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Kindertheater - elementargermanistik.uni-bremen.de - Universität ...

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BA Fachbezogene Bildungswissenschaft<br />

Hochschuldidaktische Handreichungen<br />

Sprach- und Literaturdidaktik<br />

im Elementarbereich<br />

<strong>Kin<strong>de</strong>rtheater</strong><br />

Prof. Dr. Johannes G. Pankau<br />

Geför<strong>de</strong>rt durch die Robert-Bosch-Stiftung<br />

Herausgegeben<br />

von<br />

Jochen Hering<br />

und<br />

Sven Nickel


Hochschuldidaktische Handreichung<br />

<strong>Kin<strong>de</strong>rtheater</strong><br />

Prof. Dr. Johannes G. Pankau<br />

Handreichungen zur Entwicklung <strong>de</strong>r<br />

Sprach- und Literaturdidaktik<br />

im Elementarbereich<br />

BA Fachbezogene Bildungswissenschaft<br />

Impressum<br />

Herausgegeben von<br />

Jochen Hering<br />

und<br />

Sven Nickel<br />

Text<br />

Johannes G. Pankau<br />

Layout<br />

Birte Meyer-Wülfing<br />

Foto Titelbild<br />

Photocase<br />

Geför<strong>de</strong>rt durch die<br />

Robert-Bosch-Stiftung<br />

Bremen, Oktober 2007


Ein guter Schauspieler hat immer seine Kindheit in <strong>de</strong>r Hosentasche.<br />

Karl Kraus<br />

Kooperatives <strong>Kin<strong>de</strong>rtheater</strong> Ohmste<strong>de</strong>


Vorwort<br />

Die Reihe<br />

Die „Hochschuldidaktischen Handreichungen“ zur Entwicklung <strong>de</strong>r Sprach- und Literaturdidaktik in <strong>de</strong>r Elementarbildung<br />

sind Teil <strong>de</strong>r Arbeit an <strong>de</strong>r Studiengangsentwicklung „Bachelor of Arts (BA) Fachbezogene Bildungswissenschaften“<br />

an <strong>de</strong>r <strong>Universität</strong> Bremen. In diesem polyvalenten Studiengang können sich Studieren<strong>de</strong> für eine<br />

Tätigkeit im Elementarbereich und/o<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Schule qualifizieren. Dieser Studiengang entstand in Zusammenarbeit<br />

eines Hochschulverbun<strong>de</strong>s mit <strong>de</strong>r Robert-Bosch-Stiftung (PiK: Profis in Kitas). Die vorliegen<strong>de</strong>n Bremer<br />

Handreichungen skizzieren ein professionorientiertes Curriculum für die sprachdidaktische und literarischästhetische<br />

Arbeit im Elementarbereich.<br />

www.<strong>elementargermanistik</strong>.<strong>uni</strong>-<strong>bremen</strong>.<strong>de</strong>.<br />

Die Handreichungen sind digital erhältlich unter<br />

Dr. Jochen Hering ist Professor für Literatur- und Mediendidaktik an <strong>de</strong>r <strong>Universität</strong> Bremen.<br />

Dr. Sven Nickel ist Dozent für Didaktik <strong>de</strong>r Schriftsprache an <strong>de</strong>r <strong>Universität</strong> Bremen.<br />

Johannes G. Pankau<br />

Johannes G. Pankau lehrt Germanistik und Rhetorik an <strong>de</strong>n <strong>Universität</strong>en Ol<strong>de</strong>nburg<br />

und Bremen. Er studierte Germanistik, Anglistik, Philosophie und Psychologie in<br />

Münster, Freiburg i. Br. und Berlin; nach <strong>de</strong>m Referendariat in Krefeld arbeitete er<br />

als Lehrer in Berlin. Er wur<strong>de</strong> 1982 an <strong>de</strong>r <strong>Universität</strong> Freiburg i. Br. im Fach Germanistik<br />

promoviert und war von 1983 bis 1987 als Assistant Professor an <strong>de</strong>r University<br />

of Waterloo, Kanada tätig. Ab 1987 war er Dozent an <strong>de</strong>r <strong>Universität</strong> Ol<strong>de</strong>nburg<br />

und habilitierte sich 1993 in Neuerer Deutscher Literaturwissenschaft.<br />

In Lehre und Forschung ist er beson<strong>de</strong>rs interessiert an Kin<strong>de</strong>r- und Jugendliteratur,<br />

Medien, Gegenwartsliteratur und praktischer Rhetorik. In diesen Bereichen legte er<br />

zahlreiche Veröffentlichungen vor.<br />

Johannes G. Pankau: pankau@<strong>uni</strong>-<strong>bremen</strong>.<strong>de</strong>.<br />

Die Herausgeber<br />

Der Autor<br />

Kontakt


Inhalt<br />

Programm <strong>de</strong>s Handbuches_____________________________________________________________ 5<br />

Möglicher Verlauf <strong>de</strong>r Lehrveranstaltung, Medienästhetische und rezeptionsästhetische Grundfragen für die<br />

Arbeit mit Kin<strong>de</strong>rn im Elementar- und Grundschulbereich - Schwerpunkt <strong>Kin<strong>de</strong>rtheater</strong> ________________ 6<br />

1. Einleitung__________________________________________________________________________ 7<br />

Zur Diskussion___________________________________________________________________________ 11<br />

2. Zusammenstellung _________________________________________________________________ 12<br />

Erfahrungen mit Theater und Spiel, Text zur Medienkonkurrenz<br />

3. Was ist ästhetische Erfahrung – was ästhetische Bildung?________________________________ 14<br />

Theoretischer Text, Ästhetische Erziehung im Kin<strong>de</strong>rgarten<br />

4. Spiel – Spieltheorie _________________________________________________________________ 19<br />

Der Stellenwert ästhetischer Bildung in Kin<strong>de</strong>rgarten und Schule und im Kanon <strong>de</strong>r Fächer<br />

5. Drama und Theater _________________________________________________________________ 21<br />

Versuch von Begriffsbestimmungen, Was sind Drama und Theater?<br />

6. Entwicklungsstationen <strong>de</strong>s Theaters und speziell <strong>de</strong>s <strong>Kin<strong>de</strong>rtheater</strong>s _______________________ 28<br />

7. Beispiel __________________________________________________________________________ 33<br />

Arbeit mit einem neueren Stück <strong>de</strong>s <strong>Kin<strong>de</strong>rtheater</strong>s, Vorstellung, Rezension<br />

8. Theaterpädagogik und was man damit machen kann _____________________________________ 36<br />

9. Konzepte: <strong>Kin<strong>de</strong>rtheater</strong> und Emanzipation_____________________________________________ 40<br />

Brecht, GRIPS THEATER<br />

10. Neuere Konzepte__________________________________________________________________ 42<br />

Paul Maar, F.K. Waechter<br />

11. Märchentehater ___________________________________________________________________ 45<br />

Märchenerzähltheater im Kin<strong>de</strong>rgarten<br />

12. Formen <strong>de</strong>s Spiels in Kin<strong>de</strong>rgarten und Grundschule ___________________________________ 47<br />

Rollenspiel, Szenisches Spiel, Jeux Dramatiques, Child Drama<br />

13. Formen <strong>de</strong>s Spiels ________________________________________________________________ 53<br />

Fingerpuppen, Maskenspiel, Pantomime, Improvisation<br />

Anhang_____________________________________________________________________________ 58<br />

Formen <strong>de</strong>s Spiels in Kin<strong>de</strong>rgarten und Grundschule<br />

Merkmale eines Theaters für die Kleinsten<br />

Wichtige Begriffe<br />

Ausgewählte Literatur zum Thema __________________________________________________________ 62<br />

Nützliche Adressen und Weblinks ___________________________________________________________ 65<br />

3


PROGRAMM DES HANDBUCHES<br />

I. Das vorliegen<strong>de</strong> Handbuch verfolgt mehrere Ziele<br />

1. Drama und Theater sollen nicht isoliert dargestellt<br />

wer<strong>de</strong>n, son<strong>de</strong>rn<br />

a) als Teil <strong>de</strong>r ästhetischen Bildung in schulischer<br />

und vorschulischer Perspektive,<br />

b) im Ensemble <strong>de</strong>r verschie<strong>de</strong>nen Medien,<br />

die heute für Kin<strong>de</strong>r und Jugendliche relevant<br />

sind.<br />

2. In einer theoretischen Darstellung wer<strong>de</strong>n aus<br />

historischer und gattungstheoretischer Sicht<br />

Grundlagen <strong>de</strong>s Dramas und <strong>de</strong>s Theaters in<br />

knapper Form vorgestellt (Einführung in die Gattung<br />

Drama).<br />

3. Die Beschreibung umfasst in beson<strong>de</strong>rem Maße<br />

Formen <strong>de</strong>s Theaterspielens und <strong>de</strong>r Theaterrezeption,<br />

Inszenierungsformen, Technik, Spezifika<br />

<strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>r- und Jugendtheaters, Spielformen<br />

II. Das Handbuch enthält<br />

1. Beschreibungen <strong>de</strong>r relevanten theoretischen<br />

Aspekte<br />

2. Materialien zur Theaterpädagogik, zum darstellen<strong>de</strong>n<br />

und szenischen Spiel<br />

3. Texte zu Motivation, psychologischen Aspekten,<br />

Medienkonkurrenz etc.<br />

4. Beispiele für Texte und Inszenierungen aus verschie<strong>de</strong>nen<br />

Phasen <strong>de</strong>r Entwicklung von <strong>Kin<strong>de</strong>rtheater</strong><br />

(Einführung in die theaterwissenschaftlichen<br />

Grundlagen).<br />

4. Dies wird auf die heutigen Bedürfnisse und Anfor<strong>de</strong>rungen<br />

im schulischen und vorschulischen<br />

Bereich bezogen und insbeson<strong>de</strong>re auf die Qualifikationen,<br />

die Lehrer und Erzieher in diesem<br />

Feld brauchen.<br />

5. Einführend wer<strong>de</strong>n bestimmte Stücke und<br />

Stücktypen, Aufführungsformen, Übungsmöglichkeiten<br />

u.ä. an Beispielen vorgestellt.<br />

5. Beispiele zu Strukturelementen <strong>de</strong>s Spiels und<br />

Theateraufführungen (Regie, Darstellung,<br />

Schauspieler, Requisiten, Bühnenbild etc.)<br />

Ein Hinweis zum Gebrauch: Bestimmt sind nicht alle<br />

im Handbuch behan<strong>de</strong>lten Themen und Problemkreise<br />

innerhalb eines Semesters zu bewältigen – die Auswahl<br />

und Schwerpunktbildung durch <strong>de</strong>n Lehren<strong>de</strong>n<br />

ist <strong>de</strong>shalb wesentlich.<br />

5


Möglicher Verlauf <strong>de</strong>r Lehrveranstaltung<br />

Medienästhetische und rezeptionsästhetische Grundfragen für die Arbeit mit Kin<strong>de</strong>rn im<br />

Termin<br />

1.<br />

2.<br />

3.<br />

4.<br />

5.<br />

6.<br />

7.<br />

8.<br />

9.<br />

10.<br />

11.<br />

12.<br />

13.<br />

14.<br />

Thema/Gegenstand<br />

Anhang im Handbuch<br />

Elementar- und Grundschulbereich - Schwerpunkt <strong>Kin<strong>de</strong>rtheater</strong><br />

Einführung: Vorläufige Begriffsklärung, Ziele <strong>de</strong>r Veranstaltung<br />

Erfahrungen mit Theater und Spiel<br />

Was ist ästhetische Erfahrung – was ästhetische Bildung?<br />

SPIEL – Spieltheorie – <strong>de</strong>r Stellenwert ästhetischer Bildung in Kin<strong>de</strong>rgarten und Schule<br />

Drama und Theater: Versuch von Begriffsbestimmungen<br />

Entwicklungsstationen <strong>de</strong>s Theaters und speziell <strong>de</strong>s <strong>Kin<strong>de</strong>rtheater</strong>s<br />

Beispiel: Suchen von je einem neueren Stück <strong>de</strong>s <strong>Kin<strong>de</strong>rtheater</strong>s: Vorstellung, Rezension<br />

Vorschläge:<br />

� Rudolf Herfurtner: Spatz Fritz. Schauspiel<br />

� Ingeborg von Zadow: Besuch bei Katt und Fredda<br />

� Luis Murschetz: Der Maulwurf Grabowski (Puppentheater)<br />

� Astrid Lindgren: Karlsson vom Dach (Puppentheater)<br />

� Gertrud Pigor: Die zweite Prinzessin<br />

Theaterpädagogik und was man damit machen kann / Konzepte <strong>de</strong>s <strong>Kin<strong>de</strong>rtheater</strong>s (jeweils<br />

mit Vorstellung)<br />

Konzepte: <strong>Kin<strong>de</strong>rtheater</strong> und Emanzipation: Brecht – GRIPS Theater<br />

Neuere Konzepte: Paul Maar, F.K. Waechter<br />

Vorschläge:<br />

� Paul Maar: Kikerikiste<br />

� Friedrich K. Waechter: Der Teufel mit <strong>de</strong>n drei gol<strong>de</strong>nen Haaren (Märchen nach Grimm)<br />

Märchentheater - Märchenerzähltheater im Kin<strong>de</strong>rgarten<br />

� Hänsel und Gretel. Märchenspiel in drei Bil<strong>de</strong>rn. Text von A<strong>de</strong>lheid Wette, Bremer Fassung<br />

von Elke Hei<strong>de</strong>nreich<br />

� Hanna Krall: Das En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Märchen<br />

Formen <strong>de</strong>s Spiels in Kin<strong>de</strong>rgarten und Grundschule<br />

a) Rollenspiel, Szenisches Spiel, Jeux Dramatiques, child drama<br />

Formen <strong>de</strong>s Spiels<br />

b) Fingerpuppen, Maskenspiel, Pantomime – Improvisation<br />

Schlussdiskussion: Bilanz und weiterführen<strong>de</strong> Fragen<br />

Formen <strong>de</strong>s Spiels in Kin<strong>de</strong>rgarten und Grundschule: Merkmale eines Theaters für die kleinsten: Wichtige Begriffe<br />

6


Theater? Ein schwieriges Kapitel, gera<strong>de</strong> heutzutage<br />

in Zeiten <strong>de</strong>r Finanznot und <strong>de</strong>r Medienkonkurrenz.<br />

Eine ehrwürdige Institution mit jahrtausen<strong>de</strong>alter Geschichte,<br />

zentrales Unterhaltungs- und Belehrungsmedium<br />

vor <strong>de</strong>m Aufkommen <strong>de</strong>r mo<strong>de</strong>rnen Massenmedien<br />

(zunächst <strong>de</strong>s Films seit <strong>de</strong>m späten 19. Jahrhun<strong>de</strong>rt),<br />

Mittel <strong>de</strong>r ‚höheren’ gymnasialen Bildung<br />

(mit gemeinsamen Besuchen <strong>de</strong>r ‚Klassiker’ im Anschluss<br />

an die Besprechung); Theater ist aber auch<br />

Erinnerung an das Weihnachtsmärchen in <strong>de</strong>r Kindheit,<br />

an das eigene Puppentheater als Geschenk,<br />

Freu<strong>de</strong> in <strong>de</strong>r Laienspielgruppe – also schwierig, teuer,<br />

bildungsbeflissen einerseits, Mittel zum Spaß und zur<br />

kreativen Selbstäußerung an<strong>de</strong>rerseits.<br />

Geht man heute ins ‚normale’ Stadttheater, stellt man<br />

fest: Es überwiegen die älteren Jahrgänge, die sich<br />

<strong>de</strong>m Anlass entsprechend herausgeputzt und vielleicht<br />

auch vorbereitet haben. Den zum Teil auf grelle<br />

Schockeffekte abzielen<strong>de</strong>n Regisseuren, Dramaturgen<br />

und Schauspielern zum Trotz wirkt das Theater<br />

manchmal doch ein wenig verstaubt, Reminiszenz an<br />

eine Zeit, in <strong>de</strong>r es noch eine ‚funktionieren<strong>de</strong>’ (bildungs-)<br />

bürgerliche Öffentlichkeit gab. Als es – für die<br />

bildungsbeflissenen ‚Eliten’ je<strong>de</strong>nfalls – noch ein<br />

‚Muss’ war, ab und zu auch das Theater zu frequentieren.<br />

Das Theater also eine Institution von gestern o<strong>de</strong>r<br />

vorgestern, die ‚moralische Anstalt’ (in Schillers Sinne)<br />

lediglich noch eine Erwähnung in Handbüchern wert?<br />

An<strong>de</strong>rerseits: Spricht man mit jungen Leuten, stellt<br />

man fest, dass das Theater durchaus noch eine gewisse<br />

Faszinationskraft hat, selbst wenn die Sprechen<strong>de</strong>n<br />

es nicht mehr häufig besuchen. Und immer<br />

wie<strong>de</strong>r weisen sie auf <strong>de</strong>n Zugang von Kin<strong>de</strong>rn hin:<br />

beim Spielen überhaupt, beim Kasperle- o<strong>de</strong>r Marionettentheater;<br />

sie sprechen von <strong>de</strong>r Begeisterung bei<br />

Theateraufführungen von Gruppen, von <strong>de</strong>n Möglichkeiten<br />

<strong>de</strong>r Improvisation. In <strong>de</strong>n Blick tritt, was so nur<br />

im theatralen Spiel möglich zu sein scheint, dort wo<br />

nicht einfach eine Geschichte erzählt o<strong>de</strong>r filmisch<br />

vorgeführt wird, son<strong>de</strong>rn eine leibhaftige Aktion stattfin<strong>de</strong>t,<br />

eine Komm<strong>uni</strong>kation <strong>de</strong>r nahen Körper, wo es<br />

je<strong>de</strong>s Mal, selbst bei vorgegebenem Spieltext, etwas<br />

an<strong>de</strong>rs ist.<br />

Offensichtlich hat die Fähigkeit, theatrales Spiel zu<br />

genießen und selbst lustvoll ausüben zu können, etwas<br />

mit Erfahrung zu tun, mit Sozialisation, mit Erziehung<br />

schon im frühen Kin<strong>de</strong>salter. Es gibt zahlreiche<br />

1. EINLEITUNG<br />

Ansätze in <strong>de</strong>r Pädagogik und speziell <strong>de</strong>r Theaterpädagogik,<br />

in Schulen und Kin<strong>de</strong>rgärten, in freien Gruppen<br />

und etablierten Theatern, das Theater für die<br />

Kleinen und Kleinsten zu entwickeln, theoretisch zu<br />

begrün<strong>de</strong>n und praktisch durchzuführen. Und für die<br />

in <strong>de</strong>n entsprechen<strong>de</strong>n Institutionen Tätigen – LehrerInnen,<br />

ErzieherInnen vor allem – ist es eine spannen<strong>de</strong><br />

Möglichkeit, eine Sphäre zu entwickeln, die neben<br />

<strong>de</strong>r reinen Bildungsfunktion vor allem auch Spaß bereiten<br />

und zu<strong>de</strong>m das künstlerisch-ästhetische Empfin<strong>de</strong>n<br />

von Kin<strong>de</strong>rn ausdrücken und entwickeln kann.<br />

Dies konsequent und systematisch zu tun, ist jedoch<br />

nicht einfach, es braucht die Bereitschaft zum spontanen<br />

Ausprobieren, aber auch Kenntnisse <strong>de</strong>r Voraussetzungen<br />

und Bedürfnisse von Kin<strong>de</strong>rn, ebenso auch<br />

Kenntnisse <strong>de</strong>r Geschichte und <strong>de</strong>r vielfältigen Ansätze<br />

einer uralten Kunst. Dies soll in diesem Handbuch<br />

durch die Vermittlung theoretischen Wissens, durch<br />

Erwägungen und praktische Hinweise, auch durch<br />

Beispiele geschehen.<br />

Bei <strong>de</strong>r Beschäftigung mit diesem Gegenstandsbereich<br />

ist jeweils zu fragen:<br />

1. Wie ist meine eigene Haltung zum Theater – wo<br />

liegen meine Gefühle von Abwehr, Zuneigung,<br />

meine Hemmungen, meine Experimentier- und<br />

Improvisierlust? Theater und Theaterspiel hat<br />

immer – für Mitspieler wie Zuschauer – zu tun<br />

mit inneren Befindlichkeiten und individuellen<br />

Entwicklungen, <strong>de</strong>nn beim Spiel ‚entblößen’ wir<br />

uns, geben einen Teil von uns preis – ob wir wollen<br />

o<strong>de</strong>r nicht.<br />

2. Was kann ich über die Dispositionen, Ängste,<br />

Neigungen <strong>de</strong>rjenigen erfahren, mit <strong>de</strong>nen zusammen<br />

ich Theater spiele (o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re Formen<br />

<strong>de</strong>s Spiels ausprobiere)? Wie kann ich spezielle<br />

Formen verstehen und neue Formen erproben?<br />

Auf welche Formen <strong>de</strong>r Motivation o<strong>de</strong>r<br />

auch <strong>de</strong>r Abwehr ist zu achten.<br />

Wir wer<strong>de</strong>n uns in diesen Zusammenhängen auch mit<br />

<strong>de</strong>m Begriff <strong>de</strong>s Spiels beschäftigen: Denn nicht je<strong>de</strong>s<br />

Spiel ist auch Theaterspiel, aber zwischen <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen<br />

Formen – vom frühen kindlichen Rollenspiel<br />

bis zur Aufführung <strong>de</strong>s „Faust“ bestehen doch<br />

Korrespon<strong>de</strong>nzen und innere Bezüge, die erst in <strong>de</strong>r<br />

Entfaltung <strong>de</strong>s Spielbegriffs durchsichtig wer<strong>de</strong>n.<br />

Was spricht <strong>de</strong>nn nun für und gegen das Theater?<br />

Ergebnisse aus Gesprächen zu diesem Thema mit<br />

Studieren<strong>de</strong>n in verschie<strong>de</strong>nen Kursen:<br />

7


Was gegen das Theater spricht (Vorurteile)<br />

Dass Schule, Lesen, Bildung überhaupt bis heute in<br />

starkem Maße schichtenspezifischen Bedingungen<br />

und Selektionsprinzipien folgt, ist bekannt. Ebenso,<br />

dass dies in Deutschland wesentlich stärker ist als in<br />

an<strong>de</strong>ren Län<strong>de</strong>rn.<br />

In beson<strong>de</strong>rs engem Maße ist das Theater als Institution<br />

und <strong>de</strong>ssen Rezeption mit <strong>de</strong>r Entwicklung bildungsbürgerlicher<br />

Sozialisations- und Lebensformen<br />

verknüpft. Das Stadttheater, das Abonnement – trotz<br />

aller Versuche einer Verbreiterung <strong>de</strong>r Basis kann man<br />

sich auch heute noch je<strong>de</strong>n Abend davon überzeugen,<br />

dass es sich hier um eine mehr o<strong>de</strong>r weniger exklusive<br />

Bildungs- und auch Repräsentationsinstitution han<strong>de</strong>lt.<br />

Um einen Zugang zu <strong>de</strong>n vielfältigen Spielarten<br />

Gera<strong>de</strong> unter Kin<strong>de</strong>rn und Jugendlichen steht das<br />

Theater oft im Geruch, eine Institution ‚von gestern’ zu<br />

sein, etwas für ältere Leute, Erwachsene im Allgemeinen,<br />

Lehrer und Erzieher. Auch dies kann zu einer<br />

Schwellenangst <strong>de</strong>r potentiellen Rezipienten führen,<br />

die wir bei <strong>de</strong>n meisten hochkulturellen Produkten und<br />

Institutionen antreffen, beim Museum, <strong>de</strong>r Galerie,<br />

<strong>de</strong>m Konzertsaal.<br />

Dieses Gefühl, mit etwas ‚Gestrigem’ konfrontiert zu<br />

sein, hat sich seit <strong>de</strong>m Aufkommen <strong>de</strong>r ‚neuen Medien’,<br />

Internet, DVD, Vi<strong>de</strong>ospiele etc. noch gesteigert.<br />

Bereits mit <strong>de</strong>m Aufkommen <strong>de</strong>s Kinofilms im späten<br />

19. Jahrhun<strong>de</strong>rt trat dieses neue Vermittlungsmedien<br />

in Konkurrenz zum ‚traditionellen’ Theater, an <strong>de</strong>ssen<br />

Gestaltungsprinzipien <strong>de</strong>r Film sich <strong>de</strong>nnoch lange<br />

orientierte (zum Teil bis heute: ‚drama’ ist die englische<br />

Bezeichnung für konventionelle, gefühlsbetonte<br />

Spielfilme). Beson<strong>de</strong>rs <strong>de</strong>utlich ist <strong>de</strong>r Prozess von<br />

Medieninter<strong>de</strong>pen<strong>de</strong>nz und –emanzipation am Fernsehen<br />

zu beobachten, das in Deutschland zu Beginn<br />

<strong>de</strong>r 1950er Jahre aufkam. Hier entstand nicht nur<br />

<strong>de</strong>m Kino eine ernsthafte Konkurrenz, son<strong>de</strong>rn noch<br />

einmal auch <strong>de</strong>m Theater. Allerdings war das Fernsehen<br />

zunächst nur eine Form <strong>de</strong>r Unterhaltung und<br />

Belehrung für eine Min<strong>de</strong>rheit, da erst im Verlaufe <strong>de</strong>r<br />

1960er Jahre eine flächen<strong>de</strong>cken<strong>de</strong> Versorgung mit<br />

Geräten stattfand. In dieser Entstehungszeit fungierte<br />

das öffentlich-rechtliche Fernsehen noch in starkem<br />

Maße als Vermittler sowohl <strong>de</strong>s klassischen Bühnenrepertoires<br />

als auch <strong>de</strong>s <strong>Kin<strong>de</strong>rtheater</strong>s (Puppenspiel).<br />

Theater und Drama begegnen <strong>de</strong>n meisten Menschen<br />

schulisch fast ausschließlich über das Pensum <strong>de</strong>s<br />

Deutschunterrichts, in selteneren Fällen gibt es eine<br />

Ein Vergnügen für die gebil<strong>de</strong>te Oberschicht<br />

<strong>de</strong>s Theatralischen zu gewinnen, braucht es im Normalfall<br />

Bildung, Muße – und Geld.<br />

Diese ‚Abgehobenheit’ <strong>de</strong>s Theaters gab es nicht immer<br />

– und in <strong>de</strong>n Abschnitten zur Geschichte <strong>de</strong>s<br />

Theaters wer<strong>de</strong>n wir auf die wichtigen Verän<strong>de</strong>rungen<br />

eingehen. An dieser Stelle ist die Feststellung wichtig,<br />

weil die Verwendung von Dramen und Theater insgesamt<br />

für die Arbeit mit Kin<strong>de</strong>rn und Jugendlichen, in<br />

Schulen und Kin<strong>de</strong>rgärten mit <strong>de</strong>n bestehen<strong>de</strong>n Bedingungen<br />

rechnen muss, d.h. auch einer spontanen<br />

Abwehrstellung sowohl gegen <strong>de</strong>n Theaterbesuch als<br />

auch gegen das Theaterspielen bei <strong>de</strong>n hier in Frage<br />

stehen<strong>de</strong>n Zielgruppen.<br />

Eine veraltete Kunstform<br />

Verstand sich das Fernsehen zunächst noch primär<br />

als Bildungsmittel und setzte <strong>de</strong>shalb häufig auf ‚abfotografiertes’<br />

Theater in verschie<strong>de</strong>nen Ausprägungen<br />

– von <strong>de</strong>r Staatstheater Schiller-Aufführung bis zum<br />

trivialen Millowitsch-Theater aus Köln - so verschwand<br />

diese Funktion durch das Entstehen <strong>de</strong>r privaten TV-<br />

Kanäle und <strong>de</strong>s Kabel-, bzw. Satellitenfernsehens<br />

zunehmend. Ins Fernsehen gebrachte Theateraufführungen<br />

sind heute nur noch vereinzelt auf Bildungskanälen<br />

wie 3-SAT, ARTE o<strong>de</strong>r manchmal in <strong>de</strong>n Dritten<br />

Programmen <strong>de</strong>r öffentlich-rechtlichen Sen<strong>de</strong>r zu sehen.<br />

Dass das Theater in Deutschland immer noch auf<br />

einem – verhältnismäßig! – gesicherten Bo<strong>de</strong>n steht,<br />

ist nur einem überkommenen staatlichen Subventionierungssystem<br />

zuzuschreiben, das allerdings immer<br />

brüchiger wird, wie jüngst etwa die Auseinan<strong>de</strong>rsetzungen<br />

<strong>de</strong>s Bremer Intendanten Klaus Pierwoß mit<br />

<strong>de</strong>n Kulturbehör<strong>de</strong>n zeigten.<br />

Wer heute Kin<strong>de</strong>r und Jugendliche mit Formen <strong>de</strong>s<br />

Theatralischen als Konsumenten wie Akteure bekannt<br />

machen will, muss <strong>de</strong>n hier ange<strong>de</strong>uteten Sachverhalt<br />

in Rechnung ziehen: vor allem die noch immer zunehmen<strong>de</strong><br />

Beeinflussung <strong>de</strong>r Seh- und Hörgewohnheiten<br />

von Kin<strong>de</strong>rn und Jugendlichen durch die elektronischen<br />

Medien, die mit ihre oft grellen Reizen <strong>de</strong>m auf<br />

einen Ort und die menschliche Repräsentanz beschränkten<br />

Theater überlegen scheinen.<br />

Etwas, das einem durch die Schule verlei<strong>de</strong>t wur<strong>de</strong><br />

Theater-AG (meist in <strong>de</strong>n Oberstufen <strong>de</strong>r Gymnasien),<br />

eine Min<strong>de</strong>rheit von Schülern (und Lehrern) engagiert<br />

sich in Amateurtheatern o<strong>de</strong>r bei entsprechen<strong>de</strong>n<br />

8


Projekten. In <strong>de</strong>n Schulen gibt es das „Darstellen<strong>de</strong><br />

Spiel“ (dazu später) erst seit einiger Zeit und vereinzelt,<br />

in <strong>de</strong>n meisten Fällen in <strong>de</strong>r Sekundarstufe II.<br />

Ansonsten gilt es für die <strong>de</strong>utsche Situation (im Gegensatz<br />

etwa zu <strong>de</strong>n angelsächsischen Län<strong>de</strong>rn, wo es<br />

an <strong>Universität</strong>en, Colleges und High Schools meist<br />

eigene ‚Drama Departments’ gibt) festzuhalten: Die<br />

Möglichkeiten <strong>de</strong>s Theatralischen wer<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r Besprechung<br />

von Dramen im Deutschunterricht kaum je<br />

ausgelotet, vielmehr rezipiert man dort Theaterstücke<br />

weitgehend wie epische o<strong>de</strong>r lyrische literarische Tex-<br />

Was für das Theater spricht (Argumente, Erfahrungen)<br />

Erschweren auch die hier angesprochenen Ten<strong>de</strong>nzen<br />

in Deutschland eine Arbeit mit <strong>de</strong>m Drama und <strong>de</strong>m<br />

Theater auf <strong>de</strong>r Ebene von Schul- und Vorschuleinrichtungen<br />

zunächst, so heißt dies keineswegs, dass es<br />

unmöglich ist, Lust an theatralen Erfahrungen zu wecken.<br />

Es kommt aber darauf an, Motivation und Lust<br />

zu wecken sowohl für <strong>de</strong>n Genuss am Theater als<br />

auch für die eigenen theatralen Aktivitäten. Aufbauen<br />

kann man hier auf eine Voraussetzung, die schon viele<br />

Menschen an sich erfahren haben und die <strong>de</strong>r bekannte<br />

Theatermann Max Reinhardt so formulierte:<br />

„Ich glaube an die Unsterblichkeit <strong>de</strong>s Theater. Es ist<br />

<strong>de</strong>r seligste Schlupfwinkel für diejenigen, die ihre<br />

Kindheit heimlich in die Tasche gesteckt und sich<br />

damit auf und davon gemacht haben, um bis an ihr<br />

Lebensen<strong>de</strong> weiterzuspielen.“ 1<br />

Das ist etwas poetisch, aber sehr plastisch ausgedrückt,<br />

die Äußerung schafft eine Verbindung auch<br />

zum Thema dieses Handbuchs. Offensichtlich han<strong>de</strong>lt<br />

es sich bei <strong>de</strong>r Lust am Theater um etwas, das – so<br />

könnte man sagen – anthropologisch fundiert ist: um<br />

die eigentlich kindliche Lust am Spielen, am körperlichen<br />

und sprachlichen Ausdruck, um das, was Schiller<br />

so fasste:<br />

„Denn, um es endlich auf einmal herauszusagen, <strong>de</strong>r<br />

Mensch spielt nur, wo er in voller Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s<br />

Worts Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo<br />

er spielt.“ 2<br />

Wir wer<strong>de</strong>n auf diese anthropologische Grundlegung<br />

<strong>de</strong>s Spiels später noch einmal im Zusammenhang mit<br />

Schillers Vorstellung <strong>de</strong>r ästhetischen Bildung zu sprechen<br />

kommen, im Augenblick soll es genügen darauf<br />

hinzuweisen, dass das Spiel allgemein und das<br />

theatrale Spiel als Son<strong>de</strong>rfall in <strong>de</strong>r Kindheit, aber in<br />

gewissen Grenzen auch immer wie<strong>de</strong>r später im Leben,<br />

geweckt und geför<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n kann.<br />

Übrigens lässt sich die beson<strong>de</strong>re Affinität <strong>de</strong>s Spiels<br />

und <strong>de</strong>s Theaters mit <strong>de</strong>m Persönlichen und Menschlichen<br />

von vielen Seiten her begrün<strong>de</strong>n, etwa auch von<br />

<strong>de</strong>r psychologischen. So verband Sigmund Freud in<br />

te, auch wenn sie manchmal gemeinsam gelesen o<strong>de</strong>r<br />

einige Teile szenisch vorgeführt wer<strong>de</strong>n. Gera<strong>de</strong> <strong>de</strong>n<br />

sogenannten Klassikern haftet durch diese Behandlung<br />

im Deutschunterricht meist etwas Papierenes,<br />

Totes an. Übrigens sind in <strong>de</strong>n meisten Fällen die<br />

Deutschlehrer auch gar nicht in <strong>de</strong>r Lage, das Theatralische<br />

eines dramatischen Textes zum Vorschein zu<br />

bringen, <strong>de</strong>nn sie selbst sind durch ihre philologische<br />

Ausbildung eher ‚Buchstabengelehrte’, es sei <strong>de</strong>nn,<br />

sie hätten individuell hier ein Rüstzeug erworben.<br />

seinem Aufsatz „Psychopathische Personen auf <strong>de</strong>r<br />

Bühne“ von 1904, nun auf <strong>de</strong>n Zuschauer bezogen,<br />

„das Austoben <strong>de</strong>r eigenen Affekte“ 3 qua I<strong>de</strong>ntifizierung<br />

mit <strong>de</strong>r traditionellen Kategorie <strong>de</strong>r kathartischen<br />

Wirkung (s. später zur Dramentheorie). Das Theater ist<br />

für Autor wie Zuschauer von <strong>de</strong>n Affektrestriktionen<br />

<strong>de</strong>s Alltags weitgehend befreit und bietet so die Möglichkeit,<br />

in einem gefahrlosen, d. h. spielerischen<br />

Raum die unterdrückten Strebungen, Größen- und<br />

Allmachtsphantasien auszuagieren, da <strong>de</strong>r Illusionscharakter<br />

<strong>de</strong>m Bewusstsein stets präsent bleibt.<br />

Das Spielen im Theater und im Drama hat also etwas<br />

Kompensatorisches, es erlaubt in einem kontrollierten<br />

Rahmen etwas, das im ‚wirklichen’ Leben uns allen –<br />

und auch bereits <strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>rn – in größerem Ausmaß<br />

verwehrt bleibt, das Ausleben von Phantasien und<br />

Gefühlen. In Freuds Sprache:<br />

„Der Zuschauer erlebt zu wenig, [...] er hat seinen<br />

Ehrgeiz, als Ich im Mittelpunkt <strong>de</strong>s Weltgetriebes zu<br />

stehen, längst dämpfen, besser verschieben müssen,<br />

er will fühlen, wirken, alles so gestalten, wie er möchte,<br />

kurz Held sein, und die Dichter-Schauspieler ermöglichen<br />

ihm das, in<strong>de</strong>m sie ihm die I<strong>de</strong>ntifizierung<br />

mit einem Hel<strong>de</strong>n gestatten.“ 4<br />

Hier kann auch die beson<strong>de</strong>re Relevanz <strong>de</strong>s Theatralischen<br />

für eine ‚neue’ Schule liegen, die in ihrer Normalform<br />

immer noch – und vielleicht nach PISA sogar<br />

in steigen<strong>de</strong>m Maße – die rein intellektuell-kognitive<br />

Seite betont und einseitig schult, das Wissen gegenüber<br />

<strong>de</strong>m Können und Aneignen. Zur Situation etwa<br />

im Kin<strong>de</strong>rgarten stellt dazu die Lan<strong>de</strong>sarbeitsgemeinschaft<br />

Theaterpädagogik Ba<strong>de</strong>n-Württemberg fest:<br />

„Auf die Erzieherinnen kommen nach „Pisa“ durch die<br />

Eltern und Gesellschaft immer weitere Anfor<strong>de</strong>rungen<br />

zu. So sollen jetzt Vorschulprogramme zum Deutschlernen<br />

hergestellt wer<strong>de</strong>n, damit die Kin<strong>de</strong>r einen<br />

besseren Start in <strong>de</strong>r Grundschule haben. Hier besteht<br />

die Gefahr, schulisches Lernen schon auf <strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>rgartenbereich<br />

anzuwen<strong>de</strong>n und die wun<strong>de</strong>rbaren<br />

Fähigkeiten <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r, sich <strong>de</strong>r Welt spielerisch und<br />

ganzheitlich zu nähern, zu vergessen. Kin<strong>de</strong>r lernen<br />

9


spielerisch, sie lernen mit allen Sinnen, sie setzen sich<br />

im Spiel aktiv mit ihrer Umwelt auseinan<strong>de</strong>r und erweitern<br />

ihren Wortschatz. Sie trainieren Konzentrationsfähigkeit<br />

und Phantasie, weil sie im Spiel ganz bei <strong>de</strong>r<br />

Sache sind.“ 5<br />

Es fällt also nicht beson<strong>de</strong>rs schwer, gera<strong>de</strong> heute die<br />

Relevanz <strong>de</strong>r ästhetischen Bildung und vor allem <strong>de</strong>s<br />

Theaterspielens und –sehens für Bildungsprozesse zu<br />

begrün<strong>de</strong>n. Auch für die sogenannte ‚Medienkonkurrenz’<br />

gilt dies – und zwar in zweifacher Weise. Wie <strong>de</strong>r<br />

Theaterwissenschaftler Patrick Primavesi jüngst feststellte,<br />

kann sich diese Reaktionsbildung in zweifacher<br />

Weise vollziehen: als Inter<strong>de</strong>pen<strong>de</strong>nz o<strong>de</strong>r aber auch<br />

als ‚Gegenmo<strong>de</strong>ll’:<br />

„Das Theater wird immer mehr <strong>de</strong>n medialen Kontext<br />

reflektieren. Dieser Kontext bestimmt die ‚Sprachen<br />

<strong>de</strong>r Bühne’. Theater greift also die Medien auf, das<br />

erleben wir ja schon öfter. Aber es gibt auch einen<br />

an<strong>de</strong>ren Weg. Man wird in Zukunft nicht nur Räume<br />

brauchen, die sich von <strong>de</strong>r Medienwelt inspirieren<br />

lassen, son<strong>de</strong>rn auch solche, die gera<strong>de</strong> nicht durch<br />

die Geschwindigkeit <strong>de</strong>r Medien <strong>de</strong>finiert sind, son<strong>de</strong>rn<br />

durch ungewohnte Konzentration.“ 6<br />

Anmerkungen<br />

1Max Reinhardt: Re<strong>de</strong> über <strong>de</strong>n Schauspieler (veröff. 1947).<br />

2Friedrich Schiller: Über die ästhetische Erziehung <strong>de</strong>s Menschen, in einer Reihe von Briefen. In: Schillers Werke. IV. Bd. Frankfurt/M.,<br />

S. 238.<br />

3Sigmund Freud: Studienausgabe. Bd. 10. Frankfurt/M. 1969, S. 163.<br />

4Ebd.<br />

5Deutsch durch Theater. Qualifizierungsmo<strong>de</strong>ll für Erzieherinnen <strong>de</strong>r Lan<strong>de</strong>sarbeitsgemeinschaft Theaterpädagogik Ba<strong>de</strong>n-<br />

Württemberg zur ganzheitlichen Sprachför<strong>de</strong>rung im Vorschulalter (http://www.lag-theater-paedagogik.<strong>de</strong>/PDF/Deutsch).<br />

6Perspektiven <strong>de</strong>s Theaters. Ein Fest, das sich selbst zuschaut. Interview mit Hans-Thies Lehmann. In: Frankfurter Rundschau v.<br />

26.09.2007.<br />

10


Ein prominenter Theatermann polemisiert gegen das heutige Theater<br />

Frank-Patrick Steckel<br />

Zur Diskussion<br />

Die Bremer Tageszeitung „Weser Kurier“ berichtete unter <strong>de</strong>m Titel „Wir wer<strong>de</strong>n immer dümmer“ in ihrer Ausgabe<br />

vom 21. Januar 2008 über das Theatertreffen <strong>de</strong>r Hansestadt und referierte provokative Äußerungen <strong>de</strong>s ehemaligen<br />

Oberspielleiters Schauspiel Frank-Patrick Steckel, <strong>de</strong>ssen Inszenierung von Brechts „Die heilige Johanna <strong>de</strong>r<br />

Schlachthöfe“ gera<strong>de</strong> im Theater am Goetheplatz läuft. Hier einige Auszüge:<br />

„Steckel nutzte <strong>de</strong>n Abend als Generalabrechnung mit theatralen, wirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen<br />

Entwicklungen. ‚Das Theater beteiligt sich heutzutage an <strong>de</strong>m Verblödungsprozess, <strong>de</strong>r Theater überflüssig<br />

macht’, prangerte Steckel die ‚Unmündigkeit <strong>de</strong>s Publikums’ an. Diejenigen unter <strong>de</strong>n Theatermachern,<br />

die keine Überzeugungstäter, son<strong>de</strong>rn Opport<strong>uni</strong>sten seien, wür<strong>de</strong>n sofort die Theaterrichtung<br />

än<strong>de</strong>rn, sobald das Publikum wegbleibe.<br />

‚Aber heute ist ja nur das gutes Theater, das in <strong>de</strong>r Presse Erfolg hat’, monierte <strong>de</strong>r gebürtige Berliner ‚<strong>de</strong>n<br />

Gleichschaltungsprozess in <strong>de</strong>n Feuilletons’. We<strong>de</strong>r <strong>de</strong>m Publikum noch <strong>de</strong>n Feuilletonisten wür<strong>de</strong> offenbar<br />

auffallen, dass viele Schauspieler und Regisseure überhaupt nicht mehr ihr Handwerk beherrschen. ‚Die<br />

Texte wer<strong>de</strong>n nicht dümmer, wir wer<strong>de</strong>n dümmer. Es gab eine Zeit, in <strong>de</strong>r Shakespeare-Stücke noch verstan<strong>de</strong>n<br />

wur<strong>de</strong>n, insofern ist mein Theaterplanet schon längst aus dieser Galaxie verschwun<strong>de</strong>n’, so Frank-<br />

Patrick Steckel. ‚Ohnehin wer<strong>de</strong>n die bun<strong>de</strong>s<strong>de</strong>utschen Spielpläne immer synchroner. Wo, bitte, ist heute<br />

noch ein Stück von Hans Henny Jahnn, Ernst Barlach o<strong>de</strong>r August Strindberg auf <strong>de</strong>r Bühne zu sehen?’<br />

