die brücke zwiSchen klinik und ForSchung - MDC
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imdc 04<br />
<strong>MDC</strong>-Magazin märz | 2013<br />
Deutsch<br />
Titelthema<br />
Die Brücke<br />
zwischen<br />
Klinik <strong>und</strong><br />
Forschung<br />
Mehr zum Titelthema Verschiedene Blickwinkel, ein Ziel | Systemmedizin im Fokus<br />
Standpunkt Berlin oder Boston Forschung Der Fall des kurzfingrigen Musketiers |<br />
Dem Geheimnis der Regeneration auf der Spur | „Esprit d‘echange“ | Highlight Paper<br />
Einblicke Herzlichen Glückwunsch <strong>MDC</strong> | Am Puls der Wissenschaft | Kairo, <strong>die</strong> Stadt,<br />
<strong>die</strong> niemals schläft | Mein Passahfest Max Die „Doktoranden-Seelsorger“ | „Hör auf<br />
dein Herz!“ Campus „Praktikant verschollen. Droht Magnet-Chaos“
impressum<br />
Herausgeber<br />
Wissenschaftlicher Vorstand <strong>und</strong><br />
Stiftungsvorstand des Max-Delbrück-Centrums<br />
für Molekulare Medizin (<strong>MDC</strong>)<br />
Professor Dr. Walter Rosenthal<br />
Robert-Rössle-Str. 10, 13125 Berlin-Buch<br />
Chefredaktion<br />
Josef Zens (jz), Maimona Id, Stellvertr. (Id),<br />
<strong>MDC</strong>, Abt. Kommunikation<br />
Robert-Rössle-Str. 10, 13125 Berlin<br />
i<strong>MDC</strong>@mdc-berlin.de<br />
Redaktion Russ Hodge (rh), Vera Glaßer (vg)<br />
Autoren Klaus Rajewsky, Emanuel Wyler,<br />
Michael Hinz, Lucy Patterson, Oksana Seumenicht,<br />
Alexander Loewer, Inbal Ipenberg, Nadine Richter,<br />
Cornelia Hainer, Nuria Cerdá-Esteban,<br />
Kristin Petzold<br />
Übersetzung Lynda Lich-Knight,<br />
Russ Hodge, Dietmar Zimmer, Timkehet Teffera<br />
Titelfoto David Ausserhofer<br />
Korrektorat Kirstin Müller, Michaela Langer<br />
Gestaltung a1grafik, Berlin<br />
Herstellung Druckerei Conrad GmbH<br />
Breitenbachstraße 34-36, 13509 Berlin<br />
Paper: ProfiBulk, (FSC certified)<br />
Auflage 1.500<br />
Copyright Nachdruck nur mit Genehmigung<br />
der Redaktion sowie Angabe der Quelle.<br />
Belegexemplar wird erbeten.<br />
ISSN 2192-6956<br />
2 imdc04 2013
Editorial<br />
Liebe Leserinnen, liebe Leser,<br />
exzellente Forschungsbedingungen wie am <strong>MDC</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> Sicherheit, sich<br />
ganz auf seine Arbeit konzentrieren zu können, sind nicht für jeden Wissenschaftler<br />
eine Selbstverständlichkeit. In unserem Alumni-Portrait auf der<br />
Seite 45 lässt Ahmet Abdelaziz anklingen, wie schwierig es ist, während des<br />
Arabischen Frühlings in Ägypten zu forschen.<br />
Apropos Ägypten: Nachdem <strong>die</strong> PhD-Studentin Douaa Mugahid per Email<br />
über das islamische Opferfest informiert hatte, erhielt sie großen Zuspruch,<br />
<strong>und</strong> wir wollen ihre Initiative aufgreifen. In einer losen Serie informieren wir<br />
Sie künftig über <strong>die</strong> kulturelle Vielfalt am <strong>MDC</strong>. Den Anfang macht Inbal<br />
Ipenberg mit einer persönlichen Betrachtung des jüdischen Pessach-Festes<br />
(S. 54). Um eine andere Art von Kulturunterschieden geht es in unserem<br />
Titelthema „Die Brücke zwischen Klinik <strong>und</strong> Forschung“ ab Seite 8. Wie<br />
könnte <strong>die</strong> Arbeit im Berlin Institute of Health (BIH) aussehen Was ändert<br />
sich für Sie Wir haben einige Antworten für Sie zusammengestellt.<br />
Nicht zuletzt am imdc hat sich etwas geändert: Es gibt eine neue Redakteurin<br />
(siehe Foto) <strong>und</strong> ein neues Layout. Auf vielfachen Wunsch haben wir<br />
unser Magazin jetzt als deutsch-englisches Wendeheft gestaltet. Künftig wird<br />
<strong>die</strong> Forschung am <strong>MDC</strong> in einer eigenen Rubrik vertreten sein. Themen r<strong>und</strong>um<br />
den <strong>MDC</strong>-Nachwuchs im PhD-Studium oder in der Berufsausbildung finden Sie<br />
ab jetzt unter der Rubrik „Max“.<br />
Geblieben ist unser Anspruch, verlässliche Informationen, spannende<br />
Geschichten r<strong>und</strong>um das <strong>MDC</strong> <strong>und</strong> den Campus Buch zu liefern – wie zum<br />
Beispiel unsere große Jubiläumsfeier zum 20-jährigen Bestehen. Am Spaß <strong>und</strong><br />
Erfolg Ihrer täglichen Arbeit, aber auch an den Herausforderungen, <strong>die</strong> wir<br />
auf dem Campus gemeinsam angehen, wollen wir mit dem imdc weiterhin<br />
nah dran sein. Dabei brauchen wir Ihre Hilfe: Versorgen Sie uns mit Ideen<br />
<strong>und</strong> Themen, <strong>die</strong> Sie bewegen!<br />
Viel Spaß beim Lesen wünschen Ihnen<br />
Maimona Id <strong>und</strong> Josef Zens<br />
imdc04 2013<br />
3
Inhalt<br />
08<br />
Das BIH – Die Brücke zwischen Klinik <strong>und</strong> Forschung –<br />
Zusammenarbeit von Medizin <strong>und</strong> Naturwissenschaft<br />
20<br />
Auf der Suche nach Alternativen zur<br />
embryonalen Stammzelltherapie<br />
Titelthema<br />
Forschung<br />
08<br />
Verschiedene Blickwinkel, ein Ziel<br />
16<br />
Klein, aber oho<br />
12<br />
Die Brücke zwischen Klinik<br />
19<br />
Esprit d'échange<br />
<strong>und</strong> Forschung<br />
20<br />
Dem Geheimnis der Rege-<br />
15<br />
Systemmedizin im Fokus<br />
neration auf der Spur<br />
23<br />
Highlight Paper: Neues<br />
Angriffsziel gegen Hirntumore<br />
26<br />
Der Fall des kurzfingrigen<br />
Musketiers<br />
29<br />
Von Mäusen <strong>und</strong> Modellen<br />
31<br />
Das Immunsystem als Partner<br />
im Kampf gegen Krebs<br />
32<br />
News<br />
34<br />
Bilderwettbewerb 2012<br />
4 imdc04 2013
46 60 64<br />
Am Puls der Wissenschaft –Das<br />
Lehrerfortbildungsprogramm LTL<br />
Seelsorge für Doktoranden – <strong>die</strong><br />
neue Ombudsfrau des <strong>MDC</strong><br />
Comic Kunst am Bau erzählt<br />
erstaunliche Geschichte<br />
Einblicke<br />
MaX<br />
Campus<br />
36<br />
Herzlichen Glückwunsch <strong>MDC</strong><br />
60<br />
Die „Doktoranden-Seelsorger”<br />
64<br />
„Praktikant verschollen.<br />
40<br />
20 Jahre Wissenschaft<br />
62<br />
„Hör auf dein Herz!”<br />
Droht Magnet-Chaos”<br />
42<br />
20 Jahre <strong>MDC</strong> – Teil 2<br />
44<br />
LinkedIn ist gut,<br />
persönlich ist besser<br />
45<br />
Kairo, <strong>die</strong> Stadt, <strong>die</strong><br />
niemals schläft<br />
46<br />
Am Puls der Wissenschaft<br />
49<br />
Immer ein offenes Ohr<br />
50<br />
Starke Partner aus China<br />
52<br />
Nur Fliegen ist schöner<br />
53<br />
Politik trifft Wissenschaft<br />
54<br />
Mein Passahfest<br />
56<br />
Oh, Du Fröhliche<br />
57<br />
Kurz <strong>und</strong> bündig<br />
58<br />
Forscherferiencamp<br />
imdc04 2013<br />
5
Standpunkt<br />
berlin<br />
oder<br />
Boston<br />
B0ston<br />
oder<br />
Boston Von 2001 bis 2010<br />
arbeitete ich an der Harvard Universität<br />
in Boston. Dort waren <strong>die</strong> meisten<br />
meiner Mitarbeiter Postdoktoranden.<br />
Sie kamen aus vielen Teilen der Welt,<br />
den USA, Europa <strong>und</strong> Russland, <strong>und</strong><br />
zunehmend aus Asien, Ländern wie In<strong>die</strong>n<br />
<strong>und</strong> China. Die chinesischen Postdoktoranden<br />
kamen manchmal direkt<br />
aus China zu uns, aber meistens hatten<br />
sie schon an einer US Universität<br />
doktoriert. Diese jungen Wissenschaftler<br />
hatten sich in härtester Konkurrenz<br />
qualifizieren müssen – als wenige von<br />
Tausenden waren sie an einer der chinesischen<br />
Spitzenuniversitäten akzeptiert<br />
worden, <strong>und</strong> dem war eine zweite<br />
Selektionsr<strong>und</strong>e zur Aufnahme ins<br />
Graduiertenprogramm einer amerikanischen<br />
Universität gefolgt.<br />
Der Traum aller <strong>die</strong>ser jungen Leute<br />
war <strong>und</strong> ist Postdoktorand an einer der<br />
amerikanischen Spitzenuniversitäten<br />
zu werden: Die USA sind klar das wissenschaftliche<br />
Schwergewicht Nummer<br />
eins in der Welt, amerikanisches Englisch<br />
ist <strong>die</strong> Weltwissenschaftssprache,<br />
<strong>und</strong> <strong>die</strong> multikulturelle US-amerikanische<br />
Gesellschaft bietet jedermann<br />
volle Mitwirkungs- <strong>und</strong> Entfaltungsmöglichkeiten.<br />
So ist für junge Emigranten<br />
<strong>die</strong> “Naturalisierung” eine realistische<br />
Zukunftsperspektive, wenn <strong>die</strong><br />
Die Sprache Englisch ist an deutschen Wissenschaftsstandorten<br />
nicht in allen Bereichen etabliert. Das kostet<br />
uns gute Postdocs, <strong>die</strong> lieber in das englischsprachige<br />
Ausland gehen, findet Senior Scientist Klaus<br />
Rajewsky. Was <strong>die</strong> Attraktivität für Nachwuchswissenschaftler<br />
angeht, hat für Postdoc Emanuel Wyler in<br />
vielen Dingen Berlin <strong>die</strong> Nase vorn.<br />
Rückkehr in ihr jeweiliges<br />
Heimatland sich<br />
schwierig gestaltet.<br />
Natürlich ist<br />
<strong>und</strong> bleibt wissenschaftliche<br />
Exzellenz<br />
das Hauptkriterium,<br />
nach dem<br />
erstklassige Postdoktoranden<br />
ihr Gastlabor<br />
auswählen, <strong>und</strong> Konkurrenz<br />
für <strong>die</strong> besten Postdoktoranden<br />
gibt es überall, in den USA<br />
so gut wie in Deutschland <strong>und</strong> Europa.<br />
Aber es ist auch klar, dass für uns<br />
hier <strong>die</strong> Lage schwieriger ist, einfach<br />
deswegen weil das von uns angebotene<br />
Umfeld für junge ausländische Wissenschaftler,<br />
besonders solche von anderen<br />
Kontinenten, nicht an der Spitze<br />
der Wunschliste steht: Die Integration<br />
von Ausländern ist kein natürliches<br />
Element unserer Kultur, <strong>und</strong> <strong>die</strong> für<br />
Wissenschaftler notwendige Kommunikation<br />
auf Englisch, nicht Deutsch,<br />
verschärft <strong>die</strong>ses Problem. Selbst in<br />
unseren wissenschaftlichen <strong>und</strong> akademischen<br />
Institutionen, ganz abgesehen<br />
von öffentlichen Verwaltungen<br />
wie Bürgerämtern, haben wir es nicht<br />
geschafft, Englisch als Arbeitssprache<br />
auf allen Ebenen voll zu etablieren.<br />
Um <strong>die</strong> besten jungen<br />
Talente so effizient<br />
an uns zu ziehen<br />
wie <strong>die</strong> USA<br />
es tun, werden wir<br />
uns so öffnen müssen,<br />
dass <strong>die</strong> jungen<br />
ausländischen Wissenschaftler<br />
unser Land<br />
wahrnehmen als einen<br />
Ort, an dem sich leicht<br />
kommunizieren lässt <strong>und</strong> wo man<br />
als akzeptiertes <strong>und</strong> geschätztes Mitglied<br />
der Gesellschaft leben <strong>und</strong> reüssieren<br />
kann. Wie wäre es hier am<br />
<strong>MDC</strong> mit einem nächsten Schritt in<br />
<strong>die</strong>se Richtung, indem wir eine voll<br />
zweisprachliche Infrastruktur implementieren<br />
Klaus Rajewsky<br />
6 imdc04 2013
Berlin<br />
Boston<br />
oder<br />
berlin<br />
Berlin<br />
ist nicht Boston.<br />
Die dortige<br />
Dichte <strong>und</strong><br />
Qualität der Forschungseinrichtungen<br />
r<strong>und</strong> um<br />
<strong>die</strong> Harvard Medical<br />
School, das MIT<br />
oder andere ist in den<br />
USA <strong>und</strong> international unerreicht.<br />
Und das wird auch noch<br />
eine Weile so bleiben. Das bedeutet<br />
aber nicht, dass Berlin resignieren <strong>und</strong><br />
seine Ambitionen auf Forschungsweltspitze<br />
begraben sollte. In Berlin können<br />
genauso wie in Boston brillante<br />
Köpfe angelockt werden, wenn auch<br />
mit anderen Qualitäten.<br />
Englisch ist <strong>und</strong> bleibt <strong>die</strong> weltweite<br />
„lingua franca“, <strong>und</strong> so sind<br />
<strong>die</strong> klassischen Einwanderungsländer<br />
England <strong>und</strong> USA einfacher zugänglich<br />
als viele deutsche Städte. Trotzdem,<br />
Berlin gilt als der derzeitige europäische<br />
„melting pot“ schlechthin:<br />
<strong>die</strong> Zuwanderung gerade junger Menschen<br />
aus aller Welt nimmt stetig zu.<br />
Die internationale, dynamische Metropole<br />
mit ihrer hohen Lebensqualität,<br />
einem reichhaltigen kulturellen<br />
Leben <strong>und</strong> günstigen<br />
Mieten lockt begabte Wissenschaftlerinnen<br />
<strong>und</strong><br />
Wissenschaftler mit<br />
vielseitigen Interessen<br />
an, <strong>die</strong> sich in einem<br />
abgeschlossenen<br />
Campus in einer<br />
Kleinstadt kaum wohl<br />
fühlen würden. Postdocs<br />
sind zudem in einem Alter,<br />
in dem man eine Familie<br />
gründet. Während in den USA<br />
Kinderbetreuung sehr kostspielig werden<br />
kann, bekommt man sie hier fast<br />
zum Nulltarif. Vor allem für Frauen ist<br />
das entscheidend für eine Karriere in<br />
der Forschung. Wegen fehlender Kindergärten<br />
auf begabte Forscherinnen<br />
verzichten zu müssen, ist schlicht eine<br />
Verschwendung von Talent.<br />
Die Möglichkeit, eine Doktorarbeit<br />
Berlin<br />
in drei bis vier Jahren abzuschließen,<br />
macht Deutschland beispielsweise bei<br />
Stu<strong>die</strong>renden aus asiatischen Ländern<br />
gegenüber den USA attraktiv. Zudem<br />
besteht eine relativ hohe Sicherheit,<br />
dass der Lohn bis zum Ende der Dissertation<br />
gezahlt wird, da <strong>die</strong> Abhängigkeit<br />
von Stipen<strong>die</strong>n kleiner ist. Gerade<br />
das <strong>MDC</strong> steht hier in Kombination<br />
mit dem Publizierbonus gut da. Und<br />
kaum jemand hier schließt seine Doktorarbeit<br />
mit einem Schuldenberg ab,<br />
wie es in angelsächsischen Ländern<br />
durchaus vorkommen kann.<br />
Es gibt noch viel zu tun, um<br />
deutsche Institute an der Weltspitze<br />
zu etablieren. Da geht es nicht<br />
nur darum, Spitzenforschung zu betreiben<br />
<strong>und</strong> gut zu publizieren. Die<br />
Abwesenheit eines Mittelbaus <strong>und</strong><br />
damit von Perspektiven in der akademischen<br />
Forschung ohne eine Professur<br />
schwächt den Wissenschaftsstandort<br />
Deutschland. Auch eine stärkere<br />
Internationalisierung würde vielerorts<br />
gut tun. Das Wichtigste im Kampf um<br />
Spitzenplätze in der Forschung <strong>und</strong><br />
um wissenschaftliche Talente bleibt<br />
aber, selbstbewusst <strong>die</strong> eigenen Stärken<br />
zu erhalten <strong>und</strong> auszubauen. Mit<br />
Nachahmung kommt man in der Wissenschaft<br />
bekanntlich kaum auf einen<br />
grünen Zweig! Emanuel Wyler<br />
imdc04 2013<br />
7
Titelthema<br />
Titelthema<br />
Verschiedene<br />
Blickwinkel –<br />
ein Ziel<br />
Text Maimona Id Fotos David Ausserhofer<br />
Im Berlin Institute<br />
of Health (BIH) soll<br />
<strong>die</strong> Zusammenarbeit<br />
von Naturwissenschaftlern<br />
<strong>und</strong> Medizinern<br />
auf eine neue Stufe<br />
gestellt werden.<br />
Für das imdc ein<br />
Anlass, <strong>die</strong> verschiedenen<br />
Kulturen<br />
zu erforschen.<br />
Mit dem kuriosen Ausdruck ‚Sturzkampfbombergeräusch‘<br />
konnte<br />
Verena Schöwel als Medizinstudentin<br />
noch herzlich wenig anfangen.<br />
„Das war der absolute Running Gag.<br />
Wir fragten uns, wofür wir das eigentlich<br />
lernen müssen“, erinnert sie sich.<br />
Heute weiß sie wofür. In der Ambulanz<br />
hört sie das sogenannte ‚Sturzkampfbombergeräusch‘<br />
oft, nämlich<br />
bei der elektronischen Messung einer<br />
gestörten Muskelaktivität. Ein Indiz<br />
für eine der seltenen unheilbaren<br />
Krankheiten, mit denen sich Verena<br />
Schöwel am Campus Buch beschäftigt.<br />
In der Abteilung „Muskelforschung<br />
mit Hochschulambulanz für Muskelkrankheiten“,<br />
geleitet von Professorin<br />
Simone Spuler, sind ambulante Patientenbetreuung<br />
<strong>und</strong> Forschung eng<br />
miteinander verzahnt. Sie gehört zum<br />
Experimental and Clinical Research<br />
Center (ECRC), einer gemeinsamen Einrichtung<br />
von <strong>MDC</strong> <strong>und</strong> Charité. Hier arbeiten<br />
Gr<strong>und</strong>lagenwissenschaftler <strong>und</strong><br />
klinische Forscher wie Verena Schöwel<br />
gemeinsam an neuen Ansätzen für<br />
<strong>die</strong> Diagnose, Prävention <strong>und</strong> Therapie<br />
von Herz-Kreislauf- <strong>und</strong> Stoffwechselkrankheiten,<br />
Krebs <strong>und</strong> neurologischen<br />
Erkrankungen. In <strong>die</strong> Hochschulambulanz<br />
für Muskelkrankheiten kommen<br />
oftmals Patienten, <strong>die</strong> verzweifelt<br />
sind, weil sich für ihre Beschwerden<br />
bisher keine Diagnose finden ließ. Für<br />
<strong>die</strong>se Menschen <strong>die</strong> richtige Diagnose<br />
zu stellen, das ist es, was Verena<br />
Schöwel reizt an ihrem Beruf. Der jungen<br />
Medizinerin geht es nicht primär<br />
um heilen, sondern darum, einen eindeutigen<br />
Bef<strong>und</strong> zu erheben, damit<br />
ihre Patienten möglichst schnell von<br />
modernen Forschungsergebnissen profitieren.<br />
„Es ist sicherlich ein hehrer<br />
Wunsch, Menschen ges<strong>und</strong> zu machen,<br />
aber dafür habe ich schon zu viele unheilbare<br />
Krankheiten gesehen“, sagt<br />
sie. Ihr Ziel ist es, mit analytischem<br />
Ansatz eine Erkrankung wissenschaftlich<br />
zu entschlüsseln. Ein Gr<strong>und</strong>, warum<br />
<strong>die</strong> Ärztin in <strong>die</strong> Forschung gegangen<br />
ist.<br />
Motivation durch<br />
Patientenkontakt<br />
Einen ähnlichen Beweggr<strong>und</strong> hat<br />
auch Philipp Maass. Der Molekularbiologe<br />
arbeitet am <strong>MDC</strong> <strong>und</strong> im ECRC. In<br />
der Arbeitsgruppe Genetik <strong>und</strong> Pathophysiologie<br />
des Herzkreislaufsystems<br />
ist er der Genregulation <strong>und</strong> Skelettentwicklung<br />
auf der Spur. Für Philipp<br />
Maass war von Anfang an klar, dass<br />
Bei Ärztin Verena Schöwel fühlt sich<br />
Patientin Olivia L. gut aufgehoben.<br />
8 imdc04 2013
Titelthema<br />
Wissenschaftler Philipp Maass (hier mit TA Irene Hollfinger) hat nach<br />
wie vor viel Spaß an praktischer Laborarbeit, auch wenn er mittlerweile<br />
wegen Drittmittelakquise viel Zeit am Schreibtisch verbringt.<br />
er in <strong>die</strong> humanbasierte klinische Forschung<br />
gehen wollte. „Die Vorstellung,<br />
eine Krankheit aufzuklären <strong>und</strong><br />
im Idealfall auch noch Patienten zu<br />
helfen, motiviert mich sehr.“ Sein Chef<br />
Professor Friedrich Luft, seit 2007 der<br />
Direktor des ECRC, gehört zu den Pionieren,<br />
<strong>die</strong> <strong>die</strong> translationale Medizin<br />
auf dem Campus in den 90iger Jahren<br />
etabliert haben. Mit ihm arbeitet<br />
Philipp Maass unter anderem an einem<br />
Forschungsprojekt, das <strong>die</strong> Erberkrankung<br />
einer weit verzweigten türkischen<br />
Familie zum Gegenstand hat. Sie<br />
entdeckten, dass eine bestimmte Region<br />
auf Chromosom 12 Bluthochdruck<br />
auslöst <strong>und</strong> mit verkürzten Fingern<br />
<strong>und</strong> Zehen einhergeht (Artikel S. 26).<br />
Vor drei Jahren reiste Philipp Maass<br />
mit klinischen Forschern nach Ostanatolien,<br />
um den Patienten vor Ort neue<br />
Proben zu entnehmen. Ein prägendes<br />
Erlebnis, da ein direkter Patientenkontakt<br />
für einen Naturwissenschaftler<br />
eher ungewöhnlich ist. „Jahrelang<br />
hatte ich namenlose Proben verarbeitet,<br />
nun konnte ich einen anderen<br />
Bezug zur Erkrankung herstellen.<br />
Meine Motivation ist dadurch noch gestiegen“,<br />
erzählt er begeistert.<br />
„Forschung ist auf<br />
jeden Fall ein hartes<br />
Geschäft …”<br />
Für ihr Forschungsprojekt etablierte<br />
Ärztin Verena Schöwel ein Mausmodell.<br />
Eine Herausforderung für <strong>die</strong><br />
Ärztin. Das Medizinstudium <strong>und</strong> ihre<br />
Ausbildung hatten sie auf <strong>die</strong> Anforderungen<br />
in der Wissenschaft nicht<br />
ausreichend vorbereitet. „Da sind viel<br />
Schweiß <strong>und</strong> Tränen geflossen“, erzählt<br />
sie. Mittlerweile fühlt sie sich im Labor<br />
mehr zuhause als im Krankenhaus.<br />
„Forschung ist sehr spannend <strong>und</strong> intellektuell<br />
fordernd, insbesondere für<br />
uns Ärzte. Wir müssen uns täglich<br />
mit den anderen Fachrichtungen messen“,<br />
betont sie. Drei bis vier Jahre habe<br />
sie gebraucht, um in der Forschung<br />
Fuß zu fassen <strong>und</strong> auf Augenhöhe mit<br />
den Kollegen aus der Gr<strong>und</strong>lagenforschung<br />
diskutieren zu können. Aufgefallen<br />
sind ihr dabei <strong>die</strong> unterschiedlichen<br />
Ansätze <strong>und</strong> Denkweisen von<br />
Ärzten <strong>und</strong> Naturwissenschaftlern. „Es<br />
gibt das Klischee, dass Gr<strong>und</strong>lagenforscher<br />
häufig übergenau <strong>und</strong> detailverliebt<br />
sind“, stellt sie verschmitzt fest.<br />
Das findet sie jedoch gut. „Denn <strong>die</strong>se<br />
Präzision <strong>und</strong> das permanente Hinterfragen<br />
sind <strong>die</strong> Eigenschaften, <strong>die</strong><br />
in der Forschung zählen.“ Über sich<br />
selbst hat sie auch einiges gelernt. „In<br />
der Forschung benötigt man eine hohe<br />
imdc04 2013<br />
9
Titelthema<br />
Frustrationstoleranz. Zu Beginn meiner<br />
Forschungstätigkeit war ich schnell<br />
enttäuscht, wenn ich viel Arbeit investiert<br />
hatte <strong>und</strong> ein negatives Ergebnis<br />
dabei herauskam.“<br />
Philipp Maass kommt das bekannt<br />
vor. Auch wenn er es nicht verallgemeinern<br />
möchte, findet er, dass Ärzte<br />
im Labor oft nicht fokussiert genug<br />
sind <strong>und</strong> in ihrer Ausbildung<br />
nicht ausreichend auf naturwissenschaftliches<br />
Arbeiten vorbereitet werden.<br />
„Ich treffe oft auf <strong>die</strong> Vorstellung,<br />
dass ein Experiment ausreicht,<br />
um ein Projekt innerhalb kürzester<br />
Zeit publizieren zu können. Das ist utopisch“,<br />
sagt der Wissenschaftler. In der<br />
Gr<strong>und</strong>lagenforschung sieht er oft das<br />
andere Extrem. „Die Kollegen beißen<br />
sich manchmal regelrecht fest an einem<br />
Thema <strong>und</strong> verrennen sich nicht<br />
selten“, sagt er. „Forschung ist auf jeden<br />
Fall ein hartes Geschäft <strong>und</strong> ein<br />
sehr Einsames dazu“, resümiert Verena<br />
Schöwel. Der Konkurrenzdruck um <strong>die</strong><br />
begehrten Fördermittel <strong>und</strong> <strong>die</strong> damit<br />
verb<strong>und</strong>ene Einzelkämpfermentalität<br />
seien <strong>die</strong> weniger schönen Seiten in der<br />
Wissenschaft. Bisher hat sich <strong>die</strong> Arbeit<br />
für sie gelohnt. In Fachzeitschriften<br />
wie PLOS ONE <strong>und</strong> Traffic konnte<br />
sie bereits Artikel veröffentlichen.<br />
Perspektiven schaffen<br />
für klinische Forscher<br />
Von der Vorstellung, parallel in der<br />
Klinik <strong>und</strong> im Labor arbeiten zu können,<br />
verabschiedete sich Verena Schöwel<br />
schnell. Damit sie sich ganz auf<br />
<strong>die</strong> Wissenschaft konzentrieren konnte,<br />
nahm sich <strong>die</strong> Mutter eines achtmonatigen<br />
Säuglings vor drei Jahren<br />
