Auswirkungen der Höhe auf den Menschen 4.1 Reaktion des ...

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Peter Schatzl, 2001, Geographische Aspekte des Höhenbergsteigens der wichtigste Faktor der Atemregulation. Ein Abfall des pH-Wertes (Azidose), bedingt durch einen Anstieg des arteriellen Drucks des CO2, wirkt auf die Atmung stimulierend bzw. auf die cerebralen Blutgefäße erweiternd - und umgekehrt. Durch die vermehrte Abatmung des CO2 kommt es nun aber zu einer respiratorischen Alkalose (das Puffersystem CO2 + H20 - + HCO3 + H ist eingeschränkt), was zu einer Reduktion des Atemantriebes durch die zentralen Rezeptoren führt. Die beiden Atemregelmechanismen wirken also zunächst gegensätzlich. Im Laufe der Zeit stellt die Niere das Gleichgewicht im Säure-Basenhaushalt durch das Ausscheiden eines weniger sauren Urins wieder her (kompensatorische Bikarbonat-Diurese), und die zentralen Rezeptoren stellen sich auf einen niedrigeren arteriellen Druck des CO2 ein, um die Atemantwort auf Impuls der peripheren Rezeptoren nicht mehr zu hemmen. Eine dauerhafte Hyperventilation als der wichtigste Vorgang der Anpassung ist nun möglich. Eine Verbesserung der O2-Diffusion in den Lungenbläschen ist nicht möglich. Die Lunge ist sozusagen das statische, nicht trainierbare bzw. positiv veränderbare Kettenglied im Atmungssystem (BERGHOLD u. SCHAFFERT, 1999, S. 17). Steigerung der Sauerstofftransportfähigkeit durch Kreislaufsteigerung und Veränderungen im Blut Akute Höhenexposition führt zu Kreislaufsteigerung durch Zunahme der Sympathikusaktivität mit Erhöhung des Katecholaminspiegels (Adrenalin, Noradrenalin) im Blut. Die Herzfrequenz, das Herzminutenvolumen [=die vom Herzen pro Minute gepumpte Blutmenge, HMV] und der Blutdruck sind in Ruhe und bei körperlicher Belastung erhöht. HASIBEDER et al. (1990, S. 16) beschreiben keine Veränderung in den Maximalwerten der Herzfrequenz und des HMV im Vergleich zu Tallagen, daß diese aber bereits bei einer geringen Belastungsstufe erreicht werden. Die Ursache dafür liegt in der Reduktion der maximalen Sauerstoffaufnahme (VO2max, siehe unten). In extremen Höhen konvergieren Ruhe- und maximale Herzfrequenz, wenn die Grenzen der Akklimatisationsfähigkeit überschritten sind, während sich als Zeichen vollständiger Akklimatisation (in Höhenbereichen wo das noch möglich ist) die Werte allmählich wieder zum individuellen Talwert zurückkehren (siehe Abb. 4.1.2). Weiters kommt es zu einer Reduktion des Plasmavolumens (durch Anstieg des Hämatokrits [=Anteil der zellulären Bestandteile am Blutvolumen], aber auch durch Dehydration) und des Schlagvolumens des Herzens, sowie zu Gefäßverengungen und dadurch zur Abnahme der Durchblutung in bestimmten Bereichen (BURTSCHER, 1998, S. 158). Dies wird als Mechanismus der Sauerstoffumverteilung, zugunsten der O2-Mangel empfindlicheren Organe (vor allem Gehirn und Herz) verstanden. Hypoxämie [=verminderter Sauerstoffgehalt im arteriellen Blut] führt grundsätzlich im Gehirn zur Erweiterung der Blutgefäße und einem Anstieg der Durchblutung. Dem wirkt eine aus einer hypoxischen Hypokapnie [=verminderter Kohlendioxidgehalt im arteriellen Blut] resultierende Gefäßverengung entgegen. Die O2- Abgabe an das Gehirn ist also das Resultat der Balance zwischen Gefäßverengung- und erweiterung, zwischen O2- Mangel und erhöhter Durchblutung. Dabei überwiegt bald die Gefäßerweiterung, trotzdem können in Abhängigkeit von der Geschwindigkeit des Aufstiegs, der Dauer und des Ausmaßes der Hypoxie cerebrale Dysfunktionen auftreten. Einigkeit besteht darüber, schreibt PODOLSKY (1996, S. 132), daß der erhöhte pulmonal-arterielle Druck (Pulmonary Artery Pressure; PAP) in Ruhe und Belastung (durch steigenden Gefäßwiderstand und gesteigertes HMV) keine Vorteile für den Gasaustausch hat, aber vermutlich eine Rolle bei der Entstehung des Höhenlungenödems spielt. Zumindest theoretisch soll die Herzkreislaufstimulation der verbesserten O2-Anlieferung dienen. Eine abgestimmte Abb. 4.1.6 Fließverhalten und Gasaustausch in den Kapillaren. Oben = Normalsituation; Unten = Situation bei Bluteindickung. Bei Bluteindickung wird der Blutstrom langsamer und kommt gelegentlich sogar zum vorübergehenden Stillstand. Die scheibenförmigen Erythrozyten neigen dann dazu, sich flach aneinander zu legen, was den Gasaustausch mit den Zellen zusätzlich erschwert. Auswirkungen der Höhe auf den Menschen - Seite 133

