frutiger, 1967<br />
Mitinhaber, Verwaltungsrat und Mitglied der<br />
Ges<strong>ch</strong>äftsleitung der Frutiger Gruppe<br />
Rudolf Steiner S<strong>ch</strong>ulen Bern und Ittigen 1974-1984<br />
Thomas Frutiger, 1966<br />
Mitinhaber, Verwaltungsrat und Mitglied der<br />
Ges<strong>ch</strong>äftsleitung der Frutiger Gruppe<br />
Rudolf Steiner S<strong>ch</strong>ulen Bern und Ittigen 1975-1981<br />
«Es ist auf jeden Fall ein Vorteil, dass wir gemeinsam<br />
die Rudolf Steiner S<strong>ch</strong>ule besu<strong>ch</strong>t haben;<br />
wir haben die glei<strong>ch</strong>en Wertvorstellungen.»<br />
In unserer immer bewegungsärmeren<br />
Welt<br />
«s<strong>ch</strong>reien» die Kinder und<br />
Jugendli<strong>ch</strong>en na<strong>ch</strong> mehr<br />
sinnvoller körperli<strong>ch</strong>er<br />
Aktivität. Die Kinder brau<strong>ch</strong>en<br />
Raum, um si<strong>ch</strong> mit<br />
gesunder Bewegung ganz<br />
praktis<strong>ch</strong> auf das Leben<br />
vorbereiten zu können.<br />
Luc und Thomas Frutiger sind seit 2001<br />
in vierter Generation Eigentümer der Familienunternehmung.<br />
Beide sind Mitglied<br />
des Verwaltungsrats und der Ges<strong>ch</strong>äftsleitung.<br />
Die Frutiger AG wurde 1869 gegründet,<br />
bes<strong>ch</strong>äftigt heute rund 1600<br />
Mitarbeitende und erzielte 2004 einen<br />
Umsatz von 419 Mio. Franken. Das Leistungsspektrum<br />
der Unternehmung rei<strong>ch</strong>t<br />
von der Bauproduktion (Ho<strong>ch</strong>-, Tief- und<br />
Strassenbau) über Gesamtlösungen als<br />
General- oder Totalunternehmer bis hin zu<br />
Spezialarbeiten. Seit 1998 ist die Frutiger<br />
AG Hauptsponsor des FC Thun.<br />
Luc Frutiger absolvierte zuerst eine Lehre<br />
als Tiefbauzei<strong>ch</strong>ner und bildete si<strong>ch</strong><br />
dana<strong>ch</strong> an der Fa<strong>ch</strong>ho<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>ule Burgdorf<br />
zum Bauingenieur HTL aus. Na<strong>ch</strong> seiner<br />
Ausbildung war er mehrere Jahre beim<br />
deuts<strong>ch</strong>en Grossunternehmen Bilfinger<br />
& Berger tätig, das einen Umsatz von<br />
mehreren Milliarden Euro pro Jahr erzielt.<br />
Dana<strong>ch</strong> arbeitete er als Bauingenieur<br />
in Taiwan, bevor er anfangs 2000 in<br />
die S<strong>ch</strong>weiz zurückkehrte und an der Uni<br />
St. Gallen (HSG) mit dem Executive MBA<br />
ein weiteres Studium abs<strong>ch</strong>loss. Privat lebt<br />
er in Hüniba<strong>ch</strong>, ist seit 1999 verheiratet<br />
und hat zwei Söhne. «I<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>ätze no<strong>ch</strong><br />
heute die vielseitige Ausbildung und den<br />
ganzheitli<strong>ch</strong>en Ansatz der Erziehung, den<br />
i<strong>ch</strong> genossen habe. In den weiteren Ausbildungen<br />
wie au<strong>ch</strong> in der Berufswelt ist<br />
das breite Spektrum der Steiner S<strong>ch</strong>ule<br />
stets ein Vorteil. Die Wertvorstellungen,<br />
die wir zu Hause und in der Steiner S<strong>ch</strong>ule<br />
mitbekommen haben helfen uns, im<br />
kompetitiven Umfeld der Bauwirts<strong>ch</strong>aft<br />
S<strong>ch</strong>werpunkte zu setzen.»<br />
Thomas Frutiger wollte eigentli<strong>ch</strong> Ar<strong>ch</strong>itekt<br />
werden, «aber dazu war meine kreative<br />
Ader ni<strong>ch</strong>t ausrei<strong>ch</strong>end». Er besu<strong>ch</strong>te<br />
das Wirts<strong>ch</strong>aftsgymnasium in Bern, studierte<br />
an der Uni St. Gallen (HSG), wurde<br />
Panzergrenadierrekrut und später Hauptmann<br />
– ohne die Ideale von Rudolf Steiner<br />
infrage zu stellen: Thomas Frutiger liebt<br />
Gegensätze und die persönli<strong>ch</strong>e Herausforderung.<br />
Privat lebt er in Muri bei Bern,<br />
ist seit 2002 mit einer Perserin verheiratet<br />
und hat zwei Söhne. Als Praktikumsdestination<br />
während seines Studiums an der<br />
HSG wählte er Hong Kong, er arbeitete als<br />
Marketing Trainee bei der Integrated Display<br />
Te<strong>ch</strong>nology (IDT). Um Erfahrungen bei<br />
einem baunahen Unternehmen im Ausland<br />
zu sammeln, ging er für Liebherr International<br />
als kaufmännis<strong>ch</strong>er Ges<strong>ch</strong>äftsführer<br />
na<strong>ch</strong> Brasilien. Später arbeitete er<br />
bei Swisscom International und wurde<br />
Direktor von Tel-Source Prag. Vor dem<br />
endgültigen Einstieg ins Familienunternehmen<br />
ging er für den österrei<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>en<br />
Baukonzern A. Porr AG als Projektentwickler<br />
na<strong>ch</strong> Wars<strong>ch</strong>au und Mün<strong>ch</strong>en, wo er<br />
berufsbegleitend den Immobilienökonomie-Lehrgang<br />
an der European Business<br />
S<strong>ch</strong>ool (ebs) absolvierte. «I<strong>ch</strong> kann heute<br />
no<strong>ch</strong> von der ganzheitli<strong>ch</strong>en Betra<strong>ch</strong>tungsweise<br />
der Waldorfpädagogik in dem<br />
komplexen Umfeld der Bauwirts<strong>ch</strong>aft profitieren.<br />
Für Luc und mi<strong>ch</strong> ist es auf jeden<br />
Fall ein Vorteil, dass wir gemeinsam die<br />
Rudolf Steiner S<strong>ch</strong>ule besu<strong>ch</strong>t haben; wir<br />
haben die glei<strong>ch</strong>en Wertvorstellungen.»<br />
40 41
HENNING KÖHLER<br />
Die Pubertät – Ni<strong>ch</strong>ts ist mehr si<strong>ch</strong>er:<br />
«Ist alles Fata Morgana Am Ende sogar i<strong>ch</strong> selber»<br />
Mephistophelis<strong>ch</strong>e<br />
Einflüsterung<br />
Pubertierende Jugendli<strong>ch</strong>e leben in einem Zwis<strong>ch</strong>enzustand des<br />
Ni<strong>ch</strong>t-mehr-Geborgenseins in der Wesenswelt und No<strong>ch</strong>-ni<strong>ch</strong>t-<br />
Orientiertseins in der Dingwelt. Die Kindheit s<strong>ch</strong>ütteln sie ab,<br />
sie verfeinden si<strong>ch</strong> ihr - um vorwärts eine neue Orientierung zu<br />
erringen. Dabei erleben sie vorübergehend Gutes wie Böses als<br />
glei<strong>ch</strong>ermassen faszinierend – und eine Stimme flüstert ihnen<br />
verführeris<strong>ch</strong> zu, dass es nur um eines ginge: abgebrühte S<strong>ch</strong>auspieler<br />
zu werden, nur ja ni<strong>ch</strong>t zu den «Loosern» zu gehören. –<br />
Beoba<strong>ch</strong>tungen und Gedanken zur «Innenseite der Pubertät».<br />
i<strong>ch</strong> mi<strong>ch</strong> anfreunden. Das Fasinosum des<br />
Dunklen (Ma<strong>ch</strong>t, Gewalt, Lüge, Gier) und<br />
das Faszinosum des Li<strong>ch</strong>tes (Güte, Hilfsbereits<strong>ch</strong>aft,<br />
Einfühlungsvermögen, Aufri<strong>ch</strong>tigkeit,<br />
Einsatz für die S<strong>ch</strong>wa<strong>ch</strong>en)<br />
werden vorübergehend als glei<strong>ch</strong>wertige<br />
Optionen erlebt. Man gibt es zwar lieber<br />
ni<strong>ch</strong>t offen zu (aus diplomatis<strong>ch</strong>en Gründen:<br />
die Erwa<strong>ch</strong>senen würden aus den<br />
Lats<strong>ch</strong>en kippen!), aber es ist so.<br />
Nehmen wir als Beispiel die Pop-Musik.<br />
Begeistert wird Xavier Naidoo gehört<br />
(religiös-poetis<strong>ch</strong>e Texte, ho<strong>ch</strong> moralis<strong>ch</strong>),<br />
und ebenso begeistert, direkt dana<strong>ch</strong>, der<br />
Gangsta-Rapper Eminem (betont finster<br />
und brutal). Die Jugendli<strong>ch</strong>en stehen unents<strong>ch</strong>ieden<br />
dazwis<strong>ch</strong>en. Sie spielen vers<strong>ch</strong>iedene<br />
faszinierende Mögli<strong>ch</strong>keiten<br />
dur<strong>ch</strong> – und unters<strong>ch</strong>ätzen man<strong>ch</strong>mal die<br />
Gefahren der allzu unbesorgten Annäherung<br />
an den Sog des Bösen. Aber im Prinzip<br />
ges<strong>ch</strong>ieht hier etwas Sinnvolles. Denn<br />
der Heranwa<strong>ch</strong>sende könnte keine autonome<br />
Moral entwickeln (im Unters<strong>ch</strong>ied<br />
zur anerzogenen), wenn er si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t<br />
wenigstens für einen kurzen Zeitraum<br />
dem Risiko dieser Ambivalenz aussetzen<br />
würde. – Und nun, in dieser indifferenten<br />
Phase, findet so etwas wie eine mephistophelis<strong>ch</strong>e<br />
Einflüsterung statt. (Mephisto<br />
ist in Goethes «Faust» der kluge, gebildete<br />
Verführer.)<br />
D<br />
Die Jugendjahre sind li<strong>ch</strong> bekannt, dass die «S<strong>ch</strong>wierigen» im<br />
finden. Zuerst vers<strong>ch</strong>affe dir Respekt! Sei <strong>ch</strong>e idealisieren insgeheim diese «mephistophelis<strong>ch</strong>e»<br />
Persönli<strong>ch</strong>keits-Option. Sie fen, bei denen es ni<strong>ch</strong>t so war. Und i<strong>ch</strong><br />
ganz selten habe i<strong>ch</strong> Pubertierende getrof-<br />
Jahre des Abs<strong>ch</strong>ieds Allgemeinen über bessere Bewältigungsressourcen<br />
verfügen als die Fügsamen.<br />
ner wie Tölpel aussehen, zeig ihnen, wer träumen davon, ein sol<strong>ch</strong>er Soziopath zu habe ja berufshalber ständig mit den so<br />
rücksi<strong>ch</strong>tslos, sei arrogant, lass deine Geg-<br />
und des inneren Aufbru<strong>ch</strong>s.<br />
Unbestimmtes («Bewältigungsressourcen» ist ein Begriff<br />
der Boss ist. Jeder soll wissen, dass du werden! Dahinter stecken Sozialängste, genannten «Gestrau<strong>ch</strong>elten» Umgang!)<br />
Heimweh mis<strong>ch</strong>t si<strong>ch</strong> aus der Salutogenesefors<strong>ch</strong>ung. Man versteht<br />
sehr, sehr unangenehm werden kannst. Unterlegenheitsängste. Am s<strong>ch</strong>limmsten Aber das ist eben nur die eine Seite des<br />
darunter die inneren Widerstands-<br />
Zuglei<strong>ch</strong> versu<strong>ch</strong>e herauszufinden, womit aber ist die Angst in Anbetra<strong>ch</strong>t der Tat-<br />
Ges<strong>ch</strong>ehens. Zu den grossen idealis<strong>ch</strong>en<br />
mit unbestimmtem<br />
Fernweh, Euphorie mit Traurigkeit, unbändige<br />
kräfte, die erforderli<strong>ch</strong> sind, um gestärkt Soziopathis<strong>ch</strong>e Tendenz<br />
du Mens<strong>ch</strong>en faszinieren kannst. Lass deinen<br />
sa<strong>ch</strong>e, dass man ni<strong>ch</strong>t lieben kann, ohne Urbildern gibt es au<strong>ch</strong> Gegenbilder. Und<br />
Unternehmungslust mit lähkräfte,<br />
mender Langeweile. Es ist ein heftiger<br />
Widerstreit der Gefühle. Sogar bei denen,<br />
die äusserli<strong>ch</strong> ruhig und ausgegli<strong>ch</strong>en wirken,<br />
muss man davon ausgehen, dass sie<br />
si<strong>ch</strong> oft in einem seelis<strong>ch</strong>en Tumult befinden.<br />
Das gilt au<strong>ch</strong> für die «Ju<strong>ch</strong>-hu, jetzt<br />
komm’ i<strong>ch</strong>!»-Typen, denen es gelingt, si<strong>ch</strong><br />
einen Ans<strong>ch</strong>ein von Dauerfröhli<strong>ch</strong>keit und<br />
sprühendem Selbstbewusstsein zu geben.<br />
Jahre später, wenn der Sturm längst vorüber<br />
ist, tau<strong>ch</strong>en man<strong>ch</strong>mal «Geheimdokumente»<br />
auf (Tagebu<strong>ch</strong>notizen, unabges<strong>ch</strong>ickte<br />
Briefe, Gedi<strong>ch</strong>tversu<strong>ch</strong>e), die<br />
aus einer Krise hervorzugehen.) Natürli<strong>ch</strong><br />
sollte die sozialen Einordnungsprobleme<br />
ein gewisses Mass ni<strong>ch</strong>t übersteigen. Aber<br />
im Prinzip ist es zu begrüssen, wenn die<br />
Pubertierenden gelegentli<strong>ch</strong> aus der Reihe<br />
tanzen und si<strong>ch</strong> mit den Erwa<strong>ch</strong>senen<br />
anlegen. Bei dem Amokläufer von Erfurt<br />
und fast allen anderen Jugendli<strong>ch</strong>en, die<br />
in letzter Zeit dur<strong>ch</strong> sinnlose Gewaltexzesse<br />
für S<strong>ch</strong>lagzeilen gesorgt haben, war<br />
Unauffälligkeit das auffälligste Merkmal.<br />
Das sollte zu denken geben.<br />
In der Pubertät kontrastieren die Farben<br />
des geistseelis<strong>ch</strong>en Begehrens heftig.<br />
Das Phänomen, über das wir jetzt spre<strong>ch</strong>en<br />
wollen, hat es s<strong>ch</strong>on in früheren<br />
Zeiten gegeben, dafür lassen si<strong>ch</strong> literaris<strong>ch</strong>e<br />
Beispiele finden, aber heute, da<br />
wir in einer Gesells<strong>ch</strong>aft leben, in der die<br />
Rivalität zwis<strong>ch</strong>en den Mens<strong>ch</strong>en sozusagen<br />
das soziale S<strong>ch</strong>miermittel ist, ma<strong>ch</strong>t<br />
es si<strong>ch</strong> besonders stark geltend. Was ist<br />
gemeint mit «mephistophelis<strong>ch</strong>er Einflüsterung»<br />
Auf der inneren Bühne ers<strong>ch</strong>eint<br />
ein intelligenter Ratgeber, der, wie<br />
es s<strong>ch</strong>eint, jenseits von «gut» und «böse»<br />
argumentiert. Was er zu sagen hat, klingt<br />
ziemli<strong>ch</strong> welterfahren. Es klingt na<strong>ch</strong> illusionsloser<br />
Charme, deine Reize, deine Intelligenz<br />
oder deine Redegabe spielen. Sieh zu,<br />
dass si<strong>ch</strong> ein Kreis von Anhängern um di<strong>ch</strong><br />
s<strong>ch</strong>art. Wenn du so weit bist – aber ni<strong>ch</strong>t<br />
vorher! – kannst du dir den Luxus leisten,<br />
allen zu zeigen, dass au<strong>ch</strong> etwas Gutes in<br />
dir steckt. Dann überras<strong>ch</strong>e sie mit gelegentli<strong>ch</strong>er<br />
Grosszügigkeit und Hilfsbereits<strong>ch</strong>aft,<br />
mit Momenten der warmen Anteilnahme.<br />
Und du wirst sehen: Sie liegen dir<br />
zu Füssen. Diese Mis<strong>ch</strong>ung ma<strong>ch</strong>t di<strong>ch</strong><br />
unwiderstehli<strong>ch</strong>! - Das ist eine imaginäre<br />
Rede, aber i<strong>ch</strong> habe sie zusammengestellt<br />
aus authentis<strong>ch</strong>en Äusserungen vier-<br />
si<strong>ch</strong> verletzli<strong>ch</strong> zu ma<strong>ch</strong>en! Wir dürfen<br />
uns keinen Illusionen hingeben in Bezug<br />
auf die eigenen Sprösslinge, indem wir annehmen,<br />
sie seien dur<strong>ch</strong> unsere hervorragende<br />
Erziehung gegen sol<strong>ch</strong>e Gedanken<br />
gefeit. Die soziopathis<strong>ch</strong>e (oder mephistophelis<strong>ch</strong>e)<br />
Anfe<strong>ch</strong>tung gehört zu den<br />
normalen Kennzei<strong>ch</strong>en der Pubertätskrise.<br />
Man muss ja um diese inneren Fragen und<br />
Kämpfe wissen, wenn man Jugendli<strong>ch</strong>e zu<br />
erziehen oder zu unterri<strong>ch</strong>ten hat! Dann<br />
besteht die Mögli<strong>ch</strong>keit, entspre<strong>ch</strong>ende<br />
Gesprä<strong>ch</strong>sangebote zu unterbreiten oder<br />
bei der Literaturauswahl darauf zu a<strong>ch</strong>ten.<br />
diese kommen ebenfalls hervor. Das gehört<br />
dazu. Und man kann mit pastoralen<br />
Ermahnungen ni<strong>ch</strong>ts dagegen ausri<strong>ch</strong>ten.<br />
Dur<strong>ch</strong> diese «profunde Ambivalenz»<br />
(Eri<strong>ch</strong> Neumann) müssen wir die Jugendli<strong>ch</strong>en<br />
verständnisvoll begleiten. Und das<br />
tut uns – nebenbei bemerkt – au<strong>ch</strong> selber<br />
mal wieder gut. Wie lei<strong>ch</strong>t überlässt<br />
man si<strong>ch</strong> als Erwa<strong>ch</strong>sener der Illusion (!),<br />
ein moralis<strong>ch</strong> felsenfester Mens<strong>ch</strong> zu sein,<br />
den ni<strong>ch</strong>ts mehr anfe<strong>ch</strong>ten könne! Für das<br />
«Gute» müssen wir uns immer wieder neu<br />
ents<strong>ch</strong>eiden, sonst wird es formelhaft und<br />
brü<strong>ch</strong>ig. «Ents<strong>ch</strong>eiden» aber setzt voraus,<br />
Mens<strong>ch</strong>enkenntnis. Hört man<br />
zehn- bis siebzehn-, a<strong>ch</strong>tzehnjähriger jun-<br />
dass man die betreffende Angelegenheit<br />
von geradezu gefährli<strong>ch</strong>en inneren Grenzerfahrungen<br />
künden - und niemand hatte gehren» das ni<strong>ch</strong>t in erster Linie sexuell<br />
Ur- und Gegenbilder<br />
I<strong>ch</strong> verstehe unter «geistseelis<strong>ch</strong>em Be-<br />
aber genau hin, ist die soziopathis<strong>ch</strong>e<br />
ger Mens<strong>ch</strong>en, die in einer Selbstwertkrise<br />