eine Auszeit von der Krankenstation.<br />
Sie bewarb sich auf einen Platz im Klinischen<br />
Ausbildungsprogramm (KAP)<br />
des ECRC. Das zweijährige Programm<br />
richtet sich an promovierte Ärztinnen<br />
<strong>und</strong> Ärzte der Charité, <strong>die</strong> eine wissenschaftliche<br />
Karriere anstreben.<br />
In einer <strong>MDC</strong>-Arbeitsgruppe erhalten<br />
sie das nötige Rüstzeug, um selbstständig<br />
zu forschen, Publikationen <strong>und</strong><br />
Drittmittelanträge zu verfassen sowie<br />
eine eigene Arbeitsgruppe zu gründen.<br />
Regelmäßig evaluiert werden sie dabei<br />
von Gr<strong>und</strong>lagenforschern. „Die Rekrutierung<br />
der Patienten, deren Diagnose<br />
<strong>und</strong> <strong>die</strong> Gewinnung von Probenmaterial<br />
für klinische Forschungsprojekte brauchen<br />
Zeit. Für <strong>die</strong> Etablierung eines erfolgreichen<br />
wissenschaftlichen Projektes<br />
mit klinischem Hintergr<strong>und</strong> müssen<br />
Ärzte <strong>und</strong> Naturwissenschaftler in enger<br />
Interaktion arbeiten <strong>und</strong> dabei gefördert<br />
werden“, findet Philipp Maass.<br />
Bei den Querschnittsprojekten kommt<br />
hinzu, dass <strong>die</strong> Perspektiven für klinische<br />
Forscher wie Verena Schöwel,<br />
<strong>die</strong> der Klinik nicht auf Dauer den Rücken<br />
kehren wollen, oft fehlen. Auch<br />
<strong>die</strong> Bedingungen für junge Naturwissenschaftler<br />
sind ausbaufähig. Es gab<br />
Zeiten, da wusste Philipp Maass nicht,<br />
ob sein Drittmittelantrag rechtzeitig<br />
Philipp Maass schneidet DNA-<br />
Banden aus einem Gel aus.<br />
10 imdc04 2013
Titelthema<br />
Gemeinsam neue<br />
Therapien erforschen:<br />
Die klinische Forscherin<br />
Verena Schöwel<br />
<strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>lagenwissenschaftler<br />
Tobias<br />
Timmel arbeiten Hand<br />
in Hand.<br />
Mikroskopisch dünne Schnitte von<br />
Patientengewebe geben Aufschluss<br />
über eine Erkrankung.<br />
Erfolg haben würde. „Sich um <strong>die</strong> Finanzierung<br />
zu kümmern <strong>und</strong> ausreichend<br />
Personalmittel zu beschaffen, kostet<br />
Kraft <strong>und</strong> lenkt von der Wissenschaft<br />
ab. Zuviel Bürokratie <strong>und</strong> Politik<br />
können gute Forschung erschweren“,<br />
sagt er.<br />
Verena Schöwel <strong>und</strong> Philipp Maass<br />
hoffen, dass das Berlin Institute of<br />
Health (BIH) weitere Karriereperspektiven<br />
<strong>und</strong> neue Impulse für <strong>die</strong> Kolleginnen<br />
<strong>und</strong> Kollegen von <strong>MDC</strong> <strong>und</strong> Charité<br />
bringen wird. Eine leise Skepsis bleibt.<br />
„Noch ist das BIH ein wolkiges Gebilde,<br />
das erst mit Leben gefüllt werden muss.<br />
Der Aufbau von Netzwerken braucht<br />
Zeit“, betont der Naturwissenschaftler.<br />
Für beide ist es wichtig, täglich<br />
an der Verbindung zwischen Gr<strong>und</strong>lagenforschung<br />
<strong>und</strong> Klinik zu arbeiten,<br />
für ein besseres Verständnis der unterschiedlichen<br />
Blickwinkel. „Die Tatsache,<br />
dass ich Ärztin bin, ist das, was<br />
mich antreibt in der Forschung. Über<br />
<strong>die</strong> Patienten habe ich den Zugang gef<strong>und</strong>en“,<br />
sagt Verena Schöwel. Auch<br />
wenn Naturwissenschaftler <strong>und</strong> Mediziner<br />
aus unterschiedlichen Richtungen<br />
kommen, verfolgen sie ein gemeinsames<br />
Ziel. „Wir müssen <strong>die</strong> Kooperationen<br />
<strong>und</strong> Projekte zwischen klinischer<br />
<strong>und</strong> naturwissenschaftlicher Forschung,<br />
<strong>die</strong> hier am Campus schon zukunftsweisend<br />
verfolgt werden, weiter ausbauen<br />
<strong>und</strong> intensiv miteinander kommunizieren.<br />
Wenn wir das schaffen, kommt das<br />
Höchste dabei heraus“, sind sich <strong>die</strong><br />
beiden Forscher einig.<br />
imdc04 2013<br />
11
Titelthema<br />
Die Brücke<br />
zwischen Klinik <strong>und</strong> Forschung<br />
Mehr als 300 Millionen Euro fließen in den kommenden<br />
Jahren an das neue Berliner Institut für Ges<strong>und</strong>heitsforschung<br />
/ Berlin Institute of Health (BIH). Vor der<br />
Vereinigung von Charité – Universitätsmedizin Berlin mit dem<br />
Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (<strong>MDC</strong>) sprach<br />
das imdc mit Professor Dr. Walter Rosenthal, Vorstandsvorsitzender<br />
<strong>und</strong> Wissenschaftlicher Vorstand des <strong>MDC</strong> <strong>und</strong> Cornelia Lanz,<br />
Administrativer Vorstand des <strong>MDC</strong>.<br />
Protokoll Maimona Id, Josef Zens<br />
Fotos Dietmar Gust, David Ausserhofer<br />
Herr Prof. Rosenthal, das<br />
<strong>MDC</strong> steht weltweit unter<br />
den besten 20 Instituten<br />
seines Fachs <strong>und</strong> ist<br />
Anziehungspunkt für Top-<br />
Leute. Warum soll es nun<br />
mit einem anderen Partner<br />
zusammengehen<br />
Walter Rosenthal Das hat<br />
mehrere Gründe, der wichtigste ist: Die<br />
neue Verbindung wird <strong>die</strong> Wissenschaft<br />
voranbringen. Wir stehen vor einem<br />
Paradigmenwechsel. Wir wissen jetzt,<br />
dass ein scheinbar eindeutiges Krankheitsbild<br />
wie beispielsweise Darmkrebs<br />
unterschiedliche molekulare Ursachen<br />
haben kann. Umgekehrt kann ein genetischer<br />
Defekt an verschiedenen<br />
Krankheiten beteiligt sein. Das heißt,<br />
künftig wird sich <strong>die</strong> Medizin weniger<br />
an einer Einteilung nach Krankheitsbildern<br />
orientieren <strong>und</strong> stattdessen<br />
mehr an der molekularen Signatur einer<br />
Krankheit. Das bezeichnen wir als<br />
Systemmedizin. Gemeinsam mit einem<br />
starken Partner in der klinischen Forschung<br />
– <strong>und</strong> hier könnte ich mir keinen<br />
besseren als <strong>die</strong> Charité vorstellen<br />
– werden wir den Paradigmenwechsel<br />
hin zur Systemmedizin <strong>und</strong> in Richtung<br />
personalisierte Medizin mitgestalten.<br />
Außerdem ist es unsere Gründungsmission,<br />
<strong>die</strong> Ergebnisse aus der biomedizinischen<br />
Gr<strong>und</strong>lagenforschung rasch in<br />
<strong>die</strong> Anwendung fließen zu lassen. Und,<br />
das will ich nicht verhehlen, ich mache<br />
mir Gedanken über das Ende der<br />
Exzellenzinitiative. Womöglich ist <strong>die</strong><br />
finanzielle Situation für Forschung <strong>und</strong><br />
Lehre in fünf Jahren deutlich angespannter<br />
als heute. Zugleich sind in<br />
einem Zukunftsfach wie den Lebenswissenschaften<br />
zusätzliche Mittel nötig.<br />
Da hilft uns das Berlin Institute of<br />
Health, wie ich es lieber nenne, sehr.<br />
Das BIH will Lücken in der<br />
translationalen Forschung<br />
schließen. Was ist damit<br />
gemeint<br />
Walter Rosenthal Wir haben<br />
zwei große Lücken identifiziert: Zunächst<br />
den Übergang von der Gr<strong>und</strong>lagenforschung<br />
in <strong>die</strong> Diagnostik <strong>und</strong><br />
Therapie. Was im Reagenzglas oder<br />
Tierversuch klappt, ist noch längst keine<br />
Heilung für Menschen, das müssen<br />
wir erst in medizinische Hilfe „übersetzen“:<br />
Dieses „translational gap“<br />
wollen wir schließen. Wir sehen das<br />
übrigens nicht als Einbahnstraße. Das<br />
Motto lautet: From bench to bedside<br />
12 imdc04 2013
Titelthema<br />
and from bedside to bench. Die zweite<br />
Lücke ist <strong>die</strong> aus der Forschung<br />
<strong>und</strong> klinischen Arbeit hin in <strong>die</strong> breite<br />
Anwendung für Klinik <strong>und</strong> Praxis<br />
einschließlich „Public Health“: Wir<br />
wollen auf lange Sicht aus den Ergebnissen<br />
der personalisierten Medizin<br />
Konzepte erstellen, um Vorsorge<br />
in breiten Bevölkerungsschichten zu<br />
betreiben.<br />
Mit der Gründung des BIH<br />
ändert das <strong>MDC</strong> seine<br />
Rechtsform. Warum ist<br />
das notwendig<br />
Cornelia Lanz Das BIH ist als<br />
eine Körperschaft öffentlichen Rechts<br />
(KöR) geplant, in der zwei starke Partner,<br />
<strong>MDC</strong> <strong>und</strong> Charité, institutionell<br />
in einem gemeinsamen Forschungsraum<br />
zusammenarbeiten werden. Diese<br />
institutionelle Klammer soll den<br />
Brückenschlag zwischen Gr<strong>und</strong>lagenforschung<br />
<strong>und</strong> klinischer Forschung<br />
stärken. Beide Partner, <strong>MDC</strong> <strong>und</strong> Charité,<br />
werden dabei voll rechtsfähige<br />
Gliedkörper <strong>und</strong> behalten dadurch ihre<br />
Selbständigkeit in vollem Umfang.<br />
Das <strong>MDC</strong> ist in der Wissenschaft eine<br />
starke Marke <strong>und</strong> genießt hohe internationale<br />
Sichtbarkeit. Diese Sichtbarkeit<br />
wird auch mit der Gründung<br />
des BIH gewährleistet. Ich sehe es so,<br />
dass wir uns hier in einer Win-Win-Situation<br />
befinden: Wir können unsere<br />
Kooperation mit der Charité institutionell<br />
ausbauen <strong>und</strong> verstärken,<br />
haben aber gleichzeitig nach wie vor<br />
als voll rechtsfähige Gliedkörperschaft<br />
alle Möglichkeiten, <strong>die</strong> das <strong>MDC</strong> bisher<br />
schon gehabt hat.<br />
Zur Gründung der KöR sind Parlamentsbeschlüsse<br />
auf B<strong>und</strong>es- <strong>und</strong><br />
Landesebene notwendig, <strong>die</strong> nicht<br />
von heute auf morgen zu realisieren<br />
sind. Damit das <strong>MDC</strong> Gliedkörper werden<br />
kann, wird seine jetzige Rechtsform<br />
der öffentlich-rechtlichen Stiftung<br />
in <strong>die</strong> neue Rechtsform KöR<br />
umgewandelt.<br />
Die Gründung soll bis zum<br />
Jahr 2015 vollzogen sein.<br />
Wie wird <strong>die</strong> Zusammenarbeit<br />
bis dahin geregelt<br />
Cornelia Lanz Wir wollen ja<br />
schon in <strong>die</strong>sem Jahr beginnen <strong>und</strong><br />
auch <strong>die</strong> ersten Gelder werden in 2013<br />
bereits fließen. Dafür benötigen wir<br />
Rahmenbedingungen, <strong>die</strong> in einem sogenannten<br />
Gründungsvertrag geregelt<br />
werden. Dieser wird nicht nur von den<br />
beiden Partnern, sondern auch vom<br />
B<strong>und</strong>, dem Land Berlin <strong>und</strong> der Helmholtz-Gemeinschaft<br />
(HGF) unterzeichnet.<br />
Der Vertrag regelt <strong>die</strong> verschiedenen<br />
Leitungsorgane <strong>und</strong> Gremien<br />
wie Vorstand, Aufsichtsrat <strong>und</strong> Wissenschaftlicher<br />
Beirat im Rahmen des<br />
BIH, <strong>die</strong> bereits in 2013 ihre Arbeit<br />
aufnehmen. Zudem ist in ihm schriftlich<br />
festgelegt, dass in der Übergangsphase<br />
<strong>die</strong> Gelder für <strong>die</strong> Errichtung<br />
des gemeinsamen Forschungsraums<br />
aus den Mitteln der Helmholtz-Gemeinschaft<br />
fließen. Die Gr<strong>und</strong>lage<br />
ist eine Evaluation des gemeinsamen<br />
Forschungsprogramms durch<br />
internationale Gutachter, <strong>die</strong> im Mai<br />
2013 stattfinden wird.<br />
Welche Chancen oder Änderungen<br />
birgt das BIH für<br />
<strong>die</strong> Beschäftigten<br />
Cornelia Lanz Ich sehe <strong>die</strong><br />
Chancen darin, dass das BIH unseren<br />
Beschäftigten zusätzliche Arbeitsmöglichkeiten<br />
bietet. Im Rahmen des BIH<br />
werden außerdem neue Arbeitsplätze<br />
geschaffen. Im Vorfeld der Gründung<br />
des BIH war es uns als Vorstand des<br />
<strong>MDC</strong> allerdings wichtig zu erreichen,<br />
dass sich auch künftig <strong>die</strong> arbeitsrechtlichen<br />
Modalitäten für <strong>die</strong> Beschäftigten<br />
nicht ändern. Im BIH wie<br />
auch am <strong>MDC</strong>, wenn es Gliedkörperschaft<br />
in der neuen BIH KöR sein wird,<br />
werden <strong>die</strong> Mitarbeiter <strong>und</strong> Mitarbeiterinnen<br />
auch künftig nach dem TVöD<br />
bezahlt.<br />
Walter Rosenthal Für <strong>die</strong><br />
Wissenschaftler ändert sich vor allem,<br />
dass es <strong>die</strong> Möglichkeit gibt, zusätzliche<br />
Mittel für Forschungsprojekte einzuwerben.<br />
Zum Beispiel wird es jedes<br />
Jahr einen großen Call für Netzwerkvorhaben<br />
geben. Wir wollen auch exzellente<br />
Köpfe auszeichnen <strong>und</strong> einen<br />
dem Howard-Hughes-Programm ähnlichen<br />
Status mit Zusatzausstattung gewähren.<br />
Es wird auch um „Top-Level-<br />
Recruiting“ gehen. Für <strong>die</strong> exzellente<br />
Ausbildung von PhD-Stu<strong>die</strong>renden sind<br />
zusätzliche Graduiertenschulen sowie<br />
Master- <strong>und</strong> Austauschprogramme geplant.<br />
Das bedeutet auch in der Ausbildung<br />
weitere Stellen <strong>und</strong> Mittel. Außerdem<br />
sind im Kontext des BIH neue<br />
Technologieplattformen <strong>und</strong> <strong>die</strong> Erweiterung<br />
bestehender Infrastrukturen<br />
geplant.<br />
Welche Karriereaussichten<br />
bietet das BIH jungen<br />
klinischen Forscherinnen<br />
<strong>und</strong> Forschern<br />
Walter Rosenthal Der Mangel<br />
an geschützten Forschungszeiten sowie<br />
unklare Karriereaussichten haben<br />
imdc04 2013<br />
13
Titelthema<br />
dazu geführt, dass immer weniger Kliniker<br />
eine wissenschaftliche Karriere<br />
in Erwägung ziehen. Nach dem Vorbild<br />
bereits bestehender erfolgreicher Programme<br />
wie beispielsweise das Klinische<br />
Ausbildungsprogramm (KAP) des<br />
ECRC plant das BIH ein Trainings- <strong>und</strong><br />
Forschungsprogramm für klinische Wissenschaftler,<br />
um eine geschützte Umgebung<br />
für <strong>die</strong> wissenschaftliche Ausbildung<br />
zu schaffen. Zum Forschen<br />
braucht man Zeit <strong>und</strong> einen freien<br />
Kopf, das heißt, wir müssen über zusätzliche<br />
Stellen <strong>die</strong> angehenden Forscherinnen<br />
<strong>und</strong> Forscher entlasten.<br />
Zusätzlich wird es Stipen<strong>die</strong>n für Medizinstudenten<br />
geben, um sie zu einem<br />
frühen Zeitpunkt noch vor Beendigung<br />
der Ausbildung an <strong>die</strong> translationale<br />
Forschung heranzuführen. Weiterhin<br />
ist ein Forschungsprogramm<br />
speziell für „translationale Postdocs“<br />
geplant mit einem starken Fokus auf<br />
<strong>die</strong> Systemmedizin.<br />
Zwei sehr selbstbewusste<br />
Institutionen werden künftig<br />
unter einem Dach an<br />
gemeinsamen Projekten arbeiten,<br />
ohne jedoch operative<br />
Kompetenzen in Bezug<br />
auf den Partner zu haben.<br />
Kann das gutgehen<br />
Walter Rosenthal Es kann<br />
nur auf <strong>die</strong>se Weise gut gehen, denn<br />
bei allen gemeinsamen Zielen haben<br />
wir unterschiedliche Identitäten<br />
<strong>und</strong> Aufträge in den Mitgliedsinstitutionen,<br />
auch unterschiedliche Kulturen.<br />
Wir können <strong>und</strong> wollen der Charité<br />
nicht in <strong>die</strong> Krankenversorgung hineinreden<br />
oder in ihr Gebäudemanagement.<br />
Umgekehrt nehmen wir als ein<br />
Helmholtz-Zentrum nationale Aufgaben<br />
wahr <strong>und</strong> forschen an großen Programmen<br />
unabhängig von der Charité,<br />
aber oft gemeinsam mit Universitäten.<br />
Mit dem BIH wollen wir gemeinsam etwas<br />
ganz Neues beginnen: neue Forschungsfragen<br />
angehen, neue Technologien<br />
einsetzen <strong>und</strong>, ganz wichtig,<br />
eine neue Kultur der Zusammenarbeit<br />
etablieren.<br />
Alte Hasen sagen, Ärzte<br />
<strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>lagenwissenschaftler,<br />
das geht nicht<br />
zusammen. Was sagen Sie<br />
denen<br />
Walter Rosenthal Da mag etwas<br />
Wahres dran gewesen sein, aber<br />
genau deshalb sind wir angetreten.<br />
Wir wollen <strong>die</strong> verschiedenen Kulturen<br />
im BIH zusammenführen. Ich kenne<br />
beide Seiten, weil ich nach meiner<br />
medizinischen Ausbildung eine, wenn<br />
auch nur kurze Zeit, als Arzt gearbeitet<br />
habe, bevor ich in <strong>die</strong> Forschung<br />
ging. Ich kenne Kolleginnen <strong>und</strong> Kollegen,<br />
<strong>die</strong> in beiden Welten zuhause sind<br />
<strong>und</strong> das sehr gut machen. Denen wollen<br />
wir Raum bieten, ohne dass wir in<br />
beiden Einrichtungen unsere Identitäten<br />
preis geben. Das ist doch das Plus<br />
des BIH <strong>und</strong> der Rechtskonstruktion:<br />
Es wird dort Platz geben für exzellente<br />
Kliniker, für reine Gr<strong>und</strong>lagenforscher<br />
<strong>und</strong> für das Verbindende, für <strong>die</strong> translationale<br />
Medizin.<br />
Zahlen <strong>und</strong> Fakten<br />
• Das Berlin Institute of Health, BIH<br />
(zu deutsch: Berliner Institut für<br />
Ges<strong>und</strong>heitsforschung, BIG) wird als<br />
Körperschaft des öffentlichen Rechts mit<br />
den beiden Gliedkörperschaften Charité<br />
<strong>und</strong> <strong>MDC</strong> voraussichtlich zum Jahr 2015<br />
gegründet werden. In der Zwischenzeit<br />
regelt ein Kooperationsvertrag <strong>die</strong> Zusammenarbeit<br />
der beiden Einrichtungen.<br />
• Finanziert wird das BIH durch zusätzliche<br />
B<strong>und</strong>esmittel <strong>und</strong> das Land Berlin in<br />
einem Schlüssel von 90:10 (Helmholtz-<br />
Schlüssel). Insgesamt sind mehr als 300<br />
Millionen Euro für <strong>die</strong> ersten fünf Jahre<br />
vorgesehen.<br />
• Die Geschäfte regelt ein Vorstand<br />
bestehend aus vier Personen: den beiden<br />
Vorstandsvorsitzenden von Charité <strong>und</strong><br />
<strong>MDC</strong>, der/dem Forschungsdekan/in der<br />
Charité <strong>und</strong> einer weiteren unabhängigen<br />
Person, <strong>die</strong> den Vorsitz innehat <strong>und</strong><br />
deren Stimme bei Parität im Vorstand<br />
entscheidet.<br />
• Die beiden Gliedkörperschaften bleiben<br />
rechtlich selbstständig <strong>und</strong> können über<br />
entscheidende eigene Belange frei bestimmen,<br />
ohne dass der BIH-Vorstand<br />
„hineinregieren“ kann. Das gilt zum<br />
Beispiel für den Etat, gemeinsame Berufungen<br />
mit Universitäten <strong>und</strong> <strong>die</strong> Arbeit<br />
in der Programmorientierten Förderung<br />
(PoF) der Helmholtz-Gemeinschaft.<br />
• Ein Wissenschaftlicher Beirat wird das<br />
BIH-Programm begleiten; oberstes Gremium<br />
ist ein Aufsichtsrat. Das <strong>MDC</strong> behält<br />
sein Aufsichtsgremium <strong>und</strong> den Beirat,<br />
wird aber seine Rechtsform ändern. Aus<br />
der Stiftung <strong>MDC</strong> wird eine Körperschaft.<br />
14 imdc04 2013
Titelthema<br />
Systemmedizin<br />
im Fokus<br />
Das Forschungsprogramm<br />
des Berlin Institute of Health (BIH)<br />
Das Forschungsprogramm des<br />
BIH baut auf vier Gr<strong>und</strong>prinzipien<br />
auf: Interdisziplinarität, Translation,<br />
Exzellenz <strong>und</strong> Innovation. Translation<br />
steht dabei für <strong>die</strong> „Übersetzung“<br />
der Ergebnisse aus der biomedizinischen<br />
Gr<strong>und</strong>lagenforschung in <strong>die</strong> Anwendung<br />
bei Patienten, sei es in der<br />
Diagnostik oder Therapie. Langfristig<br />
sollen <strong>die</strong> Ergebnisse auch für <strong>die</strong><br />
Prävention von Krankheiten eingesetzt<br />
werden.<br />
Im Mittelpunkt des Forschungsprogramms<br />
steht <strong>die</strong> Systemmedizin: Dank<br />
immer besserer <strong>und</strong> schnellerer Methoden<br />
zur Entschlüsselung der Vorgänge<br />
in Zellen, unter anderem mit Hilfe<br />
der so genannten omics-Technologien<br />
wie Proteomics oder Genomics, ist<br />
es nunmehr möglich, <strong>die</strong> molekulare<br />
„Handschrift“ einer Krankheit umfassend<br />
zu charakterisieren. Das wiederum<br />
versetzt <strong>die</strong> Medizin in <strong>die</strong> Lage,<br />
Patienten weitaus besser als bisher<br />
in Gruppen einzuteilen (stratifizieren)<br />
<strong>und</strong> sie entsprechend der molekularen<br />
Signatur ihres jeweiligen Leidens<br />
zu behandeln. Dies stellt einen Paradigmenwechsel<br />
in der Medizin dar, <strong>die</strong><br />
Krankheiten bisher meist nach Erscheinungsbildern<br />
gliederte.<br />
Um Fortschritte auf dem Weg hin<br />
zu einer personalisierten Medizin zu<br />
erzielen, ist es nötig, dass viele Disziplinen<br />
miteinander zusammenarbeiten,<br />
zum Beispiel Kliniker, Molekularbiologen<br />
<strong>und</strong> Computerexperten. Weiterhin<br />
bedarf es modernster Technologieplattformen,<br />
wie sie zum Teil bereits<br />
existieren, <strong>die</strong> zum anderen Teil aber<br />
erst aufgebaut werden müssen.<br />
Am BIH werden vor allem krankheitsübergreifende<br />
Querschnittsthemen<br />
adressiert werden: Immunologie,<br />
zelluläre <strong>und</strong> subzelluläre Prozesse,<br />
Degeneration <strong>und</strong> Regeneration von<br />
Zellen, Stoffwechselvorgänge, <strong>die</strong> Genetik<br />
von Krankheiten <strong>und</strong> <strong>die</strong> Bedeutung<br />
von Geschlechtsunterschieden in<br />
Krankheitsprozessen.<br />
Das <strong>MDC</strong> bringt wertvolle Modellorganismen<br />
für menschliche Krankheiten,<br />
insbesondere Mäuse, in <strong>die</strong> künftige<br />
Forschungspartnerschaft ein. Auf<br />
der anderen Seite bietet <strong>die</strong> Charité<br />
eine große Expertise zum Verlauf von<br />
Krankheiten, deren Ausprägungsformen<br />
<strong>und</strong> Einordnung („klinische Phänotypisierung“).<br />
Die hohe Zahl von sehr gut<br />
untersuchten Patienten schafft eine<br />
wertvolle Basis für Kohortenstu<strong>die</strong>n. jz<br />
Das Forschungsprogramm<br />
bietet:<br />
Systems Medicine<br />
Flagship Projects<br />
and Infrastructure<br />
• nachhaltige Förderung von Forschungsgruppen.<br />
Die Förderung wird in einem<br />
wettbewerblich organisierten <strong>und</strong> Peer-<br />
Review-begutachteten Verfahren an <strong>MDC</strong><strong>und</strong><br />
Charité-Wissenschaftler vergeben.<br />
Berliner Universitäten können gemeinsam<br />
mit einem Partner an <strong>MDC</strong> oder Charité<br />
Anträge stellen.<br />
Analysis and Concept<br />
Biological<br />
Barriers<br />
Metabolism<br />
Re-/Degeneration<br />
Immune<br />
System<br />
Genetics<br />
Immunology<br />
Proteostasis<br />
Congenital<br />
Disorders<br />
(Sub)cellular machines<br />
Gender<br />
Exemplary<br />
Research Areas<br />
Cross-Cutting<br />
Topics<br />
• geschützte Forschungszeiten, Laborräume<br />
<strong>und</strong> Stellen für Akademiker, von<br />
der Nachwuchskraft bis zur W3-Professur.<br />
Der Fokus wird auf klinisch orientierten<br />
jungen Wissenschaftlerinnen <strong>und</strong> Wissenschaftlern<br />
liegen, <strong>die</strong> sich für translationale<br />
Forschung interessieren.<br />
• strategische Rekrutierung von Spitzenkräften<br />
in klinischen Disziplinen <strong>und</strong> aus<br />
Feldern wie Stammzellbiologie, Epigenomik,<br />
Metabolomik <strong>und</strong> Bioinformatik.<br />
Organ Specific<br />
Status<br />
