2. 2 Teilnehmende Beobachtung Überblick über die Methode der ...

2. 2 Teilnehmende Beobachtung Überblick über die Methode der ... 2. 2 Teilnehmende Beobachtung Überblick über die Methode der ...

09.11.2012 Aufrufe

2. 2 Teilnehmende Beobachtung Überblick über die Methode der teilnehmenden Beobachtung Klassifizierung der teilnehmenden Beobachtung Umsetzung der Forschungsmethode bei meinen Trekkingreisen Meine persönlichen Erfahrungen mit der Forschungsmethode Auswertung und Analyse der Beobachtungsdaten Peter Schatzl, 2004, Diss Bereits nach den ersten einleitenden Zeilen zur teilnehmenden Beobachtung wird der Leser erkennen, wie komplex die Fragestellung der Nachhaltigkeit bei Trekkingreisen ist und wie schwierig sich deren Nachvollziehbarkeit gestaltet. In diesem Subkapitel möchte ich aber auch vermitteln, dass die teilnehmende Beobachtung eine besonders interessante und spannende Methode ist, diese Fragestellung näher zu kommen. Dabei ist der Forscher - wie der Name schon sagt - gleichzeitig Teilnehmer und Beobachter im Feld, was auch Probleme aufwerfen kann. Generell verstehe ich die teilnehmende Beobachtung weniger als strikten Algorithmus, sondern vielmehr als Heuristik, welche mir einzelne Regeln für den Erkenntnisgewinn in komplexen Beobachtungsbereichen gibt, wobei eine Lösung jedoch nicht mit Sicherheit garantiert werden kann. Überblick über die Methode der teilnehmenden Beobachtung Der Film ist das einzige Medium, über das soziales Handeln frei von jeder subjektiven Interpretation konserviert und reproduziert werden kann. Die teilnehmende Beobachtung erfüllt im Vergleich zu anderen Methoden der empirischen Sozialforschung (z.B. dem Interview und dem Experiment) nicht in gleichem Maße solche Forderungen nach exakter Methodik, weil die Verzerrung der Wahrnehmung durch das beobachtende Subjekt nur ungenügend reduziert werden kann (FRIEDRICHS u. LÜDKE, 1977, S. 17). Auf der anderen Seite sind mit dieser Methode auch Erwartungen verbunden, indem mit ihrer Hilfe Realität bzw. ein Ausschnitt von Realität in Aussagen transformiert werden kann, ohne dass die beim Einsatz quantitativer Methoden unvermeidlichen Reduktionen und Veränderungen beklagt werden müssen (MERKENS, 1989, S. 10). Nach LAMNEK (1989, S. 234) wird die teilnehmende Beobachtung bevorzugt dort eingesetzt, wo es unter spezifischen theoretischen Perspektiven um die Erfassung der sozialen Konstituierung von Wirklichkeit und um Prozesse des Aushandelns von Situationsdefinitionen, um das Eindringen in ansonsten nur schwer zugängliche Forschungsfelder geht, oder wo für die Sozialforschung Neuland betreten wird. • Wie in Kap. 1. 3 „Nachhaltigkeit und Anbieter von Trekkingreisen“ beschrieben, kann eine Trekkingreise als Prozess verstanden werden, bei der während der Reise durch den persönlichen Kontakt und das Zusammenwirken der Produzenten mit den Konsumenten die Reise aus dem Leistungspotential und den Vorgaben des Reiseveranstalters entsteht. Es war die Rede von der „Produktion“ der Reise, wobei hier synonym auch die Begriffe Konstituierung bzw. Aushandeln gebraucht werden können. Dieser Umstand legt es nahe, bei der Entstehung bzw. Umsetzung des Produkts dabei zu sein, um Aussagen über die Wirklichkeit machen zu können. • Aus dem oben genannten Punkt erklärt sich aber auch die Heterogenität der Reise. Eine Trekkingreise wird von verschiedenen Beteiligten unterschiedlich wahrgenommen und beurteilt, was sich aus den unterschiedlichen Erwartungen und Anspruchhaltungen ergibt. Außerdem kann die Reise bei mehrmaliger Ausführung Qualitätsschwankungen aufweisen, da eine Vielzahl von Faktoren variieren können, die der Reiseveranstalter nicht beeinflussen kann (vgl. RUPE, 2000, S. 129). • Hinzu kommt, dass es keine eindeutigen Indikatoren für den Erfolg im Sinne der Nachhaltigkeit einer Trekkingreise gibt. Dies ergibt sich aus der umfassenden Definition von Nachhaltigkeit ei- Kapitel 2. 2 - Seite 100

<strong>2.</strong> 2 <strong>Teilnehmende</strong> <strong>Beobachtung</strong><br />

<strong>Überblick</strong> <strong>über</strong> <strong>die</strong> <strong>Methode</strong> <strong>der</strong> teilnehmenden <strong>Beobachtung</strong><br />

Klassifizierung <strong>der</strong> teilnehmenden <strong>Beobachtung</strong><br />

Umsetzung <strong>der</strong> Forschungsmethode bei meinen Trekkingreisen<br />

Meine persönlichen Erfahrungen mit <strong>der</strong> Forschungsmethode<br />

Auswertung und Analyse <strong>der</strong> <strong>Beobachtung</strong>sdaten<br />

Peter Schatzl, 2004, Diss<br />

Bereits nach den ersten einleitenden Zeilen zur teilnehmenden<br />

<strong>Beobachtung</strong> wird <strong>der</strong> Leser erkennen, wie<br />

komplex <strong>die</strong> Fragestellung <strong>der</strong> Nachhaltigkeit bei Trekkingreisen<br />

ist und wie schwierig sich <strong>der</strong>en Nachvollziehbarkeit<br />

gestaltet.<br />

In <strong>die</strong>sem Subkapitel möchte ich aber auch vermitteln,<br />

dass <strong>die</strong> teilnehmende <strong>Beobachtung</strong> eine beson<strong>der</strong>s interessante<br />

und spannende <strong>Methode</strong> ist, <strong>die</strong>se Fragestellung<br />

näher zu kommen. Dabei ist <strong>der</strong> Forscher - wie <strong>der</strong> Name<br />

schon sagt - gleichzeitig Teilnehmer und Beobachter<br />

im Feld, was auch Probleme aufwerfen kann.<br />

Generell verstehe ich <strong>die</strong> teilnehmende <strong>Beobachtung</strong><br />

weniger als strikten Algorithmus, son<strong>der</strong>n vielmehr als<br />

Heuristik, welche mir einzelne Regeln für den Erkenntnisgewinn<br />

in komplexen <strong>Beobachtung</strong>sbereichen gibt,<br />

wobei eine Lösung jedoch nicht mit Sicherheit garantiert<br />

werden kann.<br />

<strong>Überblick</strong> <strong>über</strong> <strong>die</strong> <strong>Methode</strong> <strong>der</strong> teilnehmenden <strong>Beobachtung</strong><br />

Der Film ist das einzige Medium, <strong>über</strong> das soziales Handeln frei von je<strong>der</strong> subjektiven Interpretation<br />

konserviert und reproduziert werden kann.<br />

Die teilnehmende <strong>Beobachtung</strong> erfüllt im Vergleich zu an<strong>der</strong>en <strong>Methode</strong>n <strong>der</strong> empirischen Sozialforschung<br />

(z.B. dem Interview und dem Experiment) nicht in gleichem Maße solche For<strong>der</strong>ungen<br />

nach exakter Methodik, weil <strong>die</strong> Verzerrung <strong>der</strong> Wahrnehmung durch das beobachtende Subjekt<br />

nur ungenügend reduziert werden kann (FRIEDRICHS u. LÜDKE, 1977, S. 17). Auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en<br />

Seite sind mit <strong>die</strong>ser <strong>Methode</strong> auch Erwartungen verbunden, indem mit ihrer Hilfe Realität bzw. ein<br />

Ausschnitt von Realität in Aussagen transformiert werden kann, ohne dass <strong>die</strong> beim Einsatz quantitativer<br />

<strong>Methode</strong>n unvermeidlichen Reduktionen und Verän<strong>der</strong>ungen beklagt werden müssen<br />

(MERKENS, 1989, S. 10).<br />

Nach LAMNEK (1989, S. 234) wird <strong>die</strong> teilnehmende <strong>Beobachtung</strong> bevorzugt dort eingesetzt, wo<br />

es unter spezifischen theoretischen Perspektiven um <strong>die</strong> Erfassung <strong>der</strong> sozialen Konstituierung<br />

von Wirklichkeit und um Prozesse des Aushandelns von Situationsdefinitionen, um das Eindringen<br />

in ansonsten nur schwer zugängliche Forschungsfel<strong>der</strong> geht, o<strong>der</strong> wo für <strong>die</strong> Sozialforschung Neuland<br />

betreten wird.<br />

• Wie in Kap. 1. 3 „Nachhaltigkeit und Anbieter von Trekkingreisen“ beschrieben, kann eine<br />

Trekkingreise als Prozess verstanden werden, bei <strong>der</strong> während <strong>der</strong> Reise durch den persönlichen<br />

Kontakt und das Zusammenwirken <strong>der</strong> Produzenten mit den Konsumenten <strong>die</strong> Reise aus<br />

dem Leistungspotential und den Vorgaben des Reiseveranstalters entsteht. Es war <strong>die</strong> Rede<br />

von <strong>der</strong> „Produktion“ <strong>der</strong> Reise, wobei hier synonym auch <strong>die</strong> Begriffe Konstituierung bzw.<br />

Aushandeln gebraucht werden können.<br />

Dieser Umstand legt es nahe, bei <strong>der</strong> Entstehung bzw. Umsetzung des Produkts dabei zu sein,<br />

um Aussagen <strong>über</strong> <strong>die</strong> Wirklichkeit machen zu können.<br />

• Aus dem oben genannten Punkt erklärt sich aber auch <strong>die</strong> Heterogenität <strong>der</strong> Reise. Eine Trekkingreise<br />

wird von verschiedenen Beteiligten unterschiedlich wahrgenommen und beurteilt, was<br />

sich aus den unterschiedlichen Erwartungen und Anspruchhaltungen ergibt. Außerdem kann<br />

