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Franz Kafkas Deutsch Marek Nekula (Regensburg) - Linguistik online

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244<br />

particulae collectae<br />

[...] kein nur halbwegs verständiges Urteil statt eher "verständlich"; [...] wie verständig<br />

ordnet sich Dir alles an statt eher "verständlich"; Erste gemeinschaftliche<br />

Tatsache statt eher "die erste gemeinsame Tatsache"; unaufschieblich statt eher<br />

"unaufschiebbar"; kleine Kinder (hielten) vorsichtlich und zärtlich an den Fensterrand<br />

statt eher "kleine Kinder (hielten) vorsichtig und zärtlich an den Fensterrand";<br />

augenblicksweise für 'augenblicklich' (B-411, B-331, Rtg-21, B-64, P-<br />

136/53, B-196).<br />

Das vorletzte Beispiel ließe sich – psycholinguistisch ausgedrückt – auch als antizipatorischer<br />

Fehler interpretieren, während die anderen als regionale Besonderheiten<br />

von <strong>Kafkas</strong> <strong>Deutsch</strong> zu verstehen sind. So sowie als (falsche) Analogien<br />

bzw. Ad-hoc-Bildungen lassen sich andere Ableitungen deuten: Eizelnheit,<br />

(sie) hat abtelephoniert ("telefonisch abgesagt"), ich habe schon abtelegraphiert,<br />

die Baumischen, wo ich 1 1/2 Stunden versitze, ein Buch [...], das vor Interessantheit<br />

nur so brannte (B-315; 432; 380; 106, 108; 106 (tschech. "pro-sedût"),<br />

76).<br />

Sowohl die Form der Ableitungen (Fugenelemente) als auch die Art und Weise<br />

ihrer Verwendung (Diminutive) ist süddeutsch geprägt. Die Großschreibung in<br />

den Zusammensetzungen, die Verwendung von einigen Ableitungen, vor allem<br />

aber Schwankungen und Verwendung von hyperkorrekten Formen zeugen davon,<br />

dass <strong>Kafkas</strong> <strong>Deutsch</strong> in diesem Punkt gegenüber der Schriftsprache spezifisch<br />

ist bzw. gewisse Defizite aufweisen dürfte.<br />

3.3 Syntax<br />

Als Resultat möglicher Interferenzen gelten in der Sprachkontaktforschung bzw.<br />

in der deutsch-tschechischen Fehlerlinguistik Verwendung von spezifischen<br />

Satz- und Phrasenmuster, Subjektellipsen und spezifischen Wortfolgevarianten<br />

und Konnektive sowie Besonderheiten beim Ausdruck der Determination. Diese<br />

Erscheinungen fielen in der Regel bereits in der Sprache von Hermann und Julie<br />

Kafka auf und sind z. T. auch bei Max Brod sowie in der Sprache der jüdischen<br />

Gemeinde in Prag feststellbar. Vor diesem Hintergrund sind sie, falls sie überhaupt<br />

auf Inteferenzen zurückgeführt werden können, grundsätzlich als gruppenspezifische<br />

Merkmale zu verstehen.<br />

Satzmuster, die als Pragismen und Bohemismen gelten können wie an etw./j-n<br />

vergessen (P-35-9, 45-27, 122-5, 180-5, 244-1, 265-2, B-50, 51, 72, 76), 37 werden<br />

auch als Austriazismen interpretiert, 38 die außerhalb von Österreich "jüdisch"<br />

wirken (cf. Krolop 1992: 54). Gewisse Parallelen zum Tschechischen im<br />

Bereich der Satz-/ Phrasen- und Wortstruktur lassen sich allerdings doch feststellen:<br />

und sei um 3/4 6 auf der Bahn, auf dem Ausflug war Zeit, nicht auf lange, an der<br />

Brust zu liegen (B-78, B-64, B-57, B-78);

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