Neuroscience<br />
Cancer<br />
Cardiovascular<br />
& Metabolism<br />
Achievements<br />
& Priorities<br />
Die Grafik verdeutlicht den Paradigmenwechsel von der organspezifischen <strong>und</strong> an Krankheitsbildern<br />
orientierten Medizin hin zur Systemmedizin. Ausgehend von den existierenden Schwerpunkten<br />
neurologischer Erkrankungen, Krebs sowie Herz-Kreislauf- <strong>und</strong> Stoffwechselerkrankungen sollen<br />
Querschnittsthemen („cross-cutting topics“) adressiert werden. Vorstellbar sind Forschungsgebiete<br />
wie das Immunsystem oder Erbkrankheiten. Aus <strong>die</strong>sem Themenf<strong>und</strong>us sollen Flaggschiffprojekte<br />
<strong>und</strong> Technologieplattformen definiert werden.<br />
imdc04 2013<br />
15
Forschung<br />
Forschung<br />
Armin Rehm <strong>und</strong> Uta Höpken untersuchen<br />
<strong>die</strong> Toxizität von T-Lymphozyten<br />
gegenüber Tumorzellen.<br />
Klein, aber<br />
oho!<br />
Dr. Uta Höpken <strong>und</strong> Dr. Armin Rehm erforschen<br />
am <strong>MDC</strong>, wie aus einer naiven Immunzelle eine<br />
cytotoxische T-Zelle (CTL) entsteht <strong>und</strong> welches<br />
Potential zur Krebsbekämpfung in ihr steckt.<br />
Text Maimona Id Fotos David Ausserhofer<br />
16 imdc04 2013
Forschung<br />
Die perfekte Liaison zwischen Klinik<br />
<strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>lagenforschung,<br />
bei Uta Höpken <strong>und</strong> Armin Rehm funktioniert<br />
sie schon lange. Die Immunologin<br />
<strong>und</strong> der Mediziner <strong>und</strong> Zellforscher<br />
sind nicht nur privat ein Paar,<br />
sondern arbeiten auch in verschiedenen<br />
Forschungsprojekten zusammen.<br />
Beide sind in unterschiedlichen Arbeitsgruppen<br />
<strong>und</strong> ergänzen sich darum<br />
so gut. Uta Höpken arbeitet in<br />
der Forschungsgruppe Molekulare Tumorgenetik<br />
<strong>und</strong> Immungenetik, Armin<br />
Rehm in der Gruppe Hämatologie,<br />
Onkologie <strong>und</strong> Tumorimmunologie.<br />
Ihr gemeinsames Interesse gilt einer<br />
winzigen Zelle mit durchschlagender<br />
Wirkung, <strong>die</strong> cytotoxische T-Zelle.<br />
„Neben der genetischen Schiene, also<br />
dem, was im Zellkern abläuft, sind<br />
es vor allem <strong>die</strong> posttranslationalen<br />
Prozesse, <strong>die</strong> uns interessieren“, sagt<br />
Höpken. Dabei handelt es sich um <strong>die</strong><br />
gr<strong>und</strong>legenden Transportwege <strong>und</strong> Signalübertragungsmechanismen,<br />
mit<br />
denen <strong>die</strong> komplexen Funktionen der<br />
Zellen nach der Proteinbiosynthese<br />
geregelt werden. Diese finden im Zytoplasma<br />
statt. „Dummerweise ist das<br />
in unserem Fall ein äußerst schmaler<br />
Saum. Das macht <strong>die</strong> Untersuchung<br />
<strong>die</strong>ser Zelle zu einer großen Herausforderung“,<br />
betont <strong>die</strong> Immunologin. Im<br />
Gegensatz zu anderen eukaryotischen<br />
Zellen sind T-Zellen nämlich nur etwa<br />
neun bis zehn Mikrometer groß. „Wir<br />
tricksen, indem wir <strong>die</strong> Prozesse mit<br />
pharmakologischen Substanzen stark<br />
verlangsamen, um sie mit Hilfe der<br />
hochauflösenden Live-Imaging-Technik<br />
überhaupt darstellen zu können“,<br />
erklärt ihr Partner. Diese Schwierigkeiten<br />
machen <strong>die</strong> zellbiologische T-<br />
Zell-Forschung zu einer Nische in der<br />
Wissenschaft. „Für mich gehört sie<br />
trotzdem zur Königsdisziplin“, sagt<br />
Höpken. Im Zusammenhang mit einer<br />
individualisierten Immuntherapie sind<br />
T-Zellen <strong>die</strong> neuen Hoffnungsträger in<br />
der Krebsbekämpfung.<br />
Verlust der Naivität nach<br />
erster Konfrontation<br />
T-Lymphozyten gehören zu den<br />
weißen Blutkörperchen <strong>und</strong> sind <strong>die</strong><br />
Protagonisten der erworbenen Immunabwehr.<br />
Nach ihrer Entstehung im Knochenmark<br />
aus Blutstammzellen wandern<br />
sie in den Thymus ein <strong>und</strong> reifen<br />
dort heran. „Dieses lymphatische Organ<br />
ist praktisch <strong>die</strong> Schule, in der<br />
<strong>die</strong> T-Lymphozyten lernen, körperfremde<br />
Eindringlinge zu erkennen“, erklärt<br />
Höpken. Dazu werden sie mit spezifischen<br />
Oberflächenrezeptoren, einer<br />
imdc04 2013<br />
17
Forschung<br />
Art Schlüssel, ausgestattet, mit denen<br />
sie unter anderem an infizierte Zellen<br />
andocken können. Nachdem ihre Entwicklung<br />
abgeschlossen ist, verlassen<br />
sie den Thymus <strong>und</strong> patrouillieren als<br />
naive T-Zellen auf der Suche nach körperfremden<br />
Antigenen im Blut <strong>und</strong> in<br />
den Lymphknoten. Ihre „Naivität“ verlieren<br />
sie bei der ersten Konfrontation<br />
mit <strong>die</strong>sen <strong>und</strong> werden dadurch<br />
zu „bewaffneten“ Effektorzellen aktiviert.<br />
Ein umfassendes Arsenal verschiedener<br />
Regulations- <strong>und</strong> Abwehrmechanismen<br />
steht ihnen hierbei zur<br />
Verfügung. „In den etwa sieben bis<br />
vierzehn Lebenstagen leistet <strong>die</strong> einzelne<br />
zytotoxische T-Zelle Schwerstarbeit<br />
<strong>und</strong> bekämpft um <strong>die</strong> zehn virusbefallene<br />
Zellen“, erzählt Armin<br />
Rehm. Aktivierte zytotoxische T-Zellen<br />
zerstören körperfremde oder<br />
virusinfizierte Zellen, aber auch Tumorzellen<br />
direkt durch <strong>die</strong> Ausschüttung<br />
sogenannter Perforine <strong>und</strong> Granzyme.<br />
Diese leiten enzymatisch den<br />
programmierten Zelltod ein. Sie wirken<br />
darüber hinaus auch indirekt, indem<br />
sie das Protein Interferon gamma<br />
freisetzen. Dadurch werden <strong>die</strong> Aktivität<br />
von weiteren Zellen des Immunsystems,<br />
den Makrophagen, sowie <strong>die</strong><br />
Antigenpräsentation entscheidend<br />
verstärkt. Darüber hinaus führt Interferon<br />
gamma zur Ausschüttung von Cytokinen,<br />
<strong>die</strong> <strong>die</strong> Immunantwort weiter<br />
ankurbeln. Interferon gamma hilft<br />
auch im Kampf gegen Krebs, da es den<br />
Zelltod von Stromazellen (Bindegewebszellen)<br />
<strong>und</strong> tumorversorgenden<br />
Blutgefäßen aktiviert, <strong>und</strong> so das Gerüst<br />
des Tumors zerstört.<br />
Mit der Frage, wie Perforin, Granzyme<br />
<strong>und</strong> das Interferon gamma aus<br />
den cytotoxischen T-Zellen ausgeschüttet<br />
werden, beschäftigen sich<br />
Höpken <strong>und</strong> Rehm schon seit längerem.<br />
Kürzlich entschlüsselten <strong>die</strong> beiden<br />
Wissenschaftler <strong>die</strong> Rolle, <strong>die</strong> der<br />
Rezeptor Sortilin, der auch in Nerven-<br />
<strong>und</strong> Leberzellen vorkommt, beim<br />
Transport von Interferon gamma <strong>und</strong><br />
indirekt beim Transport der Granzyme<br />
spielt. Nach dem Schlüssel-Schloss-<br />
Prinzip fischt Sortilin <strong>die</strong> Moleküle aus<br />
dem Golgi-Apparat <strong>und</strong> verpackt sie in<br />
Transportvesikel, <strong>die</strong> in Richtung Endosomen<br />
<strong>und</strong> Lysosomen wandern. „In<br />
einem künstlichen System mit Knockout-Mäusen<br />
sind wir in der Lage, Sortilin<br />
in der Zelle hoch- <strong>und</strong> runterzuregulieren.<br />
Fehlt der Rezeptor, führt das<br />
zu einer insgesamt schwächeren Immunabwehr“,<br />
sagt Rehm.<br />
Maßgeschneiderte<br />
Krebstherapie mit<br />
patienteneigenen Zellen<br />
Welche Bedeutung den cytotoxischen<br />
T-Zellen möglicherweise künftig<br />
in der Krebstherapie zukommt, konnten<br />
<strong>die</strong> Wissenschaftler mit ihren Experimenten<br />
zum Molekül EBAG9 zeigen.<br />
So wiesen sie nach, dass das durch<br />
Östrogeneinwirkung regulierte Protein<br />
entscheidend an der Reifung <strong>und</strong> Beladung<br />
der Transportvesikel beteiligt<br />
ist. Nachdem sie im Experiment das<br />
Gen für EBAG9 ausschalteten, konnten<br />
<strong>die</strong> cytotoxischen Effektorzellen verstärkt<br />
lysosomale Enzyme ausschütten<br />
<strong>und</strong> so <strong>die</strong> Tumorzellen abtöten.<br />
„Eine maßgeschneiderte individualisierte<br />
Therapie, bei der dem Patienten<br />
T-Zellen entnommen, genetisch<br />
modifiziert <strong>und</strong> wieder zurückgegeben<br />
werden, ist <strong>die</strong> Tumormedizin der Zukunft“,<br />
sagt Armin Rehm begeistert.<br />
Ihren Erfolg führen Uta Höpken <strong>und</strong><br />
Armin Rehm – seit 2002 arbeiten sie<br />
an gemeinsamen Projekten – darauf<br />
zurück, dass sie sich in der Vergangenheit<br />
bewusst in unterschiedliche Richtungen<br />
entwickelt haben. 1988 lernten<br />
sie sich in Marburg kennen, als sie im<br />
selben Labor jeweils Diplom- <strong>und</strong> Doktorarbeit<br />
machten. Danach gingen sie<br />
gemeinsam nach Amerika, aber gezielt<br />
in verschiedene Labore am MIT <strong>und</strong><br />
der Harvard Medical School. „Durch <strong>die</strong><br />
unterschiedlichen Forschungsschwerpunkte<br />
<strong>und</strong> <strong>die</strong> Vielfalt des Methodenspektrums<br />
sind wir heute besonders<br />
breit aufgestellt. Das kommt unserer<br />
Kooperation sehr zugute“, betont Uta<br />
Höpken. „Wir hatten beide das Glück,<br />
dass unsere Chefs, Bernd Dörken <strong>und</strong><br />
Martin Lipp uns sehr viel Freiheit gegeben<br />
haben, eigene Gruppen aufzubauen<br />
<strong>und</strong> gute Leute zu rekrutieren“,<br />
ergänzt Armin Rehm. Die gr<strong>und</strong>legende<br />
Frage, wie ein Transportweg so beeinflusst<br />
<strong>und</strong> stimuliert werden kann,<br />
dass eine T-Zelle potenter wird in ihrer<br />
Toxizität gegenüber Tumorzellen,<br />
wird sich weiterhin wie ein roter Faden<br />
durch ihre Forschung ziehen. Vielversprechend<br />
für einen Therapieerfolg<br />
sind aus ihrer Sicht Tumore des blutbildenden<br />
Systems wie Lymphdrüsenkrebs<br />
<strong>und</strong> Leukämien. „Dazu müssen wir jedoch<br />
zunächst <strong>die</strong> hoch komplizierten<br />
Transport- <strong>und</strong> Regulationsmechanismen<br />
in der Zelle aufklären“, wünschen<br />
sich Uta Höpken <strong>und</strong> Armin Rehm.<br />
18 imdc04 2013
Forschung<br />
Esprit d‘echange<br />
Lang lebe <strong>die</strong> Wissenschaft<br />
Eine Reihe sehr unterschiedlicher kultureller <strong>und</strong><br />
wissenschaftlicher Veranstaltungen bildeten einen Teil<br />
der Feierlichkeiten zum 50-jährigen Jubiläum des<br />
deutsch- französischen Fre<strong>und</strong>schaftsvertrages<br />
im vergangenen Jahr; auch Wissenschaftler<br />
des <strong>MDC</strong> wirkten mit.<br />
Die Bedeutsamkeit der Arbeit<br />
französischer Forschungseinrichtungen<br />
auf internationaler Ebene<br />
ist unbestritten, <strong>und</strong> so ist es auch<br />
nicht verw<strong>und</strong>erlich, dass drei französische<br />
Wissenschaftler in den vergangenen<br />
fünf Jahren den Nobelpreis<br />
für Physiologie <strong>und</strong> Medizin erhielten.<br />
Deutschland <strong>und</strong> Frankreich genießen<br />
einen starken <strong>und</strong> in seiner Symmetrie<br />
einzigartigen Bildungs- <strong>und</strong> Wissenschaftsaustausch<br />
(mit etwa der gleichen<br />
Anzahl an Wissenschaftlern auf<br />
beiden Seiten, <strong>die</strong> zu Forschungszwecken<br />
in das jeweils andere Land reisen),<br />
<strong>und</strong> davon konnte auch das <strong>MDC</strong><br />
profitieren.<br />
In der Regel arbeiten ständig r<strong>und</strong><br />
20 französische Wissenschaftler am<br />
<strong>MDC</strong>; eine gemeinsame <strong>MDC</strong>-INSERM<br />
Forschungsgruppe wurde gegründet<br />
(siehe S. 20), <strong>und</strong> eine langjährige<br />
Kooperation zwischen der Charité,<br />
dem <strong>MDC</strong> <strong>und</strong> der Universität Pierre<br />
et Marie Curie in Paris brachte das internationale<br />
Graduiertenkolleg Myo-<br />
Grad hervor. Im Geiste eines solchen<br />
fruchtbaren Austauschs brachten sich<br />
einige Wissenschaftler des <strong>MDC</strong> bei der<br />
Organisation zweier besonderer bilateraler<br />
wissenschaftlicher Konferenzen<br />
ein, <strong>die</strong> von der französischen Botschaft<br />
in Berlin unterstützt <strong>und</strong> durchgeführt<br />
wurde <strong>und</strong> an denen mehr als<br />
120 internationale Gäste teilnahmen.<br />
Das erste deutsch-französische<br />
Symposium, „Frontiers of Cardiovascular<br />
Research: From Basic Concepts<br />
to Novel Approaches in Therapy and<br />
Prevention“ (Grenzen <strong>und</strong> Möglichkeiten<br />
der Herz-Kreislauf-Forschung: Von<br />
gr<strong>und</strong>legenden Konzepten zu neuartigen<br />
Ansätzen in Therapie <strong>und</strong> Prävention),<br />
ist das Ergebnis einer Reihe individueller<br />
Forschungsaufenthalte <strong>und</strong><br />
einiger bereits existierender ertragreicher<br />
Kollaborationen. Bei <strong>die</strong>ser Veranstaltung<br />
kamen eine Vielzahl erfahrener<br />
Wissenschaftler des <strong>MDC</strong>, der<br />
Charité, des Deutschen Herzzentrums<br />
Berlin <strong>und</strong> fünf französischer<br />
Institutionen, darunter<br />
INSERM, das Collège de<br />
France <strong>und</strong> das Paris-Cardiovascular<br />
Research Center<br />
(PARCC), zusammen.<br />
Die Teilnehmer<br />
tauschten sich<br />
über ihre jüngsten<br />
Erkenntnisse in Bezug<br />
auf eine Vielfalt<br />
von Themen in den Bereichen<br />
gr<strong>und</strong>legende <strong>und</strong><br />
translationale Aspekte kardiovaskulärer<br />
Forschung aus. Zudem wurde<br />
20 Doktoranden <strong>und</strong> Post-doktoranden<br />
beider Länder <strong>die</strong> einzigartige<br />
Möglichkeit gegeben, während einer<br />
lebhaften Poster-Session ihre Forschungsarbeiten<br />
vorzustellen. Zu einer<br />
weiteren Konferenz, <strong>die</strong>se zum Thema<br />
„Perspectives of Systems Biology –<br />
from Modelling to Therapy of Complex<br />
Diseases“ (Perspektiven der Systembiologie<br />
– von der Modellierung zur Therapie<br />
komplexer Krankheiten), fanden<br />
sich Referenten aus mehr als zehn<br />
verschiedenen Unternehmen <strong>und</strong> Forschungseinrichtungen<br />
ein, einschließlich<br />
des Berlin Institute for Medical<br />
Systems Biology (BIMSB) des <strong>MDC</strong>, des<br />
Deutschen Krebsforschungszentrums<br />
(DKFZ), des Max Planck Instituts für<br />
molekulare Genetik (MPI), der Universität<br />
Luxemburg, des Institut Curie <strong>und</strong><br />
der École normale supérieure, <strong>die</strong> sich<br />
mit Themen wie beispielsweise „Genomes<br />
to Networks“, „Computational Biology“,<br />
„Genomik“ <strong>und</strong> „Epigenetik“<br />
im Zusammenhang<br />
mit Krebserkrankungen,<br />
Entzündungen, neurodegnerativen<br />
<strong>und</strong><br />
kardiovaskulären Erkrankungen<br />
auseinandersetzten.<br />
Wissenschaftliche<br />
Vorträge<br />
wurden durch<br />
Präsentationen zum<br />
Thema nationale Strategien<br />
zur finanziellen<br />
Förderung der Wissenschaften<br />
von Karin Effertz, deutsches<br />
B<strong>und</strong>esministerium für Bildung <strong>und</strong> Forschung<br />
(BMBF) <strong>und</strong> Jan-Michel Heard,<br />
nationale französische Forschungsagentur<br />
(ANR) ergänzt. Beide Konferenzen<br />
trugen zur Stärkung der internationalen<br />
Vernetzung des <strong>MDC</strong> bei<br />
<strong>und</strong> boten eine hervorragende Gelegenheit,<br />
Ideen für zukünftige Kooperationen<br />
<strong>und</strong> zu Fördermöglichkeiten<br />
auszutauschen.<br />
Oksana Seumenicht<br />
imdc04 2013<br />
19
Forschung<br />
Quelle für regenerative<br />
Therapien: Michael Sieweke möchte <strong>die</strong><br />
„Wachstumsbremse“ reifer Zellen lösen.<br />
Dem Geheimnis der<br />
Regeneration<br />
auf der Spur<br />
<strong>MDC</strong>-Wissenschaftler Michael Sieweke <strong>und</strong> sein Team<br />
erforschen in Südfrankreich erfolgreich Alternativen zur<br />
embryonalen Stammzelltherapie<br />
Text Maimona Id Fotos Jean-marie Huron<br />
Sobald eine Zelle ausgereift ist<br />
<strong>und</strong> sich auf ihre Funktionen<br />
spezialisiert hat, ist sie gar nicht oder<br />
nur noch sehr eingeschränkt in der Lage,<br />
sich zu teilen. So kommt es, dass<br />
der Körper beispielsweise bei einer<br />
Querschnittslähmung stark geschädigte<br />
Nervenzellen nicht reparieren kann.<br />
Diese „Wachstumsbremse“ ist ein bislang<br />
ungelöstes Problem der Regenerativen<br />
Medizin. Daher ist es ihr Ziel,<br />
<strong>die</strong> Funktionen von Organen oder Geweben,<br />
<strong>die</strong> durch akute oder chronische<br />
Krankheiten beeinträchtigt sind,<br />
mit Zellersatztherapien zu heilen. Die<br />
Herausforderung für Wissenschaftler<br />
wie Dr. Michael Sieweke besteht darin,<br />
ausgereifte Zellen in einer ausreichenden<br />
Menge herzustellen, um <strong>die</strong><br />
Aufgaben eines so komplexen Organs<br />
wie etwa der Bauchspeicheldrüse zu<br />
erfüllen. Mit seinem Team am renommierten<br />
Centre d’Immunologie de Marseille-Luminy<br />
(CIML) in Südfrankreich<br />
hat er möglicherweise das entscheidende<br />
Problem der Wachstumsbremse<br />
bei hochspezialisierten Zellen gelöst.<br />
Passend zum 50. Jubiläum des Elysée-Vertrages,<br />
der 1963 <strong>die</strong> Zusammenarbeit<br />
<strong>und</strong> Fre<strong>und</strong>schaft zwischen<br />
Deutschland <strong>und</strong> Frankreich besiegelte,<br />
hat auch das <strong>MDC</strong> seine eigene<br />
„French Connection“. In einem seit<br />
dem Herbst 2012 bestehenden Kooperationsprojekt<br />
zwischen dem Max-Delbrück-Centrum<br />
für Molekulare Medizin<br />
(<strong>MDC</strong>) <strong>und</strong> dem französischen Institut<br />
für Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Medizinische Forschung<br />
(INSERM), erforscht Michael<br />
Sieweke an der Schnittstelle von Immunologie<br />
<strong>und</strong> Stammzellwissenschaft<br />
<strong>die</strong> gr<strong>und</strong>legenden molekularen <strong>und</strong><br />
20 imdc04 2013
Forschung<br />
zellulären Mechanismen der Regeneration.<br />
Das Projekt soll <strong>die</strong> deutsch-französische<br />
Partnerschaft im Bereich Wissenschaft<br />
<strong>und</strong> Forschung stärken.<br />
Wegen Ihrer Fähigkeit, sich unbegrenzt<br />
vermehren <strong>und</strong> verschiedene<br />
Zelltypen des Körpers herstellen zu<br />
können, kamen für <strong>die</strong> Entwicklung regenerativer<br />
Therapien als Quelle bisher<br />
embryonale oder aber adulte Stammzellen<br />
in Frage – <strong>die</strong> einen ethisch<br />
umstritten, <strong>die</strong> anderen in zu geringer<br />
Zahl isolierbar. „State of the Art“<br />
in der Stammzellforschung sind derzeit<br />
sogenannte induzierte pluripotente<br />
Stammzellen (iPS). Dabei handelt es<br />
sich um Stammzellen, <strong>die</strong> aus bereits<br />
ausdifferenzierten Körperzellen wie<br />
beispielsweise Hautzellen molekulargenetisch<br />
in ein Urstadium reprogrammiert<br />
werden. Damit sind sie theoretisch<br />
wieder in der Lage, sich erstens<br />
zu vermehren <strong>und</strong> zweitens in jedwede<br />
gewünschte Zelle zu entwickeln. „Der<br />
Vorteil: Für <strong>die</strong> Forschung werden keine<br />
Embryonen verwendet. Der Nachteil:<br />
Es ist ein sehr aufwendiger <strong>und</strong><br />
komplizierter Umweg aus Rückprogrammierung,<br />
Vermehrung <strong>und</strong> Spezialisierung<br />
der Zellen“, erklärt Michael<br />
Sieweke. Genau das möchte der Wissenschaftler<br />
vermeiden. „Letztendlich<br />
benötige ich für <strong>die</strong> Heilung einer Erkrankung<br />
spezialisierte Zellen mit einer<br />
genau definierten Funktion. Mit<br />
unseren Forschungen wollen wir den<br />
Stammzellzwischenschritt überspringen<br />
<strong>und</strong> bereits ausgereifte Zellen unmittelbar<br />
in der Petrischale vermehren“,<br />
sagt Sieweke. Mit Makrophagen,<br />
den sogenannten Fresszellen, <strong>die</strong> im<br />
Fokus seiner Arbeit stehen, ist ihm das<br />
bereits gelungen.<br />
Makrophagen – viel mehr<br />
als nur Fresszellen<br />
Makrophagen zählen zu den weißen<br />
Blutkörperchen <strong>und</strong> kommen fast<br />
überall im Körper vor. In der Immunabwehr<br />
übernehmen sie zahlreiche Aufgaben.<br />
Eine davon ist <strong>die</strong> Zerstörung<br />
von Krankheitserregern wie Bakterien<br />
<strong>und</strong> Viren. Bei <strong>die</strong>sem Vorgang, der sogenannten<br />
Phagocytose, nehmen <strong>die</strong><br />
Zellen <strong>die</strong> Keime auf <strong>und</strong> verdauen sie.<br />
Deshalb werden sie auch Fresszellen<br />
genannt. Für Michael Sieweke ist besonders<br />
eine Funktion interessant. „Je<br />
nach ihrem Aktivierungszustand lösen<br />
Makrophagen entweder entzündliche<br />
oder aber regenerative Prozesse aus.<br />
Sie übernehmen bei vielen chronischen<br />
<strong>und</strong> akuten Entzündungsgeschehen<br />
wie etwa beim Herzinfarkt eine wichtige<br />
Steuerrolle“, erklärt er. Diesen<br />
Mechanismus sowie <strong>die</strong> Entwicklung<br />
der Zellen aus ihren Vorläuferzellen,<br />
den hämatopoetischen Stammzellen,<br />
möchte der Wissenschaftler aufklären.<br />
Dazu untersuchte er eine Gruppe von<br />
regulatorischen Steuermolekülen der<br />
Maf-Familie. Die Proteine, sogenannte<br />
Transkriptionsfaktoren, spielen bei<br />
der Genexpression eine Rolle. Sie sind<br />
in Makrophagen hoch aktiv. „Wir dachten,<br />
dass sie in erster Linie dazu <strong>die</strong>nen,<br />
<strong>die</strong> Spezialfunktionen der ausdifferenzierten<br />
Zelle aufrechtzuerhalten“,<br />
erläutert Sieweke. Im Knockout-Modell<br />
deaktivierten <strong>die</strong> Forscher auf der genetischen<br />
Ebene <strong>die</strong> betreffenden Faktoren.<br />
Ihre Überraschung war groß, als<br />
<strong>die</strong> reifen Makrophagen plötzlich anfingen,<br />
sich zu teilen <strong>und</strong> zu vermehren.<br />
Zudem behielten sie entgegen der<br />
Erwartung ihren Differenzierungsstatus<br />
bei.<br />
Unbegrenztes Wachstum,<br />
aber keine unkontrollierte<br />
Wucherung<br />
Mittlerweile mehr als zwei Jahre<br />
wachsen <strong>die</strong> Makrophagen in Zellkultur.<br />
Neben den embryonalen Stammzellen<br />
imdc04 2013<br />
21
Forschung<br />
„<strong>MDC</strong>-Außenposten“ in Frankreich:<br />
Michael Sieweke (Mitte) <strong>und</strong> seine<br />
Arbeitsgruppe am Centre D’Immunologie<br />
de Marseille-Luminy (CIML).<br />
„Wir Wissenschaftler sind<br />
moderne Nomaden.”<br />
besitzen ansonsten nur Tumorzelllinien<br />
<strong>die</strong>selbe unbegrenzte Lebensdauer.<br />
„Mit verschiedenen Tests haben wir ausgeschlossen,<br />
dass <strong>die</strong> gentechnisch<br />
veränderten Mausmakrophagen krebserregendes<br />
Potential entwickeln“, betont<br />
der Stammzellforscher. Nachdem<br />