[…]<br />

Die ‚Heilige Johanna’ hält Steckel für brennend aktuell. […] Das Stück han<strong>de</strong>le von <strong>de</strong>r ‚ökonomischen Degradierung<br />

<strong>de</strong>s Menschen’, so Steckel. Und das Theater führe sich selbst ad absurdum, wenn es nicht<br />

mehr Position gegen die Menschenverachtung beziehe.“<br />

11


2. Zusammenstellung<br />

Erfahrungen mit Theater und Spiel<br />

Die heutige Situation: Medienkonkurrenz<br />

Je<strong>de</strong>r, <strong>de</strong>r sich heute mit <strong>de</strong>n Möglichkeiten <strong>de</strong>s Theaters<br />

und <strong>de</strong>s Theaterspielens für Kin<strong>de</strong>r ernsthaft<br />

beschäftigt, muss eine Situation ins Auge fassen, in<br />

<strong>de</strong>r diese alte Form <strong>de</strong>s kreativen Ausdrucks nur eine<br />

unter vielen ist, dies gilt für die Produktion, vor allem<br />

aber für die Rezeption.<br />

Nur ein kurzer Blick auf die Geschichte: Bücher (und<br />

Zeitschriften) speziell für Kin<strong>de</strong>r erscheinen seit <strong>de</strong>m<br />

18. Jahrhun<strong>de</strong>rt, und nicht nur in <strong>de</strong>r Entstehungszeit<br />

<strong>de</strong>r Aufklärung waren sie häufig von pädagogischen<br />

Implikationen <strong>de</strong>r Autoren bestimmt – erfüllten aber<br />

gleichzeitig auch die Unterhaltungsbedürfnisse <strong>de</strong>s<br />

jugendlichen Publikums. Theater für Kin<strong>de</strong>r war als<br />

Schultheater bereits seit <strong>de</strong>m Humanismus bekannt,<br />

vom Puppentheater berichten Goethe und viele an<strong>de</strong>re<br />

Dichter in ihren Erinnerungen (darauf wer<strong>de</strong>n wir<br />

später eingehen), von einem eigenständigen <strong>Kin<strong>de</strong>rtheater</strong>,<br />

das die Bedürfnisse und Erfahrungen <strong>de</strong>s<br />

Publikums ernst nahm, kann man jedoch eigentlich<br />

Mediatisierung <strong>de</strong>r Kindheit<br />

Text zur Medienkonkurrenz<br />

erst seit <strong>de</strong>n 1920er Jahren, stärker noch nach 1945<br />

re<strong>de</strong>n.<br />

Immer größere Be<strong>de</strong>utung erhielten seit Beginn <strong>de</strong>s<br />

20. Jahrhun<strong>de</strong>rts die technischen, audiovisuellen<br />

Medien, zunächst das Kino, das lange Zeit hindurch<br />

für Kin<strong>de</strong>r vor allem Märchen adaptierte, später dann<br />

natürlich das Fernsehen, Vi<strong>de</strong>o, heute in immer noch<br />

zunehmen<strong>de</strong>m Maße Computerspiele und das Internet.<br />

Alle diese Medien, die vor allem mächtigen kommerziellen<br />

Interessen unterworfen sind, haben eines<br />

gemeinsam: Sie sind bunt, häufig grell, schnell in <strong>de</strong>r<br />

Bil<strong>de</strong>rfolge, oft sensationalistisch im Aufbau, höchst<br />

attraktiv auch für kleinere Kin<strong>de</strong>r. Es ist selbstverständlich,<br />

dass Produktion wie Rezeption von Theater<br />

davon nicht unbeeinflusst bleiben kann. In wie starkem<br />

Maße die neuen Medien Erlebnis- und Lernformen<br />

<strong>de</strong>r Kindheit bestimmen, zeigt ein Artikel <strong>de</strong>s<br />

Medienwissenschaftlers Heidtmann, <strong>de</strong>n wir hier auszugsweise<br />

vorstellen:<br />

In kaum mehr als zwei Jahrzehnten hat sich die gesellschaftliche Komm<strong>uni</strong>kation –und damit auch die Medienlandschaft<br />

- drastisch verän<strong>de</strong>rt. Neue Medien sind zur Aufrechterhaltung komplexer Komm<strong>uni</strong>kationsstrukturen,<br />

sind für das Funktionieren von Politik, Wirtschaft und Kultur notwendig gewor<strong>de</strong>n. Für die Bewußtseins-<br />

und Meinungsbildung sind die Printmedien schon längst nicht mehr die Leitmedien. Entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong><br />

Zäsuren waren für uns in Westeuropa die etwa 1981 beginnen<strong>de</strong> Nutzung von Micro- o<strong>de</strong>r Personalcomputern,<br />

war die Vernetzung von Computern durch das WorldWi<strong>de</strong>Web, das seit 1982 auch Bild- und<br />

Audiodateien transportieren kann, und war die Einführung <strong>de</strong>s dualen Rundfunksystems Mitte <strong>de</strong>r 1980er<br />

Jahre, die eine seit<strong>de</strong>m stetig steigen<strong>de</strong> Zahl von TV-Programmen zur Folge hatte. Kin<strong>de</strong>r wachsen heute in<br />

einer audiovisuell und multimedial geprägten Umwelt auf. In praktisch allen Haushalten sind Fernseh- wie<br />

Audiogeräte mehrfach vorhan<strong>de</strong>n. Mehr als 90 % <strong>de</strong>r bun<strong>de</strong>s<strong>de</strong>utschen Haushalte können über Kabelanschluß<br />

o<strong>de</strong>r Satellit auf mehrere Dutzend TV-Programme zugreifen. Familien mit Kin<strong>de</strong>rn verfügen im<br />

Regelfall über Vi<strong>de</strong>orecor<strong>de</strong>r und zunehmend auch DVD-Player. Mehr als die Hälfte aller <strong>de</strong>utschen Haushalte<br />

besitzt En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Jahres 2001 min<strong>de</strong>stens einen Personalcomputer. Haushalte mit schulpflichtigen<br />

Kin<strong>de</strong>rn weisen eine überdurchschnittliche Ausstattung mit PCs und an<strong>de</strong>rer Medienhardware auf. So liegt -<br />

laut GfK [Gesellschaft für Konsumforschung e. V.]- <strong>de</strong>r PC-Besitz in Haushalten mit Kin<strong>de</strong>rn bei gegenwärtig<br />

75 Prozent, in Haushalten mit Kin<strong>de</strong>rn, die das Gymnasium besuchen, noch knapp 10 Prozent höher.4 Die<br />

Zahl <strong>de</strong>r Internetnutzer verdoppelt sich gegenwärtig weltweit jährlich. Mehr als 30 Prozent <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen<br />

Haushalte waren En<strong>de</strong> 2000 online. Weltweit haben mehr als 400 Millionen Menschen einen Online-<br />

Zugang. Die technologischen Grundlagen für die vollständige Digitalisierung <strong>de</strong>r Telekomm<strong>uni</strong>kation sind<br />

<strong>de</strong>rzeit bereits vorhan<strong>de</strong>n.<br />

[...]<br />

12


Mediale Freizeitbeschäftigungen von Kin<strong>de</strong>rn<br />

Bei Jugendlichen ist die Attraktivität <strong>de</strong>s Fernsehbildschirms gegenwärtig zwar etwas rückläufig, im Kin<strong>de</strong>ralltag<br />

spielt dieser nach wie vor eine dominante Rolle als Unterhaltungsmedium und Sozialisationsfaktor.<br />

Für Kin<strong>de</strong>r im Kleinkind- und Vorschulalter ist das Fernsehen seit Jahren <strong>de</strong>r wichtigste Geschichtenerzähler.<br />

Täglich bekommen sie kurze Episo<strong>de</strong>n, Geschichten in Form von Serienfolgen und Spielfilmen erzählt,<br />

unter Umstän<strong>de</strong>n mehr als 1.000 Geschichten im Jahr. Nur noch ein Bruchteil <strong>de</strong>r bis zum Beginn <strong>de</strong>r<br />

Schulzeit rezipierten Geschichten erreicht Kin<strong>de</strong>r durch die gemeinsame Lektüre von Büchern in <strong>de</strong>r Familie<br />

o<strong>de</strong>r durch Vorlesen.<br />

Quelle<br />

Horst Heidtmann: Aufwachsen im Mediendschungel. Aktuelle Ten<strong>de</strong>nzen <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>rmedienentwicklung. In: Aktion Jugendschutz Ba<strong>de</strong>n-Württemberg<br />

(Hg.): Gewalt in <strong>de</strong>n Medien. Stuttgart 2002, S. 33-51.<br />

Dass das <strong>Kin<strong>de</strong>rtheater</strong> angesichts <strong>de</strong>r Medienkonkurrenz<br />

heute eher in <strong>de</strong>n Hintergrund gerät, stellt ebenfalls<br />

Heidtmann fest: „Wichtiger als das weihnachtliche<br />

Bühnenmärchen sind seit langem die kommerziellen<br />

Leinwandspektakel, die aufwendig beworbenen<br />

Erstaufführungen von Hollywoodgroßproduktionen in<br />

<strong>de</strong>r Weihnachtszeit, von Disney- und Spielberg-Filmen,<br />

die heute die ganze Familie in die Kinos locken.“ 7<br />

Nicht nur übernehmen Medien wie das Fernsehen<br />

Bühneninszenierungen (etwa aus <strong>de</strong>m Puppen- und<br />

Figurentheater). Die audiovisuellen Medien sind selber<br />

stark von dramatischen und dramaturgischen Prinzipien<br />

bestimmt, die aus <strong>de</strong>m traditionellen Drama und<br />

Theater stammen, durch die technischen Produktionsbedingungen<br />

und die Zurichtung auf ein Massenpublikum<br />

jedoch verän<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n (und teilweise<br />

wie<strong>de</strong>rum zurückwirken auf die Gestaltung in <strong>de</strong>n<br />

Theatern). Festzustellen ist dies schon früh beim Märchen:<br />

Diese wur<strong>de</strong>n bereits im 19. Jahrhun<strong>de</strong>rt im<br />

Theater erfolgreich für Kin<strong>de</strong>r aufbereitet, zu Beginn<br />

<strong>de</strong>s 20. Jahrhun<strong>de</strong>rts dann zunehmend vom Film, <strong>de</strong>r<br />

7Vgl. Horst Heidtmann. Kin<strong>de</strong>rmedien. Stuttgart 1992, S. 33.<br />

natürlich eine größere Massenwirksamkeit erreichen<br />

konnte und neue Mittel <strong>de</strong>r Illusionswirkung einsetzte.<br />

Neben <strong>de</strong>r Konkurrenz gibt es zunehmend auch das<br />

Phänomen <strong>de</strong>s Medienverbun<strong>de</strong>s: Bestimmte Stoffe –<br />

etwa aus <strong>de</strong>m Märchen, aber auch Kin<strong>de</strong>rbücher wie<br />

etwa die von Janosch o<strong>de</strong>r Astrid Lindgren – erscheinen<br />

als Buch, Film, Fernsehadaption und zugleich<br />

auch als Theaterstück. <strong>Kin<strong>de</strong>rtheater</strong> versuchen mit<br />

ihren spezifischen Mitteln als Medium ästhetischer<br />

Komm<strong>uni</strong>kation die Aufmerksamkeit von Kin<strong>de</strong>rn,<br />

aber auch Eltern und Erziehern zu erringen, in<strong>de</strong>m sie<br />

aus <strong>de</strong>n Massenmedien bekannte Stoffe verwen<strong>de</strong>n<br />

und umformulieren. „Harry Potter“ etwa gibt es nicht<br />

nur als Buch und Film, son<strong>de</strong>rn auch als Musical-<br />

Adaption. Und es ist bekannt, dass gera<strong>de</strong> die weltweit<br />

nach wie vor bekannteste Kin<strong>de</strong>rbuchautorin, Astrid<br />

Lindgren, bewusst Einfluss auf die ‚Verbundproduktion<br />

und –Distribution’ ihrer Werke nahm. Lindgrens Figuren<br />

und Werke liegen als Bil<strong>de</strong>rbücher, Erzählungen,<br />

Hörspiel, Cassette, Film/DVD/Vi<strong>de</strong>o, zum Teil als Theaterstück,<br />

einschließlich Computerspielen und Merchandising-Produkten<br />

vor.<br />

Anmerkung<br />

13


Theoretischer Text<br />

3. Was ist ästhetische Erfahrung<br />

– was ästhetische Bildung?<br />

Seit <strong>de</strong>n 1980er Jahren ist eine Zunahme <strong>de</strong>s Interesses<br />

an ästhetischen Fragen und Verfahren nicht nur<br />

im Bereich <strong>de</strong>r darauf spezialisierten Wissenschaften<br />

(Kunst- und Literaturwissenschaft, Philosophie) feststellbar,<br />

son<strong>de</strong>rn gera<strong>de</strong> auch in <strong>de</strong>n vermitteln<strong>de</strong>n<br />

Disziplinen, also <strong>de</strong>n Didaktiken und <strong>de</strong>r Pädagogik,<br />

im hier vorliegen<strong>de</strong>n Fall insbeson<strong>de</strong>re <strong>de</strong>r Theaterpädagogik.<br />

8<br />

Zu nennen ist hier beson<strong>de</strong>rs Gun<strong>de</strong>l Mattenklotts<br />

Buch „Grundschule <strong>de</strong>r Künste. Vorschläge zur Musisch-Ästhetischen<br />

Erziehung“ von 1998, in <strong>de</strong>m die<br />

Autorin versucht, neben <strong>de</strong>n Grundlagen (etwa in <strong>de</strong>r<br />

Antike bei Plato und an<strong>de</strong>ren Denkern) und <strong>de</strong>n wesentlichen<br />

historischen Entwicklungen (etwa <strong>de</strong>r Reformpädagogik<br />

o<strong>de</strong>r auch <strong>de</strong>n Ten<strong>de</strong>nzen nach <strong>de</strong>m 2.<br />

Weltkrieg) Möglichkeiten einer didaktisch reflektierten<br />

ästhetischen Bildung in Didaktik und Erziehungsprozessen<br />

in <strong>de</strong>r Gegenwart zu entwickeln.<br />

Wesentlich ist die Erkenntnis, dass sich die ästhetische<br />

Bildung als Versuch einer ganzheitlichen Bildung<br />

<strong>de</strong>s Menschen schon früh in Konkurrenz zu jener parzellieren<strong>de</strong>n,<br />

fragmentierten und spezialisierten Ausbildungskonzeption<br />

befand, die auch heute noch (und<br />

vielleicht stärker <strong>de</strong>nn je) die Bildungspläne beherrscht.<br />

Die mo<strong>de</strong>rne Bildung als Teil <strong>de</strong>r neuzeitlichen<br />

Zivilisation sei zwar potentiell in <strong>de</strong>r Lage, Wissen<br />

und Qualifikationen für die Lebensbewältigung<br />

und die berufliche Praxis zu vermitteln, lasse aber<br />

Ästhetische Erziehung im Kin<strong>de</strong>rgarten<br />

letztlich das Individuum unausgefüllt und verhin<strong>de</strong>re<br />

die Entfaltung <strong>de</strong>r in ihm angelegten Fähigkeiten,<br />

insbeson<strong>de</strong>re <strong>de</strong>s kreativen Potentials. Die musischästhetischen<br />

Bildungskonzeptionen wur<strong>de</strong>n vor allem<br />

rückgebun<strong>de</strong>n an bestimmte angenommene Eigenschaften<br />

<strong>de</strong>s Kindseins, die im Erwachsenenalter<br />

verschüttet wür<strong>de</strong>n. Mattenklott stellt hier vor allem<br />

fest:<br />

� „die Dominanz <strong>de</strong>s Gefühls vor <strong>de</strong>m rationalen<br />

Denken,<br />

� die Eindrucksfähigkeit, die aus <strong>de</strong>r Erstmaligkeit<br />

von Wahrnehmungen und Erlebnissen resultiert,<br />

� eine physiognomisch geprägte Wahrnehmung,<br />

die in Welt und Dingen ein Antlitz erkennt,<br />

� konkretes und inklusives Denken, das die Welt<br />

eher in Bil<strong>de</strong>rn und Gegenstän<strong>de</strong>n als in abstrakten<br />

Symbolen repräsentiert.“ 9<br />

Es ist leicht auszumachen, dass hier eine Affinität zu<br />

ästhetisch gerichteten Anschauungen und <strong>de</strong>r ästhetischen<br />

Bildung überhaupt besteht. Dies führte dazu,<br />

dass vor allem für <strong>de</strong>n Bereich <strong>de</strong>r vorschulischen<br />

Erziehung und <strong>de</strong>r Elementarbildung das Ästhetische<br />

einen großen Stellenwert einnahm, während es in <strong>de</strong>n<br />

Formen <strong>de</strong>r höheren Bildung (Sekundarstufe II, Gymnasium)<br />

eher zurückgedrängt wur<strong>de</strong>.<br />

Aufgabe: Rezension eines Kapitels aus <strong>de</strong>m Buch<br />

� Gun<strong>de</strong>l Mattenklott: Grundschule <strong>de</strong>r Künste. Vorschläge zur Musisch-Ästhetischen Erziehung. Hohengehren<br />

1998<br />

� Musisch-Ästhetische Erziehung, S. 25-29<br />

� Das Theater, S. 81-88<br />

� S. auch Gun<strong>de</strong>l Mattenklott: Kin<strong>de</strong>r machen Theater. Ein Arbeitsbuch. Berlin 1983.<br />

Heute wird die Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r ästhetischen Bildung<br />

theoretisch kaum je in Zweifel gezogen, in <strong>de</strong>r gesellschaftlichen<br />

Praxis scheint diese Bildung aber doch in<br />

Gefahr gegenüber <strong>de</strong>r Dominanz medial bestimmter<br />

(und nur zum Teil ‚künstlerischer’) Erfahrungswelten,<br />

<strong>de</strong>n Ansprüchen von Wirtschaft, Beruf o<strong>de</strong>r Technik<br />

ins Hintertreffen zu geraten.<br />

Der Bereich <strong>de</strong>s theatralen Spiels – neben Musik und<br />

bil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>r Kunst das Kernstück ästhetisch bewusster<br />

curricularer Vorstellungen – entwickelt sich auf <strong>de</strong>r<br />

Basis <strong>de</strong>s anthropologisch fundierten kindlichen Zugangs<br />

zur Welt, <strong>de</strong>r im folgen<strong>de</strong>n Beitrag erklärt wird:<br />

14


Zum kindlichen Lernen<br />

Das Kind nähert sich <strong>de</strong>r Welt, unvoreingenommen, voller Neugier<strong>de</strong> und Lebenslust. Es ist konzentriert,<br />

aufmerksam, sensitiv. Entsprechend seinen Erfahrungen wird es Selbst- und Welt-Vertrauen entwickeln o<strong>de</strong>r<br />

ängstlich, unsicher sich verhalten lernen. Es will lernen, sich erproben, erfahren, geben, nehmen. Es hat<br />

seinen individuellen Lebens- und Lernrhythmus, seine unvergleichliche Antriebs- und Temperamentsstruktur.<br />

Es muss sich angenommen, geborgen, verstan<strong>de</strong>n, ernstgenommen fühlen können. Seine Befindlichkeiten,<br />

Stimmungen und Körpersensationen beeinflussen sein Verhalten. Es lebt und entwickelt sich, in<strong>de</strong>m<br />

es in seiner Umwelt komm<strong>uni</strong>ziert, in einen wechselseitigen, lebendigen Austausch tritt. Es produziert,<br />

variiert, kombiniert und entwickelt seine Ausdrucksformen. Das Kind kann und will zu <strong>de</strong>r alltäglichen (Re-)<br />

Produktion seines Umfelds beitragen. In seinem Spiel, in seiner Tätigkeit, seiner sozialen Beziehung zu an<strong>de</strong>ren,<br />

<strong>de</strong>r Inszenierung von Materialien und Gegenstän<strong>de</strong>n drückt es seine Weitsicht, seine Gefühle, Bedürfnisse<br />

und Interessen aus, bearbeitet und klärt seinen Bezug zu sich selbst und <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren. Es ist<br />

darauf angewiesen, dass seine Ausdrucksformen und seine Gestaltungen als Signale wahrgenommen, aufgegriffen,<br />

einbezogen wer<strong>de</strong>n und so zu Elementen eines fortwähren<strong>de</strong>n, wechselseitigen Komm<strong>uni</strong>kationsprozesses<br />

wer<strong>de</strong>n. Allerdings erschwert die allgemeine kulturelle Situation es <strong>de</strong>m Kind (und uns) häufig,<br />

sich als Subjekt seiner Entwicklung und als Gestalter seiner Umwelt zu erfahren. Beispiele: Das Kind<br />

wird einem von außen diktierten Tagesrhythmus (Arbeitswelt) unterworfen; es wird häufig im Auto als bewahren<strong>de</strong>r,<br />

versorgen<strong>de</strong>r Organisation passiv beför<strong>de</strong>rt; lebenssichern<strong>de</strong> Tätigkeiten sind vom Ort seiner<br />

Betreuung (Gruppenraum) ausgelagert o<strong>de</strong>r doch in aller Regel undurchsichtig gewor<strong>de</strong>n. Anschaulich begreifbare,<br />

nachvollziehbare Erfahrungszusammenhänge haben sich reduziert; die freien bespielbaren Flächen<br />

sind rar, reglementierte und normierte Spielplätze sind an ihre Stelle getreten. Das Kind ist in seiner<br />

Umwelt in vielfältiger Form damit konfrontiert, wie die Menschen ihre Verhältnisse zueinan<strong>de</strong>r und zur Natur<br />

und Technik gestaltet haben: Verkehrssysteme, Versorgungseinrichtungen, Gebäu<strong>de</strong>, Maschinen und<br />

Geräte legen Zeugnis für Etappen menschlicher und technologischer Entwicklung ab. Die in komplexen<br />

Umwelten enthaltenen Botschaften liegen häufig nicht offen und können ohne Hilfestellung und Anleitung<br />

zumeist nicht aufge<strong>de</strong>ckt wer<strong>de</strong>n. Die Kin<strong>de</strong>r bedürfen ihrer Augen, Hän<strong>de</strong> und all ihrer an<strong>de</strong>ren Sinne, um<br />

sich die sie umgeben<strong>de</strong> Welt anzueignen. Dies geschieht facettenweise, prozesshaft. Sie benötigen Brücken<br />

zwischen Teilen ihrer inneren und <strong>de</strong>r äußeren Welt. Sie pen<strong>de</strong>ln zwischen Realität und Phantasie; sie<br />

verwan<strong>de</strong>ln Realitäten spielerisch, gestalten Metamorphosen und ent<strong>de</strong>cken dabei phänomenologisch Naturgesetze<br />

ebenso wie die Mehr<strong>de</strong>utigkeit vor Gegenstän<strong>de</strong>n. Sie gewinnen Interpretations-Spiel-Räume,<br />

in<strong>de</strong>m sie Perspektiven wechseln, von <strong>de</strong>r Nahaufnahme zur Totalen "Springen". Das Kind als forschen<strong>de</strong>s<br />

und ent<strong>de</strong>cken<strong>de</strong>s Subjekt begibt sich in einen Prozess, <strong>de</strong>r durch Spontaneität, Neugier<strong>de</strong>, Abenteuerlust,<br />

Lernbegier<strong>de</strong>, Wi<strong>de</strong>rsprüchlichkeiten angetrieben und durch selbstgesteuerte Tätigkeiten gespeist wird.<br />

Spiel-, Lern- und Lebensraum Kin<strong>de</strong>rgarten<br />

Die Freiräume für ungebärdige, offene, abenteuerliche, durchmischte Welt – und Selbsterfahrungen wer<strong>de</strong>n<br />

<strong>de</strong>r Ten<strong>de</strong>nz nach insbeson<strong>de</strong>re für Stadtkin<strong>de</strong>r zugebaut. Der institutionalisierten Erziehung wachsen<br />

hier historisch neue Aufgaben zu; nämlich etwas von <strong>de</strong>n neugierigen Welt-Erkundungen zu erhalten, die<br />

einer technischen, rationalen und effektiven Perspektive unnütz erscheinen mögen. Das oben beschriebene<br />

Lernverhalten ist nicht ohne weiteres durchschnittlich in Kin<strong>de</strong>rgärten zu beobachten. Spielräume<br />

scheinen <strong>de</strong>mgegenüber unzulänglich genutzt. Arrangement und pädagogische Arbeitsweisen kommen<br />

nicht immer <strong>de</strong>r Entfaltung kindlicher Lernlust entgegen. Dafür kann es recht unterschiedliche Grün<strong>de</strong> geben:<br />

Konzeptionen für die praktische Umsetzung von "Träumen vom ganz an<strong>de</strong>ren Lernen" wer<strong>de</strong>n u. U. in<br />

<strong>de</strong>r Mühle routinierter und isolierter Arbeitsformen verschlissen. In Ermangelung offensiver, praktischer<br />

Konzeptionen, die auf die Nutzung von Bewegungsmöglichkeiten und -räumen in <strong>de</strong>r Institution zielen, ist<br />

die Wahrnehmung umso eher auf die Hür<strong>de</strong>n tatsächlich o<strong>de</strong>r vermeintlich behin<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>r Vorschriften o<strong>de</strong>r<br />

Sachzwänge fixiert. Erzieherinnen sind vielleicht auf normieren<strong>de</strong>s Basteln hin ausgebil<strong>de</strong>t o<strong>de</strong>r festgelegt:<br />

Die von <strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>rn hergestellten Pappblumen, die von <strong>de</strong>r Gruppenraum<strong>de</strong>cke herunterhängen, sind<br />

nach Schablonen gefertigt. Das Kind erkennt sich nicht in seiner BIUME und fin<strong>de</strong>t die eigene nicht aus <strong>de</strong>r<br />

Vielzahl <strong>de</strong>r gleichen heraus: Homogenisierung statt Individualisierung vermittelt die Technik erfahrungsneutral<br />

zum Gegenstand "Blume"; das Ergebnis <strong>de</strong>r Techniken Malen, Kleben, Schnei<strong>de</strong>n steht schon im<br />

voraus fest, und mit ihnen können keine Experimente stattfin<strong>de</strong>n. Der vom einzelnen Kind zurückgelegte<br />

Weg ist im hergestellten Produkt nicht unverwechselbar wie<strong>de</strong>rzuerkennen. Für an<strong>de</strong>re Erzieherinnen gestalten<br />

sich Lernprozesse vorrangig verbal und ihre Aufmerksamkeit ist auf die Entfaltung und Entwicklung<br />

<strong>de</strong>r Beziehungsdynamik gerichtet Die physische Umwelt und Gegen-Stän<strong>de</strong> riskieren ausgeblen<strong>de</strong>t zu wer<strong>de</strong>n.<br />

Die in <strong>de</strong>r gegenständlichen Umwelt enthaltenen Anstöße und Herausfor<strong>de</strong>rungen für das erfahrungs-<br />

15


ezogene Lernen und für die Vermittlung und Entwicklung sozialer Beziehungen wer<strong>de</strong>n als Folge häufig<br />

unterschätzt.<br />

[...]<br />

Anliegen <strong>de</strong>r Ästhetischen Erziehung [...]<br />

Den übergreifen<strong>de</strong>n Rahmen bil<strong>de</strong>t die umfassen<strong>de</strong> Ausbildung menschlicher Sinne und Gestaltungsfähigkeiten<br />

als ein Erziehungsziel für alle Kin<strong>de</strong>r. Die folgen<strong>de</strong>n Gesichtspunkte sind beson<strong>de</strong>rs be<strong>de</strong>utsam:<br />

Kin<strong>de</strong>r wer<strong>de</strong>n darauf vorbereitet, neuen Situationen frei zu begegnen und darauf bezogen, Antworten zu<br />

konzipieren und zu erproben. Deshalb muss die schöpferische Kraft <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s gestärkt wer<strong>de</strong>n. Das Mittel<br />

ist die Erziehung zur Kreativität.<br />

Schöpferische Kraft entsteht aus <strong>de</strong>r transzendieren<strong>de</strong>n Auseinan<strong>de</strong>rsetzung mit <strong>de</strong>n gera<strong>de</strong> herrschen<strong>de</strong>n<br />

I<strong>de</strong>en, <strong>de</strong>n oft bedrohlich einengen<strong>de</strong>n Konformismen. Ästhetische Erziehung als virulente Kraft zur Überwindung<br />

von Grenzen, als Metho<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Aneignung <strong>de</strong>s Unerforschten kann das Kind in seinem individuellen,<br />

kreativen Prozess unterstützen. Grundlage für das Forschen <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r bil<strong>de</strong>n in diesem Zusammenhang<br />

u.a. verschie<strong>de</strong>nartige, intensive Materialerfahrungen und -angebote. Die Fähigkeit, sich aktiv wahrnehmend<br />

in die Dinge und in das Geschehen hineinzuversenken und dieses feinfühlig aufzunehmen, gilt es<br />

zu erhalten (wie<strong>de</strong>r zu erlangen) und zu entwickeln. In diesem Prozess entsteht ein stimulieren<strong>de</strong>r Strom<br />

von Emotionen, Bil<strong>de</strong>rn, Stimmungen, Interaktionen und Be<strong>de</strong>utungen.<br />

Kreative Prozesse sind sozial vermittelt und bedürfen <strong>de</strong>r Rückbeziehung wie<strong>de</strong>rum auf die das Kind bestimmen<strong>de</strong>n<br />

sozialen Zusammenhänge. Im Zentrum steht daher, die Fähigkeit <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s zur Produktion<br />

"komm<strong>uni</strong>kativer Gegenstän<strong>de</strong>" zu erweitern. Hiermit ist die Vergegenständlichung von Komm<strong>uni</strong>kation ebenso<br />

gemeint wie die Herstellung von symbolischen Gegenstän<strong>de</strong>n, die Komm<strong>uni</strong>kation herausfor<strong>de</strong>rn.<br />

Dabei bedürfen die Kin<strong>de</strong>r unterstützen<strong>de</strong>r Begleitung und <strong>de</strong>r produktiven Wegweisung durch "Spielregeln",<br />

die mobilisieren und auf Horizonte <strong>de</strong>s Imaginären zuführen, das Feld <strong>de</strong>r Phantasie also erweitern.<br />

Dabei gilt es nicht zu verkennen, dass das Umfeld <strong>de</strong>r meisten Kin<strong>de</strong>r (je<strong>de</strong>nfalls außerhalb <strong>de</strong>r pädagogisch<br />

wohlbedachten Strukturen) eher karg und auf die Reproduktion von Stereotypen hin sozialisiert ist<br />

Die Gleichförmigkeit von Produkten "freischaffen<strong>de</strong>r" Kin<strong>de</strong>r lässt die bereits früh einsetzen<strong>de</strong>n Begrenzungen<br />

ahnen, die z.B. mit einer antiautoritären Erziehung nicht aufhebbar sind. Die Fähigkeit <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s zur<br />

kulturellen Teilhabe, Kompetenz und Genussfähigkeit ist zu för<strong>de</strong>rn. Diese entschei<strong>de</strong>t sich über die vielfältige<br />

Entfaltung verschie<strong>de</strong>ner Ausdrucksformen und <strong>de</strong>ren Verständnis. Es gilt, die vielen verschie<strong>de</strong>nen<br />

Sprachen von Kin<strong>de</strong>rn zuzulassen, ihnen Gelegenheit zu geben, sie weiter auszubil<strong>de</strong>n und miteinan<strong>de</strong>r so<br />

zu verweben, dass sie sich ergänzen und wechselseitig för<strong>de</strong>rn mögen. Dies gilt für darstellen<strong>de</strong>s Spiel, Malerei,<br />

Tanz und Musik z.B. ebenso wie für individuell differieren<strong>de</strong> Sprachmuster o<strong>de</strong>r interkulturell variieren<strong>de</strong><br />

Be<strong>de</strong>utungsgehalte von Sprache und Bild. Dieser interaktive Prozess bedarf aller Zugänge <strong>de</strong>r Annäherung,<br />

<strong>de</strong>r Erforschung. Er bewirkt wie<strong>de</strong>rum die Verbreiterung und Intensivierung <strong>de</strong>r Wahrnehmung, beför<strong>de</strong>rt<br />

ein differenziertes Verständnis <strong>de</strong>r Um- und Innenwelt, <strong>de</strong>r Abbil<strong>de</strong>r und <strong>de</strong>s Selbst-Bildnisses. Die<br />

die Kin<strong>de</strong>r begleiten<strong>de</strong>n Spielregeln sichern im übrigen eine weitläufige Anbindung <strong>de</strong>r phantasievollen und<br />

phantastischen Exkursionen an die Realität: Gegenstän<strong>de</strong>n wird Leben eingehaucht, das Kind animiert sie,<br />

erforscht sie, gebraucht und verbraucht sie. In diesem Prozess <strong>de</strong>r Aneignung wer<strong>de</strong>n Gegenstän<strong>de</strong> tatsächlich<br />

o<strong>de</strong>r auch nur in ihrer Be<strong>de</strong>utung verän<strong>de</strong>rt und dies bewirkt, dass sich parallel dazu die innere<br />

Welt <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s weiter ausdifferenziert. Dies trifft sowohl auf <strong>de</strong>r kognitiven wie auf <strong>de</strong>r emotionalen Ebene<br />

zu. Dieser Prozess ist ein innerer und muss zugleich ein nach außen in Produkten und in <strong>de</strong>r Verän<strong>de</strong>rung<br />

von Gegenstän<strong>de</strong>n und Abläufen sich ausdrücken<strong>de</strong>r sein.<br />

Text<br />

Ästhetische Erziehung im Kin<strong>de</strong>rgarten. Entwicklung von pädagogischen Projekten zur För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r sinnlichen Wahrnehmung Ausdrucks-<br />

und Gestaltungsfähigkeit Kreativität - Sonnengarten e.V. [http://psychosozialepraxis.<strong>de</strong>/sonnengarten/pdf/Aesthetische_Erzie-hung_im_Kin<strong>de</strong>rgarten.pdf]<br />

(gekürzt).<br />

Die Rückwendung zum Ästhetischen ist Ausdruck<br />

einer intensivierten Sensibilität für die Probleme Heranwachsen<strong>de</strong>r,<br />

ist zugleich Folge eines Mangelbewusstseins,<br />

das sich gera<strong>de</strong> in <strong>de</strong>r Arbeit mit Kin<strong>de</strong>rn<br />

und Jugendlichen ausdrückt, nämlich<br />

� einer zunehmen<strong>de</strong>n Dominanz durch Medien<br />

vermittelter Bil<strong>de</strong>r, die keine wirkliche Beschäftigung<br />

mit ihren Inhalten o<strong>de</strong>r die Freisetzung<br />

imaginativer Energien erfor<strong>de</strong>rn,<br />

� <strong>de</strong>m zunehmen<strong>de</strong>n Verschwin<strong>de</strong>n genuin kulturell-künstlerischer<br />

Erfahrungen, die innerhalb<br />

16


eines bildungsbürgerlichen Horizonts als<br />

selbstverständlich vorausgesetzt wur<strong>de</strong>n.<br />

Immer mehr geht es – gera<strong>de</strong> wenn man die kulturelle<br />

Mangelsituation vieler Kin<strong>de</strong>r und Jugendlicher in<br />

‚bildungsfernen’ Umgebungen sieht – um eine Art<br />

‚kompensatorischer’ ästhetischer Früherziehung, die<br />

bereits im Kin<strong>de</strong>rgarten und in <strong>de</strong>r Vorschulerziehung<br />

beginnen sollte. Deren Erfolg ist allerdings nicht garantiert,<br />

und die bisher vorliegen<strong>de</strong>n Untersuchen lassen<br />

keine ein<strong>de</strong>utigen Schlüsse zu.<br />

Die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit ästhetischer<br />

Bildung wird insgesamt meist nicht bezweifelt o<strong>de</strong>r<br />

hinterfragt, ist aber ein Problem, das insbeson<strong>de</strong>re in<br />

<strong>de</strong>r (post-) mo<strong>de</strong>rnen Gesellschaft auftritt, wo traditionelle<br />

Bildungsgüter (Buch, Theater, ‚E-Musik’ etc.)<br />

zumin<strong>de</strong>st für weite Bevölkerungskreise an Geltung<br />

verloren haben und vielfach durch neue Formen <strong>de</strong>r<br />

Unterhaltungskultur verdrängt o<strong>de</strong>r wenigstens bedroht<br />

sind: Fernsehen, Vi<strong>de</strong>ospiele, Internet etc.<br />

Häufig hat <strong>de</strong>shalb die Reflexion über ästhetische<br />

Bildung in <strong>de</strong>r Gegenwart <strong>de</strong>fensiven Charakter o<strong>de</strong>r<br />

ist mit stark kulturkritischen Untertönen versehen.<br />

Bildung erscheint als ein bedrohtes, <strong>de</strong>shalb zu<br />

‚schützen<strong>de</strong>s’ Gut. Allerdings wäre zu fragen, ob sich<br />

nicht auch <strong>de</strong>r Begriff <strong>de</strong>s Ästhetischen durch die<br />

neueren Entwicklungen verän<strong>de</strong>rn müsste, d.h. neu zu<br />

reflektieren und zu erweitern wäre. Dies beträfe etwa<br />

die Frage, ob und inwieweit die Popkultur mit all ihren<br />

verschie<strong>de</strong>nen Ausprägungen zum Bereich <strong>de</strong>s Ästhetischen<br />

gehört und in <strong>de</strong>n ‚Bildungskanon’ integriert<br />

wer<strong>de</strong>n müsste.<br />

Begründungen für die Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s Ästhetischen in<br />

<strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>rerziehung lassen sich auf verschie<strong>de</strong>nen<br />

Ebenen fin<strong>de</strong>n. Wur<strong>de</strong> früher <strong>de</strong>r Bildungswert <strong>de</strong>r<br />

Kulturgüter häufig <strong>de</strong>m Selbstverständnis <strong>de</strong>r Eliten<br />

entsprechend aus sich selbst heraus – als autonomer<br />

Wert - festgestellt (untermauert etwa durch die ästhetischen<br />

Theorien seit <strong>de</strong>m 18. Jahrhun<strong>de</strong>rt von Schiller<br />

über Kant bis schließlich noch <strong>de</strong>r Kritischen Theorie<br />

bei Adorno u.a.), so ist eine an<strong>de</strong>re Begründungsdimension<br />

wahrscheinlich noch wichtiger: die psychologische<br />

aus <strong>de</strong>n Voraussetzungen <strong>de</strong>r kindlichen Persönlichkeit<br />

heraus.<br />

Ausgegangen wird hier von einem quasi natürlichen<br />

Spielbedürfnis <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s, das sich mit einer elementaren<br />

Neugier verbin<strong>de</strong>t. Bereits das Kleinkind hat<br />

neben <strong>de</strong>m Anlehnungs- und Geborgenheitsbedürfnis<br />

an nahe Bezugspersonen (meist die Mutter) bereits<br />

Selbständigkeitsbedürfnisse, d.h. es versucht, innerhalb<br />

bestimmter Grenzen die es umgeben<strong>de</strong> Welt<br />

selbst zu erkun<strong>de</strong>n. Dies be<strong>de</strong>utet, dass das Kind<br />

nicht – wie früher oft angenommen wur<strong>de</strong> – lediglich<br />

ein Spiegel seiner Umwelt ist – o<strong>de</strong>r ein Gefäß, son<strong>de</strong>rn<br />

dass es bereits früh (nämlich schon im Stadium<br />

<strong>de</strong>r frühkindlichen Mutter-Kind-Symbiose) in eine aktive<br />

Komm<strong>uni</strong>kationsbeziehung zu <strong>de</strong>n Gegenstän<strong>de</strong>n<br />

und Personen <strong>de</strong>r äußeren Welt tritt. Dies läuft parallel<br />

zu körperlichen Vorgängen, insbeson<strong>de</strong>re <strong>de</strong>r Verfeinerung<br />

und Vervollkommnung <strong>de</strong>r Körperfunktionen<br />

und Sinnesorgane. Von beson<strong>de</strong>rer Be<strong>de</strong>utung dabei<br />

ist natürlich die Sprachentwicklung, die eine Differenzierung<br />

<strong>de</strong>r Komm<strong>uni</strong>kation ermöglicht und es <strong>de</strong>m<br />

Kind erlaubt, aktiv an seiner Umwelt teilzunehmen.<br />

Für das kleine Kind ergibt sich ein Wechselspiel zwischen<br />

Realitätswahrnahme und Phantasieproduktion,<br />

wobei bei<strong>de</strong> Bereiche bekanntlich auf dieser Stufe<br />

noch nicht ein<strong>de</strong>utig geschie<strong>de</strong>n sind. Kin<strong>de</strong>r nehmen<br />

die Objekte ihrer Umwelt spielerisch-imaginativ wahr<br />

und sie gestalten sie häufig in einem kreativen Sinne<br />

um.<br />

Aufgabe<br />

� Bitte entwickeln Sie wahlweise aus <strong>de</strong>m Buch von Baacke o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>m von Zollinger zehn Thesen zur<br />

ästhetischen Bildung.<br />

� Bestimmen Sie <strong>de</strong>n Begriff <strong>de</strong>s kreativen Spiels im Anschluss an diese Ansätze näher und mit Beispielen.<br />

Literatur zur Auswahl<br />

Dieter Baacke: Die 0- bis 5-jährigen. Einführung in die Probleme <strong>de</strong>r frühen Kindheit. 2. Aufl. Weinheim 1999.<br />

Barbara Zollinger, Hg.: Kin<strong>de</strong>r im Vorschulalter. Erkenntnisse, Beobachtungen und I<strong>de</strong>en zur Welt <strong>de</strong>r Drei- bis Siebenjährigen. Bern<br />

2000.<br />

Die hier ange<strong>de</strong>uteten Prozesse spielen sich natürlich<br />

nicht autonom, in einem quasi von <strong>de</strong>r Erwachsenenwelt<br />

isolierten Freiraum ab (es gibt also keine Robinson-<br />

o<strong>de</strong>r Kaspar-Hauser-Situation). Vielmehr greifen<br />

im Bereich <strong>de</strong>r ästhetischen Bildung von Anfang an<br />

gesellschaftliche Instanzen ein: zunächst die Eltern,<br />

<strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>rgarten, Schule, peer groups, in zunehmen<strong>de</strong>m<br />

Maße heute auch Medien, die insbeson<strong>de</strong>re die<br />

Wahrnehmungs- und Geschmacksbildung <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r<br />

beeinflussen.<br />

Ästhetische Bildungsziele wer<strong>de</strong>n letztlich von außen<br />

gesetzt, d.h. von <strong>de</strong>n Zielvorstellungen <strong>de</strong>r Gesellschaft.<br />

Heute ließe sich vielleicht als kleinster Nenner<br />

die ganzheitliche Bildung <strong>de</strong>r Sinne und <strong>de</strong>r Wahrnehmungs-<br />

und Gestaltungsfähigkeiten als Erzie-<br />

17


hungsziel nennen, auch die Fähigkeit zur Dechiffrierung<br />

wie zur spielerischen Anwendung/Vermittlung<br />

ästhetischer Symbolisierungen. Konkrete und ten<strong>de</strong>nziell<br />

einheitliche Bildungsziele sind angesichts <strong>de</strong>r<br />

Ausdifferenzierung und Individualisierung in <strong>de</strong>r Postmo<strong>de</strong>rne<br />

verbindlich kaum mehr zu formulieren. Als<br />

Bedingungsfaktoren für die Entwicklung von Zielen für<br />

die ästhetische Bildung sind insbeson<strong>de</strong>re zu be<strong>de</strong>nken:<br />