Peter Schatzl, 2001, Geographische Aspekte des Höhenbergsteigens Dosierung dieser Reaktion scheint jedoch schwierig, besonders bei zusätzlich gesteigerter Sympathikusaktivität durch Kälte, psychische Streßsituationen oder körperliche Aktivität (BURTSCHER, 1998, S. 158). Als der wohl bekannteste Akklimatisationseffekt gilt die Vermehrung der Erythrozytenzahl [=rote Blutkörperchen; für den O2-Transport zuständig] durch hypoxiebedingte gesteigerte Erythropoetinsekretion [=Hormon zur Stimulierung der Produktion]. POLLARD u. MURDOCH (1998, S. 4) merken an, daß diese höhenbedingte Vermehrung nicht auschließlich positiv zu werten ist, da eine ausgeprägte „Höhenpolyglobulie“ den Sauerstofftransport durch die erhöhte Blutviskosität beeinträchtigen kann (siehe Abb. 4.1.6) und die Gefahr von Thromboembolien (siehe Anmerkung 4.2) und Erfrierungen erhöht. Im Gegensatz dazu nennen HASIBEDER et al. (1990) die Erythropoesesteigerung als zu gering, um bei Höhenaufenthalten in der Dauer von 2 bis 3 Wochen eine Zunahme von Erythrozyten zu bewirken (Studien in 2300 und 3800m). Hämatokritanstiege im Rahmen kürzerer Höhenaufenthalte dürften hauptsächlich durch Hämokonzentration [=Bluteindickung] aufgrund verminderter Wasseraufnahme zustande kommen (S. 22). BERGHOLD (1987, S. 108) mißt diesem Effekt ebenfalls nur eine untergeordnete Bedeutung für die Höhenanpassung zu, und beschreit die (scheinbare) Vermehrung der Erythrozyten durch die Verminderung der Blutflüssigkeit. Gerade in extremeren Höhen (extremere Rahmenbedingungen: kalte trockenere Luft → Inspirationsluft muß angefeuchtet werden; Anstrengung → Schwitzen, Abatmung, Flüssigkeitsbedarf; schwierigere Versorgungssituation → aufwendige Trinkwasserzubereitung, weniger zu trinken) wird das zu einem Hauptproblem bzw. wirken die beiden Effekte gegeneinander. Eine weitere Veränderung in der O2- Transportfähigkeit ergibt sich auf Grund von Verschiebungen in der Sauerstoffbindungskurve (auch Sauerstoff-Dissoziationskurve, Oxygen Dissociation Curve, ODC; siehe Abb. 4.1.7). Die ODC gibt die Beziehung zwischen dem Sauerstoffpartialdruck und der Sauerstoffsättigung des Hämoglobins [=roter Blutfarbstoff, für die Bindung des O2 an die Erythrozyten zuständig; Hb] wieder. Verschiedene Faktoren beeinflussen die Affinität des Hämoglobins für Sauerstoff und Sauerstoffsättigung % 100 damit die Lage der Kurve. Eine Azidose, ein Anstieg des arteriellen Drucks des CO2, eine Temperaturerhöhung und eine Zunahme des intraerythrozytären Stoffwechselproduktes 2,3-Diphosphoglycerat (2,3-DPG) bewirken eine Rechtsverschiebung der ODC. Unter Hypoxie tritt nun diese Rechtsverschiebung ein, was eine Verringerung der Affinität des Hb für O2 bedeutet, wodurch O2 leichter an die Zellen abgegeben werden kann! Diese Rechtsverschiebung der ODC in mittleren und großen Höhen (bis etwa 3500m) wird allgemein als günstiger Anpassungsmechanismus gewertet (HASIBEDER et al., 1990, S. 20). Die durch die massive Hyperventilation in extremen Höhen bedingte ausgeprägte Alkalose bewirkt aber eine Linksverschiebung der ODC, da die Anpassung der Niere zum Ausgleich der respiratorischen Alkalose (siehe oben) oberhalb 6500m in zeitlichen Verzug gerät. Dadurch wird die Aufsättigung des Hb mit O2 in der Lunge begünstigt und ermöglicht eine deutliche Erhöhung der Sauerstoffsättigung für einen bestimmten Partialdruck 80 60 50 40 20 0 2,3-DPG Temp pCO2 pH L 19 27 R 2,3-DPG Temp pCO2 pH Sauerstoffpartialdruck 0 20 40 60 80 100 mmHg Abb. 4.1.7 Die Sauerstoffbindungskurve des Hämoglobins. L = Linksverschiebung; R = Rechtsverschiebung 1 2 3 4 5 Tage Wochen Monate/Jahre Abb. 4.1.8 Grobe Annäherung in Richtung und Größenordnung an die physiologischen Änderungen während des Aufenthalts in großen bzw. sehr großen Höhen nach HOUSTON (1982, S. 159). 1) Atmung 2) Herzfrequenz 3) zirkulierendes Hämoglobin 4) Zellmetabolismus (Effizienz) 5) Leistungsfähigkeit (VO2max) Auswirkungen der Höhe auf den Menschen - Seite 134