<strong>die</strong> gentechnisch veränderten Zellen<br />
zurück in den Organismus verpflanzt<br />
wurden, nahmen sie ihre normalen Aufgaben<br />
wie <strong>die</strong> Phagocytose wieder auf.<br />
„Ist unser Forschungsergebnis auf andere<br />
Zellmodelle übertragbar, käme<br />
das einer kleinen Revolution in der<br />
Stammzellforschung gleich“, erklärt<br />
Sieweke. Ein schier unbegrenzter Vorrat<br />
an frischen leistungsfähigen Zellen<br />
würde damit in greifbare Nähe rücken.<br />
Von der Zusammenarbeit mit dem<br />
<strong>MDC</strong> ist Dr. Sieweke begeistert. „Ich<br />
sehe unsere Gruppe als kleinen <strong>MDC</strong>-<br />
Außenposten. Von der wissenschaftlichen<br />
Expertise <strong>und</strong> der hervorragenden<br />
Technologieplattform in Buch profitieren<br />
wir sehr“, freut er sich. Trotzdem<br />
möchte er seinen Arbeitsplatz in einem<br />
der schönsten Naturparks Europas<br />
direkt am Mittelmeer nicht missen.<br />
Darauf angesprochen, warum er<br />
ausgerechnet nach Frankreich gegangen<br />
ist, lächelt er <strong>und</strong> antwortet: „Die<br />
Frage ist nicht ganz richtig. Ich bin<br />
nicht nach Frankreich gegangen, sondern<br />
in Europa geblieben“, betont der<br />
gebürtige Deutsche, Wahlfranzose <strong>und</strong><br />
bekennende Europäer. Er setzt sich dafür<br />
ein, dass ausgezeichnete Wissenschaftler<br />
nicht nur in den angloamerikanischen<br />
Raum gehen, sondern auch<br />
Frankreich als starke Forschernation<br />
wahrnehmen. Obwohl Wissenschaft <strong>und</strong><br />
Nomadentum auf den ersten Blick wenig<br />
Gemeinsames zu haben scheinen,<br />
sagt Michael Sieweke: „Wir Forscher<br />
sind moderne Nomaden“. Nach Aufenthalten<br />
in Tübingen, Heidelberg, Berkeley<br />
(USA) <strong>und</strong> Melbourne (Australia) ist<br />
der Wissenschaftler mit seiner Familie<br />
in Marseille heimisch geworden. Mittlerweile<br />
sind es 13 Jahre, <strong>die</strong> er dort<br />
lebt <strong>und</strong> forscht. Eine weitere Gemeinsamkeit<br />
von Forschern <strong>und</strong> Nomaden<br />
ist <strong>die</strong> Freiheit. Nämlich <strong>die</strong> Freiheit,<br />
unabhängig zu denken, ohne <strong>die</strong> Entdeckungen<br />
wie <strong>die</strong> von Michael Sieweke<br />
nicht möglich wären.<br />
Nach wie vor<br />
funktionstüchtig:<br />
gentechnisch<br />
veränderte<br />
Makrophagen<br />
beim Verdauungsprozess<br />
von<br />
Bakterien(grün).<br />
http://www.ciml.univ-mrs.fr/fr/<br />
science/lab-michael-sieweke/<br />
pour-les-experts<br />
22 imdc04 2013
-<br />
Forschung<br />
Highlight Paper<br />
Neurale Vorläuferzellen (braun gefärbte Zellen) aus dem Gehirn einer transgenen Maus umlagern in<br />
vielen Zellschichten einen Gehirntumor (Tumormasse in rot). Die neuralen Vorläuferzellen setzen<br />
tumorunterdrückende Substanzen frei (Endovanilloide), <strong>die</strong> einen Rezeptor auf Gehirntumoren<br />
aktivieren <strong>und</strong> damit Tumorzelltod auslösen. Die starke Wanderungsbewegung von neuralen<br />
Vorläuferzellen zu Gehirntumoren findet sich nur im jungen Gehirn, im älteren Gehirn ist <strong>die</strong>ser<br />
tumorsupprimierende Effekt vermindert <strong>und</strong> das Gehirntumorwachstum geht schneller<br />
vonstatten. Das Bild zeigt auch einen Ort, an dem neurale Stammzellen <strong>und</strong> Vorläuferzellen<br />
natürlicherweise vorkommen. Diese Stammzellnische, <strong>die</strong> sogenannte subventrikuläre<br />
Zone, befindet sich an den Hirnwasserkammern (Ventrikeln), <strong>die</strong>s ist der<br />
Hohlraum im linken unteren Bildteil.<br />
Neues<br />
Angriffsziel<br />
gegen<br />
Hirntumore<br />
<strong>MDC</strong>-Arbeitsgruppe entdeckt Botenstoffe, <strong>die</strong><br />
bösartige Astrocytome zum Absterben bringen<br />
Text Russ Hodge Foto Rainer Glass <strong>und</strong> Michael Synowitz<br />
Mutationen, <strong>die</strong> potentiell Krebs<br />
erzeugen können, entstehen im<br />
Körper ständig. Die meisten werden jedoch<br />
durch natürliche Schutzmechanismen<br />
unschädlich gemacht. Diese<br />
Mechanismen könnten einen Ausgangspunkt<br />
für wirksame neue Therapien<br />
darstellen – leider sind sie bisher<br />
schwer zu fassen. In einer neuen Stu<strong>die</strong><br />
aus der Arbeitsgruppe von Helmut<br />
Kettenmann wurde nun ein Mechanismus<br />
entdeckt, der dem Körper bei der<br />
Bekämpfung einer der gefährlichsten<br />
Formen von Hirntumoren hilft: bösartige<br />
Astrozytome (high-grade astrocytomas,<br />
HGA). Rainer Glaß, ein ehemaliger<br />
Postdoc in Kettenmanns Labor<br />
(jetzt Professor an der Ludwig-Maximilians-Universität<br />
München, LMU)<br />
<strong>und</strong> seine Kollegen konnten zeigen,<br />
dass bestimmte Stammzellen im Gehirn<br />
Substanzen abgeben, <strong>die</strong> solche<br />
Tumorzellen zur Selbstzerstörung bringen.<br />
Die Stu<strong>die</strong>, erschienen im letzten<br />
August-Heft von Nature Medicine,<br />
eröffnet einen völlig neuen Zugang<br />
zu <strong>die</strong>ser Erkrankung, <strong>die</strong> bisher hartnäckig<br />
allen Behandlungsversuchen<br />
trotzt <strong>und</strong> fast immer tödlich verläuft.<br />
„Bösartige Gliome sind eine Tumorart<br />
mit extrem schlechter Prognose“, erklärt<br />
Helmut Kettenmann. „Die durchschnittliche<br />
Lebenserwartung nach der<br />
Diagnose beträgt etwa ein Jahr; kaum<br />
jemand überlebt fünf Jahre. Außerdem<br />
gibt es trotz 30 Jahren Forschung<br />
praktisch immer noch keinen Therapiefortschritt,<br />
trotz Versuchen, <strong>die</strong> Tumore<br />
durch Bestrahlung, Chemotherapie<br />
oder chirurgisch zu behandeln.“<br />
Seit vielen Jahren schon war nun<br />
in Kettenmanns <strong>und</strong> anderen Arbeitsgruppen<br />
beobachtet worden, dass neuronale<br />
Vorläuferzellen (NPCs) bei der<br />
Entwicklung von bösartigen Astrozytomen<br />
durch <strong>die</strong> Tumorzellen geradezu<br />
angezogen werden <strong>und</strong> in deren<br />
Richtung wandern. Die Forscher<br />
vermuteten, dass dann <strong>die</strong> NPCs Faktoren,<br />
„Botenstoffe“, freisetzen, <strong>die</strong><br />
<strong>die</strong> Tumorzellen zum Absterben bringen.<br />
Doch niemand wusste genau, um<br />
welche Substanzen es sich genau handelt<br />
oder wie sie auf <strong>die</strong> Tumorzellen<br />
einwirken.<br />
Endovanilloide<br />
lösen Signal zur<br />
Selbstzerstörung aus<br />
Einige <strong>die</strong>ser Fragen konnten nun<br />
in der Stu<strong>die</strong> von Rainer Glaß, Kristin<br />
Stock, Jitender Kumar, Michael Synowitz<br />
<strong>und</strong> anderen Mitgliedern der Kettenmann-Arbeitsgruppe<br />
sowie weiteren<br />
<strong>MDC</strong>-Wissenschaftlern geklärt werden.<br />
Die Forscher zeigten, dass NPCs spezifische<br />
Lipidmoleküle absondern, sogenannte<br />
Endovanilloide. Diese Fettsubstanzen<br />
binden an ein Protein namens<br />
TRVP1, das in großer Zahl an der Oberfläche<br />
von Tumorzellen vorkommt. Die<br />
Endovanilloide aktivieren dadurch ein<br />
Signal in der Zielzelle, das <strong>die</strong>se dazu<br />
bringt, abzusterben.<br />
„Unser bisheriges Wissen über<br />
TRVP1 kommt aus einem ganz anderen<br />
Zusammenhang“, erklärt Kettenmann.<br />
imdc04 2013<br />
23
Forschung<br />
„Wir kennen es aus Nervenzellen, <strong>die</strong><br />
Schmerzsignale wahrnehmen. Das<br />
TRVP1-Protein wird auch durch Capsaicin<br />
aktiviert, der für den scharfen Geschmack<br />
zuständigen Komponente von<br />
Chilischoten. Doch bislang spielte es<br />
für uns noch keine Rolle bei Gliom-Erkrankungen.“<br />
Warum ist <strong>die</strong>ser Schutzmechanismus<br />
jedoch nur bei jungen<br />
Mäusen zu beobachten, nicht aber bei<br />
erwachsenen Ein Gr<strong>und</strong> könnte <strong>die</strong><br />
natürliche Abnahme der Zahl der neuronalen<br />
Vorläuferzellen mit zunehmendem<br />
Alter sein. Die Zellen werden<br />
hauptsächlich für Wachstum <strong>und</strong> Reifung<br />
des Gehirns benötigt, <strong>und</strong> ihre<br />
Rolle im erwachsenen Gehirn muss erst<br />
noch erforscht werden. Doch auch ohne<br />
<strong>die</strong>se Zellen, so Kettenmann, könnte es<br />
möglich sein, ihre Wirkung auf TRPV1<br />
<strong>und</strong> das Tumorwachstum zu imitieren.<br />
Zur Aufdeckung <strong>die</strong>ses Mechanismus<br />
waren zahlreiche Experimente vom<br />
in vitro-Versuch im Reagenzgefäß bis<br />
zum Tierversuch mit Mäusen notwendig,<br />
außerdem <strong>die</strong> Untersuchung von<br />
Gewebsproben von Krebspatienten. Zunächst<br />
wurden Tumorzellen aus Zellkulturen<br />
mit einem Gemisch von Molekülen<br />
versetzt, wie sie neuronale<br />
Vorläuferzellen absondern. Auf <strong>die</strong>sem<br />
Weg gelang es, den Endovanilloiden<br />
auf <strong>die</strong> Spur zu kommen: andere<br />
Moleküle zeigten keine antitumorale<br />
Wirkung. Allmählich wurde auch klar,<br />
was geschieht, wenn Endovanilloide<br />
an TRVP1-Proteine andocken: Sie lösen<br />
dadurch in der Tumorzelle einen<br />
Selbstzerstörungsmechanismus aus.<br />
Ein solcher Vorgang ist an sich nicht<br />
ungewöhnlich. Durch <strong>die</strong> Bindung eines<br />
externen Moleküls an Zellrezeptoren<br />
wie TRVP1 wird oftmals eine Kaskade<br />
von chemischen Signalvorgängen<br />
in einer Zelle in Gang gesetzt. Dabei<br />
wird eine Information von einem<br />
Molekül zum nächsten weitergegeben,<br />
was schließlich zu einer Aktivierung<br />
neuer Gene führt. Im vorliegenden<br />
Fall, so zeigte <strong>die</strong> Stu<strong>die</strong>, wird <strong>die</strong><br />
Information dann über ein Protein namens<br />
ATF3 weitergeleitet, das <strong>die</strong> Genaktivierungsmuster<br />
der Zelle verändert.<br />
Dadurch „weiß“ <strong>die</strong> Tumorzelle,<br />
dass etwas mit ihr nicht stimmt <strong>und</strong><br />
zerstört sich selbst.<br />
Neue Werkzeuge gegen<br />
bösartige Gliome<br />
entwickeln<br />
Außerdem entdeckten <strong>die</strong> Wissenschaftler,<br />
dass Endovanilloide auch<br />
einen besonderen biochemischen<br />
Stoffwechselweg für Zellen in Notsituationen<br />
auslösen können, den<br />
„endoplasmatic reticulum stresspathway”.<br />
Das Endoplasmatische Retikulum<br />
(ER) ist ein weitverzweigtes<br />
Highlight Papers des <strong>MDC</strong> sind Veröffentlichungen,<br />
<strong>die</strong> einen Impact- Factor von mehr als zehn<br />
aufweisen <strong>und</strong> bei denen <strong>MDC</strong>-Mitarbeiter Erst-, Letztoder<br />
korrespon<strong>die</strong>rende Autoren sind.<br />
2013|01<br />
(90)Yttrium-ibritumomab-tiuxetan as first-line treatment<br />
for follicular lymphoma: 30 months of follow-up data<br />
from an international multicenter phase II clinical trial.<br />
Scholz, C.W. and Pinto, A. and Linkesch, W. and Linden,<br />
O. and Viardot, A. and Keller, U. and Hess, G. and Lastoria,<br />
S. and Lerch, K. and Frigeri, F. and Arcamone, M. and<br />
Stroux, A. and Frericks, B. and Pott, C. and Pezzutto, A.<br />
Journal of Clinical Oncology 31 (3): 308-313.<br />
20 January 2013<br />
Microglia: new roles for the synaptic stripper.<br />
Kettenmann, H. and Kirchhoff, F. and Verkhratsky, A.<br />
Neuron 77 (1): 10-18. 09 January 2013<br />
Genomic variation landscape of the human gut microbiome.<br />
Schloissnig, S. and Arumugam, M. and Sunagawa, S. and<br />
Mitreva, M. and Tap, J. and Zhu, A. and Waller, A. and<br />
Mende, D.R. and Kultima, J.R. and Martin, J. and Kota,<br />
K. and Sunyaev, S.R. and Weinstock, G.M. and Bork, P.<br />
Nature 493 (7430): 45-50. 03 January 2013<br />
2012|12<br />
CYP2J2 expression and circulating epoxyeicosatrienoic<br />
metabolites in preeclampsia. Herse, F. and LaMarca, B. and<br />
Hubel, C.A. and Kaartokallio, T. and Lokki, A.I. and Ekholm,<br />
E. and Laivuori, H. and Gauster, M. and Huppertz, B.<br />
and Sugulle, M. and Ryan, M.J. and Novotny, S. and Brewer,<br />
J. and Park, J.K. and Kacik, M. and Hoyer, J. and Verlohren,<br />
S. and Wallukat, G. and Rothe, M. and Luft, F.C. and Muller,<br />
D.N. and Schunck, W.H. and Staff, A.C. and Dechend, R.<br />
Circulation 126 (25): 2990-2999. 18 December 2012<br />
2012|11<br />
The sorting receptor sortilin exhibits a dual function<br />
in exocytic trafficking of interferon-{gamma} and<br />
granzyme A in T cells. Herda, S. and Raczkowski, F. and<br />
Mittruecker, H.W. and Willimsky, G. and Gerlach, K. and Kuehl,<br />
A.A. and Breiderhoff, T. and Willnow, T.E. and Doerken,<br />
B. and Hoepken, U.E. and Rehm, A. / Immunity 37 (5): 854-<br />
866. 16 November 2012<br />
A misplaced lncRNA causes brachydactyly in humans.<br />
Maass, P.G. and Rump, A. and Schulz, H. and Stricker, S.<br />
and Schulze, L. and Platzer, K. and Aydin, A. and Tinschert,<br />
S. and Goldring, M.B. and Luft, F.C. and Baehring, S<br />
Journal of Clinical Investigation 122 (11): 3990-4002. 01 November<br />
2012<br />
24 imdc04 2013
Forschung<br />
Membranlabyrinth im Zellinneren, das<br />
eine wichtige Rolle bei der Herstellung<br />
neuer Proteine spielt. Defekte im<br />
ER können dazu führen, dass sich dort<br />
große Stoffmengen ansammeln <strong>und</strong><br />
zurückgehalten anstatt ausgeschleust<br />
werden. Die Struktur schwillt an, <strong>und</strong><br />
schließlich stirbt <strong>die</strong> Zelle ab. Unter<br />
dem Elektronenmikroskop sind solche<br />
aufgeblähten ER-Strukturen in Tumorzellen<br />
zu beobachten.<br />
Untersuchungen in vitro <strong>und</strong> bei<br />
Mäusen zeigten, dass durch eine experimentelle<br />
Blockade der Endovanilloide<br />
<strong>die</strong> antitumoralen Wirkungen<br />
der Stammzellen verschwinden. Hierzu<br />
kann man entweder <strong>die</strong>se Lipidmoleküle<br />
selbst abbauen, das TRPV1-Protein aus<br />
den Tumorzellen entfernen, oder das<br />
durch <strong>die</strong> Bindung erzeugte Signal blockieren.<br />
In all <strong>die</strong>sen Fällen konnte <strong>die</strong><br />
Zelle das Signal, sich selbst zu zerstören,<br />
nicht mehr empfangen, <strong>und</strong> selbst<br />
<strong>die</strong> Anwesenheit von neuronalen Vorläuferzellen<br />
schützte den Organismus<br />
nicht mehr vor aggressiven Tumoren.<br />
„Das hat bedeutende Folgen für<br />
<strong>die</strong> Entwicklung neuer Therapien gegen<br />
bösartige Gliome“, erklärt Helmut<br />
Kettenmann. „Als wir unsere Mäuse mit<br />
künstlichen Endovanilloiden behandelten,<br />
reagierten sie darauf wie junge<br />
Mäuse. Selbst wenn <strong>die</strong>se Tiere nur<br />
wenige neuronale Vorläuferzellen aufwiesen,<br />
beobachteten wir eine Aktivierung<br />
des durch TRPV1 stimulierten<br />
Stoffwechselwegs <strong>und</strong> einen signifikanten<br />
Anstieg der Überlebenszahlen bei<br />
den Tieren.“ In früheren Arbeiten zu<br />
TRPV1 in einem anderen Kontext –<br />
der Schmerzwahrnehmung – wurde der<br />
Wirkstoff Arvanil gef<strong>und</strong>en, der den Rezeptor<br />
ebenfalls aktivieren kann. Bei<br />
Mäusen mit aggressiven Gliomen verringerte<br />
<strong>die</strong>ses synthetische Endovanilloid<br />
das Tumorwachstum stark.<br />
„Arvanil kann zwar aufgr<strong>und</strong> von<br />
Nebenwirkungen nicht beim Menschen<br />
eingesetzt werden“, erläutert Kettenmann,<br />
„doch <strong>die</strong> Stu<strong>die</strong>n bei Mäusen<br />
stellen einen gr<strong>und</strong>sätzlichen Machbarkeitsnachweis<br />
dar: Dass es nämlich<br />
sinnvoll ist, neue Substanzen zu entwickeln<br />
<strong>und</strong> zu testen, <strong>die</strong> TRPV1 aktivieren.<br />
Diese könnten zu einem entscheidenden<br />
neuen Werkzeug im Kampf<br />
gegen eine Tumorart werden, <strong>die</strong> sich<br />
bisher allen verfügbaren Behandlungsmethoden<br />
widersetzt.“<br />
Übersetzung: Dietmar Zimmer<br />
Referenz: Kristin Stock*, Jitender Kumar*, Michael<br />
Synowitz*, Stefania Petrosino, Roberta Imperatore,<br />
Ewan St J Smith*, Peter Wend*, Bettina Purfürst*,<br />
Ulrike A Nuber, Ulf Gurok, Vitali Matyash*, Joo-Hee<br />
Wälzlein*, Sridhar R Chirasani*, Gunnar Dittmar*,<br />
Benjamin F Cravatt, Stefan Momma, Gary R Lewin*,<br />
Alessia Ligresti, Luciano De Petrocellis, Luigia<br />
Cristino, Vincenzo Di Marzo, Helmut Kettenmann*<br />
& Rainer Glass*. / Neural precursor cells induce cell<br />
death of high-grade astrocytomas through stimulation<br />
of TRPV1. Nature Medicine (2012), Vol. 18 No. 8,<br />
August 2012, 1232-1239. / *) <strong>MDC</strong>-Mitarbeiter<br />
Letzte Highlight Papers<br />
The cell-cycle regulator c-Myc is essential for the formation<br />
and maintenance of germinal centers.<br />
Calado, D.P. and Sasaki, Y. and Godinho, S.A. and Pellerin,<br />
A. and Koechert, K. and Sleckman, B.P. and de Alboran,<br />
I.M. and Janz, M. and Rodig, S. and Rajewsky, K. / Nature<br />
Immunology 13 (11): 1092-1100. November 2012<br />
2012|10<br />
Distinct cellular pathways select germline-encoded and somatically<br />
mutated antibo<strong>die</strong>s into immunological memory.<br />
Kaji, T. and Ishige, A. and Hikida, M. and Taka, J. and Hijikata,<br />
A. and Kubo, M. and Nagashima, T. and Takahashi, Y.<br />
and Kurosaki, T. and Okada, M. and Ohara, O. and Rajewsky,<br />
K. and Takemori, T. / Journal of Experimental Medicine 209<br />
(11): 2079-2097. 22 October 2012<br />
Chloride in vesicular trafficking and function. Stauber, T.<br />
and Jentsch, T.J. / Annual Review of Physiology 17 October<br />
2012 (In Press)<br />
2012|09<br />
Colonization of the satellite cell niche by skeletal muscle<br />
progenitor cells depends on notch signals. Broehl, D. and<br />
Vasyutina, E. and Czajkowski, M.T. and Griger, J. and Rassek,<br />
C. and Rahn, H.P. and Purfuerst, B. and Wende, H. and<br />
Birchmeier, C. / Developmental Cell 23 (3): 469-481. 11 September<br />
2012<br />
Krueppel-like factor 15 regulates Wnt/beta-catenin<br />
transcription and controls cardiac progenitor cell fate in<br />
the postnatal heart. Noack, C. and Zafiriou, M.P. and Schaeffer,<br />
H.J. and Renger, A. and Pavlova, E. and Dietz, R. and<br />
Zimmermann, W.H. and Bergmann, M.W. and Zelarayan, L.C.<br />
EMBO Molecular Medicine 4 (9): 992-1007. September 2012<br />
2012|08<br />
Synergy between PI3K signaling and MYC in Burkitt<br />
lymphomagenesis.<br />
Sander, S. and Calado, D.P. and Srinivasan, L. and Koechert,<br />
K. and Zhang, B. and Rosolowski, M. and Rodig, S.J.<br />
and Holzmann, K. and Stilgenbauer, S. and Siebert, R. and<br />
Bullinger, L. and Rajewsky, K. / Cancer Cell 22 (2): 167-179.<br />
14 August 2012<br />
Editorial authors‘ reply to Freedhoff.<br />
Floegel, A. and Pischon, T.v / British Medical Journal 345 :<br />
e5109. 06 August 2012<br />
Neocortical dendritic complexity is controlled during development<br />
by NOMA-GAP-dependent inhibition of Cdc42<br />
and activation of cofilin. Rosario, M. and Schuster, S. and<br />
Juettner, R. and Parthasarathy, S. and Tarabykin, V. and<br />
Birchmeier, W. / Genes & Development 26 (15): 1743-1757.<br />
01 August 2012<br />
imdc04 2013<br />
25
Forschung<br />
Photography: Maj Britt Hansen · Philipp Maass · Hakan Toka<br />
The Case of the Short-fingered Musketeer Russ Hodge<br />
The Case of the<br />
Short-fingered Musketeer<br />
by Russ Hodge<br />
Afterwords by Friedrich C. Luft<br />
and Nihat Bilginturan<br />
Der Fall des<br />
kurzfingrigen<br />
Musketiers<br />
Buchvorstellung<br />
Abenteuer der Biomedizin umfasst<br />
20 Jahre Forschungsarbeit am <strong>MDC</strong><br />
Text Russ Hodge Fotos MaJ Britt HAnsen, Philipp Maass, Hakan Toka<br />
Als ich vor sechs Jahren an das<br />
<strong>MDC</strong> kam, begann ich damit,<br />
ein Buch mit dem Titel Translations zu<br />
schreiben. Darin werden 25 Geschichten<br />
über <strong>die</strong> wissenschaftliche Arbeit<br />
auf dem Campus erzählt. Bei der Recherche<br />
stieß ich auf ein Projekt, das<br />
als eines der ersten<br />
Projekte<br />
des <strong>MDC</strong> begonnen<br />
hatte <strong>und</strong><br />
an dem noch immer gearbeitet wurde.<br />
Die Geschichte, aus der später „Der<br />
Fall des kurzfingrigen Musketiers“ werden<br />
sollte, hörte ich zum ersten Mal<br />
im Büro von Fred Luft, drüben in der<br />
alten Franz-Volhard-Klinik. Zu der Zeit<br />
hatte ich nicht <strong>die</strong> geringste Ahnung,<br />
dass das Projekt so viele verschiedene<br />
Im Norden der Türkei, an der Küste des Schwarzen<br />
Meeres, lebt eine Familie von Landwirten, <strong>die</strong> eine<br />
einzigartige Erbkrankheit aufweist.<br />
Facetten hat, dass es zu einer Art persönlichen<br />
Abenteuers für mich werden,<br />
oder dass ich fast zwei Jahre damit<br />
verbringen würde, darüber zu schreiben.<br />
Fred hätte es vielleicht voraussehen<br />
können: Über zwei Jahrzehnte<br />
hinweg hat das Projekt Dutzende Wissenschaftler<br />
in seinen Bann gezogen,<br />
<strong>die</strong> allesamt der Überzeugung sind,<br />
dass es einen maßgeblichen Einfluss<br />
auf ihr Leben <strong>und</strong> ihre weitere berufliche<br />
Laufbahn hatte.<br />
Im Norden der Türkei, an der Küste<br />
des Schwarzen Meeres, lebt eine<br />
Familie von Landwirten, <strong>die</strong> eine<br />
einzigartige Erbkrankheit aufweist. Die<br />
Betroffenen haben ungewöhnlich kurze<br />
Finger <strong>und</strong> Zehen – was für sich gesehen<br />
trivial erscheint – doch gleichzeitig<br />
steigen ihre Blutdruckwerte stetig<br />
immer weiter an <strong>und</strong> erreichen schließlich<br />
astronomische Höhen. Wenn <strong>die</strong><br />
Betroffenen<br />
dann ein mittleres<br />
Lebensalter<br />
erreicht haben,<br />
können <strong>die</strong> Blutgefäße des Gehirns dem<br />
Druck nicht mehr standhalten, <strong>und</strong> sie<br />
erleiden schließlich einen tödlichen<br />
Schlaganfall.<br />
Vor fünfzig Jahren erkannte der<br />
Religionsführer der Gemeinde, der<br />
ebenfalls von dem Leiden betroffen<br />
war, eine Verbindung zwischen den<br />
26 imdc04 2013
Forschung<br />
kurzen Fingern <strong>und</strong> dem plötzlichen<br />
Tod, der unter seinen Verwandten immer<br />
wieder vorkam. Er suchte Rat.<br />
Im Jahre 1970 schließlich fand er einen<br />
Arzt namens Nihat Bilginturan, der<br />
dem Dorf einen Besuch abstattete, mit<br />
Sorgfalt einen Stammbaum der Familie<br />
erstellte <strong>und</strong> eine wissenschaftliche Arbeit<br />
über das Krankheitsbild veröffentlichte.<br />
Diese versank zunächst für mehr<br />
als zwanzig Jahre im Meer der Fachliteratur,<br />
bis sie von dem Humangenetiker<br />
Thomas Wienker wiederentdeckt wurde,<br />
als er einen Vortrag vorbereitete.<br />
Außergewöhnlicher<br />
Fall gibt Hinweise auf<br />
Volkskrankheit<br />
Fred Luft war zu <strong>die</strong>sem Zeitpunkt<br />
gerade von Detlev Ganten als einer der<br />
ersten Forscher des <strong>MDC</strong> eingestellt<br />
worden <strong>und</strong> beschloss, der Geschichte<br />
als einem der ersten wissenschaftlichen<br />
Projekte des neuen Instituts<br />