� starker Medienkonsum,<br />

� Einschränkung <strong>de</strong>r Ent<strong>de</strong>ckungsmöglichkeiten<br />

durch die Stadtkultur,<br />

� neuartige Entwicklungsbedingungen durch <strong>de</strong>n<br />

Zerfall <strong>de</strong>r traditionellen Familie und neue Mo<strong>de</strong>lle<br />

<strong>de</strong>s Zusammenlebens,<br />

� Zunehmen<strong>de</strong> Segregation gesellschaftlicher Milieus<br />

und Teilbereiche.<br />

Anmerkungen<br />

8Vgl. Ulrike Hentschel: Theaterspielen als ästhetische Bildung. Über einen Beitrag produktiven künstlerischen Gestaltens zur Selbstbildung.<br />

Weinheim 1996, S. 25.<br />

9Gun<strong>de</strong>l Mattenklott: Grundschule <strong>de</strong>r Künste. Vorschläge zur Musisch-Ästhetischen Erziehung. Hohengehren 1998, S. 34.<br />

18


4. Spiel – Spieltheorie<br />

Der Stellenwert ästhetischer Bildung<br />

in Kin<strong>de</strong>rgarten und Schule und im Kanon <strong>de</strong>r Fächer<br />

Der Pädagoge Gerd E. Schäfer fasst in einem aktuellen Text die Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s Spiels für die Bildung in <strong>de</strong>r frühen<br />

Kindheit zusammen:<br />

Die wesentlichen bil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Momente <strong>de</strong>s Spiels liegen nicht so sehr in <strong>de</strong>n Funktionen, die Kin<strong>de</strong>r im<br />

Rahmen ihrer Spiele üben, son<strong>de</strong>rn in <strong>de</strong>r Art und Weise <strong>de</strong>r Welterfahrung, die Spielen ermöglicht:<br />

Im Spiel wen<strong>de</strong>t sich das Kind seiner Um- und Mitwelt freiwillig zu. Es verfügt selbst darüber, wie und wie<br />

weit es sich einlässt.<br />

Kin<strong>de</strong>r verbin<strong>de</strong>n immer einen Sinn mit <strong>de</strong>m, was sie spielen. Sie können nicht sinnlos spielen (wohl aber<br />

sinnlos und oberflächlich etwas lernen).<br />

Im Spiel gebrauchen Kin<strong>de</strong>r alle Formen körperlich-sinnlicher Erfahrung, szenischer o<strong>de</strong>r bildhafter Vorstellungen,<br />

subjektiver Fantasien, sprachlichen o<strong>de</strong>r nichtsprachlichen Denkens, sowie <strong>de</strong>s sozialen Austausches<br />

und <strong>de</strong>r Verständigung. Sie wer<strong>de</strong>n im Spiel zu einem zusammenhängen<strong>de</strong>n Prozess.<br />

Spiel gestaltet sich als zeitliche Ordnung mit Anfang und En<strong>de</strong>, Höhepunkten und Phasen <strong>de</strong>s Dahingleitens,<br />

<strong>de</strong>r Aufregung wie Entspannung, <strong>de</strong>s Versunkenseins o<strong>de</strong>r körperlichen Agierens, <strong>de</strong>s Alleinseins o<strong>de</strong>r<br />

Zusammenfin<strong>de</strong>ns mit an<strong>de</strong>ren. Auf diese Weise fin<strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>r ihre eigene Zeitgestaltung, ihren eigenen<br />

Rhythmus, Dinge zu tun. [...]<br />

Spiel bil<strong>de</strong>t <strong>de</strong>n Prototyp einer vielsinnlichen, komplexen Erfahrung und steht so im Gegensatz zu einem<br />

Lernverständnis, das auf <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rung einzelner Kompetenzen beruht.<br />

Am Spiel können sich Gleichaltrige – zuweilen auch Erwachsene – beteiligen, in<strong>de</strong>m sie eigene Fassetten<br />

ihrer Wahrnehmungs-, Auffassungs-, Handlungs- und Denkmöglichkeiten im Rahmen gegenseitiger Verständigung<br />

anbieten.<br />

Spiel ist ein Bereich, in <strong>de</strong>m nicht nur Erfahrungen gemacht, son<strong>de</strong>rn auch ausprobiert, neu zusammengesetzt<br />

und in ihren Möglichkeiten und Folgerungen ausgedacht und ausgetestet wer<strong>de</strong>n. Spiel ist <strong>de</strong>shalb<br />

nicht nur rezeptiv verarbeitend, son<strong>de</strong>rn auch produktiv schöpferisch, in<strong>de</strong>m es die Bedingungen schafft,<br />

unter <strong>de</strong>nen verschie<strong>de</strong>nste – selbst wi<strong>de</strong>rsprüchlich erscheinen<strong>de</strong> – Lebenserfahrungen sich mit einan<strong>de</strong>r<br />

verbin<strong>de</strong>n lassen.<br />

Gerd E. Schäfer: Spiel – Raum – Bildung. Konzeptüberlegungen zur frühkindlichen Bildung.<br />

[http://www.kigaweb.<strong>de</strong>/elvis_img/0000241122_0001.pdf].<br />

Aufschlussreich ist es, diesen zeitgenössischen Ansatz<br />

mit einem klassischen Text von Friedrich Schiller zu<br />

vergleichen, <strong>de</strong>r bereits im 18. Jahrhun<strong>de</strong>rt die Be<strong>de</strong>utung<br />

<strong>de</strong>s Spiels für <strong>de</strong>n ‚mo<strong>de</strong>rnen’ Menschen her-<br />

Text<br />

ausarbeitete – einige <strong>de</strong>r bereits von Schiller formulierten<br />

I<strong>de</strong>en lassen sich bei Schäfer (und an<strong>de</strong>ren<br />

Pädagogen) wie<strong>de</strong>r fin<strong>de</strong>n.<br />

Denn, um es endlich auf einmal herauszusagen, <strong>de</strong>r Mensch spielt nur, wo er in voller Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s<br />

Worts Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt. Dieser Satz, <strong>de</strong>r in diesem Augenblicke vielleicht<br />

paradox erscheint, wird eine große und tiefe Be<strong>de</strong>utung erhalten, wenn wir erst dahin gekommen<br />

sein wer<strong>de</strong>n, ihn auf <strong>de</strong>n doppelten Ernst <strong>de</strong>r Pflicht und <strong>de</strong>s Schicksals anzuwen<strong>de</strong>n; er wird, ich verspreche<br />

es Ihnen, das ganze Gebäu<strong>de</strong> <strong>de</strong>r ästhetischen Kunst und <strong>de</strong>r noch schwierigern Lebenskunst tragen.<br />

Aber dieser Satz ist auch nur in <strong>de</strong>r Wissenschaft unerwartet; längst schon lebte und wirkte er in <strong>de</strong>r Kunst<br />

und in <strong>de</strong>m Gefühle <strong>de</strong>r Griechen, ihrer vornehmsten Meister; nur, daß sie in <strong>de</strong>n Olympus versetzten, was<br />

auf <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong> sollte ausgeführt wer<strong>de</strong>n. Von <strong>de</strong>r Wahrheit <strong>de</strong>sselben geleitet, ließen sie sowohl <strong>de</strong>n Ernst<br />

und die Arbeit, welche die Wangen <strong>de</strong>r Sterblichen furchen, als die nichtige Lust, die das leere Angesicht<br />

glättet, aus <strong>de</strong>r Stirne <strong>de</strong>r seligen Götter verschwin<strong>de</strong>n, gaben die Ewigzufrie<strong>de</strong>nen von <strong>de</strong>n Fesseln je<strong>de</strong>s<br />

Zweckes, je<strong>de</strong>r Pflicht, je<strong>de</strong>r Sorge frei und machten <strong>de</strong>n Müßiggang und die Gleichgültigkeit zum benei<strong>de</strong>ten<br />

Loose <strong>de</strong>s Götterstan<strong>de</strong>s: ein bloß menschlicherer Name für das freieste und erhabenste Sein. Sowohl<br />

<strong>de</strong>r materielle Zwang <strong>de</strong>r Naturgesetze, als <strong>de</strong>r geistige Zwang <strong>de</strong>r Sittengesetze verlor sich in ihrem hö-<br />

19


hern Begriff von Nothwendigkeit, <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong> Welten zugleich umfaßte, und aus <strong>de</strong>r Einheit jener bei<strong>de</strong>n<br />

Nothwendigkeiten ging ihnen erst die wahre Freiheit hervor. Beseelt von diesem Geiste, löschten sie aus<br />

<strong>de</strong>n Gesichtszügen ihres I<strong>de</strong>als zugleich mit <strong>de</strong>r Neigung auch alle Spuren <strong>de</strong>s Willens aus, o<strong>de</strong>r besser, sie<br />

machten bei<strong>de</strong> unkenntlich, weil sie bei<strong>de</strong> in <strong>de</strong>m innigsten Bund zu verknüpfen wußten. Es ist we<strong>de</strong>r Anmuth,<br />

noch ist es Wür<strong>de</strong>, was auf <strong>de</strong>m herrlichen Antlitz einer Juno Ludovisi zu uns spricht; es ist keines<br />

von bei<strong>de</strong>n, weil es bei<strong>de</strong>s zugleich ist. In<strong>de</strong>m <strong>de</strong>r weibliche Gott unsre Anbetung heischt, entzün<strong>de</strong>t das<br />

gottgleiche Weib unsre Liebe; aber, in<strong>de</strong>m wir uns <strong>de</strong>r himmlischen Holdseligkeit aufgelöst hingeben,<br />

schreckt die himmlische Selbstgenügsamkeit uns zurück. In sich selbst ruhet und wohnt die ganze Gestalt,<br />

eine völlig geschlossene Schöpfung, und als wenn sie jenseits <strong>de</strong>s Raumes wäre, ohne Nachgeben, ohne<br />

Wi<strong>de</strong>rstand; da ist keine Kraft, die mit Kräften kämpfte, keine Blöße, wo die Zeitlichkeit einbrechen könnte.<br />

Durch jenes unwi<strong>de</strong>rstehlich ergriffen und angezogen, durch dieses in <strong>de</strong>r Ferne gehalten, befin<strong>de</strong>n wir uns<br />

zugleich in <strong>de</strong>m Zustand <strong>de</strong>r höchsten Ruhe und <strong>de</strong>r höchsten Bewegung, und es entsteht jene wun<strong>de</strong>rbare<br />

Rührung, für welche <strong>de</strong>r Verstand keinen Begriff und die Sprache keinen Namen hat. [...]<br />

Mitten in <strong>de</strong>m furchtbaren Reich <strong>de</strong>r Kräfte und mitten in <strong>de</strong>m heiligen Reich <strong>de</strong>r Gesetze baut <strong>de</strong>r ästhetische<br />

Bildungstrieb unvermerkt an einem dritten, fröhlichen Reiche <strong>de</strong>s Spiels und <strong>de</strong>s Scheins, worin er<br />

<strong>de</strong>m Menschen die Fesseln aller Verhältnisse abnimmt und ihn von allem, was Zwang heißt, sowohl im<br />

Physischen als im Moralischen entbin<strong>de</strong>t.<br />

Friedrich Schiller: Über die ästhetische Erziehung <strong>de</strong>s Menschen, in einer Reihe von Briefen<br />

Fragen zu <strong>de</strong>n Texten<br />

� Was könnte an <strong>de</strong>m Satz, <strong>de</strong>r Mensch sei nur da ganz Mensch, wo er spielt, ‚paradox’ erscheinen?<br />

Warum ist <strong>de</strong>r Satz nach Schiller aber doch sinnvoll?<br />

� Was versteht Schiller unter <strong>de</strong>m ’ästhetischen Bildungstrieb’?<br />

� Vergleichen Sie Schäfers Begriff <strong>de</strong>r ‚vielsinnigen Erfahrung’ mit ähnlichen Formulierungen bei Schiller.<br />

� Versuchen Sie Schillers Konzept <strong>de</strong>s (ästhetischen) Spiels auf einen Bereich <strong>de</strong>r heutigen Früherziehung<br />

zu beziehen und zu konkretisieren.<br />

Das Ziel einer ganzheitlichen För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r in<br />

all ihren individuellen und sozialen Bedürfnissen und<br />

Fähigkeiten sollte für alle Bildungsprozesse oberstes<br />

Gebot sein. Für <strong>de</strong>n Bereich <strong>de</strong>r ästhetischen Bildung<br />

können bereits im Kin<strong>de</strong>rgarten elementare Erfahrungen<br />

gemacht wer<strong>de</strong>n, da die Bereitschaft <strong>de</strong>r jungen<br />

Kin<strong>de</strong>r beson<strong>de</strong>rs groß ist, sich mit ihren kreativen<br />

Fähigkeiten frei einzubringen und spielerisch in jenem<br />

Sinne zu lernen, <strong>de</strong>r bereits vorher durch die Erwähnung<br />

<strong>de</strong>r i<strong>de</strong>alistischen Ästhetik angesprochen wur<strong>de</strong>:<br />

<strong>de</strong>r Zweckfreiheit. Der Kin<strong>de</strong>rgarten eignet sich beson<strong>de</strong>rs<br />

für solche Prozesse, da hier Leistungs- und<br />

Konkurrenzdruck die kreativen Potenzen noch nicht so<br />

sehr einschränken o<strong>de</strong>r in bestimmte Richtungen<br />

leiten wie später in <strong>de</strong>r Schule.<br />

Die umfassen<strong>de</strong> Ausbildung <strong>de</strong>r menschlichen Sinne<br />

als zentrales Ziel kann synästhetisch auf allen Ebenen<br />

und in allen Kunstformen geför<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n: <strong>de</strong>r bil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n<br />

und darstellen<strong>de</strong>n Kunst, <strong>de</strong>r Musik, auch<br />

schon <strong>de</strong>s Wortes. Dabei kommt es darauf an, die<br />

schöpferischen Kräfte <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r zu stärken und dies<br />

Text<br />

be<strong>de</strong>utet, dass nicht nur die Rezeption künstlerischer<br />

Produkte erlernt wer<strong>de</strong>n soll, son<strong>de</strong>rn soweit wie möglich<br />

auch die selbständige Produktion auf <strong>de</strong>n jeweils<br />

möglichen Stufen.<br />

In unserem Zusammenhang relevante Lernfel<strong>de</strong>r in<br />

Kin<strong>de</strong>rgarten und Grundschule sind<br />

� Schulung <strong>de</strong>r Wahrnehmung und <strong>de</strong>s Ausdrucks,<br />

� Musische und rhythmische Ausbildung,<br />

� Werken, Zeichnen, Malen und an<strong>de</strong>re handwerklich-bildnerische<br />

Arbeiten,<br />

� Verschie<strong>de</strong>ne Formen <strong>de</strong>s Darstellen<strong>de</strong>n Spiel<br />

(theatrales Spiel, Pantomime, Kasperle u.ä.),<br />

� Sportliche und Bewegungsübungen.<br />

Diese Ziele lassen sich – wie in späteren Abschnitten<br />

gezeigt wird – mit <strong>de</strong>r Theatererziehung sinnvoll verbin<strong>de</strong>n.<br />

20


5. Drama und Theater<br />

Versuch von Begriffsbestimmungen<br />

Begriffliche Darstellungen (Schematische Form)<br />

Drama<br />

Was sind Drama und Theater?<br />

Mögliche klassifikatorische Bestimmungen:<br />

� poetischer Text, <strong>de</strong>r neben <strong>de</strong>r Lektüre die Inszenierung auf <strong>de</strong>r Bühne ermöglicht<br />

� Gattung von Texten mit <strong>de</strong>r Kombination von zwei Textsorten:<br />

1. fiktive direkte Re<strong>de</strong> (Haupttext)<br />

2. Textteile, die diese Re<strong>de</strong> arrangieren, situieren, kommentieren (Nebentext)<br />

Funktionale Bestimmung in <strong>de</strong>r griechischen Antike:<br />

� Mimetische Darstellung mit bestimmter Wirkungsabsicht: ARISTOTELES: Nachahmung von Han<strong>de</strong>ln<strong>de</strong>n<br />

� HERODOT: Bühnenstück, das zu Tränen rührt<br />

Ausdifferenzierung <strong>de</strong>s Dramas als Grundform in:<br />

� Tragödie und Komödie – daraus folgen weitere Subgattungen (Genres)<br />

Definition <strong>de</strong>s Theaters 10<br />

Grundsätzliche Ausgangsbestimmung: A repräsentiert ein X, S schaut zu<br />

Verschie<strong>de</strong>ne Funktionen und Seinsweisen <strong>de</strong>s Theaters:<br />

1. Soziale Institution: Organisation, Produktion, Durchführung von Aufführungen<br />

2. Kunstform: Darstellen<strong>de</strong> Kunst, Verwendung heterogener Materialien: Körper, Stimme, Objekte, Licht,<br />

Musik, Sprache, Laute – Zweck: Hervorbringung von Aufführungen<br />

3. Produkt transitorischer Komm<strong>uni</strong>kation: Fehlen eines ablösbaren Artefakts<br />

4. Theater als Gebäu<strong>de</strong>: räumliche Glie<strong>de</strong>rung: Bühne, Technik, Zuschauerraum etc.<br />

5. Theater als beson<strong>de</strong>re Komm<strong>uni</strong>kationsform: Repräsentanz: Teilnehmer zur selben Zeit in einem<br />

Raum physisch präsent, unterschiedliche Funktionen: Akteur/ Zuschauer<br />

Historisch:<br />

� 18. Jahrhun<strong>de</strong>rt: 1. öffentlich 2. auf moralische Wirkung bezogen<br />

� 20. Jahrhun<strong>de</strong>rt:<br />

1. Rhetorischer Theaterbegriff: Propaganda, Agitation, Belehrung<br />

2. Ästhetischer Theaterbegriff: autonomer Begriff <strong>de</strong>r Bühnenkunst<br />

Kennzeichen <strong>de</strong>r theatralen Komm<strong>uni</strong>kation 11<br />

� Transitorität<br />

keine übertragbare, wie<strong>de</strong>rholbare, eigenständige Existenz <strong>de</strong>r theatralen Aktion (gilt auch für an<strong>de</strong>re<br />

Formen <strong>de</strong>r Theatralität: Popkonzerte, Sport, Feste etc.)<br />

� Prozessualität<br />

prozessualer und dynamischer Vollzug im Gegensatz zur Statik schrift- und bildhafter Strukturen<br />

(theatrale Oralität / Literalität)<br />

� Korporalität<br />

Körperhaftigkeit o<strong>de</strong>r Körpergebun<strong>de</strong>nheit theatraler Prozesse: „Wie auch immer 'Theater' <strong>de</strong>finiert wer<strong>de</strong>n<br />

mag, unumstritten dürfte die Tatsache sein, dass es sehr wesentlich mit <strong>de</strong>r physischen Präsenz<br />

darstellen<strong>de</strong>r Personen verbun<strong>de</strong>n ist.“ 12<br />

21


Von <strong>de</strong>r Entwicklung <strong>de</strong>r Poetik und Literaturtheorie<br />

her gesehen ist das Drama eine <strong>de</strong>r drei Grundgattungen<br />

<strong>de</strong>r Literatur – neben <strong>de</strong>n erzählen<strong>de</strong>n und lyrischen<br />

Formen, epischen und lyrischen Texten (Gedichten)<br />

also. Zwar sind die Grenzen zwischen <strong>de</strong>n literarischen<br />

Gattungen seit <strong>de</strong>m 18. Jahrhun<strong>de</strong>rt nicht mehr<br />

so festgefügt (Schillers „Don Carlos“ etwa trägt <strong>de</strong>n<br />

Untertitel „Dramatisches Gedicht“), aber <strong>de</strong>nnoch<br />

<strong>de</strong>uten die überkommenen Bestimmungen auf unterschiedliche<br />

Weisen, sich mit <strong>de</strong>r Realität in Text und<br />

Darstellung (Repräsentanz) auseinan<strong>de</strong>rzusetzen.<br />

Wir wollen kurz auf diese verschie<strong>de</strong>nen Formen eingehen,<br />

die sich bereits in <strong>de</strong>r nur fragmentarisch erhaltenen<br />

„Poetik“ <strong>de</strong>s ARISTOTELES fin<strong>de</strong>n. Dieser<br />

bestimmt die Dichtung insgesamt als ‚Nachahmung’<br />

(gr. Mimesis) von Charakteren und Handlungen. Dies<br />

geschehe auf verschie<strong>de</strong>ne Weise: lyrisch in einer<br />

musikalisch-rhythmischen Form, episch als eine durch<br />

<strong>de</strong>n Erzähler vermittelte Darstellung. Bei <strong>de</strong>r Gattung<br />

<strong>de</strong>s Dramas konzentriert Aristoteles sich auf <strong>de</strong>ren in<br />

<strong>de</strong>r Tradition höchste Ausprägung, die Tragödie (die<br />

an<strong>de</strong>re Hauptuntergattung ist die Komödie). Die Tragödie<br />

<strong>de</strong>finiert er in folgen<strong>de</strong>r Weise:<br />

Die Tragödie ist die Nachahmung [mimesis] einer edlen und abgeschlossenen Handlung [mythos] von einer<br />

bestimmten Größe in gewählter Re<strong>de</strong> [lexis], <strong>de</strong>rart, daß je<strong>de</strong> Form solcher Re<strong>de</strong> in geson<strong>de</strong>rten Teilen erscheint<br />

und daß gehan<strong>de</strong>lt und nicht berichtet wird und daß mit Hilfe von Mitleid [eleos] und Furcht [phobos]<br />

eine Reinigung von eben <strong>de</strong>rartigen Affekten [katharsis] bewerkstelligt wird.<br />

Aristoteles: Poetik, Kap. 6<br />

Diese Bestimmung war für die Entwicklung <strong>de</strong>s Dramas<br />

und auch <strong>de</strong>s Theaters von großer Be<strong>de</strong>utung, sie<br />

blieb durch die gesamte europäische Geschichte hindurch<br />

mehr o<strong>de</strong>r weniger gültig und beginnt erst im<br />

18. Jahrhun<strong>de</strong>rt – durch das Aufkommen <strong>de</strong>r autonomen<br />

o<strong>de</strong>r Genieästhetik – in <strong>de</strong>r Aufklärung und <strong>de</strong>r<br />

<strong>de</strong>utschen Klassik an<strong>de</strong>ren Vorstellungen Platz zu<br />

machen. Dennoch sind wichtige Elemente <strong>de</strong>r Definition<br />

auch heute noch weitgehend gültig. Zum Beispiel<br />

die Feststellung, dass in <strong>de</strong>r Tragödie gehan<strong>de</strong>lt wer<strong>de</strong><br />

und nicht berichtet. Diese einfache und uns eigentlich<br />

selbstverständliche Aussage hat weitreichen<strong>de</strong> Konsequenzen:<br />

� Die Akteure (etwa die Schauspieler) sind direkt<br />

in das Geschehen involviert: Zwar sind sie in<br />

Wirklichkeit nicht i<strong>de</strong>ntisch mit <strong>de</strong>n dargestellten<br />

Personen, aber für die Zeit <strong>de</strong>s Spiels wer<strong>de</strong>n<br />

sie mit ihnen sozusagen eins, bringen sich<br />

also mit ihrem gesamten Körper, mit Stimme,<br />

Gesten, Mimik etc. ein.<br />

� Die Zuschauer haben ebenfalls einen direkten<br />

Bezug, da sie (im traditionellen Theater) von<br />

<strong>de</strong>m Geschehen nur durch eine unsichtbare<br />

Wand getrennt sind. Es entfaltet sich jedoch<br />

(sieht man von mo<strong>de</strong>rnen Formen wie <strong>de</strong>m epischen<br />

Theater ab) eine große Illusionswirkung<br />

und ein spontanes Beteiligtsein, das theatrale<br />

Vorgänge als Mitspieler wie als Zuschauer gera<strong>de</strong><br />

für Kin<strong>de</strong>r wirksam macht.<br />

Quelle<br />

In <strong>de</strong>r Bestimmung <strong>de</strong>s Aristoteles erscheinen zwei<br />

zentrale Wesensmerkmale <strong>de</strong>s klassischen Dramas:<br />

die Konzentration auf <strong>de</strong>n Handlungsaspekt und die<br />

Wirkungsabsicht. Es geht bei Aristoteles immer um<br />

eine ‚reinigen<strong>de</strong>’ (kathartische) Einwirkung, die sich in<br />

<strong>de</strong>r Komm<strong>uni</strong>kation von im Theater Agieren<strong>de</strong>n und<br />

<strong>de</strong>n Zuschauern vollzieht; die dargestellte Handlung<br />

und die darstellen<strong>de</strong>n Personen (Schauspieler) müssen<br />

<strong>de</strong>shalb in beson<strong>de</strong>rs intensiver und emotionaler<br />

Weise erscheinen. Diese Maßgabe hatte ebenfalls<br />

eine intensive Wirkung, sie beeinflusste zum Beispiel<br />

das ‚Bürgerliche Trauerspiel’, das beson<strong>de</strong>rs LESSING<br />

im 18. Jahrhun<strong>de</strong>rt in Deutschland gestaltete. Auch in<br />

SCHILLERS Vorstellung <strong>de</strong>r „Schaubühne als eine<br />

moralische Anstalt“ – so <strong>de</strong>r Titel seiner berühmten<br />

Re<strong>de</strong> von 1784 – geht es in starkem Maße um diesen<br />

Wirkungsaspekt, <strong>de</strong>r im Sinne einer moralischen ‚Vere<strong>de</strong>lung’<br />

<strong>de</strong>s Menschen gedacht wur<strong>de</strong>. Erst in <strong>de</strong>n<br />

mo<strong>de</strong>rnen Theaterformen <strong>de</strong>s späten 19. und <strong>de</strong>s 20.<br />

Jahrhun<strong>de</strong>rts, beson<strong>de</strong>rs ausgeprägt im ‚Epischen<br />

Theater’ BRECHTS, löst man sich von <strong>de</strong>r Betonung<br />

<strong>de</strong>r affektiv-kathartischen Wirkfaktoren und betont<br />

zum Beispiel die Stimulation <strong>de</strong>s rationalen Erkenntnisvermögens<br />

<strong>de</strong>r Zuschauer.<br />

In Schillers Vortrag erscheint die Bühne als eine –<br />

gegenüber <strong>de</strong>r Kraft von Staat, Justiz und Religion –<br />

<strong>uni</strong>versell wirksame Institution zur Verbesserung <strong>de</strong>s<br />

Menschen – nicht nur vom Laster, son<strong>de</strong>rn auch von<br />

<strong>de</strong>r Dummheit:<br />

Wenn wir es unternehmen wollten, Lustspiel und Trauerspiel nach <strong>de</strong>m Maß <strong>de</strong>r erreichten Wirkung zu<br />

schätzen, so wür<strong>de</strong> vielleicht die Erfahrung <strong>de</strong>m ersten <strong>de</strong>n Vorrang geben. Spott und Verachtung verwun<strong>de</strong>n<br />

<strong>de</strong>n Stolz <strong>de</strong>r Menschen empfindlicher, als Verabscheuung sein Gewissen foltert. Vor <strong>de</strong>m Schrecklichen<br />

verkriecht sich unserer Feigheit, aber eben diese Feigheit überliefert uns <strong>de</strong>m Stachel <strong>de</strong>r Satire. Gesetz<br />

und Gewissen schützen uns oft vor Verbrechen und Lastern – Lächerlichkeiten verlangen einen eigenen<br />

feinern Sinn, <strong>de</strong>n wir nirgends mehr als vor <strong>de</strong>m Schauplatz üben. Vielleicht, daß wir einen Freund be-<br />

22


vollmächtigen, unsre Sitten und unser Herz anzugreifen, aber es kostet uns Mühe, ihm ein einziges Lachen<br />

zu vergeben. Unsere Vergehungen ertragen einen Aufseher und Richter, unsre Unarten kaum einen Zeugen.<br />

– Die Schaubühne allein kann unsre Schwächen belachen, weil sie unsrer Empfindlichkeit schont und<br />

<strong>de</strong>n schuldigen Thoren nicht wissen will. Ohne roth zu wer<strong>de</strong>n, sehen wir unsre Larve aus ihrem Spiegel fallen<br />

und danken insgeheim für die sanfte Ermahnung.<br />

Friedrich Schiller: Die Schaubühne als eine moralische Anstalt betrachtet.<br />

Schiller sieht, wie das von ihm weiter unten verwen<strong>de</strong>te<br />

Bild <strong>de</strong>s Kanals zeigt, die theatrale Aktivität auch<br />

schon durchaus als einen komm<strong>uni</strong>kativen Prozess,<br />

<strong>de</strong>n er allerdings – im Sinne <strong>de</strong>s 18. Jahrhun<strong>de</strong>rts –<br />

Quelle<br />

eher als einen einseitig-pädagogischen (vom Lehren<strong>de</strong>n<br />

aus) versteht: Durch die Schaubühne sprechen<br />

die moralisch legitimierten Lehrmeister:<br />

„Die Schaubühne ist <strong>de</strong>r gemeinschaftliche Kanal, in welchen von <strong>de</strong>m <strong>de</strong>nken<strong>de</strong>n, bessern Theile <strong>de</strong>s<br />

Volks das Licht <strong>de</strong>r Weisheit herunterströmt und von da aus in mil<strong>de</strong>ren Strahlen durch <strong>de</strong>n ganzen Staat<br />

sich verbreitet. Richtigere Begriffe, geläuterte Grundsätze, reinere Gefühle fließen von hier durch alle A<strong>de</strong>rn<br />

<strong>de</strong>s Volks; <strong>de</strong>r Nebel <strong>de</strong>r Barbarei, <strong>de</strong>s finstern Aberglaubens verschwin<strong>de</strong>t, die Nacht weicht <strong>de</strong>m siegen<strong>de</strong>n<br />

Licht.“<br />

Friedrich Schiller: Die Schaubühne als eine moralische Anstalt betrachtet.<br />

Lesen und Sehen<br />

Das Drama ist zwar ein Bestandteil <strong>de</strong>r literarischen<br />

Gattungen, aber es unterschei<strong>de</strong>t sich von <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n<br />

an<strong>de</strong>ren beson<strong>de</strong>rs in einem Punkt: durch seinen<br />

direkten Bezug zur körperlichen Realisierung <strong>de</strong>s Inhalts,<br />

eine Repräsentanz, <strong>de</strong>rer die epischen und lyrischen<br />

Gattungen nicht bedürfen. Wir kommen also<br />

hier zu einer möglichen und praktikablen Definition<br />

von Drama und Theater, die sich nicht an <strong>de</strong>n über-<br />

Quelle<br />

kommenen historischen und wirkungsästhetischen<br />

Grundsätzen orientiert, son<strong>de</strong>rn an <strong>de</strong>r Theatralität,<br />

<strong>de</strong>m Aufführungscharakter.<br />

Florian Vaßen <strong>de</strong>finiert im von Gerd Koch und Marianne<br />

Streisand herausgegebenen „Wörterbuch <strong>de</strong>r Theaterpädagogik“<br />

diesen zentralen theaterwissenschaftlichen<br />

Begriff:<br />

T(heatralität) ist zunächst Oberbegriff für die kollektiv produzierten, heterogenen Aspekte einer Theaterinszenierung<br />

und benennt somit die spezifische ,Ästhetizität‘ <strong>de</strong>s Theaters, zu <strong>de</strong>r die gesprochene Sprache<br />

(Prosodie), Mimik, Gestik und Bewegung/Proxemik (Kinesik), Kostüme, Masken, Frisur und Schminke, Requisiten,<br />

Dekoration und Beleuchtung <strong>de</strong>s Bühnenraums, Musik und Geräusche sowie audiovisuelle Medien<br />

gehören, aber auch die spezifische Komm<strong>uni</strong>kation von Bühne und Publikum, entsprechend <strong>de</strong>r Formel<br />

von Roland Barthes: Theater – Text = Theatralität. Versteht man die Inszenierung als theatralen Text,<br />

kann dieser mit Fischer-Lichte als eine ,strukturelle Transformation‘ <strong>de</strong>s dramatischen Textes verstan<strong>de</strong>n<br />

wer<strong>de</strong>n mit <strong>de</strong>r Inszenierungskonzeption als Zwischenglied dieser Intertextualität. Dieser Vorgang wird vor<br />

allem gelenkt von <strong>de</strong>m theatralen Potenzial, das <strong>de</strong>n Theater-Text konstituiert. Als theatrale Aspekte im<br />

Text mit ihrer inszenatorischen Intentionalität sind vor allem die Regieanweisungen zu nennen, aber auch<br />

ver<strong>de</strong>ckte szenische Beschreibungen, Titel, Zwischentitel und Projektionen, Auftritte, Abgänge und Szenenschlüsse,<br />

Handlungsrhythmus und Zeitbrüche sowie die Dialogführung. 13<br />

Arbeitsaufgaben<br />

1. Bitte recherchieren Sie die Ihnen unbekannten Begriffe, die in <strong>de</strong>m Lexikonbeitrag verwen<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n.<br />

2. Versuchen Sie die Re<strong>de</strong> von <strong>de</strong>r ‚strukturellen Transformation’ <strong>de</strong>s dramatischen Textes (= theatraler<br />

Text) an Beobachtungen zu einer Inszenierung zu konkretisieren.<br />

Der Ausgangstext (das im Druck vorfindliche ‚Drama’)<br />

kann zwar durch reine Lektüre bis zu einem gewissen<br />

Gra<strong>de</strong> erfasst wer<strong>de</strong>n, aber in <strong>de</strong>n meisten Fällen ist<br />

von Beginn an eine theatrale Transformation vorgesehen.<br />

Das Drama kann von hierher <strong>de</strong>finiert wer<strong>de</strong>n als<br />

ein poetischer Text, <strong>de</strong>r nicht nur zur Lektüre geschrieben<br />

wur<strong>de</strong>, son<strong>de</strong>rn zur Aufführung auf <strong>de</strong>m<br />

Theater.<br />

23


Wir kommen hier zu <strong>de</strong>n gravieren<strong>de</strong>n Unterschie<strong>de</strong>n<br />

zwischen <strong>de</strong>m vornehmlich durch Einzellektüre rezipierten<br />

Text (das sind heute die meisten narrativen<br />

und lyrischen Texte, sehen wir von Vorlesesituationen,<br />

Hörbüchern etc. ab) und <strong>de</strong>m dramatischen. Wie die<br />

Rezeptionsforschung generell festgestellt hat, wird <strong>de</strong>r<br />

literarische Text erst dann sozusagen ‚vollständig’,<br />

wenn seine Unbestimmtheits- o<strong>de</strong>r Leerstellen in <strong>de</strong>r<br />

Rezeption ausgefüllt wer<strong>de</strong>n. Wolfgang Iser etwa betonte<br />

die komm<strong>uni</strong>kative Dimension <strong>de</strong>r literarischen<br />

Texte insgesamt, in<strong>de</strong>m er das Dialogische in <strong>de</strong>r Text-<br />

Leser-Beziehung untersuchte. 14<br />

Gilt dies generell für alle literarischen Texte, die ja<br />

generell größere Auslegungs- und Assoziationsspielräume<br />

eröffnen als Gebrauchs- o<strong>de</strong>r Sachtexte, so<br />

stellt sich dies für Drama und Theater noch einmal als<br />

beson<strong>de</strong>rs grundlegend dar.<br />

Exkurs zum Theaterpublikum 15<br />

Die heutigen Theaterbesucher wirken vereinzelt in<br />

ihren Reaktionen (o<strong>de</strong>r auch in ihrer Passivität), auch<br />

wenn sie sich zu Beifalls- wie Missfallenskundgebungen<br />

kurzzeitig ‚als Gemeinschaft’ zusammenfin<strong>de</strong>n.<br />

Früher war das ganz an<strong>de</strong>rs: Einerseits waren die<br />

Reaktionen <strong>de</strong>s Publikums wesentlich direkter und<br />

vehementer, an<strong>de</strong>rerseits bil<strong>de</strong>te sich in stärkerem<br />

Maße das Gefühl einer Zusammengehörigkeit aus.<br />

Dies gilt auch für das bürgerliche Theater, das im 18.<br />

Jahrhun<strong>de</strong>rt entstand und seinen Höhepunkt im Bürgerlichen<br />

Trauerspiel von Lessing und an<strong>de</strong>ren Autoren<br />

hatte.<br />

Auf <strong>de</strong>r einen Seite fin<strong>de</strong>n wir hier eine Ten<strong>de</strong>nz zum<br />

rationalen Diskurs, einer systematisch aufgebauten,<br />

logisch nachvollziehbaren und psychologisch plausiblen<br />

Handlung für die neu entstehen<strong>de</strong> gebil<strong>de</strong>te und<br />

materiell saturierte bürgerliche Trägerschicht <strong>de</strong>s<br />

Publikums. Theater wird im 18. Jahrhun<strong>de</strong>rt ganz zentral<br />

zu einem Verständigungsort <strong>de</strong>s Bürgertums (wie<br />

etwa auch die Caféhäuser, Freimaurerlogen, Lesegesellschaften),<br />

in <strong>de</strong>m die Probleme und Aspirationen<br />

dieser ökonomisch stärker wer<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n, politisch aber<br />

immer noch weitgehend rechtlosen Klasse thematisiert<br />

wer<strong>de</strong>n. Deshalb bil<strong>de</strong>n sich die ersten festen<br />

Theater – in Ablösung vom Feudaltheater - auch in<br />

<strong>de</strong>n Zentren <strong>de</strong>s Kaufmannsbürgertums, das erste<br />

<strong>de</strong>utsche Nationaltheater in Hamburg.<br />

Die Zuschauer erscheinen im bürgerlichen Theater als<br />

vom Geschehen virtuell abgetrennt, wie es in <strong>de</strong>r Annahme<br />

<strong>de</strong>r ‚Vierten Wand’ zum Ausdruck kommt. Dies<br />

ist die offene, <strong>de</strong>m Publikum zugewandte Bühnenseite<br />

im ‚Guckkastentheater’. Entschei<strong>de</strong>nd ist, dass die<br />

Schauspieler sich so verhalten, als ob es diese Wand<br />

nicht gäbe. Es besteht also keine Durchlässigkeit <strong>de</strong>r<br />

Interaktionen von Publikum und Darstellern:<br />

Dramatik/Theater zeichnet sich gegenüber <strong>de</strong>n überwiegend<br />

individuell rezipierten ‚Lesegattungen’ insbeson<strong>de</strong>re<br />

durch folgen<strong>de</strong> Merkmale aus, die an die<br />

komm<strong>uni</strong>kativen Potenzen angebun<strong>de</strong>n sind:<br />

� die unmittelbare Präsenz o<strong>de</strong>r Gegenwärtigkeit,<br />

die Agieren<strong>de</strong> wie Zuschauer in ihren verschie<strong>de</strong>nen<br />

Funktionen direkt in das Geschehen einbin<strong>de</strong>t,<br />

damit verbun<strong>de</strong>n das<br />

� regelhafte Fehlen einer vermitteln<strong>de</strong>n Instanz<br />

(Erzähler / lyrisches Ich)<br />

� die Verwendung einer Varietät von Medien, die<br />

zur Herstellung einer Theateraufführung nötig<br />

sind: Ton, Szenerie, Kulissen, Text etc., in <strong>de</strong>r<br />

Mo<strong>de</strong>rne auch Ton- und Bildprojektionen u.ä.<br />

Entwickelt sich das Theater als bürgerliche Institution<br />

seit <strong>de</strong>m 18. Jahrhun<strong>de</strong>rt ten<strong>de</strong>nziell zu einem elitären,<br />

wortfixierten Diskurstheater (während sich im<br />

Bereich <strong>de</strong>s ‚Nie<strong>de</strong>ren’ burleskes, auf das Körperliche<br />

gerichtete Unterhaltungstheater herausbil<strong>de</strong>t), so wird<br />

es an<strong>de</strong>rerseits empfindsam, sentimental-isch, wie<br />

gera<strong>de</strong> Lessings Bürgerliche Trauerspiele zeigen, ebenso<br />

sein angestrebtes Hauptwirkungsmittel, das<br />

kathartische Mitleid, das die Zuschauer ergreifen und<br />

sittlich verbessern soll. Das Theater soll die I<strong>de</strong>ale <strong>de</strong>s<br />

Allgemein-Menschlichen, Humanen verkörpern und<br />

propagieren, und es schließt an<strong>de</strong>rerseits zunehmend<br />

die unteren Schichten aus. Die elitär-exklusive Ten<strong>de</strong>nz<br />

zeigt sich nicht zuletzt in <strong>de</strong>n hohen Eintrittspreisen<br />

und in <strong>de</strong>r heute noch bestehen<strong>de</strong>n Einteilung <strong>de</strong>r<br />

Sitze in unterschiedliche Raumzonen (Steh-, Sitzplätze,<br />

Parterre, Galerie, Loge).<br />

Alle Maßnahmen zur Ordnungsherstellung im Theater,<br />

die sich vor allem im Stadttheaterbetrieb <strong>de</strong>s 19.<br />

Jahrhun<strong>de</strong>rts Bahn brachen (etwa die Einlasskontrollen,<br />

die Maßnahmen gegen ‚ausufern<strong>de</strong>’ Zuschauerreaktionen<br />

u.ä.), konnten nicht verhin<strong>de</strong>rn, dass das<br />

Theater – zumin<strong>de</strong>st teilweise - ein Ort spontaner<br />

Affektabfuhr blieb, bestimmt von <strong>de</strong>n Gefühlen <strong>de</strong>r<br />

Trauer, Freu<strong>de</strong>, von Lachen und Weinen – eine Funktion,<br />

die dann erst im 20. Jahrhun<strong>de</strong>rt weitgehend das<br />

Kino übernahm. Lessing hat es in seinen Bürgerlichen<br />

Trauerspielen „Miss Sara Sampson“ und „Emilia Galotti“<br />

zweifellos auf die Gefühlswirkung abgesehen,<br />

und – wie zeitgenössische Berichte zeigen - wur<strong>de</strong>n<br />

viele Aufführungen <strong>de</strong>r Dramen tatsächlich zu Orgien<br />

<strong>de</strong>s Weinens und Klagens, beson<strong>de</strong>rs über das<br />

schrecklich tragische Schicksal <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n weiblichen<br />

Heroinen.<br />

24


Spiel und Theaterspiel<br />

Dass Spiel und Theaterspiel eng nicht nur in einem<br />

semantischen Sinne zusammen gehören, versteht sich<br />

fast von selbst. Angelegt ist ein Bedürfnis nach Spielerischem.<br />

In vielfältigen Formen <strong>de</strong>s spontanen Spiels<br />

zeigt sich bereits bei kleinen Kin<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r Impetus, die<br />

eigene Person für eine begrenzte Zeit zu ‚vergessen’<br />

und sich sozusagen eine neue I<strong>de</strong>ntität zuzulegen.<br />

Dies ist es ja auch letztlich, was im professionellen<br />

Theaterspiel sowie in vielen an<strong>de</strong>ren Spielformen<br />

(Rollenspiel, szenisches Spiel etc.) passiert.<br />

Selbstverständlich kann die Theaterarbeit in Schule<br />

und Vorschule an diesen vorliegen<strong>de</strong>n kindlichen Bedürfnissen<br />

anknüpfen. Zugleich zeigt sich hier eine<br />

Grenze: In diesen Institutionen (ebenso wie im spontanen<br />

Spiel auf <strong>de</strong>r Straße o<strong>de</strong>r im Kin<strong>de</strong>rzimmer)<br />

geht es nicht darum, einen bestimmten Standard <strong>de</strong>r<br />

Präsentation zu erreichen. Im Mittelpunkt stehen nicht<br />

ästhetische Vorstellungen und Normen, son<strong>de</strong>rn die<br />

Bedürfnisse, Fähigkeiten und Entwicklungsperspektiven<br />

<strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r.<br />

Die partielle Kongruenz von Spiel und Theaterspiel<br />

zeigt sich auf verschie<strong>de</strong>nen Ebenen. Im Theaterspiels<br />

wer<strong>de</strong>n zwei komplementäre Aktivitäten stimuliert: das<br />

Sprechen und das Sich-Bewegen - bei<strong>de</strong> sind konstitutiv<br />

für das Menschsein. Im Gegensatz zum tierischen<br />

Spiel ist, so kann je<strong>de</strong>nfalls angenommen wer<strong>de</strong>n,<br />

dieses durch Sprache und Bewegung gestaltete Spiel<br />

von Vorstellungen begleitet, also symbolisch:<br />

„Menschliches Spiel ist fast von Anfang an ‚symbolisches’,<br />

stellt über Spieltätigkeiten und Gegenstän<strong>de</strong><br />

imaginierte Handlungen und Dinge dar. Das heißt<br />

aber, dass <strong>de</strong>n Spielen<strong>de</strong>n die Fiktivität ihres Han<strong>de</strong>ln<br />

bewusst ist.“ 16<br />

Schicht und Theater als Institution<br />

Neben <strong>de</strong>m Spielcharakter ist beim Einsatz <strong>de</strong>s Theaters<br />

in pädagogischen Zusammenhängen jeweils die<br />

soziale Differenzierung zu reflektieren. Das ‚normale’<br />

bürgerliche Erwachsenentheater ist seit seiner Entstehung<br />

eine sozial exklusive Institution. Trotz vielfältiger<br />

Versuche – beginnend mit <strong>de</strong>r institutionalisierten<br />

Arbeiterkultur im späten 19. Jahrhun<strong>de</strong>rt bis etwa zu<br />

<strong>de</strong>n Ruhrfestspielen in Recklinghausen o<strong>de</strong>r vielen<br />

