Auswirkungen der Höhe auf den Menschen 4.1 Reaktion des ...

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Peter Schatzl, 2001, Geographische Aspekte des Höhenbergsteigens 2500m) gezielt akklimatisieren und kann sich auch nur bis zu einem gewissen Höhenbereich (5300 bis 5800m) dauerhaft, also vollständig akklimatisieren. Je höher man über diesen Bereich hinaus steigt bzw. je länger man sich dort aufhält, umso stärker verschiebt sich das labile Gleichgewicht von inkompletter Höhenanpassung zur Höhendeterioration. Die Art und Weise des Aufstiegs ist also entscheidend für einen optimalen Akklimatisationsprozeß. Ab der Schwellenhöhe erfolgt jede Akklimatisation stets in Stufen: Nach erfolgter Anpassung an eine erreichte Höhe ist man nur für diesen Höhenbereich akklimatisiert, also wieder voll belastbar und weitgehend frei vom Risiko einer akuten Höhenkrankheit. Beim weiteren Höhersteigen beginnt der Akklimatisationsprozeß und damit das Risiko stets wieder von neuem (BERGHOLD u. SCHAFFERT, 1999, S. 36). Empfehlungen zur Gestaltung des Aufstiegs (Grenzen der jeweiligen Aufstiegsetappen) und die Problematik durch zu knappe Zeitkonzepte habe ich bereits in Kapitel 2.1 angesprochen. Prinzipiell gilt: nicht zu schnell zu hoch steigen/fahren/fliegen. Je rascher ein Aufstieg erfolgt, umso weniger Zeit bleibt dem Organismus sich auf die neuen Rahmenbedingungen einzustellen. Akklimatisation, Akklimatisationsmechanismen Nach Erreichen einer neuen unangepaßten Höhe kommt es zu einer Reihe physiologischer Anpassungsvorgänge, mit dem Ziel, die verminderte Sauerstoffsättigung des Blutes und dadurch auch die reduzierte Sauerstoffversorgung, sowie den Sauerstoffumsatz der Gewebe zu verbessern. Dies bedarf einer integrierten Anpassung der Kontrollsysteme von Atmung, Herzkreislauf, Blut, Nieren und Hormonen (BURTSCHER, 1998, S. 158). Diese Vorgänge finden innerhalb einiger Stunden, Tage bis Wochen statt. Auf die Akutreaktion innerhalb der ersten Stunden nach Ankunft folgt der eigentliche Akklimatisationsvorgang, der individuell lang dauert (einige Tage bis Wochen), und zudem von der Geschwindigkeit des Aufstiegs, der absolut erreichten Höhe, dem relativ bewältigten Höhenunterschied und dem Gesundheitszustand abhängen. Die unterschiedlichen Formen der Höhenanpassungsstörungen treten vorwiegend in dieser kritischen Phase auf! Nach dieser Zeitspanne kann von Akklimatisation im Sinne einer dauerhaften Anpassung bzw. stabilen Phase gesprochen werden. In Abb. 4.1.2 ist der Verlauf der Ruheherzfrequenz in den angesprochen Phasen dargestellt. Die Ruheherzfrequenz (RHF; z.Bsp. am Morgen gleich nach dem Aufwachen, noch vor dem Aufstehen gemessen) kann als verläßlicher Indikator für den Allgemeinzustand des Körpers, für die Erholung und Leistungsbereitschaft, sowie für die Beeinträchtigung durch Krankheit oder Höhe herangezogen werden. Viele Höhenbergsteiger messen regelmäßig ihre (morgendliche) RHF, um sich über den Fortschritt im Akklimatisationsprozeß zu informieren bzw. diesen zu objektivieren. Eine Erhöhung um mehr als 20 Prozent kann ein Hinweis dafür sein, daß sich der Betreffende gerade in der (stets kritischen) Anpassungsphase befindet. Kehrt die RHF später wieder zum individuellen Talwert zurück, bedeutet dies, daß der Akklimatisationsprozeß in diesem Höhenbereich abgeschlossen ist (BERGHOLD u. SCHAFFERT, 1999, S. 39). Siehe auch Anmerkung 4.1. Anstieg der Ruheherzfrequenz Schläge pro Min Ankunft in ungewohnter Höhenlage 30 20 10 0 Akutreaktion -10 0 1 2 3 4 5 6 7 8 Tage Akklimatisationsvorgang Akklimatisation Kritische Phase Stabile Phase Abb. 4.1.2 Verlauf der Ruheherzfrequenz nach Ankunft in unangepaßter Höhe. Die Sofortanpassung wird nach erfolgtem Akklimatisationsvorgang von der dauerhaften Anpassung abgelöst. Die Ringe ( ) entlange der Kurve stellen die Einzelmessungen dar. Die in der Abbildung dargestellten 5 bis 6 Tage für den Akklimatisationsvorgang sind eine willkürliche Annahme! Auswirkungen der Höhe auf den Menschen - Seite 131