wirkli<strong>ch</strong> wieder als Frage in si<strong>ch</strong> erlebt.<br />
etwas bemerkt. Merke: Ni<strong>ch</strong>t nur die sozial<br />
«s<strong>ch</strong>wierigen» Teenager dur<strong>ch</strong>laufen<br />
eine Krise. Den kooperativen, höfli<strong>ch</strong>en<br />
und fleissigen ergeht es ebenso. Und i<strong>ch</strong><br />
gefärbte innere Drängen und Sehnen.<br />
(Vom körperli<strong>ch</strong>en Begehren spre<strong>ch</strong>en<br />
wir später.) Mal ist der Jugendli<strong>ch</strong>e unwiderstehli<strong>ch</strong><br />
angezogen von Bildern des<br />
Tendenz unverkennbar. Es geht do<strong>ch</strong><br />
gar ni<strong>ch</strong>t um gut oder böse, erklärt er, es<br />
geht vielmehr darum, ob du zu den Losern<br />
oder zu den Winnern gehören willst.<br />
steckten und laut darüber na<strong>ch</strong>da<strong>ch</strong>ten,<br />
wie man sein müsste, um ni<strong>ch</strong>t auf der<br />
Verliererseite zu landen. Viele Jugendli-<br />
In der Jugendseele leu<strong>ch</strong>ten die grossen<br />
Mens<strong>ch</strong>heitsideale – Freiheit, Glei<strong>ch</strong>heit,<br />
Brüderli<strong>ch</strong>keit – auf. Sie sind, so Rudolf<br />
Steiner, von den Engeln als Urbilder in<br />
Überhaupt s<strong>ch</strong>eint beim pubertären<br />
S<strong>ch</strong>wellenübertritt die ganze Welt in Widersprü<strong>ch</strong>e<br />
auseinanderzufallen, ni<strong>ch</strong>t<br />
nur im Hinblick auf die moralis<strong>ch</strong>e Orientierung.<br />
Alles steht in Zweifel. Eben no<strong>ch</strong><br />
bin als Therapeut verpfli<strong>ch</strong>tet, eine unangenehme<br />
Wahrheit auszuspre<strong>ch</strong>en, nämelho)<br />
werden: einer, der si<strong>ch</strong> einsetzt für solltest du wissen. Sie werden ausgenutzt.<br />
dung des Janusz-Korczak-Instituts (Heilpädagogis<strong>ch</strong>es den. Daran kann kein Zweifel bestehen. hatte ein jedes Ding seinen fraglosen<br />
Guten, will ein «Krieger des Li<strong>ch</strong>ts» (Co-<br />
«Gutmens<strong>ch</strong>en» kommen ni<strong>ch</strong>t weit, das<br />
HENNING KÖHLER ist Heilpädagoge. 1987 Grün-<br />
den Empfindungsleib eingewoben worli<strong>ch</strong><br />
die, dass man si<strong>ch</strong> eigentli<strong>ch</strong> freuen Mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>keit, Fairness, Gere<strong>ch</strong>tigkeit; Man ma<strong>ch</strong>t si<strong>ch</strong> über sie lustig. Die ri<strong>ch</strong>tigen<br />
Drecksäcke wiederum sind einsam.<br />
grossen Ideale redet, kommt es einem so<br />
<strong>ch</strong>en Themen. Ausgedehnte Lehr- und Vortragstätig-<br />
und plötzli<strong>ch</strong> passt ni<strong>ch</strong>ts mehr zusam-<br />
Therapeutikum). Verfasser zahlrei<strong>ch</strong>er Bü<strong>ch</strong>er zu pädagogis<strong>ch</strong>en,<br />
psy<strong>ch</strong>ologis<strong>ch</strong>en und biographiekundli-<br />
Wenn man mit den Teenagern über diese Platz, seine Bedeutung, seinen Namen,<br />
muss, wenn die jungen Leute zeitweise ein mal überlässt er si<strong>ch</strong> den Suggestionen<br />
sperriges, launenhaftes und kratzbürstiges der Gegenmä<strong>ch</strong>te und bemerkt zu seinem Jeder hat Angst vor ihnen, aber niemand<br />
keit seit 1990. Mitinitiator des Netzwerks «Fulbertus- vor, als seien sie ihnen ebenso real ansi<strong>ch</strong>tig<br />
wie die Bäume vor dem Fenster. (Ganz, verändert, man weiss nur ni<strong>ch</strong>t, was. Ein<br />
men, überall, so s<strong>ch</strong>eint es, wurde etwas<br />
Verhalten an den Tag legen. Es ist näm-<br />
eigenen Ers<strong>ch</strong>recken: Au<strong>ch</strong> damit könnte liebt sie. Also musst du einen Mittelweg<br />
Akademie für Kindheitswissens<strong>ch</strong>aft»<br />
42 43<br />
Bild: Charlotte Fis<strong>ch</strong>er
Jugendli<strong>ch</strong>er sagte zu mir, ihm sei ri<strong>ch</strong>tig Ankunft in der Dingwelt<br />
In diesem Briefauszug wird ni<strong>ch</strong>t etwa<br />
Sehnsu<strong>ch</strong>t, von der er deutli<strong>ch</strong> spürt, dass spra<strong>ch</strong> über diese Zusammenhänge u.a. mentierens geht den allermeisten Jugendli<strong>ch</strong>en<br />
etwas ganz Ents<strong>ch</strong>eidendes auf. In<br />
unheimli<strong>ch</strong> zumute, er hätte den Eindruck,<br />
«Erdenreife» (Rudolf Steiner) bedeutet:<br />
ein pathologis<strong>ch</strong>er Zustand bes<strong>ch</strong>rieben!<br />
sie regressiv ist: die Sehnsu<strong>ch</strong>t zurück zur am 27. Dezember 1918, GA 187.) Viele<br />
die wirkli<strong>ch</strong>en Dinge seien dur<strong>ch</strong> genau<br />
Ankunft in der Dingwelt. Das Vorspiel ist<br />
Sehr viele Jugendli<strong>ch</strong>e (i<strong>ch</strong> behaupte: die<br />
Quelle. Er verfeindet si<strong>ch</strong> mit dem Kind, Jugendli<strong>ch</strong>e wissen mit dem Herzen um ho<strong>ch</strong>trabenden Erwa<strong>ch</strong>senenworten ausgedrückt,<br />
ist es das folgende: Die lieblose,<br />
glei<strong>ch</strong> aussehende Attrappen ersetzt worden<br />
und die Mens<strong>ch</strong>en dur<strong>ch</strong> täus<strong>ch</strong>end<br />
der «Sturz» aus der Wesenswelt. (Hier<br />
allermeisten) erleben phasenweise diese<br />
Verunsi<strong>ch</strong>erung. Zwar kommen in der<br />
ihn an dieses Kind erinnert. Und diese An-<br />
anderen Mens<strong>ch</strong>en» (Hans Müller-Wiede-<br />
von der Liebe abgespaltene Sexualität gibt<br />
das er eben no<strong>ch</strong> war, und mit allem, was das Geheimnis der «Initiation dur<strong>ch</strong> den<br />
kommt das Motiv der Vertreibung aus dem<br />
ähnli<strong>ch</strong>e Marionetten. Sogar meine Eltern<br />
Paradies ins Spiel.) Natürli<strong>ch</strong> sind damit<br />
heutigen Zeit zivilisationsbedingte sensoris<strong>ch</strong>e<br />
Entwicklungsdefizite ers<strong>ch</strong>werend<br />
umwenden kann: vorwärts zur Quelle! Herzenswissen zu mitteilbaren Bildern. derseits aus freien Stücken ges<strong>ch</strong>ieht), das<br />
tipathie ist nötig, damit er seine Sehnsu<strong>ch</strong>t mann) und zuweilen verdi<strong>ch</strong>tet si<strong>ch</strong> dieses denen, die sie ausüben (au<strong>ch</strong> wenn es bei-<br />
kommen mir… ein biss<strong>ch</strong>en wie Gespenster<br />
vor. Sind sie es überhaupt Ist die Bir-<br />
Bewusstseinszustände gemeint. «Dingwelt»<br />
steht für Distanz und Objektivität:<br />
hinzu (kann si<strong>ch</strong> in der frühen Kindheit der<br />
Man versteht nun viellei<strong>ch</strong>t etwas besser,<br />
warum die Dreizehn- bis Se<strong>ch</strong>zehn-, na<strong>ch</strong>, ist wahrs<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong> alles ausgelös<strong>ch</strong>t! xuellen Begegnungen, denen die Zärtli<strong>ch</strong>-<br />
Fragt man sie 20 Jahre später wieder da-<br />
Gefühl, einander Unre<strong>ch</strong>t zu tun. Bei seke<br />
vor dem Kü<strong>ch</strong>enfenster überhaupt eine<br />
für die so genannte harte Realität und das<br />
Tastsinn kraftvoll ausbilden, bietet dies in<br />
Birke Oder eine Fata Morgana Ist alles<br />
an ihr si<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>ulende Denken. «Wesenswelt»<br />
steht für unmittelbare Kommunika-<br />
der Pubertät eine solide Grundlage, um<br />
Siebzehnjährigen oft eine ausgespro<strong>ch</strong>ene Wie viele «spontane» spirituelle Einsi<strong>ch</strong>ten,<br />
namentli<strong>ch</strong> die soziale Frage betref-<br />
Gefühl vorhanden, dem anderen ni<strong>ch</strong>t in<br />
keit fehlt, ist immer ganz elementar dieses<br />
Fata Morgana Am Ende sogar i<strong>ch</strong> selber<br />
mit den Unwirkli<strong>ch</strong>keitsgefühlen fertig<br />
Abneigung ni<strong>ch</strong>t nur gegen das Si<strong>ch</strong>-Bes<strong>ch</strong>äftigen<br />
mit der eigenen Kindheit, sonfend,<br />
werden dem Mens<strong>ch</strong>en im dritten die Augen sehen zu können, ihm Unre<strong>ch</strong>t<br />
Viele Äusserungen dieser Art habe i<strong>ch</strong> gehört.<br />
Aber – so könnte man einwenden –<br />
tion: für eine Art von Einbezogenheit, die<br />
zu werden), aber im Prinzip ist das Bes<strong>ch</strong>riebene<br />
ganz <strong>ch</strong>arakteristis<strong>ch</strong> für den<br />
dern z.B. au<strong>ch</strong> gegen die eigenen kleinen Lebensjahrsiebt zuteil! Und wie müssen getan zu haben. Es ähnelt dem berühmten<br />
aus objektivem Abstand ni<strong>ch</strong>t mehr mögli<strong>ch</strong><br />
ist. Was man oft verkennt: Das An-<br />
erwa<strong>ch</strong>t denn ni<strong>ch</strong>t gerade in diesem Alter<br />
Zwis<strong>ch</strong>enzustand des Ni<strong>ch</strong>t-mehr-Geborgenseins<br />
in der Wesenswelt und No<strong>ch</strong>-<br />
(wie sie es ausdrücken). Und dass oft au<strong>ch</strong> voller Bewusstheit wieder zu sol<strong>ch</strong>en dass es no<strong>ch</strong> mehr belastet. Das lernen die<br />
Ges<strong>ch</strong>wister oder andere «Minis» haben wir uns als Erwa<strong>ch</strong>sene strecken, um in «s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>ten Gewissen» beim Lügen. Nur<br />
der Realitätssinn: das volle Bewusstsein<br />
kommen in der Dingwelt wird anfängli<strong>ch</strong><br />
für Materialität und Faktizität Sollte man<br />
als Wirkli<strong>ch</strong>keitsverlust erlebt! Erst später<br />
ni<strong>ch</strong>t-Orientiertseins in der Dingwelt.<br />
eine starke Abgrenzung des Jugendli<strong>ch</strong>en Einsi<strong>ch</strong>ten zu kommen! Das widerspri<strong>ch</strong>t Jugendli<strong>ch</strong>en s<strong>ch</strong>on sehr früh. Vor allem<br />
da ni<strong>ch</strong>t erwarten, dass si<strong>ch</strong> alles ordnet,<br />
gelingt dann die Niederlassung im neuen<br />
Diesen Zwis<strong>ch</strong>enzustand nennt man Pubertät.<br />
Zuvor war eine Empfindung dafür<br />
die in seiner Kindheit eine wi<strong>ch</strong>tige Rolle über den Sturz aus der Wesenswelt. In ein sehr feines Gespür. Deshalb sind sie<br />
stattfindet gegen die Mens<strong>ch</strong>en und Orte, keineswegs meinen obigen Ausführungen die heutigen Jugendli<strong>ch</strong>en haben hierfür<br />
dass alles eine neue Klarheit und Eindeutigkeit<br />
gewinnt<br />
Realitätsbezug. Man kann s<strong>ch</strong>ulis<strong>ch</strong> für<br />
Ausglei<strong>ch</strong> sorgen, indem man auf eine<br />
vorhanden, dass alles mit allem auf selbstverständli<strong>ch</strong>e<br />
Weise zusammenhängt, und<br />
das ja wieder.)<br />
li<strong>ch</strong>-urverbunden, no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t orientiert in Darstellungen abgespaltener Sexualität<br />
gespielt haben. (Zum Glück ändert si<strong>ch</strong> dem «Dazwis<strong>ch</strong>ensein» (ni<strong>ch</strong>t mehr kind-<br />
s<strong>ch</strong>merzli<strong>ch</strong> berührt von den ständigen<br />
Interessanterweise ges<strong>ch</strong>ieht zunä<strong>ch</strong>st<br />
glei<strong>ch</strong>wertige Mis<strong>ch</strong>ung a<strong>ch</strong>tet zwis<strong>ch</strong>en<br />
genau das Gegenteil. Der Übergang von<br />
a) Hilfen zur Dingwelt-Orientierung (exaktes<br />
Denken, naturwissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e<br />
darauf beruhte die Wirkli<strong>ch</strong>keitserfahrung.<br />
Damit ist es jetzt vorbei. Die Welt<br />
Geist blossgelegt», sagte Rudolf Steiner. Seelenleib Imaginationen der sozialen serli<strong>ch</strong> den Ans<strong>ch</strong>ein von Abgebrühtheit<br />
«Im Jungsein ist die Sehnsu<strong>ch</strong>t na<strong>ch</strong> dem der Dingwelt) entbinden si<strong>ch</strong> aus dem in den Medien (au<strong>ch</strong> wenn sie si<strong>ch</strong> äus-<br />
der kindli<strong>ch</strong>-verträumten in die jugendli<strong>ch</strong>ernü<strong>ch</strong>terte<br />
Bewusstseinsverfassung (die Studien, praktis<strong>ch</strong>es Arbeiten und Planen),<br />
b) Hilfen zur Wesenswelt-Rückver-<br />
ers<strong>ch</strong>eint wie eine zerfallene Einheit, und<br />
I<strong>ch</strong> denke, aus dem Vorgesagten ist deutli<strong>ch</strong><br />
geworden, was damit gemeint ist. Einsi<strong>ch</strong>ten in dasjenige, was si<strong>ch</strong> wirkli<strong>ch</strong> <strong>ch</strong>en Bildern aufgewa<strong>ch</strong>sen und müssten<br />
Zukunft – verbunden mit unmittelbaren geben). Es ist seltsam: Sie sind mit sol-<br />
etwa mit Siebzehn, A<strong>ch</strong>tzehn errei<strong>ch</strong>t ist)<br />
die Teilstücke sind seltsam bedeutungslos<br />
führt dur<strong>ch</strong> ein <strong>ch</strong>aotis<strong>ch</strong>es Dur<strong>ch</strong>gangsstadium,<br />
während dessen si<strong>ch</strong> übrigens Naturerleben mit allen Sinnen, soziales<br />
gewisserung (Musik und bildende Kunst,<br />
geworden. Sie haben Namen, man kann<br />
Und do<strong>ch</strong> werden viele einwenden wollen: zwis<strong>ch</strong>en Mens<strong>ch</strong> und Mens<strong>ch</strong> abspielt. stark davon beeinflusst sein. Stattdessen<br />
ihre Bes<strong>ch</strong>affenheit bestimmen und alles<br />
Bri<strong>ch</strong>t ni<strong>ch</strong>t eher die Sehnsu<strong>ch</strong>t na<strong>ch</strong> sexueller<br />
Erfüllung auf Das lässt si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t s<strong>ch</strong>e Erfahrung sein kann, weiss jeder, ein, die von irgendeinem neunmalklugen<br />
Dass Sexualität eine geradezu mysti-<br />
nehmen sie in der Mehrheit eine Haltung<br />
au<strong>ch</strong> das ganze Gehirn umorganisiert, Üben, Ethik). Man mag si<strong>ch</strong> viellei<strong>ch</strong>t<br />
mögli<strong>ch</strong>e mit ihnen ma<strong>ch</strong>en. Aber sie bedeuten<br />
ni<strong>ch</strong>ts. (I<strong>ch</strong> übertreibe erneut, um<br />
leugnen, und i<strong>ch</strong> hoffe, am Anfang des der sie in ihrer s<strong>ch</strong>önsten Form kennen Soziologen als «neue Prüderie» bezei<strong>ch</strong>-<br />
und da geht es bu<strong>ch</strong>stäbli<strong>ch</strong> drunter und wundern, dass «Naturerleben mit allen<br />
drüber, da bleibt kein Stein auf dem anderen.<br />
Bis zur Vorpubertät verfügen die ters<strong>ch</strong>ied zur Naturwissens<strong>ch</strong>aft stellt die<br />
Sinnen» unter b) ers<strong>ch</strong>eint. Aber im Un-<br />
die Tendenz deutli<strong>ch</strong> zu ma<strong>ch</strong>en.) Das<br />
21. Jahrhunderts hat niemand mehr etwas<br />
daran auszusetzen. Aber Steiner hatleben<br />
zu dürfen, ist der grösste Wuns<strong>ch</strong> Prüde sind die heutigen Jugendli<strong>ch</strong>en<br />
gelernt hat: getragen von Liebe. Dies ernet<br />
wurde. Aber das ist barer Unsinn.<br />
Bedeutungshafte muss wieder errungen<br />
Kinder no<strong>ch</strong> über einen «naiven Realitätssinn»,<br />
der allerdings wenig zu tun hat (Rück-)Verbindung zur Wesenswelt her.<br />
sinnli<strong>ch</strong>e Naturbegegnung in der Tat eine<br />
werden, auf einer anderen Stufe. Es ist<br />
te trotzdem re<strong>ch</strong>t. Die sexuelle Sehnsu<strong>ch</strong>t eines jeden Jugendli<strong>ch</strong>en. Deshalb sind überhaupt ni<strong>ch</strong>t. Sie erkennen vielmehr,<br />
die Stunde der grossen «Dekomposition».<br />
ist ja der körperli<strong>ch</strong>e Ausdruck der Sehnsu<strong>ch</strong>t<br />
na<strong>ch</strong> Liebe, und diese wiederum ist ihnen in fals<strong>ch</strong>er Kulturbeflissenheit zu merzialisierung des Sexuellen eine als<br />
die jungen Leute befremdet, wenn wir dass si<strong>ch</strong> in der Profanisierung und Kom-<br />
mit dem, was wir gemeinhin unter Realität Am besten freili<strong>ch</strong> sollten si<strong>ch</strong> Naturwissens<strong>ch</strong>aft<br />
und erlebnishafte Naturerkun-<br />
Nun geht es darum, aus Bewusstseinskräften<br />
heraus die Welt zu rekomponieren und<br />
der soziale Ausdruck der Sehnsu<strong>ch</strong>t na<strong>ch</strong> verstehen geben, der Geist sei edel und Freizügigkeit maskierte Sexualfeindli<strong>ch</strong>-<br />
(= Dingwelt) verstehen. Es ist, so könnte<br />
man sagen, ein Sinn für die «höhere» dung so vers<strong>ch</strong>ränken, dass der S<strong>ch</strong>üler<br />
