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190 § 20. Adela als Heilige. Das Frauenkloster der Adela war sicher - neben einer Stätte des Gebetes und kontemplativen Lebens - auch eine "Erziehungs- und Ausbildungs-Anstalt" für Mädchen und junge Frauen (und nicht etwa nur eine Versorgungsstelle für Nichtverheiratete und-Witwen). Für das Kanonikerstift wird man das so nicht sagen können. Die wohl seit Beginn bestehende und vom Scholaster geleitete "Scholasteria" war gewiß keine nur dem unmittelbar innerstiftischen Bedarf dienende Ausbildungsstelle für Chorknaben ("Meßdiener") und namentlich von Kanonikern, Vikaren und Altaristen (als Vorbereitung zum Empfang der Weihen, für die der Scholaster die Atteste als Ausbildungs- bzw. Prüfungszeugnisse auszustellen hatte). Sie stand gewiß - so wie es in der Konkurrenz zu der dann im 18. Jahrhundert von der Gemeinde Pfalzel unterhaltenen Pfarreischule überliefert ist - auch schon im Mittelalter den Knaben (und zumindest im 18. Jahrhundert nachweislich auch den Mädchen) der Nachbargemeinden offen. Die "Glaubenslehre" mag dabei formal der Ansatz gewesen sein, aber es wurden sicher auch Lesen, Schreiben und Rechnen sowie Grundkenntnisse des Lateinischen unterrichtet. Dieser "bildungspolitische" Beitrag gerade der kleineren Stifte und Klöster "auf dem Land" wird meist - auch als Teil eines "geistigen Lebens" - übersehen. § 20. Adela als Heilige Adela (auch Adula) wurde um 660/675 als Tochter einer der in Ansehen und Besitz herausragenden und wahrscheinlich den frühen Karolingern (Pippiniden) auch verwandtschaftlich verbundenen Familien des Raumes zwischen Maas, Rhein und Mosel mit Schwerpunkt in Eifel und Ardennen geboren. Sie war mit dem vir in/uster Odo verheiratet und hatte mehrere Kinder, darunter den Sohn Alberich. Ein Sohn dieses Alberich ist Gregor, seit 721 Schüler und Gefährte des Winfried-Bonifatius, gestorben 775/78 als Abt von St. Martin in Utrecht. Ein Enkel des genannten Alberich, ebenfalls mit Namen Alberich, war nach 777 - ca 784 erster Bischof von Utrecht. Adela gründete um 700, nach dem Tod ihres Ehemannes, in dem in der römischen Bausubstanz weitgehend erhaltenen Palatiolum (vgl. § 3, Abschn. A 2), das sie mit einer ausgedehnten Grundherrschaft von Pippin 11. erworben hatte, wohl als Witwensitz ein Frauenkloster, das - vermutlich über Echternach - in guten Kontakten zur angelsächsischen Mission stand. Ein Besuch des Winfried-Bonifatius ist zu 721 bezeugt. Aber auch an die Parallelität zur Gründung des Frauenklosters St. Maria im Kapitol in Köln durch Adelas Schwester Plektrud, der Ehefrau Pippins (s. u.), ist hinzuweisen. Adela starb um 735 und wurde in der Klosterkirche zu Pfalzel begraben.
§ 20. Adela als Heilige. 191 Die mit Eifer kontrovers diskutierten Fragen um Herkunft und Verwandtschaft Adelas, namentlich zu Irmina, der Äbtissin von Ören/Trier und Förderin von Echternach, sowie zu Plektrud, der Gemahlin Pippins II., sollen hier nicht erörtert werden. Schlüssige Beweise gibt es nicht, weshalb darauf verzichtet werden kann und muß, Kombinationen und Mutmaßungen zu referieren oder gar um Varianten zu vermehren. Als Arbeitsgrundlage mag hier gelten, daß Irmina und deren Gemahl Hugobert vier Töchter hatten, nämlich die genannten Plektrud und Adela sowie Regentrud und Chrodelind. Aus der umfangreichen Literatur seien genannt: Karl August Eckhard t, Merowingerblut. 1: Die Karolinger und ihre Frauen (Germanenrechte NF, Deutschrechtliches Archiv 10 und 11. 1965). Behandelt S. 111-157 Irmina, Adela, Regintrud, Adelas Deszendens. - Eugen Ewig, Trier im Merowingerreich. 1954 (auch TrierZs 21. 1952). Verwiesen sei insbesondere auf die Beobachtungen S. 136-139 zur Schwester Adelas Chrodelind, die in späteren Untersuchungen meist übersehen sind. - Matthias Werner, Adelsfamilien im Umkreis der frühen Karolinger. Die Verwandtschaft Irminas von Ören und Adelas von Pfalzel (VortrForschungen, Sonderbd 28. 1982). - Nancy Ga u thier, L'evangelisation des pays de la Moselle. La province Romaine de Premiere Belgique entre antiquite et moyen-age (Ille - VIIIe siede). Paris 1980. Zu Adela und Pfalzel insbesondere S. 328-335. - Eduard Hlawitschka, Zu den Grundlagen des Aufstiegs der Karolingrr. Beschäftigung mit zwei Büchern von Matthias Werner (Rhein VjBll 49.1985 S. 1-61; mit Nachweis vorangehender Literatur). - Hans Hubert Anton, Klosterwesen und Adel im Raum von Mosel, Saar und Sauer in merowingischer und frühkarolingischer Zeit (Willibrord. Apostel der Niederlande, Gründer der Abtei Echternach. Gedenkgabe ... hrsg. von Georges Kissel und Jean Schroeder. Luxemburg 1989, 2. Auf!. 1990, S. 96-124). - S. Anton in: ReallexAltertumskde 23. 