Rechtes Herz Lungenkreislauf Gehirn Muskeln Eingeweide Nieren Haut etc. Körperkreislauf Linkes Herz Abb. 4.1.3 Schema des Blutkreislaufes. Rot = arterielles Blutsystem, sauerstoffreich; Blau = venöses Blutsystem, sauerstoffarm. Peter Schatzl, 2001, Geographische Aspekte des Höhenbergsteigens Um die wesentlichen Akklimatisationsmechanismen ansprechen zu können, betrachte ich zunächst den Transport des Sauerstoffes (O2) aus der Außenluft zu den Mitochondrien [=Energiezentralen der Zellen, hier wird O2 in Energie umgewandelt]: 1. O2-Transport von der Außenluft in die Alveolen der Lunge; 2. Diffusion aus den Alveolen in die Lungenkapillaren und Bindung an das Hämoglobin; 3. Transport in die peripheren Gewebe mittels Herz- Kreislaufsystem; 4. O2-Aufnahme im Gewebe. Bei Abfall des Sauerstoffpartialdrucks in der Inspirationsluft verändert jedes einzelne dieser Systeme seine Funktion, damit am Zielort (in den Mitochondrien) eine ausreichende O2- Versorgung aufrecht erhalten werden kann. Keine Gewebeart kann längere Zeit ohne Sauerstoff überleben, die kürzesten Toleranzzeiten haben Gehirnzellen (bereits nach 4 bis 6 Minuten irreversible Schäden), während Muskelzellen relativ unempfindlich sind (30 Minuten und mehr). Besäße der Körper nicht die Fähigkeit, auf den Sauerstoffmangel zu reagieren, wäre nur etwa eine Höhe bis 5000m erreichbar, ohne die Versorgung der Gehirnzellen zu gefährden (HOCHHOLZER, 1996, S. 13; siehe Abb. 4.1.5). Es kann nicht von „einem“ Akklimatisationsvorgang die Rede sein, sondern von mehreren (mehr oder weniger) synchron ablaufenden Anpassungsmechanismen, mit individuell starker Ausprägung, welche individuell viel Zeit benötigen. Steigerung der Sauerstoffaufnahme durch Hyperventilation Die erste und wichtigste Reaktion auf Hypoxie ist eine vertiefte und gesteigerte Atmung. Damit wird über das Atemminutenvolumen mehr Sauerstoff pro Minute aufgenommen und - was noch wichtiger ist - vermehrt Kohlendioxid (CO2) abgeatmet. Gleichsam erhöht sich der alveoläre und arterielle Sauerstoffdruck. Für den Anstieg der Ventilation sind vor allem periphere Chemorezeptoren (in der Carotis [=Halsschlagader] und der Aorta) verantwortlich, die auf das Absinken des arteriellen Sauerstoffdrucks reagieren. Das Ausmaß dieser „hypoxischen Atemantwort“, oder Hypoxic Ventilatory Response (HVR), ist individuell sehr unterschiedlich. BERGHOLD u. SCHAFFERT (1999, S. 15) vermuten, daß die HVR genetisch determiniert ist, und weisen darauf hin, daß Personen mit gering ausgebildeter HVR eine erhöhte Anfälligkeit auf Höhenkrankheit aufweisen. Unter Normalbedingungen ist der arterielle Druck des CO2, der indirekt über den pH durch die zentralen Rezeptoren (lokalisiert in der Medulla oblongata [=verlängertes Mark; hier befindet sich das Atemzentrum]) überwacht und gesteuert wird, mmHg 160 in Meereshöhe 120 80 40 Sauerstoffpartialdruck in 6800m Höhe Atemluft Alveolen Blut Gewebe Zellen 0 Abb. 4.1.4 Die Sauerstoffkaskade. Im menschlichen Körper herrschen Druckunterschiede zwischen der Atemluft (höchster O2-Partialdruck, niedrigster CO2-Partialdruck) und den Zellen (höchster CO2-Partialdruck, niedrigster O2- Partialdruck). Diesem Druckgefälle folgend „fließt“ der Sauerstoff kaskadenartig zu den Zellen, wo er bei der Energiebereitstellung verbraucht wird. CO2 als Verbrennungsrückstand fließt den umgekehrten Weg und kann wieder leicht an die Umgebungsluft abgegeben werden. Je höher man steigt, umso geringer werden die Sauerstoffpartialdrucke. Durch diverse Anpassungsmechanismen versucht der Körper die Kaskade abzuflachen. Sauerstoffpartialdruck in den Alveolen mmHg 100 80 60 40 20 Kritische Schwelle = 30mmHg Beginn der Hyperventilation 0 0 1000 2000 3000 4000 5000 6000 7000 8000 Höhe 9000 Abb. 4.1.5 Ein wesentlicher Anpassungsmechanismus ist die Hyperventilation. Würde nicht bereits ab etwa 3000m eine Hyperventilation einsetzen, wäre ab etwa 5000m eine kritische Schwelle (Bewußtlosigkeit) erreicht. Auswirkungen der Höhe auf den Menschen - Seite 132