nachzugehen. Seither arbeiten Fred<br />
<strong>und</strong> seine Kollegen an <strong>die</strong>sem Fall. Warum,<br />
mag man fragen, wird so viel Aufwand<br />
für einen Fall betrieben, der so<br />
wenige Menschen betrifft Ein Gr<strong>und</strong><br />
ist, dass das Krankheitsbild der Familie<br />
dem der essentiellen Hypertonie zu<br />
ähneln scheint – eine Art des Bluthochdrucks,<br />
von der ungefähr ein Viertel der<br />
Weltbevölkerung betroffen ist <strong>und</strong> dessen<br />
Ursache unbekannt ist. „Wir wissen,<br />
dass bei weitverbreiteten Krankheiten<br />
wie der Hypertonie in der Regel<br />
eine genetische Komponente eine Rolle<br />
spielt”, so Fred. „Doch bei <strong>die</strong>ser Art<br />
von Leiden findet meist eine subtile<br />
Wechselwirkung zwischen einer großen<br />
Anzahl von Genen statt, <strong>und</strong> das macht<br />
es ungeheuer schwierig, sie zu finden.<br />
Wir hoffen, dass uns solche außergewöhnlichen<br />
Fälle, in denen einzelne Gene<br />
Auslöser sind, einen Hinweis darauf<br />
geben, welche Übeltäter für den Defekt<br />
beim Großteil der Bevölkerung verantwortlich<br />
sein könnten.”<br />
Nahezu jedes neue Konzept <strong>und</strong> jede<br />
neue Art der Technologie, <strong>die</strong> in der<br />
Biologie während der letzten zwanzig<br />
Jahre entstanden sind, wurden angewendet,<br />
um <strong>die</strong> Ursache des Problems<br />
der türkischen Familie zu erforschen.<br />
Das machte den Fall zu einer Art Parabel<br />
der modernen Biomedizin. Die Geschichte<br />
macht deutlich, wie enorm<br />
schwierig es ist, „molekulare Medizin“<br />
zu betreiben <strong>und</strong> Krankheitsmechanismen<br />
auf den Gr<strong>und</strong> zu gehen, wenn<br />
beim menschlichen Patienten angesetzt<br />
wird. Die meisten unserer Projekte<br />
beginnen genau anders herum: In<br />
einem Labor, das ein bestimmtes Gen<br />
oder einen bestimmten zellulären Mechanismus<br />
untersucht, wird ein zuvor<br />
unbekannter Zusammenhang mit einer<br />
Erkrankung entdeckt.<br />
„Der Fall des kurzfingrigen Musketiers“<br />
erzählt viel mehr als nur <strong>die</strong> Geschichte<br />
<strong>die</strong>ses wissenschaftlichen Projekts.<br />
Definitiv ein wissenschaftliches<br />
Abenteuer, erzählt er aber ebenso von<br />
einem kulturellen Abenteuer. Der erste<br />
Schritt war, <strong>die</strong> türkische Familie<br />
ausfindig zu machen. Das gestaltete<br />
sich schwieriger als gedacht. Zunächst<br />
mussten Fred <strong>und</strong> seine Kollegen Nihat<br />
Bilginturan finden <strong>und</strong> ihn davon überzeugen,<br />
mit ihnen zusammenzuarbeiten<br />
<strong>und</strong> sie mit der Familie bekannt zu<br />
machen. Es war ein Glück, dass Herbert<br />
Schuster, ein weiterer Gruppenleiter des<br />
<strong>MDC</strong> der ersten Generation, in seiner<br />
Gruppe den jungen deutsch-türkischen<br />
Arzt Hakan Toka an Bord hatte. Dieser<br />
Forschen unter erschwerten Bedingungen:<br />
Vor Ort stellt Wissenschaftlerin Sylvia<br />
Bähring sicher, dass <strong>die</strong> Patientenproben<br />
zuverlässig abgenommen werden.<br />
konnte in <strong>die</strong> Türkei fliegen <strong>und</strong> persönlich<br />
mit Bilginturan sprechen. Es gelang<br />
ihm, den Arzt von der Zusammenarbeit<br />
zu überzeugen, <strong>und</strong> so flog das<br />
Team wenig später hinterher, um <strong>die</strong><br />
Familie kennenzulernen. Hakans Bruder,<br />
Okan Toka, verbrachte ein Jahr mit<br />
der Familie. Er führte Arzneimitteltests<br />
durch, um eine Therapie zu finden, <strong>die</strong><br />
den hohen Blutdruck unter Kontrolle<br />
bringen würde.<br />
Wie Forschung das<br />
Leben einer Familie<br />
beeinflusst<br />
Seither haben <strong>die</strong> betroffenen Mitglieder<br />
der türkischen Familie in dem<br />
Forschungsprojekt eine aktive Rolle gespielt,<br />
ließen endlose Untersuchungen,<br />
lange Krankenhausaufenthalte<br />
sowohl in der Türkei als auch in Berlin<br />
<strong>und</strong> zahlreiche Besuche der Wissenschaftler<br />
über sich ergehen. Die Forscher<br />
wurden während ihrer Arbeit<br />
immer wieder mit Problemen konfrontiert,<br />
<strong>die</strong> <strong>die</strong> Schwierigkeit der Forschung<br />
an menschlichen Patienten<br />
über internationale Grenzen hinweg<br />
mit sich bringt. Allein eine Einreiseerlaubnis<br />
in <strong>die</strong> Türkei zu bekommen,<br />
um Blutproben zu nehmen, bedurfte<br />
oftmals Monate <strong>und</strong> unzählige Briefe,<br />
imdc04 2013<br />
27
Eine Sonderpublikation in Zusammenarbeit mit dem Max-Delbrück-Centrum<br />
für Molekulare Medizin Berlin-Buch <strong>und</strong> dem Leibniz-Institut für Molekulare Pharmakologie<br />
Forschung<br />
Neu erschienen<br />
um den Bürokratiedschungel erfolgreich<br />
zu durchqueren.<br />
Meine Recherchearbeit für <strong>die</strong>ses<br />
Buch führte mich zweimal mit<br />
Fred <strong>und</strong> seinem Team in <strong>die</strong> Türkei.<br />
Einmal hatte ich <strong>die</strong> Gelegenheit, eine<br />
Woche mit der Familie zu verbringen,<br />
bei einem weiteren Besuch lernte<br />
ich Nihat Bilginturan kennen. Im Laufe<br />
der folgenden zwei Jahre brachten<br />
Interviews mit den Wissenschaftlern<br />
zahlreiche Details der Geschichte ans<br />
Licht, darunter auch seltsame Zufälle<br />
<strong>und</strong> urkomische Anekdoten. Bei Bilginturans<br />
erstem Besuch bei der Familie<br />
waren <strong>die</strong> Straßen in so schlechtem<br />
Zustand, dass er seine wissenschaftliche<br />
Ausrüstung auf dem Rücken zweier<br />
Maultiere in das Dorf transportieren<br />
lassen musste. Der Titel ist inspiriert<br />
durch einen Vorfall, bei dem einer von<br />
Okan Tokas Patienten eine Schusswaffe<br />
abfeuerte <strong>und</strong> dafür ins Gefängnis<br />
geworfen wurde. Der junge Doktor<br />
war gezwungen, sich mit Anwälten<br />
<strong>und</strong> einem Richter zusammensetzen,<br />
um dem alten Mann das Leben zu retten.<br />
Einmal reiste das Team nach Südafrika,<br />
denn es bestand <strong>die</strong> Hoffnung,<br />
dort auf eine weitere Familie mit dem<br />
gleichen Krankheitsbild zu treffen. Es<br />
stellte sich heraus, dass besagte Familie<br />
unter einer anderen Krankheit litt –<br />
doch unterwegs trafen sie zufällig auf<br />
einen Arzt, der einen Patienten mit<br />
genau der gleichen Krankheit hatte.<br />
Aus wissenschaftlicher Sicht gewährt<br />
<strong>die</strong> Geschichte einen tiefen<br />
Einblick in <strong>die</strong> Faktoren, <strong>die</strong> Sylvia<br />
Bähring, Atakan Aydin, Philipp Maass<br />
<strong>und</strong> weitere Gruppenmitglieder dazu<br />
veranlassten, ein einzelnes Projekt<br />
über zwei Jahrzehnte hin zu verfolgen.<br />
Ihre Arbeit war häufig frustrierend,<br />
aber doch lohnend: Im Rahmen<br />
des Projekts scheint nun schließlich<br />
ein zuvor unbekannter Mechanismus<br />
entdeckt worden zu sein, der unsere<br />
DNA-Informationen potentiell zu Erkrankungen<br />
führen lässt.<br />
Die Arbeit an dem Buch hat alle,<br />
<strong>die</strong> im Laufe der vergangenen 20 Jahre<br />
Teil des Projekts waren, in ihren Bann<br />
gezogen – Wissenschaftler, Ärzte, einen<br />
Neurochirurgen <strong>und</strong> natürlich <strong>die</strong><br />
Musketier Ali: Dank ihm <strong>und</strong> seiner Familie ist<br />
das deutsch-türkische Forscherteam den Ursachen<br />
des Bluthochdrucks einen ganzen Schritt<br />
näher gekommen.<br />
Familie in der Türkei. Wir durften uns<br />
glücklich schätzen, dass uns zwei hervorragende<br />
Fotografen auf den Reisen<br />
begleiteten – Maj Britt Hansen <strong>und</strong><br />
Philipp Maass. Hakan Toka steuerte Fotografien<br />
sämtlicher früherer Reisen<br />
bei. Nicola Graf, für <strong>die</strong> Gestaltung<br />
von Translations verantwortlich, ließ<br />
sich ein originelles Design einfallen,<br />
das unser Abenteuer passend widerspiegelt.<br />
Stephen Johnson, ein w<strong>und</strong>erbarer<br />
Künstler <strong>und</strong> alter Fre<strong>und</strong> aus<br />
den USA, steuerte ein großartiges Cover<br />
bei. Das Buch enthält ein Nachwort<br />
von Nihat Bilginturan. Ein weiteres<br />
stammt von Fred Luft, in dem er das<br />
bedeutende Thema der nicht-hypothesengeleiteten<br />
Forschung beleuchtet.<br />
Beide gehören zu den interessantesten<br />
Persönlichkeiten, denen ich jemals begegnet<br />
bin.<br />
Ich habe mich bemüht, <strong>die</strong> Geschichte<br />
mit schriftstellerischem Handwerk<br />
zu verarbeiten; eine Geschichte<br />
über eines der interessantesten <strong>und</strong><br />
ungewöhnlichsten Projekte, an denen<br />
an unserem Institut je gearbeitet wurde<br />
– <strong>und</strong> das gilt wahrscheinlich auch,<br />
wenn man <strong>die</strong> Arbeit anderer Institute<br />
mit berücksichtigt. Durch den gewählten<br />
Schreibstil hoffe ich, einer<br />
möglichst breiten Leserschaft <strong>die</strong> Persönlichkeiten<br />
<strong>und</strong> <strong>die</strong> wissenschaftliche<br />
Arbeit, <strong>die</strong> <strong>die</strong> molekulare Medizin<br />
ausmachen, näherzubringen. Bitte machen<br />
Sie sich von dem Ergebnis Ihr eigenes<br />
Bild.<br />
The Case of the Shortfingered<br />
Musketeer<br />
von Russ Hodge<br />
2013 vom Max-Delbrück-Centrum für Molekulare<br />
Medizin veröffentlicht.<br />
Der Fall des kurzfingrigen Musketiers<br />
erzählt von einem einzigartigen,<br />
Jahrzehnte Forschungsarbeit<br />
umfassenden Abenteuer der<br />
Biomedizin am <strong>MDC</strong>. Wissenschaftler<br />
Fred Luft <strong>und</strong> seine Kolleginnen<br />
<strong>und</strong> Kollegen erforschen seit<br />
20 Jahren <strong>die</strong> ungewöhnliche Erberkrankung<br />
einer Familie in der<br />
Türkei. Der genetische Defekt geht<br />
mit kurzen Fingern <strong>und</strong> Zehen sowie<br />
mit einem extrem hohen Blutdruck<br />
einher. Das Buch ist im <strong>MDC</strong><br />
in der Abteilung für Kommunikation<br />
erhältlich bei Michaela Langer,<br />
Haus 84, Raum 1001/1002 Email:<br />
langer@mdc-berlin.de.<br />
Sonderausgabe bild der<br />
wissenschaft plus<br />
„Ges<strong>und</strong>heit 2030 –<br />
Die molekulare<br />
Herausforderung“<br />
Januar 2013, erschienen im Verlag<br />
Konradin Me<strong>die</strong>n GmbH<br />
Von der Gr<strong>und</strong>lagenforschung<br />
zur Anwendung – das Sonderheft<br />
gibt einen spannenden Einblick in<br />
<strong>die</strong> wissenschaftliche Arbeit am<br />
Max-Delbrück-Centrum. Dank einer<br />
Auflage von mehr als 80.000 Heften<br />
erfahren Leserinnen <strong>und</strong> Leser<br />
aus ganz Deutschland von den aktuellsten<br />
Ergebnissen der Forscherinnen<br />
<strong>und</strong> Forscher des <strong>MDC</strong> <strong>und</strong><br />
den damit verb<strong>und</strong>enen Herausforderungen<br />
der Biomedizin. Das Sonderheft<br />
ist in der Abteilung für<br />
Kommunikation am <strong>MDC</strong> erhältlich,<br />
Haus 84, Raum 1011. Email: communications@mdc-berlin.de<br />
GESUNDHEIT<br />
2030<br />
Die molekulare<br />
Herausforderung<br />
plus<br />
28 imdc04 2013
Forschung<br />
Von Mäusen<br />
<strong>und</strong> Modellen<br />
Molekulare Genetik oder Systembiologie – wie können wir<br />
Antworten auf <strong>die</strong> komplexen Fragestellungen der Biomedizin<br />
finden Um <strong>die</strong>s zu diskutieren, treffen sich jedes Jahr Wissenschaftler<br />
verschiedener Disziplinen beim „Berlin Summer Meeting”<br />
Text Alexander Loewer Fotos lena von oertzen<br />
Seit Jahrzehnten entwickeln Genetiker<br />
immer ausgefeiltere Methoden,<br />
um das Erbgut ausgewählter<br />
Modellorganismen zu modifizieren <strong>und</strong><br />
aus den Veränderungen <strong>die</strong> Funktion<br />
der untersuchten Gene abzuleiten. Das<br />
kann jedoch immer nur Gen für Gen erfolgen,<br />
<strong>und</strong> jede eingefügte Modifizierung<br />
führt zu komplexen Veränderungen<br />
im Organismus. Die Systembiologie<br />
setzt hier an <strong>und</strong> untersucht biologische<br />
Systeme als Ganzes: jede molekulare<br />
Reaktion in der Zelle wird als Teil<br />
eines eng verknüpften Netzwerks gesehen.<br />
Um <strong>die</strong>sen Ansatz verwirklichen<br />
zu können, kombinieren Systembiologen<br />
Hochdurchsatzexperimente mit<br />
computergestützter Auswertung <strong>und</strong><br />
theoretischen Analysen.<br />
Unter dem Motto „Experimental and<br />
Computational Biology MEET“ treffen<br />
sich jedes Jahr Wissenschaftler unterschiedlicher<br />
Disziplinen beim Berlin<br />
Summer Meeting. Nikolaus Rajewsky,<br />
Leiter des Berlin Institute for Medical<br />
Systems Biology (BIMSB) am Max-Delbrück-Centrum<br />
(<strong>MDC</strong>) rief <strong>die</strong>se interdisziplinäre<br />
Konferenz 2008 ins Leben, um<br />
gr<strong>und</strong>legende systembiologische Themenbereiche<br />
mit international renommierten<br />
Biologen, Bioinformatikern, Biomedizinern<br />
<strong>und</strong> Theoretikern zu diskutieren.<br />
2012 wurde das Symposium in einem<br />
besonderen, sehr fokussierten Format<br />
imdc04 2013<br />
29
Forschung<br />
Naturidylle am Döllnsee: Markus Landthaler<br />
vom BIMSB (rechts) <strong>und</strong> Fabio Piano von der<br />
New York University (NYU) nutzen <strong>die</strong> ruhige<br />
Umgebung für ausführliche Gespräche.<br />
Forscherinnen <strong>und</strong> Forscher verschiedener<br />
Disziplinen diskutieren beim „Berlin Summer<br />
Meeting“ <strong>die</strong> Herausforderungen der<br />
Biomedizin.<br />
ausgerichtet: Klaus <strong>und</strong> Nikolaus Rajewsky<br />
luden eine Reihe exzellenter<br />
Wissenschaftler aus aller Welt zu einer<br />
dreitägigen Klausurtagung mit<br />
<strong>MDC</strong> Forschern ein, <strong>die</strong> sie am Döllnsee<br />
in der Schorfheide nördlich von Berlin<br />
ausrichteten. Das Ziel war es, zwei<br />
wissenschaftliche Ansätze gegenüber<br />
zu stellen, <strong>die</strong> jeweils für sich oder in<br />
Kombination miteinander ein tieferes<br />
Verständnis der Komplexität lebender<br />
Organismen versprechen: Genetik <strong>und</strong><br />
Systembiologie.<br />
Das <strong>MDC</strong>, benannt nach Max Delbrück,<br />
einem der Begründer der modernen<br />
Genetik, ist weltweit anerkannt<br />
auf dem Gebiet der molekularen Genetik.<br />
Viele der 60 Arbeitsgruppen nutzen<br />
den molekulargenetischen Ansatz, um<br />
<strong>die</strong> Entstehung menschlicher Krankheiten<br />
zu erforschen. Gleichzeitig<br />
fördert das <strong>MDC</strong> <strong>die</strong> Systembiologie<br />
durch neue Berufungen <strong>und</strong> <strong>die</strong><br />
Bereitstellung von Hochdurchsatztechnologien.<br />
Mittlerweile sind bereits<br />
zehn Gruppen, darunter drei<br />
Technologieplattformen, im Rahmen<br />
des BIMSB etabliert worden. Das<br />
macht das <strong>MDC</strong> zu einem hervorragenden<br />
Ort für <strong>die</strong> Zusammenarbeit <strong>und</strong><br />
Kombination der Stärken von Genetikern<br />
<strong>und</strong> Systembiologen. Ein Beispiel<br />
soll <strong>die</strong>sen Ansatz verdeutlichen: microRNAs<br />
sind kurze Abschnitte genetischer<br />
Information, <strong>die</strong> einen großen<br />
Einfluss auf das Verhalten von Zellen<br />
haben, da jede micro-RNA <strong>die</strong> Aktivität<br />
von tausenden von anderen Molekülen<br />
beeinflussen kann. Genetiker untersuchen<br />
nun, welche Bedeutung <strong>die</strong><br />
Regulation <strong>die</strong>ser vorhegesagten Ziele<br />
hat. Dabei stellt sich häufig heraus,<br />
dass <strong>die</strong> Beeinflussung weniger<br />
Zielgene ausreicht, um den Effekt der<br />
microRNA zu erklären. Warum gibt es<br />
dann so viele verschiedene Zielgene<br />
Und welche Rolle spielt <strong>die</strong> Regulierung<br />
<strong>die</strong>ser Zielgene<br />
Diese <strong>und</strong> viele weitere Fragestellungen<br />
wurden während der drei Tage<br />
am Döllnsee intensiv diskutiert. Dabei<br />
berichteten sowohl internationale<br />
Gäste wie Fabio Piano (New York<br />
University), Neal Copeland (MHR Institute<br />
Houston) <strong>und</strong> Steve Cohen (IM-<br />
CB Singapore) als auch Gruppenleiter<br />
des <strong>MDC</strong> <strong>und</strong> Wissenschaftler aus<br />
ganz Deutschland über ihre Ergebnisse.<br />
Schnell wurde deutlich, dass es bereits<br />
heute keine klaren Grenzen zwischen<br />
Systembiologie <strong>und</strong> Genetik<br />
mehr gibt, sondern dass beide Ansätze<br />
in enger Verbindung stehen müssen,<br />
um <strong>die</strong> komplexen Fragen der heutigen<br />
Biomedizin beantworten zu können.<br />
Eine entscheidende Rolle wird dabei<br />
<strong>die</strong> Förderung der interdisziplinären<br />
Zusammenarbeit spielen, damit<br />
Biologie, Physik <strong>und</strong> Mathematik zusammenwachsen<br />
können. Das F<strong>und</strong>ament<br />
für solch ein Zusammenwachsen<br />
ist <strong>die</strong> Ausbildung des wissenschaftlichen<br />
Nachwuchses. Durch <strong>die</strong> Kombination<br />
von hervorragender Expertise<br />
in der molekularen Medizin mit einer<br />
starken <strong>und</strong> expan<strong>die</strong>renden Systembiologie<br />
bietet das <strong>MDC</strong> ein ideales Umfeld<br />
dafür <strong>und</strong> kann dadurch zum Erkenntnisgewinn<br />
in der molekularen<br />
Gr<strong>und</strong>lagenforschung beitragen <strong>und</strong><br />
translationale Fortschritte erzielen.<br />
30 imdc04 2013
Forschung<br />
Das Immunsystem als<br />
Partner im K ampf<br />
gegen Krebs<br />
Das Immunsystem<br />
schützt den Körper<br />
vor Krankheitserregern<br />
wie Viren<br />
<strong>und</strong> Bakterien.<br />
Doch hilft es auch<br />
im Kampf gegen<br />
Krebs<br />
Beim Cancer Day<br />
des Max-Delbrück-<br />
Centrums für Molekulare<br />
Medizin (<strong>MDC</strong>) am<br />
14. November 2012<br />
diskutierten Ärzte <strong>und</strong><br />
Krebsforscher der<br />
Charité <strong>und</strong> des <strong>MDC</strong><br />
gemeinsam mit Hauptredner<br />
Guido Kroemer,<br />
Direktor des Instituts<br />
Gustave Roussy am<br />
französischen Institut<br />
für Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong><br />
medizinische<br />
Forschung (INSERM).<br />
Zeit für den Forschernachwuchs: Der renommierte<br />
Wissenschaftler Guido Kroemer diskutiert mit<br />
Phd-Student Chris Fröhlich dessen Arbeit.<br />
Wenn ges<strong>und</strong>e Körperzellen zu<br />
Krebszellen mutieren, kommt<br />
es häufig zu einer Vervielfältigung des<br />
Chromosomensatzes. Entartete Zellen<br />
aktivieren daraufhin ein Stressprogramm<br />
<strong>und</strong> präsentieren das Protein<br />
Calreticulin an ihrer Oberfläche. Guido<br />
Kroemer <strong>und</strong> sein Team haben in Versuchen<br />
an Mäusen gezeigt, dass das Immunsystem<br />
in der Lage ist, Calreticulin<br />
präsentierende Krebszellen zu entfernen.<br />
Allerdings schaffen es Krebszellen<br />
immer wieder, der Immunabwehr zu<br />
entkommen, indem sie ihre Chromosomenzahl<br />
reduzieren <strong>und</strong> so <strong>die</strong> Stressantwort<br />
<strong>und</strong> <strong>die</strong> Calreticulin-Präsentation<br />
abschalten. Die Krebszellen sind<br />
auf <strong>die</strong>se Weise geschützt <strong>und</strong> wachsen<br />
ungehindert zu Tumoren an.<br />
Die Behandlung erfolgt häufig<br />
durch Chemotherapeutika, <strong>die</strong> gezielt<br />
Krebszellen abtöten. Guido Kroemer <strong>und</strong><br />
sein Team untersuchten, ob das Immun-<br />
system bei <strong>die</strong>ser Therapie eine unterstützende<br />
Rolle übernimmt. Mittels einer<br />
mikroskopischen Videoanalyse testeten<br />
sie 980 verschiedene Wirkstoffe.<br />
Sie wiesen nach, dass bestimmte Anti-Krebstherapeutika<br />
das Immunsystem<br />
aktivieren, das dann seinerseits<br />
Krebszellen zerstört. Zu ihrer Überraschung<br />
stellten sie fest, dass Medikamente,<br />
<strong>die</strong> bei der Behandlung von<br />
Herzschwäche eingesetzt werden, wie<br />
Digoxin, das Immunsystem ebenfalls<br />
aktivieren. Zukünftig soll eine Kombination<br />
aus Chemotherapie <strong>und</strong> Digoxin<br />
bei Patienten mit sogenannten Kopf-<br />
Hals-Karzinomen getestet werden. Mit<br />
seinen Arbeiten ist es Kroemer gelungen,<br />
<strong>die</strong> synergistische Verknüpfung<br />
zwischen Chemotherapie <strong>und</strong> Immunsystem<br />
aufzuklären. „Als nächstes<br />
müssen wir analysieren, wie der Kampf<br />
des Immunsystems gegen den Tumor<br />
auf molekularbiologischer Ebene verläuft“,<br />
sagt Guido Kroemer.<br />
Michael Hinz<br />
imdc04 2013<br />
31
Forschung<br />
News<br />
Influenzaviren in unmittelbarer Nähe einer<br />
Wirtszelle. | Abb.: Kai Ludwig © Humboldt-<br />
Universität zu Berlin<br />
Grippeviren mit System<br />
bekämpfen<br />
Im neuen Berliner Verb<strong>und</strong>projekt<br />
„ViroSign – Systemvirologie von Influenza<br />
– Molekulare Signatur der permissiven<br />
Virusinfektion“ klärt <strong>MDC</strong>-Forscher<br />
Professor Dr. Matthias Selbach<br />
mit Kollegen aus dem Integrativen<br />
Forschungsinstitut (IRI) für Lebenswissenschaften<br />
an der Humboldt-Universität<br />
zu Berlin (Prof. Dr. Dr. h.c. Edda<br />
Klipp, Prof. Dr. Andreas Herrmann),<br />
dem Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie<br />
(Prof. Dr. Thomas Meyer)<br />
<strong>und</strong> dem Robert-Koch-Institut Berlin<br />
(PD Dr. Thorsten Wolff) auf, welche<br />
Faktoren eine aus Sicht der Viren erfolgreiche<br />
Infektion bestimmen. Ziel<br />
ist es, <strong>die</strong> charakteristischen Proteinsignaturen<br />
(Proteom) einer Wirtszelle<br />
<strong>und</strong> das möglichst vollständige Netzwerk<br />
aller Virus-Wirtszell-Interaktionen<br />
nach einer Infektion durch Influenzaviren<br />
in seiner zeitlichen Dynamik<br />
zu charakterisieren. Im Rahmen des<br />
Programms e:Bio fördert das B<strong>und</strong>esministerium<br />
für Bildung <strong>und</strong> Forschung<br />
(BMBF) das Forschernetzwerk mit 1,94<br />
Millionen Euro.<br />
Neuer Risikofaktor für<br />
Bluthochdruck in der<br />
Schwangerschaft bietet<br />
Therapieansatz<br />
Präeklampsie, eine schwere Komplikation<br />
in der Schwangerschaft, ist eine<br />
der Haupttodesursachen für Mutter <strong>und</strong><br />
Kind in Europa <strong>und</strong> den USA. Betroffen<br />
ist etwa jede 20. Schwangerschaft.<br />
Hauptsymptome sind Bluthochdruck <strong>und</strong><br />
Eiweiß im Urin. Die Entstehung der Präeklampsie<br />
ist nach wie vor ungeklärt. Dr.<br />
Florian Herse (Experimental and Clinical<br />
Research Center, ECRC, von Max-Delbrück-Centrum,<br />
<strong>MDC</strong>, <strong>und</strong> Charité) sowie<br />
Dr. Ralf Dechend (ECRC <strong>und</strong> Helios Klinik<br />
Berlin) haben jetzt ein Enzym entdeckt,<br />
das bei betroffenen Frauen verstärkt<br />