2003 S. 1. Für die hier im Vordergrund der Überlegungen stehende Geschichte des Kanonikerstiftes Pfalzel ist von Interesse, daß sehr wahrscheinlich im Zusammenhang mit dem Protest gegen die Vertreibung der Nonnen aus Pfalzel durch Erzbischof Poppo 1016 auch das historische Bild der Grunderin dieses Frauenklosters mit dem Ziel einer Aufwertung neu reflektiert wurde. Jedenfalls ist der wohl im Kontext dieser Kontroverse entstandene Libellus de rebus Trevirensibus der Ausgangspunkt für die "Identifizierung" Adelas als Tochter König Dagoberts und erst mit dieser Zuordnung für deren religiös-kirchliche Einreihung in den Kreis der (trierischen) Heiligen. Das Bruchstück einer verlorenen Kalksteinplatte (vgl. § 3 Absch. A 3b) könnte Teil einer Grabtafel sein, die in diesem Zusammenhang um 1016 nach einer Öffnung des ursprünglichen Grabes sowie der Erhebung und Übertragung der Gebeine Adelas in ein Hochgrab angefertigt wurde. Es mag sein, daß um die Jahrtausendwende aber schon eine ältere Tradition bestand, nach der Adela nicht eine Schwester, sondern eine Tochter Irminas von Ören (und deren Ehemann Hugobert) war, die über den Libellus hinaus
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§ 20. Adela als Heilige. 191<br />
Die mit Eifer kontrovers diskutierten Fragen um Herkunft und Verwandtschaft<br />
Adelas, namentlich zu Irmina, der Äbtissin von Ören/Trier und Förderin<br />
von Echternach, sowie zu Plektrud, der Gemahlin Pippins II., sollen hier<br />
nicht erörtert werden. Schlüssige Beweise gibt es nicht, weshalb darauf verzichtet<br />
werden kann und muß, Kombinationen und Mutmaßungen zu referieren<br />
oder gar um Varianten zu vermehren. Als Arbeitsgrundlage mag hier gelten,<br />
daß Irmina und deren Gemahl Hugobert vier Töchter hatten, nämlich die<br />
genannten Plektrud und Adela sowie Regentrud und Chrodelind.<br />
Aus der umfangreichen Literatur seien genannt:<br />
Karl August Eckhard t, Merowingerblut. 1: Die Karolinger und ihre Frauen (Germanenrechte<br />
NF, Deutschrechtliches Archiv 10 und 11. 1965). Behandelt<br />
S. 111-157 Irmina, Adela, Regintrud, Adelas Deszendens. - Eugen Ewig, Trier im<br />
Merowingerreich. 1954 (auch TrierZs 21. 1952). Verwiesen sei insbesondere auf die<br />
Beobachtungen S. 136-139 zur Schwester Adelas Chrodelind, die in späteren Untersuchungen<br />
meist übersehen sind. - Matthias Werner, Adelsfamilien im Umkreis<br />
der frühen Karolinger. Die Verwandtschaft Irminas von Ören und Adelas von<br />
Pfalzel (VortrForschungen, Sonderbd 28. 1982). - Nancy Ga u thier, L'evangelisation<br />
des pays de la Moselle. La province Romaine de Premiere Belgique entre antiquite<br />
et moyen-age (Ille - VIIIe siede). Paris 1980. Zu Adela und Pfalzel insbesondere<br />
S. 328-335. - Eduard Hlawitschka, Zu den Grundlagen des Aufstiegs<br />
der Karolingrr. Beschäftigung mit zwei Büchern von Matthias Werner (Rhein VjBll<br />
49.1985 S. 1-61; mit Nachweis vorangehender Literatur). - Hans Hubert Anton,<br />
Klosterwesen und Adel im Raum von Mosel, Saar und Sauer in merowingischer und<br />
frühkarolingischer Zeit (Willibrord. Apostel der Niederlande, Gründer der Abtei<br />
Echternach. Gedenkgabe ... hrsg. von Georges Kissel und Jean Schroeder. Luxemburg<br />
1989, 2. Auf!. 1990, S. 96-124). - S. Anton in: ReallexAltertumskde 23.<br />
2003 S. 1.<br />
Für die hier im Vordergrund der Überlegungen stehende Geschichte des<br />
Kanonikerstiftes Pfalzel ist von Interesse, daß sehr wahrscheinlich im Zusammenhang<br />
mit dem Protest gegen die Vertreibung der Nonnen aus Pfalzel<br />
durch Erzbischof Poppo 1016 auch das historische Bild der Grunderin dieses<br />
Frauenklosters mit dem Ziel einer Aufwertung neu reflektiert wurde. Jedenfalls<br />
ist der wohl im Kontext dieser Kontroverse entstandene Libellus de rebus<br />
Trevirensibus der Ausgangspunkt für die "Identifizierung" Adelas als Tochter<br />
König Dagoberts und erst mit dieser Zuordnung für deren religiös-kirchliche<br />
Einreihung in den Kreis der (trierischen) Heiligen. Das Bruchstück einer verlorenen<br />
Kalksteinplatte (vgl. § 3 Absch. A 3b) könnte Teil einer Grabtafel sein,<br />
die in diesem Zusammenhang um 1016 nach einer Öffnung des ursprünglichen<br />
Grabes sowie der Erhebung und Übertragung der Gebeine Adelas in<br />
ein Hochgrab angefertigt wurde.<br />
Es mag sein, daß um die Jahrtausendwende aber schon eine ältere Tradition<br />
bestand, nach der Adela nicht eine Schwester, sondern eine Tochter Irminas<br />
von Ören (und deren Ehemann Hugobert) war, die über den Libellus hinaus