Versuchen einer Überwindung von sozialen Hemmschwellen<br />

- ist das Theater doch weitgehend in seinem<br />

bildungsbürgerlichen Umfeld geblieben. Dies hat sich<br />

möglicherweise im Zeitalter <strong>de</strong>r neuen Medien sogar<br />

noch verstärkt. Immerhin schätzt man <strong>de</strong>n Medienkonsum<br />

von Kin<strong>de</strong>rn und Jugendlichen in <strong>de</strong>n USA<br />

zwischen 8 und 18 Jahren auf ca. 6,5 Stun<strong>de</strong>n täglich<br />

(2005). Demgegenüber gehört <strong>de</strong>r Theaterbesuch,<br />

insbeson<strong>de</strong>re ein regelmäßiger, nicht zum Erfahrungsbereich<br />

einer großen Zahl von Jugendlichen.<br />

Historische Verän<strong>de</strong>rungen sind hier festzuhalten:<br />

Die wesentlichen Merkmale <strong>de</strong>s menschlichen Spiels<br />

insgesamt lassen sich auch auf das Theaterspiel abbil<strong>de</strong>n:<br />

� Es verbin<strong>de</strong>t körperliche und geistig-emotionale<br />

Aspekte.<br />

� Es ist von Beginn vorstellungsgeleitet, symbolisch.<br />

� Es beruht auf <strong>de</strong>r bewussten Verbindung wie<br />

Trennung einer imaginativen und realen Sphäre<br />

� Es ist nicht auf das Kindheitsalter beschränkt,<br />

wird aber dort in seinen Grundzügen herausgebil<strong>de</strong>t.<br />

Gera<strong>de</strong> <strong>de</strong>r letzte Aspekt ist wichtig, insbeson<strong>de</strong>re für<br />

das Kin<strong>de</strong>r- und Jugendtheater: Hiermit wird eine Verbindung<br />

aufgezeigt von <strong>de</strong>r Theaterschulung <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r<br />

hin zum Theatergenuss und zur Spielpraxis im<br />

Erwachsenenalter.<br />

Weitere Aspekte sind ebenfalls von Be<strong>de</strong>utung: Im<br />

Theaterspiel wird das Zusammenwirken mit an<strong>de</strong>ren,<br />

also die Arbeit im Team, erprobt, insbeson<strong>de</strong>re die<br />

Konstruktion einer gemeinsamen Spielfiktion. 17 Aus<br />

<strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen Stufen <strong>de</strong>s organisierten Spiels<br />

(einfache Rollenspiele – Phantasiespiele – Regelspiele<br />

– schließlich auch interaktive Computerspiele) lässt<br />

sich zusammenfassend folgern: „Phantasie und Kreativität<br />

sind [...] letzten En<strong>de</strong>s Ergebnis <strong>de</strong>r kindlichen<br />

Spieltätigkeit. Phantasie lässt sich als Spielen mit<br />

inneren Vorstellungen [...] bezeichnen, Kreativität als<br />

Anwendung dieser Fähigkeit auf das Lösen von Problemen<br />

[...].“ 18<br />

„Theater war bis zur Erfindung und Verbreitung von<br />

Film und Fernsehen das einzige Medium sinnlich bewegter<br />

Vergegenwärtigung entfernter o<strong>de</strong>r transzen<strong>de</strong>nter<br />

Vorgänge. Unzweifelhaft hat es bereits im 20.<br />

Jh. als kulturelle Institution an Be<strong>de</strong>utung eingebüßt;<br />

es wird zum speziellen Medium bestimmter Bevölkerungsgruppen<br />

und Schichten, wobei sich in Theaterskandalen<br />

immer noch <strong>de</strong>r Anspruch auf Öffentlichkeit<br />

und Allgemeinverbindlichkeit <strong>de</strong>r theatral inszenierten<br />

und repräsentierten Weltsicht bekun<strong>de</strong>t. 19<br />

Das Erwachsenentheater hat seine Massenunterhaltungsfunktion<br />

weitgehend verloren. Es bedient weitgehend<br />

die durch finanzielle Mittel, Milieuvoraussetzungen<br />

und Bildungsstandard privilegierten Bevölkerungsschichten.<br />

Für die Arbeit mit <strong>de</strong>m Theater in<br />

Kin<strong>de</strong>rgarten und Schule auf <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen Ebenen<br />

(Theaterbesuche, -fahrten, -gastspiele, eigene<br />

25


Spielformen und Inszenierungen) ist die Exklusivität<br />

<strong>de</strong>s Theaters als Institution zunächst ein erschweren<strong>de</strong>r<br />

Faktor, wie sich immer wie<strong>de</strong>r zeigt, können hier<br />

jedoch Erlebnis-Spiel-Räume geschaffen wer<strong>de</strong>n. Dazu<br />

gehört allerdings eine möglichst differenzierte Analyse<br />

<strong>de</strong>r Voraussetzungen und Möglichkeiten sowie <strong>de</strong>r<br />

Qualifikationen, die man als Erzieher o<strong>de</strong>r Lehrer benötigt.<br />

Für das <strong>Kin<strong>de</strong>rtheater</strong> be<strong>de</strong>utet die Exklusivierung <strong>de</strong>s<br />

Theaters insgesamt die Notwendigkeit, Kin<strong>de</strong>r aus<br />

Bevölkerungsgruppen zu erreichen, die bisher nicht<br />

nur ‚bildungsfern’, son<strong>de</strong>rn auch theaterfern sind. Nur<br />

in enger Zusammenarbeit von Kin<strong>de</strong>rgärten/Schulen,<br />

Theatern und Theaterpädagogen lassen sich Zugänge<br />

für Kin<strong>de</strong>r aus diesen Schichten auf breiterer Ebene<br />

herstellen.<br />

Dass durch eine solche intensive Arbeit Kin<strong>de</strong>r durchaus<br />

Lust am Theater gewinnen können, zeigt etwa ein<br />

Bericht über das "Spielarten"-Festival (Bühnenpädagogik<br />

für Schüler) in verschie<strong>de</strong>nen Städten Nordrhein-Westfalens<br />

2007:<br />

Mucksmäuschen still sitzen die Kin<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Aula ihrer Schule und folgen aufmerksam <strong>de</strong>n Anweisungen<br />

von Birgit Günster. "Psst! Nicht sprechen!" zischen sie sich bei <strong>de</strong>r Übung zu. Die Theaterpädagogin erklärt,<br />

wie "Freeze" funktioniert: Die Schüler laufen durch <strong>de</strong>n Raum und halten inne, sobald die Musik stoppt. Sie<br />

"frieren" ein. Ein paar Kin<strong>de</strong>r kichern, aber alle machen konzentriert mit.<br />

Bei <strong>de</strong>r nächsten Übung zeigen die Schüler schauspielerisches Talent: Ein Stuhl dient als Requisit, ein<br />

Schüler verharrt in einer Position, ein weiterer ergänzt das Bild durch eine dazu passen<strong>de</strong> Geste.<br />

Die Mitschüler staunen mit offenen Mün<strong>de</strong>rn, wie mit kleinen Gesten eine ganz neue Stimmung erzeugt<br />

wer<strong>de</strong>n kann. "Dieses Freeze macht richtig Spaß. Das könnten wir auch mal auf <strong>de</strong>m Schulhof spielen", fin<strong>de</strong>t<br />

<strong>de</strong>r zehnjährige Noah. "Ich fin<strong>de</strong> Theater besser als Fernsehen, weil das live ist." Weitläufige Vorurteile,<br />

Kin<strong>de</strong>r von heute seien nicht begeisterungsfähig, säßen nur vor <strong>de</strong>r Glotze, kann Christoph Freihals wi<strong>de</strong>rlegen:<br />

"Die Schüler machen enthusiastisch mit. Bis auf wenige Ausnahmen waren alle schon öfters im Theater,<br />

haben sich Kin<strong>de</strong>rstücke, Musicals, Puppenspiele o<strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>ropern angeschaut", sagt <strong>de</strong>r 41-jährige<br />

Deutschlehrer.<br />

http://www.wdr.<strong>de</strong>/radio/schulportal2007/schulwelt_hautnah/archiv/spielarten_festival/in<strong>de</strong>x.phtml.<br />

Wesentlich für die ästhetische Erziehung ist das soziale<br />

und in beson<strong>de</strong>rem Maße forschen<strong>de</strong> Lernen. Es<br />

geht darum, in einem möglichst umfassen<strong>de</strong>n Sinne<br />

Materialerfahrungen zu machen, in diesem Falle sich<br />

mit <strong>de</strong>m Theatermedium in möglichst intensiver Weise<br />

auseinan<strong>de</strong>rzusetzen. Gera<strong>de</strong> im Bereich <strong>de</strong>r ästhetischen<br />

Erziehung muss darauf geachtet wer<strong>de</strong>n, dass<br />

es nicht bei einer passiv-rezeptiven Haltung bleibt,<br />

son<strong>de</strong>rn dass die Kin<strong>de</strong>r sich möglichst aktiv mit <strong>de</strong>m<br />

Geschehen auseinan<strong>de</strong>rsetzen und selber produktiv<br />

wer<strong>de</strong>n.<br />

Dies be<strong>de</strong>utet einen starken Gegensatz etwa zu <strong>de</strong>n<br />

Bildungszielen <strong>de</strong>r ästhetischen Erziehung im traditionellen<br />

Gymnasium, was wie<strong>de</strong>rum beson<strong>de</strong>rs gut an<br />

<strong>de</strong>n Bereichen Drama und Theater gezeigt wer<strong>de</strong>n<br />

kann. Die sog. höhere Bildung bemühte sich vor allem<br />

darum, die analytischen Fähigkeiten <strong>de</strong>r Schüler im<br />

Quelle<br />

Rahmen bildungsbürgerlicher Vorgaben zu schulen.<br />

Dafür war es wichtig, einen Dramentext fachgerecht<br />

analysieren und Theateraufführungen – im Sinne eines<br />

Theaterkritikers – beurteilen zu können. Der Horizont<br />

blieb aber im Wesentlichen auf das professionelle<br />

Theater beschränkt, auch wenn vielleicht einige Szenen<br />

nachgespielt o<strong>de</strong>r Monologe <strong>de</strong>klamiert wur<strong>de</strong>n.<br />

Eher im Sinne einer durch einzelne Lehrerpersonen<br />

stimulierten Liebhaberei wur<strong>de</strong>n auch Theater-AGs<br />

o<strong>de</strong>r das Schultheater genutzt. Ästhetische und Theatererziehung<br />

gera<strong>de</strong> im Elementarbereich muss aber<br />

an<strong>de</strong>re Ziele haben, insbeson<strong>de</strong>re das, Lust zu wecken<br />

auf eine intensive, altergemäße und möglichst<br />

selbständige Nutzung <strong>de</strong>s Mediums, ohne dass Perfektionsansprüche<br />

die freie Entfaltung behin<strong>de</strong>rn.<br />

Anmerkungen<br />

10Nach Erika Fischer-Lichte: Theater. In: Reallexikon <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Literaturwissenschaft. Neubearb. d. Reallexikons <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Literaturgeschichte.<br />

Hg. v. Jan-Dirk Müller. Bd. III. Berlin 2003, S. 619-624; Martin Ottmers: Drama. In: Reallexikon <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen<br />

Literaturwissenschaft. Neubearb. d. Reallexikons <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Literaturgeschichte. Hg. v. Klaus Weimar. Bd. I. Berlin 19972003,<br />

S. 392-396.<br />

11Erika Fischer-Lichte: Semiotik <strong>de</strong>s Theaters. Bd.1: Das System <strong>de</strong>r theatralischen Zeichen. 3. Aufl. Tübingen 1994, S. 15.<br />

12Helmar Schramm: Karneval <strong>de</strong>s Denkens. Theatralität im Spiegel philosophischer Texte <strong>de</strong>s 16. und 17. Jahrhun<strong>de</strong>rts. Berlin 1996,<br />

S. 258.<br />

13Gerd Koch / Marianne Streisand, Hg.: Wörterbuch <strong>de</strong>r Theaterpädagogik. Berlin 2003, S. 331 (Anm. ausgelassen).<br />

14Vgl. Wolfgang Iser: Der Akt <strong>de</strong>s Lesens. Theorie ästhetischer Wirkung. München 1976; <strong>de</strong>rs: Die Appellstruktur <strong>de</strong>r Texte. Konstanz<br />

1974.<br />

15Grundlage: http://www.medienlinks.<strong>de</strong>/sonntag/theater.shtml.<br />

26


16Johannes Merkel: Gebil<strong>de</strong>te Kindheit. Wie die Selbstbildung von Kin<strong>de</strong>rn geför<strong>de</strong>rt wird. Handbuch <strong>de</strong>r Bildungsarbeit im Elementarbereich.<br />

Bremen 2005, S. 137.<br />

17Vgl. Merkel: Gebil<strong>de</strong>te Kindheit, 142.<br />

18Merkel: Gebil<strong>de</strong>te Kindheit. S. 147.<br />

19Koch/Streisand: Wörterbuch <strong>de</strong>r Theaterpädagogik, S. 175.<br />

27


6. Entwicklungsstationen<br />

<strong>de</strong>s Theaters und speziell <strong>de</strong>s <strong>Kin<strong>de</strong>rtheater</strong>s<br />

Entwicklungsaspekte: Theater – vom Mimesisgebot zur Mo<strong>de</strong>rne<br />

Dass die theatrale Darstellung im Sinne einer Abbildung<br />

o<strong>de</strong>r Abspiegelung auf die Wirklichkeit bezogen<br />

sei, war als Mimesis-Gebot bis in die Neuzeit hinein<br />

selbstverständlich. Ebenso wie etwa in <strong>de</strong>r Bil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n<br />

Kunst ging es (außer in extremen) Richtungen zwar<br />

nicht um eine ‚naturalistische’ Wie<strong>de</strong>rgabe <strong>de</strong>s Wirklichen,<br />

dieses musste aber in <strong>de</strong>m entstan<strong>de</strong>nen Arte-<br />

fakt erkennbar bleiben. Diese Grundströmung verlor<br />

sich erst mit <strong>de</strong>n historischen Avantgar<strong>de</strong>n seit <strong>de</strong>m<br />

späten 19. Jahrhun<strong>de</strong>rt – in <strong>de</strong>r Bil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Kunst ebenso<br />

wie auf <strong>de</strong>m Theater, Kunstformen, die die<br />

realitätsspiegeln<strong>de</strong>n Funktionen zu großen Teilen an<br />

die Fotographie und <strong>de</strong>n Film, also die technisch reproduzierbaren<br />

Künste abgaben.<br />

Anmerkung zum Mimesis Begriff<br />

Historisch gesehen wur<strong>de</strong> das Nachahmungsgebot in <strong>de</strong>n Künsten seit <strong>de</strong>r Antike fast nie als passive Abspiegelung<br />

verstan<strong>de</strong>n. Vielmehr wur<strong>de</strong>n, verstärkt in <strong>de</strong>r Neuzeit, die aktiven und produktiven Potenzen<br />

<strong>de</strong>s künstlerischen Aktes betont. „In <strong>de</strong>r Renaissance gewinnt die Mimesis in <strong>de</strong>r bil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Kunst <strong>de</strong>n Charakter<br />

eines schöpferischen Vorgangs mit starken Eigenanteilen <strong>de</strong>s nachahmen<strong>de</strong>n Subjekts, das seinen<br />

Blick auf <strong>de</strong>n beson<strong>de</strong>ren Ausdruck <strong>de</strong>r nachgeahmten Tatbestän<strong>de</strong> legt. Die ersten künstlerischen Selbstbildnisse<br />

können als Zeichen <strong>de</strong>s zunehmen<strong>de</strong>n Bewusstseins einer subjektiven Selbstschöpfung im mimetischen<br />

Prozess angesehen wer<strong>de</strong>n.“ 20<br />

Natürlich aber war das Verhältnis von Realität und<br />

ihrer künstlerischen Darstellung (wie die Realitätswahrnehmung<br />

überhaupt) seit je komplex. Die Wirklichkeit<br />

tritt uns als eine gemachte, konstruierte, in<br />

beson<strong>de</strong>rer Weise vermittelte entgegen. Dies kann<br />

zunächst als eine allgemeine Wesensbestimmung<br />

verstan<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n, bezogen aber auf die aktuelle<br />

Gegenwart und auf <strong>de</strong>n hier in Frage stehen<strong>de</strong>n Gegenstandsbereich<br />

gewinnt die Eingangsbehauptung<br />

beson<strong>de</strong>re Brisanz: Die von uns erfahrene Wirklichkeit<br />

kann niemals mit <strong>de</strong>r theatralen Darstellung i<strong>de</strong>ntisch<br />

Bühnenformen<br />

Die Guckkastenbühne war bis ins 19. Jahrhun<strong>de</strong>rt die<br />

vorherrschen<strong>de</strong> Bühnenform. Im Gegensatz zu <strong>de</strong>n auf<br />

<strong>de</strong>r Skizze sichtbaren älteren Bühnenformen (auf die<br />

sein, je<strong>de</strong>r naturalistischen Abbildtheorie ist damit<br />

eine Absage erteilt. Freilich folgte man über viele Jahrhun<strong>de</strong>rte<br />

einem durchaus eng verstan<strong>de</strong>nen Mimesisgebot<br />

und machte in <strong>de</strong>r theatralen Inszenierung <strong>de</strong>n<br />

Versuch, qua Illusionierung etwas <strong>de</strong>m Realen Analoges<br />

darzustellen. Dies hatte Konsequenzen natürlich<br />

nicht nur für <strong>de</strong>n Produktionsprozess <strong>de</strong>s Dramenschreibens,<br />

son<strong>de</strong>rn vor allem auch für die Form <strong>de</strong>r<br />

Inszenierung, die in <strong>de</strong>r illusionistischen Guckkastenbühne<br />

ihren höchsten Ausdruck fand.<br />

wir nicht weiter eingehen wer<strong>de</strong>n), gibt es hier drei<br />

Wän<strong>de</strong>, nur die vierte Wand fehlt, und dort öffnet sich<br />

die Bühne zum Publikum hin, das Mo<strong>de</strong>ll <strong>de</strong>s her-<br />

28


kömmlichen Stadt-, aber auch <strong>de</strong>s Marionetten- o<strong>de</strong>r<br />

Schultheaters. Die Guckkastenbühne (und ähnliche<br />

Bühnenformen) ermöglichte in beson<strong>de</strong>rs starkem<br />

Maße das, worauf es <strong>de</strong>m Theater etwa <strong>de</strong>s Naturalismus<br />

ankam: eine möglichst illusionsstarke Wirkung<br />

– die Zuschauer sollten für die Zeit <strong>de</strong>s Theatererlebnisses<br />

‚vergessen’, dass sie sich hier nicht in ein einem<br />

realen Raum befin<strong>de</strong>n.<br />

Trotz verschie<strong>de</strong>ner technischer Verfeinerungen ist die<br />

Guckkastenbühne bis heute die dominieren<strong>de</strong> Bühnenform,<br />

und wir verbin<strong>de</strong>n sie auch mit unserer Vorstellung<br />

von <strong>de</strong>m, was Theater eigentlich sei. Neben<br />

<strong>de</strong>r Intimität (Abgeschlossenheit) <strong>de</strong>r Bühnenvorgänge<br />

und –personen ist damit zugleich auch eine bestimmte<br />

hierarchische Dimensionierung gegeben: ein Hell-<br />

Dunkel-Verhältnis und ein Höhenunterschied (Bühnen-,<br />

Zuschauerraum). Durch diese klaren Trennungen<br />

wer<strong>de</strong>n die Interaktionen gesteuert: Es ergeben sich<br />

spontane Reaktionen gewöhnlich nur in eine Richtung,<br />

nämlich vom Bühnengeschehen her in <strong>de</strong>n Zuschauerraum.<br />

Eine Öffnung hin zu symmetrischen, wechselseitigen<br />

Komm<strong>uni</strong>kationsformen ist nur in Ausnahmefällen<br />

herzustellen (etwa in Formen <strong>de</strong>s mo<strong>de</strong>rnen Avantgar<strong>de</strong>theaters).<br />

Eine ganz an<strong>de</strong>re Situation ergibt<br />

sich, wenn das Theater <strong>de</strong>r ‚Vierten Wand’ gesprengt<br />

Die Wen<strong>de</strong> zur ‚postdramatischen’ Theaterkonzeption<br />

Den Begriff <strong>de</strong>s ‚postdramatischen Theaters’ hat <strong>de</strong>r<br />

Theaterwissenschaftler Hans-Thies Lehmann mit seinem<br />

Buch von 1999 in die <strong>de</strong>utsche Diskussion eingeführt.<br />

Die Theaterpädagogin Ulrike Hentschel nahm<br />

<strong>de</strong>n Begriff auf und versuchte ihn in ein Konzept ästhetischer<br />

Bildung zu integrieren. Bei<strong>de</strong> Bücher sind<br />

für die gegenwärtige Diskussion von zentraler Be<strong>de</strong>utung<br />

und sollten in einem Kursprogramm zum zeitgenössischen<br />

Kin<strong>de</strong>r- und Jugendtheater <strong>de</strong>shalb in<br />

Auszügen gelesen und bearbeitet wer<strong>de</strong>n.<br />

Der Begriff <strong>de</strong>s postdramatischen Theaters ist zunächst<br />

analog gebil<strong>de</strong>t zu <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r ‚Postmo<strong>de</strong>rne’ und<br />

bezeichnet wie dieser eine Phase, in <strong>de</strong>r auf einen<br />

einheitlichen Traditionsbestand nicht mehr zurückgegriffen<br />

wer<strong>de</strong>n kann und vielfältige neue Spiel- und<br />

Ausdrucksformen entstehen, die ihrerseits in keiner<br />

hierarchischen Ordnung stehen.<br />

In unserem Zusammenhang geht es nicht um rein<br />

theoretische Erwägungen, son<strong>de</strong>rn um Spielräume,<br />

die sich gera<strong>de</strong> auch für das Kin<strong>de</strong>r- und Jugendtheater<br />

ergeben können. Das postdramatische Theater<br />

zeigt klar zwei Ten<strong>de</strong>nzen:<br />

1. eine Abkehr von <strong>de</strong>r Dominanz <strong>de</strong>s schriftlichen<br />

Spieltextes, also letztlich auch von einem einseitig<br />

literarisch gerichteten Theater; <strong>de</strong>r Text „nur<br />

als Element, Schicht und ‚Material’ <strong>de</strong>r szenischen<br />

Gestaltung, nicht als [...] Herrscher“ 22 ,<br />

wird, was bei <strong>de</strong>n meisten Formen <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>r- und<br />

Schultheaters <strong>de</strong>r Fall ist.<br />

Gegenüber <strong>de</strong>r Dominanz <strong>de</strong>s Realismus auf <strong>de</strong>r Bühne<br />

ist bei <strong>de</strong>n experimentellen Theaterbewegungen<br />

<strong>de</strong>s 20. Jahrhun<strong>de</strong>rts und beson<strong>de</strong>rs heute eine Ten<strong>de</strong>nz<br />

zur 'Retheatralisierung' zu beobachten, die die<br />

verschie<strong>de</strong>nen Schulen bis hin zu Brechts und Piscators<br />

epischem Drama vereint. Generell kann gesagt<br />

wer<strong>de</strong>n: „Das naturalistische Drama und Theater bzw.<br />

große Teile davon zeigten die Wirklichkeit, als ob sie<br />

nicht gezeigt wür<strong>de</strong>. Das spätere Drama und Theater<br />

dagegen zeigten, daß sie sie zeigten.“ 21<br />

Im Laufe <strong>de</strong>r Zeit entwickelte sich zu<strong>de</strong>m eine gewisse<br />

Arbeitsteilung: Die Illusion einer ‚zweiten Welt’, die<br />

Wirkung <strong>de</strong>s ‚schönen Scheins’ ist im Laufe <strong>de</strong>r Zeit<br />

wegen seiner intensiven technischen und inszenatorischen<br />

Wirkungen auf <strong>de</strong>n Film (teilweise auch auf das<br />

Fernsehen) übergegangen, während sich zumin<strong>de</strong>st<br />

das anspruchsvollere ‚Kunsttheater’ in an<strong>de</strong>re Richtungen<br />

bewegte. Diese Entlastung vom ‚Zwang <strong>de</strong>r<br />

Illusion’ schafft für das <strong>Kin<strong>de</strong>rtheater</strong> durchaus neue<br />

Ausdrucksmöglichkeiten, was sich in <strong>de</strong>n vielfältigen<br />

beson<strong>de</strong>rs seit <strong>de</strong>n 1970er Jahren entstan<strong>de</strong>nen Ansätze<br />

zeigt.<br />

2. eine Offenheit in <strong>de</strong>n verwen<strong>de</strong>ten Ausdrucksformen,<br />

unter <strong>de</strong>nen die Sprache jetzt lediglich<br />

eine ist,<br />

3. eine Konzentration auf Leiblichkeit und körperliche<br />

Interaktion: In <strong>de</strong>n Worten Lehmanns: „Lebenselixier<br />

<strong>de</strong>s Theaters ist die Konfrontation<br />

<strong>de</strong>s Zuschauers mit lebendigen Menschen.“ 23<br />

Althergebrachte Prinzipien <strong>de</strong>s Erwachsenentheaters<br />

stehen so zur Disposition: die festgefügten, weitgehend<br />

linearen Narrationen (Fabel), auch die konventionalisierte<br />

Figurenre<strong>de</strong> (Dialogstrukturen). Erstrebt<br />

wird eine Offenheit o<strong>de</strong>r auch „autonome Theatralik“<br />

24 . Entschei<strong>de</strong>nd sind Unmittelbarkeit und Körperlichkeit<br />

<strong>de</strong>s theatralen Aktes (einschl. Bewegung, Tanz<br />

Gesten, Skulpturen u.ä.), und gera<strong>de</strong> hier kann die<br />

Konzeption <strong>de</strong>s postdramatischen Theaters das mo<strong>de</strong>rne<br />

<strong>Kin<strong>de</strong>rtheater</strong> unterstützen und befruchten:<br />

„Theater ist nicht allein <strong>de</strong>r Ort <strong>de</strong>r schweren Körper,<br />

son<strong>de</strong>rn auch <strong>de</strong>r realen Versammlung, an <strong>de</strong>m eine<br />

einzigartige Überschneidung von ästhetisch organisiertem<br />

und alltäglich realem Leben geschieht. Im Unterschied<br />

zu allen Künsten <strong>de</strong>s Objekts und <strong>de</strong>r medialen<br />

Vermittlung fin<strong>de</strong>t hier sowohl <strong>de</strong>r ästhetische Akt<br />

selbst (das Spiel), als auch <strong>de</strong>r Akt <strong>de</strong>r Rezeption (<strong>de</strong>r<br />

Theaterbesuch) als reales Tun in einem Hier und Jetzt<br />

statt. Theater heißt: eine von <strong>de</strong>n Akteuren und Zuschauern<br />

gemeinsam verbrachte und gemeinsam<br />

verbrauchte Lebenszeit in <strong>de</strong>r gemeinsam geatmeten<br />

29


Luft jenes Raums, in <strong>de</strong>m das Theaterspielen und das<br />

Zuschauen vor sich gehen.“ 25<br />

Zusammenfassung <strong>de</strong>r Unterschie<strong>de</strong> 26<br />

Dramatisches Theater<br />

Zugleich beansprucht das postdramatische Theater<br />

auf die neuen medialen Bedingungen produktiv zu<br />

reagieren, sie mitzureflektieren und selektiv in ihrem<br />

Aufführungsrahmen zu integrieren.<br />

Postdramatisches Theater<br />

Text und Handlung Vorrang <strong>de</strong>s Textes und <strong>de</strong>r Narration Vorrang <strong>de</strong>s Phänomens<br />

Bühne und Raum Der Schauspieler steht im Mittelpunkt Vorrang <strong>de</strong>r Bildwirkung<br />

Intention<br />

Schauspieler<br />

Interpretation<br />

Intendierte Handlungen<br />

Kontemplation<br />

Menschen sind gestische Skulpturen<br />

Zeit Theater erzeugt “Traumzeit” Ästhetik <strong>de</strong>r Realzeit<br />

Konzept Gang <strong>de</strong>r Handlung Das Geschehen als fortwähren<strong>de</strong> Verwandlung<br />

http://www.fo-net.<strong>de</strong>/Literatur/Gegenwartsliteratur/Drama_<strong>de</strong>r_90er_Jahre/hauptteil_drama_<strong>de</strong>r_90er_jahre.html<br />

Die hier kurz beschriebenen zentralen Bestimmungen<br />

einer ‚postdramatischen Theaterkonzeption’ erscheinen<br />

zunächst abstrakt, können aber durchaus auf<br />

konkrete Spielformen <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>r- und Jugendtheaters<br />

bezogen wer<strong>de</strong>n. Denn letztlich ist hier eine Möglichkeit<br />

zur Befreiung von festen Regeln vorgezeichnet,<br />

die gera<strong>de</strong> eine Stärke <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>r- und Jugendtheaters<br />

freisetzen können: Unmittelbarkeit<br />

und Authentizität.<br />

Vorteile postdramatischen Theaters<br />

Quelle<br />

Dieser Bezug wird in einem Artikel von Adam Domanski,<br />

einem das Theaterspiel praktizieren<strong>de</strong>n damals<br />

19jährigen Schüler, <strong>de</strong>utlich, <strong>de</strong>r 2004 in <strong>de</strong>r<br />

Zeitschrift „narrenfreiheit“ erschien. Wir wollen hier<br />

die Passagen zitieren, die sich direkt auf das Theater<br />

für jüngere Menschen (hier das Schultheater) beziehen:<br />

Als Vorbild für einen freien Umgang mit <strong>de</strong>r Vorlage haben sich nach meinen<br />

Erfahrungen als Spieler und Zuschauer Formen bewährt, die sich an das anlehnen, was Hans-Thies Lehmann<br />

unter <strong>de</strong>m Begriff <strong>de</strong>s postdramatischen Theaters subsumiert. In<strong>de</strong>m es sich von <strong>de</strong>r Hegemonie <strong>de</strong>s<br />

dramatischen Textes verabschie<strong>de</strong>t, öffnet es dramaturgisch völlig neue Möglichkeiten im Bau eines Stückes.<br />

Im Gegensatz zum klassischen Theater erlaubt das postdramatische Theater starke Kürzungen am<br />

Text, Aktualisierungen und je<strong>de</strong> Form von Verän<strong>de</strong>rungen o<strong>de</strong>r Verschnitten mit an<strong>de</strong>ren Texten. Als Schüler<br />

macht man Theater mit <strong>de</strong>r Erwartung, eine Vielzahl seiner künstlerischen Interessen, Vorlieben und<br />

Qualitäten verarbeiten und vorstellen zu können. Wenn ich ein Lied habe, das mich beson<strong>de</strong>rs berührt,<br />

möchte ich es mit an<strong>de</strong>ren teilen, und wenn ich einen Text geschrieben habe, möchte ich ihn vorlesen.<br />

Solchen Bedürfnissen sollte das Schultheater nachgehen. Das postdramatische Theater erhebt in keinem<br />

Augenblick <strong>de</strong>n anachronistischen Anspruch <strong>de</strong>r „Werktreue“ und bietet in diesem Zusammenhang eine<br />

Vielzahl von theatralen Mitteln, die sich i<strong>de</strong>al dazu eignen, einen schülerfreundlichen Umgang mit <strong>de</strong>r Vorlage<br />

ästhetisch umzusetzen. Schüler können, in Anlehnung an das postdramatische Theater, nach Belieben<br />

aktuelle Bezüge herstellen, eigene Texte in das Stück mit einfließen lassen, über für sie nicht relevante Teile<br />

<strong>de</strong>s Stückes hinwegsehen und dafür neue, von ihnen gewählte Aspekte mit einbringen. Auch die Fabel<br />

als solche spielt hier keine übergeordnete Rolle mehr, sodass eine lineare Erzählstruktur von nun an nicht<br />

mehr erfor<strong>de</strong>rlich zu sein scheint; Diskontinuität wird nicht mehr als handwerklicher Mangel angesehen,<br />

son<strong>de</strong>rn bewusst als ästhetisches Mittel eingesetzt. Letztendlich korrespondiert eine solche Erzählform viel<br />

stärker mit <strong>de</strong>r jugendlichen Rezeption von Alltag und Medien, die sich in ihrer Sprunghaftigkeit, in ihrer<br />

Suche nach Orientierung und in ihrer Vielschichtigkeit ohnehin kaum an einem roten Fa<strong>de</strong>n orientiert.<br />

In<strong>de</strong>m sich das postdramatische Theater von je<strong>de</strong>r psychologischen Tiefendimension <strong>de</strong>r Figuren distanziert,<br />

entlastet es das Schultheater in einem weiteren wichtigen Punkt: Es gibt schließlich nichts Schlimme-<br />

30


es als einen Schüler, <strong>de</strong>r sich, auf <strong>de</strong>r Bühne exponiert, vergeblich im i<strong>de</strong>ntifikatorischen Spiel versucht,<br />

während er mit seitenlangen Monologen kämpft. Die Verantwortung für die Wirkung einer Szene kann mit<br />

Hilfe postdramatischer Mittel gleichmäßiger verteilt wer<strong>de</strong>n. Der Text kann zum Beispiel vom Chor gesprochen<br />

wer<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>r akustisch und optisch weitaus präsenter ist als <strong>de</strong>r einzelne Spieler, welcher somit nicht<br />

mehr Gefahr läuft, sich auf <strong>de</strong>r Bühne unfreiwillig bloßzustellen.<br />

Da Schüler und Spielleiter grundsätzlich nicht professionell genug sind, um ein einziges theatrales Mittel<br />

hinreichend pointiert einzusetzen, sollten sie <strong>de</strong>shalb versuchen, aus einem größeren Repertoire an Mitteln<br />

zu schöpfen, um diese abwechselnd, überschnei<strong>de</strong>nd, simultan, wenn auch nicht beliebig, einzusetzen. Die<br />

postdramatische Non-Hierarchie, die Hinwendung zur Heterogenität, eine ästhetische Vielfalt und ein<br />

gleichberechtigter Einsatz verschie<strong>de</strong>nster Mittel können <strong>de</strong>m Schultheater nur zugute kommen. Die Grenzen<br />

verschie<strong>de</strong>ner Genres zerfließen, so dass man Tanz, Pantomime, Slapstick und Gesang, um nur wenige<br />

Beispiele zu nennen, frei kombinieren kann, je nach<strong>de</strong>m, wie die Begabungen <strong>de</strong>r Schüler ausgerichtet<br />

sind bzw. was die Schüler am Theater interessiert. Selbst die Grenzen zwischen Theater und Film verwischen<br />

und wer<strong>de</strong>n so paradoxerweise stärker erfahrbar.<br />

Da <strong>de</strong>n Schülern im Laufe einer Produktion grundsätzlich <strong>de</strong>r Unterschied zwischen Theater und Film bewusst<br />

wer<strong>de</strong>n sollte, eignet sich ein Theater, welches unter an<strong>de</strong>rem mit <strong>de</strong>m Einsatz von Medien, schnellen<br />

Schnitten und abgeän<strong>de</strong>rten Filmdialogen spielt, ausgezeichnet, um Jugendliche auf die eigenen Qualitäten<br />

<strong>de</strong>s Theaters hin zu sensibilisieren. Wenn man bei Schülern ein <strong>de</strong>rartiges Bewusstsein nicht weckt,<br />

wer<strong>de</strong>n sie immer <strong>de</strong>n Anspruch realistischer und texttreuer Darstellungsformen erheben, da sie eine an<strong>de</strong>re<br />

Form <strong>de</strong>r Behauptung von Realität nie kennen gelernt haben. Man muss ihnen zeigen, wie spannend<br />

es ist, das Theater als das zu verstehen, was es wirklich ist, nämlich wirklich in einem verspieltspielerischen<br />

und nicht-illusionistischen Sinne.<br />

„Ästhetik <strong>de</strong>r Unentscheidbarkeit“<br />

Hans-Thies Lehmann <strong>de</strong>finiert Theater als „eine von Akteuren und Zuschauern gemeinsam verbrachte und<br />

gemeinsam verbrauchte Lebenszeit in <strong>de</strong>r gemeinsam geatmeten Luft jenes Raums, in <strong>de</strong>m das Theaterspielen<br />

und das Zuschauen vor sich gehen“. Darauf sollten Schüler und Spielleiter sich einlassen, mit <strong>de</strong>n<br />

damit verknüpften Bedingungen spielen und lernen, damit adäquat umzugehen. So sollte man die Achse<br />

zum Publikum öffnen, mit <strong>de</strong>m Publikum komm<strong>uni</strong>zieren, es in <strong>de</strong>n Bühnenvorgang integrieren und an <strong>de</strong>r<br />

Inszenierung auf verschie<strong>de</strong>nsten Ebenen teilhaben lassen. Mimetische, psychologisieren<strong>de</strong> Darstellungsformen<br />

wer<strong>de</strong>n suspendiert und durch an<strong>de</strong>re Mittel, wie zum Beispiel durch stilisierte Darstellungsweisen,<br />

ersetzt. Momente <strong>de</strong>r Ein<strong>de</strong>utigkeit wer<strong>de</strong>n vermie<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>r Zuschauer muss in inszenatorisch gesetzten<br />

Momenten für sich selbst entschei<strong>de</strong>n, wie die verwen<strong>de</strong>ten Zeichen zu <strong>de</strong>uten sind. Unter Umstän<strong>de</strong>n<br />

kann es in diesem Zuge auch sehr spannend sein, <strong>de</strong>n Zuschauer bewusst zu irritieren, in<strong>de</strong>m man sich die<br />

postdramatische „Ästhetik <strong>de</strong>r Unentscheidbarkeit“ als Mittel aneignet. Es sind Momente, in <strong>de</strong>nen nicht<br />

<strong>de</strong>utlich wird, ob das Bühnengeschehen inszeniert o<strong>de</strong>r einfach real ist, die Grenzen zwischen Form und<br />

Improvisation können und sollten bewusst verschwimmen.<br />

Hier kommt das postdramatische Theater <strong>de</strong>n spielerischen Fähigkeiten <strong>de</strong>r Schüler entgegen: Verlängerte<br />

Pausen, Versprecher, Texthänger, Fragen an das Publikum und (inszenierte) privatisieren<strong>de</strong> Momente haben<br />

aus <strong>de</strong>n eben genannten Grün<strong>de</strong>n eine beson<strong>de</strong>re Wirkung und verlangen <strong>de</strong>n Schülern spielerisch<br />

keine überdurchschnittlichen Kompetenzen ab. Der Zuschauer hingegen wird stärker gefor<strong>de</strong>rt, er muss<br />

sich konzentrieren, mit<strong>de</strong>nken und das, was auf <strong>de</strong>r Bühne unter Umstän<strong>de</strong>n nur ange<strong>de</strong>utet wird, kreativ<br />

ergänzen. Ich möchte nicht behaupten, dass das Schultheater ohne <strong>de</strong>n Einsatz postdramatischer Elemente<br />

nicht auch wertvoll sein kann, es zeichnet sich in meinen Augen lediglich eine positive Ten<strong>de</strong>nz im Schultheater<br />

ab, die mit <strong>de</strong>m verstärkten Einsatz postdramatischer Elemente einhergeht. Ich habe als Spieler erfahren<br />

- und viele Schultheatergruppen haben gezeigt -, dass, bewusst o<strong>de</strong>r unbewusst, <strong>de</strong>r Einsatz postdramatischer<br />

Mittel über die Tücken und Hür<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Theatermachens hinweg hilft, Schüler mit ihren Bedürfnissen<br />

verstärkt berücksichtigt, in <strong>de</strong>n Prozess involvieren und Inszenierungen schlichtweg besser machen<br />

kann. Sie haben gezeigt, wie Schultheater sich als eigenes und selbstbewusstes Genre behaupten<br />

kann, weil es sich seiner Formen und Grenzen gewärtig wird, dass ein Publikum trotz<strong>de</strong>m o<strong>de</strong>r gera<strong>de</strong> <strong>de</strong>swegen<br />

dazu bereit ist, sich mit ehrlicher Begeisterung auf das einzulassen, was auf <strong>de</strong>r Bühne geschieht.<br />

Und das Publikum hat doch immer irgendwie Recht - im Theater noch mehr als beim Fußball.<br />

31


Quelle<br />

Adam Domanski: Schultheater muß postdramatisch sein. Einwurf aus <strong>de</strong>m Jenseits. In: Narrenfreiheit. Zeitschrift für das Darstellen<strong>de</strong><br />

Spiel an Bremer Schulen. No. 32, 18. Jg. Dez. 2004, S. 28-30.<br />

Stellungnahme, Kritik zum Text von Domanski<br />

� Was wären ‚postdramatische’ Mittel konkret im <strong>Kin<strong>de</strong>rtheater</strong>?<br />

� Wie ist die Abkehr von Psychologisierung und mimetischer Darstellung zu beurteilen? Was be<strong>de</strong>utet<br />

dies konkret für Inszenierungen?<br />

� Wie könnten bei diesem Konzept mo<strong>de</strong>rne Medien eingesetzt wer<strong>de</strong>n (Beispiele aus Aufführungen)?<br />

Aufgabe<br />

1. Versuchen Sie, eine Episo<strong>de</strong> aus einer Erzählung für Kin<strong>de</strong>r im Sinne <strong>de</strong>r postdramatischen Konzeption<br />

umzuschreiben, in<strong>de</strong>m Sie Regieanweisungen formulieren. Betonen Sie dabei<br />

� die Komm<strong>uni</strong>kation mit <strong>de</strong>m Publikum,<br />

� die szenisch-gestischen Aktionen,<br />

� die Anwendung verschie<strong>de</strong>nartiger Mittel (Pantomime, Slapstick, Tanz, Gesang u.ä.).<br />

2. Suchen Sie eine Kin<strong>de</strong>rerzählung heraus, die sich gut für eine solche Umsetzung eignet.<br />

Hans-Thies Lehmann: Postdramatisches Theater. 2. Aufl. Frankfurt/M. 2001 (Einl.).<br />

Lesehinweise<br />

Ulrike Hentschel: Theaterspielen als ästhetische Bildung. Über einen Beitrag produktiven künstlerischen Gestaltens zur Selbstbildung.<br />