sie aus Idealkräften heraus, aus kreativen<br />
dem Geist. Wir spre<strong>ch</strong>en über Jugendli<strong>ch</strong>e, die Sexualität etwas Niedriges. Es ist ihnen<br />
ganz unbegreifli<strong>ch</strong>, wieso es da ei-<br />
wi<strong>ch</strong>tig. In gewissem Sinne sogar heilig.<br />
keit zeigt. Ihnen jedo<strong>ch</strong> ist die Sexualität<br />
Ordnung, die in allem Seienden waltet; gar ni<strong>ch</strong>t auf die Idee kommt, hier bestehe<br />
ein Widerspru<strong>ch</strong>.<br />
Kräften heraus wiederum mit Bedeutungshaftigkeit<br />
auszustatten.<br />
stigen» jugendgemäss fassen und dürfen nen funda3mentalen Unters<strong>ch</strong>ied geben Darum geht es. (Man sieht einmal mehr:<br />
deshalb müssen wir den Begriff des «Gei-<br />
ein fühlendes Gewahrsein des sinnhaften<br />
Zusammenhanges (oder besser: Zusammenklanges)<br />
der Welters<strong>ch</strong>einungen. li<strong>ch</strong>keitsgefühlen zu kämpfen, gerade weil<br />
Der jugendli<strong>ch</strong>e Mens<strong>ch</strong> hat mit Unwirk-<br />
ni<strong>ch</strong>t unseren Erwa<strong>ch</strong>senenmassstab von soll! Sie wissen: Im Sexuellen liegt eine Die jeweilige Jugendgeneration ist in Bezug<br />
auf ihre Grundorientierungen eben<br />
Tiefe Sehnsu<strong>ch</strong>t<br />
abgeklärter Geisteskultur zugrunde legen. unerhörte Mögli<strong>ch</strong>keit der Intimität. Die<br />
Nun erwa<strong>ch</strong>t in den Jugendli<strong>ch</strong>en eine<br />
Dieses Urvermögen erlis<strong>ch</strong>t beim Eintritt er nun «ganz auf der Erde angekommen<br />
Dabei stossen wir auf die gewaltige Frage<br />
na<strong>ch</strong> dem I<strong>ch</strong>. In ihr vor allem bri<strong>ch</strong>t so glückli<strong>ch</strong> zu ma<strong>ch</strong>en, dass er vor Glück der sie aufwä<strong>ch</strong>st, sondern andererseits<br />
Vorstellung, einen geliebten Mens<strong>ch</strong>en ni<strong>ch</strong>t nur in Spiegel der Gesells<strong>ch</strong>aft, in<br />
tiefe Sehnsu<strong>ch</strong>t, die s<strong>ch</strong>öpferis<strong>ch</strong>e Quelle<br />
in die seelis<strong>ch</strong>e Pubertät. Nun zeigt si<strong>ch</strong> ist» (und andererseits, wie wir gesehen<br />
wiederzufinden (das Wasser des Lebens<br />
die Welt von einer ganz anderen, zunä<strong>ch</strong>st haben, eben au<strong>ch</strong> wieder ni<strong>ch</strong>t!). Eine<br />
si<strong>ch</strong> die jugendli<strong>ch</strong>e Geistsehnsu<strong>ch</strong>t – als fast den Verstand verliert, ist magis<strong>ch</strong>, immer au<strong>ch</strong> ein Korrektiv.)<br />
zu su<strong>ch</strong>en, wie es im Mär<strong>ch</strong>en heisst). Sie<br />
irreal anmutenden Seite. Sie zeigt si<strong>ch</strong> in Fünfzehnjährige s<strong>ch</strong>ilderte das folgendermassen:<br />
Man<strong>ch</strong>mal überfällt mi<strong>ch</strong> – klingt<br />
«Individuationssehnsu<strong>ch</strong>t» – Bahn. Wer und die Sehnsu<strong>ch</strong>t, dies tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> zu «Weisst du, was morgen sein wird Wie<br />
wissen aber zuglei<strong>ch</strong> (wenn sie es ni<strong>ch</strong>t<br />
ihrer Bru<strong>ch</strong>stückhaftigkeit und Uneinheitli<strong>ch</strong>keit:<br />
als wirres Konglomerat von hun-<br />
jetzt blöd – die Angst vor dem Ni<strong>ch</strong>ts. Bes-<br />
bin i<strong>ch</strong> Und sofort ist die Ahnung da: erleben, unbezwingbar. Dabei ist jedem kann man si<strong>ch</strong> dauernd irgendwel<strong>ch</strong>e<br />
wissen, werden sie krank, zum Beispiel<br />
Nur in der Liebe werde i<strong>ch</strong> es erfahren. Jugendli<strong>ch</strong>en natürli<strong>ch</strong> ganz klar, dass Ziele stecken, wenn man ni<strong>ch</strong>t die geringste<br />
Ahnung hat, was einen im nä<strong>ch</strong>sten<br />
magersü<strong>ch</strong>tig oder drogenbhängig), dass<br />
derttausend Dingen und Ereignissen, die ser gesagt: die Angst, dass ni<strong>ch</strong>ts existiert.<br />
Nur in der Begegnung von Angesi<strong>ch</strong>t zu von Gipfelerfahrungen der Zärtli<strong>ch</strong>keit<br />
der Rückweg in die Kindheit versperrt ist.<br />
s<strong>ch</strong>einbar keinen Bezug zueinander haben.<br />
Alles wirkt ein biss<strong>ch</strong>en wie absurdes mögli<strong>ch</strong>en Sa<strong>ch</strong>en anfassen, betats<strong>ch</strong>en,<br />
Dann muss i<strong>ch</strong> wie ein kleines Kind alle<br />
Angesi<strong>ch</strong>t. I<strong>ch</strong> bin meine Liebekraft. Alles bis zu den s<strong>ch</strong>eussli<strong>ch</strong>sten Gemeinheiten Augenblick erwartet Irgendwann übers<strong>ch</strong>lägst<br />
du di<strong>ch</strong> mit dem Auto und denkst<br />
Dort wa<strong>ch</strong>t ein S<strong>ch</strong>wellenhüter, der ni<strong>ch</strong>t<br />
andere bin ja gar ni<strong>ch</strong>t wirkli<strong>ch</strong> i<strong>ch</strong>! Das alles mögli<strong>ch</strong> ist in diesem Berei<strong>ch</strong>. Au<strong>ch</strong><br />
mit si<strong>ch</strong> spassen lässt. Nun entsteht eine<br />
Theater. Natürli<strong>ch</strong> erkennt der Jugendli<strong>ch</strong>e beklopfen, um si<strong>ch</strong>er sein zu können, dass<br />
ist die eine Spur.<br />
hier kann man davon ausgehen, dass die in der Todessekunde: I<strong>ch</strong> habe ja ganz vergessen<br />
zu leben; i<strong>ch</strong> habe die ganze Zeit<br />
wahrli<strong>ch</strong> paradoxe Situation: Um in Freiheit<br />
und Gedankenklarheit si<strong>ch</strong> wiederum<br />
Gipfelerfahrung der Zärtli<strong>ch</strong>keit<br />
die rein äusserli<strong>ch</strong>en, alltagslogis<strong>ch</strong>en Bezüge.<br />
Aber das Gefühl für (innere) Zusam-<br />
irgendetwas da ist. Dann denke i<strong>ch</strong>: Das<br />
sie au<strong>ch</strong> wirkli<strong>ch</strong> da sind, dass überhaupt<br />
Pubertierenden eine ambivalente Phase<br />
dur<strong>ch</strong>ma<strong>ch</strong>en, und sei es nur ganz im immer nur Vorbereitungen getroffen für<br />
auf die Su<strong>ch</strong>e zu begeben na<strong>ch</strong> der Quelle,<br />
die in der Kindheit ganz unbewusst<br />
ein, die immerhin deutli<strong>ch</strong> genug ist, dass<br />
Und no<strong>ch</strong> eine zweite Ahnung stellt si<strong>ch</strong><br />
menhänge ist ihm abhanden gekommen. Anfassen beweist ja gar ni<strong>ch</strong>ts! Wie, wenn<br />
Geheimen. Ihr <strong>Interesse</strong> s<strong>ch</strong>liesst au<strong>ch</strong> das den Tag X, an dem mein Leben beginnen<br />
(Man könnte es ums<strong>ch</strong>reiben als ein Gefühl<br />
für das «Weltkonzert». Die Ers<strong>ch</strong>eigar<br />
i<strong>ch</strong> selber nur Einbildung wäre Irgend<br />
alles nur Einbildung wäre Und wenn so-<br />
Abgründige ein. Sie wollen wissen, was es sollte. So antwortet eine Fünfzehnjährige<br />
einem Fünfzigjährigen, der ihr gerade<br />
– gnadenhalber sozusagen – sprudelte,<br />
sie in s<strong>ch</strong>riftli<strong>ch</strong>en Aufzei<strong>ch</strong>nungen von so alles gibt. Aber das Mens<strong>ch</strong>envera<strong>ch</strong>tende<br />
wird do<strong>ch</strong> ziemli<strong>ch</strong> ras<strong>ch</strong> und si<strong>ch</strong>er eine Predigt gehalten hat, weil sie seiner<br />
muss der Jugendli<strong>ch</strong>e so etwas wie einen<br />
gesunden Hass, eine gesunde Anti-<br />
zumeist poetis<strong>ch</strong> vers<strong>ch</strong>lüsselt: Nur ein<br />
Jugendli<strong>ch</strong>en immer wieder auftau<strong>ch</strong>t,<br />
nungen «musizieren» miteinander. Kinder so ein alter Mystiker soll mal gesagt haben:<br />
Der Mens<strong>ch</strong> ist ein Gedanke Gottes.<br />
sind mitten darinnen in diesem Konzert.<br />
als das Mens<strong>ch</strong>envera<strong>ch</strong>tende identifiziert Meinung na<strong>ch</strong> immer nur so in den Tag<br />
pathie entwickeln gegen die Vorstellung<br />
Mens<strong>ch</strong>, der mi<strong>ch</strong> mit den Augen der Liebe<br />
sieht, sieht mi<strong>ch</strong> wirkli<strong>ch</strong>. Und i<strong>ch</strong> bin<br />
Der Pubertierende «fällt heraus».) Natürli<strong>ch</strong><br />
habe i<strong>ch</strong> jetzt überzei<strong>ch</strong>net. Aber das die Re<strong>ch</strong>t haben, die sagen, man könne<br />
S<strong>ch</strong>eussli<strong>ch</strong>e Vorstellung. I<strong>ch</strong> hoffe, dass<br />
und zurückgewiesen.<br />
hinein lebt. Und man fragt si<strong>ch</strong>, wer hier<br />
des unmittelbaren Anges<strong>ch</strong>lossenseins<br />
von wem etwas lernen kann…».<br />
an die Quelle! Also gegen den Zustand<br />
auf dieses Gesehenwerden angewiesen, Spiegel und Korrektiv<br />
ist die Tendenz.<br />
diesen Mystikern ni<strong>ch</strong>t trauen.<br />
des Kindseins! Er bekämpft in si<strong>ch</strong> eine<br />
um mi<strong>ch</strong> selbst zu finden! (Rudolf Steiner S<strong>ch</strong>on na<strong>ch</strong> einer kurzen Phase des Experi-<br />
44 45
Andreas Tielcke<br />
Ist die Rudolf Steiner S<strong>ch</strong>ule au<strong>ch</strong> in der Pubertätszeit<br />
die ri<strong>ch</strong>tige S<strong>ch</strong>ule<br />
Willentli<strong>ch</strong><br />
dur<strong>ch</strong>drungene<br />
Erfahrungen<br />
Wer seine Kinder na<strong>ch</strong> den mär<strong>ch</strong>enhaften ersten Steiners<strong>ch</strong>uljahren<br />
in eine «normale» S<strong>ch</strong>ule we<strong>ch</strong>seln lässt, weil die Kinder<br />
maulen, er unsi<strong>ch</strong>er wird und Angst hat, die Kinder könnten den<br />
«Ans<strong>ch</strong>luss an das Leben» verpassen – der begeht einen folgens<strong>ch</strong>weren<br />
Fehler, meint Andreas Tielcke: Gerade au<strong>ch</strong> in den<br />
s<strong>ch</strong>weren Jahren der Pubertät bietet die Steiner-S<strong>ch</strong>ule genau<br />
das, was die jungen Mens<strong>ch</strong>en brau<strong>ch</strong>en.<br />
I<br />
Ist die Rudolf Steiner S<strong>ch</strong>ule au<strong>ch</strong> Wenn dann aber, viellei<strong>ch</strong>t gegen die siebte<br />
Klasse zu, die begeisterten Erzählungen S<strong>ch</strong>üler ist die Steiner S<strong>ch</strong>ule si<strong>ch</strong>er ri<strong>ch</strong>tig;<br />
Quartalsfeier, Weihna<strong>ch</strong>tsspiel, den Klasspro<strong>ch</strong>en<br />
– zweierlei: Erstens: Die bishe-<br />
hinausgehen und mir das su<strong>ch</strong>en, was i<strong>ch</strong><br />
Für die «s<strong>ch</strong>wä<strong>ch</strong>eren» S<strong>ch</strong>ülerinnen und<br />
genspru<strong>ch</strong>, Spra<strong>ch</strong>übungen, Epo<strong>ch</strong>enheft, erleben die jungen Mens<strong>ch</strong>en – unausge-<br />
dann kann i<strong>ch</strong> ja au<strong>ch</strong> selber in die Welt<br />
in der Pubertätszeit no<strong>ch</strong> die<br />
ri<strong>ch</strong>tige S<strong>ch</strong>ule für einen jungen der Kinder versiegen, wenn sie gar anfangen,<br />
über den Unterri<strong>ch</strong>t zu maulen, den mehr gefordert und individuell gefördert<br />
haupt) hinwegfegen, damit der Weg in die Teil des wirkli<strong>ch</strong>en Lebens, denn jetzt, wo dass der Lehrer es mir bringt.<br />
aber die «begabten» müssen do<strong>ch</strong> jetzt<br />
senlehrer, eventuell sogar die S<strong>ch</strong>ule überrige<br />
S<strong>ch</strong>ule war offensi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong> kein brau<strong>ch</strong>e – i<strong>ch</strong> darf ni<strong>ch</strong>t darauf warten,<br />
Mens<strong>ch</strong>en der Gegenwart Für<br />
die ersten Jahre s<strong>ch</strong>eint es klarer<br />
Lehrer, den sie zuvor heiss geliebt haben, werden, oder – Ja, oder<br />
wirkli<strong>ch</strong>e Welt endli<strong>ch</strong> frei ist! Denn etwas i<strong>ch</strong>’s wissen will, muss mein bisheriger Mens<strong>ch</strong>enkundli<strong>ch</strong> passiert am Ende des<br />
zu sein, da hat die Waldorfpä-<br />
immer mehr und heftiger kritisieren, wenn<br />
wollen diese s<strong>ch</strong>einbar oft so uninteres-<br />
Lehrer wei<strong>ch</strong>en und den Fa<strong>ch</strong>leuten Platz zweiten Jahrsiebts ein bemerkenswerter<br />
Wirkli<strong>ch</strong>es Leben<br />
dagogik deutli<strong>ch</strong> si<strong>ch</strong>tbare Unters<strong>ch</strong>iede zudem die entsetzten Eltern feststellen,<br />
sierten Jugendli<strong>ch</strong>en tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> wissen: ma<strong>ch</strong>en. Zweitens: Das wirkli<strong>ch</strong>e Leben Wandel im Eigenerleben der Jugendli<strong>ch</strong>en:<br />
gegenüber «normalen» Kindergärten und dass man<strong>ch</strong>es Kind no<strong>ch</strong> immer ni<strong>ch</strong>t ri<strong>ch</strong>tig<br />
Da steht nun ein Klassenlehrer einer ver-<br />
Wie fühlt si<strong>ch</strong> das wirkli<strong>ch</strong>e Leben an ist offensi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> so kompliziert, dass es<br />
Vom Geborgensein in der Grup-<br />
Primars<strong>ch</strong>ulen, die viele Eltern als «besser<br />
re<strong>ch</strong>ts<strong>ch</strong>reiben kann und au<strong>ch</strong> im Kopfglei<strong>ch</strong>sweise<br />
grossen Gruppe von wer-<br />
Und hier wird nun ents<strong>ch</strong>eidend, was die Fa<strong>ch</strong>leute brau<strong>ch</strong>t, um es zu erklären und pe, vom Einssein mit Klasse und Lehrer/<br />
und s<strong>ch</strong>öner» für ihr Kind eins<strong>ch</strong>ätzen: re<strong>ch</strong>nen s<strong>ch</strong>wa<strong>ch</strong> ist, drängt si<strong>ch</strong> die Frage denden Jugendli<strong>ch</strong>en gegenüber, die Tag<br />
Mens<strong>ch</strong>en um sie herum als das wirkli<strong>ch</strong>e zu bewältigen. Der Klassenlehrer, spri<strong>ch</strong>: in, wel<strong>ch</strong>es die ersten S<strong>ch</strong>uljahre prägt,<br />
Den Kindern wird Zeit für ihre Entwicklung auf, ob es jetzt ni<strong>ch</strong>t endli<strong>ch</strong> Zeit wird für für Tag intensiver entdecken, dass jede<br />
Leben ansehen.<br />
ein Mens<strong>ch</strong> auf si<strong>ch</strong> gestellt, kann das offensi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong><br />
entwickelt si<strong>ch</strong> das Kind immer mehr zu<br />
gelassen, es gibt keinen Notendruck, dafür<br />
den We<strong>ch</strong>sel an eine «normale» S<strong>ch</strong>ule, und jeder eine selbstständige Person ist<br />
Wenn jetzt ein Bru<strong>ch</strong> erfolgt, wenn das<br />
ni<strong>ch</strong>t mehr... Und zwei Dinge einem si<strong>ch</strong> selbst erlebenden Wesen, das<br />
stimmungsvolle Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten, viel Spie-<br />
damit das Kind den Ans<strong>ch</strong>luss ni<strong>ch</strong>t ver-<br />
und die, je länger je mehr, völlig eigenstän-<br />
Kind in die öffentli<strong>ch</strong>e Sekundars<strong>ch</strong>ule werden glei<strong>ch</strong>zeitig viellei<strong>ch</strong>t gerade ni<strong>ch</strong>t seine Gefühle wahrnimmt – um das 13.<br />
leris<strong>ch</strong>es und Bildhaftes, eine Bauern-, passt. Denn statt Gedi<strong>ch</strong>te zu rezitieren, dige <strong>Interesse</strong>n, Verhaltensweisen und<br />
we<strong>ch</strong>selt oder der Lehrer hier s<strong>ch</strong>on dem gelernt: Der Klassenlehrer hat zwar nun Jahr herum so intensiv, dass oft ni<strong>ch</strong>ts anderes<br />
Handwerker- und Hausbauepo<strong>ch</strong>e in der seltsame Bewegungen in der Eurythmie Ges<strong>ch</strong>windigkeiten an den Tag legen…<br />
Oberstufenkollegen den Platz räumt, dann dur<strong>ch</strong>aus au<strong>ch</strong> für die S<strong>ch</strong>üler bemerkbare<br />
mehr Platz hat. Ein Phänomen, das<br />
dritten Klasse, das Sommerspiel im Eurythmieunterri<strong>ch</strong>t<br />
auszuführen und im S<strong>ch</strong>ulgarten den Und eines wollen sie alle immer weniger:<br />
S<strong>ch</strong>wä<strong>ch</strong>en, aber er bleibt trotzdem an dann s<strong>ch</strong>nell von aussen als Desinteresse<br />
der dritten und vierten Kompost umzusetzen, sollte es nun, um si<strong>ch</strong> von dieser Person, die sie nun s<strong>ch</strong>on<br />
