Franz Kafkas Deutsch Marek Nekula (Regensburg) - Linguistik online
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<strong>Marek</strong> <strong>Nekula</strong>: <strong>Franz</strong> <strong>Kafkas</strong> <strong>Deutsch</strong> 239<br />
möglicherweise notwendigen augenblicklichen Gebrauch; T-141/592; T-<br />
148/936; V-96/46. – Zur Rektion von mit cf. <strong>Nekula</strong> 2002a).<br />
3.2.1.4 Zusammenfassung<br />
Sowohl das Genus (wie im Falle von der Akt, das Brezel, der Gehalt (Lohn), der<br />
Pacht, der Polster, der Pult, die Versäumnis u. a.m., wobei die Genuscharakteristik<br />
oft durch die im Oberdeutschen spezifische Apokope bzw. Indifferenz des<br />
unbestimmten Artikels entstellt wird) als auch der Kasus (häufiges Fehlen der<br />
Genitivendungen im Singular und Dativendungen im Plural, Deklination der<br />
Pronomina und der Artikelwörter, Rektion der Präpositionen) und der Numerus<br />
(spezifische Pluralformen) sind oberdeutsch geprägt. In einigen Fällen reflektiert<br />
<strong>Kafkas</strong> <strong>Deutsch</strong> möglicherweise Genusinterferenzen aus dem Tschechischen, die<br />
jedoch nicht individuell, sondern gruppenspezifisch sein dürften. In Ausnahmefällen<br />
gibt es Parallelen zu Pluralformen und Deklinationsformen im Jiddischen.<br />
Diese sind jedoch in der Regel anders, vor allem als oberdeutsche Formen zu<br />
deuten.<br />
Stilistisch aktiv genutzt werden die damals noch lebendigen Dubletten im Genitiv<br />
und vor allem im Dativ Singular sowie die Nicht/Verschriftlichung der Synkopen<br />
im Infinitiv und in Endungen der Adjektive auf –ern. Zeitgemäß ist auch<br />
die Kongruenz der attributiven Adjektive ohne Artikel.<br />
Hyperkorrekte Formen und mechanische Analogien bei der Kongruenz des Adjektivs<br />
mit dem Substantiv signalisieren <strong>Kafkas</strong> Unsicherheit in diesem Bereich,<br />
die – ähnlich wie beim Plural der Substantive – für oberdeutsche Sprecher typisch<br />
ist.<br />
3.2.2 Verb<br />
Neben bereits veralteten Formen wie gieng(e) X ging, fieng(e), hieng (Rtg-16,<br />
29; P-141/124, 142/146; B-35, 38, 48, 58, 65, 84, 107, 109, 150, 111, 116, 118,<br />
126, 310 X B-147, 168, 187, 188; P-144/178, B-48, 116; P-145/188, 145/195. B-<br />
80) 29 sowie (er/es) räth, giebt X gibt (Rtg-37, T-963; B-50, 93 X B-64, 99), sind<br />
in der Konjugation bei Kafka auch damals progressive Formen wie (du/er) erschreck(s)t<br />
(Ges-32) 30 festzustellen.<br />
Kolloquiale Formen gibt es v.a. in der 1. Ps. Sg. bzw. im Imperativ als Signal<br />
der Vertraulichkeit, Nachdrücklichkeit, Kolloquialität bzw. in den Kontaktformeln<br />
und bei der Simulation der gesprochenen Sprache besonders in der frühen<br />
(privaten) Korrespondenz mit M. Brod:<br />
29 So auch bei Brod: gieng, fieng (B-171 (Elsa B.), 242, 316, 331, 375; B-390, 398).<br />
30 Cf. Duden (1984: 140). Ähnlich auch M. Brod beim hyperkorrekten was du vermissest<br />
(B-191).