Weinheim 1996 (vor allem die Abschnitte zum Theaterspiel als ästhetische Bildung, S. 135-249).<br />

Anmerkungen<br />

20Koch/Streisand: Wörterbuch <strong>de</strong>r Theaterpädagogik, S. 200.<br />

21Franz Norbert Mennemeier: Aspekte <strong>de</strong>s naturalistischen Dramas <strong>de</strong>r Jahrhun<strong>de</strong>rtwen<strong>de</strong> - von Emile Zola<br />

bis Arthur Schnitzler. In: Dieter Kafitz, Hg.: Drama und Theater <strong>de</strong>r Jahrhun<strong>de</strong>rtwen<strong>de</strong>. Tübingen 1991,<br />

S. 3.<br />

22Hans-Thies Lehmann: Postdramatisches Theater. 2. Aufl. Frankfurt/M. 2001, S. 13.<br />

23Frankfurter Rundschau, 26.09.2007.<br />

24Lehmann: Postdramatisches Theater, S. 14.<br />

25Lehmann: Postdramatisches Theater, S. 12.<br />

26Nach: http://www.fo-net.<strong>de</strong>/Literatur/Gegenwartsliteratur/Drama_<strong>de</strong>r_90er_Jahre/hauptteil_drama_<strong>de</strong>r_90er_<br />

jahre.html.<br />

32


7. Beispiel<br />

Arbeit mit einem neueren Stück <strong>de</strong>s <strong>Kin<strong>de</strong>rtheater</strong>s<br />

In dieser Sitzung sollen Merkmale <strong>de</strong>s Theatralischen<br />

und auch schon spezielle Züge <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>rdramas-<br />

und <strong>Kin<strong>de</strong>rtheater</strong>s an einem Beispiel herausgearbeitet<br />

wer<strong>de</strong>n. Es geht insbeson<strong>de</strong>re darum, die verschie<strong>de</strong>nen<br />

Elemente <strong>de</strong>r Stücke auf inhaltlicher wie<br />

Vorschläge für Stücke<br />

Vorstellung, Rezension<br />

formaler Ebene zu zeigen und Kriterien für eine fundierte<br />

Rezension zu erarbeiten. Es sollte in je<strong>de</strong>m Fall<br />

darauf geachtet wer<strong>de</strong>n, dass auf eine gera<strong>de</strong> laufen<strong>de</strong><br />

Aufführung zurückgegriffen wer<strong>de</strong>n kann, da es die<br />

Fixierung auf <strong>de</strong>n reinen Text überwun<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n soll.<br />

Rudolf Herfurtner<br />

Spatz Fritz. Schauspiel nach <strong>de</strong>m Bil<strong>de</strong>rbuch „Ratzenspatz“ (f. Kin<strong>de</strong>r ab 5 Jahren)<br />

Spatz Fritz verunglückt bei seinem ersten Flugversuch<br />

und lan<strong>de</strong>t im Keller von Frau Maier. Glücklicherweise<br />

ist Frau Maier Rattenliebhaberin, sehr zum Ärger ihres<br />

Nachbarn Herrn Huber. In Frau Maiers Keller hausen<br />

ganz außergewöhnliche Tiere - eine Schiffsratte, eine<br />

Katt und Fredda sind lange Zeit unterwegs gewesen.<br />

Eine Reise liegt hinter ihnen, die voll von Mühen und<br />

Strapazen war, voller Sehnsucht und Angst. Dann<br />

haben sie einen, ihren Raum gefun<strong>de</strong>n, haben es<br />

geschafft ins Trockene zu kommen. Diesen Raum<br />

haben sie sich schön eingerichtet. Alles ist da was sie<br />

brauchen: Zwei Stühle, zwei Teller, die Dinge <strong>de</strong>s täglichen<br />

Lebens. Perfekt eingerichtet, gemütlich, friedlich<br />

und ungestört.<br />

Warum sollte es nicht immer so bleiben, hofft Fredda.<br />

Zunächst lebt <strong>de</strong>r kleine Maulwurf glücklich und zufrie<strong>de</strong>n<br />

unter seiner bunten Wiese und bud<strong>de</strong>lt je<strong>de</strong><br />

menge Hügel. Sehr zum Leidwesen <strong>de</strong>s Bauern. Dann<br />

zerstören Bagger die Wohnung von Grabowski, <strong>de</strong>nn<br />

auf <strong>de</strong>r Wiese soll ein 19stöckiges Hochhaus gebaut<br />

Laborratte und eine Leseratte. Gemeinsam retten sie<br />

Spatz Fritz und bringen ihm das Fliegen bei. Das gefällt<br />

dann auch Herrn Huber, <strong>de</strong>r ein großer Vogelliebhaber<br />

ist.<br />

Ingeborg von Zadow<br />

Besuch bei Katt und Fredda (f. Kin<strong>de</strong>r ab 7 Jahren)<br />

Und da ist Miranda. Sie zieht draußen umher, von<br />

einem Ort zum an<strong>de</strong>ren. Miranda kommt vorbei und<br />

will einfach mal reinkommen. Miranda will auch gerne<br />

alles zusammen machen, mit an<strong>de</strong>ren Leuten, dann<br />

macht das Leben mehr Spaß. Und so ist plötzlich Besuch<br />

da bei Katt und Fredda. Und schnell ist nichts<br />

mehr so, wie es vorher war. Ist Platz für drei, wo vorher<br />

alles nur für zwei eingerichtet war? Wer spielt mit<br />

wem, und wer bleibt draußen?<br />

Luis Murschetz<br />

Der Maulwurf Grabowski (Puppentheater) (f. Kin<strong>de</strong>r ab 4 Jahren)<br />

wer<strong>de</strong>n. Also, was bleibt <strong>de</strong>m Maulwurf an<strong>de</strong>res übrig<br />

als auszuwan<strong>de</strong>rn und sich eine neue Bleibe zu suchen?<br />

Auf <strong>de</strong>r Suche besteht Grabowski so manche<br />

Abenteuer. Aber das Stück nach <strong>de</strong>m Buch von Luis<br />

Murschetz fin<strong>de</strong>t ein glückliches En<strong>de</strong>.<br />

Astrid Lindgren<br />

Karlsson vom Dach (Puppentheater) (Medienverbund) (f. Kin<strong>de</strong>r ab 6 Jahren)<br />

Auf <strong>de</strong>m Dach eines ganz gewöhnlichen Stockholmer<br />

Hauses, direkt neben <strong>de</strong>m Schornstein, wohnt ein<br />

schöner und kluger und gera<strong>de</strong> richtig dicker Mann in<br />

<strong>de</strong>n besten Jahren: Karlsson vom Dach. Das weiß bloß<br />

keiner, außer Lillebror natürlich, einem ganz gewöhnlichen<br />

Stockholmer Jungen. Denn Karlsson kommt<br />

immer zu ihm durch das offene Fenster geflogen.<br />

Karlsson braucht nämlich nur an einem Knopf zu drehen,<br />

<strong>de</strong>r mitten vor seinem Nabel sitzt, und dann<br />

springt <strong>de</strong>r kleine Propeller an, <strong>de</strong>n er auf <strong>de</strong>m Rücken<br />

hat. Der allerbeste Karlsson <strong>de</strong>r Welt kann aber noch<br />

viel mehr. Er ist ein herrlicher Spielkamerad und steht<br />

33


Lillebror im Kampf gegen böse Einbrecher und vor<br />

allem gegen die eiserne Haushälterin Frau Bock tat-<br />

Die zweite Prinzessin hat es satt, immer und ewig nur<br />

die Zweite zu sein. Und dann hat ihre ältere Schwester<br />

auch noch Geburtstag. Dieser Geburtstag bringt es mit<br />

sich, dass die erste Prinzessin eine ganze Stun<strong>de</strong><br />

länger aufbleiben, auf <strong>de</strong>m königlichen Pony reiten<br />

und mit <strong>de</strong>m König und <strong>de</strong>r Königin auf <strong>de</strong>n Balkon<br />

hinaus treten darf, um zu winken. Und dann auch<br />

noch die ganzen Geschenke, die die erste Prinzessin<br />

bekommen hat. Die zweite beklagt sich bitterlich: »Je<strong>de</strong>r<br />

darf Kleine zu mir sagen, ich muss ihre alten Kla-<br />

kräftig zur Seite.<br />

Gertrud Pigor<br />

Die zweite Prinzessin (f. Kin<strong>de</strong>r ab 4 Jahren)<br />

motten auftragen.« Deshalb <strong>de</strong>nkt sie sich lauter<br />

schlimme Sachen aus, um ihre Schwester loszuwer<strong>de</strong>n.<br />

Damit sie endlich die Einzige ist. Nur eine Stimme<br />

aus <strong>de</strong>m Radio lässt sich nicht beeindrucken und<br />

berichtet <strong>de</strong>r kleinen Prinzessin unermüdlich vom<br />

wun<strong>de</strong>rbaren Glück einer perfekten Familie. Als die<br />

Situation sich entschei<strong>de</strong>nd zuspitzt ist klar, dass<br />

dringend ein königliches Machtwort gesprochen wer<strong>de</strong>n<br />

muss, damit alle wie<strong>de</strong>r glücklich und zufrie<strong>de</strong>n<br />

leben können.<br />

[Die Auswahl <strong>de</strong>r Stücke erfolgte nach Durchsicht <strong>de</strong>s aktuellen Spielplans von <strong>Kin<strong>de</strong>rtheater</strong>n verschie<strong>de</strong>ner Art<br />

in Bremen und Umgebung 2007.]<br />

Behandlung und Rezensierung eines <strong>de</strong>r Stücke<br />

Dem „Du<strong>de</strong>n“ gemäß ist eine Rezension die „1. kritische<br />

Besprechung eines Buches, einer wissenschaftlichen<br />

Veröffentlichung, künstlerischen Darbietung o.<br />

ä., bes. in einer Zeitung od. Zeitschrift.“ Mit einer Rezension<br />

verfolgt man die Absicht, ein Theaterstück<br />

� inhaltlich und von <strong>de</strong>r Inszenierung her zu erfassen,<br />

� die wichtigsten Merkmale zu beschreiben,<br />

� <strong>de</strong>n Kontext zu erklären,<br />

Warum Rezensionen lesen? Warum Rezensionen schreiben?<br />

Warum Theaterrezensionen? Und wie?<br />

� zu einer kritischen Einschätzung zu gelangen,<br />

� die Leser zu informieren und von <strong>de</strong>r eigenen<br />

Sichtweise zu überzeugen.<br />

Im Falle <strong>de</strong>r Rezension eines <strong>Kin<strong>de</strong>rtheater</strong>stücks<br />

wären folgen<strong>de</strong> Elemente in je<strong>de</strong>m Falle zu beachten:<br />

Elemente einer Rezension<br />

1. Inhaltlicher Überblick<br />

� kurze Zusammenfassung <strong>de</strong>s Textes, in diesem Falle <strong>de</strong>s Ausgangstextes (schriftliche Fassung <strong>de</strong>s<br />

Dramas), beson<strong>de</strong>rs aber <strong>de</strong>s Handlungsverlaufs <strong>de</strong>r Inszenierung. Auf Kürzungen o<strong>de</strong>r be<strong>de</strong>utsame<br />

Unterschie<strong>de</strong> kann hier schon hingewiesen wer<strong>de</strong>n.<br />

� Zusätzlich einleitend: Angaben zum Text: Wo, wann erschienen, geschrieben, aufgeführt?<br />

� Welches Genre? (Märchenspiel, Adaption von Bil<strong>de</strong>rbuch o<strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>rbuch, Puppen-/Fingerspiel etc.)<br />

� Spezifische Merkmale für die Theateraufführung:<br />

� Text und Textbearbeitung <strong>de</strong>s Stückes (Dramaturgie)<br />

� Regie<br />

� Szenenbild, Kulissen<br />

� Schauspieler<br />

� Ton, Musik<br />

� Effekte<br />

� Erkennbare Absichten <strong>de</strong>r an <strong>de</strong>r Aufführung Beteiligten<br />

� Folgen <strong>de</strong>r Theaterorganisation, <strong>de</strong>s Budgets, <strong>de</strong>r technischen Anlagen etc. auf die Inszenierung<br />

34


2. Kontextualisierung<br />

� Die Theateraufführung wird in <strong>de</strong>n Zusammenhängen besprochen, in <strong>de</strong>nen sie entstan<strong>de</strong>n ist – und in<br />

<strong>de</strong>nen sie referiert wird. An welche Diskussion knüpft die Rezension an? Aus welcher Tradition / Perspektive<br />

/ Theorierichtung argumentiert <strong>de</strong>r Autor?<br />

3. Reaktionen <strong>de</strong>s Publikums<br />

� Möglichst genaue Registrierung <strong>de</strong>r Zuschauerreaktionen gera<strong>de</strong> beim <strong>Kin<strong>de</strong>rtheater</strong>, Verän<strong>de</strong>rungen<br />

während <strong>de</strong>r Aufführung<br />

4. Wertung<br />

� Die Wertung sollte die bisher behan<strong>de</strong>lten Merkmale einbeziehen und vor allem folgen<strong>de</strong> Punkte umfassen:<br />

� künstlerischer Wert <strong>de</strong>r Aufführung<br />

� Altersgemäßheit <strong>de</strong>r Inszenierung<br />

� Brauchbarkeit in verschie<strong>de</strong>nen Zusammenhängen<br />

5. Eigene Stellungnahme<br />

� Hier geht es um die persönliche Schlusseinschätzung: Hat mir die Aufführung etwas gegeben, fand ich<br />

sie interessant, unterhaltsam, komisch, langweilig, provokativ, ärgerlich, ausufernd?<br />

35


Was ist Theaterpädagogik?<br />

8. Theaterpädagogik<br />

und was man damit machen kann<br />

Theaterpädagogik ist eine recht junge Disziplin, die<br />

nach eigenem Selbstverständnis vermitteln will zwischen<br />

<strong>de</strong>n Bedürfnissen <strong>de</strong>s Theaters und <strong>de</strong>r dort<br />

Tätigen mit verschie<strong>de</strong>nen Institutionen <strong>de</strong>r Pädagogik,<br />

<strong>de</strong>r Erwachsenenbildung und <strong>de</strong>s sozialen Lebens.<br />

Es sind eigene Ausbildungsrichtlinien erarbeitet wor<strong>de</strong>n,<br />

und <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>sverband Theaterpädagogik (BuT<br />

e.V.) vertritt inhaltlich und stan<strong>de</strong>spolitisch die dort<br />

Tätigen. Im Einzelnen wer<strong>de</strong>n die Theaterpädagogen<br />

in folgen<strong>de</strong>n Bereichen tätig:<br />

Theaterpädagogen arbeiten in Wirtschaft und Industrie,<br />

in therapeutischen Bereichen vor allem jedoch<br />

auch in pädagogischen Berufsfel<strong>de</strong>rn, etwa in Kin<strong>de</strong>rgärten<br />

und Schulen. Es geht ihnen vor allem um die<br />

Vermittlung von künstlerischen wie pädagogischen<br />

o<strong>de</strong>r auch rein praktischen Fertigkeiten, die mit <strong>de</strong>r<br />

Produktion und Rezeption theatraler Aufführungen zu<br />

tun haben. Theaterpädagogen arbeiten teilweise direkt<br />

an Theatern, sie beschäftigen sich (natürlich in<br />

Kooperation mit vielen an<strong>de</strong>ren Beteiligten) mit <strong>de</strong>r<br />

Auswahl <strong>de</strong>r Spielpläne, vor allem aber mit <strong>de</strong>r Verbindung<br />

<strong>de</strong>s Theaters zum Publikum, auch und gera<strong>de</strong><br />

mit <strong>de</strong>r Erschließung neuer ‚Konsumentengruppen’.<br />

So wer<strong>de</strong>n Führungen angeboten o<strong>de</strong>r Gespräche mit<br />

Regisseuren, Schauspielern o<strong>de</strong>r Dramaturgen organisiert.<br />

Über solche eher traditionelle Aufgabenstellungen<br />

hinaus kommen Theaterpädagogen aber auch in<br />

Schulen und an<strong>de</strong>re pädagogische und soziale Einrichtungen<br />

und unterstützen etwa die Kooperation von<br />

Schulen und Theatern bei bestimmten Projekten. Die<br />

Jugendinitiative KINDER ZUM OLYMP! bün<strong>de</strong>lt verschie<strong>de</strong>ne<br />

Ansätze in <strong>de</strong>n Län<strong>de</strong>rn. Auf ihren Internetseiten<br />

[http://www.kin<strong>de</strong>r-zum-olymp.<strong>de</strong>], in einem<br />

Handbuch und in weiteren Publikationen stellt sie die<br />

vielfältigen Aktivitäten dar, die sich unter einem weiten<br />

Begriff von ästhetischer Bildung entwickelt haben. In<br />

<strong>de</strong>r Funktionsbestimmung heißt es:<br />

„Kultur ist nicht Luxus, son<strong>de</strong>rn Notwendigkeit. Kunst und Kultur zu för<strong>de</strong>rn und zu bewahren ist Aufgabe<br />

<strong>de</strong>r Kulturstiftung <strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r. Unsere Verantwortung gilt <strong>de</strong>shalb auch <strong>de</strong>r Zukunft – und damit <strong>de</strong>r Jugend.<br />

Warum eine Jugendinitiative?<br />

Weil Kin<strong>de</strong>r und Jugendliche oft kaum eine Chance haben, Kunst und Kultur zu ent<strong>de</strong>cken!<br />

KINDER ZUM OLYMP! will Kin<strong>de</strong>r und Jugendliche für die Vielfalt unserer Kultur begeistern und damit ihre<br />

Kreativität und Fantasie för<strong>de</strong>rn. Um Kunst und Kultur fest im Leben von Kin<strong>de</strong>rn und Jugendlichen zu verankern,<br />

müssen wir neue Wege beschreiten, vom Kin<strong>de</strong>rgarten bis zum Schulabschluss.<br />

Was uns zusätzlich motiviert: Die neuere Entwicklungsphysiologie hat die Notwendigkeit ästhetischer Bildung<br />

für die Entwicklung von Kin<strong>de</strong>rn und Jugendlichen auch wissenschaftlich belegt und die enormen<br />

Aufnahmekapazitäten gera<strong>de</strong> im frühesten Kin<strong>de</strong>s- und Jugendalter aufgezeigt.<br />

Deshalb will KINDER ZUM OLYMP! Kin<strong>de</strong>r, Kunst und Kultur <strong>de</strong>utschlandweit zusammenbringen - quer<br />

durch alle kulturellen Sparten. Es geht darum, gute I<strong>de</strong>en, die sich in <strong>de</strong>r Praxis bewährt haben, nach außen<br />

zu komm<strong>uni</strong>zieren und an<strong>de</strong>re damit zur Nachahmung zu motivieren.<br />

Die Initiative entstand in Zusammenarbeit mit <strong>de</strong>n Kulturabteilungen <strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r, <strong>de</strong>m Max-Planck-Institut<br />

für Bildungsforschung in Berlin sowie <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>szentrale für politische Bildung.<br />

Neben <strong>de</strong>r praktischen Arbeit (und damit verbun<strong>de</strong>n)<br />

versucht sich die Theaterpädagogik seit einiger Zeit –<br />

analog zur Theaterwissenschaft – als Forschungsdis-<br />

ziplin zu etablieren. Zu nennen ist hier insbeson<strong>de</strong>re<br />

die grundlegen<strong>de</strong> Arbeit von Ulrike Hentschel „Theaterspielen<br />

als ästhetische Bildung“ von 1996.<br />

Literatur<br />

Karin von Welck, Hg.: Kin<strong>de</strong>r zum Olymp! Wege zur Kultur für Kin<strong>de</strong>r und Jugendliche. Köln 2004.<br />

Ulrike Hentschel: Theaterspielen als ästhetische Bildung. Über einen Beitrag produktiven künstlerischen Gestaltens zur Selbstbildung.<br />

Weinheim 1996.<br />

36


Praktisches Beispiel<br />

Ein interessantes praktisches Beispiel zur pädagogischen<br />

Wirkung <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>r- und Jugendtheaters bei<br />

enger Kooperation <strong>de</strong>r beteiligten Schulen, Theater<br />

und Theaterpädagogen ist das<br />

PROJEKT Walter-Gropius-Schule und Stadttheater<br />

Hil<strong>de</strong>sheim: „Das Theater macht mich voll weich“.<br />

Es wird hier versucht, die Arbeit mit einem ‚Klassiker’,<br />

Schillers „Räuber“, mit Klassen <strong>de</strong>s Berufsvorbereitungsjahres<br />

(BVJ) <strong>de</strong>r Hil<strong>de</strong>sheimer Werner-von-<br />

Siemens-Schule konkret für die aktuelle Aufgabe <strong>de</strong>r<br />

Gewaltprävention zu nutzen.<br />

Trotz großer Probleme bei <strong>de</strong>r konkreten Proben- und<br />

Inszenierungsarbeit gelang es doch letztlich, die angestrebten<br />

Ziele zu erreichen:<br />

„Wenn es in <strong>de</strong>r Schule Krach gibt, kommen die Jugendlichen tagelang nicht mehr. Hier waren sie am<br />

nächsten Morgen wie<strong>de</strong>r zur Stelle.“ Ihre Kollegin Conny Törber bestätigt: „Ich habe noch nie erlebt, dass<br />

die Schüler über so eine lange Distanz durchgehalten haben und dass so ein schönes Ergebnis dabei herausgekommen<br />

ist.“ Die „Räuber“ seien <strong>de</strong>r Beweis, dass es sich nicht um Schüler han<strong>de</strong>le, „die man<br />

betreuen o<strong>de</strong>r bewachen muss. Wenn man ihnen die Möglichkeiten gibt, können sie je<strong>de</strong> Menge selbst auf<br />

die Beine stellen“.<br />

zeitzeichen. Evangelische Kommentare zu Religion und Gesellschaft Internet: www.zeitzeichen.net.<br />

Das Stadttheater Hil<strong>de</strong>sheim organisiert in Zusammenarbeit<br />

mit Theaterpädagogen Workshops zum<br />

Theater und zur theaterpraktischen Arbeit insgesamt,<br />

Quelle<br />

die <strong>de</strong>n Beteiligten das nötige Know how für die konkrete<br />

Arbeit in Bildungsinstitutionen geben.<br />

Hil<strong>de</strong>sheimer Kulturlehrplan: Die theaterpraktischen Workshops vermitteln einerseits Fachwissen, d. h.<br />

die Kompetenz, das komplexe Medium Theater zu lesen und zu verstehen und erhöhen damit <strong>de</strong>n Genuss<br />

am Theater. An<strong>de</strong>rerseits wer<strong>de</strong>n im Rahmen <strong>de</strong>r Workshops soziale Fähigkeiten trainiert und sogenannte<br />

"soft skills" in <strong>de</strong>r spielerischen Auseinan<strong>de</strong>rsetzung mit Theaterszenen, Figuren und Texten gefor<strong>de</strong>rt und<br />

geför<strong>de</strong>rt: Es wer<strong>de</strong>n Wahrnehmung und Beobachtung, Einfühlungsvermögen, Kreativität, Teamfähigkeit,<br />

Integrationsbereitschaft, Neugier, Verhandlungsführung, Kritikfähigkeit geschult, aber auch Menschenkenntnis,<br />

Durchsetzungsvermögen und nicht zuletzt ein gesun<strong>de</strong>s Selbstbewusstsein gebil<strong>de</strong>t. Herausragen<strong>de</strong>s<br />

Beispielprojekt für eine solche Arbeit war in dieser Spielzeit die Produktion "Räuber", in <strong>de</strong>r Schüler<br />

<strong>de</strong>r BVJ-Klassen <strong>de</strong>r Walter Gropius-Schule, Jugendliche aus <strong>de</strong>n "klassisch bildungsfernen" Schichten, unter<br />

professioneller Regie das Schiller-Drama "Die Räuber" auf die Bühne brachten (dokumentiert u a. von<br />

Spiegel TV).<br />

Quelle<br />

http://www.theaterkanal.<strong>de</strong>/theater/<strong>de</strong>utschland/nie<strong>de</strong>rsachsen/hil<strong>de</strong>sheim/645/stadttheater_hil<strong>de</strong>sheim_initiiert_hil<strong>de</strong>sheimer_ku<br />

lturlehrplan/.<br />

Theater als didaktische Metapher<br />

Das Lehren kann auch als ‚Kunst’ betrachtet wer<strong>de</strong>n –<br />

und wur<strong>de</strong> es früher auch. Heute ist dieser Blickwinkel<br />

weitgehend in Vergessenheit geraten, das Lehren wird<br />

immer mehr zu einer formal erlernbaren, operationalisierbaren<br />

und quantifizierbaren Technik.<br />

Gun<strong>de</strong>l Mattenklott weist aber interessanterweise in<br />

ihrem Buch „Grundschule <strong>de</strong>r Künste“ auf Gemeinsamkeiten<br />

von Theaterspiel und pädagogischdidaktischen<br />

Prozessen hin. Das Theater als Metapher<br />

ermöglicht gera<strong>de</strong> im Horizont <strong>de</strong>r musischästhetischen<br />

Erziehung bis zu einem gewissen Gra<strong>de</strong><br />

eine Vereinigung <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n zunächst antagonistisch<br />

erscheinen<strong>de</strong>n Bereiche. 27 Es wären hier vor allem<br />

folgen<strong>de</strong> Analogien zu nennen:<br />

a) Schule genau wie theatrale Inszenierung stellt<br />

jeweils Handlungen und Situationen dar, die mit<br />

realen nicht i<strong>de</strong>ntisch sind. Man könnte sagen,<br />

dass die bei<strong>de</strong>n Bereiche überhaupt nur aus<br />

diesem Grun<strong>de</strong> funktionieren: Ohne dass Kin<strong>de</strong>r<br />

bereit wären, Wissen und Orientierungen Weltsimulierend<br />

aufzunehmen o<strong>de</strong>r zu antizipieren,<br />

wären schulische Prozesse gar nicht <strong>de</strong>nkbar.<br />

Dies be<strong>de</strong>utet zugleich, dass auf die Fähigkeit<br />

zur Apperzeption <strong>de</strong>s Imaginativen und Symbolhaften<br />

zurückgegriffen wird: „Wir stellen uns<br />

jetzt einmal vor…“ D.h. in schulischen Prozessen<br />

wird Welt verkleinert und zugleich symbolhaft<br />

abgebil<strong>de</strong>t, eine Tatsache, die sie mit künstlerischen<br />

Produkten, insbeson<strong>de</strong>re <strong>de</strong>m Theater<br />

teilt.<br />

37


) Folgt man diesem Gedankengang, so lässt sich<br />

die Tätigkeit <strong>de</strong>s Lehrers und Erziehers in an<strong>de</strong>rer<br />

Weise beschreiben, und zwar so, wie sie traditionell<br />

in pädagogischen Konzeptionen immer<br />

beschrieben wur<strong>de</strong>: als Künstler. Reformpädagogische<br />

Mo<strong>de</strong>lle etwa betonen seit jeher diese<br />

künstlerisch-kreative Seite, ebenso das Schulsystem<br />

an<strong>de</strong>rer Län<strong>de</strong>r (etwa in Skandinavien).<br />

Zugleich befin<strong>de</strong>t sich ein solches Konzept im<br />

Gegensatz zu neueren technokratischen Mo<strong>de</strong>llen,<br />

die ja gera<strong>de</strong> das Kalkulierbare und Planbare<br />

von Bildungsprozessen betonen und instrumentalisierbar<br />

zu machen versuchen. Was wir<br />

zur Zeit, bis hin zur <strong>Universität</strong>, beobachten, ist<br />

<strong>de</strong>r umfassen<strong>de</strong> Versuch, zu einer Standardisierung<br />

von Bildung zu gelangen, die zwar im Sinne<br />

einer globalisierten Wirtschaft funktionieren<br />

mag, jedoch zugleich das Individuelle, Spontane,<br />

Einmalige und Kreative aus Bildung weitgehend<br />

verbannt bzw. – ein Wi<strong>de</strong>rspruch in sich<br />

selbst - regulieren möchte.<br />

c) Die Theatermetapher betont das spontan Ungeplante,<br />

Einmalige von Bildungsprozessen, aber<br />

zugleich auch <strong>de</strong>ren Charakter als Gemeinschaftsprojekt.<br />

Es han<strong>de</strong>lt sich im gelungenen<br />

erzieherischen Gemeinschaftsprojekt genau wie<br />

beim Theater um ein arbeitsteiliges, von vielen<br />

unterschiedlichen Persönlichkeiten gesteuertes<br />

Phasen <strong>de</strong>r Theaterpädagogik<br />

Kin<strong>de</strong>r-, Jugend- o<strong>de</strong>r Schultheater wur<strong>de</strong> historisch<br />

häufig gedacht als eine rudimentäre Form <strong>de</strong>s Erwachsenentheaters,<br />

das sich wie<strong>de</strong>rum in erster Linie<br />

literarisch verstand: Versucht wur<strong>de</strong>, auf einem laienhaften<br />

Niveau das traditionelle Sprechtheater einzuüben<br />

und <strong>de</strong>ssen Grundbestandteile zu zeigen. Innerhalb<br />

dieser Konzeption blieben Kin<strong>de</strong>r entwe<strong>de</strong>r passiv<br />

auf die bloße Rezeption beschränkt (Theaterbesuche,<br />

Gastspiele von Theatern mit kindgemäßen Stücken<br />

in Schulen o<strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>rgärten) o<strong>de</strong>r aber es han<strong>de</strong>lte<br />

sich um ein (wie man es heute eher negativ benennt)<br />

‚Schultheater’, das versuchte, klassisch kanonisierte<br />

Dramen auf kindlichem Niveau wie<strong>de</strong>rzugeben.<br />

Neben <strong>de</strong>m Aspekt <strong>de</strong>r Literarisierung stand<br />

die Ten<strong>de</strong>nz, in Anlehnung an ein häufig banalisiertes<br />

Verständnis <strong>de</strong>s Theaters als ‚moralische Anstalt’,<br />

über <strong>de</strong>n Einsatz <strong>de</strong>s Theatermediums in <strong>de</strong>r Schule<br />

bestimmte politische, pädagogische o<strong>de</strong>r sonstige<br />

Prinzipien zu verbreiten. Nach <strong>de</strong>m lateinischen Motto<br />

‚fabula docet’ erschien das Spiel beson<strong>de</strong>rs gut dafür<br />

geeignet, in einer unterhaltsamen Verkleidung außerästhetische<br />

Inhalte zu transportieren (ein Prinzip, <strong>de</strong>m<br />

heute meist in subtiler Form die Unterhaltungsdramaturgie<br />

von Fernsehen und Kino folgt).<br />

Die Ten<strong>de</strong>nz zur Literarisierung, die übrigens in <strong>de</strong>r<br />

Praxis <strong>de</strong>r ‚ernsthaften’ Theater <strong>de</strong>r 1950er o<strong>de</strong>r frühen<br />

1960er Jahre auch dominierte, verband sich ins-<br />

Geschehen. Der Spielleiter (o<strong>de</strong>r Lehrer) hat<br />

hierbei zwar durchaus eine hervorgehobene Position,<br />

ist aber keineswegs ein ‚Alleinherrscher’,<br />

son<strong>de</strong>rn abhängig von <strong>de</strong>r Kompetenz <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren<br />

Akteure.<br />

d) Wichtig und bei<strong>de</strong>n Bereichen gemein ist beson<strong>de</strong>rs<br />

das Wechselspiel, eine Pen<strong>de</strong>lbewegung<br />

zwischen <strong>de</strong>n Bereichen <strong>de</strong>s Realen und<br />

Fiktiven. Wie beim Theater, so lassen sich die<br />

Han<strong>de</strong>ln<strong>de</strong>n zwar zeitweilig mit ihrer ganzen<br />

Persönlichkeit in <strong>de</strong>n Bereich <strong>de</strong>s Imaginierten<br />

(o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Probehan<strong>de</strong>lns) fallen, aber zugleich<br />

ist ihnen dabei immer bewusst, dass es sich<br />

dabei eben um einen Phantasiebereich han<strong>de</strong>lt.<br />

Ähnlich schon im traditionellen Theater – nicht<br />

erst in Brechts Vorstellung <strong>de</strong>r Verfremdung:<br />

Zwar wird eine möglichst starke Illusionswirkung<br />

angestrebt, diese ist jedoch zugleich begrenzt<br />

und erglaubt gelegentliche Ausbrüche.<br />

e) Eine weitere Gemeinsamkeit ist das Ineinan<strong>de</strong>r<br />

von Offenheit und Geschlossenheit. Ist zwar das<br />

Geschehen durch <strong>de</strong>n Bühnenraum begrenzt, so<br />

öffnet es sich zugleich virtuell <strong>de</strong>m Außen.<br />

beson<strong>de</strong>re mit <strong>de</strong>m Deutschunterricht <strong>de</strong>s Gymnasiums<br />

– in an<strong>de</strong>ren Schulformen (etwa <strong>de</strong>r ‚Volksschule’)<br />

kam eine Theatererziehung kaum vor, höchstens<br />

gab es Versuche, semi-theatrale spielerische Formen<br />

im Klassenzimmer auszuprobieren.<br />

Ein grundsätzlicher Wan<strong>de</strong>l lässt sich – unter <strong>de</strong>m<br />

Einfluss <strong>de</strong>r Stu<strong>de</strong>ntenbewegung – in <strong>de</strong>n 1970er<br />

Jahren beobachten. Man kann hier von einer Retheatralisierung<br />

gegenüber <strong>de</strong>r reinen Literarisierung<br />

<strong>de</strong>s Theaters sprechen. Es ging hier insbeson<strong>de</strong>re<br />

darum, mit einem aufklärerischen Impetus das Theaterspiel<br />

und das darstellen<strong>de</strong> Spiel an die Erfahrungswelten<br />

und die Konfliktebenen von Kin<strong>de</strong>rn und Jugendlichen<br />

heranzuführen und Formen zu entwickeln,<br />

die das Spiel mit <strong>de</strong>r Alltagspraxis von Kin<strong>de</strong>rn und<br />

Jugendlichen verbin<strong>de</strong>n sollten. In Probehandlungen<br />

und simulierten Aktionen (Rollenspiel) sollte auf gesellschaftliche<br />

Ernstsituationen vorbereitet und sollten<br />

diese kritisch reflektiert wer<strong>de</strong>n. Zugleich ging es darum,<br />

in authentischen, nachspielbaren Situationen<br />

gesellschaftliche Konflikt-, Interessen- und Machtsituationen<br />

vorzuführen, diese damit durchschaubar und<br />

verän<strong>de</strong>rbar zu machen. Exemplarisch für eine <strong>de</strong>rartige<br />

Konzeption war das sog. emanzipatorische <strong>Kin<strong>de</strong>rtheater</strong>,<br />

etwa das GRIPS THEATER Berlin o<strong>de</strong>r das<br />

Theater Rote Grütze; hierbei wur<strong>de</strong> häufig an die Tra-<br />

38


dition <strong>de</strong>s linken realistischen emanzipatorischen<br />

<strong>Kin<strong>de</strong>rtheater</strong>s <strong>de</strong>r Weimarer Republik angeknüpfte. 28<br />

Ästhetisch und dramaturgisch gesehen kann diese<br />

Theaterkonzeption auch als ‚Neorealismus’ betrachtet<br />

wer<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>r an verschie<strong>de</strong>nartigen Strömungen eines<br />

kritischen, politischen und sozialistischen Realismus<br />

anknüpfte. 29 Unter <strong>de</strong>m Motto „<strong>Kin<strong>de</strong>rtheater</strong> als Lebensschule“<br />

30 wur<strong>de</strong>n hier die Prinzipien eines politisch-realistischen<br />

<strong>Kin<strong>de</strong>rtheater</strong>s zusammengefasst:<br />

� Mitspielen: Selbsttätigkeit, unmittelbare Beteiligung:<br />

‚Mitspiel’-Theater<br />

� Soziales Lernen als Spielform (am Beispiel <strong>de</strong>s<br />

<strong>Kin<strong>de</strong>rtheater</strong>s in Neukölln und an<strong>de</strong>rer Versuche)<br />

� Proletarisches <strong>Kin<strong>de</strong>rtheater</strong> als Mo<strong>de</strong>ll<br />

� Provokation als Mittel, um Partei zu ergreifen<br />

� Natürlichkeit im Umgang <strong>de</strong>r Geschlechter<br />

� KJT als Sozialisationsinstanz<br />

� Darstellung konkreter Utopie: Welt als verän<strong>de</strong>rbar<br />

Anmerkungen<br />

27Nach: Mattenklott: Grundschule <strong>de</strong>r Künste, S. 85ff.<br />

28Heidtmann. Kin<strong>de</strong>rmedien, S. 29.<br />

29Wolfgang Schnei<strong>de</strong>r: <strong>Kin<strong>de</strong>rtheater</strong> nach 1968. Neorealistische Entwicklungen <strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>srepublik und West-Berlin. Köln 1984,<br />

S. 13.<br />

30Schnei<strong>de</strong>r: <strong>Kin<strong>de</strong>rtheater</strong> nach 1968, S. 18.<br />

39


9. Konzepte: <strong>Kin<strong>de</strong>rtheater</strong> und Emanzipation<br />

Brecht<br />

Lehrtheater Bertolt Brecht<br />

Die Theaterkonzeption Bertolt Brechts ist – auch für<br />

<strong>de</strong>n Bereich <strong>de</strong>s <strong>Kin<strong>de</strong>rtheater</strong>s – bis heute vor allem<br />

durch folgen<strong>de</strong> Einflussfaktoren wichtig geblieben -<br />

durch<br />

� die Bevorzugung einer nicht-linearen Erzählweise<br />

(Fabel)<br />

� die Unterbrechung <strong>de</strong>r Illusionswirkung durch<br />

verfrem<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Elemente (V-Effekte)<br />

Der Vorgang <strong>de</strong>r Verfremdung<br />

GRIPS THEATER<br />

� die Konzentration auf beispielhafte, parabelhafte<br />

Handlungen<br />

� die Betonung <strong>de</strong>s Abbildungscharakter <strong>de</strong>r<br />

Handlung (vermittelt mit gesellschaftlichen Situationen)<br />

� eine indirekt didaktische Ten<strong>de</strong>nz<br />

Einen Vorgang o<strong>de</strong>r einen Charakter verfrem<strong>de</strong>n heißt zunächst einfach, <strong>de</strong>m Vorgang o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>m Charakter<br />

das Selbstverständliche, Bekannte, Einleuchten<strong>de</strong> zu nehmen und über ihn Staunen und Neugier<strong>de</strong> zu erzeugen.<br />

[…] Was ist damit gewonnen? Damit ist gewonnen, daß <strong>de</strong>r Zuschauer die Menschen auf <strong>de</strong>r Bühne<br />

nicht mehr als ganz unän<strong>de</strong>rbare, unbeeinflußbare, ihrem Schicksal hilflos ausgelieferte dargestellt<br />

sieht. Er sieht: dieser Mensch ist so und so, weil die Verhältnisse so und so sind. Und die Verhältnisse sind<br />

so und so, weil <strong>de</strong>r Mensch so und so ist. Er ist aber nicht nur so vorstellbar, wie er ist, son<strong>de</strong>rn auch an<strong>de</strong>rs,<br />

so wie er sein könnte, und auch die Verhältnisse sind an<strong>de</strong>rs vorstellbar, als sie sind. Damit ist gewonnen,<br />

daß <strong>de</strong>r Zuschauer im Theater eine neue Haltung bekommt. Er bekommt <strong>de</strong>n Abbil<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r Menschenwelt<br />

auf <strong>de</strong>r Bühne gegenüber jetzt dieselbe Haltung, die er als Mensch dieses Jahrhun<strong>de</strong>rts <strong>de</strong>r Natur<br />

gegenüber hat. Er wird auch im Theater empfangen als <strong>de</strong>r große Än<strong>de</strong>rer, <strong>de</strong>r in die Naturprozesse und<br />

die gesellschaftlichen Prozesse einzugreifen vermag, <strong>de</strong>r die Welt nicht mehr nur hinnimmt, son<strong>de</strong>rn sie<br />

meistert. Das Theater versucht nicht mehr, ihn besoffen zu machen, ihn mit Illusionen auszustatten, ihn die<br />

Welt vergessen zu machen, ihn mit seinem Schicksal auszusöhnen. Das Theater legt ihm nunmehr die Welt<br />

vor zum Zugriff. [...]<br />

Bertolt Brecht: Ges. Werke. Bd.15. S.300-303.<br />

Von Be<strong>de</strong>utung für das <strong>Kin<strong>de</strong>rtheater</strong> <strong>de</strong>r Gegenwart<br />

ist weniger Brechts Ten<strong>de</strong>nz zur Lehrhaftigkeit und zur<br />

verstan<strong>de</strong>smäßig-wissenschaftlichen Durchdringung<br />

<strong>de</strong>r Welt als die Offenheit seiner Theatervorstellung,<br />

die gera<strong>de</strong> im Konzept <strong>de</strong>r Verfremdung zum Ausdruck<br />

kommt. Brecht möchte <strong>de</strong>n Zuschauern die Möglichkeit<br />

geben, das Geschehen sozusagen von Außen her,<br />

GRIPS Theater Berlin – linkes Theater<br />

Der Grün<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Grips Theaters, Volker Ludwig, ist bis<br />

heute aktiv, und er hält an <strong>de</strong>n aufklärerischen Impulsen<br />

ebenso fest wie an <strong>de</strong>n unterhalten<strong>de</strong>n Absichten.<br />

Quelle<br />

also kritisch zu betrachten, um Verän<strong>de</strong>rung möglich<br />

zu machen, sich zugleich auch selber im Akt <strong>de</strong>s Spielens<br />

zu verän<strong>de</strong>rn. Brecht experimentierte dabei auch<br />

mit Stoffen für Jugendliche – vor allem in <strong>de</strong>r Lehrstückphase<br />

um 1930 – und hieran knüpfte das junge<br />

Kin<strong>de</strong>r- und Jugendtheater im Gefolge <strong>de</strong>r 1968er<br />

Bewegung an.<br />

Was das linke <strong>Kin<strong>de</strong>rtheater</strong> ausmacht(e) – von heute gesehen<br />

Im Interview mit <strong>de</strong>r Zeitung „Tagesspiegel“ zu seinem<br />

70. Geburtstag drückte er dies so aus:<br />

40


Wie erklären Sie das heute Menschen, die von linken Geschichten nichts mehr wissen o<strong>de</strong>r<br />

wissen wollen?<br />

Kin<strong>de</strong>r waren für uns damals eine unterdrückte Klasse. Wir nahmen für sie Partei. Heute haben wir das<br />

Problem, dass man sich gar nicht vorstellen kann, wie die gesellschaftlichen Verhältnisse <strong>de</strong>r 60er Jahre<br />

wirklich waren. Da hat sich unendlich viel geän<strong>de</strong>rt. Und wir haben sicherlich ein wenig dazu beigetragen.<br />

Muss ein Grips-Stück eine Botschaft haben?<br />

Je<strong>de</strong> gute Geschichte hat eine Botschaft. Bei uns muss sie vor allem Spaß machen. Wenn man das Publikum<br />

nicht unterhält, darf man keinen Eintritt nehmen, dann soll man sich auf die Kanzel stellen. Mit <strong>de</strong>m<br />

Lachen geht das Erlebte ins Gehirn, wie Molière so schön sagte, mit <strong>de</strong>n Tränen fließt es weg.<br />

Der Tagesspiegel (Berlin), 13.06.2007.<br />

Die Beeinflussung durchs Brechts Theaterkonzeption<br />

betraf vor allem das Kin<strong>de</strong>r- und Jugendtheater <strong>de</strong>r<br />