<strong>die</strong> Reise bei mehrmaliger Ausführung Qualitätsschwankungen aufweisen, da eine Vielzahl von<br />

Faktoren variieren können, <strong>die</strong> <strong>der</strong> Reiseveranstalter nicht beeinflussen kann (vgl. RUPE,<br />

2000, S. 129).<br />

• Hinzu kommt, dass es keine eindeutigen Indikatoren für den Erfolg im Sinne <strong>der</strong> Nachhaltigkeit<br />

einer Trekkingreise gibt. Dies ergibt sich aus <strong>der</strong> umfassenden Definition von Nachhaltigkeit ei-<br />

Kapitel <strong>2.</strong> 2 - Seite 100


Perzeption Kognition<br />

<strong>Beobachtung</strong><br />

Perzeption<br />

• Empfindung, Sinneswahrnehmung, Sensibilität,<br />

registrieren<br />

• Aufnahme und Weiterleitung von Umwelt-<br />

und Körperreizen<br />

• physiologischer Filter<br />

Kognition<br />

• Wahrnehmung, Denken, Erkennen, Erinnern,<br />

Reproduzieren<br />

• Verarbeitung von Umwelt- und Körperreizen<br />

• Empfindungen werden in Konfigurationen<br />

zusammengefasst, sowie mit früher gesammelten<br />

Erfahrungen verglichen<br />

• durch Erfahrungsfilter gelenkt<br />

<strong>Beobachtung</strong><br />

• Erfassung sinnlich wahrnehmbarer Vorgänge<br />

und Umstände<br />

• gezielte Suche nach Konfigurationen von<br />

Reizen<br />

• geht immer mit Auswahl und gelenkter<br />

Aufmerksamkeit einher; intentional gesteuert<br />

Abb. <strong>2.</strong> <strong>2.</strong> 1 Schatzl, 2003. [physio_beo.wmf]<br />

Über das Grundproblem <strong>der</strong> teilnehmenden<br />

<strong>Beobachtung</strong>:<br />

“Auf <strong>der</strong> einen Seite gibt es das soziale Handeln<br />

von zwei o<strong>der</strong> mehr Individuen, in dem<br />

<strong>die</strong>se ihre Bedeutung erwerben, erproben und<br />

einsetzen. Daneben gibt es Beobachter von<br />

Situationen sozialen Handelns, und <strong>die</strong>se Beobachter<br />

unterstellen dem sozialen Handeln<br />

<strong>der</strong> beobachteten Individuen aus ihrer Perspektive<br />

einen sozialen Sinn: Sie bilden Konstruktionen<br />

<strong>über</strong> <strong>die</strong> Konstruktionen <strong>der</strong> Handelnden<br />

aus. Wie weit solche Konstruktionen<br />

zutreffen, hängt von <strong>der</strong> Kenntnis <strong>der</strong> Lebenswelt<br />

<strong>der</strong> Handelnden ab.“<br />

MERKENS, 1989, S. 14<br />

Peter Schatzl, 2004, Diss<br />

nerseits und <strong>der</strong> Vielzahl an zu berücksichtigenden<br />

Aspekten an<strong>der</strong>erseits, <strong>die</strong> sich oftmals wi<strong>der</strong>sprüchlich<br />

gegen<strong>über</strong>stehen (je nach Ort, Zeit, Organisationsform,<br />

Beteiligte etc.). Nicht immer ist <strong>die</strong><br />

auf den ersten Blick erscheinende Lösung, o<strong>der</strong> jene,<br />

<strong>die</strong> einer Dimension bzw. einem Akteur (siehe<br />

Kap. 1. 3) gerecht wird, <strong>die</strong> Beste. Ich möchte an<br />

<strong>die</strong>ser Stelle nochmals auf <strong>die</strong> von WÖHLER<br />

(2001) in Kap. 1. 2 genannte „zweitbeste Lösung“<br />

anspielen bzw. auf den Umstand des Aushandelns<br />

(siehe oben).<br />

• Nicht zuletzt wurde mit dem Versuch, Nachhaltigkeit<br />

beim Trekking nachzuvollziehen, Neuland betreten.<br />

Die breite theoretische Basis zum Thema<br />

Nachhaltigkeit im Tourismus auf Trekkingreisen anzuwenden<br />

bzw. „herunterzubrechen“ und mittels<br />

teilnehmen<strong>der</strong> <strong>Beobachtung</strong> mit <strong>der</strong> Wirklichkeit<br />

abzugleichen, stellte für mich eine reizvolle, wie<br />

auch schwierige Aufgabe dar.<br />

Eine wichtige For<strong>der</strong>ung an <strong>die</strong> <strong>Methode</strong> <strong>der</strong> teilnehmenden<br />

<strong>Beobachtung</strong> ist jene <strong>der</strong> Authentizität.<br />

MERKENS (1989, S. 9) schreibt von einer „Natürlichkeit<br />

<strong>der</strong> Erhebungssituation“ und for<strong>der</strong>t, dass „<strong>der</strong> Autor<br />

eigene Erfahrungen referiert“. Das setzt voraus,<br />

dass sich <strong>der</strong> Forscher selbst als Teilnehmer <strong>über</strong> eine<br />

längere Zeitspanne in <strong>der</strong> Gruppe aufhält und eine von<br />

allen akzeptierte Rolle <strong>über</strong>nimmt, <strong>die</strong> ihm physischen<br />

(räumlichen) und informellen Zugang zu bestimmten<br />

Abläufen (Entscheidungen, Diskussionen etc.) lässt.<br />

Grundmuster des Vorgehens bei teilnehmen<strong>der</strong> <strong>Beobachtung</strong><br />

ist eine enge Wechselbeziehung zwischen<br />

theoretischem Vorverständnis und empirischem Gegenstand,<br />

gleich einer schrittweisen Annäherung sowie<br />

Revision von Begriffen, Interpretationen und theoretischen<br />

Annahmen (vgl. HOPF, 1979, S. 29). Dementsprechend<br />

müssen Leitfäden und Indikatoren für teilnehmende<br />

<strong>Beobachtung</strong> kontinuierlich <strong>über</strong>arbeitet<br />

werden, um sie <strong>der</strong> jeweils neu gewonnenen theoretischen<br />

Position anzugleichen.<br />

<strong>Teilnehmende</strong> <strong>Beobachtung</strong> wird von einem Vorwissen<br />

bzw. von Vermutungen geleitet, <strong>die</strong> im Feld <strong>die</strong> Aufmerksamkeit<br />

des Beobachters bestimmen. Für<br />

LAMNEK (1989, S. 237) ist das Fremdverstehen Vorraussetzung<br />

und <strong>Methode</strong> <strong>der</strong> <strong>Beobachtung</strong>.<br />

Der Beobachter muss <strong>über</strong> sein Handeln reflektieren,<br />

also <strong>die</strong>se Bedeutungszuschreibung laufend <strong>über</strong>prüfen. Einerseits steht hier <strong>die</strong> subjektive Interpretation<br />

im Mittelpunkt, was folgern ließe, <strong>Methode</strong>n <strong>die</strong>ser Art ermöglichen nur subjektive Weltsichten.<br />

An<strong>der</strong>erseits geschieht <strong>der</strong> Prozess des Bedeutungsgewinnens in sozialen Interaktionen,<br />

und entsteht somit nicht aus <strong>der</strong> Willkür des Subjekts, son<strong>der</strong>n wird sozial geteilt und intersubjektiv<br />

nachvollziehbar (vgl. MERKENS, 1989, S. 12f).<br />

Eine sorgfältige Auswahl und Abstimmung vorab auf <strong>die</strong> relevanten Objekte unterstreicht nochmals<br />

das bereits oben erwähnte Vorverständnis bzw. Vorwissen. Dies relativiert allerdings wie<strong>der</strong> den<br />

Anspruch auf Authentizität: Die Auswahl <strong>der</strong> Situationen und Objekte sowie <strong>die</strong> Selektionsvorgänge<br />

beim Wahrnehmen und Beobachten können nur nachvollziehbar erfolgen, wenn schon zum<br />

Zeitpunkt des Registrierens von Ereignissen eine Struktur und Gestalt in <strong>die</strong> Szene hineingetragen<br />

wird, <strong>die</strong> im Kopf des Forschers entstanden ist.<br />

Kapitel <strong>2.</strong> 2 - Seite 101


Peter Schatzl, 2004, Diss<br />

Die notwendige Einbeziehung des Vorverständnisses, und in weiterer Folge des Verstehens im<br />

Sinne <strong>der</strong> Auswertung, schafft eben bestimmte zu berücksichtigende Vorraussetzungen und Probleme.<br />

Gültigkeit und Zuverlässigkeit <strong>der</strong> gewonnen Daten können gefährdet werden, wenn <strong>die</strong> geltenden<br />

Sinn- und Bedeutungszusammenhänge des analysierten soziokulturellen Systems nicht<br />

beachtet, o<strong>der</strong> zu weitgehend interpretiert werden. Die Notwendigkeit des Sinnverständnisses des<br />

zu beobachtenden Feldes wird von LAMNEK (1989) auch als „zweite Sozialisation“ beschrieben,<br />

welche nicht als vollständige Sozialisation erfolgt, son<strong>der</strong>n methodisch kontrolliert und in bewusster<br />

Distanzierung.<br />

<strong>Teilnehmende</strong> <strong>Beobachtung</strong> heißt soviel Zeit wie möglich mit den Forschungsobjekten und -<br />

subjekten zu verbringen, <strong>die</strong> Arbeit mit ihnen zu teilen und durch Beobachten, Zuhören und Miterleben<br />

lernen. In <strong>der</strong> Praxis kommen dazu fast immer auch Interviews. Denn einerseits lässt sich<br />

bei alltagsweltlichen Gesprächen nicht immer feststellen, wann sie zum (zielgerichteten) Interview<br />

werden. An<strong>der</strong>erseits ist es oft auch notwendig, Erlebnisse, <strong>der</strong>en Zeuge man war, bzw. gewonnene<br />