Peter Schatzl, 2001, Geographische Aspekte <strong>des</strong> <strong>Höhe</strong>nbergsteigens<br />

2500m) gezielt akklimatisieren und kann sich auch nur bis zu einem gewissen <strong>Höhe</strong>nbereich<br />

(5300 bis 5800m) dauerhaft, also vollständig akklimatisieren. Je höher man über diesen<br />

Bereich hinaus steigt bzw. je länger man sich dort <strong>auf</strong>hält, umso stärker verschiebt sich das<br />

labile Gleichgewicht von inkompletter <strong>Höhe</strong>nanpassung zur <strong>Höhe</strong>ndeterioration.<br />

Die Art und Weise <strong>des</strong> Aufstiegs ist also entschei<strong>den</strong>d für einen optimalen<br />

Akklimatisationsprozeß. Ab <strong>der</strong> Schwellenhöhe erfolgt jede Akklimatisation stets in Stufen:<br />

Nach erfolgter Anpassung an eine erreichte <strong>Höhe</strong> ist man nur für diesen <strong>Höhe</strong>nbereich<br />

akklimatisiert, also wie<strong>der</strong> voll belastbar und weitgehend frei vom Risiko einer akuten<br />

<strong>Höhe</strong>nkrankheit. Beim weiteren <strong>Höhe</strong>rsteigen beginnt <strong>der</strong> Akklimatisationsprozeß und damit<br />

das Risiko stets wie<strong>der</strong> von neuem (BERGHOLD u. SCHAFFERT, 1999, S. 36).<br />

Empfehlungen zur Gestaltung <strong>des</strong> Aufstiegs (Grenzen <strong>der</strong> jeweiligen Aufstiegsetappen) und<br />

die Problematik durch zu knappe Zeitkonzepte habe ich bereits in Kapitel 2.1 angesprochen.<br />

Prinzipiell gilt: nicht zu schnell zu hoch steigen/fahren/fliegen. Je rascher ein Aufstieg erfolgt,<br />

umso weniger Zeit bleibt dem Organismus sich <strong>auf</strong> die neuen Rahmenbedingungen<br />

einzustellen.<br />

Akklimatisation, Akklimatisationsmechanismen<br />

Nach Erreichen einer neuen unangepaßten <strong>Höhe</strong> kommt es zu einer Reihe physiologischer<br />

Anpassungsvorgänge, mit dem Ziel, die vermin<strong>der</strong>te Sauerstoffsättigung <strong>des</strong> Blutes und<br />

dadurch auch die reduzierte Sauerstoffversorgung, sowie <strong>den</strong> Sauerstoffumsatz <strong>der</strong><br />