1970er Jahre mit seinem kritisch-emanzipativen Anspruch.<br />

Bereits vor <strong>de</strong>m Entstehen eines neorealistisch-kritischen<br />

Kin<strong>de</strong>r- und Jugendtheaters im Gefolge<br />

<strong>de</strong>r 1968er Revolte gab es Versuche <strong>de</strong>r etablierten<br />

Theater, Kin<strong>de</strong>r als Zielgruppe wahrzunehmen, gera<strong>de</strong><br />

auch weil sich ein beträchtlicher Besucherschwund<br />

abzeichnete. 31 War trotz vereinzelter Versuche <strong>Kin<strong>de</strong>rtheater</strong><br />

vorher fast i<strong>de</strong>ntisch mit traditionellem Märchentheater,<br />

so fin<strong>de</strong>n sich seit En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r 1960er<br />

Jahre zunehmend gegenwartsbezogene Stücke.<br />

Das ‚linke’ <strong>Kin<strong>de</strong>rtheater</strong> im Gefolge <strong>de</strong>r 68er Bewegung<br />

bediente sich zunächst <strong>de</strong>r Muster <strong>de</strong>s politischen<br />

Agitationstheaters <strong>de</strong>r Weimarer Zeit, es ging<br />

um Aufklärung über Unterdrückungsstrukturen und die<br />

Hervorbringung politisch-solidarischer Bewusstseinsformen<br />

qua Theater. Dies zeigten etwa die frühen<br />

Quelle<br />

Stücke <strong>de</strong>s GRIPS Theaters Berlin, etwa „Mannomann“<br />

(1972) von Volker Ludwig und Reiner Lücker<br />

o<strong>de</strong>r „Darüber spricht man nicht!“ (1973), die freilich<br />

nicht auf plumpe Agitation reduziert waren, son<strong>de</strong>rn<br />

bereits ein Vielzahl lustvoll zu handhaben<strong>de</strong>r dramatischer<br />

Formen (etwa Songs) enthielten.<br />

Von <strong>de</strong>n 1980er Jahren an setzte sich allmählich die<br />

Abkehr vom Mo<strong>de</strong>ll eines didaktisierten Theaters in<br />

<strong>de</strong>n für uns relevanten Disziplinen durch, fin<strong>de</strong>n sich<br />

zunehmend Ansätze einer Neubestimmung: im (Erwachsenen-)<br />

Drama/Theater, <strong>de</strong>m KJT und <strong>de</strong>r Theaterwissenschaft-,<br />

pädagogik zugleich. „Allmählich im<br />

Laufe <strong>de</strong>r Entwicklung <strong>de</strong>s neorealistischen Kin<strong>de</strong>r-<br />

und Jugendtheaters wur<strong>de</strong>n die Elemente <strong>de</strong>r vergnüglichen<br />

Zuschauervorstellung, <strong>de</strong>s spaßigen, lustvollen<br />

Vorführens wie<strong>de</strong>rent<strong>de</strong>ckt und damit <strong>de</strong>r anfänglichen<br />

didaktisch-pädagogisch-aufklärerischen Strenge<br />

wie<strong>de</strong>r abgeschworen.“ 32<br />

Anmerkungen<br />

31Vgl. Reclams <strong>Kin<strong>de</strong>rtheater</strong>führer. 100 Stücke für eine junge Bühne. Hg. vom Kin<strong>de</strong>r- und Jugendtheaterzentrum in <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>srepublik<br />

Deutschland. Stuttgart 1994, S. 18.<br />

32Schnei<strong>de</strong>r: <strong>Kin<strong>de</strong>rtheater</strong> nach 1968, S. 103.<br />

41


Paul Maar, F.K. Waechter<br />

F.K. Waechter: Schule <strong>de</strong>s Sehens<br />

Der bekannte Zeichner und Autor Friedrich Karl<br />

Waechter entwickelte ein eigenes Konzept <strong>de</strong>s <strong>Kin<strong>de</strong>rtheater</strong>s,<br />

das ‚Erzähltheater’, das gera<strong>de</strong> mit kleinen<br />

Kin<strong>de</strong>rn und mit einfachen Mitteln praktiziert wer<strong>de</strong>n.<br />

Deshalb soll es im Rahmen dieser Sitzung kurz dargestellt<br />

wer<strong>de</strong>n.<br />

10. Neuere Konzepte<br />

Waechter entwickelte seine Vorstellungen aus einer<br />

vernichten<strong>de</strong>n Kritik an <strong>de</strong>n Versuchen Erwachsener,<br />

eine Kunst für Kin<strong>de</strong>r zu schaffen. In einem Interview<br />

mit <strong>de</strong>r Schweizer Zeitschrift „Weltwoche“ drückte er<br />

dies 1989 so aus:<br />

Noch nie ist, <strong>de</strong>nke ich, soviel Schrott auf Kin<strong>de</strong>r gekippt wor<strong>de</strong>n wie heutzutage. Ich meine damit vor allem<br />

die Produkte, in <strong>de</strong>nen erwachsene Menschen sich auf ein eingebil<strong>de</strong>tes o<strong>de</strong>r bereits bewährtes Kin<strong>de</strong>rniveau<br />

herunterschrauben. Das mag ja auch in Ordnung sein, wenn’s darum geht, <strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>rn unsere komplizierten<br />

gesellschaftlichen Spielregeln über- und durchschaubarer zu machen. Aber wenn es um Leben<br />

und Tod geht, um Liebe, Hass, Eifersucht, Lügen, List, Hoffnung, Sehnsucht, Wünsche und so weiter, da<br />

wissen diese kurzen Menschen doch verdammt gut Bescheid.<br />

[…]<br />

Ich <strong>de</strong>nke, sobald Erwachsene im Namen von Kin<strong>de</strong>rn re<strong>de</strong>n, lügen sie zwangsläufig. Vielleicht wollen sie<br />

die Verzauberung, die sie durch die Weihnachtsmärchen ihrer Kindheit erfahren haben, nun auch ihren Kin<strong>de</strong>rn<br />

zuteil wer<strong>de</strong>n lassen und begreifen nicht, dass das nicht geht, dass das lediglich <strong>de</strong>m sentimentalen<br />

Verhältnis zu ihrer eigenen Kindheit entspringt und dass wahrscheinlich die Wirkung eines unverfälschten<br />

Märchens auf Kin<strong>de</strong>r heute viel größer sein könnte, als die eines süßlich aufgemotzten Weihnachtsmärchens<br />

auf die Eltern damals, wenn Kin<strong>de</strong>r heute nicht viel zu viel Zeit damit verbrächten, sich von <strong>de</strong>n täglichen<br />

'Weihnachtsmärchen' aus <strong>de</strong>m Fernsehen überschütten zu lassen, statt zu spielen.<br />

Bisher waren es die Kin<strong>de</strong>r bis zu sechs Jahren, die Bil<strong>de</strong>r malten und Spiele spielten, die je<strong>de</strong>n Künstler<br />

entzücken und mit Neid erfüllen könnten. Dann erst kommt die Schule und macht sie blass, und aus <strong>de</strong>n<br />

Bil<strong>de</strong>rn verschwin<strong>de</strong>n Vater, Mutter, Krokodile und Gefühle, und übrig bleiben Blumenbildchen. Fernsehen,<br />

Vi<strong>de</strong>o- und Tonkassetten machen solch blasse Blumenkin<strong>de</strong>r aus immer jüngeren. Bald bleiben uns nur<br />

noch die allerkleinsten, die uns zeigen können, wie es geht. Damit <strong>de</strong>n bornierten Erwachsenen ein Licht<br />

aufgeht, was Kunst ist, und wie viel mühsamer ihr Weg dorthin ist als <strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r, will ich einige Erfahrungen<br />

mit Kin<strong>de</strong>rn beschreiben.<br />

Friedrich Karl Waechter: Kunst für Kin<strong>de</strong>r. In: Die Weltwoche, Zürich 1989.<br />

Betreffen diese polemischen Bemerkungen die Versuche<br />

Erwachsener, stellvertretend Kunst für Kin<strong>de</strong>r zu<br />

machen, so geht Waechter in seinem Buch „Erzähltheater“<br />

von 1997 speziell auf seine Erfahrungen in<br />

<strong>de</strong>r Theaterarbeit mit Kin<strong>de</strong>rn ein. Bei <strong>de</strong>r eigenen<br />

Regiearbeit wur<strong>de</strong> ihm bewusst, dass die Darstellung<br />

in konventionellen Theaterformen – fester Bühne,<br />

einer Gruppe von Schauspielern, Musik und Effekten –<br />

bei <strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>rn nicht jene „Kraft <strong>de</strong>r Bil<strong>de</strong>r“ entwickelte,<br />

„die sich beim Lesen o<strong>de</strong>r Erzählen <strong>de</strong>s Textes<br />

einstellen“ 33 . Dies betrifft vor allem das Märchentheater.<br />

Aus dieser Erfahrung heraus entwickelte Waechter<br />

sein ‚Erzähltheater’ für nur einen einzigen Darsteller:<br />

„Er hat <strong>de</strong>n Erzähler zu spielen, und als solcher kann<br />

er auf ungleich souveränere Weise alle Figuren einer<br />

Quelle<br />

Geschichte spielen, weil er sie je nach seiner Absicht<br />

mit einem Minimum an Aufwand an<strong>de</strong>uten, auf eine<br />

Eigenart, eine Eigenschaft, o<strong>de</strong>r ein vorherrschen<strong>de</strong>s<br />

Gefühl reduzieren, groß ausspielen, karikieren o<strong>de</strong>r<br />

auch links liegen lassen kann.“ 34<br />

Es wird hier versucht, für je<strong>de</strong>s Stück eine an<strong>de</strong>re<br />

Erzählweise zu fin<strong>de</strong>n, die auf <strong>de</strong>n entsprechen<strong>de</strong>n<br />

Schauspieler und das Stück abgestimmt ist. In Stückvorlagen<br />

wie "Vom Teufel mit <strong>de</strong>n drei gol<strong>de</strong>nen Haaren",<br />

"Der alberne Hans" o<strong>de</strong>r „Der singen<strong>de</strong> Knochen“<br />

präsentiert Waechter Märchenfiguren, die nicht auf<br />

die abgegriffene Formelhaftigkeit <strong>de</strong>s überkommenen<br />

Märchens zurückgreifen, son<strong>de</strong>rn auf eine witzige<br />

Dialoghaftigkeit, <strong>de</strong>ren Wirkung auf Kin<strong>de</strong>r sicher von<br />

<strong>de</strong>r lebendigen Präsenz <strong>de</strong>r Spielen<strong>de</strong>n abhängt.<br />

42


Friedrich Karl Waechters Erzähltheater. Mit Zeichn. <strong>de</strong>s Autors. Frankfurt/M. 1997.<br />

Aufgabe<br />

Literatur<br />

� Suchen Sie ein eher unbekanntes Märchen heraus, das für Waechters Erzähltheater geeignet ist.<br />

Geben Sie <strong>de</strong>n Inhalt wie<strong>de</strong>r und begrün<strong>de</strong>n Sie Ihre Auswahl.<br />

Paul Maar: <strong>Kin<strong>de</strong>rtheater</strong> gegen <strong>de</strong>n pädagogischen Zeigefin<strong>de</strong>r<br />

Der bekannte Kin<strong>de</strong>rbuchautor Paul Maar hat sich<br />

schon früh mit <strong>de</strong>n Möglichkeiten <strong>de</strong>s <strong>Kin<strong>de</strong>rtheater</strong>s<br />

beschäftigt, und zwar bereits vor <strong>de</strong>n Versuchen <strong>de</strong>r<br />

1970er Jahre, ein ‚realistisches’ <strong>Kin<strong>de</strong>rtheater</strong> zu<br />

entwickeln. Inzwischen ist er <strong>de</strong>r meistgespielte leben<strong>de</strong><br />

<strong>de</strong>utsche Theaterautor. Erstmals versuchte sich<br />

Maar im <strong>Kin<strong>de</strong>rtheater</strong>, in<strong>de</strong>m er – in Absetzung zu<br />

<strong>de</strong>n Märchen <strong>de</strong>r Brü<strong>de</strong>r Grimm – ein Märchenstück<br />

schrieb, „Der König in <strong>de</strong>r Kiste“, kurz darauf dann<br />

„Kikerikiste“, bei<strong>de</strong>s Stücke, die Maar dabei halfen,<br />

das Handwerk zu erlernen und seine eigene Vorstel-<br />

lung <strong>de</strong>r verschie<strong>de</strong>nen Aspekte <strong>de</strong>s <strong>Kin<strong>de</strong>rtheater</strong>s zu<br />

entwickeln, zugleich Stücke, die am Theater sehr erfolgreich<br />

liefen. Beson<strong>de</strong>re Gedanken hat Maar sich<br />

darüber gemacht, wie ein Bil<strong>de</strong>rbuchtext in einen Theatertext<br />

umgeschrieben wer<strong>de</strong>n kann. Das Problem,<br />

das sich hier ergibt und das Paul Maar an seinem Text<br />

zeigt, ist, dass eine Buchbeschreibung nicht unmittelbar<br />

in theatrale Aktion überführt wer<strong>de</strong>n kann, da sich<br />

dadurch Verzerrungen ergeben könnten. Hierzu zitiert<br />

er zunächst aus <strong>de</strong>m Buch und kommentiert dies<br />

dann:<br />

Von <strong>de</strong>r Zeit danach sind keine Fotos mehr eingeklebt. Denn damals fingen Papa und Mama an zu streiten.<br />

Vorher hatten sie auch manchmal Streit, aber sie versöhnten sich immer und waren danach sogar beson<strong>de</strong>rs<br />

lieb zueinan<strong>de</strong>r. Doch das wur<strong>de</strong> an<strong>de</strong>rs. Einmal bei einem Streit rannte Papa aus <strong>de</strong>r Wohnung und<br />

knallte mit <strong>de</strong>r Tür. Mama saß dann vor <strong>de</strong>m Fernseher, doch sie schaute gar nicht richtig hin. Bernd fragte:<br />

"Was ist <strong>de</strong>nn mit Papa?" Aber Mama sagte nur: "Laß mich bitte mal ein bißchen allein", und schaute weiter<br />

auf <strong>de</strong>n Fernseher."<br />

Ich kann nun im Stück nicht behaupten: und seine Eltern stritten sich, son<strong>de</strong>rn jetzt muß ich einen Streit<br />

zeigen. Und dabei ist die große Gefahr, daß man <strong>de</strong>n Streit zu realistisch macht und <strong>de</strong>r Zuschauer hinterher<br />

zu glauben meint, die Mutter sei schuld, weil sie nie mit <strong>de</strong>m Geld umgehen konnte. O<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Streit habe<br />

sich entwickelt, weil Papa hat eine neue "Flamme" hat. Ich mußte also versuchen, einen Streit zu schil<strong>de</strong>rn,<br />

<strong>de</strong>r in irgen<strong>de</strong>iner Form typisch ist für alle Streitigkeiten zwischen Menschen, ein Sinnbild für einen<br />

Streit ohne eine Schuldzuweisung.<br />

Quelle<br />

Kin<strong>de</strong>rliteratur im Gespräch: Zu Gast: Paul Maar (28. Januar 1997). In: Lesezeichen. Mitteilungen <strong>de</strong>s Lesezentrums <strong>de</strong>r Pädagogischen<br />

Hochschule Hei<strong>de</strong>lberg. Heft 2/1997, S. 11-26.<br />

Maar geht in einem Interview auf ein weiteres Problem<br />

bei <strong>de</strong>r Inszenierung von Stücken für Kin<strong>de</strong>r ein, als er<br />

nach <strong>de</strong>n sehr <strong>de</strong>taillierten Nebentexten in seinen<br />

Produktionen gefragt wird. Zwar seien diese tatsächlich<br />

vornehmlich für professionelle Theaterleute geschrieben,<br />

zugleich räumt Maar aber allen an <strong>de</strong>n<br />

Inszenierungen Beteiligten große Freiheiten ein:<br />

„[…] ich sage jetzt allen Theatern, die das Stück annehmen:<br />

‚Vergeßt die Regieanweisungen, macht euer<br />

eigenes Stück, und macht eure eigene Regie und vielleicht<br />

auch ein ganz an<strong>de</strong>res Bühnenbild.’" 35<br />

Für Maar ist das <strong>Kin<strong>de</strong>rtheater</strong> ein Teil seines schriftstellerischen<br />

Gesamtkonzepts. Wie in <strong>de</strong>n erzählen-<br />

<strong>de</strong>n Werken so geht es Maar auch im <strong>Kin<strong>de</strong>rtheater</strong><br />

darum, keine einfachen Erklärungsmuster anzubieten,<br />

son<strong>de</strong>rn das Geschehen offen zu halten für immer<br />

neue Gestaltung, im Theater vor allem durch die Improvisation:<br />

„Durch <strong>de</strong>n Verzicht auf subtile psychologische Schattierung<br />

wer<strong>de</strong>n Paul Maars Geschichten zu merkbaren<br />

und wie<strong>de</strong>r erzählbaren. Sie bewahren sich dadurch<br />

auch ihre Merkwürdigkeit. In<strong>de</strong>m sie es vermei<strong>de</strong>n,<br />

alle Hintergrün<strong>de</strong> auszuloten und <strong>de</strong>m Leser Erklärungen<br />

aufzudrängen, bewahren sie etwas Rätselhaftes.<br />

Der Leser muss sich die Sache selbst zurechtlegen,<br />

und er wird es immer wie<strong>de</strong>r auf eine an<strong>de</strong>re Weise<br />

tun.“ 36<br />

43


Aufgabe<br />

� Entschei<strong>de</strong>n Sie sich für ein bekanntes Bil<strong>de</strong>rbuch.<br />

� Beschreiben Sie <strong>de</strong>n Entwurf für ein Bühnenbild, das mit möglichst einfachen Mitteln herzustellen<br />

ist.<br />

� Zeichnen Sie die vorgestellte Bühne in skizzenhafter Form.<br />

Anmerkungen<br />

33Friedrich Karl Waechters Erzähltheater. Mit Zeichn. <strong>de</strong>s Autors. Frankfurt/M. 1997, S. 9.<br />

34Waechters Erzähltheater, S. 9 f.<br />

35Kin<strong>de</strong>rliteratur im Gespräch: Zu Gast: Paul Maar (28. Januar 1997). In:: Lesezeichen. Mitteilungen <strong>de</strong>s Lesezentrums <strong>de</strong>r Pädagogischen<br />

Hochschule Hei<strong>de</strong>lberg. Heft 2/1997, S. 18.<br />

36Hans Heino Ewers: Paul Maar, <strong>de</strong>r Geschichtenerzähler. In: Oetinger Lesebuch. Almanach 1987/88 (24. Jg.), S. 156-162.<br />

44


11. MÄRCHENTHEATER<br />

Märchenerzähltheater im Kin<strong>de</strong>rgarten<br />

Bereits im Verlaufe <strong>de</strong>s 19. Jahrhun<strong>de</strong>rts avancierten<br />

in Deutschland vor allem die Volksmärchen in <strong>de</strong>r<br />

Fassung <strong>de</strong>r Brü<strong>de</strong>r Grimm zum Prototyp <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>rliteratur.<br />

37 Auf Grund <strong>de</strong>r Beliebtheit von Märchenstoffen<br />

beson<strong>de</strong>rs bei kleineren Kin<strong>de</strong>rn und vermutlich<br />

auch wegen <strong>de</strong>r archetypischen Verankerung von<br />

Märchenbil<strong>de</strong>rn in <strong>de</strong>r Kollektivpsyche wur<strong>de</strong>n die<br />

Volksmärchen in verschie<strong>de</strong>nartigen Film- und Hörspieladaptationen<br />

transformiert (nicht zuletzt durch<br />

die Disney Corporation), und dies be<strong>de</strong>utete bereits<br />

eine gewisse Dramatisierung. Bevor dies geschah,<br />

spielten Märchenstoffe aber schon eine wichtige Rolle<br />

als Vorlagen für das <strong>Kin<strong>de</strong>rtheater</strong>.<br />

„Märchen haben - nicht nur nach von mir durchgeführten<br />

Erhebungen - in <strong>de</strong>n vorrangig von Kin<strong>de</strong>rn genutzten<br />

Medien einen nachrangigen Stellenwert. Allenfalls<br />

im <strong>Kin<strong>de</strong>rtheater</strong> zeigt sich ein an<strong>de</strong>res Bild; dieses<br />

erreicht jedoch in allen vergleichen<strong>de</strong>n Untersuchungen<br />

zur Mediennutzung von Kin<strong>de</strong>rn nicht einmal<br />

mehr einen hinteren Rang. Für die <strong>de</strong>utschen Bühnen<br />

sind die klassischen Weihnachtsmärchen nach wie vor<br />

die „zuverlässigsten Dukatenesel“ (DER SPIEGEL); die<br />

Liste <strong>de</strong>r für Kin<strong>de</strong>r meistgespielten Autoren wird<br />

gleichbleibend mit <strong>de</strong>utlichem Abstand von <strong>de</strong>n<br />

Gebrü<strong>de</strong>rn Grimm angeführt.“ 38<br />

Bereits im 19. Jahrhun<strong>de</strong>rt wur<strong>de</strong> versucht, das Interesse<br />

<strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r an Märchen zu nutzen, in<strong>de</strong>m man<br />

die eigentlich erzählen<strong>de</strong>n Texte dramatisierte. Teilweise<br />

wur<strong>de</strong> im 20. Jahrhun<strong>de</strong>rt das Interesse an<br />

Märchen auf die neuen technischen Medien (Film,<br />

Hörspiel, Vi<strong>de</strong>o) übertragen. Im Zuge <strong>de</strong>r Diskussion<br />

<strong>de</strong>s Märchens als Gattung seit <strong>de</strong>n 1970er Jahren<br />

versuchte man auch, in neuen kreativen Zusammenhängen<br />

Spielformen mit Märchencharakter zu schaffen.<br />

Hinzu kommt, dass wichtige Autoren <strong>de</strong>s 20.<br />

Jahrhun<strong>de</strong>rts (etwa Peter Hacks) Märchenstücke speziell<br />

für das Theater schrieben. Das Märchen eignet<br />

sich auch beson<strong>de</strong>rs gut für die Konzeption eines<br />

‚Gesamtkunstwerks’, durch die phantasievollen Kulissen<br />

und Bühnenaufbauen, aber auch durch die Verwendung<br />

von Ton und Musik. Hier kann – bei entsprechen<strong>de</strong>r<br />

Disposition <strong>de</strong>r Erzieher und Lehrpersonen –<br />

das Märchen auch als Möglichkeit improvisatorischer<br />

Früherziehung dienen, zugleich aber können schon<br />

Notwendigkeiten von Koordination und Leitung erlebbar<br />

gemacht wer<strong>de</strong>n:<br />

Je nach Alter <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r wer<strong>de</strong>n ihre I<strong>de</strong>en komplexer und gewagter, es wird improvisiert, Quatschverse<br />

entstehen, die Geschichte wird umgedichtet und neue Figuren kommen hinzu. Dreijährige machen meist<br />

noch staunend nach, was ErzieherInnen und MusikerInnen anschaulich vorgeben. Bei einem allzu unheimlichen<br />

Geschichtsverlauf flüchten sie sich gelegentlich auch auf <strong>de</strong>n Schoß. Vier- bis Fünfjährige hingegen<br />

steuern <strong>de</strong>n Verlauf <strong>de</strong>r Geschichte schon aktiv mit, wie etwa die vierjährige Neele. Einmal unterbricht sie<br />

das Märchen vom Dornröschen in <strong>de</strong>r Spinnradszene mit folgen<strong>de</strong>m Vorschlag: „Dornröschen soll es doch<br />

so machen wie ich: Ich wür<strong>de</strong> mich nie an einem Spinnrad verletzen. Und die böse Fee wür<strong>de</strong> ich bei <strong>de</strong>r<br />

Taufe gleich einsperren." Diese Version proben wir umgehend. „Aber", wen<strong>de</strong>t <strong>de</strong>r fünfjährige Felix ein, „warum<br />

brauchen wir dann noch <strong>de</strong>n Prinzen?" „Genau! Der soll sich doch durch die Dornen schlagen", meinen<br />

die an<strong>de</strong>ren Jungen. „Kein Problem", fin<strong>de</strong>t Neele. „Soll er halt durch einen Graben mit Krokodilen drin<br />

schwimmen." Dornröschen kann nämlich nicht schwimmen und <strong>de</strong>shalb ihr Schloss, das mittlerweile in einem<br />

See liegt, nicht verlassen. Also proben wir die Wasserschlossversion. Wichtig ist es, die Kreativität <strong>de</strong>r<br />

Kin<strong>de</strong>r zuzulassen und in die Geschichte einzubeziehen. Erstens wird die „Produktion" auf diese Weise zu<br />

einer Kreation <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r und zweitens steigert es <strong>de</strong>ren Selbstbewusstsein, Engagement und Konzentration<br />

enorm, wenn sie mitentschei<strong>de</strong>n dürfen. Probt man allerdings über mehrere Wochen mit <strong>de</strong>m Ziel einer<br />

Aufführung, sollte man sich irgendwann auf eine bestimmte Version einigen. Ich erkläre <strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>rn dann,<br />

dass es trotz allem einen Spielleiter geben muss.<br />

Andrea Rittersberger: Märchen singen, tanzen und spielen. Musiktheater im Kin<strong>de</strong>rgarten. In: http://www.kin<strong>de</strong>rgartenheute.<strong>de</strong>/beitraege/praxisbeitraege/<br />

(2005).<br />

Volksmärchen haben zumeist eine lineare, klar geglie<strong>de</strong>rte,<br />

einfache und übersichtliche Handlung und lassen<br />

sich von daher gut als Material für ein selbständiges<br />

Gestalten verwen<strong>de</strong>n:<br />

Quelle<br />

„Märchen ‚übersetzen’ <strong>de</strong>shalb die innere Entwicklung<br />

in äußere Handlung und bewähren sich auch unter<br />

diesem Gesichtspunkt als robuste ‚Erzählstückl’. Beim<br />

Schreiben lassen sich dagegen vergleichsweise be-<br />

45


schei<strong>de</strong>ne Handlungen so ausformulieren, daß sie im<br />

Leser Spannung und Interesse wecken, von ihm verfolgt<br />

und aufgenommen wer<strong>de</strong>n können.“ 39<br />

Dieser ‚robuste’ Charakter von Märchen lässt sie in<br />

sehr heterogenen Formen und Verwendungszusammenhängen<br />

erscheinen. Durch ihre Bekanntheit können<br />

sie immer wie<strong>de</strong>r variiert wer<strong>de</strong>n, ohne dass <strong>de</strong>r<br />

ursprüngliche Charakter notwendig verloren geht. Es<br />

ist für die Arbeit mit Märchen wichtig, diese Märchen<br />

nicht zu ‚verkünstlerischen’, son<strong>de</strong>rn sie zu benutzen,<br />

um spielerische und theatrale Gestaltungsmöglichkeiten<br />

für Kin<strong>de</strong>r verschie<strong>de</strong>ner Altersstufen zu fin<strong>de</strong>n.<br />

Ein Vorteil dabei ist, dass Märchenstoffe in ganz verschie<strong>de</strong>nen<br />

Theaterformen verwen<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n: im<br />

Puppen- wie Maskentheater, im Rollenspiel und vielen<br />

an<strong>de</strong>ren Formen.<br />

Ein Problem bei <strong>de</strong>r Verwendung von Märchenstoffen<br />

für das <strong>Kin<strong>de</strong>rtheater</strong> ist allerdings, dass diese zunächst<br />

keineswegs auf ein rein kindliches Publikum<br />

zugeschnitten waren, aber im Laufe <strong>de</strong>r Zeit eine Einengung<br />

auf diese Adressatengruppe stattfand. Auf das<br />

Problem <strong>de</strong>r Ästhetisierung von Märchenstoffen für ein<br />

erwachsenes Publikum wies etwa <strong>de</strong>r schon erwähnte<br />

F. K. Waechter hin, <strong>de</strong>r selber vielfach Märchen zu<br />

Theaterstücken für Kin<strong>de</strong>r umgearbeitet hat:<br />

„Ja, aber immer, wenn die Inszenierung gut war, wur<strong>de</strong><br />

das Kin<strong>de</strong>rpublikum ganz schnell verdrängt. Das war<br />

auch bei Clowns-Geschichten so. Wenn die Inszenierung<br />

gut ist, gehen die Erwachsenen rein! Deshalb<br />

nehm ich manchmal an<strong>de</strong>re Titel, die nicht von <strong>de</strong>n<br />

Grimms sind. Dann wird das abends gespielt und ist<br />

voller Erwachsener. ‚Die Bremer Stadtmusikanten’ ist<br />

´Kin<strong>de</strong>rkram´, aber wenn es ‚Die elen<strong>de</strong>n Vier’ heißt,<br />

kommen die Erwachsenen, obwohl eigentlich bei<strong>de</strong><br />

Male die Geschichte von ausgedienten alten Herrschaften,<br />

von Arbeitslosen, beschrieben wird.“ 40<br />

Wie<strong>de</strong>rum besteht bei <strong>de</strong>r Verwendung von Märchen<br />

im konventionellen Theater – vor allem im nach wie<br />

vor beliebten Weihnachtsstück – die Gefahr, dass<br />

ästhetisch restaurative und inhaltlich zum Klischee<br />

erstarrte Konstellationen vorgeführt wer<strong>de</strong>n.<br />

Die Beschäftigung mit theatral aufbereiteten Märchen<br />

muss heute auch in Betracht ziehen, dass die Rezeptionsmuster<br />

<strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r stark von eher ‚verkitschten’,<br />

aber perfekt produzierten Musical-Versionen <strong>de</strong>r Disney<br />

Corporation und an<strong>de</strong>rer kommerzieller Anbieter<br />

präformiert sind.<br />

Rechercheaufgabe<br />

� Stellen Sie <strong>de</strong>n Inhalt und die Grundproblematik eines Märchens von Peter Hacks vor.<br />

Anmerkungen<br />

37Vgl. Horst Heidtmann: Medienadaptionen von Volksmärchen. In: Kurt Franz / Walter Kahn, Hg.: Märchen-Kin<strong>de</strong>r-Medien. Beiträge zur<br />

medialen Adaption von Märchen und zum didaktischen Umgang. Hohengehren 2000, S. 82-97.<br />

38Heidtmann: Medienadaptionen von Volksmärchen, S. 85.<br />

39Johannes Merkel: Modul Mündlichkeit, S. 52.<br />

40Katja Preissner im Gespräch F.K. Waechter: http://www.hinternet.<strong>de</strong>/comic/interview/waechter.php.<br />

46


12. Formen <strong>de</strong>s Spiels in Kin<strong>de</strong>rgarten und<br />

Grundschule<br />

Rollenspiel, Szenisches Spiel<br />

Rollenspiel und Theaterspiel<br />

Rollenspiele sind ein fester Bestandteil <strong>de</strong>r pädagogischen<br />

Arbeit vom Kin<strong>de</strong>rgarten an, und sie wer<strong>de</strong>n<br />

noch in <strong>de</strong>r Erwachsenenbildung häufig verwen<strong>de</strong>t. Es<br />

wer<strong>de</strong>n vorgestellte Als-ob-Situationen entwickelt, in<br />

<strong>de</strong>nen die Kin<strong>de</strong>r sich entfalten können, wobei <strong>de</strong>r<br />

Schwerpunkt auf <strong>de</strong>m Spielerlebnis liegt, nicht auf <strong>de</strong>r<br />

Präsentation. Hierbei wer<strong>de</strong>n schon Gemeinsamkeiten<br />

wie Unterschie<strong>de</strong> zum Theaterspiel sichtbar: Im Rollenspiel<br />

vollzieht sich ein in bestimmten Grenzen und<br />

unter bestimmten Bedingungen möglicher Rollenwechsel,<br />

aber es geht nicht um ein ‚Zurschaustellen’<br />

im Sinne einer – noch dazu künstlerischen – Darstellung<br />

von Handlungen o<strong>de</strong>r Personen. Das Rollenspiel<br />

ist nicht in Rollenvorgaben und Handlungsstrukturen<br />

festgefügt wie die theatrale Vorführung.<br />

Das Rollenspiel hat statt<strong>de</strong>ssen Ziele, die aus <strong>de</strong>m<br />

pädagogisch-sozialen Kontext stammen: soziale und<br />

komm<strong>uni</strong>kative Kompetenz zu schaffen und zu<br />

verbessern. Durch Probehan<strong>de</strong>ln soll eine Flexibilisierung<br />

<strong>de</strong>r sozial eingenommenen Rollen erreicht wer<strong>de</strong>n,<br />

die ein souveräneres und erfolgreiches Agieren in<br />

Interaktionen ermöglichen.<br />

Es sind vor allem folgen<strong>de</strong> Qualitäten, die über die<br />

Einübung und Praktizierung von Rollenspielen geför<strong>de</strong>rt<br />

wer<strong>de</strong>n sollen: Antizipation, Empathie, Entscheidungsfähigkeit,<br />

Komm<strong>uni</strong>kationskompetenz, Kreativität,<br />

Selbstbestimmung, Situationsbewusstsein, Kooperation.<br />

Darüber hinaus geht es um die Schulung von sozialen,<br />

ästhetischen und emotionalen Fähigkeiten, die zum<br />

Teil später auch für das Theaterspiel wesentlich sind:<br />

� Körper- und Raumerfahrung<br />

� Wahrnehmung <strong>de</strong>r Innen- und Außenwelt<br />

� Partnererfahrung<br />

� Erfahrung mit Als-ob-Fiktionen<br />

Für unser Thema thematisieren wir das Rollenspiel<br />

lediglich im Kontext <strong>de</strong>r darauf aufbauen<strong>de</strong>n ästhetisch<br />

gerichteten Vorstellungen zum Theaterspiel.<br />

Voraussetzung ist <strong>de</strong>r Doppelcharakter <strong>de</strong>s Rollenspiels:<br />

Es gehört einerseits zum Bereich <strong>de</strong>r Interaktionspädagogik,<br />

an<strong>de</strong>rerseits ist es aber auch – in ei-<br />

Jeux Dramatiques, Child Drama<br />

nem propä<strong>de</strong>utischen Sinne – ein Element <strong>de</strong>r Theaterpädagogik.<br />

Kritisch merken Theaterpädagogen <strong>de</strong>m<br />

Rollenspiel gegenüber an, dass es oft zu ausschließlich<br />

pädagogisch gesehen wur<strong>de</strong>:<br />

„Allerdings zog <strong>de</strong>r einseitige, häufig nur auf soziale<br />

Effizienz zielen<strong>de</strong> Blick eine zunehmen<strong>de</strong> pädagogische<br />

Instrumentalisierung <strong>de</strong>s Mediums Theater nach<br />

sich, durch die häufig vom Eigenwert <strong>de</strong>s Theaters,<br />

also von <strong>de</strong>n spezifischen Gestaltungsweisen und <strong>de</strong>n<br />

damit verbun<strong>de</strong>nen Erfahrungen abgesehen wur<strong>de</strong>.“ 41<br />

Wichtig ist, dass das Rollenspiel, entwicklungspsychologisch<br />

betrachtet, am Anfang <strong>de</strong>r spielerisch interpersonalen<br />

Auseinan<strong>de</strong>rsetzung <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s mit <strong>de</strong>r Realität<br />

steht. Schon etwa ab <strong>de</strong>m Alter von 1 ½ Jahren<br />

können Rollenspiele im Kin<strong>de</strong>rgarten durchgeführt<br />

wer<strong>de</strong>n. Im freien Rollenspiel knüpft man an <strong>de</strong>n Erlebnisbereichen<br />

<strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r und auch schon an medial<br />

vermittelten Erfahrungen (Märchen, Bil<strong>de</strong>rbuch etc.)<br />

an. Es fin<strong>de</strong>n sich hier erste Formen <strong>de</strong>s szenischen<br />

Spiels, zugleich Möglichkeiten einer Ausweitung und<br />

Festigung <strong>de</strong>s sprachlichen wie körpersprachlichen<br />

Repertoires. Formen wie etwa die Pantomime o<strong>de</strong>r<br />

das Figurenspiel können ebenfalls genutzt wer<strong>de</strong>n.<br />

Das Rollenspiel kann als eine Hinführung zum Erzählen<br />

gesehen wer<strong>de</strong>n, zugleich aber auch zum Theaterspiel:<br />

„In spielpädagogischer Perspektive führen Formen <strong>de</strong>s<br />

darstellen<strong>de</strong>n Spiels, die das spontane Rollenspiel von<br />

Vorschulkin<strong>de</strong>rn in strukturiertere Spielweisen überführen,<br />

zur allmählichen Übernahme <strong>de</strong>r Konventionen<br />

<strong>de</strong>s Theaterspiels. Statt <strong>de</strong>r von Fall zu Fall abgesprochenen<br />

Spielhandlungen wer<strong>de</strong>n nun feste Handlungsfolgen<br />

zugrun<strong>de</strong> gelegt, die <strong>de</strong>n Spielen<strong>de</strong>n die<br />

Übersicht über das gesamte Spielgeschehen abverlangen.<br />

Aus <strong>de</strong>n improvisierten Rollendialogen schälen<br />

sich zunächst annähern<strong>de</strong> und dann auch zunehmend<br />

verbindliche Formulierungen heraus bis hin zu wörtlich<br />

einstudierten Dialogen, wenn nach <strong>de</strong>m Text eines<br />

Theaterstücks gespielt wird. Während Kin<strong>de</strong>r im spontanen<br />

Rollenspiel für sich selbst und füreinan<strong>de</strong>r spielen,<br />

erlauben geplante und geprobte Spielformen, vor<br />

47


Publikum aufzutreten und Aufführungen nach Belieben<br />

zu wie<strong>de</strong>rholen.“ 42<br />

Bereits in <strong>de</strong>n gemeinsamen Spielen (ab etwa <strong>de</strong>m<br />

Alter von 3 J.) wer<strong>de</strong>n neben direkt sozialen Fähigkeiten<br />

auch kreative Potenzen aktiviert, insbeson<strong>de</strong>re<br />

durch die spielerische Entwicklung von Handlungsfolgen.<br />

Hier sind (für die älteren Kin<strong>de</strong>r) zu nennen: das<br />

Phantasiespiel, in <strong>de</strong>m Stoffe aus Büchern und an<strong>de</strong>-<br />

ren Medien aufgegriffen und weitergetrieben wor<strong>de</strong>n<br />

und die narrativen Strukturen komplexer wer<strong>de</strong>n (von<br />

Älteren zu spielen), dann auch beim Übergang ins<br />

Schulalter Regelspiele o<strong>de</strong>r auch interaktive Computerspiele.<br />

Zugleich wer<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>n Rollenspielen bereits<br />

erste Formen literarischer Sprachverwendung eingeübt.<br />

43<br />

Die Entwicklung vom Rollenspiel zum Theaterspiel lässt sich schematisch in folgen<strong>de</strong>r<br />

Weise 44 darstellen:<br />

Vorschulalter und erste Schuljahre (ca. bis 8 Jahre)<br />

� Rollenspiel: Nachahmung von Handlungen und Abläufen, Personen<br />

� Verlebendigung von Leblosem<br />

� Impuls aus <strong>de</strong>m Kind heraus zur Verarbeitung von Erlebnissen<br />

� ohne Anspruch an Perfektion<br />

� gelingt auch ohne „erwachsenen Spielleiter“<br />

� Verlebendigung von Leblosem<br />

Schulalter (ca. bis 10 Jahre)<br />

� Starke körperliche und geistige Entwicklung<br />

� Verlassen kindlicher Traumwelten – hin zu realistischer Weltsicht<br />

� Konzentrationsspanne steigt, Regeln wer<strong>de</strong>n gelernt<br />

� Voraussetzungen für Theaterspiel, Anfor<strong>de</strong>rungen einer Aufführung<br />

� Spielleiter als Autorität und Freund<br />

Vorpubertät<br />

� Mädchen sind Jungen in Entwicklung voraus<br />

� Gesteigertes Geltungsbedürfnis <strong>de</strong>r Schüler, Suche nach Anerkennung<br />

� Begeisterungsfähigkeit aber wechseln<strong>de</strong> Interessen<br />

� Anonymisiertes Darstellen, Schutz durch Masken etc.; Puppenspiel<br />

� Spielleiter als Kamerad – Unterstützung bei Suche nach eigener Persönlichkeit durch Ausprobieren vieler<br />

Rollen<br />

F. K. Waechter: Brülle ich zum Fenster raus. Kin<strong>de</strong>rrollenspiele mit Texten zum Singen. Weinheim 1979<br />

Rechercheaufgabe<br />

� Was gilt es zu beachten, wenn Sie mit Kin<strong>de</strong>rn das erste Mal ein Rollenspiel probieren?<br />

Literatur<br />

Literatur zur Bearbeitung dieser Aufgabe<br />

Josef Broich: Rollenspielpraxis. Vom Interaktions- und Sprachtraining bis zur fertigen Spielvorlage. Köln 1999.<br />

Andreas Flitner: Spielen – Lernen. München 1998.<br />

Szenisches Spiel (2. Darstellen<strong>de</strong>s Spiel o<strong>de</strong>r Szenisches Spiel) - Darstellen<strong>de</strong>s<br />

Spiel<br />

Ingo Scheller <strong>de</strong>finiert das szenische Spiel als „Han- So können die in literarischen Texten, Bil<strong>de</strong>rn und<br />

<strong>de</strong>ln in vorgestellten Situationen“. Es zielt darauf ab, Filmen entworfenen Ereignisse, Menschen und sozia-<br />

Lernen<strong>de</strong>n wie Lehren<strong>de</strong>n zu ermöglichen, mit allen len Situationen im szenischen Spiel zur Aneignungs-<br />

Sinnen zu lernen. Tragen<strong>de</strong>s Element für die Konzepmöglichkeit <strong>de</strong>r darin verborgenen eigenen Anteile<br />

tion sind <strong>de</strong>r (literarische) Text, ein Bild/mehrere Bil- wer<strong>de</strong>n: Die persönliche Lebenspraxis wird zum The<strong>de</strong>r<br />

o<strong>de</strong>r ein Film, Szenen aus einem Drama u.ä., von ma, dies nennt Scheller, ‚erfahrungsbezogenen Unter-<br />

<strong>de</strong>m her eine meist sehr differenzierte Rollenspielsituricht’. Ausgesuchte und erprobte Spielverfahren und<br />

ation konzipiert wird.<br />

Übungen aus zahlreichen schauspiel-, spiel- und theaterpädagogischen<br />

Ansätzen (z.B. Stanislawski, Boal)<br />

48


machen diese ganzheitlichen Lernprozesse möglich:<br />

z.B. sind dies: Wahrnehmungsübungen, Vorstellungsübungen,<br />

Körper- und Bewegungsübungen, Sprechübungen,<br />

Rollenschreiben, Rollengespräch, Szenische<br />

Improvisation und Demonstration, Standbil<strong>de</strong>r, Statuen.<br />

Diese Verfahren ermöglichen es, Lern- und Erkenntnisprozesse<br />

zu initiieren, in <strong>de</strong>nen nicht wie in konventionellen<br />

Lernverfahren von <strong>de</strong>r Lernsituation abstrahiert<br />

wird, son<strong>de</strong>rn in <strong>de</strong>nen Raum, Zeit und Gegenstän<strong>de</strong><br />

ebenso mit ins Spiel einbezogen wer<strong>de</strong>n wie die<br />

körperlichen, gestischen, mimischen und sprachlichen<br />

Handlungen und Interaktionen <strong>de</strong>r Lernen<strong>de</strong>n. Diese<br />

