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Franz Kafkas Deutsch Marek Nekula (Regensburg) - Linguistik online

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222<br />

particulae collectae<br />

3 Beschreibung von <strong>Kafkas</strong> <strong>Deutsch</strong><br />

Auch wenn ich nicht zu Brods "photographischer Platte" werden möchte, scheint<br />

der Versuch unumgänglich, auf diesem Hintergrund Besonderheiten von <strong>Kafkas</strong><br />

<strong>Deutsch</strong> mit Blick auf seinen familiären wie zeitlichen und räumlichen Lebenskontext<br />

– wenigstens anhand einiger Stichproben – zu rekonstruieren. Bei der<br />

Rekonstruktion stellt für mich neben der vorhandenen Forschungsliteratur (cf.<br />

v.a. Trost 1964, Thieberger 1979, Krolop 1992, âermák 1997) vor allem die<br />

Kritische Kafka-Ausgabe einen zuverlässigen Ausgangspunkt dar. Denn darin<br />

wird die ursprüngliche, nicht von Max Brod sowie anderen Editoren veränderte<br />

Form des Textes in der Fassung der Handschriften – und zwar mit jeweiligen<br />

Änderungen und Selbstkorrekturen – bereits "photographisch" wiedergegeben. 4<br />

Dabei ziehe ich vor allem Tagebücher heran, in denen die Sprache, auch im<br />

Hinblick auf die Umstände des Entstehens, wahrscheinlich am wenigstens literarisiert<br />

bzw. – falls sich dies über einen Schriftsteller überhaupt sagen lässt –<br />

"selbst kontrolliert" ist. In solchen Texten sind dann am ehesten Formen zu erwarten,<br />

die von Kafka auch im Gesprochenen benutzt wurden, während seine<br />

amtlichen Briefe schriftsprachlich stilisiert wurden, denn selbst bei tschechischen<br />

amtlichen Briefen bemüht sich Kafka um ein "klassisches Tschechisch"<br />

(Kafka 1974: 101f.).<br />

Diese "unkontrollierten" Texte erlauben also eine Aussage über <strong>Kafkas</strong> authentisches<br />

<strong>Deutsch</strong> in informellen Texten, nicht aber über seine Kompetenz hinsichtlich<br />

der deutschen Schriftsprache im Ganzen, da diese Texte von Kafka nicht für<br />

einen öffentlichen Diskurs freigegeben wurden und von Kafka auch anders geartete<br />

– gedruckte sowie amtliche – Texte vorliegen. Die informellen Texte haben<br />

keinesfalls eine "endgültige" Form, wie es in <strong>Kafkas</strong> Reflexion eigener<br />

Texte sichtbar wird:<br />

[...] häßliche Schreib- und Diktierfehler, die ich aus meinem Exemplar entfernt<br />

habe, während sie in Deinem geblieben sind [...] willst Du den Satz grammatisch<br />

prüfen, mußt Du das Blatt umdrehen [...] (Brod/Kafka 1989/2: 92f.)<br />

Es ist auch eine Anzahl kleiner Schreibfehler drin, wie ich jetzt bei dem leider ersten<br />

lesen einer Kopie sehe. Und die Interpunktion! Aber vielleicht hat die Korrektur<br />

dessen wirklich noch Zeit. Nur dieses "Wie müßtet Ihr aussehn" in der<br />

Kindergeschichte streich und hinter dem 4 Worte vorhergehenden "Wirklich"<br />

mach ein Fragezeichen. (Brod/Kafka 1989/2: 111)<br />

In den Schreibfehlern, Wiederholungen und Zeugmata sowie im Wechsel der<br />

Äußerungsperspektive der Texte ist gar deren Entstehungsgeschichte erfahrbar:<br />

4 Im Unterschied zur Historisch-kritischen Kafka-Ausgabe ist dabei die eigene Lektüre<br />

der Manuskripte durch die Lektüre der Herausgeber objektiviert.

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