Erkenntnisse abzuklären und zu vertiefen.<br />

In <strong>der</strong> Forschungspraxis wird <strong>die</strong> teilnehmende <strong>Beobachtung</strong><br />

allerdings - oft aus Bequemlichkeit - durch<br />

Interviews ersetzt. Man bezahlt <strong>die</strong> Informanten und<br />

quetscht in den eigenen vier Wänden alles aus ihnen<br />

heraus, ohne sich dabei „<strong>die</strong> Hände schmutzig“ machen<br />

zu müssen (CONNELL, 2001, S. 18).<br />

Das Interview als Forschungsmethode kann sich aber<br />

dann als problematisch erweisen, wenn <strong>die</strong> Leute<br />

Antworten geben, <strong>die</strong> man hören will. Wenn sich dann<br />

noch im Zuge späterer <strong>Beobachtung</strong>en herausstellt,<br />

Es hätte eine herrliche Wan<strong>der</strong>ung sein<br />

können, wenn wir nur nicht so aufgeregt<br />

gewesen wären:<br />

“Für uns war <strong>die</strong> teilnehmende <strong>Beobachtung</strong><br />

ein langer und oft schmerzlicher Prozess <strong>der</strong><br />

fast demütigenden Erniedrigung und anschließenden<br />

Wie<strong>der</strong>einglie<strong>der</strong>ung in <strong>die</strong> Gesellschaft.<br />

Es war in gewisser Weise eine Reise<br />

<strong>der</strong> Seele.“<br />

CONNELL, 2001, S. 19<br />

dass <strong>die</strong> Leute behaupten, sie würden Dinge tun, <strong>die</strong> <strong>über</strong>haupt nicht <strong>der</strong> Fall sind, führt eine<br />

Überbewertung <strong>der</strong> Interviews zu einer systematischen Verfälschung <strong>der</strong> Forschungsergebnisse.<br />

Genau um den Anspruch in den Worten und <strong>die</strong> Wirklichkeit in den Taten nachvollziehen und gegebenenfalls<br />

gegen<strong>über</strong>stellen zu können, halte ich es für wesentlich selbst mitzureisen.<br />

Vorzüge <strong>der</strong> teilnehmenden <strong>Beobachtung</strong>:<br />

+ Die Erkenntnisse werden aus einer „Primärerfahrung“ gewonnen, und rangieren - bei entspre-<br />

chen<strong>der</strong> Validität - vor je<strong>der</strong> Art von Sekundärdaten.<br />

+ Man umgeht <strong>die</strong> Diskrepanz von Real- und Verbalverhalten, unter <strong>der</strong> insbeson<strong>der</strong>e Interviews<br />

leiden. Oftmals werden im Interview Angaben gemacht, <strong>die</strong> den tatsächlichen Handlungen <strong>der</strong><br />

befragten Personen wi<strong>der</strong>sprechen.<br />

+ Sie erlaubt zu beobachten, wo Fragen nur auf Unverständnis stoßen, o<strong>der</strong> wo selbstverständli-<br />

che bzw. unbewusste Handlungen ablaufen.<br />

+ Sie ermöglicht es, Prozesse zu ermitteln, <strong>die</strong> sonst nur umständlich durch wie<strong>der</strong>holte Inter-<br />

views o<strong>der</strong> Inhaltsanalysen zu erheben wären.<br />

+ Die <strong>Beobachtung</strong> von Handlungen hängt nicht von <strong>der</strong> Bereitschaft <strong>der</strong> Probanden zu ant-<br />

worten o<strong>der</strong> <strong>der</strong>en verbalen Fähigkeiten ab (vgl. Interview, Gruppendiskussion).<br />

Begrenzungen <strong>der</strong> teilnehmenden <strong>Beobachtung</strong>:<br />

Da <strong>die</strong> <strong>Beobachtung</strong> an <strong>die</strong> sinnliche Wahrnehmung geknüpft ist („soweit Auge und Ohr rei-<br />

chen“), ergibt sich eine lokale Begrenzung auf <strong>über</strong>schaubare, kleine Gruppen, <strong>die</strong> in ihren<br />

Handlungen auf bestimmte lokal abgegrenzte Räume reduziert sind.<br />

Forschungspraktisch bedeutet <strong>die</strong>se <strong>Methode</strong> einen großen, oft nur schwer zu vertretenden<br />

Aufwand. Neben den zeitlichen und finanziellen Limitierungen treten physische und psychische<br />

Grenzen, <strong>die</strong> kaum <strong>über</strong>wunden werden können.<br />

Die <strong>Beobachtung</strong> kann immer nur Ausschnitte aus dem totalen Geschehen erfassen. Je weni-<br />

ger, kürzer bzw. an<strong>der</strong>wärtig beschränkter <strong>die</strong>se <strong>Beobachtung</strong>en sind, umso weniger Rück-<br />

schlüsse lassen sich auf <strong>die</strong> nicht beobachteten Phasen machen.<br />

Die <strong>Beobachtung</strong> muss sich auf Beobachtbares reduzieren. Es wird nur bedingt möglich sein<br />

Einstellungen zu erfassen und <strong>die</strong>se mit Handlungen zu verknüpfen. Gerade in <strong>der</strong> soziokultu-<br />

rellen Dimension sind <strong>die</strong> Faktoren in vielfältiger Weise verflochten (Interdependenz sozialer<br />

Phänomene).<br />

Kapitel <strong>2.</strong> 2 - Seite 102


Gefahren <strong>der</strong> teilnehmenden <strong>Beobachtung</strong>:<br />

Durch selektive Wahrnehmung werden gewisse Inhalte bevor-<br />

zugt registriert, <strong>die</strong> auf <strong>die</strong>se Weise <strong>die</strong> Aufnahme an<strong>der</strong>er In-<br />

halte hemmen. D.h. <strong>die</strong> Wie<strong>der</strong>gabe <strong>der</strong> <strong>Beobachtung</strong> wird<br />

beinflusst durch Ziele und Vorstellungen des Beobachters.<br />

Die selektive Wahrnehmung kann sich auch in <strong>der</strong> Aufzeich-<br />

nung <strong>der</strong> <strong>Beobachtung</strong>sdaten äußern, aufgrund <strong>der</strong> häufig sich<br />

sprachlich vollziehenden beobachteten Interaktion. So können<br />

sich in unserer Sprache <strong>Beobachtung</strong>en (deskriptiv) und Wer-<br />

tungen (evaluativ) mischen.<br />

Ein weiteres Problem liegt darin, dass mit zunehmen<strong>der</strong> Ver-<br />

trautheit des Beobachters mit dem <strong>Beobachtung</strong>sfeld <strong>die</strong> Auf-<br />

merksamkeit sinkt. Ereignisse, <strong>die</strong> einem gleichsam schon zu<br />

vertraut sind, werden nicht mehr wahrgenommen.<br />

Das Dilemma von Distanz und Identifikation, siehe unten!<br />

Peter Schatzl, 2004, Diss<br />

Klassifizierung <strong>der</strong> teilnehmenden <strong>Beobachtung</strong><br />

Die folgenden Klassifizierungen werden mehr „<strong>der</strong> Vollständigkeit halber“ vorgestellt, um dem Leser<br />

einen <strong>Überblick</strong> <strong>über</strong> <strong>die</strong> Bandbreite <strong>der</strong> teilnehmenden <strong>Beobachtung</strong> zu geben. Denn in <strong>der</strong><br />

Realität bietet <strong>die</strong> teilnehmende <strong>Beobachtung</strong> den Vorzug, dass sie vom Forscher an das <strong>Beobachtung</strong>sfeld<br />

bzw. den jeweiligen Forschungszweck angepasst werden kann, woraus sich oftmals<br />

eine Kombination aus mehreren <strong>der</strong> genannten Typen ergibt. Dennoch habe ich bereits hier jene<br />

Typen mit Ringen hervorgehoben, <strong>die</strong> meiner <strong>Methode</strong> am nächsten kommen. (Eine genaue Beschreibung<br />

<strong>der</strong> Umsetzung <strong>der</strong> Forschungsmethode bei meinen Trekkingreisen folgt im nachfolgenden<br />

Abschnitt.)<br />

Typen <strong>der</strong> <strong>Beobachtung</strong> nach FRIEDRICHS u. LÜDKE (1977, S. 19f):<br />

teilnehmend nicht-teilnehmend<br />

kontrolliert, standardisiert Typ 1 Typ 2<br />

unkontrolliert, unstandardisiert Typ 3 Typ 4<br />

Nach <strong>der</strong> Exaktheit angeordnet ergibt sich folgende Reihe 2 > 1 > 3 > 4<br />

Facts<br />

Findings<br />

Abb. <strong>2.</strong> <strong>2.</strong> 2<br />

FFF - What's going on?<br />

Schon beim Erfassen bzw. Protokollieren<br />

sollen <strong>die</strong> Fakten von den Gefühlen unterschieden<br />

werden, um später bei <strong>der</strong><br />

Deduktion des Beobachteten zu den Erkenntnissen<br />

den persönlichen Bias niedrig<br />

zu halten.<br />

Schatzl, 2003. [fff_beo.wmf]<br />

Ad 1. Entspricht <strong>der</strong> Untersuchung: Hier nimmt <strong>der</strong> Beobachter am Handlungsablauf teil, d.h. er<br />

<strong>über</strong>nimmt eine Rolle innerhalb <strong>der</strong> Gruppe. Seine Aktivität bewegt sich grundsätzlich auf<br />

<strong>der</strong> gleichen Ebene wie <strong>die</strong> <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Gruppenmitglie<strong>der</strong>. Die <strong>Beobachtung</strong> ist reglementiert<br />

durch ein vorgegebenes <strong>Beobachtung</strong>sschema, welches das zu Beobachtende definiert.<br />

Vorab existiert ein theoretisches Modell und es werden Hypothesen aufgestellt, <strong>die</strong><br />

durch <strong>die</strong> <strong>Beobachtung</strong> <strong>über</strong>prüft werden.<br />