auftritt <strong>und</strong> offenbar an der Symptomatik<br />
beteiligt ist. Im Tierversuch blockierten<br />
sie <strong>die</strong>ses Enzym <strong>und</strong> konnten so den<br />
Krankheitsverlauf mildern<br />
CYP2J2 expression and circulating epoxyeicosatrienoic<br />
metabolites in preeclampsia:<br />
10.1161/CIRCULATIONAHA.112.127340<br />
Hua Jing | Photo: David Ausserhofer | © <strong>MDC</strong><br />
Dr. Julia Kase | Photo: Dietmar Spolert<br />
Curt Meyer-Gedächtnispreis<br />
für <strong>MDC</strong>- <strong>und</strong><br />
Charité-Forscherinnen:<br />
Genschalter spielt widersprüchliche<br />
Rolle bei Krebs<br />
Die Krebsforscherinnen Hua Jing<br />
vom Max-Delbrück-Centrum für Molekulare<br />
Medizin (<strong>MDC</strong>) Berlin-Buch <strong>und</strong><br />
Dr. Julia Kase von der Charité – Universitätsmedizin<br />
Berlin haben am 18.<br />
Dezember 2012 den Curt Meyer-Gedächtnispreis<br />
2012 erhalten. Die mit<br />
insgesamt 10 000 Euro dotierte Auszeichnung<br />
wurde ihnen für eine in der<br />
amerikanischen Fachzeitschrift Genes<br />
and Development erschienene Arbeit<br />
vom Vorsitzenden der Berliner Krebsgesellschaft,<br />
Prof. Peter M. Schlag (Cha-<br />
rité, <strong>MDC</strong>) verliehen. Beide Wissenschaftlerinnen<br />
arbeiten in der Arbeitsgruppe<br />
von Prof. Dr. Clemens Schmitt,<br />
der am <strong>MDC</strong> eine Gastgruppe leitet <strong>und</strong><br />
als Onkologe im Virchow Klinikum der<br />
Charité tätig ist. Die Doktorandin Hua<br />
Jing (Biologie), <strong>die</strong> Medizinerin Dr. Kase<br />
<strong>und</strong> Clemens Schmitt erforschen ein<br />
Zellschutzprogramm, <strong>die</strong> sogenannte<br />
Seneszenz, <strong>die</strong> das Wachstum von<br />
Krebszellen hemmen kann. Dabei entdeckten<br />
sie, dass ein Genschalter (NFkappaB),<br />
der bei verschiedenen Formen<br />
von Lymphdrüsenkrebs (Lymphomen)<br />
als Krebstreiber gilt <strong>und</strong> dazu beiträgt,<br />
dass ein Tumor auf eine Behandlung<br />
nicht mehr anspricht, auch eine gute<br />
Seite haben kann. „Dieser Schalter verstärkt<br />
<strong>die</strong> durch Chemotherapie ausgelöste<br />
Seneszenz, wodurch <strong>die</strong> Zellteilung<br />
bei Lymphdrüsenkrebs endgültig<br />
zum Stillstand gebracht wird“, erläuterte<br />
Prof. Schmitt.<br />
Der Chemiker Prof.<br />
Michael Glickman<br />
vom Technion - Israel<br />
Institute of<br />
Technology in Haifa.<br />
Bessel-Forschungspreis<br />
für Michael Glickman<br />
vom Technion: Enge Zusammenarbeit<br />
mit Max-<br />
Delbrück-Centrum<br />
Für seine herausragenden Forschungsleistungen<br />
ist dem Chemiker<br />
Prof. Dr. Michael Glickman vom Technion,<br />
der Technischen Hochschule Israels<br />
in Haifa, der mit 45 000 Euro dotierte<br />
Friedrich Wilhelm-Bessel-Forschungspreis<br />
der Alexander von Humboldt-Stiftung<br />
(AvH) zuerkannt worden. Mit dem<br />
Preis wird Glickman seine seit Jahren<br />
bestehende Zusammenarbeit mit dem<br />
Zellbiologen Prof. Dr. Thomas Sommer<br />
am Max-Delbrück-Centrum für Moleku-<br />
<strong>MDC</strong>-pressestelle<br />
www.mdc-berlin.de/de/news/2013/index.html<br />
32 imdc04 2013
Forschung<br />
Neu am <strong>MDC</strong><br />
lare Medizin (<strong>MDC</strong>) Berlin-Buch intensivieren<br />
<strong>und</strong> auch am <strong>MDC</strong> forschen.<br />
Der Preis wird ihm im Frühjahr<br />
überreicht werden.<br />
In Hefezellen erforscht Michael<br />
Glickman ein Zellsystem, das Proteine<br />
kontrolliert abbaut. Es sorgt dafür,<br />
dass nicht mehr benötigte oder<br />
fehlerhafte Proteine einen „molekularen<br />
Stempel“ mit dem Protein<br />
Ubiquitin erhalten <strong>und</strong> in der<br />
„Häckselmaschine“ der Zelle, dem<br />
Proteasom, entsorgt werden.<br />
Dr. Marina Chekulaeva<br />
Dr. Marina Chekulaeva kam im<br />
Oktober 2012 als neue Leiterin der<br />
BIMSB-Forschungsgruppe „Nichtko<strong>die</strong>rende<br />
RNAs <strong>und</strong> Mechanismen der cytoplasmatischen<br />
Genregulation ” ans<br />
<strong>MDC</strong>. In ihrer Doktorarbeit, <strong>die</strong> sie am<br />
European Molecular Biology Laboratory<br />
(EMBL) bei Dr. Anne Ephrussi anfertigte,<br />
ging sie der Frage nach, wie der<br />
Transport von mRNA mit translationaler<br />
Regulation zusammenhängt.<br />
Nach ihrer Promotion untersuchte<br />
sie bei Dr. Witek Filipowicz im Friedrich-Miescher-Institut<br />
für Biomedizinische<br />
Forschung in Basel <strong>und</strong> bei Dr. Roy<br />
Parker an der University of Arizona in<br />
Tucson, (USA) <strong>die</strong> Funktionsweise der<br />
miRNA. Am <strong>MDC</strong> erforscht sie <strong>die</strong> molekularen<br />
Mechanismen, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Translation,<br />
Lokalisierung <strong>und</strong> Stabilität von<br />
mRNA regulieren, sowie <strong>die</strong> Rolle nichtko<strong>die</strong>rendener<br />
RNAs in <strong>die</strong>sem Prozess.<br />
Professor Dr. Uwe Ohler<br />
Professor Dr. Uwe Ohler, neuer<br />
BIMSB-Gruppenleiter für „Bioinformatik<br />
der Genregulation“, wechselte im September<br />
2012 von der Duke University<br />
Medical School in Durham, North Carolina<br />
an das <strong>MDC</strong>. Dort war er von 2005 bis<br />
2011 Assistant Professor <strong>und</strong> seit 2011<br />
Associate Professor für Bioinformatik.<br />
Mit seinem Umzug nach Berlin erhielt<br />
er eine Vollprofessur für Biologie an<br />
der Humboldt-Universität. Uwe Ohlers<br />
Gruppe entwickelt hauptsächlich computergestützte<br />
Methoden, um herauszufinden,<br />
welche Regionen im Genom<br />
<strong>und</strong> Transkriptom dafür verantwortlich<br />
sind, dass Gene genau dann <strong>und</strong> dort<br />
exprimiert werden, wo es gerade erforderlich<br />
ist. Ziel ist, den „Regulierungscode“<br />
zu entziffern, das heißt, wie Genexpressionsmuster<br />
in DNA <strong>und</strong> RNA<br />
co<strong>die</strong>rt werden <strong>und</strong> welche Änderungen<br />
in <strong>die</strong>sem Code Krankheiten zugeordnet<br />
werden können.<br />
Dr. Baris Tursun<br />
Ein weiterer neuer Gruppenleiter<br />
am <strong>MDC</strong> ist Dr. Baris Tursun. Seit seiner<br />
Ankunft im Februar 2012 arbeiten<br />
er <strong>und</strong> seine Kolleginnen <strong>und</strong> Kollegen<br />
in der BIMSB-Forschungsgruppe<br />
an der „Genregulation <strong>und</strong> Zelltypspezifizierung<br />
in C. elegans“. Baris Tursun<br />
promovierte am Zentrum für Molekulare<br />
Neurobiologie (ZMNH) bei Dr. Ingolf<br />
Bach in Hamburg, wo er <strong>die</strong> Aktivität<br />
von Ubiquitin-Ligase bei der Neuralentwicklung<br />
untersuchte. Nach seiner<br />
Promotion folgte er seinem Doktorvater<br />
an <strong>die</strong> University of Massachusetts<br />
Amherst (UMass, Worcester, USA) <strong>und</strong><br />
untersuchte dort den Proteinabbau in<br />
Neuronen. Von 2006 bis 2012 arbeitete<br />
Baris Tursun im Labor von Dr. Hobert<br />
an der Columbia University in New York.<br />
Sein Schwerpunkt dort war <strong>die</strong> neuronale<br />
Umprogrammierung <strong>und</strong> epigenetische<br />
Regulation der Zelldifferenzierung.<br />
imdc04 2013 33
Forschung<br />
Gewinner des<br />
Bilderwettbewerbs<br />
2012<br />
Einsendeschluss<br />
für den kommenden Wettbewerb<br />
ist Donnerstag,<br />
2. Mai 2013<br />
Drei wissenschaftliche Bilder sind beim Neujahrsempfang<br />
des Campus Berlin-Buch ausgezeichnet worden.<br />
Die Gewinner des Best Scientific Image Contest 2012<br />
sind Gruppenleiter Professor Dr. Jochen Meier (RNA-Editierung<br />
<strong>und</strong> Hypererregbarkeitserkrankungen, 1. Platz), Matthias<br />
Sury <strong>und</strong> Erik McShane (Zelluläre Signaltransduktion<br />
<strong>und</strong> Massenspektrometrie) aus der Arbeitsgruppe von Professor<br />
Dr. Matthias Selbach (2. Platz) <strong>und</strong> Gwendolyn Billig<br />
(Physiologie <strong>und</strong> Pathologie des Ionentransports) aus der<br />
Arbeitsgruppe von Professor Dr. Thomas Jentsch (3. Platz).<br />
Alle Gewinner freuten sich über Kameras, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Firma<br />
Nikon gesponsert hatte. Jedes Jahr werden Campus-Beschäftigte<br />
aufgefordert, wissenschaftliche Fotografien, <strong>die</strong><br />
aus ihrer Arbeit stammen, einzusenden. Einsendeschluss für<br />
den kommenden Wettbewerb ist Donnerstag, 2. Mai 2013.<br />
Die schönsten werden von den Besucherinnen <strong>und</strong> Besuchern<br />
der Langen Nacht der Wissenschaft per Abstimmung<br />
ausgewählt. Unterstützt wird der Wettbewerb vom Verein<br />
der Fre<strong>und</strong>e <strong>und</strong> Förderer des Max-Delbrück-Centrums für<br />
Molekulare Medizin e. V.<br />
Erster Preis Neuronale Schaltkreise<br />
Ähnlich wie <strong>die</strong> elektrischen Schaltkreise im<br />
Computer leisten unsere neuronalen Netzwerke<br />
erstaunliche Dienste, <strong>die</strong> allerdings weit über<br />
<strong>die</strong> Fähigkeiten eines Computers hinausgehen.<br />
Lila erscheinen <strong>die</strong>jenigen Nervenzellen, <strong>die</strong><br />
mittels Gentransfer dazu angeregt wurden,<br />
therapeutisch wirksame Eiweiße zu erzeugen.<br />
Blau gezeigt ist der Dendritenbaum, an dem <strong>die</strong><br />
ankommenden Signale zusammenlaufen. Gelb<br />
gekennzeichnet sind <strong>die</strong> Zellkerne.<br />
Zweiter Preis Blumenwiese der<br />
Massenspektrometrie Wenn der Maler<br />
Claude Monet in der heutigen Zeit leben würde,<br />
dann würde er sich bestimmt über das Bild aus<br />
dem Massenspektrometer freuen. Die farbigen<br />
„Blumen“ zeigen Proteinfragmente des Darmbakteriums<br />
Escherichia coli, <strong>die</strong> mit Hilfe eines<br />
Massenspektrometers analysiert wurden. Der<br />
Massenspektrometer funktioniert wie eine hochpräzise<br />
Waage, in dem Proteinfragmente anhand<br />
ihres exakten Gewichtes identifiziert werden<br />
können. So ist es heutzutage mit einem Massenspektrometer<br />
möglich, h<strong>und</strong>erte von Proteinen<br />
in ein paar wenigen St<strong>und</strong>en zu analysieren.<br />
Dritter Preis Ein Blick in <strong>die</strong> Nase<br />
einer Maus Gezeigt ist ein Schnitt durch <strong>die</strong><br />
Nasenhöhle einer Maus, bei der verschiedene<br />
Strukturen mit fluoreszierenden Farbstoffen<br />
markiert worden sind. Man erkennt eine<br />
Nasenmuschel, <strong>die</strong> mit Riechschleimhaut<br />
bedeckt ist. In <strong>die</strong>ser befinden sich unzählige<br />
Riechneuronen, <strong>die</strong> ihre Sinneshärchen in <strong>die</strong><br />
Nasenhöhle ausstrecken (gelb). Hier werden <strong>die</strong><br />
Geruchsstoffe erkannt <strong>und</strong> in neuronale Signale<br />
übersetzt. Die roten Strukturen sind <strong>die</strong> Axone<br />
der Riechzellen, <strong>die</strong> sich unter der Riechschleimhaut<br />
zu großen Bündeln vereinen <strong>und</strong><br />
das Geruchssignal zum Gehirn weiterleiten. Jede<br />
Zelle ist außerdem durch ihren blauen Zellkern<br />
erkennbar.<br />
34 imdc04 2013
Forschung<br />
imdc04 2013 35
einblicke<br />
Einblicke<br />
Mit vereinten Kräften: Wissenschaftlicher Vorstand<br />
Walter Rosenthal, <strong>die</strong> damalige B<strong>und</strong>esforschungsministerin<br />
Annette Schavan <strong>und</strong> Administrativer Vorstand<br />
Cornelia Lanz schneiden <strong>die</strong> Geburtstagstorte an.<br />
Der Ärztliche Direktor der Charité Ulrich Frei<br />
<strong>und</strong> <strong>die</strong> Charité-Dekanin Annette<br />
Grüters-Kieslich (v. l.) freuen sich mit.<br />
Herzlichen<br />
Glückwunsch<br />
<strong>MDC</strong><br />
Das Max-Delbrück-Centrum für Molekulare<br />
Medizin (<strong>MDC</strong>) feiert sein 20-jähriges<br />
Bestehen. Fre<strong>und</strong>e <strong>und</strong> Wegbegleiter<br />
der Forschungseinrichtung gratulieren.<br />
Fotos David Ausserhofer<br />
Volles Haus: R<strong>und</strong> 400 Gäste aus<br />
Wissenschaft, Politik <strong>und</strong><br />
Gesellschaft folgten der Einladung<br />
zum 20-jährigen Bestehen.<br />
36 imdc04 2013
Einblicke<br />
< Professorin Dr. Annette<br />
Grüters-Kieslich,<br />
Forschungsdekanin der Charité:<br />
„Mit der modellhaften Institution<br />
des BIG schaffen<br />
wir eine einzigartige Möglichkeit<br />
in der translationalen<br />
Forschung. Das ist<br />
ein entscheidender Schritt<br />
nach vorne, um <strong>die</strong> Versäulung<br />
universitärer <strong>und</strong><br />
außeruniversitärer Forschung<br />
zu überwinden.“<br />
Mit tatkräftiger Unterstützung des <strong>MDC</strong>-Vorstandsvorsitzenden<br />
Professor Dr. Walter Rosenthal <strong>und</strong> des<br />
Administrativen Vorstands Cornelia Lanz schnitt B<strong>und</strong>esforschungsministerin<br />
Annette Schavan nach ihrer Festrede<br />
persönlich <strong>die</strong> dreistöckige Geburtstagstorte an. Mit einem<br />
Festakt zu „Forschung <strong>und</strong> Verantwortung“<br />
feierte das <strong>MDC</strong> am Freitag, 7. Dezember<br />
2012, sein 20-jähriges Bestehen.<br />
Zahlreiche Vertreter aus Politik <strong>und</strong> Wissenschaft waren dabei,<br />
unter anderem <strong>die</strong> Berliner Senatorin für Wirtschaft,<br />
Technologie <strong>und</strong> Forschung, Cornelia Yzer, <strong>die</strong> Vizepräsidentin<br />
des Berliner Abgeordnetenhauses, Anja Schillhaneck, sowie<br />
Professor Dr. Jürgen Mlynek, der Präsident der Helmholtz-Gemeinschaft,<br />
zu dem das <strong>MDC</strong> gehört. In seiner Rede<br />
würdigte Walter Rosenthal <strong>die</strong> Ver<strong>die</strong>nste des Gründungsdirektors<br />
Prof. Detlev Ganten <strong>und</strong> dessen Nachfolgers, Prof.<br />
Walter Birchmeier, <strong>die</strong> mit ihrer Berufungspolitik <strong>und</strong> herausragender<br />
wissenschaftlicher Arbeit zum großen Erfolg<br />
des <strong>MDC</strong> beigetragen hätten. Mit Blick auf <strong>die</strong> anstehende<br />
Gründung des Berliner Instituts für Ges<strong>und</strong>heitsforschung<br />
(BIG) als künftig gemeinsames Dach für Charité <strong>und</strong> <strong>MDC</strong><br />
sagte Professor Dr. Walter Rosenthal „Damit<br />
bietet sich eine einmalige Chance, <strong>die</strong> gemeinsame<br />
Arbeit des <strong>MDC</strong> <strong>und</strong> der Charité<br />
auf dem Gebiet der Translation auf eine<br />
neue inhaltliche <strong>und</strong> strukturelle Gr<strong>und</strong>lage<br />
zu stellen.“<br />
Zum Thema Forschung <strong>und</strong> Verantwortung<br />
trafen sich auf dem Podium Postdoc Gwendolyn<br />
Billig, <strong>MDC</strong>-Vorstand Walter Rosenthal,<br />
Moderatorin Heike Schmoll von der FAZ,<br />
Gründungsdirektor Detlef Ganten <strong>und</strong><br />
PhD-Studentin Nuria Cerdá-Esteban.<br />
Freuten sich über ihr Wiedersehen: Wolf-Michael<br />
Catenhusen (Staatssekretär a. D.), Konrad<br />
Buschbeck (Ministerialrat a.D., Mitglied des<br />
Kuratoriums <strong>und</strong> des Wissenschaftlichen<br />
Ausschusses des <strong>MDC</strong>) <strong>und</strong> Ministerialrat<br />
Jan Grapentin (B<strong>und</strong>esforschungsministerium).<br />
imdc04 2013<br />
37
einblicke<br />
< Professor Dr. Jürgen<br />
Zöllner, Vorstandsvorsitzender<br />
der Stiftung Charité: „Ich<br />
wünsche dem <strong>MDC</strong>, dass<br />
der Erfolg exponentiell<br />
weiter wächst <strong>und</strong> dass<br />
das „BIG“ als Ganzes viel<br />
mehr ist als jeder der beiden<br />
Partner in der Summe<br />
beitragen könnte.“<br />
Annette Schavan (ehemalige B<strong>und</strong>esforschungsministerin) <strong>und</strong> Jürgen Zöllner (Senator a.D. <strong>und</strong><br />
Vorstandsvorsitzender der Stiftung Charité). Dahinter (v.r.) Detlev Ganten <strong>und</strong> <strong>die</strong> drei Berliner<br />
Uni-Präsidenten Jan-Hendrik Olbertz (HU), Jörg Steinbach (TU) <strong>und</strong> Peter-André Alt (FU).<br />
Cornelia Yzer, ><br />
Senatorin für Wirtschaft, Technologie <strong>und</strong> Forschung:<br />
„Das <strong>MDC</strong> hat sich stürmisch entwickelt: Jede Woche<br />
erscheint ein High-Impact-Paper. Eine Leibnizpreisträgerin<br />
<strong>und</strong> zwei Leibnizpreisträger forschen hier.<br />
Die Kooperation zwischen Wissenschaft <strong>und</strong> Wirtschaft<br />
hat am <strong>MDC</strong> von Anfang an eine große Rolle gespielt.<br />
Mit dem gemeinsamen Forschungsraum des BIH entsteht<br />
nun eine Brücke zwischen Klinik <strong>und</strong> Forschung.<br />
Das ist auch eine große Chance für den Wirtschaftsstandort<br />
Berlin. Das <strong>MDC</strong> ist wie es ist – es schaut anlässlich<br />
seines Geburtstages nicht in <strong>die</strong> Vergangenheit,<br />
sondern in <strong>die</strong> Zukunft.“<br />
< Professorin Dr. Annette Schavan,<br />
ehemalige B<strong>und</strong>esministerin für Bildung <strong>und</strong><br />
Forschung: „Herzlichen Glückwunsch zum<br />
Geburtstag <strong>und</strong> vielen Dank für das, was<br />
geleistet wurde. Zu den vornehmsten<br />
Zielen öffentlicher <strong>und</strong> politischer Verantwortung<br />
in unserem Land gehört es,<br />
Zukunftswerkstätten wie Universitäten<br />
<strong>und</strong> Forschungsinstitute weiterzuentwickeln,<br />
zu internationalisieren <strong>und</strong> ihnen<br />
mehr Raum zu geben. Wir müssen Signale<br />
setzen, dass Forschung nicht nur in<br />
Berlin, sondern in ganz Deutschland <strong>und</strong><br />
in Europa zu der Quelle künftigen Wohlstands<br />
gehört.“<br />
38 imdc04 2013
Einblicke<br />
Professor Dr. Jürgen Mlynek, ><br />
Präsident der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher<br />
Forschungszentren: „Wir sind stolz<br />
auf das <strong>MDC</strong>. Es ist eine Perle in der<br />
Ges<strong>und</strong>heitsforschung der Helmholtz-<br />
Gemeinschaft <strong>und</strong> darüber hinaus.“<br />
< Dr. Manfred Erhardt, ehemaliger Senator<br />
für Wissenschaft <strong>und</strong> Forschung: „BIG is<br />
great. Das Berliner Institut für Ges<strong>und</strong>heitsforschung<br />
wird eine große Attraktivität<br />
für <strong>die</strong> besten Wissenschaftler<br />
aus aller Welt haben. Schon jetzt arbeiten<br />
exzellente Wissenschaftler am <strong>MDC</strong>.<br />
Ich erinnere mich noch daran, dass ich<br />
manch schlaflose Nacht gehabt habe,<br />
weil nicht alle damaligen Mitarbeiter aus<br />
den alten Akademieinstituten ihre Position<br />
behalten konnten. Das ging mir damals<br />
sehr an <strong>die</strong> Nieren. Umso mehr<br />
freue ich mich über <strong>die</strong>se Erfolgsgeschichte,<br />
an der Forscher aus Ost <strong>und</strong><br />
West gemeinsam geschrieben haben.“<br />
< Dr. Gudrun Erzgräber,<br />
ehemalige Geschäftsführerin der BBB Management<br />
GmbH: „Ich wünsche dem <strong>MDC</strong> <strong>und</strong><br />
mit ihm dem BIH eine genauso großartige<br />
<strong>und</strong> erfolgreiche Entwicklung wie in<br />
den vergangenen Jahrzehnten. Herr Professor<br />
Ganten <strong>und</strong> ich waren damals ein<br />
gutes Team: Er war der Visionär für <strong>die</strong><br />
Campusentwicklung, ich kümmerte mich<br />
um <strong>die</strong> Umsetzung beim BioTechPark. Es<br />
gibt keinen weiteren Campus in Deutschland,<br />
wo es ein solches Zusammenwirken<br />
von Klinik, Forschung <strong>und</strong> Wirtschaft<br />
gibt. Das schätzen <strong>die</strong> Biotechfirmen.“<br />
imdc04 2013<br />
39
einblicke<br />
20 Jahre<br />
Wissenschaft<br />
20 Jahre <strong>MDC</strong><br />
Eine große Ausstellung präsentiert<br />
<strong>die</strong> wissenschaftlichen Publikationen des <strong>MDC</strong><br />
in den 20 Jahren seit seiner Gründung<br />
Text lucy patterson<br />
Fotos David Ausserhofer<br />
Der 20. Geburtstag, den das Max-<br />
Delbrück-Centrum im Dezember<br />
mit einem Festakt feierte, war auch Anlass<br />
für eine große Wissenschaftsausstellung.<br />
Und groß heißt wirklich groß:<br />
Eine gigantische Infografik mit dem Titel<br />
„20 Jahre Wissenschaft, 20 Jahre<br />
<strong>MDC</strong>“ durchzog den langen Flur des<br />
Hermann-von-Helmholtz-Hauses. An einem<br />
22 Meter langen Zeitstrahl zeigt<br />
<strong>die</strong> Grafik alle 3.210 wissenschaftlichen<br />
Publikationen des <strong>MDC</strong>, <strong>die</strong> seit 1992<br />
entstanden sind. Für jede Einzelne<br />
steht eine „Blase“. Mit der Häufigkeit<br />
der Zitierungen wird der Durchmesser<br />
der „Blasen“ größer. Deren Platzierung<br />
zeigt den Impact-Faktor des Journals<br />
an: je weiter oben auf der Y-Achse,<br />
desto höher der Faktor. Zusätzlich verrät<br />
ein Farbcode, welchem Forschungsgebiet<br />
<strong>die</strong> Autoren der Arbeit zugeordnet<br />
waren.<br />
Die vielen bunten Blasen, groß <strong>und</strong><br />
klein, zeigen sofort, wie viel <strong>und</strong> vor allem<br />
wie hochrangig publiziert wurde –<br />
was für <strong>die</strong> Gestaltung der Ausstellung<br />
eine Herausforderung darstellte: Es war<br />
uns* aus Platzgründen nicht möglich,<br />
jedem der Kreise eine Beschriftung mit<br />
Angaben zum Titel, zur Fachzeitschrift,<br />
zu den Autoren <strong>und</strong> zum Labor zu geben.<br />
Um <strong>die</strong> Anzahl der Labels zu reduzieren,<br />
mussten wir <strong>die</strong> Grenzwerte bei<br />
einem Impact-Faktor höher als 15 oder<br />
bei mehr als 180 Zitierungen festlegen.<br />
Auf ihre eigene Weise erzählt <strong>die</strong>se<br />
Infografik <strong>die</strong> Geschichte des <strong>MDC</strong>. In<br />
den ersten Jahren, Anfang der 90er, in<br />
denen <strong>die</strong> Arbeit am Institut während<br />
der turbulenten Zeiten nach der Wende<br />
anlief, gab es noch relativ wenige Publikationen.<br />
Doch mit der Zeit <strong>und</strong> dank<br />
weiterer Investitionen begann das Institut<br />
zu wachsen <strong>und</strong> sich weiter zu<br />
entwickeln. Mehr <strong>und</strong> mehr Forschungsdaten<br />
wurden gesammelt. Es wird häufig<br />
gesagt, dass <strong>die</strong> Ausarbeitung einer<br />
guten Arbeit vier bis fünf Jahre dauern<br />
kann. Etwa gegen Ende der 90er Jahre<br />
war das <strong>MDC</strong> soweit <strong>und</strong> <strong>die</strong> Anzahl<br />
der Publikationen schnellte in <strong>die</strong> Höhe.<br />
Parallel dazu hat sich in der Wissenschaft<br />
allgemein während der letzten<br />
20 Jahre viel verändert. Um <strong>die</strong> Publikationen<br />
des <strong>MDC</strong> in einen breiteren<br />
Kontext zu stellen, bezieht <strong>die</strong> Ausstellung<br />
auch Meilensteine der Forschung<br />
in den Lebenswissenschaften mit ein:<br />
von den großen Entdeckungen, <strong>die</strong><br />
zur Veränderung unserer Denkweisen<br />
in der Biologie geführt haben, bis hin<br />
zu bahnbrechenden technologischen<br />
40<br />
imdc04 2013<br />
Vertieft in <strong>die</strong> Ausstellung: PhD-Student Matti Bauman.
