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Franz Kafkas Deutsch Marek Nekula (Regensburg) - Linguistik online

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particulae collectae<br />

ne, mayns u.ä. benutzten, wie man es – ausnahmsweise – bei Hermann Kafka<br />

lesen kann (cf. <strong>Nekula</strong> 2000c).<br />

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Genuscharakteristik in <strong>Kafkas</strong> Texten<br />

durch Apokope, Synkope und Assimilation, Wechsel der Sprecherperspektive<br />

sowie Schreibfehler verzerrt und zum Teil auch regional (oberdeutsch) geprägt<br />

ist. Tschechische und jiddische Interferenzen in seinem Sprachgebrauch<br />

als Resultat der Entwicklung einer kollektiven Sprache sind schwer nachweisbar,<br />

wenn auch – am ehesten noch im Falle des Tschechischen – nicht vollkommen<br />

auszuschließen.<br />

3.2.1.2 Deklination<br />

Bei der Untersuchung der Deklination in <strong>Franz</strong> <strong>Kafkas</strong> <strong>Deutsch</strong> zeichnen sich<br />

einige Besonderheiten ab. So ist z. B. das Fehlen der Genitivendung -(e)s keine<br />

Ausnahme (Genitiv fehlt im Bairischen; cf. Zehetner 1985: 108), allerdings auch<br />

keine Regel, so dass es wohl eher als Schreibfehler aufzufassen ist:<br />

Freikoncert des Officiersverkehrverein, die Schubladen des Schreibtisch, Mitte<br />

des Tischchen, Mitte des Zimmer, Nichtberichtigung Ihres Vorgehn, Ausgang des<br />

Process, Vorfälle des Morgen, das Innere dieses Gerichtwesen, des erwarteten<br />

Dunkel, Tür des Untersuchungszimmer, die Macht des Unkraut, während des<br />

Zeichnen, das Holen des Wasser, Luftreservoier des See, innerhalb ihres Rufen<br />

(Rtg-27, P-133/12, P-133/20, P-145/194, P-134/25, P-138/78, P-45, P-98, P-<br />

140/117, P-142/154, T-127/20, T-128/46, T-133/225, T-148/949, T-151/995).<br />

Ähnlich dürfte auch das Fehlen des entsprechenden Genitivmerkmals beim Artikel<br />

interpretiert werden: die Ahnung eine[s] Lagers, Baldachin seine[s] Havelocks,<br />

die Sorgen den ganzen Publikums (T-147/861, T-148/ 945, T-135/320).<br />

Dagegen lassen sich Genitivendungen ausnahmsweise auch bei anderen Kasus<br />

finden: erfand er einen Tischlers, in das Sitzungszimmers, Im Regens, dem alten<br />

verwitweten Vaters (P-136/55, P-89, P-279, T-138/457). Die Übertragung der<br />

Genitivendung -s auf Feminina (eines Nachts war in Nebenzimmer ein Liebespaar;<br />

T-153/1043) ist hier nicht als Einfluss des Jiddischen zu verstehen, da sie<br />

auf Fälle des Typs des Nachts beschränkt bleibt, in denen dieser Genuswechsel<br />

auch im Standarddeutschen vollzogen worden ist.<br />

Die synkopierten Formen der Genitivendungen, die in der Privatkorrespondenz<br />

vorkommen (des großen Buchs; B-300), werden in der amtlichen Korrespondenz<br />

sowie in der privaten Korrespondenz mit fremden, gesiezten Adressaten bzw. da,<br />

wo Kafka auf Distanz geht und auch sonst "gehoben" formuliert, aus stilistischen<br />

Gründen gemieden: eines einwöchigen Krankenurlaubes, des Magistratsbezirkes,<br />

eines Betriebes, jedes Unfalles, meines festen Verbandes (A-175, A-187, A-<br />

294, A-294, B-80) usw. Dies weist auf stilistisch sichere Beherrschung des<br />

<strong>Deutsch</strong>en hin.

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