Ad <strong>2.</strong> Entspricht dem Experiment: Auch hier liegt ein theoretisches Modell und ein Schema <strong>der</strong><br />

<strong>Beobachtung</strong> vor, <strong>der</strong> Beobachter ist jedoch nicht eingebunden in den Handlungsablauf, er<br />

ist bestrebt, sich möglichst unsichtbar zu machen (befindet sich z.B. hinter einem Einwegfenster).<br />

Ad 3. Entspricht den <strong>Beobachtung</strong>en, wie Ethnologie und Kulturanthropologie sie betrieben haben.<br />

Der Beobachter nahm am Gruppenleben teil, das Feld <strong>der</strong> <strong>Beobachtung</strong> war allerdings zu<br />

weit bzw. zu unerforscht, um einen systematischen Plan zugrunde zu legen.<br />

Ad 4. Entspricht einer Alltagsbeobachtung, mehr o<strong>der</strong> min<strong>der</strong> zufällig. Ein Passant beobachtet ein<br />

Geschehen auf <strong>der</strong> Straße, ein Journalist reist durch ein ihm fremdes Land, <strong>über</strong> das er berichten<br />

will.<br />

Typen teilnehmen<strong>der</strong> <strong>Beobachtung</strong> nach SCHÜTZ (1974); zitiert in ASTER, MERKENS u. REPP<br />

(1989, S. 14ff):<br />

<strong>Beobachtung</strong> soziale Beziehung<br />

mitweltlich Typ 5 Typ 6<br />

umweltlich Typ 7 Typ 8<br />

Kapitel <strong>2.</strong> 2 - Seite 103


Peter Schatzl, 2004, Diss<br />

Ad 5. Das Verhältnis zwischen Beobachter und sozial Handelnden wird vom „Ihr“ bestimmt: Der<br />

Erfahrungszusammenhang des Beobachters und <strong>der</strong> <strong>der</strong> Handelnden differieren ebenso wie<br />

<strong>die</strong> Interessenslagen. Der Beobachter macht sich möglichst unsichtbar (siehe oben Typ 2).<br />

Die Interpretationen des von ihm Gesehenen erfolgen aus seinem Horizont; <strong>die</strong> tatsächlich<br />

Agierenden werden nicht gefragt, ob sie seinen Interpretationen zustimmen.<br />

Ad 6. Auch <strong>die</strong>ser Typ ist vom „Ihr“ gekennzeichnet. Hierbei haben Beobachter und Beobachtete<br />

eine gegenseitige Vorstellung voneinan<strong>der</strong>; <strong>der</strong> Beobachter ist den Personen im Feld in seiner<br />

Funktion bzw. in einigen Fällen auch in einer Rolle bekannt. Der Beobachter interpretiert,<br />

indem er seine Sichtweise <strong>der</strong> Welt <strong>der</strong> Handelnden als Basis wählt.<br />

Ad 7. Hier ist das „Wir“ <strong>die</strong> typische Form <strong>der</strong> Interaktion, aber <strong>die</strong> „Du“-Einstellung ist nur einseitig.<br />

Der Beobachter wird von <strong>der</strong> Gruppe in <strong>der</strong>en Interaktionen als „Du“ einbezogen, wendet<br />

aber selbst seine vorher in an<strong>der</strong>en Kontexten entwickelten Kategorien auf <strong>der</strong>en <strong>Beobachtung</strong>,<br />

sowie insbeson<strong>der</strong>e für seine wie<strong>der</strong>gebende Darstellung an. Dabei ist er bemüht, <strong>die</strong>se<br />

Konzepte an <strong>die</strong> ihm zugänglichen Erscheinungen anzupassen, d.h. sie abzuwandeln<br />

und zu verän<strong>der</strong>n.<br />

Ad 8. Dieser Typ wird ebenfalls von <strong>der</strong> Form des „Wir“ bestimmt, nunmehr aber als wechselseitige<br />

„Du“-Einstellung. Der Wille, <strong>die</strong> beobachtete Welt auch für sich selbst auf Zeit zu akzeptieren<br />

und in sie einzutauchen, ist dafür kennzeichnend.<br />

LAMNEK (1989, S. 243) stellt <strong>die</strong> wissenschaftliche <strong>Beobachtung</strong> <strong>der</strong> naiven <strong>Beobachtung</strong> bzw.<br />

Alltagsbeobachtung gegen<strong>über</strong> und formuliert folgende Kriterien <strong>der</strong> Wissenschaftlichkeit empirischer<br />

Forschung:<br />

• Vorraussetzung für <strong>die</strong> wissenschaftliche <strong>Beobachtung</strong> ist <strong>die</strong> intersubjektive Nachvollziehbarkeit<br />

im Sinne wie<strong>der</strong>holter Prüfungen und Kontrollen <strong>der</strong> Gültigkeit, Zuverlässigkeit und Genauigkeit.<br />

Generell sind beobachtete Tatbestände leichter solchen Prüfungen zu unterziehen, als<br />

<strong>über</strong> <strong>Beobachtung</strong>en erschlossene Sinn- und Bedeutungszusammenhänge. Auch werden sich<br />

soziale Situationen in <strong>der</strong> Realität selten in <strong>der</strong> selben Weise wie<strong>der</strong>holen, wodurch sich Wie<strong>der</strong>holbarkeit<br />

am ehesten durch <strong>die</strong> <strong>Beobachtung</strong> mehrerer verschiedener, aber vergleichbarer<br />

sozialer Fel<strong>der</strong> erzielen lässt.<br />

• Ein weiteres Unterscheidungskriterium zur Alltagsbeobachtung sind <strong>die</strong> systematischen Aufzeichnungen<br />

<strong>der</strong> beobachteten Ereignisse, meist in Form von Gedächtnisprotokollen.<br />

• Zur wissenschaftlichen <strong>Beobachtung</strong> gehört, dass <strong>die</strong>se systematisch geplant und nicht dem<br />

Zufall <strong>über</strong>lassen wird.<br />

• Nicht zuletzt <strong>die</strong>nt wissenschaftliche <strong>Beobachtung</strong> einem bestimmten Forschungszweck.<br />

„Unter den genannten Bedingungen wissenschaftlichen Arbeitens - sowohl im quantitativen,<br />

wie auch qualitativen Paradigma - können Informationen, <strong>die</strong> <strong>der</strong> Wissenschaftler in seiner<br />

Stu<strong>die</strong> als »Beweismaterial« benötigt, auch durch <strong>Beobachtung</strong> gewonnen werden.“<br />

LAMNEK, 1989, S. 243<br />

Umsetzung <strong>der</strong> Forschungsmethode bei meinen Trekkingreisen<br />

Die folgende Tabelle charakterisiert <strong>die</strong> für meinen Forschungszweck angepasste teilnehmende<br />

<strong>Beobachtung</strong>. Es lässt sich ein Trend in Richtung unstandardisierter, verdeckter und aktiv teilnehmende<br />

<strong>Beobachtung</strong> erkennen. Je<strong>der</strong> <strong>der</strong> Punkte wird im Anschluss genauer beschrieben.<br />

standardisiert (strukturiert) unstandardisiert (unstrukturiert)<br />

offen verdeckt<br />

passiv teilnehmend aktiv teilnehmend<br />

geschlossenes <strong>Beobachtung</strong>sfeld offenes <strong>Beobachtung</strong>sfeld<br />

nie<strong>der</strong>e Komplexität hohe Komplexität<br />

wissenschaftliche Distanz vollständige Identifikation<br />

Abb. <strong>2.</strong> <strong>2.</strong> 3<br />

Schatzl, 2003. [bar_beo.wmf]<br />

Kapitel <strong>2.</strong> 2 - Seite 104


Peter Schatzl, 2004, Diss<br />

Ad strukturiert / unstrukturiert:<br />

Wie bei <strong>der</strong> ersten Klassifikation nach FRIEDRICHS u. LÜDKE (1977) geschehen, lässt sich zwischen<br />

standardisierter und unstandardisierter <strong>Beobachtung</strong> unterscheiden. Der Unterschied zwischen<br />

den beiden ist dabei nicht <strong>der</strong> Grad <strong>der</strong> Wissenschaftlichkeit, son<strong>der</strong>n vielmehr <strong>die</strong> Art des<br />

Vorgehens bzw. <strong>die</strong> Art <strong>der</strong> Differenzierung in <strong>der</strong> <strong>Beobachtung</strong> selbst (vgl. LAMNEK, 1989, S.<br />

244).<br />

Während bei <strong>der</strong> standardisierten Form nach einem differenzierten System im voraus festgelegter<br />

<strong>Beobachtung</strong>skategorien vorgegangen wird, sind für <strong>die</strong> unstandardisierte Form nur allgemeine<br />

Richtlinien, d.h. bestenfalls <strong>die</strong> Hauptkategorien als Rahmen <strong>der</strong> <strong>Beobachtung</strong> vorgegeben. Innerhalb<br />

<strong>die</strong>ses Rahmens versucht sich <strong>der</strong> Forscher flexibel und kreativ auf <strong>die</strong> angetroffenen Individuen<br />

einzustellen.<br />

Der standardisierten <strong>Beobachtung</strong> liegen differenzierte und konkrete Hypothesen zugrunde, während<br />

<strong>die</strong> unstandardisierte <strong>Beobachtung</strong> verstärkt <strong>der</strong> Informationsgewinnung <strong>die</strong>nt, und <strong>die</strong> Kategorien-<br />

und Hypothesenbildung in den Prozess <strong>der</strong> Datenerhebung, o<strong>der</strong> gar erst in <strong>die</strong> Phase <strong>der</strong><br />

Auswertung und Interpretation verschiebt.<br />

Das Vorgehen für mein Forschungsprojekt in Nepal entsprach anfangs eher <strong>der</strong> standardisierten<br />

teilnehmenden <strong>Beobachtung</strong>. Ausgehend von einem persönlichen Interesse und allgemeinen Verständnis<br />

bezüglich „organisiertes Trekking“ und „Nachhaltigkeit im Tourismus“ (zunächst als natur-<br />

und sozialverträgliches Reisen formuliert), war es mein Ziel, vorab von den Reiseveranstaltern<br />

formulierte bzw. beworbene Ansprüche zu definieren, und dann <strong>die</strong> tatsächlichen Handlungen bei<br />

