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132 § 8. Geschichte des Stiftes von der Einrichtung bis zur Aufhebung Die Residenzpflicht aller (praelati, canonici, vicani et altanstae) - vorbehaltlich der capeffani archiepiscopi - wird eingeschärft. Wer innerhalb von drei Monaten seine Residenz nicht antritt, soll seine Pfründe im Tausch einem anderen geben, der residieren kann und will; andernfalls geht die Pfründe verloren. - Die disciplina chon wird eingeschärft. - Wer durch den Papst, einen--päpstlichen Legaten oder den Ordinarius eine Pfründe (Kanonikat, Vikarie, Altaristenstelle) erhält und innerhalb eines halben Jahres nicht in der Lage ist, den Gottesdienst in cantando, psaffendo, legendo et cefebrando zu versehen oder nicht idoneus ist, erhält weitere sechs Monate Zeit, diesen Verpflichtungen nachzukommen. Ist er auch dann noch säumig, verliert er seine Pfründe. Die Einkünfte der letzten sechs Monate fallen dann an die Fabrik. - Das Hochamt soll täglich gesungen (nicht gelesen) werden. Kanoniker, die beim Hochmamt fehlen, müssen ein Pfund Wachs Strafe an die Liebfrauen-Bruderschaft zahlen, Vikare ein halbes Pfund; wer innerhalb von zehn Tagen nicht zahlt, muß doppelt zahlen. - Präsenzgelder werden täglich nach der Messe gezahlt; bei Kleingeldmangel auch monatlich. - Die Anfangs- und Endzeiten der Horen werden genau bestimmt. - Gesänge (psalmodieren) sollen langsam und unverkürzt gesungen werden. - Wer ein Amt (offitum) erhält, sich aber als ungeeignet erweist, soll es binnen sechs Monaten wieder abgeben. Tut er das nicht, kann das Kapitel es nach zwei Monaten erzwingen. - Das Kapitel erhält ab sofort vier junge chorales, die beim Chordienst (zu allen kanonischen Stunden) und der Messe assistieren. Das Kapitel stellt Kost und Kleidung. Die Aufsicht hat der rector scholarum. - Wer eine persona diffamata aut suspecta länger als acht Tage in seinem Haus hat oder anderswo bezahlt, hat sie innerhalb von zehn Tagen zu entfernen. Bei Nichtbefolgung werden die Einkünfte entzogen und sofort an die Kanoniker verteilt. - Kellner, Fabrik- und Präsenzmeister haben zwischen Vitus und Modestus (15. Juni) und Assumptio Mariae (15. August) Rechnung zu legen. Das Kapitel prüft diese innerhalb eines Monats. - Die Gebäude und Besitzungen sollen jährlich von einem oder zwei Beauftragten überprüft und gegebenenfalls repariert werden. - Das Martyrologium soll täglich gelesen werden, - Alte Statuten und Verfügungen (ordinationes) bleiben bestehen und sollen jährlich verlesen werden. - Der erzbischöfliche Kapellan ist von allen Bestimmungen dispensiert. Dieses Statut ist bemüht, durch Strafbestimmungen Mißstände zu beseitigen, enthält aber - mit Ausnahme der schon 1459 vom Stift in Rom beantrag-

D. Vom Beginn des 16. bis zum Ende des 18. Jahrhunderts 133 ten Einrichtung der Chorknaben - keine grundlegenden Veränderungen. Es zeigt aber, wo konkret im Alltag stiftischen Lebens die "Probleme" lagen. Der von ErzbischofJohann 1471/77 angestrebten weitergehenden Integration des Stiftes in seine Residenz Pfalzel hätten diese Verfügungen gewiß entsprochen; es mag aber sein und ist wohl eher wahrscheinlich, daß schon zu diesem Zeitpunkt abzusehen war, daß die weiter gesteckten Ziele nicht verwirklicht werden konnten. D. Vom Beginn des 16. bis zum Ende des 18. Jahrhunderts Die lange Regierungszeit Erzbischof Johanns H. von Baden 1456-1503 ist in der Geschichte des Marienstiftes in Pfalzel eine gewiß ungewöhnliche Epoche, auch im Vergleich zu anderen Stiften des Erzbistums. Prägend waren die Residenzfunktion Pfalzels und die unmittelbare Nachbarschaft des Kanonikerstiftes zu dieser Residenz. Das Stift hatte damit eine spezifische, nur ihm zugeordnete Funktion erhalten. Mit dem Wegfall dieser besonderen Aufgabe mußte das Stift zwangsläufig wieder in den Status einer kleinen Klerikergemeinschaft zurückfallen. Insoweit kann gerade dieses Beispiel Pfalzels verdeutlichen, wie wichtig die spezifische Aufgabe eines Kanonikerstiftes - im Unterschied zu monastischen Kommunitäten - für dessen Selbst- und Fremddarstellung war. Das Marienstift Pfalzel hatte es bei seiner Einrichtung im 11. Jahrhundert (und auch in den nachfolgenden Jahrhunderten) versäumt, diese (nur) ihm eigene, besondere Aufgabe zu definieren und zu verwirklichen. Dies gilt ebenso für die Zeit nach der "Residenz-Epoche" in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Der Nachfolger Erzbischof Johanns H., dessen Großneffe Jako b H. von Baden (Koadjutor seit 1500, Erzbischof 1503-1511), hat die Zuwendung Johanns zu Pfalzel als Residenz und damit auch zum Stift offensichtlich nicht übernommen. Auch über engere Beziehungen des Erzbischofs Richard von Greiffenklau (1511-1531) - dessen Person und Amtszeit in der allgemeinen Geschichte mit der ersten Ausstellung der Reliquie der Tunica Christi im Dom zu Trier bei einem Besuch Kaiser Maximilians und auf dessen Wunsch 1512, mit den Gesprächen und Aussagen Martin Luthers auf dem Reichstag von Worms von 1521 sowie mit dem Zug Franz von Sickingens gegen Trier und dessen Belagerung auf der Ebernburg 1523 verbunden ist - zum Stift Pfalzel ist konkret wenig bekannt. Der noch in den Endjahren des 15. Jahrhunderts begonnene Bau des neuen Kreuzgangs wurde in Richards Amtsjahren und mit dessen Förderung vollendet; jedenfalls zeigen Schlußsteine in dem noch erhaltenen Seitenflügel das Wappen des Erzbischofs (vgl. § 3 Abschn. A 4a). Im-