seinem Platz, au<strong>ch</strong> wenn i<strong>ch</strong> ihn angreife, und Egoismus interpretiert wird.<br />
Klasse. All das trägt zu einem S<strong>ch</strong>ulerlebnis<br />
bei. Wel<strong>ch</strong>e Vielfalt, wel<strong>ch</strong>er Rei<strong>ch</strong>tum, lei<strong>ch</strong>t do<strong>ch</strong> besser mehr Re<strong>ch</strong>nen, Re<strong>ch</strong>t-<br />
was sie wann wie tun sollen. Am liebsten<br />
trag hat er als Lehrer an der Rudolf Steiner S<strong>ch</strong>ule im Leben. Zweitens: Wenn der Lehrer mir<br />
später au<strong>ch</strong> eine Lehrstelle zu finden, viel-<br />
ANDREAS TIELCKE ist Klassenlehrer an der Freien<br />
sooo lange kennen, vors<strong>ch</strong>reiben lassen,<br />
und lebt weiter – er steht offensi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong><br />
Waldorfs<strong>ch</strong>ule Cuxhaven (D). Den vorliegenden Bei-<br />
Starker Idealismus<br />
wel<strong>ch</strong>e Begeisterung!<br />
s<strong>ch</strong>reiben und Englis<strong>ch</strong>vokabeln üben. würden sie all diesen alten Plunder (Mor-<br />
Zür<strong>ch</strong>er Oberland ges<strong>ch</strong>rieben.<br />
etwas, was i<strong>ch</strong> su<strong>ch</strong>e, ni<strong>ch</strong>t bieten kann, S<strong>ch</strong>on in der a<strong>ch</strong>ten Klasse können viele<br />
46 47<br />
Bild: Charlotte Fis<strong>ch</strong>er
dieses überwältigende Aufbre<strong>ch</strong>en des<br />
inneren Gefühlslebens dann so weit verarbeiten,<br />
dass sie die anderen wieder –<br />
und nun plötzli<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> ganz neu – wahrnehmen.<br />
Die zunä<strong>ch</strong>st nur «egoistis<strong>ch</strong>»<br />
erlebte Gefühlswelt öffnet si<strong>ch</strong> dem Sozialen<br />
und es entwickelt si<strong>ch</strong> ein starker<br />
Idealismus, zunä<strong>ch</strong>st als Forderung an die<br />
Umwelt, dann aber immer mehr au<strong>ch</strong> als<br />
eigener Willensimpuls. Wenn nun dieser<br />
idealistis<strong>ch</strong>e Keim aus dem Jugendli<strong>ch</strong>en<br />
heraus geboren ist und seine ersten zarten<br />
Blätter ausbildet, dann kann und muss<br />
man dem Pflänz<strong>ch</strong>en einen neuen Boden<br />
geben. Jetzt brau<strong>ch</strong>t es bald Raum, um<br />
si<strong>ch</strong> zu entwickeln, es brau<strong>ch</strong>t die Freiheit<br />
und Vielfalt der Oberstufe mit dem<br />
Fa<strong>ch</strong>lehrerprinzip. Käme diese zu früh,<br />
dann fehlte dem Idealismuskeim der erste<br />
S<strong>ch</strong>utz, er würde glei<strong>ch</strong> ins Beet gesät.<br />
Was bietet der Unterri<strong>ch</strong>t in dieser Zeit<br />
– Rudolf Steiners Angaben für die «Erziehung<br />
im Reifealter» sind sehr klar: Weltinteresse<br />
<strong>wecken</strong>, keine Pedanterie, keiwerden<br />
sehr materialistis<strong>ch</strong> anges<strong>ch</strong>aut,<br />
nämli<strong>ch</strong> unter dem Gesi<strong>ch</strong>tspunkt der Me<strong>ch</strong>anik.<br />
Wie sind die Hebelwirkungen am<br />
Fuss, in den Armen, im Kiefer Wel<strong>ch</strong>e Bewegungen<br />
werden dur<strong>ch</strong> wel<strong>ch</strong>e Gelenkkonstruktionen<br />
ermögli<strong>ch</strong>t Wel<strong>ch</strong>e Kräfte<br />
oder Lasten müssen von bestimmten Skelettteilen<br />
getragen werden Alles, was hier<br />
bespro<strong>ch</strong>en wird, kann von den S<strong>ch</strong>üler/<br />
innen am eigenen Körper na<strong>ch</strong>gemessen<br />
und na<strong>ch</strong>gere<strong>ch</strong>net werden: Ein <strong>Vertrauen</strong><br />
entsteht, dass das eigene Denken dur<strong>ch</strong>aus<br />
in der Lage ist, die Welt zu erfassen.<br />
Und man kommt in dieser Mens<strong>ch</strong>enkundeepo<strong>ch</strong>e<br />
zu einem sehr merkwürdigen<br />
S<strong>ch</strong>lussergebnis: Der Mens<strong>ch</strong> ist in jeder<br />
Hinsi<strong>ch</strong>t ni<strong>ch</strong>t auf Optimierung einzelner<br />
Mögli<strong>ch</strong>keiten, sondern auf Vielfältigkeit<br />
und Bewegli<strong>ch</strong>keit hin ausgeri<strong>ch</strong>tet.<br />
Selbst verstehen<br />
In der Chemieepo<strong>ch</strong>e der 8. Klasse werden<br />
die Nahrungsgrundstoffe phänomenologis<strong>ch</strong><br />
untersu<strong>ch</strong>t, beispielsweise wird<br />
hier steht ni<strong>ch</strong>t die Optimierung des<br />
fa<strong>ch</strong>spezifis<strong>ch</strong>en Stofflernens im Vordergrund,<br />
sondern das Heranführen<br />
an die Welt, so dass das Gefühl(!)<br />
gestärkt wird: «I<strong>ch</strong> kann die Dinge<br />
aus meiner eigenen Beoba<strong>ch</strong>tungsund<br />
Denktätigkeit heraus verstehen.»<br />
Stilübungen, sondern in Form von Stilbetra<strong>ch</strong>tungen,<br />
um zu erfahren, dass<br />
Spra<strong>ch</strong>e ganz unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>e Wirkungen<br />
entfalten kann, je na<strong>ch</strong>dem, wie sie eingesetzt<br />
wird. Dabei wird eine Kraft erahnbar,<br />
die ni<strong>ch</strong>t im Physis<strong>ch</strong>en wirkt, die aber<br />
ents<strong>ch</strong>eidend die Welt mitgestaltet: die<br />
Ma<strong>ch</strong>t des Wortes.<br />
Ein zweites Thema des Deuts<strong>ch</strong>unterri<strong>ch</strong>tes<br />
ist die Biografiearbeit. In der Auseinandersetzung<br />
mit dem Lebenslauf eines<br />
grossen Mens<strong>ch</strong>en entsteht eine Ahnung<br />
von der Komplexität und Vers<strong>ch</strong>lungenheit<br />
des mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Lebensganges und von<br />
den vers<strong>ch</strong>iedenen Kräften und Bedingungen,<br />
die zu unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>en Zeiten<br />
auf ihn einwirken.<br />
Intensive Verbindung<br />
So hat man im Lehrplan der a<strong>ch</strong>ten Klasse<br />
gewissermassen eine Polarität von s<strong>ch</strong>einbar<br />
ganz einfa<strong>ch</strong>en, handfest greifbaren,<br />
«materialistis<strong>ch</strong>en» Ansätzen und ho<strong>ch</strong>philosophis<strong>ch</strong>en,<br />
in die Zukunft geri<strong>ch</strong>teten<br />
Fragen. Diese führen zunä<strong>ch</strong>st sogar<br />
oft in die oben bes<strong>ch</strong>riebene Verunsi<strong>ch</strong>erung,<br />
ermögli<strong>ch</strong>en aber letztli<strong>ch</strong> eine intensive<br />
Verbindung mit der Welt, weil<br />
sie aus dem Rahmen der eigenen Mögli<strong>ch</strong>keiten<br />
entspringen. Das intellektuelle<br />
Aufnehmen von vorgeda<strong>ch</strong>ten Erklärungen<br />
als «Tatsa<strong>ch</strong>en» und deren me<strong>ch</strong>anis<strong>ch</strong><br />
wiederholende Übung wird dagegen<br />
vermieden, da diese zwar s<strong>ch</strong>nell ein<br />
Si<strong>ch</strong>erheitsgefühl vermitteln können, das<br />
aber nur trägt, so lange der gewohnte<br />
Bezugsrahmen gewährleistet ist. Zerfällt<br />
dieser, so werden vor allem die vom Mens<strong>ch</strong>en<br />
selbst willentli<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong>drungenen<br />
Erfahrungen zum Grundgerüst seiner Existenz.<br />
Und diese versu<strong>ch</strong>t die Rudolf Steiner<br />
S<strong>ch</strong>ule zu vermitteln.<br />
Simon Gebhardt, 1961<br />
Einkaufsleiter eines internationalen Chemie-Unternehmens<br />
Rudolf Steiner S<strong>ch</strong>ule Basel 1967-1978<br />
«Die Steiner S<strong>ch</strong>ule liefert, was<br />
die Industrie si<strong>ch</strong> wüns<strong>ch</strong>t:<br />
soziale Kompetenz und vernetztes Denken.»<br />
Simon Gebhardt ist in Rheinfelden aufgewa<strong>ch</strong>sen.<br />
bildung zum eidg. dipl. Einkäufer SVME/ – Globale Einkaufsleitung für die Ro<strong>ch</strong>e<br />
Als es si<strong>ch</strong> abzei<strong>ch</strong>nete, dass IFPMM;<br />
Vitamins Division;<br />
der ältere Bruder eine Künstlerlaufbahn – Entwicklung einer Software zur Verwaltung<br />
– Na<strong>ch</strong> der Übernahme dur<strong>ch</strong> DSM, zu-<br />
ne saure Moralität, der Lehrer habe im das Eiweiss auf seine vers<strong>ch</strong>iedenen Eigens<strong>ch</strong>aften<br />
und der jüngere ein Ho<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>ulstudium<br />
von Produktionsstücklisten, Handsätzli<strong>ch</strong>e<br />
Funktionen im Integrations-<br />
Leben zu stehen.<br />
hin anges<strong>ch</strong>aut («s<strong>ch</strong>äumt<br />
anstrebte, teilte Simon der Familie mit, habung von Exportrückvergütungen und Reorganisationsprozess;<br />
Der Lehrplan bietet hierzu einige eigenartige<br />
auf») und mit den sehr konträren Eigen-<br />
es wäre jetzt an der Zeit, dass einer zu und zur Deklaration von Lebensmitteln – Heute: Leitung der strategis<strong>ch</strong>en Be-<br />
Anregungen. Beispielsweise soll in der s<strong>ch</strong>aften der Stärke («setzt si<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong> un-<br />
arbeiten begänne. Er ents<strong>ch</strong>ied si<strong>ch</strong> für gem. s<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>er und US-amerikas<strong>ch</strong>affungs-Aktivitäten<br />
für die neuen<br />
Mens<strong>ch</strong>enkundeepo<strong>ch</strong>e der a<strong>ch</strong>ten Klasse ten ab») vergli<strong>ch</strong>en. Diese Versu<strong>ch</strong>e sind<br />
eine Lehre als Bäcker-Konditor. Auf die drei nis<strong>ch</strong>er Gesetzgebung;<br />
Berei<strong>ch</strong>e «New Business Development»<br />
auf das Kno<strong>ch</strong>enskelett und den inneren grösstenteils zu erfassen. Die unendli<strong>ch</strong>e<br />
Lehrjahre folgte eine Zusatzlehre als Konditor-Confiseur.<br />
– Bran<strong>ch</strong>en-We<strong>ch</strong>sel und Konzentration und Human Nutrition Health.<br />
Bau der Sinnesorgane eingegangen werden.<br />
Vielfalt der Eiweissmoleküle wird ni<strong>ch</strong>t<br />
Die Wanderjahre führten auf die Einkaufstätigkeit: strategis<strong>ch</strong>er<br />
Warum Weil die Jugendli<strong>ch</strong>en do<strong>ch</strong> an Modellen dargestellt, sondern aus<br />
ins Palace Hotel St. Moritz und in andere Einkäufer in einem mittleren Produkti-<br />
«Das umfangrei<strong>ch</strong>e und praxisbezogene<br />
dieses tiefe Bedürfnis haben, herauszufinden,<br />
der lebhaften S<strong>ch</strong>ilderung z. B. der Un-<br />
renommierte Hotels. Dort wurden Weltonsbetrieb<br />
der Möbelbran<strong>ch</strong>e und Mit-<br />
S<strong>ch</strong>ulwissen war das verlässli<strong>ch</strong>ste Fun-<br />
wie die Welt und also au<strong>ch</strong> der verträgli<strong>ch</strong>keitsreaktionen in der Transstars<br />
und Prominenz von ihm verwöhnt. arbeit in einem Business Re-engineering dament für all mein späteres Tun! Die<br />
Mens<strong>ch</strong> wirkli<strong>ch</strong> bes<strong>ch</strong>affen ist! Warum plantationsmedizin oder der Giftwirkung<br />
Kurz darauf ma<strong>ch</strong>te er die Meisterprüfung Projekt unter der Leitung von Prof. Dr. Steiner S<strong>ch</strong>ule lieferte, was die Industrie<br />
dann das Skelett und ni<strong>ch</strong>t Zellbiologie eines Fremdeiweisses im S<strong>ch</strong>langenbiss.<br />
und dann «kam der S<strong>ch</strong>nellzug mit Halt Horst Wildemann TCW Mün<strong>ch</strong>en; si<strong>ch</strong> immer wüns<strong>ch</strong>t: soziale Kompetenz<br />
Weil die Zellularstruktur in diesem sinnli<strong>ch</strong>en,<br />
Au<strong>ch</strong> hier steht ni<strong>ch</strong>t die Optimierung<br />
an folgenden Stationen»:<br />
– Bran<strong>ch</strong>en-We<strong>ch</strong>sel in die Chemie: Ein-<br />
und vernetztes Denken. Bewunderung<br />
lebenspraktis<strong>ch</strong>en Alter etwas Ab-<br />
des fa<strong>ch</strong>spezifis<strong>ch</strong>en Stofflernens im Vorkäufer<br />
bei Ro<strong>ch</strong>e AG Sisseln, später Pro-<br />
und Dankbarkeit zolle i<strong>ch</strong> den Lehrern,<br />
straktes ist, das zwar den Intellekt kitzelt, dergrund, sondern das Heranführen an<br />
– Partner in einer kleinen Produktionsfirma<br />
kurist und Einkaufsleiter für das Ro<strong>ch</strong>e die mit unglaubli<strong>ch</strong>em Engagement und<br />
aber no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t wirkli<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong>drungen die Welt, so dass das Gefühl(!) gestärkt<br />
für S<strong>ch</strong>okoladenspezialitäten; Produktionswerk Sisseln;<br />
Geduld das beste Aufbautraining fürs Lekurist<br />
werden kann, das Denk- und Urteilsvermögen<br />
wird: «I<strong>ch</strong> kann die Dinge aus meiner ei-<br />
– Einkäufer und später Einkaufs- und Ma-<br />
– Kurse am IMD (International Instiben<br />
dur<strong>ch</strong>führten. Das glei<strong>ch</strong>e gilt natürleben<br />
ist no<strong>ch</strong> zu sehr vom Gefühlsergenen<br />
Beoba<strong>ch</strong>tungs- und Denktätigkeit<br />
terialwirts<strong>ch</strong>aftsleiter in einem grossen tute for Management Development in li<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> für alle Lehrer, die si<strong>ch</strong> heute an<br />
beherrs<strong>ch</strong>t. Glei<strong>ch</strong>zeitig geht es heraus verstehen.»<br />
und renommierten S<strong>ch</strong>weizer Confiserie-Unternehmen;<br />
Lausanne);<br />
vers<strong>ch</strong>iedensten S<strong>ch</strong>ulen tagtägli<strong>ch</strong> für<br />
aber keineswegs um denkfeindli<strong>ch</strong>e Gefühls-3duselei<br />
Im Deuts<strong>ch</strong>unterri<strong>ch</strong>t geht man auf sti-<br />
– Studium an der Universität Birmingham unsere Kinder einsetzen.»<br />
in dieser Zeit. Die Kno<strong>ch</strong>en listis<strong>ch</strong>e Fragen ein, ni<strong>ch</strong>t im Sinn von<br />
– Dreijährige betriebswirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Aus-<br />
mit MBA-Abs<strong>ch</strong>luss;<br />
48 49
ROSMARIE BLASER<br />
Vielfältiger Projektunterri<strong>ch</strong>t und Praktika in der Arbeitswelt<br />
Arbeiten statt Lernen oder<br />
Arbeiten und Lernen<br />
D<br />
Die immer stärker<br />
wahrnehmbaren Forderungen<br />
der Wirts<strong>ch</strong>aft<br />
an die S<strong>ch</strong>ule,<br />
die unstabile Situation<br />
auf dem Arbeitsmarkt und die S<strong>ch</strong>wierigkeiten<br />
bei der Lehrstellensu<strong>ch</strong>e verunsi<strong>ch</strong>ern<br />
heute Eltern und Jugendli<strong>ch</strong>e<br />
glei<strong>ch</strong>ermassen.<br />
Das Errei<strong>ch</strong>en der Matura gilt oft als das<br />
anzustrebende Ziel. Dieses bedingt ein<br />
enormes Aneignen von Lernstoff und die<br />
oben gestellte Frage ist aus diesem Blickwinkel<br />
verständli<strong>ch</strong>. Aus der öffentli<strong>ch</strong>en<br />
Diskussion über die Bildungsziele geht jedo<strong>ch</strong><br />
klar hervor, dass die reine Wissensvermittlung<br />
ni<strong>ch</strong>t genügt und das Errei<strong>ch</strong>en<br />
der Matura weder für alle mögli<strong>ch</strong><br />
no<strong>ch</strong> erstrebenswert ist. Was aber kann<br />
einen jungen Mens<strong>ch</strong>en bestärken, na<strong>ch</strong><br />
der obligatoris<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>ulzeit weitere drei<br />
Jahre eine S<strong>ch</strong>ule zu besu<strong>ch</strong>en<br />
Mit dem Projektunterri<strong>ch</strong>t und vor allem<br />
mit den vielfältigen Praktika von der 9.<br />
bis zur 12. Klasse gehen die Rudolf Steiner<br />
S<strong>ch</strong>ulen auf die entwicklungspsy<strong>ch</strong>ologis<strong>ch</strong>e<br />
Situation der Jugendli<strong>ch</strong>en im 3.<br />
Jahrsiebt ein. Von der «pädagogis<strong>ch</strong>en<br />
Gebärde» einer s<strong>ch</strong>ützenden Hülle der<br />
Unterstufe kommen wir zur «wegweisenden<br />
Gebärde». Die Jugendli<strong>ch</strong>en sind<br />
auf der Su<strong>ch</strong>e na<strong>ch</strong> ihrer Identität und<br />
na<strong>ch</strong> ihrer eigentli<strong>ch</strong>en Lebensaufgabe.<br />
Die Praktika kommen ihrem Bedürfnis<br />
na<strong>ch</strong> Erfahrungen ausserhalb der S<strong>ch</strong>ule<br />
entgegen. In der 9. Klasse ermögli<strong>ch</strong>t<br />