Gewebe zu verbessern. Dies bedarf einer integrierten Anpassung <strong>der</strong> Kontrollsysteme von<br />

Atmung, Herzkreisl<strong>auf</strong>, Blut, Nieren und Hormonen (BURTSCHER, 1998, S. 158). Diese<br />

Vorgänge fin<strong>den</strong> innerhalb einiger Stun<strong>den</strong>, Tage bis Wochen statt. Auf die Akutreaktion<br />

innerhalb <strong>der</strong> ersten Stun<strong>den</strong> nach Ankunft folgt <strong>der</strong> eigentliche Akklimatisationsvorgang,<br />

<strong>der</strong> individuell lang dauert (einige Tage bis Wochen), und zudem von <strong>der</strong> Geschwindigkeit<br />

<strong>des</strong> Aufstiegs, <strong>der</strong> absolut erreichten <strong>Höhe</strong>, dem relativ bewältigten <strong>Höhe</strong>nunterschied und<br />

dem Gesundheitszustand abhängen. Die unterschiedlichen Formen <strong>der</strong><br />

<strong>Höhe</strong>nanpassungsstörungen treten vorwiegend in dieser kritischen Phase <strong>auf</strong>! Nach dieser<br />

Zeitspanne kann von Akklimatisation im Sinne einer dauerhaften Anpassung bzw. stabilen<br />

Phase gesprochen wer<strong>den</strong>.<br />

In Abb. <strong>4.1</strong>.2 ist <strong>der</strong> Verl<strong>auf</strong> <strong>der</strong> Ruheherzfrequenz in <strong>den</strong> angesprochen Phasen dargestellt.<br />

Die Ruheherzfrequenz (RHF; z.Bsp. am Morgen gleich nach dem Aufwachen, noch vor dem<br />

Aufstehen gemessen) kann als verläßlicher Indikator für <strong>den</strong> Allgemeinzustand <strong>des</strong> Körpers,<br />

für die Erholung und Leistungsbereitschaft, sowie für die Beeinträchtigung durch Krankheit<br />

o<strong>der</strong> <strong>Höhe</strong> herangezogen wer<strong>den</strong>. Viele <strong>Höhe</strong>nbergsteiger messen regelmäßig ihre<br />

(morgendliche) RHF, um sich über <strong>den</strong> Fortschritt im Akklimatisationsprozeß zu informieren<br />

bzw. diesen zu objektivieren. Eine Erhöhung um mehr als 20 Prozent kann ein Hinweis dafür<br />

sein, daß sich <strong>der</strong> Betreffende gerade in <strong>der</strong> (stets kritischen) Anpassungsphase befindet.<br />

Kehrt die RHF später wie<strong>der</strong> zum individuellen Talwert zurück, bedeutet dies, daß <strong>der</strong><br />

Akklimatisationsprozeß in diesem <strong>Höhe</strong>nbereich abgeschlossen ist (BERGHOLD u.<br />

SCHAFFERT, 1999, S. 39). Siehe auch Anmerkung <strong>4.1</strong>.<br />

Anstieg <strong>der</strong> Ruheherzfrequenz<br />

Schläge pro Min<br />

Ankunft in<br />

ungewohnter<br />

<strong>Höhe</strong>nlage<br />

30<br />

20<br />

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Akutreaktion -10<br />

0 1 2 3 4 5 6 7 8 Tage<br />

Akklimatisationsvorgang Akklimatisation<br />

Kritische Phase Stabile Phase<br />

Abb. <strong>4.1</strong>.2 Verl<strong>auf</strong> <strong>der</strong> Ruheherzfrequenz nach Ankunft in unangepaßter <strong>Höhe</strong>. Die Sofortanpassung wird nach<br />

erfolgtem Akklimatisationsvorgang von <strong>der</strong> dauerhaften Anpassung abgelöst.<br />

Die Ringe ( ) entlange <strong>der</strong> Kurve stellen die Einzelmessungen dar. Die in <strong>der</strong> Abbildung dargestellten 5 bis 6<br />

Tage für <strong>den</strong> Akklimatisationsvorgang sind eine willkürliche Annahme!<br />

<strong>Auswirkungen</strong> <strong>der</strong> <strong>Höhe</strong> <strong>auf</strong> <strong>den</strong> <strong>Menschen</strong> - Seite 131

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