Trekkingreisen zu beobachten und Vergleiche anzustellen. Dafür generierte ich Indikatoren (siehe<br />

Kap. <strong>2.</strong> 3 „Best Practices beim organisierten Trekking - Hauptkategorien und Indikatoren“), <strong>die</strong><br />

mich aber keineswegs zufrieden stellten, da das Gefühl bestehen blieb, we<strong>der</strong> aus eigener Erfahrung<br />

noch aus <strong>der</strong> Literatur genügend zu wissen.<br />

• Ich wollte meinen <strong>Beobachtung</strong>shorizont nicht durch <strong>die</strong>sen (mit <strong>über</strong> 60 Indikatoren relativ<br />

dichten) theoretischen Raster zu sehr einschränken, <strong>der</strong> <strong>die</strong> zu untersuchende Wirklichkeit filterte<br />

und mich bereits bei <strong>der</strong> Wahrnehmung „fertige Pakte“ schnüren ließ.<br />

• Die Indikatoren konnten sich im Verlauf <strong>der</strong> <strong>Beobachtung</strong> als revisionsbedürftig erweisen,<br />

wenn allzu viele Ereignisse sich nicht integrieren ließen o<strong>der</strong> sich sogar zu wi<strong>der</strong>sprechen<br />

schienen. Das bedeutete aber nicht, dass nach einem erneuten Durchgang nunmehr <strong>die</strong> Wirklichkeit<br />

abgebildet werden würde, vielmehr würde ein neuer Entwurf meiner Wirklichkeit erprobt<br />

(vgl. MERKENS, 1989, S. 13).<br />

• Es musste Platz bleiben für nicht erwartete, unvorhergesehene Ereignisse, denn erst <strong>die</strong>ser<br />

hypothetisch nicht eingeplante Informationsgewinn versprach, zu weiter- und tiefergehenden<br />

Erkenntnissen zu gelangen (vgl. LAMNEK, 1989, S. 253).<br />

Diese Überlegungen bewegten mich dazu, das Raster <strong>der</strong> 64 Indikatoren aufzubrechen und zu 12<br />

Hauptkategorien zu aggregieren. Die Indikatoren lenkten meine <strong>Beobachtung</strong>en während meines<br />

Forschungsprojekts auf spezielle Punkte - sie blieben quasi im Hinterkopf - <strong>die</strong> Auswertung und<br />

Generalisierung erfolgte aber nach den Hauptkategorien. Mein Vorgehen bei <strong>der</strong> teilnehmenden<br />

<strong>Beobachtung</strong> wurde dadurch wie<strong>der</strong> zu einem „weniger standardisierten“ und gleichsam hypothesengenerierenden,<br />

als einem standardisierten und hypothesenprüfenden.<br />

Ad offen / verdeckt:<br />

Gegen<strong>über</strong> den deutschsprachigen Reiseveranstaltern bin ich ausdrücklich als Forscher aufgetreten<br />

(=offen). Dies ergab sich aus dem Umstand eines legitimierten Zugangs, Informationen und<br />

somit einen Einblick in <strong>die</strong> Unternehmen bzw. in <strong>die</strong> Branche zu bekommen, auf <strong>die</strong> Kooperation<br />

<strong>der</strong> Reiseveranstalter und ihrer Partneragenturen bauen zu können (und <strong>die</strong> Kosten für das Forschungsprojekt<br />

zu reduzieren).<br />

• Im Frühjahr 2002 wurden <strong>die</strong> Geschäftsführer <strong>der</strong> Reiseveranstalter durch ein persönliches<br />

Schreiben <strong>über</strong> meiner Dissertation informiert.<br />

→ Neben einer kurzen Vorstellung meiner Person und meiner Sichtweise des Höhenbergsteigens<br />

beschrieb ich wichtige Ziele und Fragestellungen meiner Arbeit und bat, mir Einblick in<br />

das Unternehmen zu gewähren, sowie ausgewählte Reisen aus dem Programm des Reiseveranstalters<br />

begleiten zu dürfen.<br />

• Mit meinen Kontaktpersonen bei den Reiseveranstaltern fanden mindestens zwei Treffen vor<br />

meinem Nepalaufenthalt statt.<br />

Kapitel <strong>2.</strong> 2 - Seite 105


Sta<strong>die</strong>n <strong>der</strong> Kontaktaufnahme mit einem<br />

<strong>der</strong> Reiseveranstalter:<br />

1) Antwortschreiben vom Geschäftsführer, Anfang<br />

März 2002:<br />

„Ihr Konzept für Ihre Dissertation und gleichzeitig<br />

freundliche Anfrage, einige unserer Reisen<br />

unter den genannten Gesichtspunkten zu<br />

begleiten, habe ich mit Interesse gelesen und<br />

bedanke mich sehr herzlich dafür.<br />

Sie können sich sicher vorstellen, dass wir<br />

<strong>die</strong>sbezüglich häufig Anfragen bekommen.<br />

Lei<strong>der</strong> gestaltet sich <strong>die</strong> Realisation schwieriger<br />

als es scheint. [...] Außerdem sind <strong>die</strong> anfallenden<br />

Kosten für Flüge etc. nicht unerheblich.<br />

Gerne biete ich Ihnen aber ein persönliches<br />

Gespräch in unserem Hause an. Für eine Terminabsprache<br />

melden sie sich bitte bei meiner<br />

Sekretärin [...]. Wegen eines bevorstehenden<br />

Urlaubs und einiger Dienstreisen wäre für mich<br />

ein Gespräch erst Anfang Juni möglich.“<br />

2) Telefonate, Anfang Juni 2002:<br />

Ich werde mehrmals für ein Treffen auf einen<br />

späteren Zeitpunkt vertröstet (Dienstreise,<br />

Stress wegen Katalogproduktion etc.). Die<br />

Sekretärin sagte mir, sie würde mein Anliegen<br />

nochmals mit dem Geschäftsführer besprechen.<br />

3) Rückruf, Ende Juni 2002:<br />

Schließlich informiert mich <strong>die</strong> Sekretärin dar<strong>über</strong>,<br />

dass keine Zeit bzw. kein Interesse für<br />

mein Anliegen bestünden und daher auch ein<br />

Treffen mit dem Geschäftsführer hinfällig sei!<br />

Ich bestand darauf, mit dem Geschäftsführer<br />

verbunden zu werden, <strong>der</strong> mir dann sinngemäß<br />

folgendes mitteilte: aufgrund seiner langjährigen<br />

Erfahrung und Größe wisse [<strong>der</strong> Reiseveranstalter]<br />

schon was er tue, und so sieht<br />

er keine Verwendung für mich als Wissenschaftler<br />

bzw. als Nicht-Bergführer.<br />

Peter Schatzl, 2004, Diss<br />

→ Meine Kontaktpersonen waren meist einflussreiche<br />

Persönlichkeiten auf <strong>der</strong> mittleren bis oberen<br />

Managementebene des Unternehmens,<br />

<strong>die</strong> Interesse an meiner Stu<strong>die</strong> zeigten, mich mit<br />

Informationen versorgten und bei <strong>der</strong> Organisation<br />

meines Nepalaufenthaltes unterstützten.<br />

→ Bei einem <strong>der</strong> Reiseveranstalter hatte mir <strong>der</strong><br />

Geschäftsführer bereits telefonisch abgesagt.<br />

Der Zugang konnte schließlich <strong>über</strong> einen informellen<br />

Kontakt hergestellt werden - siehe<br />

(vgl. dazu auch <strong>die</strong> Ausführungen zu den<br />

sogenannten „gate keepers“ von ASTER u.<br />

REPP, 1989, S. 124).<br />

• Durch <strong>die</strong> Zustimmung und Vorinformation des<br />

Reiseveranstalters wurde mir auch <strong>der</strong> Kontakt zu<br />

<strong>der</strong> jeweiligen Partneragentur in Kathmandu hergestellt.<br />

→ Mit jedem <strong>der</strong> Geschäftsführer fanden mindestens<br />

zwei Treffen statt.<br />

Abb. <strong>2.</strong> <strong>2.</strong> 4 Interview mit dem „Manager Operation“ einer nepalesischen<br />

Trekkingagentur.<br />

Schatzl, 2003. [interview_pay.jpg]<br />

• Die Reiseveranstalter wussten, dass ich beabsich-<br />

4) Diverse Mails und Telefonate später, Mitte tige, <strong>die</strong> Reisen mehrer Anbietern zu begleiten. Die<br />

September 2002:<br />

Namen <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Veranstalter wurden auf Nach-<br />

Eine informelle Kontaktperson, <strong>die</strong> ich wie<strong>der</strong>frage genannt.<br />

um <strong>über</strong> einen Bekannten kennen lernte, verspricht,<br />

sich für mich nochmals beim Reiseveranstalter<br />

einzusetzen. “Ich denke, du solltest<br />

da mal <strong>die</strong> Hintertür eine Etage unter dem<br />

Geschäftsführer anfragen. Gerne kann ich, so<br />

•<br />

→ Nur eine Kontaktperson äußerte <strong>die</strong>sbezüglich<br />

Bedenken und zeigte sich voreingenommen.<br />

Ich wollte im Verlauf <strong>der</strong> gesamten Reise als „normaler<br />

Teilnehmer“ gehandhabt werden, was Zu-<br />

Interesse, hier als Mittler <strong>die</strong>nen und den Konsendung von Informationen und Unterlagen betrifft<br />

takt herstellen.“<br />

und wollte keine spezielle Behandlung vor Ort.<br />

5) Treffen, Mitte November 2002:<br />

Das erste persönliche Treffen mit <strong>der</strong> Kontaktperson<br />

des Reiseveranstalters findet statt.<br />

• Zusätzlich bewarb ich mich bei allen Veranstaltern<br />

als Reiseleiter, wobei ich von zwei Unternehmen<br />

akzeptiert wurde.<br />

→ Der Reiseveranstalter RVX offerierte mir seine<br />

Aus- und Fortbildungen, sowie <strong>die</strong> Möglichkeit<br />

zwei Trekkings zu führen (bei einer gab es Terminkollisionen, <strong>die</strong> an<strong>der</strong>e kam nicht zustande).<br />