ihnen ein dreiwö<strong>ch</strong>iges Landwirts<strong>ch</strong>aftspraktikum<br />
eine intensive Begegnung mit<br />
dem Leben auf dem Bauernhof. Die A<strong>ch</strong>tung<br />
vor der Natur, der respekt- und liebevolle<br />
Umgang mit den Tieren, die enorme<br />
wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Herausforderung an einen<br />
Bauernbetrieb, die tiefe Befriedigung na<strong>ch</strong><br />
getaner körperli<strong>ch</strong>er Arbeit sind nur einige<br />
der Aspekte, die den jungen Mens<strong>ch</strong>en<br />
bewegen und seine eigenen Probleme in<br />
den Hintergrund treten lassen. Die drei<br />
Wo<strong>ch</strong>en in einer anderen Familienstruktur<br />
können ausserdem eine gute Distanz und<br />
eine neue Si<strong>ch</strong>tweise auf die Situation in<br />
der eigenen Familie s<strong>ch</strong>affen.<br />
Beim Feldmessen, als Projekt der 10. Klasse,<br />
ist eine ganze Klassengemeins<strong>ch</strong>aft gefordert.<br />
Die Vermessung eines Geländes in<br />
Gruppen verlangt grösste Sorgfalt und Genauigkeit.<br />
Der Fehler eines Einzelnen führt<br />
oft zum Neuansetzen der ganzen Arbeit.<br />
Das fa<strong>ch</strong>gere<strong>ch</strong>te Handhaben von Messgeräten<br />
und s<strong>ch</strong>lussendli<strong>ch</strong> das Übergeben<br />
des exakten Plans an eine Gemeinde<br />
oder Institution erfüllen die jungen Mens<strong>ch</strong>en<br />
mit Stolz. In dieser Stufe engagieren<br />
si<strong>ch</strong> die Klassen au<strong>ch</strong> häufig in einem<br />
Forst- oder Umweltprojekt.<br />
Dem Motiv einer 11. und 12. Klasse, das<br />
Su<strong>ch</strong>en na<strong>ch</strong> dem eigenen Weg und si<strong>ch</strong><br />
selbst, sowie das Erkennenwollen der<br />
heutigen Lebensbedingungen und der<br />
sozialen Zusammenhänge, wird mit dem<br />
Sozial- und Industriepraktikum Re<strong>ch</strong>nung<br />
getragen. Es gilt, die eigenen <strong>Interesse</strong>n<br />
zurückzustellen, ungewohnte Situationen<br />
zu bewältigen und Verantwortung für andere<br />
Mens<strong>ch</strong>en zu übernehmen. In die 12.<br />
Klasse fällt au<strong>ch</strong> das Theaterprojekt. Es ist<br />
der krönende Abs<strong>ch</strong>luss der gemeinsamen<br />
S<strong>ch</strong>ulzeit. No<strong>ch</strong> einmal finden sie si<strong>ch</strong> als<br />
Klasse zusammen und übernehmen, neben<br />
der Rolle im gemeinsam gewählten<br />
Theaterstück, sämtli<strong>ch</strong>e dazu gehörenden<br />
Aufgaben wie Bühnenbild, Kostüme, Beleu<strong>ch</strong>tung,<br />
Requisiten, musikalis<strong>ch</strong>e Begleitung<br />
und das Gestalten des Flyers und<br />
des Programmhefts.<br />
Persönli<strong>ch</strong>keitsbildung ernst<br />
nehmen<br />
Die vielen Initiativen zum projektbezogenen<br />
Unterri<strong>ch</strong>t zeigen, dass die heutigen<br />
IMS-S<strong>ch</strong>ulen (Integrative Mittels<strong>ch</strong>ulen<br />
der Rudolf Steiner S<strong>ch</strong>ulen in der<br />
S<strong>ch</strong>weiz) die Persönli<strong>ch</strong>keitsbildung ihrer<br />
S<strong>ch</strong>ülerInnen sehr ernst nehmen und ihnen<br />
manigfaltige Begegnungen ausserhalb<br />
des S<strong>ch</strong>ulzimmers ermögli<strong>ch</strong>en. Ein<br />
Blick auf die Homepage der S<strong>ch</strong>weizer<br />
IMS-S<strong>ch</strong>ulen lohnt si<strong>ch</strong>. Viele Klassen begegnen<br />
zum Beispiel in einem Aufbauprojekt<br />
fremden Kulturen und entwickeln ein<br />
Sensorium für die soziale Ungere<strong>ch</strong>tigkeit<br />
und das Gefälle zwis<strong>ch</strong>en Arm und Rei<strong>ch</strong>.<br />
Mit den im Lehrplan der Rudolf Steiner<br />
S<strong>ch</strong>ulen verankerten Praktika erhalten die<br />
jungen Mens<strong>ch</strong>en einen ersten Einblick in<br />
die Arbeitswelt. Diese können ihnen jedo<strong>ch</strong><br />
auf die Frage na<strong>ch</strong> der «Berufswahl»<br />
no<strong>ch</strong> keine befriedigende Antwort geben.<br />
Die Strukturwandlung in der Arbeitwelt<br />
hat das Verständnis von Beruf und Arbeit<br />
in unserer Gesells<strong>ch</strong>aft enorm verändert.<br />
Mit dem Projektunterri<strong>ch</strong>t und vor allem mit den vielfältigen Praktika von der 9.<br />
ROSMARIE BLASER war 1990-2007 Französis<strong>ch</strong>lehrerin<br />
bis zur 12. Klasse gehen die Rudolf Steiner S<strong>ch</strong>ulen auf die entwicklungspsy<strong>ch</strong>ologis<strong>ch</strong>e<br />
an der Oberstufe und IMS (Integrative Mit-<br />
Situation der Jugendli<strong>ch</strong>en im 3. Jahrsiebt ein. Die Jugendli<strong>ch</strong>en sind auf der<br />
tels<strong>ch</strong>ule) der Rudolf Steiner S<strong>ch</strong>ule Winterthur.<br />
Mitarbeit am Konzept für die berufswelt-orientierte<br />
Su<strong>ch</strong>e na<strong>ch</strong> ihrer Identität und na<strong>ch</strong> ihrer eigentli<strong>ch</strong>en Lebensaufgabe. Die Praktika<br />
IMS mit ans<strong>ch</strong>liessender Übernahme der Praktikumsbetreuung.<br />
kommen ihrem Bedürfnis na<strong>ch</strong> Erfahrungen ausserhalb der S<strong>ch</strong>ule entgegen.<br />
50 51
Viele Berufe sind dur<strong>ch</strong> die te<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>en<br />
Errungens<strong>ch</strong>aften ganz vers<strong>ch</strong>wunden,<br />
neue, viel verspre<strong>ch</strong>ende Ausbildungswege<br />
stellten si<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong> kurzer Zeit als<br />
bereits überholt heraus. Si<strong>ch</strong> in der Vielfalt<br />
von Berufen und Ausbildungswegen<br />
hat, der eben seine Ans<strong>ch</strong>lusslösung gefunden<br />
hat, wird mir beipfli<strong>ch</strong>ten.<br />
Die meisten S<strong>ch</strong>ulen haben in ihrem Curriculum<br />
das Fa<strong>ch</strong> Berufswahl-Vorbereitung<br />
aufgenommen. Fa<strong>ch</strong>leute oder ausgebildete<br />
LehrerInnen beraten die Jugendlen,<br />
die ihren S<strong>ch</strong>ülerInnen die Mögli<strong>ch</strong>keit<br />
geben, in mehreren Praktika die reale<br />
Arbeitswelt zu erleben, sei es in wiederkehrenden<br />
vierwö<strong>ch</strong>igen Berufspraktika,<br />
oder mit der Unterteilung der Wo<strong>ch</strong>e in<br />
S<strong>ch</strong>ul- und Arbeitszeit.<br />
«Es handelt si<strong>ch</strong> darum, die ganze Pädagogik<br />
und die ganze Didaktik in ein elementares<br />
Gefühl zusammen zu fassen, so<br />
dass Sie gewissermassen in Ihrer Seele die<br />
ganze S<strong>ch</strong>were und die Wu<strong>ch</strong>t der Aufgabe<br />
empfinden: Mens<strong>ch</strong>en hinein zu stellen<br />
in diese Welt. Ohne das wird unsere<br />
Waldorfs<strong>ch</strong>ule nur eine Phrase bleiben.»<br />
(Rudolf Steiner: Die Erziehung des Kindes<br />
im Reifealter)<br />
«Mens<strong>ch</strong>en hinein stellen in diese Welt»<br />
heisst au<strong>ch</strong>, ihnen helfen, ihren Weg, ihre<br />
Aufgabe zu finden, in ihnen die nötigen<br />
Kompetenzen anzulegen, um darin bestehen<br />
zu können. In der Sonderbeilage des<br />
Goetheanums Nr. 14 vom 29. Juni 1997<br />
Praktikanten, dem Betrieb und der S<strong>ch</strong>ule<br />
werden die Praktikumsbedingungen geregelt.<br />
Im Betrieb werden die Jugendli<strong>ch</strong>en<br />
dann mit ihren Stärken und S<strong>ch</strong>wä<strong>ch</strong>en<br />
konfrontiert, entdecken oft au<strong>ch</strong> ungeahnte<br />
Fähigkeiten. Meist treffen sie auf<br />
begeisterte Fa<strong>ch</strong>leute, die sie fa<strong>ch</strong>kompetent<br />
und mit si<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>em Berufsstolz<br />
anleiten. Es finden wertvolle mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e<br />
Begegnungen statt. Gesprä<strong>ch</strong>e, in denen<br />
oft au<strong>ch</strong> private S<strong>ch</strong>wierigkeiten angespro<strong>ch</strong>en<br />
werden, geben wi<strong>ch</strong>tige Impulse<br />
für die weitere Entwicklung. Während<br />
der vier Wo<strong>ch</strong>en besu<strong>ch</strong>t der s<strong>ch</strong>ulis<strong>ch</strong>e<br />
Betreuer den Betrieb und führt mit dem<br />
dort Verantwortli<strong>ch</strong>en und der Praktikantin/dem<br />
Praktikanten ein Gesprä<strong>ch</strong> über<br />
den Verlauf des Praktikums. Die Betriebe<br />
äussern si<strong>ch</strong> dabei in hö<strong>ch</strong>stem Masse positiv<br />
über unsere S<strong>ch</strong>ülerinnen und S<strong>ch</strong>üler:<br />
Sie zeigen ein grosses <strong>Interesse</strong> für<br />
den Beruf und den Betrieb, sie übernehmen<br />
junge Mens<strong>ch</strong> gezwungen, mit si<strong>ch</strong> ins<br />
Zwiegesprä<strong>ch</strong> zu kommen, si<strong>ch</strong> ehrli<strong>ch</strong><br />
mit den eigenen Stärken und S<strong>ch</strong>wä<strong>ch</strong>en<br />
auseinander zu setzen, si<strong>ch</strong> darüber klar<br />
zu werden, was für ihn wi<strong>ch</strong>tig ist und wie<br />
er auf seiner Su<strong>ch</strong>e zu si<strong>ch</strong> selbst weitergehen<br />
will. Die s<strong>ch</strong>ulis<strong>ch</strong>e Betreuungsperson<br />
kann im abs<strong>ch</strong>liessenden Gesprä<strong>ch</strong><br />
mit gezielten Fragen oft gute Hilfestellungen<br />
geben.<br />
Aufs<strong>ch</strong>lussrei<strong>ch</strong> ist zu sehen, wel<strong>ch</strong>e Berufe<br />
unsere S<strong>ch</strong>ülerinnen und S<strong>ch</strong>üler<br />
kennen lernen wollen. Sehr viel <strong>Interesse</strong><br />
gilt dem sozialen, pflegeris<strong>ch</strong>en und heilpädagogis<strong>ch</strong>en<br />
Berei<strong>ch</strong>. Da ist es au<strong>ch</strong><br />
relativ einfa<strong>ch</strong>, einen Praktikumsplatz zu<br />
bekommen, da eine helfende Hand mehr<br />
immer willkommen ist.<br />
S<strong>ch</strong>wieriger gestaltet si<strong>ch</strong> die Su<strong>ch</strong>e in<br />
den ebenfalls sehr begehrten künstleris<strong>ch</strong>en<br />
Berufen. Dass die Jugendli<strong>ch</strong>en<br />
es s<strong>ch</strong>affen, im Berei<strong>ch</strong> Grafik, Fotografie,<br />
wi<strong>ch</strong>tiger ers<strong>ch</strong>eint mir, dass diese jungen<br />
Leute die S<strong>ch</strong>ule mit einem Berufs- und<br />
Lebensziel verlassen, mit dem Wissen,<br />
was sie in der Arbeitswelt erwartet, dass<br />
sie verstanden haben, dass man fast zu<br />
allem fähig ist, wenn man nur will und<br />
Aufgabe und Weg nur aus si<strong>ch</strong> selbst zu<br />
finden sind. So werden sie zu «Autoren<br />
ihrer Biographie».*<br />
Zum S<strong>ch</strong>luss mö<strong>ch</strong>te i<strong>ch</strong> auszugsweise<br />
einige selber zu Wort kommen lassen:<br />
«Dur<strong>ch</strong> diese Praktika habe i<strong>ch</strong> herausfinden<br />
können, was für mi<strong>ch</strong> wi<strong>ch</strong>tig ist. I<strong>ch</strong><br />
habe gelernt, auf Neues zuzugehen und<br />
mi<strong>ch</strong> immer wieder auf neue Situationen<br />
einzustellen».<br />
«Es waren tiefe Eins<strong>ch</strong>nitte ins S<strong>ch</strong>ulleben,<br />
die si<strong>ch</strong> jedo<strong>ch</strong> lohnten. Gerade die<br />
Abwe<strong>ch</strong>slung bra<strong>ch</strong>te mir die Motivation<br />
fürs Lernen».<br />
«I<strong>ch</strong> konnte mi<strong>ch</strong> selbst finden, mi<strong>ch</strong> besser<br />
kennen lernen und abspüren, ob meine<br />
sagte Heinz Zimmermann in einem Interview<br />
Verantwortung, arbeiten sehr s<strong>ch</strong>nell<br />
zu Oberstufenfragen: «Es muss die<br />
selbständig, sind offen, teamfähig und sozialkompetent.<br />
Immer wieder wird betont,<br />
tätige Bekannts<strong>ch</strong>aft mit der modernen<br />
Wir können die Arbeitswelt in einem<br />
Arbeitswelt bis in die industrielle Produktion<br />
hinein einen ganz grossen Stellenwert<br />
Jugendli<strong>ch</strong>en aus unseren S<strong>ch</strong>ulen einen<br />
dass der Betrieb jederzeit bereit sei, für die<br />
an der S<strong>ch</strong>ule haben». Wir können die Arbeitswelt<br />
Praktikumsplatz zur Verfügung zu stellen.<br />
gewissen Sinn ni<strong>ch</strong>t in unsere S<strong>ch</strong>ulzimmer<br />
in einem gewissen Sinn ni<strong>ch</strong>t in<br />
können die Jugendli<strong>ch</strong>en hinauss<strong>ch</strong>icken,<br />
äusserst wi<strong>ch</strong>tiger Aspekt ist, dass sie dabei<br />
weiterhin aufgehoben bleiben in einer<br />
Negativ verlaufende Praktika sind äusserst<br />
Betrieb der Praktikantin/dem Praktikanten<br />
das Verständnis für die Arbeit, das <strong>Interesse</strong><br />
am Beruf, Zuverlässigkeit, Selbstän-<br />
unsere S<strong>ch</strong>ulzimmer hereinholen, aber wir<br />
damit sie sie kennen lernen können. Ein<br />
selten. Am Ende des Praktikums stellt der<br />
eine Qualifikation aus. Darin bewertet er<br />
Klassengemeins<strong>ch</strong>aft, die in der heutigen<br />
digkeit und den Umgang im Team. Diese<br />
hereinholen, aber wir können<br />
die Jugendli<strong>ch</strong>en hinauss<strong>ch</strong>icken,<br />
damit sie sie kennen lernen können.<br />
Zeit vermehrt au<strong>ch</strong> die Funktion der Familie<br />
übernehmen muss.<br />
Die Berufswelt orientierten Praktika in der<br />
11. und 12. Klasse verlangen von den jungen<br />
Mens<strong>ch</strong>en eine kontinuierli<strong>ch</strong>e Auseinandersetzung<br />
mit den Anforderungen<br />
der Arbeitswelt, aber au<strong>ch</strong> mit si<strong>ch</strong> selbst.<br />
Sie beginnen in der S<strong>ch</strong>ule mit einer gezielten<br />
objektive Fremdbewertung ist für den<br />
jungen Mens<strong>ch</strong>en unendli<strong>ch</strong> wertvoll und<br />
kann für die Su<strong>ch</strong>e na<strong>ch</strong> einem weiteren<br />
Praktikumsplatz oder einer späteren Lehrstelle<br />
sehr hilfrei<strong>ch</strong> sein. Dass diese fast<br />
auss<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> positiven Rückmeldungen<br />
das Selbstwertgefühl und die Selbstsi<strong>ch</strong>erheit<br />
eines Jugendli<strong>ch</strong>en steigern, ist<br />
Theater, Musik und der bildenden Künste<br />
eine Praktikumsstelle zu bekommen, zeigt,<br />
dass sie über Zielstrebigkeit und Überzeugungskraft<br />
verfügen. Das Handwerk<br />
nimmt na<strong>ch</strong> wie vor einen grossen Stellenwert<br />
ein. Eher wenig <strong>Interesse</strong> zeigen<br />
sie (leider) für te<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>e Berufe.<br />
inneren Vorstellungen mit der Realität des<br />
Berufes übereinstimmen».<br />
* Aus «Beruf und Biographie» von Mi<strong>ch</strong>ael<br />
Brater<br />
Vorbereitung. Na<strong>ch</strong> der Berufs-<br />
unbestritten. Die Erfahrungen im Verlauf<br />
wahl-Vorbereitung in der 9. und 10. Klasse<br />
der zahlrei<strong>ch</strong>en Praktika können für das<br />
Lebensziele finden<br />
wissen einige bereits, wel<strong>ch</strong>es Berufsfeld<br />
sie besonders interessiert. Die meisten<br />
sind no<strong>ch</strong> unsi<strong>ch</strong>er und müssen einfa<strong>ch</strong><br />
eine Wahl treffen. Die Jugendli<strong>ch</strong>en su<strong>ch</strong>en<br />
ihren Betrieb oder ihre Institution<br />
selber. Hinweise auf ri<strong>ch</strong>tiges Telefonieren,<br />
(au<strong>ch</strong>, oder besonders im Handyzeitalter)<br />
ganze spätere Leben prägend sein. Wieder<br />
zurück in der S<strong>ch</strong>ule wird das Erlebte<br />
im Praktikumsbu<strong>ch</strong> festgehalten.<br />
Dazu gehört ein Bes<strong>ch</strong>rieb des Betriebs,<br />
der dort arbeitenden Mens<strong>ch</strong>en mit ihren<br />
unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>en Berufen, eine Re<strong>ch</strong>er<strong>ch</strong>e<br />
über Ausbildungs- und Weiterbildungs-<br />
Ganz klar wirken si<strong>ch</strong> die Erfahrungen<br />
in den Praktika au<strong>ch</strong> auf die s<strong>ch</strong>ulis<strong>ch</strong>en<br />
Leistungen aus. Ein angehender Ko<strong>ch</strong> entdeckt<br />
zum Beispiel, dass Mathematik für<br />
die Einkäufe, die Preis- und Menübere<strong>ch</strong>nungen<br />
