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Franz Kafkas Deutsch Marek Nekula (Regensburg) - Linguistik online

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particulae collectae<br />

ner oft weder sprachlich motiviert noch – oder nur mangelhaft – mit Argumenten<br />

untermauert (cf. Binder 2000a: 77f.), sondern auch – im Hinblick auf die<br />

Situation in Prag sowie im Hinblick auf die Familie Kafka – äußerst fraglich.<br />

Nicht nur die Eltern von <strong>Franz</strong> Kafka, sondern etwa die Hälfte der Prager Bevölkerung<br />

hatte um die Jahrhundertwende einen Geburtsort außerhalb von Prag<br />

(cf. Binder 2000a: 68) und brachte die jeweilige Umgangssprache von dort nach<br />

Prag mit. Daher kann die Insel-Metapher zwar verwendet werden, doch mit folgenden<br />

Einschränkungen, die dem Inselcharakter des <strong>Deutsch</strong>en in Prag entgegenstehen:<br />

(1) Es ist eine Zuwanderung aus der Provinz (im Falle der Juden vor allem aus<br />

dem oberdeutsch geprägten Süden) bzw. sogar aus dem "Reich" (cf. <strong>Nekula</strong><br />

2000c) festzustellen; dies trifft auch für die Zeit nach 1918 zu (cf. Binder 1994:<br />

190f. und die dort zugrunde gelegten Volkszählungen aus den Jahren 1921 und<br />

1930);<br />

(2) Die <strong>Deutsch</strong>en in Prag verfügen – wie andere <strong>Deutsch</strong>e in Böhmen und Mähren<br />

– zu dieser Zeit über ihr eigenes Schulsystem (cf. <strong>Nekula</strong> 2000c), das auf der<br />

Ebene der Gymnasien und der Universität auch von auswärtigen Studenten in<br />

Anspruch genommen und von Professoren aus Wien sowie aus dem <strong>Deutsch</strong>en<br />

Reich besetzt wird (dies gilt zum Teil auch für Gymnasiallehrer, die nach Binder<br />

(1994: 202) aus ganz Böhmen stammen);<br />

(3) Prag ist bis 1918 Sitz der k.k. Statthalterei und anderer sprachlich geteilter<br />

oder deutsch dominierter Landesinstitutionen sowie der Militärgarnisonen, die<br />

eine überregionale Ausstrahlung haben und deren Beamten z. T. auch von ganz<br />

Böhmen sowie auch von außerhalb kommen;<br />

(4) <strong>Deutsch</strong>e in Prag führen selbst nach 1918 ein lebhaftes gesellschaftliches Leben<br />

und pflegen rege Kontakte zu anderen deutsprachigen Zentren wie Wien,<br />

München und Berlin, sei es durch das Abonnement zahlreicher Zeitungen und<br />

Zeitschriften, die Kafka und seinen Zeitgenossen z. B. in der <strong>Deutsch</strong>en Redeund<br />

Lesehalle oder in Café Arco vorliegen, oder durch zahlreiche Vorträge, Lesungen<br />

und Gastspiele;<br />

(5) Sowohl kurzfristige Studien-, Urlaubs- und Dienstreisen als auch längerfristige<br />

Aufenthalte außerhalb von Prag, Böhmen und Österreich, bei denen man mit<br />

anderen sprachlichen Varietäten konfrontiert war, sei es infolge von Studium,<br />

Arbeit, Dienst im Ersten Weltkrieg oder aus gesundheitlichen Gründen, sind<br />

keine Ausnahme. Dafür fänden sich bei <strong>Franz</strong> Kafka, 2 Max Brod, <strong>Franz</strong> Werfel<br />

2 Cf. <strong>Nekula</strong> (2001b). Zu seinen Erholungsaufenthalten in Zuckmantel, Triesch, Spitzberg/Böhmerwald,<br />

Berlin, Zittau, Erlenbach/Schweiz, Halberstadt, Weimar, Jungborn/Harz,<br />

u. a. cf. Brod/Kafka (1989/2: 18, 23f., 31, 46, 81f., 92, 93f., 100–110 u. a.),<br />

zu seinen späteren Aufenthalten in Sanatorien u.ä. cf. Hackermüller (1990).

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