Ausdrucks- und Verhaltensweisen <strong>de</strong>r Spieler/innen<br />

wer<strong>de</strong>n bewusst aktiviert.<br />

Zentrales Thema aller Spielprozesse ist die Frage danach,<br />

wie die sozialen Erfahrungen und situativen<br />

Bedingungen Menschen dazu bringen, ihre abgespal-<br />

Beispiele für das szenische Spiel<br />

tenen, möglicherweise aufgezwungenen, kontrollierten<br />

o<strong>de</strong>r rationalisierten Gefühle, Phantasien und Wünsche<br />

auf an<strong>de</strong>re zu projizieren. Das szenische Spiel<br />

ist, wie die Erfahrung gezeigt hat, ein geeignetes Mittel,<br />

solche Übertragungs- und Abwehrmechanismen<br />

bei einzelnen und als Gruppenphänomen in konkreten<br />

Situationen zu untersuchen. So wer<strong>de</strong>n diese wie<strong>de</strong>r<br />

erlebbar und können in das eigene Selbstbild<br />

integriert wer<strong>de</strong>n, so dass neue Sichtweisen und Verhaltensweisen<br />

möglich wer<strong>de</strong>n.<br />

Durch die Rekonstruktion von konflikthaften Unterrichtssituationen<br />

können mit <strong>de</strong>m szenischen Spiel<br />

Projektions- und Abwehrprozesse untersucht wer<strong>de</strong>n,<br />

mit <strong>de</strong>nen Lehrer/innen und Lernen<strong>de</strong> selbst zur Entstehung<br />

und Aufrechterhaltung solcher Situationen<br />

beitragen. Insgesamt geht es hier um Angstabbau,<br />

Stärkung <strong>de</strong>r Persönlichkeit und die Bewältigung innerer<br />

Konflikte.<br />

Stellen Sie sich vor, Sie wären Schulleiter und streiften zur besten Unterrichtszeit durch die Gänge Ihrer<br />

Schule. Aus <strong>de</strong>n Klassenzimmern dringt ein Summen und Brummen, das vom eifrigen Streben nach Standards<br />

erzählt und Sie zufrie<strong>de</strong>n macht. Aber Halt! Aus diesem Klassenraum dringen ganz an<strong>de</strong>re Geräusche:<br />

Poltern, Rufen Klirren, Lachen. Sie sind nicht so ein unangenehmer Kontrolletti, also öffnen Sie nicht<br />

empört die Türe, son<strong>de</strong>rn holen sich einen Stuhl und spähen durchs Oberlicht.<br />

Was Sie sehen, ist folgen<strong>de</strong>s: Die Schüler haben soeben alle Tische und Stühle an einer Wand aufgetürmt,<br />

sie stellen sich im Kreis auf und werfen sich imaginäre Bälle zu, danach fliegen Worte mit Bewegungen und<br />

merkwürdigen Betonungen im Kreis herum, dann gehen einzelne o<strong>de</strong>r mehrere in die Mitte und führen Bewegungen<br />

aus, die die an<strong>de</strong>ren im Kreis kopieren. Das macht Spaß und sieht komisch aus, Sie selbst kichern<br />

unvermutet und merken, dass Sie nur auf einem Stuhl stehen. Nun gehen die Schüler im Raum herum,<br />

halten einen Text in <strong>de</strong>n Hän<strong>de</strong>n und lesen aus <strong>de</strong>m Text mal hier mal da etwas laut und in ganz unterschiedlichen<br />

Betonungen, Stimmungen und Haltungen vor. Als Deutschlehrer erkennen Sie ziemlich<br />

schnell, dass es sich um Ausschnitte aus We<strong>de</strong>kinds Frühlings Erwachen han<strong>de</strong>lt. Sehr chaotisch. Endlich<br />

erkennen Sie <strong>de</strong>n Lehrer, <strong>de</strong>r die Schüler auffor<strong>de</strong>rt, sich eine Rolle auszuwählen und sich irgendwo hinzusetzen.<br />

Die Schüler setzen sich auf <strong>de</strong>n Bo<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>r neuerdings nur noch 2 x wöchentlich geputzt wird, und verän<strong>de</strong>rn<br />

während <strong>de</strong>s Lesens mit verteilten Rollen ihre Sitzposition im Raum und ihre Haltung. Die Szene ist<br />

kaum gelesen, setzen die Schüler sich in <strong>de</strong>n Kreis und machen unter Anleitung <strong>de</strong>s Kollegen eine Atem-,<br />

Entspannungs- und Konzentrationsübung.<br />

Dann sollen sie Personen <strong>de</strong>r Geschichte vor ihrem inneren Auge Revue passieren lassen. Aha, eine Phantasiereise,<br />

das kennen Sie. Es folgen Übungen zum Aufbau von Rollenbiographien <strong>de</strong>r von <strong>de</strong>n Schülern<br />

gewählten Figuren, bevor es wie<strong>de</strong>r spannend wird. Zwei Stühle stehen sich gegenüber, zwei Schüler nehmen<br />

je eine bestimmte Haltung ein, die sie zu ihrer Rolle passend fin<strong>de</strong>n und stellen sich nacheinan<strong>de</strong>r in<br />

ihren Figuren vor. Es gibt eine kleine Diskussion mit <strong>de</strong>m Publikum, das sich manches an<strong>de</strong>rs vorgestellt<br />

hatte. Dann wird es wie<strong>de</strong>r laut, weil die ganze Klasse sich in Paaren gegenüber sitzt und je<strong>de</strong>s Paar ein<br />

Rollengespräch führt.<br />

Der Kollege zeigt Nerven und geht von Paar zu Paar, um einzelnen Schülern beim Einfühlen in die Rolle und<br />

die Situation zu helfen, in<strong>de</strong>m er als Hilfs-Ich neue Impulse setzt. Sie schauen auf die Uhr, damit Sie rechtzeitig<br />

vor Unterrichtsschluss ihre verräterische Position am Oberlicht verlassen können. Es ist noch Zeit für<br />

eine weitere Übung. Die Schülerpaare bauen erst einzelne, dann Pärchen o<strong>de</strong>r Dreiergruppen zu Statuen<br />

und Standbil<strong>de</strong>rn auf. Die ganze Gruppe besucht die Standbil<strong>de</strong>r nacheinan<strong>de</strong>r wie Skulpturen im Museum<br />

und assoziiert laut zu diesen Bil<strong>de</strong>rn. Manche Figuren wer<strong>de</strong>n durch Antippen lebendig und sagen, was sie<br />

gera<strong>de</strong> <strong>de</strong>nken o<strong>de</strong>r wie sie sich fühlen. Eine Skulpturengruppe setzt ihr Standbild in Bewegung und spielt<br />

eine Szene. Abschließend tauschen die Schüler im Kreis unter Mo<strong>de</strong>ration Ihres Kollegen, <strong>de</strong>r die Situation<br />

49


nun wie<strong>de</strong>r im Griff hat, ihre Beobachtungen aus. Es wird Zeit, dass Sie sich vom Oberlicht und aus <strong>de</strong>m<br />

Flur zurückziehen. Hinter sich hören Sie das Poltern <strong>de</strong>r Tische und Stühle. Sie vergewissern sich auf <strong>de</strong>m<br />

Stun<strong>de</strong>nplan:<br />

Das war Deutschunterricht in <strong>de</strong>r 9a. Sie legen <strong>de</strong>m Kollegen einen Zettel ins Fach mit <strong>de</strong>r Bitte um Rücksprache.<br />

[…]<br />

So könnte eine Doppelstun<strong>de</strong> aussehen, die ein Kollege mit <strong>de</strong>n Fächern Deutsch, Biologie und Darstellen<strong>de</strong>s<br />

Spiel durchführt.<br />

Vortrag von Joachim Reiss. In: Theater und Schule. Materialien_H_47 (2004).<br />

Aufgabe<br />

� Schreiben Sie selbst eine Textvorlage für ein szenisches Spiel.<br />

Das Ausdrucksspiel aus <strong>de</strong>m Erleben (Jeux Dramatiques)<br />

Das Jeux Dramatiques ist eine elementare Form <strong>de</strong>s<br />

Theaterspiels, die ohne eine ausgefeilte Spieltechnik<br />

und größere Vorkenntnisse bei <strong>de</strong>n daran Beteiligten<br />

auskommt. Entwickelt wur<strong>de</strong> diese Form von <strong>de</strong>m<br />

französischen Pädagogen Léon Chancerel, <strong>de</strong>r seine<br />

Metho<strong>de</strong> bereits 1936 beschrieb. Als Ausdruck <strong>de</strong>r<br />

humanistischen Psychologie beruht die Metho<strong>de</strong> auf<br />

<strong>de</strong>r Anschauung <strong>de</strong>s Menschen als ganzheitlichem<br />

Wesen, das sein inneres Erleben beson<strong>de</strong>rs über das<br />

Spiel ausdrücken kann, speziell:<br />

� das Auf<strong>de</strong>cken verborgener kreativer Fähigkeiten<br />

und<br />

� <strong>de</strong>n Ausdruck von Gefühlen und inneren Erlebnissen.<br />

Beispiel für Jeux Dramatiques<br />

Quelle<br />

Im Jeux Dramatique gibt es schriftliche Vorlagen, die<br />

entwe<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Literatur entnommen wer<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r aber<br />

auch selbst verfasst sein können und szenisch umgesetzt<br />

wer<strong>de</strong>n.<br />

Die Spieler suchen sich ihre Rolle selbst, sie agieren<br />

nur gestisch und mimisch, sie haben eine recht rudimentäre<br />

Verkleidung (Tücher, Vorhänge, Schminke<br />

u.ä.), für <strong>de</strong>n Vortrag <strong>de</strong>s verbalen Textes ist ein Sprecher<br />

zuständig.<br />

Der Text wird vom Spielleiter / Spielleiterin vorgelesen (z.B. Wo die wil<strong>de</strong>n Kerle wohnen von Max Sendak).<br />

Je<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Gruppe wählt sich ein Subjekt o<strong>de</strong>r Objekt <strong>de</strong>r Geschichte (z.B. Max, die Kerle - es können unendlich<br />

viele sein, Bäume, das Schiff, <strong>de</strong>r Geruch <strong>de</strong>s Essens, das Max wie<strong>de</strong>r nach Hause lockt - alles<br />

kann gespielt wer<strong>de</strong>n). Mit einfachen Requisiten, wie z.B. Tücher, können sich die Kin<strong>de</strong>r verklei<strong>de</strong>n. Der<br />

Spielleiter / die Spielleiterin liest die Geschichte vor, mit Pausen, in <strong>de</strong>nen die Spielfiguren (pantomimisch)<br />

agieren. Es geht nicht um eine Aufführung <strong>de</strong>r Geschichte, son<strong>de</strong>rn um ein Nacherleben.<br />

http://www.schulmediothek.<strong>de</strong>/oeb_und_schule/i<strong>de</strong>enboerse_lesefoer<strong>de</strong>rung/geschichten_spielerisch_umsetzen.<br />

Quelle<br />

Ablauf <strong>de</strong>r Jeux Dramatiques nach <strong>de</strong>m R-S-P-V-Zirkel:<br />

� R = Rohstoff: Auswahl von Thema o<strong>de</strong>r Text durch Spielleiter o<strong>de</strong>r Spieler – Basis: Situation <strong>de</strong>r Gruppe<br />

� S = Spielvorbereitung: Diese besteht vor allem aus: Vorstellung und Ausarbeitung von Thema/Text;<br />

Auswahl <strong>de</strong>r Rollen und Spielorte; Verkleidung und Hilfsmittel auswählen; Reflexion und Erarbeitung<br />

<strong>de</strong>r Szenen und Kulissen – Anregung (etwa im Kin<strong>de</strong>rgarten durch Märchen o<strong>de</strong>r Bil<strong>de</strong>rbuch)<br />

� P = Praktische Durchführung: Beginn mit vereinbartem Klangzeichen: Sprecher liest o<strong>de</strong>r erzählt <strong>de</strong>n<br />

Text. Agieren <strong>de</strong>r Sprecher/Spieler vor allem auf sie selbst und die Gruppe bezogen, nicht auf die Zuschauer<br />

– Spieldauer: ca. 20 Min.<br />

� V = Verarbeitung: freies, nicht werten<strong>de</strong>s Gespräch über die Durchführung, Auswertung <strong>de</strong>r individuellen<br />

Erfahrungen und Eindrücke.<br />

50


„Jeux-Regeln” für Kin<strong>de</strong>r<br />

1. Je<strong>de</strong>r kann sich in Ruhe seine Rolle suchen.<br />

2. Du bestimmst, was und wie du etwas spielen willst.<br />

3. Je<strong>de</strong>r spielt für sich selbst.<br />

4. Je<strong>de</strong>r spielt so, wie er sich fühlt.<br />

5. Es gibt kein richtig - es gibt kein falsch!<br />

6. Je<strong>de</strong>r achtet auf die an<strong>de</strong>ren Mitspieler und nimmt Rücksicht.<br />

7. Je<strong>de</strong>r darf auch Zuschauer sein<br />

http://www.welleg.<strong>de</strong>/unterricht/jeux/in<strong>de</strong>x.htm.<br />

Rechercheaufgabe<br />

� Suchen Sie nach einer geeigneten Textvorlage für ein Jeux Dramatiques in einer Kin<strong>de</strong>rgruppe und<br />

stellen Sie es vor.<br />

Child Drama als Metho<strong>de</strong> in <strong>de</strong>r Pädagogik<br />

Einflussreich beson<strong>de</strong>rs in <strong>de</strong>n angelsächsischen<br />

Län<strong>de</strong>rn ist bis heute die Konzeption <strong>de</strong>s englischen<br />

Pädagogen Peter Sla<strong>de</strong>, <strong>de</strong>r (u.a. mit seinem Buch<br />

„Child play. Its importance for Human Development“,<br />

1995) Theater und vor allem Theaterpädagogik nachhaltig<br />

beeinflusst hat. Im <strong>de</strong>utschsprachigen Raum<br />

wur<strong>de</strong> diese Metho<strong>de</strong> insbeson<strong>de</strong>re durch die Sänge-<br />

Nach<br />

rin, Regisseurin und Theaterpädagogin Jolanda Rodio<br />

vertreten, die in Bern die Schauspielschule „Totales<br />

Theater“ grün<strong>de</strong>te.<br />

Wozu die Metho<strong>de</strong> <strong>de</strong>s ‚child drama’ dienen soll, beschreibt<br />

die Schauspielerin und Regisseurin Ania Michaelis:<br />

Die Metho<strong>de</strong> <strong>de</strong>s child dramas ist, dass es keine Metho<strong>de</strong> gibt, aber Aufmerksamkeit. Das Instrumentarium,<br />

das uns diese Arbeit in die Hand gibt, ist ein feines. Es erinnert <strong>de</strong>n Menschen daran, was er bereits<br />

weiß. Die Feinwahrnehmung wird geschult, <strong>de</strong>r Eigensinn ermuntert, <strong>de</strong>r Mut unterstützt. Souveränität hieße<br />

im schönsten Fall, sich zu zeigen und sich zur Verfügung zu stellen.<br />

Mit <strong>de</strong>m Werkzeuge, das das Terrain erfor<strong>de</strong>rt, lässt es sich versierter klettern, sicherer hantieren, auch bei<br />

Sturm ruhig bleiben. Das Erlebnis bleibt so wild, so sanft, so bitter und so süß wie es eben ist. Aber wir sind<br />

vorbereitet. Wir tragen angemessenes Schuhwerk, sind angeseilt. Eine Landkarte ist oft nützlich und<br />

manchmal brauchen wir einen Lichtstrahl in einer dunklen Höhle o<strong>de</strong>r einen Hinweis auf die Richtung,<br />

wenn wir uns verlaufen haben. Die Übung erhöht <strong>de</strong>n Zauber, schärft <strong>de</strong>n Blick, macht munter und wach.<br />

Möge sie gelingen!<br />

Um zu beschreiben, was ich im schönsten Fall erreichen wollte, fallen mir als erstes Gegensatzpaare ein:<br />

Liebreiz und Schrecken, bitter und süß, Faszination und Entsetzen. Ich versuche <strong>de</strong>n unverwechselbaren,<br />

individuellen, poetischen Moment mit <strong>de</strong>r Welt, die die Figur, <strong>de</strong>n Spieler, <strong>de</strong>n Zuschauer umgibt, in Zusammenhang<br />

und Reibung zu setzen.<br />

http://www.gew.<strong>de</strong>/Binaries/Binary7456/Materialien_H_47.pdf.<br />

Ähnlich wie bei an<strong>de</strong>ren theaterpädagogischen Metho<strong>de</strong>n<br />

geht es auch hier in erster Linie um Sensibilisierung<br />

<strong>de</strong>r Wahrnehmung, Einübung in freie Spielformen<br />

und selbständiges Aufstellen von Regeln,<br />

Teamarbeit. Hier ist allerdings – im Gegensatz zu <strong>de</strong>n<br />

bisher vorgestellten Metho<strong>de</strong>n – die selbständige<br />

Entfaltung <strong>de</strong>r schöpferischen Gestaltungskraft individuell<br />

und in <strong>de</strong>r Gruppe im Vor<strong>de</strong>rgrund, die Metho<strong>de</strong><br />

ist insgesamt nur sehr schwach direktiv.<br />

Quelle<br />

In Kursen beschäftigen sich die Teilnehmer zunächst<br />

mit Wahrnehmungsübungen – die möglichst genaue<br />

Registrierung <strong>de</strong>ssen, was ist und <strong>de</strong>ssen Wie<strong>de</strong>rgabe<br />

- dann mit <strong>de</strong>r möglichst selbständigen Einübung kleiner<br />

Stücksequenzen. Der Kursleiter hat eine rein unterstützen<strong>de</strong><br />

Funktion, ist eine Art Schiedsrichter,<br />

unterstützend, aber nur in Ausnahmefällen eingreifend;<br />

das child drama appelliert vor allem an die Selbständigkeit<br />

und Selbsttätigkeit <strong>de</strong>r Teilnehmer und die<br />

Stärkung ihrer eigenen Gestaltungsfähigkeiten.<br />

51


Im geschützten Raum <strong>de</strong>s Spiels erfahren die Teilnehmer<br />

sinnlich, welche Position in <strong>de</strong>r Gruppe sie<br />

gera<strong>de</strong> einnehmen. In einem zweiten Schritt wer<strong>de</strong>n<br />

Spieli<strong>de</strong>en gesammelt. Hier sind (im Gegensatz zum<br />

Rollen- o<strong>de</strong>r szenischen Spiel, aber natürlich auch zum<br />

wirklichen Theater) keine konkreten Situationen o<strong>de</strong>r<br />

Vorlagen vorgegeben. Die I<strong>de</strong>en wer<strong>de</strong>n gesammelt<br />

und vom Kursleiter notiert, das Ordnen und die weitere<br />

Beschäftigung ist dann aber wie<strong>de</strong>r selbständige<br />

Aufgabe <strong>de</strong>r Gruppe.<br />

Aufgabe<br />

� Versuchen Sie, konkrete Anwendungsmöglichkeiten für das hier beschriebene Child Drama zu fin<strong>de</strong>n.<br />

Stellen Sie Ihre Überlegungen vor.<br />

41Jürgen Weintz: Theaterpädagogik und Schauspielkunst. Butzbach-Grie<strong>de</strong>l 1998.<br />

42Merkels Erzählkabinett: http://www.stories.<strong>uni</strong>-<strong>bremen</strong>.<strong>de</strong>/erzaehlen/spracherziehung.html.<br />

43Hierzu vgl. Merkel: Gebil<strong>de</strong>te Kindheit; Merkel: Modul Mündlichkeit.<br />

44Nach: Rollenspiel_Skript+Theater.pdf.<br />

Anmerkungen<br />

52


13. Formen <strong>de</strong>s Spiels<br />

Fingerpuppen, Maskenspiel, Pantomime<br />

Traditionelle Spielformen: Stegreifspiel, Kasperle-,<br />

Marionetten-, Masken-, Schattentheater, szenisches<br />

Spie, Schulspiel/Schultheater, Pantomime, mediale<br />

Formen <strong>de</strong>s Hör- und Fernsehspiels, Tanz- und Musikspiele,<br />

Lern- und Sprachspiele.<br />

Improvisation<br />

,Neuere’ Spielformen: Selbsterfahrungs- und Interaktionsspiele,<br />

sprachdidaktische und literarische Rollenspiele,<br />

Planspiele, Schreibspiele, Spielformen <strong>de</strong>s<br />

alternativen, freien Theaters<br />

Grundformen <strong>de</strong>s Spiels im <strong>Kin<strong>de</strong>rtheater</strong><br />

1. Personales Spiel: Warming up Spiele, Pantomime, Stegreifspiel, Sketche, Kabarett, Rollenspiel und<br />

Planspiel; Jeux Dramatiques, Statuen-, Forumtheater<br />

2. Figurales Spiel: Puppenspiel, Marionettenspiel, Schattenspiel, Maskenspie<br />

3. Technisch- mediales Spiel: Spiel mit Musikinstrumenten, Hörspiel, Spielgestaltung mit <strong>de</strong>r Vi<strong>de</strong>okamera<br />

usw.<br />

Puppen-, Figurentheater<br />

Das Puppen- o<strong>de</strong>r Figurentheater – oft traditionell<br />

auch in <strong>de</strong>r Form <strong>de</strong>s Kasperletheaters - wird allgemein<br />

als eine beson<strong>de</strong>rs typische Form <strong>de</strong>s kindlichen<br />

Theaterspiels o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Theaterspiels für Kin<strong>de</strong>r betrachtet.<br />

Selbst im Zeitalter <strong>de</strong>r medial und digital<br />

geprägten Sozialisation hat das Puppentheater für<br />

kleine Kin<strong>de</strong>r seinen Reiz nicht ganz verloren. Immer<br />

noch gibt es beliebte und renommierte Puppen-, Kasperle-<br />

o<strong>de</strong>r Marionettentheater, die inzwischen teilweise<br />

auch im Fernsehen zu sehen, auf Vi<strong>de</strong>o, CD o<strong>de</strong>r<br />

DVD zu haben sind. So erfreuen sich etwa Stücke <strong>de</strong>r<br />

Augsburger Puppenkiste, <strong>de</strong>r Cassiopeia Bühne, Köln<br />

o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Kölschen Hänneschen Theaters großer Beliebtheit.<br />

Das Puppen- o<strong>de</strong>r Figurentheater ist eine durchaus<br />

eigenständige Kunstart, zugleich aber auch schon früh<br />

als Hinführung zu an<strong>de</strong>ren künstlerischen Formen und<br />

im Sinne <strong>de</strong>r Eigenaktivität von kleineren Kin<strong>de</strong>rn<br />

geeignet.<br />

Die traditionell große Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s Puppenspiels für<br />

die Entwicklung lässt sich paradigmatisch an Goethe<br />

sehen, <strong>de</strong>r bereits mit vier Jahren von <strong>de</strong>r Großmutter<br />

ein Puppenspiel erhielt und in seinem Roman „Wilhelm<br />

Meisters Lehrjahre“ auf <strong>de</strong>ssen Be<strong>de</strong>utung sowie<br />

auch die sich daraus ergeben<strong>de</strong>n Konflikte eingeht.<br />

Die Lei<strong>de</strong>nschaft für das Theater verließ ihn<br />

auch später nicht, und von 1791 bis 1817 war er als<br />

Intendant <strong>de</strong>s Weimarer Hoftheaters direkt mit <strong>de</strong>r<br />

Theaterleitung und Regie befasst.<br />

Im erwähnten Roman geht es zu Beginn um die Ablehnung<br />

dieser Theaterlei<strong>de</strong>nschaft <strong>de</strong>s Sohnes durch<br />

<strong>de</strong>n pragmatisch ausgerichteten Kaufmannsvater, <strong>de</strong>r<br />

im Theaterbesuch keinen Sinn sehen kann, worauf <strong>de</strong>r<br />

Sohn mit <strong>de</strong>r rhetorischen Frage an die Mutter antwortet:<br />

„aber um 's Himmels willen, Mutter! ist <strong>de</strong>nn alles<br />

unnütz, was uns nicht unmittelbar Geld in <strong>de</strong>n Beutel<br />

bringt, was uns nicht <strong>de</strong>n allernächsten Besitz verschafft?“<br />

45 Wilhelm Meister beschreibt dann <strong>de</strong>r Mutter<br />

gegenüber aus <strong>de</strong>r noch lebendigen Erinnerung<br />

<strong>de</strong>n lebhaften Eindruck, <strong>de</strong>n das Puppenspiel als Kind<br />

auf ihn gemacht hatte, und diese Wirkung wird dann<br />

im folgen<strong>de</strong>n Kapitel vom Erzähler bestätigt:<br />

„Wenn die erste Liebe, wie ich allgemein behaupten<br />

höre, das Schönste ist, was ein Herz früher o<strong>de</strong>r später<br />

empfin<strong>de</strong>n kann, so müssen wir unsern Hel<strong>de</strong>n<br />

dreifach glücklich preisen, daß ihm gegönnt ward, die<br />

Wonne dieser einzigen Augenblicke in ihrem ganzen<br />

Umfange zu genießen. Nur wenig Menschen wer<strong>de</strong>n<br />

so vorzüglich begünstigt, in<strong>de</strong>s die meisten von ihren<br />

frühern Empfindungen nur durch eine harte Schule<br />

geführt wer<strong>de</strong>n, in welcher sie, nach einem kümmerlichen<br />

Genuß, gezwungen sind, ihren besten Wünschen<br />

entsagen und das, was ihnen als höchste Glückseligkeit<br />

vorschwebte, für immer entbehren zu lernen.“ 46<br />

Das Figuren- o<strong>de</strong>r Puppenspiel in seinen vielfältigen<br />

Formen gehört zum Elementarbereich <strong>de</strong>s Spielens<br />

und <strong>de</strong>s theatralen Agierens. Es ermöglicht auch kleineren<br />

Kin<strong>de</strong>rn (ab 3 bis 4 Jahren) I<strong>de</strong>ntifikation und<br />

Einfühlung mit <strong>de</strong>n gezeigten Personen und Handlungen,<br />

es hat einfache Handlungsstrukturen und es<br />

lassen sich kindgemäße Stoffe einbauen. Die Äußerungsformen<br />

sind in gewisser Weise abstrahiert, da<br />

53


die Figuren nicht wirklich ‚realistisch’ sind, zugleich<br />

aber auch sehr direkt. Eine Puppentheateraufführung<br />

kann früh weitgehend selbst gestaltet wer<strong>de</strong>n, und<br />

Kin<strong>de</strong>r tun dies ja auch heute noch mit kleinen Theatern,<br />

die ihnen geschenkt wer<strong>de</strong>n. Es lassen sich einfache<br />

Kulissen und Szenerien sowie auch Figuren<br />

herstellen, aus verschie<strong>de</strong>nen Materialen wie Stoff,<br />

Papier o<strong>de</strong>r auch Gemüse.<br />

Im Puppentheater sind immer wie<strong>de</strong>r Märchenstoffe<br />

verarbeitet wor<strong>de</strong>n, etwa von Autoren wie Janosch,<br />

Otfried Preußler o<strong>de</strong>r Heinrich Maria Denneborg. Es<br />

lassen sich aber auch zahlreiche an<strong>de</strong>re Stoffe mit<br />

Fingerpuppen dramatisieren, etwa einfache Handlungen<br />

aus <strong>de</strong>m Erlebnisbereich <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r, auch Kin<strong>de</strong>rlyrik<br />

o<strong>de</strong>r Familienszenen.<br />

Anregungen für die Durchführung von Puppenspielen<br />

und die Anwendung <strong>de</strong>r Form für das Vorschulalter<br />

fin<strong>de</strong>n sich in großer Fülle, insbeson<strong>de</strong>re auch Bücher<br />

mit Spieli<strong>de</strong>en und praktischen Aufführungstips (s.<br />

dazu das Literaturverzeichnis).<br />

Arten <strong>de</strong>s Figurentheaters (Einteilung nach Spielort und Beziehung zum Spieler)<br />

Von unten geführte Figuren<br />

Handpuppen und Fingerpuppen – Mimikpuppen – Marotten – Stabfiguren - Hand-Stock-Puppen – Flachfiguren<br />

–Schattenfiguren<br />

Von hinten o<strong>de</strong>r von <strong>de</strong>r Seite geführte Figuren<br />

Papierfiguren – Schattenfiguren - Figuren <strong>de</strong>s Schwarzen Theaters - Fantoche-Figuren<br />

Von oben geführte Figuren<br />

Stabfiguren – Marionetten<br />

Flächige Figuren<br />

Theatrum mundi<br />

Kleine Figuren (aus Pappe, Blech, Zinn, Holz) wer<strong>de</strong>n auf Schienen hin und her geschoben<br />

Schattenfiguren<br />

Vor einer Lichtquelle wird eine flache Figur mit Stäben und Fä<strong>de</strong>n von unten o<strong>de</strong>r von hinten bewegt.<br />

Flachfiguren<br />

Bemalte Figuren wer<strong>de</strong>n an Fä<strong>de</strong>n und Stäben von unten bewegt.<br />

Papierfiguren<br />

Kleine flache Figürchen aus Karton wer<strong>de</strong>n an Draht von oben, an Holzleistchen von <strong>de</strong>r Seite geführt.<br />

54


Körperhafte Figuren<br />

Unbeklei<strong>de</strong>te o<strong>de</strong>r bemalte Hand<br />

Fingerpuppen<br />

Einfache Dinge wer<strong>de</strong>n auf die Finger <strong>de</strong>r Hand aufgesteckt.<br />

Handpuppen<br />

Die Figur umschließt die menschliche Hand<br />

Mimikpuppen<br />

Die Finger <strong>de</strong>s Spielers verän<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>n mimischen Ausdruck <strong>de</strong>r Figur.<br />

Stabfiguren und Marotten<br />

Mit Stäben von unten geführt.<br />

Hand-Stock-Puppen<br />

Kombination einer Handpuppe mit einer Stabfigur<br />

55


Marionetten<br />

An Fä<strong>de</strong>n hängend, von oben bewegt<br />

http://artm-friends.at/ilse/wp-content/www/vom-theater-figuren.html.<br />

Maskenspiel<br />

Das Maskenspiel ist in <strong>de</strong>r gesamten europäischen<br />

Theatertradition von großer Be<strong>de</strong>utung, es fand sich<br />

im antiken Maskentheater genauso wie in <strong>de</strong>r italienischen<br />

Form <strong>de</strong>r Commedia <strong>de</strong>ll’arte. In <strong>de</strong>n früheren<br />

Stadien <strong>de</strong>r Theaterkunst erschienen die Figuren<br />

wahrscheinlich sehr stilisiert und entindividualisiert: Es<br />

dominierten Masken, aufwendige Gesten und laute<br />

Äußerungen, erst später (ca. ab <strong>de</strong>m 5. Jahrhun<strong>de</strong>rt in<br />

Athen) nehmen die monologischen und dialogischen<br />

schauspielerischen Momente zu.<br />

Die Maske ist meist starr und trägt eine Ten<strong>de</strong>nz zur<br />

Stilisierung. Man kann sich über Maske und Maskenhaftigkeit<br />

verstecken, d.h. die Individualität verbergen.<br />

An<strong>de</strong>rerseits ist es <strong>de</strong>n Mitspielen<strong>de</strong>n im Kin<strong>de</strong>r- und<br />

Jugendtheater häufig gera<strong>de</strong> unter <strong>de</strong>m Schutz <strong>de</strong>r<br />

Maske möglich, Elemente <strong>de</strong>s Innern und <strong>de</strong>s Gefühlslebens,<br />

die sonst nicht zugelassen wer<strong>de</strong>n, auszudrücken.<br />

Unterstützend betonen hier auch Körperbewe-<br />

Quelle<br />

gungen das Innere. Für die Technik <strong>de</strong>s KJT ist auch<br />

beson<strong>de</strong>rs wichtig, dass hier, wo die sonst extrem<br />

wichtigen Gesichtsbewegungen zur Rollenausfüllung<br />

wegfallen, an<strong>de</strong>re Momente <strong>de</strong>n Schwerpunkt bil<strong>de</strong>n:<br />

Verbal- und Körpersprache, Bewegungen im Raum etc.<br />

Man kann hier beson<strong>de</strong>rs gut Neutralmasken verwen<strong>de</strong>n,<br />

als Masken, die keinen spezifischen Gesichtsausdruck<br />

zeigen.<br />

Eine Frage, die sich die Spielen<strong>de</strong>n hier immer stellen<br />

müssen, ist: Welche Maske passt zu mir?<br />

Wichtig im Zusammenhang mit <strong>de</strong>m <strong>Kin<strong>de</strong>rtheater</strong><br />

sind vor allem<br />

� die Funktion von Maske (und Kostüm) zur Charakterisierung<br />

von Rollen<br />

� die Be<strong>de</strong>utung von Material, Farbe, Form<br />

� <strong>de</strong>r Zusammenhang von Kostüm, Maske und<br />

Körpersprache<br />

Grundformen <strong>de</strong>r Improvisation<br />

Improvisation steht im engen Zusammenhang mit Spontanität, die allein allerdings noch keinen kreativen<br />

Prozess beför<strong>de</strong>rn kann. Spontanität ist die „Fähigkeit und Bereitschaft <strong>de</strong>s Individuums zu freiwilligen und<br />

selbstbestimmten Handlungen, die auf keine äußere Anstöße zurückgehen“. Ziel ist, die menschliche Spontanität<br />

freizusetzen und gleichzeitig in das gesamte Lebensgefüge <strong>de</strong>s Menschen sinnvoll zu integrieren.<br />

Wird Spontanität freigesetzt und gleichzeitig integriert, so entsteht Kreativität. 47<br />

Im Theater <strong>de</strong>r Gegenwart fin<strong>de</strong>t man vielfältige Formen<br />

<strong>de</strong>r Improvisation vor allem in diesen Fel<strong>de</strong>rn:<br />

� in <strong>de</strong>r Schauspielausbildung<br />

� im Prozess <strong>de</strong>r Inszenierung im professionellen<br />

Erwachsenentheater<br />

� als eigenes Genre (Improvisationstheater)<br />

Spontanes Stegreif- o<strong>de</strong>r Improvisationsspiel<br />

Bevor man diese Form erprobt und man sich in die<br />

ausgedachten Rollen begibt, sollten einige Fragen<br />

geklärt wer<strong>de</strong>n<br />

� Rollenbiographie: Welche Rolle? Alter, Kleidung,<br />

familiärer Hintergrund, persönliche Vor-<br />

� im Bereich von therapeutisch gerichteten Theaterformen<br />

� vor allem im Kin<strong>de</strong>r- und Jugendtheater (Darstellen<strong>de</strong>s<br />

Spiel, Rollenspiel, szenisches Spiel<br />

etc.)<br />

lieben auf verschie<strong>de</strong>nen Gebieten, Gefühle,<br />

Ängste, Bedürfnisse u.ä.<br />

� Situation <strong>de</strong>r Szene: <strong>de</strong>r Schauplatz, <strong>de</strong>r aktuelle,<br />

biographische und historische Kontext<br />

� Die Geschichte: Grundlinien, Quelle, Stoff<br />

56


Pantomimische Spiele (Bestimmungen)<br />

Pantomime<br />

Pantomime ist ein reines Körperspiel, in <strong>de</strong>m ohne Sprache Handlungen gezeigt und Geschichten erzählt<br />

wer<strong>de</strong>n. Sie benötigt als Form eine Verknappung <strong>de</strong>s Ausdrucksrepertoires und die Konzentration auf wenige<br />

Charakterzüge o<strong>de</strong>r Handlungsaspekte (Überzeichnung).<br />

Statuentheater<br />

Hier wer<strong>de</strong>n Körper benutzt, um Körperhaltungen darzustellen, die Elemente von Situationen, Problemen,<br />

Personenkonstellationen u.ä. zeigen (einzeln o<strong>de</strong>r in Gruppen). Ausgehend von <strong>de</strong>r Situation kann dann<br />

durch Verän<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Statuen und ihres Verhältnisses zueinan<strong>de</strong>r ein Wunschbild gestaltet wer<strong>de</strong>n. Das<br />

Statuentheater wird auch in Psychotherapien verwen<strong>de</strong>t und ist gut geeignet zur Auf<strong>de</strong>ckung und Lösung<br />

von konflikthaften Strukturen, Ängsten, Aggressionen etc.<br />

Forumtheater<br />

Das Forumtheater „ist eine weltweit verbreitete Form <strong>de</strong>s politisch-pädagogischen Mitspiel- und Improvisationstheaters,<br />

die von Augusto Boal im lateinamerikanischen Kontext <strong>de</strong>r 1970er Jahre entwickelt wur<strong>de</strong><br />

und zum Theater <strong>de</strong>r Unterdrückten gehört. Mit F wur<strong>de</strong>n Formen von sozialer und politischer Unterdrückung<br />

bewusst gemacht und Themen wie Macht- und Gewaltmissbrauch <strong>de</strong>r Ordnungskräfte, Rassismus,<br />

Sexismus, unerträgliche Arbeitsbedingungen und niedrige Löhne als Ausdruck ökonomischer Abhängigkeit<br />

und Ausbeutung behan<strong>de</strong>lt. F zielt(e) auf die Entwicklung einer kollektiven (Handlungs-) Perspektive gegenüber<br />

gesellschaftlichen Missstän<strong>de</strong>n. Es soll(te) ‚Proberaum für die Revolution’, für Befreiung und Verän<strong>de</strong>rung<br />

im ‚wirklichen Leben’ sein und war mit Fragen <strong>de</strong>r Umsetzung von Strategien, die im Forum ‚geprobt‘<br />

wur<strong>de</strong>n, mit <strong>de</strong>r gesellschaftlich-politischen Praxis sehr eng verknüpft.“ 48<br />

Praktische Aufgabe<br />

� Entschei<strong>de</strong>n Sie sich für eine Art <strong>de</strong>s Figurentheaters (z.B. Schattenfiguren) und fertigen Sie zu einem<br />

bekannten Kin<strong>de</strong>rtext die Figuren an.<br />

45Johann Wolfgang von Goethe: Werke. Hamburger Ausgabe. Bd. 7. München 1981, S. 11.<br />

46Goethe: Werke. Bd. 7, S. 14.<br />

47Koch/Streisand: Wörterbuch <strong>de</strong>r Theaterpädagogik, S. 138 (Anm. ausgelassen).<br />

48Koch/Streisand: Wörterbuch <strong>de</strong>r Theaterpädagogik, S. 108 (Anm. ausgelassen).<br />

Anmerkungen<br />

57


ANHANG<br />

Formen <strong>de</strong>s Spiels in Kin<strong>de</strong>rgarten und Grundschule<br />

Merkmale eines Theaters für die Kleinsten<br />

Wichtige Begriffe<br />

Die folgen<strong>de</strong>n Bestimmungen folgen <strong>de</strong>n Ausführungen, die sich in Publikationen <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>r- und Jugendtheaterzentrum<br />

in <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland zum Projekt THEATER VON ANFANG AN fin<strong>de</strong>n.<br />

Informationen im Internet<br />

http://www.theatervonanfangan.<strong>de</strong>/). Die folgen<strong>de</strong>n Zitate und Referate beziehen sich auf diese Internetplatform.<br />

Zu <strong>de</strong>n Voraussetzungen und Zielen <strong>de</strong>s Projekts heißt es dort (hier gekürzt):<br />

Entwicklung in <strong>de</strong>r Ausbildung von Erzieher/innen: Die Situation in Deutschland<br />

Die <strong>de</strong>rzeitige Debatte über Reformen in <strong>de</strong>r Erzieherausbildung konzentriert sich vor allem auf das Niveau<br />

<strong>de</strong>r Ausbildung. Trotz<strong>de</strong>m sieht <strong>de</strong>r neue Rahmenplan für die Ausbildung von Erzieher/innen, <strong>de</strong>n die Ständige<br />

Konferenz <strong>de</strong>r Kultusminister im Jahr 2003 beschloss, keine nennenswerten Än<strong>de</strong>rungen vor. Diese<br />

fehlen<strong>de</strong>n grundlegen<strong>de</strong>n Umgestaltungen betreffen auch die vernachlässigen<strong>de</strong> Haltung gegenüber <strong>de</strong>m<br />

Theater als substantielles Mittel <strong>de</strong>r ästhetischen Bildung.<br />

Theater als selbstverständlicher Ausbildungsgegenstand fehlt in <strong>de</strong>r herkömmlichen Ausbildung; er fin<strong>de</strong>t<br />

keinen Eingang als eigenständiges Fach in <strong>de</strong>n Ausbildungsplänen <strong>de</strong>r Fachschulen. Potenziale, die Theater<br />

für Kin<strong>de</strong>r im frühesten Alter darbieten könnte, können aufgrund <strong>de</strong>r beschriebenen Gegebenheiten in<br />

<strong>de</strong>n Betreuungseinrichtungen und <strong>de</strong>m <strong>de</strong>rzeitigen Stand <strong>de</strong>r Ausbildung nicht wahrgenommen wer<strong>de</strong>n.<br />

Neue Entwicklungen im professionellen <strong>Kin<strong>de</strong>rtheater</strong> – ein Feld <strong>de</strong>r Inspiration<br />

Im professionellen Theater ist ein verstärktes Interesse an Theaterformen <strong>de</strong>s Theaters für die Allerkleinsten<br />

zu beobachten. Erste Theatertreffen, die speziell dieses Thema aufgriffen, fan<strong>de</strong>n bereits statt. Das<br />

Kin<strong>de</strong>r- und Jugendtheaterzentrum in <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland widmete im Mai 2005 <strong>de</strong>m Theater<br />

für Kleinkin<strong>de</strong>r im Rahmen <strong>de</strong>s 8. Kin<strong>de</strong>r- und Jugendtheatertreffens Augenblick mal! in Berlin ein international<br />

ausgerichtetes und als geschlossenen Arbeitskreis durchgeführtes Programm unter <strong>de</strong>m Titel „Theater<br />

von Anfang an!“. Im September 2005 richtete das HELIOS Theater in Hamm das internationale Festival<br />

first steps aus. Bei<strong>de</strong> Treffen beinhalteten einen Fachaustausch mit Experten aus <strong>de</strong>m europäischen Ausland<br />

wie Italien, Frankreich und Schwe<strong>de</strong>n. Auch in diesen Län<strong>de</strong>rn ist das Theater für die Allerkleinsten eine<br />

noch recht junge Entwicklung, man verfügt hier jedoch über bereits umfangreiche Erfahrungen.<br />

Im Theater für die Allerkleinsten und mit ihnen geht es nicht um die Darstellung von Rollen bzw. um das<br />

Spielen von Rollen gemäß eines bürgerlichen Verständnisses von Theater. Im Theater für die Allerkleinsten<br />

sind künstlerische Formen und Spielweisen be<strong>de</strong>utend, die transparent sind: oft wer<strong>de</strong>n Spielvorgänge als<br />

gemacht dargestellt. In <strong>de</strong>r Arbeit mit Kin<strong>de</strong>rn – und oft auch auf <strong>de</strong>r Bühne – sind Formen <strong>de</strong>r Wahrnehmung<br />

und wahrnehmen<strong>de</strong> Tätigkeiten, Handlungsabläufe wie Fühlen, Riechen und Tasten zentral.<br />

Im Projekt „Theater von Anfang an!“ stehen solche Ansätze und Formen im Mittelpunkt.<br />

Ziele <strong>de</strong>s Projekts und seine Instrumente<br />

Im Projekt stehen Theaterformen mit Kin<strong>de</strong>rn und für Kin<strong>de</strong>r im Alter bis zu 5 Jahren zur Debatte. Herzstück<br />

<strong>de</strong>s Projektes wird die Entwicklung von mo<strong>de</strong>llhaften Projekten an vier Standorten <strong>de</strong>r Republik sein:<br />

Berlin, Mannheim, Hamm und Dres<strong>de</strong>n. An je<strong>de</strong>m Projektort wer<strong>de</strong>n drei Akteure (Erzieherinnen aus <strong>de</strong>n<br />

Kin<strong>de</strong>rtagesstätten, Künstler sowie Theaterpädagogen aus <strong>de</strong>m Theater und Wissenschaftler aus <strong>de</strong>n<br />