sehr wi<strong>ch</strong>tig ist und dass das ungeliebte<br />
Französi<strong>ch</strong> in diesem Metier om-<br />
und auf die Wi<strong>ch</strong>tigkeit des ersten<br />
mögli<strong>ch</strong>keiten und die verwandten Benipräsent<br />
ist. Mit sol<strong>ch</strong>en Erkenntnissen<br />
zure<strong>ch</strong>t zu finden, die Frage, was für einen li<strong>ch</strong>en und helfen ihnen bei der ri<strong>ch</strong>tigen<br />
wi<strong>ch</strong>tig und ri<strong>ch</strong>tig ist und wie es na<strong>ch</strong> der Fragestellung zu Neigungen, Fähigkeiten Eindrucks bei einem Vorstellungsgesprä<strong>ch</strong><br />
rufe. So bekommt der junge Mens<strong>ch</strong> ein kann der dur<strong>ch</strong> die Praktika «verloren»<br />
S<strong>ch</strong>ule weitergehen soll, kann zu einem und Mögli<strong>ch</strong>keiten.<br />
sind hilfrei<strong>ch</strong>. Man muss si<strong>ch</strong> vorstellen,<br />
genaues Bild und kann dieses mit seinen gegangene S<strong>ch</strong>ulstoff meist effizient aufgearbeitet<br />
werden. Do<strong>ch</strong> dies ist meiner<br />
quälenden Problem werden. Wer s<strong>ch</strong>on<br />
dass diese ersten S<strong>ch</strong>ritte einigen s<strong>ch</strong>on<br />
Neigungen und Fähigkeiten verglei<strong>ch</strong>en.<br />
Reale Arbeitswelt erleben<br />
einmal das strahlende Gesi<strong>ch</strong>t eines jungen<br />
Mens<strong>ch</strong>en aus der 12. Klasse gesehen No<strong>ch</strong> einen S<strong>ch</strong>ritt weiter gehen die S<strong>ch</strong>u-<br />
Vertrag zwis<strong>ch</strong>en der Praktikantin/dem<br />
Erfahrungen ausgewertet. Hier ist der sehr positiver Nebeneffekt. Unendli<strong>ch</strong> viel<br />
viel Überwindung abverlangen. In einem<br />
Im letzten Teil werden die persönli<strong>ch</strong>en Meinung na<strong>ch</strong> nur ein kleiner, wenn au<strong>ch</strong><br />
52 53
JÖRG UNDEUTSCH<br />
Rudolf Steiner-Pädagogik als «Erziehungs-Kunst»<br />
«Individuumzentriert<br />
und entwicklungsbezogen»<br />
Von der «Wärme-Pädagogik» über Beziehungs-, Erlebnis- und<br />
Inklusionspädagogik bis hin zu Theater, Zirkus, Eurythmie und<br />
Sport: In elf Ausgaben hat der S<strong>ch</strong>ulkreis von sehr vers<strong>ch</strong>iedenen<br />
Seiten her auf das «Kernges<strong>ch</strong>äft» der S<strong>ch</strong>ule geblickt.<br />
Dur<strong>ch</strong> alle S<strong>ch</strong>werpunktbeiträge zog si<strong>ch</strong> ein Motiv: «Künstleris<strong>ch</strong><br />
muss aller Unterri<strong>ch</strong>t bes<strong>ch</strong>affen sein» (Rudolf Steiner),<br />
Waldorf-Pädagogik will «Erziehungs-Kunst» sein, von Anfang<br />
an – und bis zum S<strong>ch</strong>luss. An dem das Individuum si<strong>ch</strong> zur Freiheit<br />
hindur<strong>ch</strong>gerungen hat.<br />
D<br />
Der Maler und Bildhauer<br />
Mi<strong>ch</strong>elangelo<br />
Buonarroti (1475-<br />
1564), so steht es in<br />
«Wikipedia», sah «im<br />
rohen Marmorblock<br />
das Kunstwerk vorgeformt, es s<strong>ch</strong>lummerte<br />
als Idee bereits im Stein und musste<br />
nur no<strong>ch</strong> aus ihm ‚befreit‘ werden.»<br />
Sinngemäss soll er seine Arbeitsweise<br />
einmal so bes<strong>ch</strong>rieben haben, dass er nur<br />
das Überflüssige weghaue, damit das im<br />
Stein verborgene, in den Stein gebannte<br />
Wesen zur Ers<strong>ch</strong>einung kommen könne:<br />
«Der Künstler ist nur der Geburtshelfer<br />
der Dinge, die zur Ers<strong>ch</strong>einung drängen.»<br />
Damit ist meines Era<strong>ch</strong>tens das Grundmotiv<br />
jegli<strong>ch</strong>er Kunst getroffen: Der Künstler<br />
ma<strong>ch</strong>t si<strong>ch</strong>tbar, bringt zur Ers<strong>ch</strong>einung<br />
ihm bearbeiteten Stoff an Seelis<strong>ch</strong>em,<br />
Geistigem, an Wesenhaftem veranlagt ist.<br />
Oder er provoziert – eher im Beuyss<strong>ch</strong>en<br />
Sinne – eine analoge, enthüllende, verwesen-tli<strong>ch</strong>ende<br />
Reaktion im Betra<strong>ch</strong>ter.<br />
Wenn Erziehung Kunst sein will, wird au<strong>ch</strong><br />
sie diesem Grundgestus folgen, wird sie<br />
«individuumzentriert und entwicklungsbezogen»<br />
sein, wie Rüdiger Grimm in der<br />
S<strong>ch</strong>ulkreis-Ausgabe 3/11 über die Rudolf<br />
Steiner-Pädagogik s<strong>ch</strong>reibt, die ni<strong>ch</strong>ts weniger<br />
sein will als Erziehungs-Kunst.<br />
Felix Merz, Rudolf Steiner S<strong>ch</strong>üler in den<br />
60er und 70er Jahren, Gymnasiallehrer<br />
und ehemaliger S<strong>ch</strong>ulvater, s<strong>ch</strong>reibt in<br />
Ausgabe 1/11: «Kunst heisst für mi<strong>ch</strong><br />
in diesem Zusammenhang: als Lehrkraft<br />
selbst s<strong>ch</strong>öpferis<strong>ch</strong> zu sein und ni<strong>ch</strong>t na<strong>ch</strong><br />
vorgegebenen S<strong>ch</strong>emen zu unterri<strong>ch</strong>ten.<br />
Bild: Charlotte Fis<strong>ch</strong>er<br />
JÖRG UNDEUTSCH ist Vater von se<strong>ch</strong>s Kindern,<br />
Waldorflehrer, Heimleiter und SCHULKREIS-Redaktor.<br />
und hilft zu vollenden, was in dem von Das bezieht si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t so sehr auf den In-<br />
mir von meiner S<strong>ch</strong>ule und ihren Lehrern<br />
Er lebt in Bern.<br />
gogik brau<strong>ch</strong>en. Kinder bringen mit dem Rhythmus, Kontinuität, sowie ein sinnes-<br />
54 55<br />
halt. Sondern darauf, dass ein Lehrer, eine<br />
Lehrerin an der Rudolf Steiner S<strong>ch</strong>ule si<strong>ch</strong><br />
tief auf die S<strong>ch</strong>ülers<strong>ch</strong>aft und ihre Entwicklungssituation<br />
einlässt – und dadur<strong>ch</strong><br />
«Eingebungen» hat, was jetzt, in diesem<br />
Moment für die S<strong>ch</strong>üler notwendig ist.<br />
Denn s<strong>ch</strong>lussendli<strong>ch</strong> geht es ni<strong>ch</strong>t darum,<br />
dass ein Mens<strong>ch</strong> am Ende seiner S<strong>ch</strong>ulzeit<br />
re<strong>ch</strong>nen und s<strong>ch</strong>reiben kann, turnen und<br />
singen und was da alles no<strong>ch</strong> in der S<strong>ch</strong>ule<br />
getrieben wird. Das kann man dann halt<br />
ein wenig besser oder s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>ter. Aber: Als<br />
junger Mens<strong>ch</strong> die S<strong>ch</strong>ule verlassen und<br />
einen Rucksack mitnehmen zu dürfen,<br />
der soweit gefüllt ist, dass der Mens<strong>ch</strong> in<br />
die Welt treten kann, selbstständig seine<br />
S<strong>ch</strong>ritte gemäss seinen Fähigkeiten unternehmen<br />
kann, das ist ein hohes Gut.<br />
Und dies, so meine i<strong>ch</strong> zu wissen, wurde<br />
als Ges<strong>ch</strong>enk mit auf den Weg gegeben.»<br />
«Inkarnation» anregend begleiten<br />
Die Rudolf Steiner-Pädagogik begreift<br />
die Kinder- und Jugendentwicklung als<br />
«Inkarnation»: Der Mens<strong>ch</strong> ergreift Leib<br />
und Seele von innen, ma<strong>ch</strong>t sie si<strong>ch</strong> zu<br />
eigen und gestaltet sie zu einem ganz<br />
individuellen Instrument seines Wirkens<br />
und Werdens auf Erden. Er ma<strong>ch</strong>t den<br />
ererbten Leib in den ersten drei mal sieben<br />
Jahren seines Lebens zur Grundlage<br />
seiner ureigenen Biografie. Wie Kindertagesstätte,<br />
Kindergarten und S<strong>ch</strong>ule diesen<br />
Prozess unterstützen können, war<br />
das dur<strong>ch</strong>gehende Thema der S<strong>ch</strong>ulkreis-<br />
S<strong>ch</strong>werpunktbeiträge seit Herbst 2009. Jedes<br />
«Fa<strong>ch</strong>», jeder S<strong>ch</strong>ul»stoff», alles, was<br />
in der S<strong>ch</strong>ule getan (und gelassen) wird -<br />
sei es «s<strong>ch</strong>ulis<strong>ch</strong>» im engeren Sinne, habe<br />
es eher ergänzenden Charakter - alles hat<br />
in der Rudolf Steiner S<strong>ch</strong>ule das eine Ziel:<br />
diesen Inkarnationsprozess anregend zu<br />
begleiten, von Anfang an – und bis in die<br />
Oberstufe hinein.<br />
In ihrem Beitrag zur «Elementarpädagogik»<br />
s<strong>ch</strong>rieb Bettina Mehrtens (auf<br />
Seite 17 f): «Mit dem Aufbru<strong>ch</strong> ins 21.<br />
Jahrhundert vollzieht si<strong>ch</strong>, in Folge der<br />
Erkenntnisse aus Neurowissens<strong>ch</strong>aften,<br />
der Bildungsfors<strong>ch</strong>ung und entwicklungspsy<strong>ch</strong>ologis<strong>ch</strong>er<br />
Fors<strong>ch</strong>ungen ein Paradigmenwe<strong>ch</strong>sel.<br />
Pädagogis<strong>ch</strong>e Handlungskonzepte<br />
werden überda<strong>ch</strong>t, da realisiert<br />
wird, dass Kinder keine Belehrungspäda-<br />
ersten Atemzug den Willen mit, si<strong>ch</strong> selber<br />
zu bilden. Sie sind motivierte Lernende,<br />
hellwa<strong>ch</strong>, selbstbewusst, wissend und<br />
haben einen ungeheuren Gestaltungsund<br />
Lernwillen. Sie wollen die Erde, die<br />
Gesells<strong>ch</strong>aft, kennen lernen, sie bewegen<br />
und verändern.<br />
Grundlage jeder verantwortli<strong>ch</strong>en Erziehungstätigkeit<br />
ist die Anerkennung des<br />
Kindes als geistige Individualität mit eigenen<br />
biographis<strong>ch</strong>en Motiven. Die Kindheit<br />
verläuft na<strong>ch</strong> eigenen Entwicklungsgesetzen,<br />
die vor fremdbestimmenden Eingriffen<br />
zu s<strong>ch</strong>ützen ist. Erziehung soll zur<br />
Selbstfindung des Mens<strong>ch</strong>en verhelfen, indem<br />
sie die Mögli<strong>ch</strong>keit eines kindgemässen<br />
Selbsterfahrungsprozesses s<strong>ch</strong>afft.<br />
Dazu gehört im Sinne der Salutogenese<br />
die Erfahrung von Geborgenheit, Pflege,
gesättigtes Erleben und Ers<strong>ch</strong>liessen neuer<br />
Lebensfelder, liebevolle Konsequenz<br />
und Grenzsetzung, aber au<strong>ch</strong> besonders<br />
zur Na<strong>ch</strong>ahmung anregendes Handeln<br />
und Verhalten seitens des Erziehenden.»<br />
Zauberwort «Na<strong>ch</strong>ahmung»<br />
«Na<strong>ch</strong>ahmung» ist das Zauberwort künstleris<strong>ch</strong>er<br />
Erziehung in den ersten sieben<br />
Lebensjahren. «Na<strong>ch</strong>ahmen heisst: hereins<strong>ch</strong>lüpfen,<br />
si<strong>ch</strong> ganz hereingeben<br />
in das Wesen der Umgebung, innerli<strong>ch</strong><br />
mits<strong>ch</strong>wingen. Das kleine Kind kann si<strong>ch</strong><br />
no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t distanzieren von seiner Umgebung,<br />
es muss, ob es will oder ni<strong>ch</strong>t, in<br />
den Stimmungen mitleben. Im Mits<strong>ch</strong>wingen<br />
aber bildet es si<strong>ch</strong> seine Organe aus»,<br />
s<strong>ch</strong>reibt Claudia Simcic auf Seite 20 über<br />
ankern, beheimaten. Christian Breme<br />
und Joseph As<strong>ch</strong>wanden gaben kleinen<br />
Kindern auf den Seiten 12-14 in ihrem<br />
Beitrag über «Beziehungspädagogik» ein<br />
«Handbu<strong>ch</strong>» mit auf den Weg – mit folgenden<br />
vier Empfehlungen:<br />
1. «Versu<strong>ch</strong>e als Erstes deinen Leib zu<br />
ergreifen, in ihm zu wohnen. Versu<strong>ch</strong>e,<br />
di<strong>ch</strong> selbst in einem di<strong>ch</strong> ganz<br />
umfassenden liebevollen «Gesprä<strong>ch</strong>»<br />
mit der Umgebung zu empfinden. Das<br />
kannst du am Besten in der Berührung<br />
mit der Mutter!» Liebe erfährt der<br />
Mens<strong>ch</strong> zuerst über die Haut, dur<strong>ch</strong><br />
den Tastsinn. Da kann er leibli<strong>ch</strong> eine<br />
Verbundenheit mit der Welt erleben,<br />
die später einmal als seelis<strong>ch</strong>e Liebefähigkeit<br />
und Verantwortung in Bezieli<strong>ch</strong>keit<br />
und Ges<strong>ch</strong>meidigkeit in der Gestaltung<br />
von Beziehungen zeigen können,<br />
weil du ein innerli<strong>ch</strong> reger Mens<strong>ch</strong><br />
werden wirst.»<br />
4. «Versu<strong>ch</strong>e einen Glei<strong>ch</strong>gewi<strong>ch</strong>tssinn<br />
zu entwickeln. Balanciere über Mauern<br />
und Baumstämme. Es wird di<strong>ch</strong> später<br />
seelis<strong>ch</strong> im Glei<strong>ch</strong>gewi<strong>ch</strong>t halten. Du<br />
wirst als ein I<strong>ch</strong> der Meister sein in deinem<br />
Leib und ni<strong>ch</strong>t ein Mens<strong>ch</strong> werden,<br />
der allen auftau<strong>ch</strong>enden Neigungen<br />
und Begierden glei<strong>ch</strong> folgen muss.»<br />
Der Glei<strong>ch</strong>gewi<strong>ch</strong>tssinn stärkt die Souveränität<br />
der Seele gegenüber dem Leib.<br />
Au<strong>ch</strong> das ist eine Grundbedingung des<br />
sozialen Lebens.»<br />
Bewegungsdrang Ri<strong>ch</strong>tung geben<br />
anderen wahrzunehmen. Jede Zirkustätigkeit<br />
fördert das Selbstvertrauen und<br />
das <strong>Vertrauen</strong> in den anderen. Das Kind<br />
lernt, dass man das Glei<strong>ch</strong>gewi<strong>ch</strong>t verlassen<br />
muss, um vorwärts zu kommen.<br />
Es entwickelt das <strong>Vertrauen</strong>, jederzeit<br />
sein Glei<strong>ch</strong>gewi<strong>ch</strong>t finden zu können, sei<br />
es au<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong> so anstrengend.»<br />
Den Leib ergreifen, den Leib verwandeln<br />
– dieses Grundmotiv der ersten sieben<br />
Lebensjahre wird in den zweiten sieben<br />
Jahren, in der S<strong>ch</strong>ule, ins Seelis<strong>ch</strong>e hinein<br />
fortgesetzt. No<strong>ch</strong> einmal Christian Breme<br />
und Joseph As<strong>ch</strong>wanden: «Es ist die Zeit<br />
des seelis<strong>ch</strong>en Erwa<strong>ch</strong>ens. An den Erzählungen<br />
der Mär<strong>ch</strong>en, der Legenden und<br />
Sagen bilden und verfeinern si<strong>ch</strong> die Begriffe<br />
für das Mens<strong>ch</strong>sein, für das Mannund<br />
Frausein, für das, was wir Liebe, Treue,<br />
Geduld, Verzi<strong>ch</strong>t, Eigensu<strong>ch</strong>t, Eitelkeit,<br />
Zuwendung, Abneigung nennen. Es entwickeln<br />
si<strong>ch</strong> daran Gefühlsurteile, ja fast<br />
ästhetis<strong>ch</strong>e Urteile. Dem einen strahlt Anerkennung<br />
entgegen: So mö<strong>ch</strong>te i<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong><br />
werden, das andere wird mit Widerwillen<br />
abgelehnt. Eine bildhafte Psy<strong>ch</strong>ologie<br />
entwickelt si<strong>ch</strong>. Zuglei<strong>ch</strong> eine Moralität.<br />
Es folgt mit der Pubertät die Zeit der Visionsbildung,<br />
des ersten, ahnungshaften<br />
biografis<strong>ch</strong>en Entwurfes.»<br />
Rudolf Steiner S<strong>ch</strong>ulen wollen «Entwicklungshilfe»<br />
leisten, ni<strong>ch</strong>ts eintri<strong>ch</strong>tern,<br />
haben keine Erziehungsziele ausser diesem<br />
einen: den jungen Mens<strong>ch</strong>en zu si<strong>ch</strong><br />
selbst zu führen und ihm Wesensbegegnungen<br />
zu ers<strong>ch</strong>liessen mit der Welt, in der<br />
er wirksam werden mö<strong>ch</strong>te. Das ist eine<br />
im Kern ni<strong>ch</strong>t-selektive Pädagogik, in der<br />
«Inklusion» – ein sehr aktuelles Sti<strong>ch</strong>wort<br />
der pädagogis<strong>ch</strong>en Debatte – selbstverständli<strong>ch</strong><br />
sein sollte.<br />
Rüdiger Grimm fast in Ausgabe 3/11 zusammen,<br />
weshalb Rudolf Steiner S<strong>ch</strong>ulen<br />
«für inklusive Prozesse hervorragend geeignet»<br />
sind:<br />
– «Rudolf Steiner-S<strong>ch</strong>ulen sind Einheitss<strong>ch</strong>ulen.<br />
Sie verweisen auf ein Verständnis<br />
gemeinsamen Lernens ohne<br />
normierende und segregierende Ausleseverfahren.<br />
– Der Unterri<strong>ch</strong>t ist handlungs- und erfahrungsbezogen.<br />
Er verläuft vom Tun zum<br />
Begreifen zum Können, vom Bild zum<br />
Begriff, vom Verstehen zum Handeln<br />
und zum Aufbau von Erfahrung und<br />
Lebenstü<strong>ch</strong>tigkeit. In seinen vielfältigen<br />
und komplexen Mögli<strong>ch</strong>keiten kann methodologis<strong>ch</strong><br />
für alle Kinder der ri<strong>ch</strong>tige<br />
Ansatzpunkt gewonnen werden.<br />
– Das Curriculum ist entwicklungsbezogen.<br />
