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11/12 - Verein österreichischer Gießereifachleute

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HEFT <strong>11</strong>/<strong>12</strong> GIESSEREI-RUNDSCHAU 58 (20<strong>11</strong>)<br />

Bild 2: Darstellung der<br />

Presse mit den blau<br />

markierten Struktur -<br />

elementen, die in GJS<br />

hergestellt wurden.<br />

der Antransport der Bauteile zur<br />

Montage nur per Schiff über die großen<br />

Seen erfolgen konnte, die im<br />

Winter nicht zu befahren sind.<br />

Projektierung und Auslegung erfolgten<br />

nach modernsten Gesichtspunkten<br />

bei der Siempelkamp Maschinen-<br />

und Anlagenbau GmbH &<br />

Co. KG. Daraus ergaben sich 14<br />

Strukturelemente (Bild 2), die in der<br />

Siempelkamp Giesserei GmbH aus<br />

Gusseisen mit Kugelgraphit zu fertigen<br />

waren. Zehn dieser Bauteile hatten<br />

jeweils Stückgewichte von 200<br />

bis 260 t. Darunter waren auch die<br />

zwei Oberholme mit einer Flüssigeisenmenge<br />

von je rund 283 t, die am<br />

8.Juli 2010 einen neuen Weltrekord<br />

für Sphärogussteile markierten. Anhand<br />

deren Werdegangs soll der Ablauf<br />

in der Herstellung von solchen<br />

Großgussteilen erläutert werden.<br />

Die Herstellung des Großgusses<br />

Die Arbeit der Gießerei beginnt bei so groß dimensionierten Teilen<br />

bereits in der Konstruktionsphase. Gemeinsam mit den<br />

Fachleuten des Maschinen- und Anlagenbaus wurden die Bauteilgeometrien<br />

anhand von Formfüllungs-, Erstarrungs- und Eigenspannungssimulationen<br />

angepasst und optimiert. Mit der<br />

Festlegung der endgültigen Bauteilform begann die Qualitätsplanung<br />

mittels FMEA (Fehler-Möglichkeits- und Einflussanalyse).<br />

Die vorausschauende Betrachtung von Störgrößen ist bei<br />

dieser Größenordnung von Bauteilen einerseits wirtschaftlich<br />

von besonders hoher Bedeutung, aber auch bezüglich des schon<br />

erwähnten, engen Zeitplans ein absolutes Muss, um Verzögerungen<br />

von vornherein zu verhindern. Dabei ist eine frühzeitige<br />

Einbindung der im Produktentstehungsprozess beteiligten Mitarbeiter<br />

mit ihrem jeweiligen speziellen Know-how und Ihrer<br />

Erfahrung wichtig. Produktionslenkungs- und Prüfpläne sollen<br />

einen reibungslosen Ablauf der Fertigung sicherstellen.<br />

Die Modelleinrichtungen für so ein Großgussteil sind natürlich<br />

ebenso von rekordverdächtigen Abmaßen und benötigten<br />

nach dem Abguss ein Lagervolumen von ca. 250 m 3 . Die Zeit für<br />

den Modellbau betrug rund 2.200 Mannstunden. Die Modellkontrolle<br />

benötigte weitere 170 Stunden.<br />

Die Herstellung des Großgusses in diesen Dimensionen verlangt<br />

natürlich auch entsprechend stabile und maßgenaue<br />

Formen. Der Formstoff muss bei den zu vergießenden Schmelzemengen<br />

höchsten metallostatischen Drücken sowie dem<br />

enormen Auftrieb standhalten. Um die Maßgenauigkeit zu gewährleisten,<br />

wurden die Formbetten und Kernlagen mittels Laser<br />

eingemessen. Wichtigste Basis für einen gelungen Form-<br />

Bild 4: Abguss von 283 t Schmelze gleichzeitig aus 5 Pfannen<br />

prozess ist aber schließlich die Erfahrung des Formers in der<br />

Grube, der seine Tätigkeit anhand von Zeichnungen immer<br />

wieder selbst überprüft (Bild 3). Insgesamt wurden für den<br />

Oberholm 215.000 dm 3 Formsand und 105.000 dm 3 Kernsand<br />

verwendet.<br />

Das Herzstück des Gießprozesses bildet wohl die Schmelzebereitung<br />

und Metallurgie. Im Vorfeld wurde die Zusammensetzung<br />

des Eisens detailgenau, auf Wandstärke und Erstarrungszeit<br />

des Gussteils abgestimmt, festgelegt. Der Schmelzprozess<br />

selbst barg eine große logistische Herausforderung. So<br />

mussten zum Abguss 283 t Flüssigeisen identer chemischer Zusammensetzung,<br />

Temperatur und in derselben metallurgischen<br />

Qualität magnesiumbehandelt bereitstehen. Die gesamte Ofenkapazität<br />

der Siempelkamp Giesserei beträgt „lediglich“ 150 t.<br />

Daher wurde über ein ausgeklügeltes Logistiksystem mit mehreren<br />

Pfannen das Eisen innerhalb von 24 Stunden erschmolzen,<br />

warmgehalten, gemischt und wieder aufgewärmt. Am Ende<br />

dieses Prozesses stand die benötigte Schmelze mit rund 1350 °C<br />

in fünf Gießpfannen rund um die Form bereit und wurde in weniger<br />

als <strong>12</strong>0 s vergossen (Bild 4).<br />

Rund vier Wochen später, nachdem mit diesem Abguss am<br />

8. Juli 2010 ein neuer Weltrekord für Gussteile aus Sphäroguss<br />

markiert worden war, konnte das Teil aus der Grube gehoben<br />

werden. Bei dem Gewicht von über 280 t waren weitere logistische<br />

Meisterleistungen zu vollbringen. So mussten zusätzliche<br />

mobile Kräne und Transportwagen für den innerbetrieblichen<br />

Transport bereitgestellt werden.<br />

Die Bauteilqualität in allen Komponenten dieses Projekts<br />

wurde selbstverständlich sowohl zerstörend als auch zerstörungsfrei<br />

nachgewiesen (Bild 5). In allen Bauteilen wurden mechanische<br />

Kennwerte über die Oberflächenhärte, die statischen<br />

mechanischen Kennwerte aus dem Zugversuch als auch Kerbschlagwerte<br />

(informativ) nachgewiesen. Dabei wurden die Zug -<br />

stäbe aus Angussproben als auch aus Hohlbohrproben entnommen.<br />

Zusätzlich wurden die chemische Zusammensetzung und<br />

das Gefüge am Schliff beurteilt. Bei der Volumenprüfung mit-<br />

Bild 3: Kleine Korrekturen der Form durch die Mitarbeiter<br />

Bild 5: Prüfung des Bauteils<br />

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