Hochschulen) in einem Zeitraum von zwei Jahren gemäß ihres eigenen ästhetischen wie Bildungsansatzes<br />

58


und ihrer strukturellen Möglichkeiten ein Projekt erarbeiten, das im Spannungsfeld von „Theater spielen<br />

und Theater sehen“ angesie<strong>de</strong>lt ist.<br />

Sie wer<strong>de</strong>n von einem gemeinsamen Punkt aus beginnen: vom Wechselspiel „Theater sehen und Theater<br />

spielen“. Die Künstler und Theaterpädagogen wer<strong>de</strong>n in die Kin<strong>de</strong>rtageseinrichtungen gehen, mit <strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>rn<br />

(Theater) spielen und für sie spielen. Die Kin<strong>de</strong>r wer<strong>de</strong>n ins Theater kommen und künstlerische Darbietungen<br />

erleben. Die Theaterpädagogen und Künstler wer<strong>de</strong>n die Erfahrungen, die sie mit <strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>rn<br />

gemacht haben, in ihre künstlerische und pädagogische Arbeit einbeziehen. Die Erzieherinnen wie<strong>de</strong>rum<br />

wer<strong>de</strong>n ihre Erfahrungen in ihre pädagogische Arbeit mit <strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>rn einfließen lassen.<br />

Die Schritte wer<strong>de</strong>n in enger Zusammenarbeit zwischen <strong>de</strong>n Erzieherinnen <strong>de</strong>r Einrichtungen, <strong>de</strong>n Theaterleuten<br />

und <strong>de</strong>n begleiten<strong>de</strong>n Wissenschaftlern unternommen. Welche Schrittabfolge, welchen pädagogischen<br />

Ansatz o<strong>de</strong>r welchen thematischen Schwerpunkt das Kooperationsteam an <strong>de</strong>m jeweiligen Ort in<br />

diesem Prozess wählen wird, entschei<strong>de</strong>t es gemäß seiner pädagogischen, künstlerischen wie ästhetischen<br />

Vorstellungen.<br />

Der Forschungs- und Erkenntnisprozess wird durch verschie<strong>de</strong>ne Beiträgen von externen Fachleuten sowie<br />

zahlreichen Formen <strong>de</strong>s gegenseitigen Austausches <strong>de</strong>r Projektteilnehmer untereinan<strong>de</strong>r beför<strong>de</strong>rt. Die<br />

Teilnehmer <strong>de</strong>r vier Projektorte treffen sich in größeren Abstän<strong>de</strong>n, regelmäßig zum Fachaustausch während<br />

<strong>de</strong>s gesamten Projektzeitraumes.<br />

Im Bereich <strong>de</strong>r frühkindlichen Erziehung und Bildung muss im Allgemeinen noch Grundlagenforschung betrieben<br />

wer<strong>de</strong>n. Die wissenschaftliche Begleitung <strong>de</strong>r einzelnen Projektorte dient vor allem <strong>de</strong>r Dokumentation<br />

<strong>de</strong>r pädagogischen Fragestellungen und <strong>de</strong>s künstlerischen Materials, das im Verlauf <strong>de</strong>s Projektes<br />

entstehen wird. Diese Sammlung stellt ein Novum in <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Forschungs- und Wissenslandschaft<br />

dar. Durch die Auswahl von vier verschie<strong>de</strong>nen Lehreinrichtungen, die unterschiedliche Fel<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Wissenschaft<br />

vertreten, kommen verschie<strong>de</strong>ne mögliche Sichtweisen auf das Feld <strong>de</strong>r frühkindlichen ästhetischen<br />

Bildung im Projekt zusammen – am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Projektes wer<strong>de</strong>n sie einan<strong>de</strong>r gegenüber gestellt wer<strong>de</strong>n.<br />

Unterschie<strong>de</strong> <strong>de</strong>s ‚Theater für die kleinsten’ zum ‚normalen’ Theater<br />

� keine professionellen Schauspieler, die sich durchgängig in die Rolle eines an<strong>de</strong>ren begeben,<br />

� meist keine Geschichte o<strong>de</strong>r Fabel in einem linearen, streng aufgebauten, ‚tektonischen’ Sinne, wie wir es<br />

im traditionellen Theater vorfin<strong>de</strong>n.<br />

Wesentliche für das Theater insgesamt zentrale Begriffe fin<strong>de</strong>n wir auch hier, sie müssen aber in gewisser Weise<br />

um<strong>de</strong>finiert wer<strong>de</strong>n:<br />

Beteiligung<br />

Grundanliegen dieser Theaterform ist es, eine gemeinsame Erfahrung von Spielern (nicht: Schauspielern, die völlig<br />

in einer an<strong>de</strong>ren Rolle aufgehen) und Kin<strong>de</strong>rn herzustellen. Die Spieler müssen im Rahmen <strong>de</strong>r hier stattfin<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n<br />

Komm<strong>uni</strong>kation eine beson<strong>de</strong>re Sensibilität für Stimmungen und <strong>de</strong>ren Schwankungen haben, um diese<br />

Gemeinsamkeit entstehen zu lassen. Ten<strong>de</strong>nziell verschwin<strong>de</strong>t hier die Grenze von Spieler und Zuschauer, die<br />

Rollen sind flüssig und in gewisser Weise austauschbar.<br />

Die Dimension <strong>de</strong>s Ästhetischen<br />

Wie <strong>de</strong>utlich gewor<strong>de</strong>n sein dürfte, geht in diesem Theater keineswegs nur um ein pädagogisch gerichtetes Spiel,<br />

son<strong>de</strong>rn immer auch um das, was das Theater ausmacht: die Dimension <strong>de</strong>s Schönen, Künstlerischen. Gegenüber<br />

einer einseitigen Festlegung auf <strong>de</strong>n Bildungsgehalt solcher Spiele ist darauf zu bestehen, dass jeweils die<br />

Realisierung kindgemäßer künstlerischer Vorgänge angestrebt wird.<br />

Einfachheit<br />

Das Theater für die Kleinsten bedient sich einer Vielzahl von sichtbaren und nicht sichtbaren Mitteln, es ist aber<br />

zugleich frei von <strong>de</strong>r komplexen Organisation <strong>de</strong>r herkömmlichen Theateraufführungen. Dies betrifft insbeson<strong>de</strong>re<br />

das weitgehen<strong>de</strong> Fehlen komplexer Symbolisierungsfunktionen: Personen und Dinge haben nicht einen mehr o<strong>de</strong>r<br />

min<strong>de</strong>r festgelegten Verweisungszusammenhang, son<strong>de</strong>rn be<strong>de</strong>uten zunächst einmal nur sie selbst und können<br />

ihre Erscheinungs- und Be<strong>de</strong>utungsform je<strong>de</strong>rzeit wechseln.<br />

59


Die Erzählweise in diesem Theater ist eher nicht-linear, Brüche und A-Logizitäten wer<strong>de</strong>n nicht (wie etwa in<br />

Brechts epischem Theater) als be<strong>de</strong>utungstragen<strong>de</strong>s Gegenmo<strong>de</strong>ll zum herkömmlichen Theater verwen<strong>de</strong>t, son<strong>de</strong>rn<br />

korrespondieren <strong>de</strong>r Gefühls- und Erfahrungswelt kleiner Kin<strong>de</strong>r (abstrakt, a-logisch, nicht wortgeprägt,<br />

durchsymbolisiert). Dinge haben zum Beispiel ein Eigenleben, weil sie dies in <strong>de</strong>r Phantasie <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s auch haben<br />

können, nicht, weil damit eine bestimmte, weiterführen<strong>de</strong> Aussage getroffen wer<strong>de</strong>n soll.<br />

Geschichte, Fabel<br />

Auch hier zeigt sich, dass die herkömmlichen dramaturgischen Kategorien nur bedingt und modifiziert für das<br />

<strong>Kin<strong>de</strong>rtheater</strong> anwendbar sind. Wie schon gesagt, fin<strong>de</strong>n sich Linearität und Verweisungscharakter höchstens<br />

ansatzweise. Dies prägt auch die Geschichte, die hier erzählt bzw. spielerisch gestaltet wird<br />

Begrifflichkeit<br />

� Geschichte: chronologisch geordnetes Nacheinan<strong>de</strong>r von Ereignissen und Vorgängen<br />

� Fabel: enthält kausale und sinnstiften<strong>de</strong> Verknüpfungen <strong>de</strong>r Handlung (Intrige)<br />

� Handlung: Entwicklung <strong>de</strong>s Geschehens im Drama.<br />

Zwar fin<strong>de</strong>n sich auch im Theater für die Kleinen Illusionswirkungen, diese sind aber nicht umfassend und durchkonstruiert,<br />

son<strong>de</strong>rn fest integriert in die Imagination <strong>de</strong>r kleinen Zuschauer. Materialien wer<strong>de</strong>n als Ausdrucksformen<br />

genutzt, die jeweils Funktionen und Be<strong>de</strong>utungen verän<strong>de</strong>rn. (Vgl. Beispiele: „Al di la“, „Hase Hase Mond“)<br />

Komm<strong>uni</strong>kation<br />

Konstitutiv ist hier – wie im Erwachsenentheater – die räumliche Präsenz von Spielen<strong>de</strong>n und Zuschauen<strong>de</strong>n,<br />

wobei die Grenzen zwischen diesen bei<strong>de</strong>n Gruppen im Theater für die Kleinsten nicht streng gezogen wer<strong>de</strong>n<br />

können. Die Komm<strong>uni</strong>kationssituation ist in diesem Setting allerdings weniger starr und vorgegeben, eher fragil,<br />

d.h. sie ist für Störungen anfällig, muss immer wie<strong>de</strong>r neu ausgehan<strong>de</strong>lt wer<strong>de</strong>n, die Balance wird immer wie<strong>de</strong>r<br />

hergestellt, bietet aber auch mehr Möglichkeiten für spontane Reaktionen: Im Gegensatz zu <strong>de</strong>n Aufführungen im<br />

Erwachsenentheater gibt es hier spontane, lebendige Reaktionen.<br />

Komm<strong>uni</strong>kation ist natürlich immer wechselseitig und sie bedient sich verschie<strong>de</strong>nster verbaler wie nicht-verbaler<br />

Mittel. Während das traditionelle Erwachsenentheater ‚literarisch’, d.h. beson<strong>de</strong>rs auf das gesprochene Wort fixiert<br />

ist, spielt im Theater für die Kleinen <strong>de</strong>r Blickkontakt eine beson<strong>de</strong>rs große Rolle, vor allem aber auch die<br />

Aktivierung <strong>de</strong>r taktilen Sinne, die körperliche Wahrnehmung.<br />

Materialität, Körperlichkeit, Bewegung<br />

Wie schon unter Komm<strong>uni</strong>kation erläutert, spielt die körperliche Präsenz im <strong>Kin<strong>de</strong>rtheater</strong> eine stärkere Rolle,<br />

insgesamt Körperlichkeit und Materialität - in <strong>de</strong>r Verwendung von und <strong>de</strong>r Auseinan<strong>de</strong>rsetzung mit verschie<strong>de</strong>nartigen<br />

Materialien, zugleich Formen <strong>de</strong>r Rhythmik, <strong>de</strong>r Musikalität und <strong>de</strong>r Bewegung.<br />

Regeln und Grenzen<br />

Regeln und Grenzen im Theater für die Kleinen sind beson<strong>de</strong>rs flexibel und je<strong>de</strong>rzeit verän<strong>de</strong>r- o<strong>de</strong>r verhan<strong>de</strong>lbar.<br />

Es gibt natürlich äußere Regeln, die durch das Publikum, die Zeit, <strong>de</strong>n zur Verfügung stehen<strong>de</strong>n Raum, insgesamt<br />

von <strong>de</strong>n äußeren Rahmenbedingungen gesetzt wer<strong>de</strong>n. Dies betrifft z. B. auch die jeweils zu treffen<strong>de</strong> Entscheidung:<br />

Wie weit können einerseits Räume für Zuschauerreaktionen auch emotionaler Art gegeben wer<strong>de</strong>n, wie weit<br />

muss aber auch auf eine gewisse Disziplin geachtet wer<strong>de</strong>n, so dass kein Chaos entsteht und die Stimmen noch<br />

verständlich sind. Davon zu unterschei<strong>de</strong>n sind ‚innere’ Regeln, die durch die Absichten <strong>de</strong>r Macher, <strong>de</strong>n Stoff,<br />

das Alter <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r u.ä. von Fall zu Fall an<strong>de</strong>rs zu setzen sind.<br />

Spieler<br />

Wie schon gesagt, gibt es nicht, wie im professionellen Erwachsenentheater, Schauspieler, die innerhalb <strong>de</strong>r Aufführungszeit<br />

ihre persönliche I<strong>de</strong>ntität praktisch ablegen und sich vollkommen in eine an<strong>de</strong>re Rolle begeben. Die<br />

beson<strong>de</strong>re Form <strong>de</strong>r gegenseitigen Komm<strong>uni</strong>kation im Theater für die Kleinen bedingt es, dass <strong>de</strong>r Spieler durchaus<br />

seine eigene Persönlichkeit zeigt o<strong>de</strong>r aber auch eine festgelegte Figuration ausfüllt, etwa <strong>de</strong>n Clown, die <strong>de</strong>n<br />

Kin<strong>de</strong>rn vielfältige Imaginations- und Projektionsräume eröffnet.<br />

Spielfläche<br />

Eine begrenzte Spielfläche wird in <strong>de</strong>n meisten Fällen gewünscht sein, allerdings keine starre Trennung von Bühne<br />

und Zuschauerraum wie im Erwachsenentheater. Es geht bei <strong>de</strong>r Entscheidung dieser Fragen in konkreten<br />

Spielsituationen wie<strong>de</strong>rum um die speziellen Komm<strong>uni</strong>kationsformen, um die Ausdrucksmittel und um Fragen von<br />

Nähe und Distanz.<br />

60


Sprache und künstlerisches Ausdrucksmittel<br />

Die Verbalsprache ist hier nur eine von vielen an<strong>de</strong>ren Ausdrucksformen; im Theater für die Kleinen dominiert<br />

meist die Körpersprache (Gestik und Mimik) gegenüber <strong>de</strong>r verbalen Sprachform. Bil<strong>de</strong>r, Töne, Musik, vor allem<br />

aber körperliche Aktionen sind zentrale Ausdrucksmittel, dies entspricht <strong>de</strong>r Körper- und Bewegungszentriertheit<br />

von Kin<strong>de</strong>rn.<br />

Zeit<br />

Es gibt hier einen eigenen Rhythmus, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>m Rhythmus <strong>de</strong>s Publikums entspricht, insbeson<strong>de</strong>re <strong>de</strong>n gemeinsamen<br />

Atemvorgängen, die Geborgenheit vermitteln. Wesentlich ist hier beson<strong>de</strong>rs die jeweils neue Festlegung von<br />

Zeitintervallen (die standardisierte Zeitform <strong>de</strong>s Erwachsenentheaters ist also nicht vorfindbar) und <strong>de</strong>r Wechsel<br />

von Phasen <strong>de</strong>r Stille und <strong>de</strong>s Geräusches.<br />

61


Ausgewählte Literatur zum Thema<br />

Drama<br />

Asmuth, Bernhard. Einführung in die Dramenanalyse. Stuttgart 1994.<br />

Ottmers, Martin: Drama. In: Reallexikon <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Literaturwissenschaft. Neubearb. <strong>de</strong>s Reallexikons <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Literaturgeschichte.<br />

Hg. v. Klaus Weimar. Bd. I. Berlin 1997, S. 392-396.<br />

Pfister, Manfred: Das Drama. Theorie und Analyse. 11. Auflage. München 2003.<br />

Platz-Waury, Elke: Drama und Theater. Eine Einführung. 4. Aufl. Tübingen 1994.<br />

<strong>Kin<strong>de</strong>rtheater</strong> – Jugendtheater – Übungsmaterial<br />

Albrecht-Schaffer, Angelika: Theaterwerkstatt für Kin<strong>de</strong>r. 100 und eine I<strong>de</strong>e rund ums Theaterspielen. München 2006.<br />

Darstellen<strong>de</strong>s Spiel. Reclams <strong>Kin<strong>de</strong>rtheater</strong>führer. 100 Stücke für die junge Bühne. Stuttgart 1994.<br />

Deinert, Sylvia: Das Wie zum Sprechen bringen: postdramatische Stückentwicklung im <strong>Kin<strong>de</strong>rtheater</strong>. Frankfurt/M. 2005.<br />

Diekhans, Johannes, Hg.: 99 Theater-Spiele. Übungen für die theaterpädagogische Praxis. Erarbeitet v. Barbara Müller u. Helmut<br />

Schafhausen. Pa<strong>de</strong>rborn 2003.<br />

Belgrad, Jürgen, Hg.: TheaterSpiel. Ästhetik <strong>de</strong>s Schul- und Amateurtheaters. Hohengehren 1997.<br />

Brem, Christiane: Theatererlebnisse. Mit Kin<strong>de</strong>rn Theaterstücke kreativ gestalten. Donauwörth 2005.<br />

Hoffmann, Christel / Israel, Annett, Hg.: Theater spielen mit Kin<strong>de</strong>rn und Jugendlichen - Konzepte, Metho<strong>de</strong>n und Übungen. 2. Aufl.<br />

München 2004.<br />

Krantz, Margareta: Wir spielen Geschichten. Wie Kin<strong>de</strong>r beim Theater- Spielen sich und die Welt erleben. Köln 1995.<br />

Lechthaler, Katja: Alle Kin<strong>de</strong>r spielen gern Theater. Was Kin<strong>de</strong>r beim Schauspielern erleben und lernen. Wiesba<strong>de</strong>n 2004.<br />

Lohf, Sabine: Theater - Spielbuch für Kin<strong>de</strong>r. Ravensburg 1997.<br />

Maar, Paul / Schmidt, Max, Hg.: Vorhang auf und Bühne frei! Kin<strong>de</strong>r- und Jugendtheater in Deutschland. Schriftenreihe <strong>de</strong>r Deutschen<br />

Aka<strong>de</strong>mie (10/1998).<br />

Rellstab, Felix: Handbuch Theaterspielen. 4 B<strong>de</strong>. Wä<strong>de</strong>nswill (Schweiz) 1998.<br />

Roozendahl, Walter: Theater für Kin<strong>de</strong>r. Vom Drehbuch bis zur Aufführung. Kaiser und Nachtigall. Hamburg 1988.<br />

Schnei<strong>de</strong>r, Wolfgang: <strong>Kin<strong>de</strong>rtheater</strong> nach 1968. Neorealistische Entwicklungen in <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>srepublik und West-Berlin. Köln 1984.<br />

Schnei<strong>de</strong>r, Wolfgang: Theater für Kin<strong>de</strong>r und Jugendliche. Beiträge zu Theorie und Praxis. Hil<strong>de</strong>sheim 2005.<br />

Vortisch, Stephanie: Keine Angst vor <strong>de</strong>m Theater. Werkstattbuch mit 100 Spieli<strong>de</strong>en und mehr. Neuwied 2000.<br />

Waechter, Friedrich Karl: Kunst für Kin<strong>de</strong>r. In: Die Weltwoche, Zürich 1989.<br />

Waechter, Friedrich Karl: Friedrich Karl Waechters Erzähltheater. Mit Zeichn. <strong>de</strong>s Autors. Frankfurt/M. 1997.<br />

War<strong>de</strong>tzky, Kristin / Kneschke, Gabriele, Hg.: TheaterSpielKiste. Texte und I<strong>de</strong>en zum darstellen<strong>de</strong>n Spiel für Schülerinnen und Schüler<br />

<strong>de</strong>r Klassen 5 bis 7. Berlin 1995.<br />

Spiel und Theater im Kin<strong>de</strong>rgarten<br />

Bah<strong>de</strong>, Agnes: Vorhang auf und Bühne frei! Kin<strong>de</strong>r gestalten Theaterrollen selbst. In: Kin<strong>de</strong>rgarten heute, H. 6 (1997).<br />

Berzheim, Nora: Darstellen<strong>de</strong>s Spiel im Kin<strong>de</strong>rgarten. Aus <strong>de</strong>r Praxis <strong>de</strong>r elementaren Musik- und Bewegungserziehung, Donauwörth<br />

1980.<br />

Bockhorst, Hil<strong>de</strong>gard, Hg.: Kin<strong>de</strong>r brauchen Spiel & Kunst. Bildungschancen von Anfang an – Ästhetisches Lernen in Kin<strong>de</strong>rtagesstätten.<br />

Schriftenreihe Kulturelle Bildung, Vol. 2, München 2006.<br />

Fürl, Elke: Das Theaterbuch für Kin<strong>de</strong>rgarten und Hort. Von <strong>de</strong>r ersten I<strong>de</strong>e bis zur Aufführung. Freiburg/Br. 2002.<br />

Kühn, Wilhelm: "Trau dich, etwas Neues zu probieren". Improvisationstheater mit Hortkin<strong>de</strong>rn. In: Kin<strong>de</strong>rgarten heute, Heft 5 (2002),<br />

S. 28-31.<br />

Merz, Christine: "Und ich spiel die Pechmarie". Theaterzauber. In: Kin<strong>de</strong>rgarten heute, Heft 11-12 (1999), S. 18-21.<br />

Rittersberger, Andrea: Märchen singen, tanzen und spielen. Musiktheater im Kin<strong>de</strong>rgarten. In: Kin<strong>de</strong>rgarten heute, Heft 6-7 (2005), S.<br />

20-25.<br />

Schaufelberger, Hil<strong>de</strong>gard: Kin<strong>de</strong>r brauchen Theater. In: Kin<strong>de</strong>rgarten heute, Heft 2 (1992), S. 32-38.<br />

Thiesen, Peter: Drauflosspieltheater. Ein Spiel- und I<strong>de</strong>enbuch für Kin<strong>de</strong>rgarten. Weinheim 1991.<br />

Theaterwissenschaft<br />

Balme, Christopher: Einführung in die Theaterwissenschaft. 2. überarb. Aufl. Berlin 2001.<br />

Fischer-Lichte, Erika. Semiotik <strong>de</strong>s Theaters. 3 B<strong>de</strong>. Tübingen 1983.<br />

Fischer-Lichte, Erika: Geschichte <strong>de</strong>s Dramas. Epochen <strong>de</strong>r I<strong>de</strong>ntität auf <strong>de</strong>m Theater von <strong>de</strong>r Antike bis zur Gegenwart. 2 B<strong>de</strong>.<br />

Bern/München 1990.<br />

Fischer-Lichte, Erika: Ästhetik <strong>de</strong>s Performativen. Frankfurt/M. 2004.<br />

Fischer-Lichte, Erika et al., Hg. : Metzler Lexikon Theatertheorie. Stuttgart 2005.<br />

Lehmann, Hans-Thies: Postdramatisches Theater. 2. Aufl. Frankfurt/M. 2001.<br />

Sucher, C. Bernd, Hg.: Theaterlexikon. Autoren, Regisseure, Schauspieler, Dramaturgen, Bühnenbildner und Kritiker. München 1995.<br />

Theaterpädagogik<br />

Bidlo, Tanja: Theaterpädagogik. Einführung. Essen 2006.<br />

Hentschel, Ulrike: Theaterspielen als ästhetische Bildung. Über einen Beitrag produktiven künstlerischen Gestaltens zur Selbstbildung.<br />

Weinheim 1996.<br />

Israel, Annett / Riemann, Silke, Hg.: Das an<strong>de</strong>re Publikum. Deutsches Kin<strong>de</strong>r- und Jugendtheater. Berlin 1996.<br />

Jenisch, Jakob: Der Darsteller und das Darstellen – Ich selbst als ein an<strong>de</strong>rer, Grundbegriffe für Praxis und Pädagogik. Berlin 1996.<br />

Koch, Gerd / Streisand, Marianne, Hg.: Wörterbuch <strong>de</strong>r Theaterpädagogik. Berlin 2003.<br />

Vogg, Martin. Die Kunst <strong>de</strong>s <strong>Kin<strong>de</strong>rtheater</strong>s. Analyse <strong>de</strong>s künstlerischen Potentials einer dramatischen Gattung. Frankfurt/M. 2000.<br />

62


Rollenspiel<br />

Broich, Josef: Rollenspielpraxis. Vom Interaktions- und Sprachtraining bis zur fertigen Spielvorlage. Köln 1999.<br />

Kramer, Michael: Das praktische Rollenspielbuch. Theater als Abenteuer, Rollenspiele, Spielaktionen, Spielpläne. Offenbach 1986.<br />

Puppen-, Finger-, Figurentheater, Marionetten, Schattenspiel<br />

Burkhardt, Hermann: Figurentheater und Schattenspiel. Tübingen 1987.<br />

Grünewald, Dietrich: Papiertheater. Berlin 1993.<br />

Lange, Ulrike: Das Kasperlebuch. Spielstücke für das Puppentheater. Ravensburg 2007.<br />

Lohf, Sabine: Das Finger-Theater-Buch mit <strong>de</strong>m kleinen Zauberer. Spiel- und Bastelspass für Kin<strong>de</strong>rhän<strong>de</strong>. Freiburg 2005.<br />

Nold, Wilfried: Das Spiel <strong>de</strong>r Schatten. Moers 1995.<br />

Medienwissenschaft und Theater/ -erziehung<br />

Faulstich, Werner: Einführung in die Medienwissenschaft. München 2003.<br />

Geretschlaeger, Ingrid: Kin<strong>de</strong>rmedien. Eine Berg- und Talfahrt in die Wun<strong>de</strong>rwelt. Graz 1991.<br />

Göttlich, Udo / Nieland, Jörg-Uwe / Schatz, Heribert: Komm<strong>uni</strong>kation im Wan<strong>de</strong>l. Zur Theatralität <strong>de</strong>r Medien. Köln 1998.<br />

Groeben, Norbert / Hurrelmann, Bettina, Hg.: Medienkompetenz. Voraussetzungen, Dimensionen, Funktionen. Weinheim 2002.<br />

Heidtmann, Horst: Kin<strong>de</strong>rmedien, Stuttgart 1992.<br />

Hickethier, Knut: Einführung in die Medienwissenschaft. Stuttgart 2003.<br />

Kirschner, Jürgen, Hg.: Kin<strong>de</strong>r- und Jugendtheater in <strong>de</strong>n Medien. Berlin 1998.<br />

Kohm, Roland et al.: Medienpädagogik und Medienpraxis für soziale Berufe. Lehr- und Arbeitsbuch. Bd. 2. Freiburg i. Br. 2005.<br />

Lauffer, Jürgen / Röllecke, Renate, Hg.: Metho<strong>de</strong>n und Konzepte medienpädagogischer Projekte. Handbuch 1. Bielefeld 2006.<br />

Steitz-Kallenbach, Jörg / Thiele, Jens, Hg.: Medienumbrüche. Wie Kin<strong>de</strong>r und Jugendliche mit alten und neuen Medien komm<strong>uni</strong>zieren.<br />

Ol<strong>de</strong>nburg 2002.<br />

Vollbrecht, Ralf: Einführung in die Medienpädagogik. Weinheim 2001.<br />

Improvisation, Improvisationstheater<br />

Johnstone, Keith: Theaterspiele. Berlin 1998.<br />

Lemanczyk, Klaus: <strong>Kin<strong>de</strong>rtheater</strong> - von <strong>de</strong>r Spieli<strong>de</strong>e zur Aufführung. Improvisationstheater in <strong>de</strong>r Schule. Aachen 1995.<br />

Paris, Volkhard / Bunse, Monika: Improvisationstheater mit Kin<strong>de</strong>rn und Jugendlichen. Organisation, Spielgeschichten, Spielanleitung.<br />

Reinbek 1994.<br />

Spolin, Viola: Improvisationstechniken für Pädagogik, Therapie und Theater. Pa<strong>de</strong>rborn 1993.<br />

Stücke – Sammlungen - Anleitungen<br />

Ballreich, Rudi / Zinck, Dörte, Hg.: Zirkus-Theater, Theater-Zirkus. Theaterstücke für Zirkusgruppen. Stuttgart 2000.<br />

Baumann, Evgenija A.: In meinem Schulhof sind meine Freun<strong>de</strong>, Vier kleine Theaterstücke für Grundschule und <strong>Kin<strong>de</strong>rtheater</strong>. Konstanz<br />

2003.<br />

Baumann, Evgenija A.: Dies und das macht viel Spaß! Susi kommt doch in die Schule. Kleine Theaterstücke für Grundschule und <strong>Kin<strong>de</strong>rtheater</strong><br />

für Einschulungsfeiern, Weihnachtsfeiern, Abschiedsfeiern, Sommerfeste und an<strong>de</strong>re Schulfeste. Konstanz 2003.<br />

Dähn, Christian / Kondschak, Heiner: Was ein Löwe spricht, ist wahr. Lie<strong>de</strong>r + Musik aus <strong>de</strong>m <strong>Kin<strong>de</strong>rtheater</strong>; für Kin<strong>de</strong>r ab 4 Jahre.<br />

Hamburg 1999 (MC).<br />

Deimel von Grafenstein, Barbara: Theater für Kin<strong>de</strong>r und Jugendliche II. Einakter, Kurzspiele, Spielentwürfe, Stücke mit offenem En<strong>de</strong>.<br />

München 2002.<br />

Diepmann, Rita: Tri-tra-trallala. 42 Kasperlstücke für <strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>rgarten. München 2001,<br />

Hacks, Peter: König, Kasper, Krokodil: drei Märchendramen für Kin<strong>de</strong>r. Berlin 1998.<br />

Härtling, Peter: Tante Tilli macht Theater. Weinheim 2000.<br />

Kolne<strong>de</strong>r, Wolfgang / Ludwig, Volker: Das Grips Buch. Theatergeschichten. Berlin 1994.<br />

Krause, Ingelore u. Heinz: Zaubertheater. Spielstücke für Kin<strong>de</strong>r. Velber 1987.<br />

Landa, Thomas u. Norbert: Kin<strong>de</strong>r machen Theater. Spiele und Stücke, Kostüme und Kulissen. Freiburg/Br. 1993.<br />

Lindgren, Astrid: <strong>Kin<strong>de</strong>rtheater</strong>stücke. Hamburg 1986.<br />

Maar, Paul: <strong>Kin<strong>de</strong>rtheater</strong>stücke. M. Illustrationen v. Autor u. e. Nachw. v. Manfred Jahnke. Hamburg 1984.<br />

Maar, Paul: Neue <strong>Kin<strong>de</strong>rtheater</strong>stücke. M. Illustrationen v. Autor u. e. Nachw. v. Wolfgang Schnei<strong>de</strong>r. Hamburg 1993.<br />

Preußler, Otfried: <strong>Kin<strong>de</strong>rtheater</strong>stücke. Hamburg 1985.<br />

Neuhaus, Dieter, Hg.: Arbeitstexte für <strong>de</strong>n Unterricht - Theater spielen - Anregungen, Übungen, Beispiele. Stuttgart 1993.<br />

Tiemann, Hans-Peter: Die Kusskrise. Theater mit <strong>de</strong>n Trillmichs; 13 dreiste Stücke für Kin<strong>de</strong>r und Jugendliche. Mülheim a. d. Ruhr<br />

2004.<br />

Victor, Marion, Hg.: Spielplatz 10. Kin<strong>de</strong>r spielen Theater. Fünfzehn Stücke. Frankfurt/M. 1997.<br />

Victor, Marion / Bont, Ad <strong>de</strong>, Hg.: Fünf Theaterstücke für Kin<strong>de</strong>r. Frankfurt/M. 1988.<br />

Marion Victor et al., Hg.:: Spielplatz, Bd.1, 5 Theaterstücke für Kin<strong>de</strong>r. Frankfurt/M. 2000.<br />

Psychologie – Spiel / Psychodrama<br />

Bosselmann, Rainer et al.: Variationen <strong>de</strong>s Psychodramas. Ein Praxis-Handbuch nicht nur für Psychodramatiker. Meezen 1993.<br />

Einsiedler, Wolfgang: Das Spiel <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r. Zur Pädagogik und Psychologie <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>rspiels. Bad Heilbronn 1991.<br />

Mogel, Hans: Psychologie <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>rspiels. Berlin 1994.<br />

Oerter, Rolf: Psychologie <strong>de</strong>s Spiels. Weinheim 1999.<br />

Simon, Eva: Spielmo<strong>de</strong>lle für die Grundschule. Theaterspiele mit Variationen. München 1995.<br />

63


Szenische Interpretation<br />

Abraham, Ulf: Drama, Theater, Szenisches Spiel. Praxis Deutsch. Son<strong>de</strong>rheft, 2005.<br />

Schafhausen, Helmut, Hg.: Handbuch Szenisches Lernen - Theater als Unterrichtsform. Weinheim 1995.<br />

Scheller, Ingo: Szenisches Spiel. Handbuch für die pädagogische Praxis. Berlin 1998.<br />

Scheller, Ingo: Szenische Interpretation. Theorie und Praxis eines handlungs- und erfahrungsbezogenen Literaturunterrichts. Wolfenbüttel<br />

2004.<br />

Märchen, -spiel<br />

Franz, Kurt / Kahn, Walter, Hg.: Märchen - Kin<strong>de</strong>r – Medien. Beiträge zur medialen Adaption von Märchen und zum didaktischen Umgang.<br />

Baltmannsweiler 2000.<br />

Heidtmann, Horst: "Medienadaptionen von Volksmärchen", in: Kurt Franz u. Walter Kahn (Hg.): Märchen-Kin<strong>de</strong>r-Medien. Beiträge zur<br />

medialen Adaption von Märchen und zum didaktischen Umgang, Hohengehren 2000, S. 82-97.<br />

Mrozek, Renate: Märchen-Theater für Kin<strong>de</strong>r. Gereimte Märchenspiele. (Lernmaterialien). Lichtenau-Scherzheim 1999.<br />

Roozendaal, Walter: Theater für Kin<strong>de</strong>r. Schneewittchen. Hamburg 1993.<br />

Wiltshire, Terri: Kin<strong>de</strong>r - Märchen - Theater. Erlangen 1997.<br />

Zitzlsperger, Helga. Kin<strong>de</strong>r spielen Märchen: Weinheim 1980.<br />

Zirkus - Clowntheater<br />

Rothstein von Ennsthaler, Arminio: Du wollen Clown spielen? Zirkus, Clowns, Handpuppen, Marionetten, Zaubern. Steyr 1994.<br />

Wündrich, Friedlin<strong>de</strong>: Zampazan. Zirkus- Musik- Theater für Kin<strong>de</strong>r. Frankfurt/M. 1998.<br />

Ästhetische Erziehung / Erfahrung<br />

Mattenklott, Gun<strong>de</strong>l: Grundschule <strong>de</strong>r Künste. Vorschläge zur Musisch-Ästhetischen Erziehung. Hohengehren 1998.<br />

Mattenklott, Gun<strong>de</strong>l / Rora, Constanze, Hg.: Ästhetische Erfahrung in <strong>de</strong>r Kindheit. Theoretische Grundlagen und empirische Forschung.<br />

Weinheim 2004.<br />

Merkel, Johannes: Gebil<strong>de</strong>te Kindheit. Wie die Selbstbildung von Kin<strong>de</strong>rn geför<strong>de</strong>rt wird. Handbuch <strong>de</strong>r Bildungsarbeit im Elementarbereich.<br />

Bremen 2005.<br />

Neuß, Norbert, Hg.: Ästhetik <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r. Interdisziplinäre Beiträge zur ästhetischen Erfahrung von Kin<strong>de</strong>rn. Frankfurt/M. 2000.<br />

Spinner, Kaspar H., Hg.: Synästhetische Bildung in <strong>de</strong>r Grundschule. Donauwörth 2002.<br />

Thiele, Jens / Steitz-Kallenbach, Jörg, Hg.: Handbuch Kin<strong>de</strong>rliteratur. Grundwissen für Ausbildung und Praxis. Freiburg i. Br. 2003.<br />

Welck, Karin von, Hg.: Kin<strong>de</strong>r zum Olymp! Wege zur Kultur für Kin<strong>de</strong>r und Jugendliche. Köln 2004.<br />

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Nützliche Adressen und Weblinks<br />

Allgemein zum Theater<br />

Deutsches Theaterverzeichnis: http://www.theaterverzeichnis.<strong>de</strong>/<br />

Theaterportal - Service für Ihren Theaterbesuch: http://www.theaterportal.<strong>de</strong>/<br />

THEATERheute - Das führen<strong>de</strong> Fachmagazin <strong>de</strong>r Theaterwelt: http://www.theaterheute.<strong>de</strong>/<br />

Rezensionen, Neuigkeiten etc.: http://www.nachtkritik.<strong>de</strong>/in<strong>de</strong>x<br />

seit Mai 2007 überregionales und unabhängiges Theaterfeuilleton, das nach wichtigen Premieren im <strong>de</strong>utschsprachigen Raum bereits<br />

am nächsten Morgen die Kritik dazu ins Internet stellt. Am Folgetag fasst nachtkritik.<strong>de</strong> auch Rezensionen regionaler und<br />

überregionaler Feuilletons in einer Kritikenrundschau zusammen. Außer<strong>de</strong>m sind auf nachtkritik.<strong>de</strong> aktuelle Kommentare, Porträts<br />

und Essays zu lesen. Alle Kritiken können (und sollen) kommentiert wer<strong>de</strong>n.<br />

Deutscher Bühnenverein | Bun<strong>de</strong>sverband <strong>de</strong>r Theater und Orchester: http://www.buehnenverein.<strong>de</strong>/<br />

Der 1846 gegrün<strong>de</strong>te Bun<strong>de</strong>sverband bietet aktuelle Daten, Adressen und Links aller <strong>de</strong>utschen Theater und informiert über seine<br />

kulturpolitische Position.<br />

Theaterkanal: http://www.theaterkanal.<strong>de</strong>/<br />

Theaterparadies Deutschland: http://www.theaterparadies-<strong>de</strong>utschland.<strong>de</strong>/<br />

Kin<strong>de</strong>r-, Jugend-, Schultheater<br />

Bun<strong>de</strong>sverband Darstellen<strong>de</strong>s Spiel e.V.: http://www.bvds.org/<br />

Zusammenschluss <strong>de</strong>r Lan<strong>de</strong>sarbeitsgemeinschaften für Darstellen<strong>de</strong>s Spiel und Schultheater. Forum für Theater- und Spielpädagogik,<br />

Rahmenrichtlinien und Lehrpläne, Interessenvertretung, Schultheater <strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r<br />

Kin<strong>de</strong>r- & Jugendtheaterzentrum <strong>de</strong>r BRD: www.kitz.<strong>de</strong><br />

Theaterpädagogisches Netzwerk: http://buehnenfieber.<strong>de</strong>/<br />

Theater spielen: http://www.theaternordwest.<strong>de</strong>/<br />

Theaterportal: http://www.theaterundschule.net/<br />

Das Portal zum Kin<strong>de</strong>r- und Jugendtheater für Aktive und Interessierte: http://jugendtheater.net/<br />

Kin<strong>de</strong>rgartenpädagogik: http://www.kin<strong>de</strong>rgartenpaedagogik.<strong>de</strong>/418.html<br />

Zum Rollenspiel: http://home.arcor.<strong>de</strong>/al/alexmh/anja/kiga/dasrollenspielimkin<strong>de</strong>rgarten.htm<br />

theater und schule berlin: tusch: http://www.tusch-berlin.<strong>de</strong>/archiv.html<br />

Ermöglicht einen lebendigen Austausch zwischen Schüler-/innen und Theaterleuten.<br />

Deutscher Theaterverlag, Postfach 10 02 61. 69469 Weinheim, Tel. (0 62 01) 5 10 61<br />

Buchner Theaterverlag, Buchenstr. 4 , 82152 Krailling, Tel. (0 89) 7 57 18 38<br />

Karl Mahnke Theaterverlag, Große Str. 108, 27283 Ver<strong>de</strong>n/Aller, Tel. (0 42 31) 26 31<br />

Kallmeyer’scher Verlag, Niels-Stensen-Str. 10, 19053 Schwerin<br />

Materialien (z.B. historische Einordnung, Zusatzinformationen) und Literaturhinweise:<br />

Bun<strong>de</strong>szentrale für politische Bildung (bpb): www.bpb.<strong>de</strong>/publikationen<br />

Adressen von Theaterverlagen<br />

Adressen (für Informationen und Materialien)<br />

ASSITEJ (Association Internationale <strong>de</strong> Théâtre pour l'Enfance et la Jeunesse); Dachverband für das professionelle Kin<strong>de</strong>r- und Jugendtheater:<br />

- ASSITEJ Austria, Burggasse 28-32, A-1070 Wien, Tel. 0043/1/523172940, Fax 0043/1/523172990<br />

- ASSITEJ Deutschland, Schützenstr. 12, 60311 Frankfurt/M., Tel. 00049/69/291538, Fax 0049/69/292354<br />

- A.S.T.E.J. (Schweiz), Gessnerallee 13, CH-8001 Zürich, Tel. 0041/1/2261919, Fax 0041/1/2261918<br />

Kin<strong>de</strong>r- und Jugendtheaterzentrum in <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland (mit ASSITEJArchiv), Schützenstr. 12, 60311 Frankfurt/M., Tel.<br />

069/296661, Fax 069/292354<br />

Deutsche Theaterjugend im Bund Deutscher Amateurtheater: Steinheimer Str. 7/1, 89518 Hei<strong>de</strong>nheim, Tel. 07321/48300, Fax<br />

07321/48341<br />

Dachverband von 400 Kin<strong>de</strong>r- und/o<strong>de</strong>r Jugendtheatergruppen<br />

Verband Deutscher Puppentheater, VDP, Moorweg 1, D-21377 Lüneburg, Tel. u. Fax: 04131/84415<br />

Dachverband von 132 professionellen Figurentheatern<br />

Lan<strong>de</strong>sarbeitsgemeinschaft für das Darstellen<strong>de</strong> Spiel in <strong>de</strong>r Schule Bremen e.V. (LAG), die Interessenvertretung <strong>de</strong>r Bremer Theaterlehrerinnen<br />

und -lehrer: http://www.lagds-<strong>bremen</strong>.<strong>de</strong>/cms/lag/positonen_kin<strong>de</strong>rspielen_theater.php<br />

Projekt „Theater und Schule“ (TuSch) Berlin, Hamburg: http://www.tusch-berlin.<strong>de</strong>/<br />

Viele Spieli<strong>de</strong>en: http://www.praxis-jugendarbeit.<strong>de</strong>/spiele-sammlung.html<br />

Bun<strong>de</strong>sverband Theaterpädagogik: http://www.butinfo.<strong>de</strong>/<br />

Theater von Anfang an – ein Projekt <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>r- und Jugendtheaterzentrums: http://www.theatervonanfangan.<strong>de</strong><br />

IXYPSILONZETT. Magazin für Kin<strong>de</strong>r- und Jugendtheater<br />

Kulturelle Bildung im Medienzeitalter (kubim): http://www.lehrer-online.<strong>de</strong>/url/kubim<br />

(Im Rahmen <strong>de</strong>r Kooperation mit <strong>de</strong>m BLK-Programm "kubim" veröffentlicht durch Lehrer-Online)<br />

KINDER ZUM OLYMP! ist die Jugendinitiative <strong>de</strong>r Kulturstiftung <strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r: http://www.kin<strong>de</strong>r-zum-olymp.<strong>de</strong>/<br />

Tanztheater<br />

Institution für Theater- und Tanzpädagogik, tanz- und theaterpädagogische Fortbildungen im Raum Düsseldorf: www.off-theater.<strong>de</strong><br />

Tanztheatergruppe Layout: Die Tanztheatergruppe unter <strong>de</strong>r Leitung von Bea Blell und Ihre Produktionen: www.mo<strong>de</strong>rnestanztheater.<strong>de</strong><br />

Spiel und Theaterwerkstatt Frankfurt: www.s-t-werkstatt-ffm.<strong>de</strong><br />

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