Unter psy<strong>ch</strong>ologis<strong>ch</strong>en Gesi<strong>ch</strong>tspunkten<br />
berücksi<strong>ch</strong>tigt es die Lerndispositionen<br />
der jeweiligen kindli<strong>ch</strong>en<br />
Lebensaltersentwicklung. Pädagogis<strong>ch</strong><br />
gesehen bezieht es seine Inhalte ni<strong>ch</strong>t<br />
primär von gesells<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en oder wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en<br />
Bedingungen, sondern aus<br />
der biographis<strong>ch</strong>en Relevanz des Erlebens<br />
des Kindes und Jugendli<strong>ch</strong>en.»<br />
Von Anfang an lag dieser «inklusive» Ansatz<br />
im Zentrum der Rudolf Steiner S<strong>ch</strong>ule.<br />
Über deren Entstehungsbedingungen in<br />
Stuttgart 1919 s<strong>ch</strong>rieb Albert S<strong>ch</strong>melzer<br />
in Ausgabe 1/11: «Als «freie S<strong>ch</strong>ule» mit<br />
relativer Unabhängigkeit von staatli<strong>ch</strong>en<br />
Ri<strong>ch</strong>tlinien in Bezug auf Lehrplan und<br />
künstleris<strong>ch</strong>e Pädagogik, Pädagogik als<br />
Kunst. Was es dazu brau<strong>ch</strong>t, bes<strong>ch</strong>rieb<br />
Ueli Seiler im Auftaktbeitrag zu der kleinen<br />
Artikel-Serie, die der S<strong>ch</strong>ulkreis mit<br />
diesem Beitrag abs<strong>ch</strong>liesst, einem Beitrag<br />
über «Wärmepädagogik»: «Aufmerksamkeit<br />
ist die Grundlage einer Wärmepädagogik.<br />
Aufmerksamkeit der Welt gegenüber,<br />
Aufmerksamkeit dem Mitmens<strong>ch</strong>en<br />
gegenüber. Mit der augenblickli<strong>ch</strong>en Aufmerksamkeit<br />
nehmen wir das Wesenhafte<br />
– etwa eines blühenden Kirs<strong>ch</strong>baumes,<br />
eines Sonnenuntergangs, eines Kindes<br />
– wahr. Erst dur<strong>ch</strong> innerste Wesensbegegnung,<br />
die eben nur dur<strong>ch</strong> geistige<br />
und seelis<strong>ch</strong>e Wärme entsteht, kann die<br />
Grundlage zu einer integrierenden Pädagogik<br />
gelegt werden. So einfa<strong>ch</strong> ist es! So<br />
«Liebevolle Autorität» und künstleris<strong>ch</strong>es<br />
Tun im engeren Sinne der herkömmli<strong>ch</strong>en<br />
«Kunst heisst für mi<strong>ch</strong> in diesem Zusammenhang: als<br />
Künste sind die Zauberworte für die zweiten<br />
Lehrkraft selbst s<strong>ch</strong>öpferis<strong>ch</strong> zu sein und ni<strong>ch</strong>t na<strong>ch</strong><br />
sieben, die eigentli<strong>ch</strong>en Grund-S<strong>ch</strong>ul-<br />
vorgegebenen S<strong>ch</strong>emen zu unterri<strong>ch</strong>ten. Das bezieht si<strong>ch</strong><br />
jahre. Daneben gilt es, dem Bewegungsdrang<br />
Ri<strong>ch</strong>tung zu geben, das freie si<strong>ch</strong><br />
ni<strong>ch</strong>t so sehr auf den Inhalt. Sondern darauf, dass ein<br />
Lehrer, eine Lehrerin an der Rudolf Steiner S<strong>ch</strong>ule si<strong>ch</strong><br />
bewegen Lassen zu einem bewussteren<br />
Üben zu verdi<strong>ch</strong>ten, zum Beispiel im<br />
tief auf die S<strong>ch</strong>ülers<strong>ch</strong>aft und ihre Entwicklungssituation<br />
einlässt – und dadur<strong>ch</strong> «Eingebungen» hat, was<br />
Sportunterri<strong>ch</strong>t. Benz S<strong>ch</strong>affner (Seite 39):<br />
«Das Kind lernt seine Physis dur<strong>ch</strong> die Bewegung<br />
jetzt, in diesem Moment für die S<strong>ch</strong>üler notwendig ist.<br />
kennen. Es kann erfahren, wie<br />
dur<strong>ch</strong> beharrli<strong>ch</strong>es Üben etwas errei<strong>ch</strong>t<br />
Lehrerauswahl ma<strong>ch</strong>te sie ernst mit dem s<strong>ch</strong>wer zu erfüllen ebenfalls.»<br />
wird. Dur<strong>ch</strong> das Wiederholen eines Bewegungsablaufs<br />
Gedanken eines si<strong>ch</strong> selbst verwaltenden Denn immer geht es darum: Mi<strong>ch</strong><br />
erlebt das Kind mehr Si-<br />
Geisteslebens. Als S<strong>ch</strong>ule vor allem für die ni<strong>ch</strong>t von Vorstellungen leiten zu las-<br />
<strong>ch</strong>erheit, es wird in der Sa<strong>ch</strong>e selbständig.<br />
Kinder der Angestellten und Arbeiter von sen, mein «Wissen» an der Garderobe<br />
Dur<strong>ch</strong> die Bewegung erfahre i<strong>ch</strong> sehr viel<br />
Waldorf-Astoria überbrückte sie den Abgrund<br />
abzugeben – und mi<strong>ch</strong> einzulassen<br />
über mi<strong>ch</strong>, als ganzer Mens<strong>ch</strong>. Das Ergreifen<br />
zwis<strong>ch</strong>en den sozialen Klassen und auf die Begegnung mit dem Wesent-<br />
meiner selbst in meinem Körper wird<br />
sorgte für Chancenglei<strong>ch</strong>heit – au<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong> li<strong>ch</strong>en. In Zwiespra<strong>ch</strong>e mit ihm – und<br />
in diesem Unterri<strong>ch</strong>t zum Wi<strong>ch</strong>tigsten. I<strong>ch</strong><br />
die damals keineswegs übli<strong>ch</strong>e Koedukation<br />
ni<strong>ch</strong>ts sonst – wä<strong>ch</strong>st das Kunstwerk:<br />
muss in den vers<strong>ch</strong>iedensten Situationen<br />
von Jungen und Mäd<strong>ch</strong>en.» reift der junge Mens<strong>ch</strong> in den Glanz sei-<br />
lernen, mit mir umzugehen. Im Turnunterri<strong>ch</strong>t<br />
Um wirkli<strong>ch</strong> inklusiv zu werden, müsner<br />
eigenen Freiheit hinein. Dabei mag<br />
die «Elementarpädagogik» und zitiert Rudolf<br />
hungen zu den Mitmens<strong>ch</strong>en ers<strong>ch</strong>ei-<br />
kann si<strong>ch</strong> das I<strong>ch</strong> mit seinem Leib verse<br />
das in der Rudolf Steiner Pädagogik ein «Lehrplan» hilfrei<strong>ch</strong> sein. Ni<strong>ch</strong>t aber,<br />
Steiner: «Nur die ri<strong>ch</strong>tige physis<strong>ch</strong>e nen wird.<br />
binden. Dieses «Versu<strong>ch</strong>en», egal wie es<br />
Vorgeda<strong>ch</strong>te aber ganz konsequent zu indem i<strong>ch</strong> ihn anwende und umsetze –<br />
Umgebung wirkt auf das Kind so, dass 2. «Versu<strong>ch</strong>e di<strong>ch</strong> in dir wohl zu fühlen vorerst gelingt, ist für den Turnlehrer das<br />
Ende geda<strong>ch</strong>t (und empfunden) werden, sondern indem er meinen Blick «belehrt»,<br />
seine physis<strong>ch</strong>en Organe si<strong>ch</strong> in die ri<strong>ch</strong>tigen<br />
und das in dir auftau<strong>ch</strong>ende Unwohl-<br />
Wertvollste. Er hilft mit und s<strong>ch</strong>enkt den<br />
s<strong>ch</strong>liesst Rüdiger Grimm seinen Beitrag mi<strong>ch</strong> aufmerksam ma<strong>ch</strong>t auf die feinen,<br />
Formen prägen.» Damit das Kind sein zu ertragen. Versu<strong>ch</strong>e di<strong>ch</strong> ganz zu S<strong>ch</strong>ülern (Selbst-)<strong>Vertrauen</strong>.»<br />
über «Inklusionspädagogik», es gelte, fast verborgenen Seelenregungen meines<br />
na<strong>ch</strong>ahmen könne, brau<strong>ch</strong>e es Vorbilder. spüren, denn diese Wahrnehmung gibt In die glei<strong>ch</strong>e Ri<strong>ch</strong>tung zielt Sabine S<strong>ch</strong>uster<br />
«das «zwei-Gruppen-Denken» zu über-<br />
Gegenübers. Das Kind brau<strong>ch</strong>t (Seelen-)<br />
Alles habe Vorbild<strong>ch</strong>arakter, ni<strong>ch</strong>t nur wir dir Heimat im Leib. Das ist ein Gefühl,<br />
in einem Beitrag über Theaterpädawinden,<br />
das die Welt in «Behinderte» und Nahrung, der Jugendli<strong>ch</strong>e einen Partner,<br />
Mens<strong>ch</strong>en, au<strong>ch</strong> Formen, Farben, Klänge das du später als seelis<strong>ch</strong>e Selbständigkeit<br />
gogik (in Ausgabe 2/11): Auf einer Tonne<br />
«Ni<strong>ch</strong>t-Behinderte» teilen will anstatt in an dem er si<strong>ch</strong> reiben kann, um si<strong>ch</strong> an<br />
usw. wirkten bildend auf das kleine Kind.<br />
wieder finden wirst. Du wirst in dir oder der Glei<strong>ch</strong>gewi<strong>ch</strong>tskugel laufen, auf<br />
Mens<strong>ch</strong>en unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>er Fähigkeiten ihm selbst zu erziehen. Si<strong>ch</strong> diesem Progogik<br />
«Ein na<strong>ch</strong>ahmendes Kind ist ein «träumendes»<br />
ruhen können. Das ist eine Ausgangsla-<br />
einem Einrad fahren - «alle diese Tätig-<br />
und Begrenzungen, die ihren je eigenen zess zu stellen, ist die Aufgabe von Lehrer<br />
Kind, und diesem «Träumen» ge, ohne die soziale Beziehungen ni<strong>ch</strong>t keiten fordern von jedem Kind ein indivi-<br />
Beitrag für das eigene Leben und das so-<br />
und Lehrerinnen, die Erziehung als Kunst<br />
Raum zu geben, ist eine der wi<strong>ch</strong>tigen in Freiheit begründet werden können.» duelles Üben. Das Kind muss stundenlang<br />
ziale Miteinander erbringen.»<br />
begreifen – ni<strong>ch</strong>t, um dem Stoff ihren Willen,<br />
Aufgaben im ersten Jahrsiebt.»<br />
Wir dürfen von der Entfaltung und Entwicklung<br />
die glei<strong>ch</strong>en Bewegungen wiederholen,<br />
Konsequent das einzelne Kind in den Mit-<br />
ihre Ideen einzuverleiben, sondern ihn<br />
Das zweite Element neben der Na<strong>ch</strong>ahmung,<br />
eines gesunden Lebenssinnes um s<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> die Geräte zu beherrs<strong>ch</strong>en<br />
telpunkt der Betra<strong>ch</strong>tung zu stellen, alles unter ihrer wahrnehmend tätigen Beglei-<br />
die zweite grosse Inkarnationshilfe<br />
spre<strong>ch</strong>en.<br />
und zu einer Freiheit in der Bewegung zu<br />
Normierende hinter si<strong>ch</strong> zu lassen, das zur tung zu si<strong>ch</strong> selbst hin reifen zu lassen:<br />
in den ersten sieben Lebensjahren, ist 3. «Versu<strong>ch</strong>e deinen Bewegungssinn kommen, die von einem ruhenden Zen-<br />
Ers<strong>ch</strong>einung kommen zu lassen und dem zu Selbst-Bewusstsein, Selbstwertgefühl<br />
neben Rhythmus: die Bewegung; Bewegung,<br />
dur<strong>ch</strong> Tanzen und Springen, Klettern trum ausgeht. Si<strong>ch</strong> zentrieren, das eige-<br />
zur Vollendung zu verhelfen, was in ihm an und Selbstverwirkli<strong>ch</strong>ung, hier und heute.<br />
die innere Sinne reifen lässt, Sinne, und S<strong>ch</strong>aukeln zu entwickeln. Gelingt ne Zentrum zu finden erlaubt es, sein I<strong>ch</strong><br />
Seelis<strong>ch</strong>em, Geistigem, an Wesenhaftem,<br />
die den Mens<strong>ch</strong>en in seinem Körper ver-<br />
dir das, so wirst du später eine Beweg- zu finden und frei zu sein, um das I<strong>ch</strong> des<br />
an Individuellem wirksam ist – das ist<br />
56 57<br />
Bild: Charlotte Fis<strong>ch</strong>er
BRUNO VANONI<br />
Erziehungspartners<strong>ch</strong>aft zwis<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>ule und Elternhaus<br />
Hilfspersonal,<br />
Zahleltern<br />
oder e<strong>ch</strong>te Partner<br />
Die Steiner-S<strong>ch</strong>ulen sind bekannt für ihre engen Verbindungen<br />
mit den Eltern und verspre<strong>ch</strong>en diesen gar<br />
«Erziehungspartners<strong>ch</strong>aft». Zu Re<strong>ch</strong>t An der Steiner<br />
S<strong>ch</strong>ule Bern und Ittigen erleben Eltern den pädagogis<strong>ch</strong>en<br />
Einbezug ins S<strong>ch</strong>ulleben sehr unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>.<br />
Bild: Charlotte Fis<strong>ch</strong>er<br />
«Erziehungspartners<strong>ch</strong>aft zwis<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>ule<br />
und Elternhaus» – das verspre<strong>ch</strong>en die<br />
S<strong>ch</strong>weizer Steiner S<strong>ch</strong>ulen im Internet. Jedenfalls<br />
lautet so eines der S<strong>ch</strong>lagworte,<br />
die auf www.steiners<strong>ch</strong>ule.<strong>ch</strong> das besondere<br />
Konzept dieser S<strong>ch</strong>ulbewegung umreissen.<br />
Do<strong>ch</strong> was mit dieser Erziehungspartners<strong>ch</strong>aft<br />
konkret gemeint ist, wird<br />
ni<strong>ch</strong>t näher erläutert.<br />
Gewiss: Zu den Steiner S<strong>ch</strong>ulen gehört<br />
allgemein der Ruf, dass die Eltern hier<br />
gefragter sind als an anderen S<strong>ch</strong>ulen<br />
und in einem engeren Verhältnis zu den<br />
Lehrpersonen stehen. Und bestimmt verlangen<br />
die Steiner S<strong>ch</strong>ulen von den Eltern<br />
mehr Engagement und einen grösseren<br />
Einsatz an Zeit (vom stets knappen Geld<br />
einmal ganz zu s<strong>ch</strong>weigen). Do<strong>ch</strong> verdient<br />
dies s<strong>ch</strong>on die hehre Bezei<strong>ch</strong>nung «Partners<strong>ch</strong>aft»<br />
In einer S<strong>ch</strong>ule ganz unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong><br />
erlebt<br />
Zeit. Do<strong>ch</strong> sie bra<strong>ch</strong>ten dabei eine Fülle<br />
von Stand- und Gesi<strong>ch</strong>tspunkten vor, wie<br />
sie tausend Eltern ni<strong>ch</strong>t besser hätten zum<br />
Ausdruck bringen können. Verblüffend<br />
war dabei, dass die Auseinandersetzung<br />
mit dem vielverspre<strong>ch</strong>enden S<strong>ch</strong>lagwort<br />
«Erziehungspartners<strong>ch</strong>aft» zu völlig entgegengesetzten<br />
Urteilen führte.<br />
Die «enge Zusammenarbeit zwis<strong>ch</strong>en Eltern<br />
und PädagogInnen» sei ihr «ein wi<strong>ch</strong>tiges<br />
Anliegen», s<strong>ch</strong>rieb mir eine Mutter,<br />
die si<strong>ch</strong> in einem zeitaufwändigen Gremium<br />
der Steiner S<strong>ch</strong>ule Bern und Ittigen<br />
engagiert. Diese enge Zusammenarbeit<br />
unters<strong>ch</strong>eide die Steiner S<strong>ch</strong>ule stark von<br />
der Staatss<strong>ch</strong>ule. Zu dieser Besonderheit<br />
gelte es, Sorge zu tragen – sonst käme<br />
«vieles ins Wanken», und dies wäre «der<br />
Begleitung unser Kinder ni<strong>ch</strong>t dienli<strong>ch</strong>».<br />
Ganz anders s<strong>ch</strong>rieb die Mutter eines Kindes,<br />
das seit bald zwei Jahren die glei<strong>ch</strong>e<br />
Steiner S<strong>ch</strong>ule besu<strong>ch</strong>t: Eine «Erziehungspartners<strong>ch</strong>aft»<br />
zwis<strong>ch</strong>en Eltern und Lehrpersonen<br />
sei ihr da «im Laufe der Zeit<br />
ni<strong>ch</strong>t besonders aufgefallen. I<strong>ch</strong> stelle fast<br />
keinen Unters<strong>ch</strong>ied fest zwis<strong>ch</strong>en Staatss<strong>ch</strong>ule<br />
(an der unsere anderen beiden Kinder<br />
sind) und Steiners<strong>ch</strong>ule. Und i<strong>ch</strong> weiss<br />
ni<strong>ch</strong>t so re<strong>ch</strong>t, ob i<strong>ch</strong> leider sagen soll. Und<br />
tun hat oder mit der S<strong>ch</strong>ule.»<br />
Aus pädagogis<strong>ch</strong>en Gründen<br />
gefordert<br />
den starken Elternbezug in einem öffentli<strong>ch</strong>en<br />
Vortrag in Den Haag geradezu als<br />
Charakteristikum und Ziel seiner S<strong>ch</strong>ulen<br />
dar: «Eine Waldorfs<strong>ch</strong>ule ist eine S<strong>ch</strong>ule,<br />
die ganz darauf aufgebaut ist, mit der<br />
Elterns<strong>ch</strong>aft in enger Verbindung zu stehen.»<br />
An Elternversammlungen, die er mal in<br />
monatli<strong>ch</strong>em, mal im vierteljährli<strong>ch</strong>en<br />
Rhythmus propagierte, plädierte Rudolf<br />
Steiner für «herzli<strong>ch</strong>es Einvernehmen»<br />
zwis<strong>ch</strong>en Lehrer- und Elterns<strong>ch</strong>aft – ausgehend<br />
von der Einsi<strong>ch</strong>t, dass «die Elterns<strong>ch</strong>aft<br />
das Teuerste, was sie hat, der Lehrers<strong>ch</strong>aft<br />
anvertraut hat.» Und er spra<strong>ch</strong><br />
davon, dass die Waldorfs<strong>ch</strong>ule eine «freie<br />
S<strong>ch</strong>ule» sein solle und gerade deshalb<br />
«auf die Hilfe der Elterns<strong>ch</strong>aft in einem<br />
ganz ausserordentli<strong>ch</strong> hohen Grade angewiesen»<br />
sei.<br />
Dass es Steiner bei dieser «Elternhilfe»<br />
ni<strong>ch</strong>t etwa um die wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e und organisatoris<strong>ch</strong>e<br />
Basis seiner S<strong>ch</strong>ulen ging,<br />
hat Karl-Martin Dietz in einem lei<strong>ch</strong>t lesbaren<br />
Bänd<strong>ch</strong>en über «Eltern und Lehrer<br />
an der Waldorfs<strong>ch</strong>ule» herausgearbeitet:<br />