132 § 8. Geschichte des Stiftes von der Einrichtung bis zur Aufhebung<br />

Die Residenzpflicht aller (praelati, canonici, vicani et altanstae) - vorbehaltlich<br />

der capeffani archiepiscopi - wird eingeschärft. Wer innerhalb von drei Monaten<br />

seine Residenz nicht antritt, soll seine Pfründe im Tausch einem anderen<br />

geben, der residieren kann und will; andernfalls geht die Pfründe verloren.<br />

- Die disciplina chon wird eingeschärft.<br />

- Wer durch den Papst, einen--päpstlichen Legaten oder den Ordinarius<br />

eine Pfründe (Kanonikat, Vikarie, Altaristenstelle) erhält und innerhalb eines<br />

halben Jahres nicht in der Lage ist, den Gottesdienst in cantando, psaffendo, legendo<br />

et cefebrando zu versehen oder nicht idoneus ist, erhält weitere sechs Monate<br />

Zeit, diesen Verpflichtungen nachzukommen. Ist er auch dann noch säumig,<br />

verliert er seine Pfründe. Die Einkünfte der letzten sechs Monate fallen dann<br />

an die Fabrik.<br />

- Das Hochamt soll täglich gesungen (nicht gelesen) werden. Kanoniker,<br />

die beim Hochmamt fehlen, müssen ein Pfund Wachs Strafe an die Liebfrauen-Bruderschaft<br />

zahlen, Vikare ein halbes Pfund; wer innerhalb von zehn Tagen<br />

nicht zahlt, muß doppelt zahlen.<br />

- Präsenzgelder werden täglich nach der Messe gezahlt; bei Kleingeldmangel<br />

auch monatlich.<br />

- Die Anfangs- und Endzeiten der Horen werden genau bestimmt. - Gesänge<br />

(psalmodieren) sollen langsam und unverkürzt gesungen werden.<br />

- Wer ein Amt (offitum) erhält, sich aber als ungeeignet erweist, soll es binnen<br />

sechs Monaten wieder abgeben. Tut er das nicht, kann das Kapitel es nach<br />

zwei Monaten erzwingen.<br />

- Das Kapitel erhält ab sofort vier junge chorales, die beim Chordienst (zu<br />

allen kanonischen Stunden) und der Messe assistieren. Das Kapitel stellt Kost<br />

und Kleidung. Die Aufsicht hat der rector scholarum.<br />

- Wer eine persona diffamata aut suspecta länger als acht Tage in seinem Haus<br />

hat oder anderswo bezahlt, hat sie innerhalb von zehn Tagen zu entfernen. Bei<br />

Nichtbefolgung werden die Einkünfte entzogen und sofort an die Kanoniker<br />

verteilt.<br />

- Kellner, Fabrik- und Präsenzmeister haben zwischen Vitus und Modestus<br />

(15. Juni) und Assumptio Mariae (15. August) Rechnung zu legen. Das<br />

Kapitel prüft diese innerhalb eines Monats.<br />

- Die Gebäude und Besitzungen sollen jährlich von einem oder zwei Beauftragten<br />

überprüft und gegebenenfalls repariert werden.<br />

- Das Martyrologium soll täglich gelesen werden,<br />

- Alte Statuten und Verfügungen (ordinationes) bleiben bestehen und sollen<br />

jährlich verlesen werden.<br />

- Der erzbischöfliche Kapellan ist von allen Bestimmungen dispensiert.<br />

Dieses Statut ist bemüht, durch Strafbestimmungen Mißstände zu beseitigen,<br />

enthält aber - mit Ausnahme der schon 1459 vom Stift in Rom beantrag-

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