→ Für den Reiseveranstalter RVZ konnte ich schließlich eine Reise führen.<br />

• Die Kosten für <strong>die</strong> Trekkingreisen wurden mit den nepalesischen Partneragenturen abgeklärt<br />

und vor Ort von mir bezahlt; sie entsprachen dem Selbstkostenpreis.<br />

Kapitel <strong>2.</strong> 2 - Seite 106


Peter Schatzl, 2004, Diss<br />

• Die Kooperationen mit allen Veranstaltern wurde bewusst informell gehalten (keine Verträge,<br />

keine Bezahlung), um mich in kein Abhängigkeitsverhältnis zu bringen und nicht Gefahr zu laufen,<br />

<strong>die</strong> Resultate in eine bestimmte Richtung lenken zu müssen. So sah ich mich bei meinem<br />

Projekt nie eingeengt bzw. nie in meiner wissenschaftlichen Freiheit gefährdet.<br />

Gegen<strong>über</strong> dem eigentlichen Forschungsfeld, also <strong>der</strong> Trekkinggruppe in Nepal, habe ich mich<br />

nicht als Beobachter zu erkennen gegeben (=verdeckt). Zwar stellte ich mich als Geographiestudent<br />

vor, <strong>der</strong> seine Abschlussarbeit in Nepal schreibt, jedoch ohne darauf einzugehen, <strong>über</strong> was<br />

genau ich schreiben würde. Eine Information <strong>über</strong> den eigentlichen Untersuchungszweck hätte mit<br />

hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Verfälschung <strong>der</strong> <strong>Beobachtung</strong>ssituation geführt.<br />

Das Nie<strong>der</strong>schreiben <strong>der</strong> <strong>Beobachtung</strong>sergebnisse ist oftmals für <strong>die</strong> Umgebung augenfällig, wurde<br />

aber bei meinem Forschungsprojekt als solches nicht offensichtlich, da das Führen eines<br />

„Reisetagebuches“ bei einer Trekkingreise nichts ungewöhnliches ist. Tatsächlich machten zahlreiche<br />

<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Touristen regelmäßig ihre Notizen.<br />

Meine Rolle bei den Trekkinggruppen von RVX und RVY:<br />

Gegen<strong>über</strong> den Touristen Gegen<strong>über</strong> dem Guide<br />

Ich... Ich...<br />

• bin normaler Teilnehmer, ohne spezielle Auf- • siehe links<br />

gabe in <strong>der</strong> Gruppe.<br />

• bin zum ersten Mal im Khumbu.<br />

*nicht ganz unproblematisch bei <strong>der</strong> Gruppe<br />

RVY<br />

• bin Geographiestudent, <strong>der</strong> seine Abschlussarbeit<br />

<strong>über</strong> Nepal schreibt.<br />

• habe gebucht ab Kathmandu bei <strong>der</strong> Partneragentur<br />

des Reisveranstalters.<br />

• bin so weit wie möglich alpinistisch unauffällig;<br />

aber Offenlegen meiner alpinistischen Qualifi-<br />

kation auf Nachfrage.<br />

• kannte prinzipiell niemanden <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en<br />

Teilnehmer und <strong>der</strong> Begleitmannschaft<br />

*ehemaliger Schulkollege und Arzt bei RVX<br />

Meine Rolle bei <strong>der</strong> Trekkinggruppe von RVZ:<br />

Gegen<strong>über</strong> den Touristen<br />

Ich...<br />

• bin Reiseleiter <strong>der</strong> Gruppe (offenes Aufgabenfeld<br />

während des Trekkings, alpinistische Leitung<br />

bei <strong>der</strong> Besteigung des Island Peak).<br />

• bin seit etwa zwei Monaten im Khumbu; war<br />

zuvor schon mit an<strong>der</strong>en Gruppen unterwegs.<br />

• bin Geographiestudent, <strong>der</strong> seine Abschlussarbeit<br />

<strong>über</strong> Nepal schreibt.<br />

• arbeite als Reiseleiter des Reisveranstalters<br />

RVZ.<br />

• bin staatl. geprüfter Lehrwart Hochalpin.<br />

• kannte prinzipiell niemanden <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en<br />

Teilnehmer und <strong>der</strong> Begleitmannschaft.<br />

* ein Träger war mir von RVX bekannt.<br />

• siehe links<br />

• bin Geographiestudent, <strong>der</strong> seine Abschlussarbeit<br />

<strong>über</strong> organisiertes Trekking schreibt, aus<br />

<strong>die</strong>sem Grund an <strong>die</strong>ser Reise teilnimmt und<br />

großes Interesse an den Abläufen in Organisation<br />

und Durchführung hat.<br />

Dies stimmte den Guide entgegenkommend<br />

und auskunftsbereit; es störte nicht, wenn ich<br />

an Orten auftauchte (Küche, Trägerquartier)<br />

bzw. <strong>über</strong> Themen redete (Finanzen, tourismuskritisch),<br />

<strong>die</strong> sonst für den Großteil <strong>der</strong><br />

Touristen als unüblich gilt.<br />

• habe gebucht ab Kathmandu bei <strong>der</strong> Partneragentur,<br />

nach Rücksprache mit Reisveranstalter.<br />

• siehe links<br />

• siehe links<br />

Abb. <strong>2.</strong> <strong>2.</strong> 5 Reiseleiter und Sirdar.<br />

Schatzl, 2003. [rlz_srz.jpg]<br />

Kapitel <strong>2.</strong> 2 - Seite 107


Peter Schatzl, 2004, Diss<br />

Ad aktiv / passiv teilnehmend:<br />

Da mir durch ein Beobachten von außen (=nicht teilnehmend; z.B. als unabhängiger Trekker, <strong>der</strong><br />

einer organisierten Trekkinggruppe folgt) <strong>der</strong> Zugang zu relevanten Informationen bzw. Situationen<br />

versperrt geblieben wäre, entschied ich mich für eine Rolle innerhalb <strong>der</strong> Trekkinggruppe. Damit<br />

wurde ich selbst Mitwirken<strong>der</strong> bei <strong>der</strong> „Produktion“ <strong>der</strong> Reise (siehe oben) und somit selbst zum<br />

Element des zu beobachtenden Feldes. Verschiedene Grade <strong>der</strong> Partizipation und Mitgestaltung<br />

<strong>der</strong> Reise sind denkbar, mit denen ein bewusster als auch unbewusster Einfluss auf das zu beobachtende<br />

Feld einhergeht. <strong>Teilnehmende</strong> <strong>Beobachtung</strong> setzt einerseits eine Identifikation mit dem<br />

untersuchten Feld voraus, verlangt aber an<strong>der</strong>erseits auch eine gewisse Distanz des Beobachters.<br />

Die Rollendefinitionen für teilnehmende Beobachter empfehlen auf <strong>der</strong> einen Seite eine strategische<br />

Position, <strong>die</strong> einen möglichst unbeschränkten Zugang zu relevanten Situationen garantiert<br />

(LAMNEK, 1989, S. 253), und auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite eine neutrale Position, an <strong>die</strong> keine spezifischen<br />

Erwartungen geknüpft sind („Marginal Man Position“, SCHWARTZ u. JACOBS, 1979, S.<br />

48).<br />

Ich sehe darin einen Wie<strong>der</strong>spruch mit vorprogrammierten Rollenkonflikten, zumal mir strikte Neutralität<br />

we<strong>der</strong> angemessen noch durchhaltbar erscheint, und ten<strong>die</strong>rte bei meinen Reisen eher dazu,<br />

mich bewusst einzubringen, mit <strong>der</strong> Gruppe zu identifizieren, sowie Meinungen und Gefühle zu<br />

zeigen, um eine natürliche und zwanglose Kommunikationssituation herzustellen.<br />

Eine zentrale Rolle hatte ich mit <strong>der</strong> Funktion des Reiseleiters (RLZ) <strong>über</strong>nommen, was mein Verständnis<br />

durch eine neue Perspektive auf das <strong>Beobachtung</strong>sfeld, weitere Einblicke hinter <strong>die</strong> Kulissen<br />

und den damit verbundenen Verantwortungen erheblich erweiterte.<br />

Ad <strong>Beobachtung</strong>sfeld und Komplexität:<br />

Unter dem <strong>Beobachtung</strong>sfeld versteht LEWIN (1963, S. 273) <strong>die</strong> Gesamtheit gleichzeitig bestehen<strong>der</strong><br />

Tatsachen, <strong>die</strong> als gegenseitig voneinan<strong>der</strong> abhängig begriffen werden. Es ist schlicht<br />

auch jener räumliche und soziale Bereich, in dem beobachtet werden soll. <strong>Beobachtung</strong>sfel<strong>der</strong><br />

sind differenzierbar nach Offenheit und Komplexität. Offene Fel<strong>der</strong> haben eine hohe Interdependenz<br />

zu an<strong>der</strong>en Bereichen, was eine Vielzahl interpersoneller und interkultureller Kontakte, sowie<br />

einen hohen Grad räumlicher Verflechtungen impliziert.<br />

Unter <strong>der</strong> Komplexität versteht LAMNEK (1989, S. 265) <strong>die</strong> Möglichkeit verschiedener Situationen,<br />

sowie <strong>die</strong> Zahl <strong>der</strong> im <strong>Beobachtung</strong>sfeld agierenden Personen.<br />

Im Rahmen <strong>der</strong> Vorbereitungen für mein Forschungsprojekt versuchte ich mir das notwendige theoretische<br />

Vorverständnis bzw. Vorwissen <strong>über</strong> das <strong>Beobachtung</strong>sfeld (auf dessen Bedeutung<br />

schon weiter oben hingewiesen wurde) anzueignen. Aus <strong>die</strong>sem Arbeitsschritt heraus erklärt sich<br />

meine intensive Beschäftigung mit den Akteuren und Beziehungen beim Trekking auf <strong>der</strong> Mesoebene<br />