«Elternhilfe auf die Finanzierung zu fokussieren<br />
(und im Gegenzug dazu die<br />
eine oder andere Mitbestimmungsmögli<strong>ch</strong>keit<br />
zuzulassen), ist ein Gedanke, der<br />
Steiner völlig fern lag und der au<strong>ch</strong> erst<br />
viel später in einzelnen Waldorfs<strong>ch</strong>ulen<br />
Einzug gehalten hat.»<br />
An einer gemeinsamen Grundhaltung<br />
arbeiten<br />
Rudolf Steiner habe vielmehr Perspektiven<br />
aufgezeigt für eine «Partners<strong>ch</strong>aft im<br />
Geistesleben», die auf das «gemeinsame<br />
pädagogis<strong>ch</strong>e Anliegen» ausgeri<strong>ch</strong>tet sei.<br />
Waldorfpädagogik, so ruft uns Dietz in Erinnerung,<br />
beruht auf einer umfassenden<br />
Wahrnehmung des einzelnen Kindes. Und<br />
diese könne ohne Einbezug der Eltern<br />
ni<strong>ch</strong>t gelingen. «Begegnung mit den Elternhäusern<br />
trägt zum Verstehen des Kindes<br />
bei», s<strong>ch</strong>reibt Dietz: «Die mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>individuelle<br />
Begegnung von Eltern und<br />
Lehrern wird zur tragenden Säule der gemeinsamen<br />
pädagogis<strong>ch</strong>en Bemühung.»<br />
Dieses Ideal persönli<strong>ch</strong>er Begegnung und<br />
pädagogis<strong>ch</strong>er Zusammenarbeit klingt<br />
au<strong>ch</strong> in den Erfahrungen an, die S<strong>ch</strong>u-<br />
persönli<strong>ch</strong>en Gesprä<strong>ch</strong>en mit Lehrpersonen<br />
ma<strong>ch</strong>en: Bei diesen Gelegenheiten,<br />
s<strong>ch</strong>reibt eine Mutter, erfahre sie «viel über<br />
den gegenwärtigen Entwicklungsstand<br />
meines Kindes, über den Lebensabs<strong>ch</strong>nitt,<br />
in dem es si<strong>ch</strong> gerade befindet, die Besonderheiten<br />
in diesem Alter, die inneren<br />
Vorgänge im Kind». Dies sei «für die Begleitung<br />
und Erziehung zu Hause wi<strong>ch</strong>tig»<br />
und helfe ihr, si<strong>ch</strong> besser in ihr Kind<br />
einzufühlen.<br />
Eine andere, langjährige S<strong>ch</strong>ulmutter lobt<br />
in diesem Zusammenhang, dass in der<br />
Klasse ihrer jüngsten To<strong>ch</strong>ter regelmässige<br />
Standortgesprä<strong>ch</strong>e eingeführt worden<br />
sind. Diese gäben die «sonst ni<strong>ch</strong>t<br />
so angebotene» Mögli<strong>ch</strong>keit, individuell<br />
Fragen zur Steiner-Pädagogik zu stellen.<br />
Das individuelle Gesprä<strong>ch</strong> müsse an den<br />
Steiner S<strong>ch</strong>ulen «einen festen Platz» einnehmen,<br />
fordert diese Mutter. Sie ist si<strong>ch</strong><br />
jedo<strong>ch</strong> bewusst, dass dies den Lehrpersonen<br />
einen riesigen Zeitaufwand abverlangt.<br />
Und sie räumt ein, dass sie si<strong>ch</strong> aus<br />
Rücksi<strong>ch</strong>t darauf früher mit Gesprä<strong>ch</strong>swüns<strong>ch</strong>en<br />
zurückgehalten hat. «I<strong>ch</strong> fand<br />
immer, die Lehrer seien sonst s<strong>ch</strong>on genug<br />
überlastet und wollte ni<strong>ch</strong>t no<strong>ch</strong> mit<br />
unseren Fragen kommen.»<br />
An der S<strong>ch</strong>ule sollte, ja dürfte es eigentli<strong>ch</strong><br />
ni<strong>ch</strong>t liegen – wenn sie si<strong>ch</strong> an der<br />
Haltung ihres Namengebers orientiert:<br />
Rudolf Steiner hat (viellei<strong>ch</strong>t anders, als<br />
man erwarten könnte) grossen Wert<br />
auf ein intensives Zusammenwirken von<br />
Lehrpersonen und Eltern gelegt. Zwar<br />
spielten bei der ersten Waldorf-S<strong>ch</strong>ule<br />
die Eltern weder als Gründer no<strong>ch</strong> als<br />
Träger dieser S<strong>ch</strong>ule eine ents<strong>ch</strong>eidende<br />
Rolle. Denn die erste Steiner S<strong>ch</strong>ule war<br />
anfängli<strong>ch</strong> Teil eines Unternehmens (der<br />
Waldorf Astoria Zigarettenfabrik), dessen<br />
Besitzer (Emil Molt) den Kindern seiner<br />
Angestellten eine bessere S<strong>ch</strong>ulbildung<br />
ermögli<strong>ch</strong>en wollte.<br />
Do<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>on für diese erste Waldorf-S<strong>ch</strong>ule<br />
– man vergesse dies nie: von einem sozial<br />
gesinnten Patron für Arbeiterkinder<br />
ges<strong>ch</strong>affen – hielt Rudolf Steiner 1921<br />
unmissverständli<strong>ch</strong> fest: «Wir brau<strong>ch</strong>en<br />
in dieser S<strong>ch</strong>ule, wenn wir in der ri<strong>ch</strong>tigen<br />
Weise vorwärts kommen wollen,<br />
mehr als in einer anderen ein vertrauensvolles<br />
Zusammenwirken mit den El-<br />
Wie andere Eltern die Zusammenarbeit<br />
mit der Steiner S<strong>ch</strong>ule erleben und bewerten,<br />
versu<strong>ch</strong>te i<strong>ch</strong> für diesen SCHUL-<br />
KREIS-Beitrag mit einer kleinen Umfrage<br />
BRUNO VANONI ist Journalist von Beruf, als Informationsbeauftragter<br />
tätig und langjähriger S<strong>ch</strong>ulvater<br />
in Ittigen. Er ist Co-Vorsitzender (Elternvertre-<br />
in Erfahrung zu bringen. Von rund hundert<br />
Anges<strong>ch</strong>riebenen nahmen si<strong>ch</strong> nur<br />
ter) des Vorstandes der Rudolf Steiner S<strong>ch</strong>ule Bern<br />
gut zehn für eine s<strong>ch</strong>riftli<strong>ch</strong>e Antwort i<strong>ch</strong> weiss au<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t, ob dies mit mir zu tern.» Zwei Jahre später stellte Steiner<br />
Ittigen Langnau.<br />
leltern vorab an Elternabenden und in Neben Zeit brau<strong>ch</strong>t es zweifellos au<strong>ch</strong><br />
58 59
grosse Offenheit, Bereits<strong>ch</strong>aft und Initiative<br />
zu einer e<strong>ch</strong>ten Erziehungspartners<strong>ch</strong>aft.<br />
Dass es daran fehlen kann,<br />
s<strong>ch</strong>ildert ein Elternpaar, das seine Kinder<br />
zunä<strong>ch</strong>st in die Staatss<strong>ch</strong>ule ges<strong>ch</strong>ickt<br />
hatte und erst wegen Problemen an die<br />
Steiner S<strong>ch</strong>ule we<strong>ch</strong>selte: «An Elternabenden<br />
spüren wir immer wieder, dass<br />
wir ni<strong>ch</strong>t zu den eigentli<strong>ch</strong>en Anthroposophen<br />
gehören, sondern eben als Quereinsteiger-Eltern<br />
man<strong>ch</strong>mal ni<strong>ch</strong>t ganz<br />
ernst genommen werden.» Dies zeige si<strong>ch</strong><br />
etwa bei Diskussionsthemen wie Medienoder<br />
Sexualerziehung.<br />
In der Tat wird gerade bei sol<strong>ch</strong>en topaktuellen<br />
konkreten Erziehungsfragen<br />
– au<strong>ch</strong> der Umgang mit (Tas<strong>ch</strong>en-)Geld,<br />
Handys und Su<strong>ch</strong>tmitteln gehört dazu –<br />
offensi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>, wie stark die Haltungen<br />
von Steiners<strong>ch</strong>ul-Eltern auseinandergehen<br />
können. Eine gemeinsame Basis für<br />
die do<strong>ch</strong> zunehmend erwüns<strong>ch</strong>te Erziehungspartners<strong>ch</strong>aft<br />
zwis<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>ule und<br />
Elternhaus gibt es oft nur sehr bes<strong>ch</strong>ränkt.<br />
Umso wi<strong>ch</strong>tiger werden der Austaus<strong>ch</strong> unter<br />
den Eltern und das gemeinsame Erarbeiten<br />
von Grundhaltungen zu aktuellen<br />
Erziehungsfragen.<br />
60<br />
Bereits<strong>ch</strong>aft auf beiden Seiten<br />
erforderli<strong>ch</strong><br />
Die «altersbewusste» Steiner-Pädagogik<br />
biete dazu ein grosses Potential, meint ein<br />
S<strong>ch</strong>ulvater. Er beri<strong>ch</strong>tet von der positiven<br />
Erfahrung einer Lesegruppe, in der si<strong>ch</strong><br />
Eltern zusammen mit der Klassenlehrerin<br />
regelmässig zusammenfanden, um<br />
si<strong>ch</strong> – ausgehend von der Lektüre eines<br />
Bu<strong>ch</strong>es – über die beginnende Pubertät<br />
ihrer S<strong>ch</strong>ützlinge auszuspre<strong>ch</strong>en. So sei<br />
es mögli<strong>ch</strong>, «die Erziehung lebensphasen-bezogen<br />
zu gestalten, si<strong>ch</strong> auf neue<br />
Phasen vorzubereiten und darüber Erfahrungen<br />
auszutaus<strong>ch</strong>en».<br />
Wenn dies gelingt, wird die Steiner S<strong>ch</strong>ule<br />
au<strong>ch</strong> zur «Elterns<strong>ch</strong>ule» – einer S<strong>ch</strong>ule, in<br />
der die Eltern voneinander, aber au<strong>ch</strong> von<br />
den Lehrpersonen und au<strong>ch</strong> von den Kindern<br />
lernen. Gelegenheit dazu bieten au<strong>ch</strong><br />
die vielfältigen Mögli<strong>ch</strong>keiten, si<strong>ch</strong> als Eltern<br />
an Klassenprojekten, Theaterdarbietungen,<br />
Konzerten, Lagern und Reisen zu<br />
beteiligen. Eine S<strong>ch</strong>ulmutter, die selber in<br />
einem Lehrberuf tätig ist, weiss aus Erfahrung,<br />
dass sol<strong>ch</strong>es Elternengagement den<br />
Kindern gut tut, ihre Entwicklung fördert<br />
und ihnen Si<strong>ch</strong>erheit gibt.<br />
Wenn in einer Klasse Probleme auftreten,<br />
müsse die Gemeins<strong>ch</strong>aft der Eltern<br />
diskussions- und handlungsfähig sein,<br />
fordert ein S<strong>ch</strong>ulvater. Dies sei nur mögli<strong>ch</strong>,<br />
«wenn Erziehungsfragen an Elternabenden<br />
immer wieder erörtert werden<br />
und gegenseitiger Respekt vorhanden<br />
ist». Dass diese Bedingungen leider ni<strong>ch</strong>t<br />
immer erfüllt sind, müssen Lehrkräfte und<br />
Eltern immer wieder erfahren. So kommen<br />
offene Gesprä<strong>ch</strong>e an Elternabenden<br />
oft nur mühsam in Gang, und die Bereits<strong>ch</strong>aft<br />
zur pädagogis<strong>ch</strong>en Weiterbildung,<br />
zur Teilnahme an Vorträgen, Kursen und<br />
Diskussionen ist bes<strong>ch</strong>ränkt.<br />
So beri<strong>ch</strong>tet eine S<strong>ch</strong>ulmutter, dass es<br />
mangels Elternbeteiligung die Arbeitskurse<br />
ni<strong>ch</strong>t mehr gebe, die früher klassenweise<br />
über zwei, drei Abende hinweg<br />
zu pädagogis<strong>ch</strong>en Themen stattgefunden<br />
hätten. Aus einer andern Klasse klagt ein<br />
Elternpaar, dass die Lehrperson den Austaus<strong>ch</strong><br />
der Eltern ni<strong>ch</strong>t fördere: «Gefragt<br />
sind Elternmeinungen in Bezug auf Finanzbes<strong>ch</strong>affung<br />
und praktis<strong>ch</strong>e Mithilfe.<br />
Meinungen zu eher pädagogis<strong>ch</strong>-ideellen<br />
Fragen werden wenig bea<strong>ch</strong>tet. Der Elternabend<br />
ist au<strong>ch</strong> klar hierar<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong> strukturiert.<br />
Vors<strong>ch</strong>läge zu eher partners<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>er<br />
Zusammenarbeit ist ni<strong>ch</strong>t gefragt.»<br />
Sol<strong>ch</strong>e Kritik ma<strong>ch</strong>t deutli<strong>ch</strong>, wie sehr die<br />
verspro<strong>ch</strong>ene Erziehungspartners<strong>ch</strong>aft an<br />
den Steiner S<strong>ch</strong>ulen von den einzelnen<br />
Eltern und Lehrpersonen abhängt – von<br />
den einzelnen Mens<strong>ch</strong>en, die ni<strong>ch</strong>t selten<br />
Eltern und Lehrer zuglei<strong>ch</strong> sind. Im<br />
erwähnten Bü<strong>ch</strong>lein warnt Karl-Martin<br />
Dietz deshalb vor den Gefahren des Gruppendenkens:<br />
hier Eltern, dort Lehrkräfte. Er<br />
plädiert stattdessen für eine dialogis<strong>ch</strong>e<br />
Zusammenarbeit, die si<strong>ch</strong> an den einzelnen<br />
Individuen orientiert. Seine Devise<br />
heisst: individuelle Begegnung statt kollektive<br />
Vereinnahmung. Voraussetzung<br />
dafür sind gegenseitige Offenheit, Transparenz<br />
und <strong>Vertrauen</strong>. Die eigentli<strong>ch</strong>e<br />
Kunst einer sol<strong>ch</strong>en Erziehungspartners<strong>ch</strong>aft<br />
besteht für Dietz darin, au<strong>ch</strong> dann<br />
fru<strong>ch</strong>tbar miteinander zusammenzuarbeiten,<br />
wenn man «ni<strong>ch</strong>t so gut» miteinander<br />
auskommt oder einander gar als<br />
unsympathis<strong>ch</strong> empfindet. Die Konzentration<br />
man<strong>ch</strong>er Eltern auf das Vorbringen<br />
von Forderungen und ihr Streben na<strong>ch</strong><br />
Ents<strong>ch</strong>eidungsbefugnissen in der vom<br />
Lehrerkollegium geprägten Steiner S<strong>ch</strong>ule<br />
bezei<strong>ch</strong>net Dietz als «gefährli<strong>ch</strong>e Verkürzung<br />
der angestrebten Partners<strong>ch</strong>aft».<br />
Den Blick aufs soziale Ganze ni<strong>ch</strong>t<br />
verlieren<br />
Au<strong>ch</strong> in der verständli<strong>ch</strong>en Absi<strong>ch</strong>t vieler<br />
Eltern, in der Steiner S<strong>ch</strong>ule ihrem Kind<br />
die bestmögli<strong>ch</strong>e pädagogis<strong>ch</strong>e Versorgung<br />
zu si<strong>ch</strong>ern, sieht er eine Gefahr:<br />
Sie könne zu einer etwas egozentris<strong>ch</strong>en<br />
Einstellung gegenüber der S<strong>ch</strong>ule führen<br />
und vergessen lassen, dass ein Ents<strong>ch</strong>eid<br />
für diese S<strong>ch</strong>ule eine «soziale Tat grossen<br />
Stils» (Steiner) sein soll. Die zunä<strong>ch</strong>st auf<br />
das eigene Kind ausgeri<strong>ch</strong>tete Erziehungspartners<strong>ch</strong>aft<br />
ist an den Steiner S<strong>ch</strong>ulen<br />
auf Dauer ni<strong>ch</strong>t mögli<strong>ch</strong> ohne ein solidaris<strong>ch</strong>es<br />
Verhalten, das den Fortbestand<br />
der S<strong>ch</strong>ulgemeins<strong>ch</strong>aft und damit au<strong>ch</strong><br />
andern Eltern eine sol<strong>ch</strong>e Erziehungspartners<strong>ch</strong>aft<br />
ermögli<strong>ch</strong>t. Für Familien in<br />
s<strong>ch</strong>wierigen sozialen Situationen sei die<br />
Steiner S<strong>ch</strong>ule «eine Art Insel im S<strong>ch</strong>lamassel»,<br />
beri<strong>ch</strong>tet ein S<strong>ch</strong>ulvater, der im<br />
Auftrag der S<strong>ch</strong>ule regelmässig Gesprä<strong>ch</strong>e<br />
mit Eltern führt, die aus eigener Kraft<br />
kaum ein minimales S<strong>ch</strong>ulgeld aufbringen<br />
können. Trennungen, erzwungene Wohnortswe<strong>ch</strong>sel,<br />
finanzielle S<strong>ch</strong>wierigkeiten,<br />
verlorene Strukturen, Desorientierung und<br />
Konflikte mit Partnern und Kindern – all<br />
diese Situationen führten in Gesprä<strong>ch</strong>en<br />
mit betroffenen Elternteilen (oft neu alleinerziehende<br />
Mütter) zu Aussagen, dass<br />
die Steiner S<strong>ch</strong>ule als oft letzter «si<strong>ch</strong>erer<br />
Boden mit zuverlässigem sozialem Netz»<br />
empfunden werde. Ein S<strong>ch</strong>ulauss<strong>ch</strong>luss<br />
sol<strong>ch</strong>er Eltern aus finanziellen Gründen,<br />
wie er wegen der prekären S<strong>ch</strong>ulfinanzen<br />
immer deutli<strong>ch</strong>er diskutiert werde, würde<br />
den Lebensnerv der betroffenen Familien,<br />
Erwa<strong>ch</strong>senen und Kinder sehr hart treffen.<br />
Eine Steiners<strong>ch</strong>ule sei «ein Unternehmen,<br />
das das Engagement aller Beteiligten<br />
brau<strong>ch</strong>t – und will», heisst es im<br />
Bü<strong>ch</strong>lein von Karl-Martin Dietz. Es warnt<br />
die Eltern ausdrückli<strong>ch</strong> vor der «Illusion,<br />
Waldorfpädagogik könne konsumiert, d.h.<br />
also dur<strong>ch</strong> Entri<strong>ch</strong>tung eines S<strong>ch</strong>ulbeitrags<br />
gekauft werden». Neben dem S<strong>ch</strong>ulgeld<br />
fürs eigene Kind brau<strong>ch</strong>t es das persönli<strong>ch</strong>e<br />
Engagement der Eltern für die ganze<br />
S<strong>ch</strong>ulgemeins<strong>ch</strong>aft. Die individuelle Erziehungspartners<strong>ch</strong>aft<br />
zwis<strong>ch</strong>en Elternhaus<br />
und S<strong>ch</strong>ule muss in ein grösseres Ganzes<br />
eingebettet sein: in eine sozial tragfähige<br />
S<strong>ch</strong>ulgemeins<strong>ch</strong>aft.
Herausgegeben von der<br />
Arbeitsgemeins<strong>ch</strong>aft der<br />
Rudolf Steiner S<strong>ch</strong>ulen<br />
in der S<strong>ch</strong>weiz<br />
www.s<strong>ch</strong>ulkreis.<strong>ch</strong><br />
www.steiners<strong>ch</strong>ule.<strong>ch</strong>