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(Auf-)Zeichnen 1800-1900 - Melton Prior Institut

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Alexander Roob<br />

50<br />

51<br />

Heinrich Kley: Serie von<br />

Gouachemalereien mit<br />

Motiven aus dem Leuna-Werk,<br />

für einen Beitrag über Stickstoffgewinnung,<br />

B.I.Z., 1929<br />

Frederick Walker, „Brunnenmacher“, 1868<br />

Hubert Herkomer: „Korbflechter im<br />

Blindeninstitut“, The Graphic, 1876<br />

Heinrich Kley: „Inspiration“, Federzeichnung, 1912<br />

famine, he could not but openly admit in his report<br />

his inability to come anywhere near the actual drama<br />

of the situation on location using illustration.<br />

This might in part be due to the transfer process<br />

from original drawings to wood prints, but it is surely<br />

primarily due a classical conception of art that<br />

opposed the intentions of a graphic reporting. It<br />

was this conception of art that allowed an encounter<br />

with a begging mother carrying a child dying of<br />

hunger in her arms, verbally described in a gripping<br />

manner, to wind up in the visual depiction as a wooden<br />

pietà. The demand for an increased use of photography<br />

in reporting that soon arose was also decidedly<br />

linked to the critique of forms of news illustration<br />

more interested in art historical and literary<br />

references than eyewitness accounts.<br />

In the 1860s, under the influence of the painter<br />

Frederick Walker, 9 a direction began to form in<br />

Victorian genre painting that, although saturated<br />

Irland geschickt wurde, um einen Bericht über die Hungerkatastrophe zu liefern, anscheinend<br />

nicht anders behelfen, als in seinem Bericht offen sein Unvermögen einzugestehen,<br />

die Dramatik der Situation vor Ort auch nur annähernd zeichnerisch umsetzen zu können.<br />

Es mag zum Teil der Übersetzung von Originalzeichnungen in Holzstiche geschuldet sein,<br />

hauptsächlich aber sicherlich einer in Opposition zu den Intentionen einer grafischen Berichterstattung<br />

stehenden klassizistischen Kunstauffassung, dass ihm eine Szene, in der<br />

ihm eine bettelnde Mutter mit einem verhungerten Kind im Arm begegnet, die im Text auf<br />

hautnahe und ergreifende Weise geschildert wird, in der Abbildung zu einer hölzernen Pietà-Darstellung<br />

gerinnt.<br />

Die Forderung nach dem vermehrten Einsatz von Fotografie in der Berichterstattung,<br />

die bald aufkam, war auch dezidiert mit der Kritik an einer solchen <strong>Auf</strong>fassung von Reportagezeichnung<br />

verbunden, die eher auf einen kunstgeschichtlichen und literarischen Referentialismus<br />

aus war denn auf Augenzeugenschaft.<br />

In den sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts bildete sich allerdings unter dem Einfluss<br />

des Malers Frederick Walker 9 in der viktorianischen Genremalerei eine Richtung heraus, die<br />

obschon sie von pathetisch-sentimentalen Einschlüssen aus der präraffaelitischen Richtung<br />

durchzogen war, in erster Linie auf eine unmittelbarere, ungeschönte Schilderung proletarischer<br />

Lebensverhältnisse aus war. Sämtliche Künstler dieser so genannten Social Realist<br />

School of Painting arbeiteten als Reportagezeichner und Illustratoren für The Graphic. Hubert<br />

Herkomer (*1849), einer der Hauptvertreter dieser Bewegung, äußerte sich in einem Nachruf<br />

auf den Verleger über den Einfluss der Illustrierten: „Es ist nicht übertrieben zu sagen,<br />

dass es eine sichtbare Änderung in der Themenwahl in der englischen Malerei nach der Gründung<br />

von The Graphic gab. Mr. Thomas hat die Seiten des Magazins für jedes Stadium unserer<br />

Lebensgeschichte geöffnet (...).“ 10<br />

Der Einfluss der Holzstiche beschränkte sich allerdings nicht auf die insulare Malerei.<br />

In Briefen an seinen Bruder Theo und den Künstlerfreund van Rappard äußerte sich Vincent<br />

van Gogh enthusiastisch über die Holzstiche der sozialrealistischen Grafiker , die er 1876 in<br />

seinem Londoner Jahr in den Auslagen der Verlagshäuser gesehen hatte. Die Sammlung von<br />

Reportagezeichnungen aus The Graphic und der Illustrated London News, die er während seiner<br />

Zeit in Nuenen aufgebaut hatte, bezeichnete er als eine Bibel für Künstler 10-1 . In vielen<br />

seiner Arbeiten aus dieser Phase – auch in den berühmten „Kartoffelessern“ – sind die Einflüsse<br />

der Zeichnungen aus sozialen Brennpunkten Londons eines Luke Fildes oder Hubert<br />

Herkomer evident. Für van Gogh lag auch die Nähe dieser Milieuschilderungen zu den Romanen<br />

Charles Dickens’ auf der Hand, und in der Tat können die Einwirkungen der Dichtungen<br />

des gelernten Stenografen und ehemaligen Gerichtsreporters auf die sozialrealisti-<br />

with pathetic sentimental influences from the pre-<br />

Raphaelites, was primarily interested in a direct, raw<br />

depiction of proletarian living conditions. All the<br />

artists of this so-called social realist school of painting<br />

worked as news illustrators for The Graphic.<br />

Hubert Herkomer (*1849), one of many figures in this<br />

movement, wrote about the influence of the weekly<br />

in an obituary for the periodical’s publisher: “It is<br />

not too much to say that there was a visible change<br />

in the selection of subjects by painters in England<br />

after the advent of The Graphic. Mr. Thomas opened<br />

its pages to every phase of the story of our life.” 10<br />

The influence of these woodprints was not limited<br />

to British painting. In his letters to his brother Theo<br />

and the artist friend van Rappard, Vincent van Gogh<br />

enthused about the woodprints of the social realists<br />

that he saw in his London year in 1876 in the storefront<br />

windows of the publishing houses. He referred to the<br />

collection of illustrations from the The Graphic and<br />

the Illustrated London News that he built up during<br />

his time in Nuenen as a bible for artists. 10-1 In many<br />

of the works from this period — as in the famous<br />

“Potato Eaters” — the influences of the drawings of<br />

London’s social misery by a Luke Fildes or a Hubert<br />

Herkomer are evident For Van Gogh, the similarity of<br />

these milieu studies to the novels of Charles Dickens’<br />

was self evident, and in fact, the effects of the writings<br />

of the trained stenographer and former court<br />

reporter on this movement of social realism can<br />

hardly be overestimated, since most of these illustrators<br />

were also on Dickens’ payroll as illustrators<br />

of his works. 11<br />

Even during the second wave of a social realist movement<br />

in art, so-called “naturalism,” which provided<br />

news illustration with new impulses at the start of<br />

the last century, a certain literary oeuvre was a key<br />

catalyst: Émile Zola (*1840), like Dickens, came from<br />

journalism and had also worked as a reporter. But the

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