Einblicke<br />
Entwicklungen, <strong>die</strong> unsere Arbeitsweisen<br />
verändert haben.<br />
In der Forschung<br />
heute unverzichtbar –<br />
grün fluoreszierendes<br />
Protein GFP<br />
Die tägliche Arbeit im Labor sah<br />
beispielsweise vor 20 Jahren ganz anders<br />
aus. Kaum jemand kann sich mehr<br />
vorstellen, Forschung ohne Pubmed, <strong>die</strong><br />
Suchmaschine für Fachliteratur (1997<br />
der Öffentlichkeit erstmals vorgestellt)<br />
zu betreiben. Sogar das Internet selbst<br />
war damals eine Neuheit. PowerPoint<br />
gab es nicht, Mikroskop-Bilder wurden<br />
mit analogen Kameras auf Film festgehalten,<br />
<strong>und</strong> bis zur Erfindung automatischer<br />
Sequenziergeräte 1996 war <strong>die</strong><br />
DNA-Sequenzierung so mühsam (das Gel<br />
musste manuell eingefüllt <strong>und</strong> unzählige<br />
Banden abgelesen werden), dass eine<br />
einzige neu entdeckte Gensequenz<br />
bereits für eine wissenschaftliche Arbeit<br />
ausreichen konnte.<br />
So war es zum Beispiel auch erst<br />
1992, dass <strong>die</strong> Sequenz des GFP (ein<br />
grün fluoreszierendes Protein, das aus<br />
einer Qualle isoliert wird) erstmals veröffentlicht<br />
wurde, <strong>und</strong> 1995, dass verbesserte<br />
Varianten davon das Protein<br />
zu einem weit verbreiteten Hilfsmittel<br />
machten. Es wird als Marker in lebenden<br />
Zellen verwendet <strong>und</strong> ist aus der<br />
modernen Zellbiologie nicht mehr wegzudenken.<br />
Die erste Veröffentlichung<br />
über den Einsatz von GFP im <strong>MDC</strong> kam<br />
1997 von Cristina Cardoso <strong>und</strong> Heinrich<br />
Leonhardt (Cardoso et al., 1997).<br />
Sie hatten ein DNA-Ligase-I:GFP-Fusionsprotein<br />
hergestellt, um erstmals<br />
den zeitlichen Ablauf <strong>und</strong> <strong>die</strong> Lokalisation<br />
der DNA-Replikation in lebenden<br />
Zellen zu untersuchen. Dies brachte zu<br />
„Wall of Fame“: Die 22 Meter lange<br />
Wissenschaftsausstellung interessierte<br />
viele junge Wissenschaftler.<br />
der Zeit neuartige Herausforderungen<br />
mit sich, beispielsweise <strong>die</strong> Problematik,<br />
Zellen unter dem Mikroskop für eine<br />
lange Zeitspanne am Leben zu halten.<br />
Ähnlich verhielt es sich mit den<br />
1994 erstmals erzeugten transgenen<br />
Mäusen unter Verwendung des cre-1oxP<br />
Systems, an dessen Entwicklung auch<br />
Klaus Rajewsky, damals noch in Köln,<br />
beteiligt war. Anstatt das betreffende<br />
Gen komplett auszuschalten, wurde<br />
es nun möglich, Gene erst in späteren<br />
Entwicklungssta<strong>die</strong>n oder auch in spezifischem<br />
Gewebe zu blockieren. Zum<br />
ersten Mal angewendet hat <strong>die</strong> Technologie<br />
am <strong>MDC</strong> Alistair Garratt aus Carmen<br />
Birchmeiers Gruppe (Garratt et al.,<br />
2000). Als Mitglied einer von mehreren<br />
Gruppen am <strong>MDC</strong>, <strong>die</strong> Mitte bis Ende<br />
der 90er Jahre mit dem System experimentierten,<br />
erinnert sich Alastair:<br />
„Wir waren damals nicht sicher, ob <strong>die</strong><br />
Knockouts wirklich funktionieren würden<br />
<strong>und</strong> ob <strong>die</strong> Zeit, <strong>die</strong> wir in <strong>die</strong> Untersuchungen<br />
investierten, es am Ende<br />
wert sein würde. Rekombination ist niemals<br />
h<strong>und</strong>ertprozentig, <strong>und</strong> wir hatten<br />
<strong>die</strong> Befürchtung, dass <strong>die</strong> nicht-rekombinanten<br />
Zellen den Phänotyp bewahren<br />
würden.” Glücklicherweise stellte<br />
sich heraus, dass <strong>die</strong> Sorge unnötig gewesen<br />
war <strong>und</strong> das System hielt, was<br />
es versprochen hatte. Heute ist es ein<br />
zentrales Instrument in der Erforschung<br />
der Rolle von Genen in verschiedenen<br />
Zusammenhängen.<br />
Jede Publikation zählt<br />
Die größte Blase auf der Infografik<br />
steht für eine Veröffentlichung von Professor<br />
Dr. Walter Birchmeier (Behrens et<br />
al., 1996), in der erstmals <strong>die</strong> Wechselwirkung<br />
zwischen LEF1 <strong>und</strong> beta-Catenin<br />
im kanonischen Wnt-Signalweg<br />
beschrieben wurde. Walter Birchmeier<br />
war einer der ersten neuen Gruppenleiter,<br />
<strong>die</strong> das <strong>MDC</strong> 1993 einstellte,<br />
<strong>und</strong> als eine mögliche Erklärung für<br />
den Erfolg seiner Publikation berichtet<br />
er Folgendes: 1995 waren auch seine<br />
Frau Carmen Birchmeier <strong>und</strong> ihre Gruppe<br />
ans <strong>MDC</strong> gekommen <strong>und</strong> veröffentlichten<br />
kurze Zeit später zwei bedeutende<br />
Stu<strong>die</strong>n in „Nature“ (Bladt et al.<br />
1995, Meyer & Birchmeier 1995). „Damals<br />
drohte <strong>die</strong> im <strong>MDC</strong> vorherrschende<br />
Meinung sich nach dem Motto zu entwickeln,<br />
kluge Frau, aber beim Mann<br />
hapert’s ein bisschen“, sagt Birchmeier<br />
lachend. „Ich hatte das Gefühl, etwas<br />
dagegen unternehmen zu müssen.”<br />
Zitierhäufigkeit allein ist jedoch<br />
nicht alles. Und auch der Impact-Faktor<br />
ist nicht in jedem Fall ein verlässlicher<br />
Indikator dafür, wie bedeutend sich eine<br />
Forschungsarbeit erweisen wird. Jede<br />
Publikation spielt eine Rolle. Fest<br />
steht, dass <strong>die</strong> stetig wachsende Anzahl<br />
wissenschaftlicher Publikationen,<br />
<strong>die</strong> <strong>die</strong>se Ausstellung präsentiert, das<br />
wahre Vermächtnis unseres Instituts<br />
darstellt. Niemand hätte vorhersehen<br />
können, wo <strong>die</strong> vergangenen 20 Jahre<br />
uns hinführen würden, hier am <strong>MDC</strong> <strong>und</strong><br />
in den Lebenswissenschaften im Allgemeinen.<br />
Bleibt also <strong>die</strong> Frage: Was dürfen<br />
wir von den nächsten 20 Jahren<br />
erwarten<br />
*Das Konzept für <strong>die</strong> Ausstellung wurde<br />
von Luiza Bengtsson, Vera Glaßer <strong>und</strong><br />
Lucy Patterson erarbeitet<br />
Literaturhinweise<br />
Cardoso et al. J Cell Biol. 1997 139:579-87.<br />
Garratt et al. J Cell Biol. 2000 148:1035-46.<br />
Behrens et al. Nature. 1996 382:638-42.<br />
Bladt et al. Nature 1995 376:768-71.<br />
Meyer & Birchmeier Nature. 1995 378:386-90<br />
imdc04 2013<br />
41
einblicke<br />
20 Jahre <strong>MDC</strong><br />
Teil 2 1997-2001<br />
1997<br />
1999<br />
Gläsernes Labor wird eröffnet<br />
Es bietet in drei Forschungslaboren neben beruflichen<br />
Weiterbildungsangeboten für Lehr- <strong>und</strong> Laborkräfte vor allem<br />
Schüler-Experimentierkurse zu Genetik, Neurobiologie,<br />
Zellbiologie, Ökologie <strong>und</strong> Chemie. Am Tag der offenen Tür<br />
im Jahr 2000 zeigt Laborleiter Dr. Ulrich Scheller, einer der<br />
heutigen Geschäftsführer der BBB Management GmbH, einige<br />
Experimente. Foto: Thomas Müller, © <strong>MDC</strong><br />
Nobelpreisträger besucht <strong>MDC</strong><br />
Der Mitentdecker der DNA-Struktur <strong>und</strong> Medizinnobelpreisträger<br />
James Watson stattet dem <strong>MDC</strong> am 3. Mai 1997<br />
einen kurzen Besuch ab. Er hält <strong>die</strong> Eröffnungsrede beim<br />
„Congress of Molecular Medicine“.<br />
D. Ganten. James D. Watson at the Congress of Molecular Medicine.<br />
J Mol Med (Berl). 1997 Sep;75(9):615-7.<br />
Foto: Thomas Machowina, © Springer-Verlag<br />
1998<br />
2000<br />
Demonstration für den Erhalt der<br />
Uni<strong>klinik</strong>en<br />
Am 13. Januar 2000 demonstrieren Jens Reich <strong>und</strong> viele<br />
andere vor dem Berliner Roten Rathaus für <strong>die</strong> Erhaltung<br />
der Uni<strong>klinik</strong>en am Standort Buch. Die Finanzkrise der Allgemeinen<br />
Ortskrankenkasse (AOK) hatte <strong>die</strong> Spardiskussion<br />
um Bettenkürzungen <strong>und</strong> um Abschaffung des universitären<br />
Status der beiden von der Charité betriebenen Campus-Kliniken<br />
in Gang gebracht.<br />
Gr<strong>und</strong>steinlegung FMP<br />
Am 13. Juli 1998 regnet es in Strömen bei der Gr<strong>und</strong>steinlegung<br />
für den Neubau des Forschungsinstituts für Molekulare<br />
Pharmakologie (FMP) auf dem Campus. Der Berliner<br />
Wissenschaftssenator, Peter Radunski (Mitte), <strong>und</strong> der damalige<br />
Direktor des FMP, Walter Rosenthal (rechts im Bild),<br />
packen mit an. Foto © BBB Management GmbH<br />
42 imdc04 2013
Einblicke<br />
Hoher Besuch am <strong>MDC</strong><br />
Am 29. September 2000 besucht Ihre Königliche Hoheit<br />
Prinzessin Chulabhorn Mahidol, Präsidentin des Chulabhorn<br />
Forschungsinstituts in Bangkok, Thailand, das <strong>MDC</strong>. Professor<br />
Dr. Detlev Ganten (links) führt <strong>die</strong> Prinzessin über den<br />
Campus Berlin-Buch. Foto: Uwe Eising, © <strong>MDC</strong><br />
2001<br />
<strong>MDC</strong>.C Eröffnung<br />
Das neue Kommunikationszentrum (<strong>MDC</strong>.C) des Max-<br />
Del-brück-Centrums für Molekulare Medizin (<strong>MDC</strong>) in Berlin<br />
Buch. Es wurde mit der Verleihung des Deutschen Zukunftspreises<br />
durch B<strong>und</strong>espräsident Johannes Rau am 29. November<br />
2001 eröffnet.<br />
Denkmal eingeweiht<br />
Am 14. Oktober 2000 wird ein<br />
Mahnmal zur Erinnerung an <strong>die</strong> Opfer<br />
nationalsozialistischer Euthanasieverbrechen<br />
<strong>und</strong> ihren Missbrauch durch<br />
Medizin <strong>und</strong> Forschung auf dem Campus<br />
eingeweiht. Das Denkmal erinnert<br />
daran, dass Wissenschaftler des<br />
Kaiser-Wilhelm-Institutes für Hirnforschung<br />
in Berlin-Buch Gehirne von<br />
Euthanasieopfern zu Forschungszwecken<br />
verwendeten. Das Kunstwerk wurde von Anna Franziska<br />
Schwarzbach geschaffen <strong>und</strong> gemeinsam vom <strong>MDC</strong>, der<br />
Max-Planck-Gesellschaft (MPG, München) <strong>und</strong> der Deutschen<br />
Forschungsgemeinschaft (DFG, Bonn) errichtet.<br />
Foto © <strong>MDC</strong>Photo / © BBB Management GmbH<br />
Gr<strong>und</strong>steinlegung des<br />
Kommunikationszentrums des <strong>MDC</strong><br />
Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin Berlin-<br />
Buch am 13. Juli 2000.<br />
Von Anfang an dabei<br />
Dr. Iduna Fichtner, Leiterin der<br />
Forschungsgruppe Experimentelle<br />
Pharmakologie: „Unsere Arbeiten sind an<br />
der Schnittstelle zwischen experimenteller<br />
Krebsforschung <strong>und</strong> klinischer Anwendung<br />
angesiedelt. Ich bin sehr froh, dass ich<br />
meine Forschungen nach der Wende am Max-<br />
Delbrück-Centrum fortsetzen konnte. Bei<br />
der Ausgründung meiner Firma habe ich hier<br />
sehr viel Unterstützung erfahren.“<br />
Anita Glanz, Mitarbeiterin am Empfang:<br />
„Der Umgang mit Menschen verschiedener<br />
Herkunft gefällt mir sehr am <strong>MDC</strong>. In<br />
meinem „Glaskasten“ bin ich für alle sichtbar.<br />
Darum kennen mich <strong>die</strong> meisten Menschen<br />
hier. Bei vielen brauche ich gar nicht<br />
aufzuschauen. Die erkenne ich schon am<br />
Schritt. Schon als kleines Mädchen kannte<br />
ich den Campus. Vieles hat sich geändert.<br />
Heute sitze ich am Empfang <strong>und</strong> bin Teil der<br />
Erfolgsgeschichte. “<br />
Von links: Dr. Christoph Stölzl (Berliner Senator für Wissenschaft, Forschung<br />
<strong>und</strong> Kultur), Prof. Detlev Ganten (<strong>MDC</strong>-Stiftungsvorstand), Dr. Gudrun Erzgräber<br />
(Geschäftsführerin der BBB Management GmbH), Wolfgang Branoner<br />
(Berliner Senator für Wirtschaft <strong>und</strong> Technologie), N.N., <strong>und</strong> Till Behnke<br />
(Architekturbüro Heinle, Wischer <strong>und</strong> Partner). Foto: Uwe Eising, © <strong>MDC</strong><br />
Frank-Peter Kirsch, Stellvertretender<br />
Leiter in der Abteilung Sicherheit:<br />
„20 Jahre <strong>MDC</strong> – das heißt für mich: hochqualifizierte,<br />
spannende Forschung – bei der<br />
stets <strong>die</strong> Blicke in Vergangenheit, Gegenwart<br />
<strong>und</strong> Zukunft gerichtet wurden <strong>und</strong> werden.<br />
Es macht Freude dabei zu sein, Danke zu<br />
sagen <strong>und</strong> neue Ideen mit einzubringen.“<br />
imdc04 2013 43
einblicke<br />
LinkedIn ist gut,<br />
persönlich ist besser<br />
Alumni berichten über ihre berufliche Karriere.<br />
Der Forschernachwuchs hört gespannt zu.<br />
Alumni des <strong>MDC</strong><br />
tauschen sich über<br />
ihre Forschungsarbeit<br />
<strong>und</strong> ihre beruflichen<br />
Laufbahnen aus<br />
Zu den Feierlichkeiten anlässlich<br />
des 20. Geburtstages des<br />
<strong>MDC</strong> kamen nicht nur derzeitige Mitarbeiter<br />
<strong>und</strong> eine eindrucksvolle R<strong>und</strong>e<br />
bedeutender Persönlichkeiten aus<br />
Wissenschaft <strong>und</strong> Politik zusammen,<br />
sondern auch eine Gruppe enthusiastischer<br />
Ehemaliger des <strong>MDC</strong>. Das erste<br />
Alumni-Treffen des <strong>MDC</strong> fand am<br />
Vortag der großen Feier im Dezember<br />
statt <strong>und</strong> lockte circa 60 ehemalige<br />
Doktoranden, Post-Doktoranden <strong>und</strong><br />
Forschungsgruppenleiter nach Berlin.<br />
Sogar aus so weit entfernten Ländern<br />
wie Brasilien, den USA, China,<br />
Kanada <strong>und</strong> In<strong>die</strong>n sowie aus vielen<br />
anderen Teilen der Welt reisten sie an,<br />
um der Einladung ihrer Alma Mater zu<br />
folgen. Während eines wissenschaftlichen<br />
Symposiums, das im Rahmen der<br />
Veranstaltung stattfand, boten sechs<br />
Ehemalige, <strong>die</strong> derzeit jeweils ein eigenes<br />
Labor oder Institut leiten, einen<br />
Überblick über den neuesten Stand ihrer<br />
Forschungsprojekte. Der Keynote-Vortrag<br />
zum Thema "Immune regulation<br />
and cancer, on this and the<br />
other side of the Atlantic" (Immunregulation<br />
<strong>und</strong> Krebs, <strong>die</strong>sseits <strong>und</strong> jenseits<br />
des Atlantiks) wurde von Klaus<br />
Rajewsky gehalten, <strong>und</strong> der muss es<br />
wissen: Erst kürzlich wechselte er mit<br />
seiner Forschungsgruppe an das <strong>MDC</strong>,<br />
nachdem er beinahe ein halbes Jahrh<strong>und</strong>ert<br />
lang bemerkenswerte Forschungsarbeit<br />
in Deutschland <strong>und</strong> den<br />
USA leistete. Der rege wissenschaftliche<br />
<strong>und</strong> persönliche Austausch wurde<br />
durch eine Podiumsdiskussion des <strong>MDC</strong><br />
Career Pathways Special bereichert, in<br />
der sechs weitere Alumni ihre sehr unterschiedlichen<br />
Laufbahnen in Wissenschaft<br />
<strong>und</strong> Industrie Revue passieren<br />
ließen. Die weihnachtliche Beleuchtung<br />
<strong>und</strong> der Anfang Dezember gefallene<br />
Schnee, in dem sich <strong>die</strong> Lichter<br />
spiegelten, boten eine geeignete Kulisse<br />
für das festliche Sankt Nikolaus<br />
Dinner. In einem gemütlichen Restaurant<br />
am Spreeufer ließen <strong>die</strong> Teilnehmer<br />
alte Fre<strong>und</strong>schaften wieder aufleben,<br />
lernten andere Ehemalige kennen<br />
<strong>und</strong> betrieben Networking – <strong>die</strong>smal<br />
nicht virtuell wie bei “LinkedIn”, sondern<br />
auf altmodische Art <strong>und</strong> Weise –<br />
bei einem kühlen Bier <strong>und</strong> einem<br />
knusprigen Entenbraten.<br />
Oksana Seumenicht<br />
44 imdc04 2013
Einblicke<br />
Kairo, <strong>die</strong> Stadt,<br />
<strong>die</strong> niemals schläft<br />
<strong>MDC</strong>-Alumnus<br />
Ahmed Abdelaziz<br />
hat sich trotz der<br />
derzeitigen schwierigen<br />
Lebens- <strong>und</strong> Arbeits-<br />
bedingungen für sein<br />
Heimatland Ägypten<br />
entschieden. Vor<br />
allem, weil er dort<br />
gebraucht wird.<br />
Während des Alumni Abendessens<br />
blickt Dr. Ahmed Abdelaziz<br />
mehrmals auf sein Smartphone.<br />
„Einer meiner Studenten schickt mir<br />
laufend Nachrichten über <strong>die</strong> aktuelle<br />
Situation zuhause“, erklärt der Dozent<br />
der German University of Cairo (GUC).<br />
In Kairo protestieren in dem Moment<br />
tausende von Leuten gegen <strong>die</strong> autoritären<br />
Richtlinien von Präsident Mursi.<br />
Währenddessen tauscht sich Ahmed<br />
Abdelaziz mit den anderen Alumni aus,<br />
warum er in sein Heimatland zurückgegangen<br />
ist.<br />
Die Proteste haben es mittlerweile<br />
in das Laborleben geschafft. Abdelaziz<br />
verlagert jetzt manche der Gruppenseminare<br />
an das Nilufer, wo er mit<br />
seinen Studenten über Forschung <strong>und</strong><br />
<strong>die</strong> politische Situation diskutiert.<br />
Seine Leidenschaft für Ägypten <strong>und</strong><br />
sein Wunsch, etwas zu verändern, haben<br />
ihn dorthin gebracht, wo er jetzt<br />
ist. Als Arzt in Kairo ausgebildet, entschied<br />
er sich für eine Doktorarbeit<br />
in Europa. „Ich glaube, dass ein guter<br />
Arzt genauso viel über Klinik wie<br />
über Forschung wissen muss“, sagt er.<br />
In Professor Ingo Morano fand er einen<br />
Mentor am <strong>MDC</strong>, <strong>und</strong> nach harter<br />
Arbeit bekam er seinen Doktortitel von<br />
der Charité <strong>und</strong> der Humboldt-Universität.<br />
Seine wissenschaftliche Karriere<br />
führte er an der University of Calgary<br />
in Kanada fort. Doch bald bekam er<br />
ein Angebot, nach Kairo zurückzukehren.<br />
„Meine Kanada-Erfahrung war toll,<br />
aber mir war es dort zu kalt, nicht vergleichbar<br />
mit Deutschland. Ich wusste<br />
schon immer, dass Ägypten mein Ziel<br />
ist“, erklärt er. Dann erzählt er über<br />
Kairo, eine Stadt, <strong>die</strong> niemals schläft,<br />
wo <strong>die</strong> Sonne immer scheint <strong>und</strong> <strong>die</strong><br />
Leute warm <strong>und</strong> zugänglich sind.<br />
Als er seine Arbeit als Gruppenleiter<br />
an der GUC anfing, wollte Dr. Abdelaziz<br />
medizinische Probleme untersuchen,<br />
<strong>die</strong> für das ägyptische Volk<br />
relevant sind. Er behandelte damals eine<br />
große Anzahl an Patienten mit Hepatitis<br />
C, hepatozellulärem Karzinom<br />
<strong>und</strong> Lupus Erithromatosus in seiner<br />
privaten Klinik in Kairo. Nach einem<br />
Gespräch mit Dr. Leonid Karawajew<br />
bei einem wissenschaftlichen Besuch<br />
in Berlin, entschied er sich, <strong>die</strong> Rolle<br />
von microRNAs bei <strong>die</strong>sen Krankheiten<br />
zu untersuchen. Sein Labor hat inzwischen<br />
viele Artikel zu <strong>die</strong>sem Thema<br />
publiziert <strong>und</strong> ist auf personalisierte<br />
Medizin für ägyptische Patienten<br />
fokussiert.<br />
Aber Forschung an einer ägyptischen<br />
Universität ist nicht einfach.<br />
„In der Zeit, in der ich eine Publikation<br />
in Ägypten vorbereite, könnte ich<br />
in Deutschland drei anfertigen“, sagt<br />
er. „Manchmal bestellen wir Reagenzien<br />
<strong>und</strong> <strong>die</strong> bleiben für Wochen beim<br />
Zoll liegen. Wenn wir sie bekommen,<br />
sind sie nicht mehr zu gebrauchen“,<br />
ärgert er sich. Trotz allem scheint er<br />
nicht demotiviert zu sein. Etwas von<br />
Null auf zu erschaffen, reizt ihn sehr.<br />
„Ich wusste, dass mein Mehrwert für<br />
ein wissenschaftliches Institut in<br />
Ägypten höher sein würde als beispielsweise<br />
in Deutschland“, betont er.<br />
Uni-Alltag im arabischen Frühling: Ahmed<br />
Abdelaziz mit Studenten aus seinem Seminar.<br />
Noch ein Blick auf das Smartphone.<br />
Eine neue Nachricht blinkt. Er<br />
hofft, dass <strong>die</strong> Revolution <strong>die</strong> Situation<br />
in seinem Land verbessern wird.<br />
„Meine Studenten waren alle auf dem<br />
Tahrir Platz. Ich bin begeistert, wie<br />
hartnäckig sie sind. Von mir lernen sie<br />
über Wissenschaft, von ihnen lerne ich<br />
über das Leben.“ Nuria Cerdá-Esteban<br />
imdc04 2013<br />
45
einblicke<br />
Lehrerfortbildungsprogramm<br />
Labor trifft Lehrer<br />
am Max-Delbrück-Centrum für molekulare<br />
Medizin (<strong>MDC</strong>) in Berlin-Buch<br />
Am Puls der<br />
Wissenschaft<br />
Text Maimona Id Fotos Michele Caliari<br />
„Das hätte ich st<strong>und</strong>enlang weitermachen<br />
können“: Thomas Rzesnik hat sein<br />
Lehrerpult für einen Tag gegen <strong>die</strong><br />
Laborbank eingetauscht.<br />
Mit filigranen Arbeiten kennt sich Thomas Rzesnik bestens aus. Die feinen<br />
Drüsenhaare der Venusfliegenfalle präparierte er schon. Bienenfühler<br />
wurden von ihm gekappt, um über deren Kanälchen das Insektengehirn rot<br />
anzufärben. Das ist jedoch mehr als ein Vierteljahrh<strong>und</strong>ert her. Jetzt steht er<br />
zum ersten Mal wieder im Labor. „Es fühlt sich alles so vertraut an. Mir geht das<br />
Herz richtig auf“, schwärmt der 52-Jährige. Normalerweise ist das Klassenzimmer<br />
sein Arbeitsplatz. Heute tauscht er das Lehrerpult gegen den Sitzplatz am<br />
Gefriermikrotom. Hochkonzentriert sitzt er an dem modernen, mehrere tausend<br />
Euro teuren Präzisionsautomaten, mit dem mikroskopisch feine Gewebepräparate<br />
aus tiefgefrorenem Material hergestellt werden. Mit einem feinen Pinsel fischt<br />
er einen der hauchdünnen Schnitte von dem gekühlten Objekttisch. Ein kritischer<br />