Peter Schatzl, 2001, Geographische Aspekte <strong>des</strong> <strong>Höhe</strong>nbergsteigens<br />

<strong>der</strong> wichtigste Faktor <strong>der</strong> Atemregulation. Ein Abfall <strong>des</strong> pH-Wertes (Azidose), bedingt durch<br />

einen Anstieg <strong>des</strong> arteriellen Drucks <strong>des</strong> CO2, wirkt <strong>auf</strong> die Atmung stimulierend bzw. <strong>auf</strong> die<br />

cerebralen Blutgefäße erweiternd - und umgekehrt. Durch die vermehrte Abatmung <strong>des</strong> CO2<br />

kommt es nun aber zu einer respiratorischen Alkalose (das Puffersystem CO2 + H20<br />

- +<br />

HCO3 + H ist eingeschränkt), was zu einer Reduktion <strong>des</strong> Atemantriebes durch die<br />

zentralen Rezeptoren führt. Die bei<strong>den</strong> Atemregelmechanismen wirken also zunächst<br />

gegensätzlich. Im L<strong>auf</strong>e <strong>der</strong> Zeit stellt die Niere das Gleichgewicht im Säure-Basenhaushalt<br />

durch das Ausschei<strong>den</strong> eines weniger sauren Urins wie<strong>der</strong> her (kompensatorische<br />

Bikarbonat-Diurese), und die zentralen Rezeptoren stellen sich <strong>auf</strong> einen niedrigeren<br />

arteriellen Druck <strong>des</strong> CO2 ein, um die Atemantwort <strong>auf</strong> Impuls <strong>der</strong> peripheren Rezeptoren<br />

nicht mehr zu hemmen. Eine dauerhafte Hyperventilation als <strong>der</strong> wichtigste Vorgang <strong>der</strong><br />

Anpassung ist nun möglich.<br />

Eine Verbesserung <strong>der</strong> O2-Diffusion in <strong>den</strong> Lungenbläschen ist nicht möglich. Die Lunge ist<br />

sozusagen das statische, nicht trainierbare bzw. positiv verän<strong>der</strong>bare Kettenglied im<br />

Atmungssystem (BERGHOLD u. SCHAFFERT, 1999, S. 17).<br />

Steigerung <strong>der</strong> Sauerstofftransportfähigkeit<br />

durch Kreisl<strong>auf</strong>steigerung und Verän<strong>der</strong>ungen im Blut<br />

Akute <strong>Höhe</strong>nexposition führt zu Kreisl<strong>auf</strong>steigerung durch Zunahme <strong>der</strong><br />

Sympathikusaktivität mit Erhöhung <strong>des</strong> Katecholaminspiegels (Adrenalin, Noradrenalin) im<br />

Blut. Die Herzfrequenz, das Herzminutenvolumen [=die vom Herzen pro Minute gepumpte<br />

Blutmenge, HMV] und <strong>der</strong> Blutdruck sind in Ruhe und bei körperlicher Belastung erhöht.<br />

HASIBEDER et al. (1990, S. 16) beschreiben keine Verän<strong>der</strong>ung in <strong>den</strong> Maximalwerten <strong>der</strong><br />