(siehe Kap. 1. 5 „Anwendung des Sensitivitätsmodells auf das System Trekking“) und Mirkoebene<br />

(siehe Kap. 1. 6 „Beziehungen innerhalb <strong>der</strong> Trekkingmannschaft“). Auch wenn <strong>die</strong> Aussagen<br />

und Erkenntnisse aus den beiden genannten Kapiteln - z.B. <strong>die</strong> Teilszenarien zum System<br />

Trekking, o<strong>der</strong> <strong>die</strong> Hierarchien in <strong>der</strong> Trekkingmannschaft - zunächst als zeitaufwändig und marginal<br />

erschienen („No-Na-Erkenntnisse“), so verschafften sie mir eine breite Ausgangsbasis und ein<br />

implizites Verständnis für <strong>die</strong> Vorgänge im Feld.<br />

Zusammenfassend lässt sich das <strong>Beobachtung</strong>sfeld für mein Forschungsprojekt eher als offenes<br />

Feld mit einem höheren Grad an Komplexität beschreiben.<br />

Ad Distanz / Identifikation:<br />

„Die teilnehmende <strong>Beobachtung</strong> scheint nun eine <strong>Methode</strong> zu sein, <strong>die</strong> in hervorragen<strong>der</strong><br />

Weise gewährleistet, den Forscher aus seiner Wirklichkeit herauszuheben und seinem Gegenstand<br />

beson<strong>der</strong>s nahe zu bringen, weil sich <strong>der</strong> Forscher in das Untersuchungsfeld begibt<br />

und dort an den Alltagshandlungen partizipiert.“<br />

LAMNEK, 1989, S. 306<br />

LAMNEK (1989, S. 305ff) beschreibt das Dilemma von Distanz und Identifikation, welches sich bei<br />

<strong>der</strong> teilnehmenden <strong>Beobachtung</strong> daraus ergibt, dass sich <strong>der</strong> Beobachter entwe<strong>der</strong> zu weit vom<br />

Forschungsobjekt distanziert hält, o<strong>der</strong> sich zu sehr damit identifiziert und in seiner Rolle als Teilnehmer<br />

vollständig aufgeht.<br />

Kapitel <strong>2.</strong> 2 - Seite 108


Peter Schatzl, 2004, Diss<br />

Die Distanz verkörpert das Element <strong>der</strong> <strong>Beobachtung</strong>, <strong>der</strong> Überprüfbarkeit: Sie birgt <strong>die</strong> Gefahr,<br />

dass sich <strong>der</strong> Forscher durch seine eigenen theoretischen Kategorien den Zugang zum <strong>Beobachtung</strong>sfeld<br />

versperrt und dem eigentlichen Verständnis entzieht.<br />

Ist <strong>der</strong> Forscher zu sehr distanziert, wird er seinem Forschungsobjekt nicht gerecht und seine<br />

Ergebnisse sind oberflächlich.<br />

Die goldene Mitte: Kritische Distanz und ausreichende Identifikation.<br />

Die Identifikation verkörpert das Element <strong>der</strong> Teilnahme, des Verstehens: Sie birgt <strong>die</strong> Gefahr<br />

<strong>der</strong> Rollenumarmung und Patronisierung des <strong>Beobachtung</strong>sfeldes, was eine Rückkehr zur eigenen<br />

wissenschaftlichen Arbeit sehr schwer bis unmöglich macht („going native“).<br />

Identifiziert sich <strong>der</strong> Forscher zu sehr, entsprechen seine Befunde zwar <strong>der</strong> untersuchten Welt,<br />

allerdings reduziert sich sein Vermögen <strong>der</strong> Mitteilung und Vermittlung.<br />

Ich denke, dass ich bei meinem Forschungsprojekt <strong>die</strong>sen Gegen-<br />

satz entsprechend ausgleichen konnte, zumal sich <strong>die</strong> Gruppen bzw.<br />

<strong>die</strong> Reiseveranstalter abwechselten, dazwischen bzw. danach aus-<br />

reichend Pause zur Reflexion blieb und ich in Freunden, sowie an<strong>der</strong>-<br />

en unbeteiligten Trekkern willkommene Partner für „Aussprachen“<br />

fand.<br />

Das Kommunizieren von Schwierigkeiten und Problemen ermöglicht<br />

es <strong>über</strong>haupt erst, <strong>die</strong> Diskrepanz zwischen eigener Vorstellung und<br />

<strong>der</strong> tatsächlich existierenden Situation zu realisieren und so vielleicht<br />

seine Umwelt besser zu begreifen und wirklich teilnehmend beo-<br />

bachten zu können (LAMNEK, 1989, S. 256).<br />

Debriefing: methodisches<br />

Verfahren um das „going native“<br />

eines Forschers zu vermeiden.<br />

Dabei wird <strong>der</strong> Forscher<br />

selbst als Informant betrachtet<br />

und von am Projekt<br />

nicht beteiligten Forschern<br />

regelmäßig interviewt<br />

(LEXIKON DER GEO-<br />

GRAPHIE, 2002).<br />

Meine persönlichen Erfahrungen mit <strong>der</strong> Forschungsmethode<br />

„Das Selbstverständnis des Wissenschaftlers, respektive Beobachters, nach dem er sich als<br />

Forscher, Aufklärer o<strong>der</strong> Helfer verstehen kann, bleibt nicht ohne Auswirkung auf <strong>die</strong> Art <strong>der</strong><br />

Daten, <strong>die</strong> er erhebt, auf <strong>die</strong> Art, wie er sie erhebt und interpretiert, und schließlich darauf, in<br />

welcher Art Text seine Arbeit ihren Nie<strong>der</strong>schlag findet.“<br />

ASTER u. REPP, 1989, S. 128<br />

• Vorab war es nicht immer einfach, den Reiseveranstaltern das Thema „Nachhaltigkeit bei organisierten<br />

Trekkingreisen“ und <strong>die</strong> Idee, <strong>die</strong>s durch <strong>die</strong> „Teilnahme an ausgewählten Reisen<br />

nachzuvollziehen“ plausibel zu machen.<br />

→ Abgesehen vom allgemeinen Verständnisproblem, waren mit meinem Forschungsprojekt<br />

mit Sicherheit auch Befürchtungen und Erwartungen bzgl. <strong>der</strong> Ergebnisse und <strong>der</strong>en Verwertbarkeit<br />

verknüpft, sowie ein antizipierter zusätzlicher Arbeits- und Zeitaufwand.<br />

• Die nächste Hürde war eine gewisse Unsicherheit bzgl. des Zustandekommens <strong>der</strong> Teilnehmerzahlen,<br />

und somit <strong>der</strong> Reisen, und <strong>die</strong> terminliche Koordination mit Reisen an<strong>der</strong>er Veranstalter.<br />

• Auch <strong>die</strong> Finanzierung des Projekts gestaltete sich schwierig: es galt, das Projekt lange im<br />

Voraus mit noch zahlreichen Unsicherheiten, aber dennoch glaubwürdig, einzureichen.<br />

→ Rückhalt und Bestätigung fand ich da in meinen beiden Betreuern, sowie im Vertrauen und<br />

Entgegenkommen des Büros für Außenbeziehungen <strong>der</strong> Universität.<br />

• Indem meine <strong>Beobachtung</strong>en in Nepal stattfanden, ergaben sich sprachliche und kulturelle<br />

Hürden durch das Aufeinan<strong>der</strong>treffen zweier Kulturen.<br />

→ Ich musste mich mit den Wahrnehmungsmustern, den Lebensstilen und Wertesystemen<br />

<strong>der</strong> eigenen und <strong>der</strong> fremden Kultur auseinan<strong>der</strong>setzen (teilnehmenden <strong>Beobachtung</strong> ist<br />

generell im eigenen Kulturkreis einfacher), sowie <strong>über</strong> meine Offenheit und Kommunikationsfähigkeit<br />

mit an<strong>der</strong>en Menschen reflektieren.<br />

→ Ich wurde mir bewusst, selbst nicht als neutraler Vertreter einer <strong>der</strong> beiden Kulturen zu agieren.<br />

Kapitel <strong>2.</strong> 2 - Seite 109


Peter Schatzl, 2004, Diss<br />

• Durch <strong>die</strong> wechselnden Reiseveranstalter und Trekkinggruppen musste ich mich immer wie<strong>der</strong><br />

auf neue Bezugspersonen und<br />

Teilnehmer einstellen. Dies impliziert:<br />

→ Empathie, Geduld und Toleranz,<br />

Achtung vor <strong>der</strong> Tätigkeit<br />

und den zu untersuchenden<br />

Personen.<br />

→ Das Kennenlernen und Verabschieden<br />

von Freunden.<br />

→ Persönliche Stabilität trotz sich<br />

än<strong>der</strong>n<strong>der</strong> Rollen bzw. Arbeitsgeber.<br />

• Als Beobachter sollte man sich<br />

selbst als Person zurücknehmen,<br />

was aber nicht heißt, dass man<br />

sich vollständig aus allen Vorgängen<br />

und Beziehungen heraushalten<br />

muss.<br />

→ Manchmal war es sinnvoller zu<br />

schweigen, auch wenn ich etwas<br />

zu sagen gehabt hätte.<br />

→ Sich aufbauende Spannungs-<br />

Melo<strong>die</strong>n<br />

Verse<br />

Rezepte<br />

Speisen<br />

Souvenirs<br />

bögen in <strong>der</strong> Gruppe mitbekommen und zuwarten.<br />

→ In Fehlverhalten zunächst nicht eingreifen, aber auch helfend intervenieren.<br />

→ Etwas sich entwickeln lassen, meine Erkenntnisse stellten sich allmählich im Laufe <strong>der</strong> gesamten<br />

Reise ein und manchmal erst gegen Ende <strong>der</strong> Reise, o<strong>der</strong> gar am letzten Tag.<br />