Herzfrequenz und <strong>des</strong> HMV im Vergleich zu Tallagen, daß diese aber bereits bei einer<br />

geringen Belastungsstufe erreicht wer<strong>den</strong>. Die Ursache dafür liegt in <strong>der</strong> Reduktion <strong>der</strong><br />

maximalen Sauerstoff<strong>auf</strong>nahme (VO2max, siehe unten). In extremen <strong>Höhe</strong>n konvergieren<br />

Ruhe- und maximale Herzfrequenz, wenn die Grenzen <strong>der</strong> Akklimatisationsfähigkeit<br />

überschritten sind, während sich als Zeichen vollständiger Akklimatisation (in<br />

<strong>Höhe</strong>nbereichen wo das noch möglich ist) die Werte allmählich wie<strong>der</strong> zum individuellen<br />

Talwert zurückkehren (siehe Abb. <strong>4.1</strong>.2).<br />

Weiters kommt es zu einer Reduktion <strong>des</strong> Plasmavolumens<br />

(durch Anstieg <strong>des</strong> Hämatokrits [=Anteil <strong>der</strong> zellulären<br />

Bestandteile am Blutvolumen], aber auch durch<br />

Dehydration) und <strong>des</strong> Schlagvolumens <strong>des</strong> Herzens, sowie<br />

zu Gefäßverengungen und dadurch zur Abnahme <strong>der</strong><br />

Durchblutung in bestimmten Bereichen (BURTSCHER,<br />

1998, S. 158). Dies wird als Mechanismus <strong>der</strong><br />

Sauerstoffumverteilung, zugunsten <strong>der</strong> O2-Mangel<br />

empfindlicheren Organe (vor allem Gehirn und Herz)<br />

verstan<strong>den</strong>. Hypoxämie [=vermin<strong>der</strong>ter Sauerstoffgehalt im<br />

arteriellen Blut] führt grundsätzlich im Gehirn zur<br />

Erweiterung <strong>der</strong> Blutgefäße und einem Anstieg <strong>der</strong><br />

Durchblutung. Dem wirkt eine aus einer hypoxischen<br />

Hypokapnie [=vermin<strong>der</strong>ter Kohlendioxidgehalt im arteriellen<br />

Blut] resultierende Gefäßverengung entgegen. Die O2-<br />

Abgabe an das Gehirn ist also das Resultat <strong>der</strong> Balance<br />

zwischen Gefäßverengung- und erweiterung, zwischen O2-<br />

Mangel und erhöhter Durchblutung. Dabei überwiegt bald<br />

die Gefäßerweiterung, trotzdem können in Abhängigkeit von<br />

<strong>der</strong> Geschwindigkeit <strong>des</strong> Aufstiegs, <strong>der</strong> Dauer und <strong>des</strong><br />

Ausmaßes <strong>der</strong> Hypoxie cerebrale Dysfunktionen <strong>auf</strong>treten.<br />

Einigkeit besteht darüber, schreibt PODOLSKY (1996, S.<br />

132), daß <strong>der</strong> erhöhte pulmonal-arterielle Druck (Pulmonary<br />

Artery Pressure; PAP) in Ruhe und Belastung (durch<br />

steigen<strong>den</strong> Gefäßwi<strong>der</strong>stand und gesteigertes HMV) keine<br />

Vorteile für <strong>den</strong> Gasaustausch hat, aber vermutlich eine<br />

Rolle bei <strong>der</strong> Entstehung <strong>des</strong> <strong>Höhe</strong>nlungenödems spielt.<br />

Zumin<strong>des</strong>t theoretisch soll die Herzkreisl<strong>auf</strong>stimulation <strong>der</strong><br />

verbesserten O2-Anlieferung dienen. Eine abgestimmte<br />

Abb. <strong>4.1</strong>.6 Fließverhalten und<br />

Gasaustausch in <strong>den</strong> Kapillaren. Oben =<br />

Normalsituation; Unten = Situation bei<br />

Bluteindickung.<br />

Bei Bluteindickung wird <strong>der</strong> Blutstrom<br />

langsamer und kommt gelegentlich sogar<br />

zum vorübergehen<strong>den</strong> Stillstand. Die<br />

scheibenförmigen Erythrozyten neigen<br />

dann dazu, sich flach aneinan<strong>der</strong> zu<br />

legen, was <strong>den</strong> Gasaustausch mit <strong>den</strong><br />

Zellen zusätzlich erschwert.<br />

<strong>Auswirkungen</strong> <strong>der</strong> <strong>Höhe</strong> <strong>auf</strong> <strong>den</strong> <strong>Menschen</strong> - Seite 133

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