• Ich wollte wissbegierig sein, aber nicht aufdringlich wirken.<br />

→ Offene Kommunikationssituationen nutzen und Zuhören können.<br />

→ Schon <strong>die</strong> bloße Anwesenheit kann ein Ge-<br />

spräch unterbrechen o<strong>der</strong> verfälschen.<br />

→ Nicht in Anwesenheit <strong>der</strong> gesamten Gruppe<br />

heikle Punkte diskutieren (<strong>die</strong> meisten Personen<br />

sind im Vieraugengespräch authentischer).<br />

→ An gewisse Leute kommt man nur schwer heran,<br />

an<strong>der</strong>e schütten einem am ersten Tag ihr<br />

Herz aus.<br />

• Ich wollte wie im Urlaub wirken, aber ständig konzentriert<br />

sein.<br />

→ Dennoch kann es nicht gelingen, <strong>über</strong>all dabei<br />

zu sein und alles mitzubekommen.<br />

• Es galt, eine Fülle von Eindrücken zu verarbeiten<br />

und sich davon nicht blockieren zu lassen.<br />

→ Ich versuchte mich mit Freunden, aber auch<br />

unbeteiligten Fremden auszusprechen (siehe<br />

oben).<br />

→ Ich suchte bewusst zwischendurch Freiräume<br />

(z.B. alleine gehen, Einzelzimmer, wo an<strong>der</strong>s<br />

einkehren).<br />

• Festhalten des Beobachteten als Gedächtnisprotokoll.<br />

→ Da dem Erinnerungsvermögen Grenzen gesetzt<br />

sind und mit zunehmen<strong>der</strong> Zeit <strong>die</strong> behaltenen<br />

Inhalte geringer werden, tat ich das möglichst<br />

noch am selben Tag.<br />

→ Ich protokollierte, wenn ich möglichst alleine<br />

Was <strong>der</strong> Beobachter aus dem Feld mitbringt:<br />

eigenes<br />

Tagebuch<br />

Erinnerungen an<br />

Ereignisse<br />

Stimmungen<br />

Fotos<br />

Abb. <strong>2.</strong> <strong>2.</strong> 6 Der Beobachter bringt nicht nur zurück, was er ergreifen konnte,<br />

son<strong>der</strong>n auch, was ihn ergriffen hat. Schatzl, 2003. [korb.wmf]<br />

Notizen an mich...<br />

„Alfred neben mir bekommt schon Stielaugen -<br />

was hat er gelesen?“<br />

„Ich muss gegen<strong>über</strong> an<strong>der</strong>en Trekkern, mit<br />

denen ich mich so unterhalte, Stillschweigen<br />

bewahren. Dass da jemand PhD <strong>über</strong> Trekking<br />

schreibt, macht schneller <strong>die</strong> Runde, als ich<br />

dachte.“<br />

„Super Peter, jetzt sitzt du allein am Hang und<br />

kriegst von dem, was <strong>der</strong> Gruppe am Gegenhang<br />

erklärt wird, nichts mit...“<br />

„Ich bin hin und her gerissen von einer guten<br />

Idee, aber einer hinkenden Umsetzung... einer<br />

snobistischen Reiseform, o<strong>der</strong> einem gut organisierten<br />

Besuch.“<br />

„Ich habe gerade bemerkt, dass ich noch keine<br />

Bergschuhe anhabe.“<br />

Alle organisatorischen Fragen sind geklärt, <strong>die</strong><br />

Gruppe ist abmarschbereit, nur <strong>der</strong> Reiseleiter...<br />

„Aber <strong>die</strong> richtigen Antworten hat er gekannt.“<br />

Erkenntnis aus einem Interview mit einem<br />

Lodgebesitzer in Kumjung, <strong>der</strong> mir „das Blaue<br />

vom Himmel“ erzählt.<br />

aus meinem Feldbuch<br />

Notizen<br />

Protokolle<br />

Sprachkenntnisse<br />

Diskussionen<br />

Gespräche<br />

Interviews<br />

Erinnerungen an<br />

Routinen<br />

Handlungsregeln<br />

Erfahrung<br />

Mitspielkompetenz<br />

bewusst / unbewusst<br />

Kapitel <strong>2.</strong> 2 - Seite 110


Peter Schatzl, 2004, Diss<br />

war z.B. abends im Schlafsack.<br />

→ Hierbei befolgte ich spezieller Transkriptionsregeln (wörtliche und sinngemäße Wie<strong>der</strong>gabe<br />

von Aussagen, Beschreibung von Handlungen und nonverbalen Reaktionen, eigene Deutungen<br />

und Gedanken).<br />

• Drei Trekkingtouren in <strong>die</strong>selbe Region haben sich im Sinne <strong>der</strong> Komplexitätsreduktion und<br />

Standardisierung als richtig erwiesen.<br />

→ Indem mir das Khumbugebiet schon vertraut war, konnte ich mich besser auf <strong>die</strong> Trekkinggruppe<br />

konzentrieren.<br />

→ Dennoch gab es für mich immer wie<strong>der</strong> was Neues zu sehen.<br />

• Teilnehmend Beobachten ist physisch und psychisch anstrengend.<br />

→ Gerade <strong>die</strong> gesundheitliche Herausfor<strong>der</strong>ung habe ich unterschätzt.<br />

→ Die Messung <strong>der</strong> Ruheherzfrequenz war ein wichtiger Indikator für mich, um <strong>die</strong> Signale<br />

meines Körpers wahrzunehmen.<br />

• Nach Abschluss <strong>der</strong> einzelnen Trekkingreisen bzw. des gesamten Projekts versuchte ich mit<br />

den Beteiligten in Kontakt zu bleiben.<br />

→ Adressen austauschen, z.B. um zu gewissen Themen nachfragen zu können.<br />

→ Um auch umgekehrt für <strong>die</strong> Betroffenen erreichbar zu sein.<br />

Auswertung und Analyse <strong>der</strong> <strong>Beobachtung</strong>sdaten<br />

Zu einem wesentlichen Gütekriterium wissenschaftlicher <strong>Beobachtung</strong> zählt, im Sinne des methodischen<br />

Prinzips <strong>der</strong> Explikation, dass <strong>die</strong> Einzelschritte <strong>der</strong> Untersuchung, sowie <strong>die</strong> Prämissen<br />

des Interpretierens sichtbar gemacht und für den Leser nachvollziehbar dargestellt werden (vgl.<br />

ASTER u. REPP, 1989; LAMNEK, 1989). Auch hier gestattet <strong>die</strong> teilnehmende <strong>Beobachtung</strong> eine<br />

gewisse Flexibilität und ermöglicht es, eine dem jeweiligen Projekt an Thema und Erhebungsmethode<br />

orientierte Auswertungsmethode „auf den Leib zu schnei<strong>der</strong>n“ (LAMNEK, 1989, S. 111).<br />

Selbst wenn man <strong>über</strong> längere Zeit mit Personen im Feld interagiert hat, erfor<strong>der</strong>t bereits das Protokollieren,<br />

mehr aber noch das Interpretieren Distanz. Der Wissenschaftler muss zurückkehren in<br />

seine Welt - seine Forscheridentität gewinnt wie<strong>der</strong> Überhand.<br />

Die nachfolgenden Schritte <strong>der</strong> Auswertung und Analyse <strong>der</strong> <strong>Beobachtung</strong>sdaten orientieren sich<br />

an einem interpretativ-reduktiven Vorgehen, wie bei LAMNEK (1989, S. 104ff) beschrieben:<br />

1. Transkription aus dem Feldbuch:<br />

Sämtliche Aufzeichnungen im Feldbuch werden unverän<strong>der</strong>t abgetippt und somit in eine lesbare<br />

Form gebracht. Dabei sind <strong>die</strong> oben erwähnten Transkriptionsregeln zu beachten, auch<br />

werden entsprechende Informationen anonymisiert.<br />

<strong>2.</strong> Analyse einzelner Einheiten:<br />

Es folgt eine Konzentration des Materials, indem bei den einzelnen <strong>Beobachtung</strong>seinheiten (ob<br />

Gespräche, Handlungen etc.) Nebensächlichkeiten aus den Abschriften entfernt, <strong>die</strong> zentralen<br />

Passagen dagegen dem Transkript entnommen werden. Diese werden kommentiert und bewusst<br />

wertend in <strong>die</strong> Hauptkategorien integriert, <strong>die</strong> mit je<strong>der</strong> neuen Einheit sukzessive anwachsen.<br />

In <strong>die</strong>sem Stadium entsprechen sie einer Sammlung von Beson<strong>der</strong>heiten (LAMNEK,<br />

1989, S. 105) bzw. Merkwürdigkeiten (JOHODA, DEUTSCH u. COOK, 1966, S. 77), o<strong>der</strong> „Geschichten“,<br />

wie ich sie nannte.<br />

3. Generalisierende Analyse:<br />

In Form einer Zusammenschau werden aus mehreren Einheiten Gemeinsamkeiten, aber auch<br />

Differenzen herausgearbeitet. Dies stellt gleichzeitig den Versuch einer Lösung von den einzelnen<br />

Fällen dar, mit dem Ziel, Tendenzen bzw. verschiedene Typen (typische Handlungsweisen<br />

und Meinungen) herauszuarbeiten, aus denen Hypothesen abgeleitet werden können.<br />

Der Bezug zu den konkreten Einzelfällen aber bleibt bestehen.<br />

Die Generalisierung <strong>der</strong> Ergebnisse soll <strong>über</strong> das Typische, <strong>über</strong> Repräsentanz und nicht <strong>über</strong><br />

statistische Repräsentativität erreicht werden (LAMNEK, 1989, S. 115).<br />

4. Kontrollphase:<br />

Da <strong>die</strong> Auswertung <strong>der</strong> <strong>Beobachtung</strong>sdaten als reduktiv angelegt war, also das Material laufend<br />

verringert wurde, sind Fehlinterpretationen nicht auszuschließen. Deshalb empfiehlt sich<br />

eine Kontrollphase, <strong>die</strong> als Selbst- und / o<strong>der</strong> Fremdkontrolle durchgeführt werden kann.<br />

Kapitel <strong>2.</strong> 2 - Seite 111

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!