46 imdc04 2013
Einblicke<br />
Die Anfertigung von Gewebeschnitten<br />
verlangt von Annett<br />
Reich jede Menge Fingerfertigkeit.<br />
Moment, denn das wenige Mikrometer<br />
breite Gespinst fällt in sich zusammen<br />
<strong>und</strong> wirft Falten, wenn es nicht<br />
schnell genug auf einem Objektträger<br />
fixiert wird. Die feinen Strukturen<br />
der Gewebeprobe dürfen nicht zerstört<br />
werden, damit <strong>die</strong> angefärbten Zellen<br />
später unter dem Mikroskop zu erkennen<br />
sind. Jede Menge Fingerspitzengefühl<br />
<strong>und</strong> auch etwas Routine gehören<br />
dazu. Nach ein paar Versuchen hat der<br />
Biologielehrer den Bogen raus <strong>und</strong> offensichtlich<br />
einen Riesenspaß an der<br />
Arbeit. „Das ist ein richtiges Erfolgserlebnis.<br />
Das hätte ich st<strong>und</strong>enlang weitermachen<br />
können“, freut sich Thomas<br />
Rzesnik, der an der Berliner Röntgen-<br />
Schule unterrichtet.<br />
Aktuelle Forschung<br />
hautnah erleben<br />
Im Programm „Labor trifft Lehrer“<br />
des <strong>MDC</strong> haben Lehrkräfte unterschiedlicher<br />
Schulformen <strong>die</strong> Möglichkeit, an<br />
einem Spitzeninstitut aktuelle Wissenschaft<br />
hautnah zu erleben. Der heutige<br />
Kurs beschäftigt sich mit der Funktion<br />
<strong>und</strong> dem Aufbau des Nervensystems<br />
<strong>und</strong> seinen Erkrankungen <strong>und</strong> findet in<br />
der Arbeitsgruppe „Entwicklungsbiologie<br />
<strong>und</strong> Signaltransduktion in Nerven<br />
<strong>und</strong> Muskelzellen“ von Professorin<br />
Carmen Birchmeier-Kohler statt. Die<br />
Wissenschaftler Dr. Hagen Wende, Dr.<br />
Thomas Müller <strong>und</strong> Dr. Michael Strehle<br />
erklären verschiedene molekularbiologische<br />
Methoden, <strong>die</strong> bei ihrer Arbeit<br />
zum Einsatz kommen. Gemeinsam mit<br />
der Biologisch-Technischen Assistentin<br />
(BTA) Maria Braunschweig betreuen sie<br />
<strong>die</strong> Kursteilnehmer. Besonders beeindruckt<br />
sind <strong>die</strong> Lehrer vom Besuch in<br />
der Abteilung für Elektronenmikroskopie.<br />
Hier erklärt ihnen <strong>die</strong> Leiterin Dr.<br />
Bettina Purfürst <strong>die</strong> innovativen hochauflösenden<br />
Geräte.<br />
Bei der eintägigen Lehrerfortbildung<br />
steht <strong>die</strong> Praxis klar im Vordergr<strong>und</strong>.<br />
Nach der theoretischen Einführung<br />
müssen <strong>die</strong> sechs Pädagogen<br />
selbst ran. Dabei pipettieren sie nicht<br />
„sinnlos“ irgendwelche Farblösungen<br />
zusammen, sondern erlernen relevante<br />
Methoden wie sie in jedem Forschungslabor<br />
Standard sind. „Unsere<br />
Teilnehmerinnen <strong>und</strong> Teilnehmer bekommen<br />
so einen realistischen Einblick<br />
in <strong>die</strong> neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse<br />
<strong>und</strong> in den Arbeitsalltag<br />
der Labormitarbeiter <strong>und</strong> Wissenschaftler“,<br />
erklärt Dr. Luiza Bengtsson.<br />
Vor etwa eineinhalb Jahren baute <strong>die</strong><br />
Biochemikerin das Programm am <strong>MDC</strong><br />
Hauchzartes Gewebe: Grit Herrmann<br />
zieht den Schnitt vorsichtig auf<br />
einen Objektträger auf.<br />
auf. Kleine Gruppen <strong>und</strong> brandaktuelle<br />
Forschungsthemen, <strong>die</strong> für den Schulunterricht<br />
relevant sind, machen das<br />
Konzept aus. Den nachhaltigen Effekt<br />
der Lehrerweiterbildung unterstützen<br />
didaktisch aufbereitete Lehr- <strong>und</strong> Begleitmaterialien<br />
sowie <strong>die</strong> Ergebnisse<br />
<strong>und</strong> Präparate, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Teilnehmer<br />
angefertigt haben. Damit können sie<br />
den eigenen Unterricht gestalten <strong>und</strong><br />
das Erlernte an <strong>die</strong> Schüler weitergeben.<br />
Wie bei Dr. Annett Reich liegt<br />
auch bei den anderen Kolleginnen <strong>und</strong><br />
Kollegen das Studium Jahrzehnte zurück.<br />
Für ihre Schüler möchte <strong>die</strong> Chemikerin<br />
am Ball bleiben <strong>und</strong> mit den<br />
neuesten Entwicklungen in der Wissenschaft<br />
Schritt halten. „Viele meiner<br />
Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler wollen<br />
noch stu<strong>die</strong>ren. Ich möchte sie auf <strong>die</strong><br />
Anforderungen an der Uni bestmöglich<br />
vorbereiten“, sagt <strong>die</strong> Lehrerin des<br />
Charlotte-Wolff-Kollegs in Charlottenburg-Wilmersdorf.<br />
Das gelingt ihr nur,<br />
wenn sie den Spaß <strong>und</strong> <strong>die</strong> Begeisterung<br />
für ihr Fach vermitteln kann. Mit<br />
den topaktuellen Forschungsthemen<br />
<strong>und</strong> dem gelieferten Anschauungsmaterial<br />
hofft sie, bei den Schülerinnen<br />
<strong>und</strong> Schülern punkten zu können.<br />
Im Forschungslabor des Max-Delbrück-Hauses<br />
ist <strong>die</strong> Stimmung ausgelassen.<br />
Ausgestattet mit <strong>MDC</strong>-Kitteln<br />
schauen <strong>die</strong> drei Lehrerinnen<br />
Annett Reich, Stefanie Rieck <strong>und</strong> Grit<br />
Herrmann Maria Braunschweig über<br />
imdc04 2013<br />
47
einblicke<br />
Kommunikation. Ihr geht es vor allem<br />
darum, den Stellenwert <strong>und</strong> <strong>die</strong> Bedeutung<br />
medizinisch-naturwissenschaftlicher<br />
Gr<strong>und</strong>lagenforschung deutlich zu<br />
machen <strong>und</strong> damit ein Verständnis <strong>und</strong><br />
eine Akzeptanz zu schaffen. Darüber<br />
hinaus sollen junge Leute in der Lage<br />
sein, sich selbst ein Bild von Meldungen<br />
in der Zeitung oder im Fernsehen<br />
wie beispielsweise „Brokkoli hilft gegen<br />
Krebs“ zu machen. Das gehe nur über<br />
ein fun<strong>die</strong>rtes naturwissenschaftliches<br />
Basiswissen, das <strong>die</strong> Schulen vermitteln<br />
sollen. Luiza Bengtsson: „Über <strong>die</strong> Lehrer<br />
erreichen wir <strong>die</strong> Schüler, <strong>und</strong> <strong>die</strong><br />
Schüler von heute sind <strong>die</strong> Gesellschaft<br />
von morgen.“<br />
Lernen statt Lehren: Von BTA Maria<br />
Braunschweig (Mitte) erfahren <strong>die</strong><br />
Lehrkräfte, worauf es ankommt.<br />
“Es ist schön, Leute für unser Themengebiet zu<br />
begeistern. Das hebt das Selbstwertgefühl, denn<br />
Forschung kann manchmal ganz<br />
schön ernüchternd sein“<br />
<strong>die</strong> Schulter. Die BTA zieht gerade einen<br />
besonders empfindlichen Gewebeschnitt<br />
aus einer Kochsalzlösung. Das<br />
müssen <strong>die</strong> drei gleich nachmachen.<br />
Sie staunen, wie viel Handwerk <strong>und</strong> Geschick<br />
zur täglichen Arbeit gehören.<br />
Das Schnuppern der aufregenden Laborluft<br />
scheint den Pädagogen langsam zu<br />
Kopf zu steigen <strong>und</strong> hebt zum Vergnügen<br />
von Maria Braunschweig <strong>die</strong> Laune.<br />
Sie muss an ihre eigene Schulzeit denken.<br />
„Ein bisschen erinnern mich <strong>die</strong><br />
Lehrer an Schüler. Es wird gequatscht<br />
<strong>und</strong> ab <strong>und</strong> an rumgealbert“, sagt <strong>die</strong><br />
27-Jährige <strong>und</strong> lacht. Zwar sitzen noch<br />
nicht alle Handgriffe, aber <strong>die</strong> Lehrerinnen<br />
<strong>und</strong> Lehrer haben sich gut angestellt,<br />
bescheinigt <strong>die</strong> <strong>MDC</strong>-Mitarbeiterin.<br />
Thomas Müller, Hagen Wende<br />
<strong>und</strong> Michael Strehle sind begeistert von<br />
dem positiven Feedback <strong>und</strong> dem großen<br />
Interesse, das ihrer Arbeit entgegengebracht<br />
wird. „Es ist schön, Leute<br />
für unser Themengebiet zu begeistern.<br />
Das hebt das Selbstwertgefühl, denn<br />
Forschung kann manchmal ganz schön<br />
ernüchternd sein“, sagt Müller. Michael<br />
Strehle freut sich über <strong>die</strong> vielen Fragen<br />
zu seinem Vortrag. „Das, was <strong>die</strong><br />
Teilnehmer hier sehen <strong>und</strong> gezeigt bekommen,<br />
geht weit über ihre Schulversuche<br />
hinaus. Das ist ein echtes Highlight<br />
für sie.“ Letztendlich profitieren<br />
aber auch er <strong>und</strong> seine beiden Kollegen<br />
von „Labor trifft Lehrer“. Sie lernen, ihre<br />
komplexe <strong>und</strong> auch komplizierte Forschung<br />
anderen nahe zu bringen. Diese<br />
Notwendigkeit sehen <strong>die</strong> Wissenschaftler<br />
ein. Sie finden, dass Kommunikation<br />
zu ihrer Tätigkeit gehört. „Wir machen<br />
hier eine sehr teure Forschung, <strong>die</strong> mit<br />
Steuergeldern unterstützt wird. Die Öffentlichkeit<br />
hat schlicht ein Recht darauf<br />
zu wissen, was bei uns passiert“,<br />
betont Wende. „Die Leute sollen erkennen,<br />
dass das, was wir machen,<br />
kein Voodoo ist“, ergänzt Thomas Müller.<br />
Programmleiterin Luiza Bengtsson<br />
kann dem nur zustimmen. „Das Bild von<br />
der Wissenschaft, <strong>die</strong> jeden Tag bahnbrechende<br />
Entdeckungen produziert,<br />
stimmt so nicht ganz. In dem Workshop<br />
bekommen <strong>die</strong> Lehrerinnen <strong>und</strong><br />
Lehrer eine Idee davon, wie arbeitsintensiv<br />
Forschung ist <strong>und</strong> dass in der<br />
Regel viele kleine Bausteine in langjähriger<br />
Teamarbeit zum Erfolg führen“,<br />
sagt <strong>die</strong> Mitarbeiterin der Abteilung<br />
Hightech im Labor: René Eichhardt schneidet<br />
am Gefriermikrotom Zellgewebe.<br />
48 imdc04 2013
Einblicke<br />
Immer ein<br />
offenes Ohr<br />
Neuer Personalrat mit „Ehrenmitglied“ Hermann von Helmholtz (mit blauer Jacke): Dennis Siuchninski,<br />
Dr. Dennis Kobelt, Rainer Leben, Elke Güttler, Dagmar Gerhard, Ingo Kahl, Signe Knespel, Dr. Jana Dröse,<br />
Lutz Else <strong>und</strong> Dr. Alexander Löwer (von links nach rechts).<br />
Eintreten für <strong>die</strong> Interessen<br />
der <strong>MDC</strong>-Kollegen: Die Wahl des<br />
neuen Personalrates<br />
Mit einer Beteiligung von 43<br />
Prozent wählten <strong>die</strong> <strong>MDC</strong>-Mitarbeiterinnen<br />
<strong>und</strong> -Mitarbeiter am 3.<br />
<strong>und</strong> 4. Dezember 2012 ihren neuen Personalrat.<br />
Für den reibungslosen Ablauf<br />
sorgten Martin Flachmeier, Petra<br />
Haink, Bettina Krause <strong>und</strong> Jana Richter<br />
im Wahlvorstand. Weil <strong>die</strong> Zahl der<br />
Beschäftigten im <strong>MDC</strong> auf über 1.000<br />
Mitarbeiter gestiegen ist, wurden erstmalig<br />
13 Mitglieder in den Personalrat<br />
gewählt. In den kommenden vier Jahren<br />
Amtszeit werden <strong>die</strong> neu gewählten<br />
Mitglieder Manuela Adloff, Dr. Jana<br />
Dröse, Lutz Else, Robby Fechner, Dagmar<br />
Gerhard, Elke Güttler, Ingo Kahl,<br />
Signe Knespel, Dr. Dennis Kobelt, Rainer<br />
Leben, Dr. Alexander Löwer, Dennis<br />
Siuchninski <strong>und</strong> Corinna Volkwein<br />
<strong>die</strong> Aufgaben der Mitarbeitervertretung<br />
wahrnehmen.<br />
In seiner ersten Sitzung hat der<br />
Personalrat Jana Dröse, Lutz Else, Dagmar<br />
Gerhard <strong>und</strong> Ingo Kahl in seinen<br />
Vorstand gewählt. Alter <strong>und</strong> neuer Vorsitzender<br />
ist Ingo Kahl. Seit vier Jahren<br />
engagiert er sich im Personalrat<br />
<strong>und</strong> ist seit 2009 für <strong>die</strong> Personalvertretung<br />
freigestellt. „Wir machen uns<br />
stark für alle Kolleginnen <strong>und</strong> Kollegen<br />
im <strong>MDC</strong> <strong>und</strong> haben für jedes Problem<br />
<strong>und</strong> jede Frage ein offenes Ohr“,<br />
betont er. Jana Dröse ist erstmalig in<br />
den Personalrat gewählt worden: „Die<br />
Mitarbeiterinnen <strong>und</strong> Mitarbeiter sind<br />
<strong>die</strong>jenigen, durch <strong>die</strong> das <strong>MDC</strong> lebt <strong>und</strong><br />
wächst. Deswegen finde ich es wichtig,<br />
mich für ihre Belange einzusetzen“,<br />
sagt <strong>die</strong> Referentin des PhD-Büros.<br />
Auch Dennis Siuchninski ist neu im Personalrat.<br />
Für den IT-Mitarbeiter ist es<br />
eine große Herausforderung, ein Bindeglied<br />
zwischen Arbeitgeber <strong>und</strong> Arbeitnehmer<br />
zu sein. „Ich möchte nicht<br />
nur meinen Unmut äußern, wenn was<br />
nicht stimmt, sondern an entscheidender<br />
Stelle etwas bewirken“, betont er.<br />
Kernaufgaben der Interessenvertretung<br />
sind alle Fragen r<strong>und</strong> um das<br />
Arbeitsverhältnis <strong>und</strong> den Arbeitsplatz<br />
wie Einstellungen, Befristungen <strong>und</strong><br />
Arbeitsverträge. Aber auch <strong>die</strong> individuellen<br />
Entwicklungsmöglichkeiten der<br />
Beschäftigten <strong>und</strong> <strong>die</strong> Vereinbarkeit<br />
von Beruf <strong>und</strong> Familie gehören zu ihren<br />
Themen. Dabei sieht sich der Personalrat<br />
als wichtigen Teil der innerbetrieblichen<br />
Demokratie. Ingo Kahl<br />
freut sich, dass er mit der Wiederwahl<br />
<strong>und</strong> Bestätigung im Amt seine Arbeit<br />
im Personalrat fortführen <strong>und</strong> ausbauen<br />
kann. Wichtige Themen sind für ihn<br />
außerdem der Umgang mit Konflikten<br />
<strong>und</strong> <strong>die</strong> psychischen Belastungen im<br />
Beruf. „Dafür habe ich mich zum betrieblichen<br />
Fairness- <strong>und</strong> Konfliktberater<br />
fortbilden lassen“, sagt er.<br />
Ein erklärtes Ziel des Personalrates<br />
ist es, sich für längere Vertragslaufzeiten<br />
<strong>und</strong> Entfristungen am <strong>MDC</strong> zu engagieren<br />
<strong>und</strong> den Mitarbeitern damit<br />
eine sichere Perspektive zu geben. „Die<br />
Arbeit in der Wissenschaft ist hart <strong>und</strong><br />
hat besondere „Spielregeln“. Wir setzen<br />
uns als Personalrat dafür ein, dass<br />
dabei fair gespielt wird, jeder Mitarbeiter<br />
eine Chance bekommt <strong>und</strong> niemand<br />
auf der Strecke bleibt“, sagt Ingo Kahl.<br />
Eine wichtige Aufgabe für den Personalrat<br />
wird es sein, beim Aufbau <strong>und</strong><br />
bei der Entwicklung des BIH (Berlin Institut<br />
of Health) <strong>die</strong> Interessen der Beschäftigten<br />
zu vertreten. Id<br />
imdc04 2013 49
einblicke<br />
Starke Partner<br />
aus China<br />
Großes Interesse an deutscher Forschung<br />
Seinen ersten Termin im neuen Jahr reservierte der<br />
chinesische Botschafter für das <strong>MDC</strong><br />
Text Maimona Id Fotos David AuSSerhofer<br />
„Traditionelle chinesische<br />
Medizin <strong>und</strong><br />
moderne Systembiologie<br />
passen gut zusammen.“<br />
Botschafter Shi Mingde im Gespräch mit<br />
<strong>MDC</strong>-Vorstand Walter Rosenthal.<br />
Zu <strong>die</strong>sem überraschenden Ergebnis<br />
kam der chinesische Botschafter<br />
Shi Mingde bei seinem Besuch<br />
am 3. Januar 2013 im Max-Delbrück-<br />
Centrum für Molekulare Medizin (<strong>MDC</strong>).<br />
Seit August 2012 ist er Gesandter der<br />
Volksrepublik in Deutschland. Sein<br />
Landsmann Dr. Wei Chen, Arbeitsgruppenleiter<br />
am Berlin Institute for Medical<br />
Systems Biology (BIMSB) des <strong>MDC</strong>,<br />
hatte dem Diplomaten <strong>und</strong> seinen Begleitern<br />
soeben den Ansatz der Systembiologie<br />
erklärt. Diese betrachtet<br />
den Organismus <strong>und</strong> <strong>die</strong> Abläufe in seinem<br />
Zellstoffwechsel in ihrer Gesamtheit.<br />
So ein ganzheitlicher Ansatz sei<br />
auch der fernöstlichen Heilkunst zu eigen,<br />
sagte der Botschafter bei seinem<br />
ersten Termin im neuen Jahr. In informeller<br />
Atmosphäre stellte <strong>MDC</strong>-Vorstand<br />
Professor Dr. Walter Rosenthal<br />
den chinesischen Gästen das Zentrum<br />
<strong>und</strong> den Campus Buch vor. Dabei betonte<br />
er <strong>die</strong> große Internationalität.<br />
Ein Drittel aller <strong>MDC</strong>-Beschäftigten<br />
sind Ausländer aus mehr als 70 Nationen.<br />
47 chinesische Wissenschaftlerinnen<br />
<strong>und</strong> Wissenschaftler arbeiten hier,<br />
davon 15 Gastwissenschaftler.<br />
Unabhängige Innovation<br />
Im Bezug auf Wissenschaft <strong>und</strong><br />
Forschung lautet <strong>die</strong> Devise Chinas<br />
unabhängige Innovation – das bedeutet<br />
erfinden statt nachmachen.<br />
Die Parteiführung hat den Ehrgeiz,<br />
<strong>die</strong> Volksrepublik zur führenden Wissenschaftsnation<br />
zu machen. „China<br />
hat in der Forschung gewaltig aufgeholt<br />
in den vergangenen Jahren, darum<br />
ist es ein idealer Partner für uns“,<br />
50 imdc04 2013
Einblicke<br />
„Die chinesisch-deutsche Zusammenarbeit<br />
birgt großartige Perspektiven“,<br />
lautet der Eintrag des Botschafters<br />
ins Gästebuch.<br />
Der ganzheitliche Ansatz der Systembiologie<br />
gefiel dem chinesischen Gesandten (rechts im<br />
Bild). Hier im Gespräch mit BIMSB-<br />
Gruppenleiter Wei Chen.<br />
betonte Walter Rosenthal. Ein wichtiger<br />
Punkt für den <strong>MDC</strong>-Vorstand ist <strong>die</strong><br />
Bedeutung der Gr<strong>und</strong>lagenforschung.<br />
Auch hier sah Botschafter Shi Mingde<br />
gemeinsame Herausforderungen.<br />
„Schnell anwendbare Ergebnisse sind<br />
in der Gr<strong>und</strong>lagenforschung selten.<br />
Darum ist ihr Nutzen der Öffentlichkeit<br />
nicht leicht zu vermitteln. Das ist auch<br />
bei uns so“, sagte der Gesandte.<br />
Nach der kurzen Einführung präsentierten<br />
<strong>die</strong> <strong>MDC</strong>-Wissenschaftler<br />
Professor Dr. Michael Bader (Molekularbiologie<br />
von Hormonen im Herz-<br />
Kreislaufssystem), Privatdozent Dr.<br />
Enno Klussmann (Ankerproteine <strong>und</strong><br />
Signaltransduktion) <strong>und</strong> Dr. Wei Chen<br />
(Systembiologie von Gen-regulatorischen<br />
Elementen) einen Überblick<br />
über ihre aktuellen Forschungsergebnisse.<br />
Anschließend besichtigte <strong>die</strong><br />
Delegation <strong>die</strong> Laborräume des BIMSB.<br />
Eine Herzensangelegenheit war für den<br />
Vertreter der Volksrepublik das Treffen<br />
mit den chinesischen PhD-Studenten<br />
am <strong>MDC</strong>. Auf Chinesisch übermittelte<br />
er den Doktoranden Neujahrsgrüße<br />
<strong>und</strong> rief sie auf, sich in <strong>die</strong> deutsche<br />
Gesellschaft zu integrieren, um<br />
sich gegenseitig besser kennenzulernen:<br />
„Die Jugend ist <strong>die</strong> Zukunft unseres<br />
Landes. Nutzen Sie <strong>die</strong> Gelegenheit,<br />
um zu lernen, egal, ob Sie in<br />
Deutschland bleiben oder zurück nach<br />
China gehen.“, ermahnte der 58-Jährige<br />
seine Landsleute. Einen Ratschlag<br />
des Botschafters wollte PhD-Studentin<br />
Hua Jing ganz besonders beherzigen.<br />
Die Preisträgerin des Curt Meyer-Gedächtnispreises<br />
2012 beendet in <strong>die</strong>sem<br />
Jahr in der Arbeitsgruppe von Clemens<br />
Schmitt ihr Graduiertenstudium<br />
am <strong>MDC</strong>. Shi Mingde gab ihr <strong>und</strong> ihren<br />
Kommilitonen mit auf den Weg: „Ges<strong>und</strong>heit<br />
ist unser höchstes Gut. Bleiben<br />
Sie ges<strong>und</strong> <strong>und</strong> vor allem glücklich.<br />
Versuchen Sie, Stress bei der<br />
Arbeit zu vermeiden <strong>und</strong> sich auf ein<br />
erfülltes Leben zu konzentrieren“.<br />
Botschafter Shi Mingde (2.v.l.) freut sich,<br />
im <strong>MDC</strong> Landsleute zu treffen.<br />
imdc04 2013<br />
51
einblicke<br />
Nur<br />
Fliegen<br />
ist<br />
schöner<br />
Bei der 20. Berliner<br />
Marathon-Staffel<br />
auf dem stillgelegten<br />
Flughafen Tempelhof<br />
erkämpften sich <strong>MDC</strong>-<br />
Läufer Platz 93 von<br />
insgesamt 1079<br />
Geht mit gutem Beispiel voran: Dana Lafuente,<br />
Referentin des Administrativen Vorstandes<br />
Foto: Maimona Id<br />
„So etwas gibt es nur in<br />
Berlin. Wo dreht man denn<br />
sonst auf einem Rollfeld an<br />
Flugzeugen vorbei seine<br />
R<strong>und</strong>en“,<br />
fragt Dr. Ulrich Gohlke begeistert. Seit<br />
vier Jahren läuft der Wissenschaftler<br />
mit seinen Kolleginnen <strong>und</strong> Kollegen<br />
regelmäßig in einer <strong>MDC</strong>-eigenen Laufgruppe.<br />
Bei der 20. Berliner Marathon-<br />
Staffel auf dem alten Flughafen Tempelhof<br />
errangen <strong>die</strong> <strong>MDC</strong> Bond Angels mit<br />
einer Zeit von drei St<strong>und</strong>en, elf Minuten<br />
<strong>und</strong> 41 Sek<strong>und</strong>en den zweiten Platz<br />
unter allen Gruppen des Max-Delbrück-<br />
Centrums. Sie mussten sich jedoch den<br />
<strong>MDC</strong> Artists geschlagen geben. Sieben<br />
Sek<strong>und</strong>en schneller landete das Männerteam<br />
bei der Marathon-Staffel auf<br />
dem 93. von 1079 Plätzen.<br />
Laufen statt Fliegen<br />
Wo zuvor noch lebhafter Flugverkehr<br />
herrschte, waren an dem nebligen<br />
Novembersonntag r<strong>und</strong> 7.000 Läuferinnen<br />
<strong>und</strong> Läufer zum Wettkampf zusammengekommen.<br />
Neu war in <strong>die</strong>sem Jahr<br />
<strong>die</strong> Halbmarathon-Distanz von 21,0975<br />
Kilometern. Seit 2008 übernimmt der<br />
<strong>MDC</strong>-Fre<strong>und</strong>eskreis für <strong>die</strong> acht Institutsstaffeln<br />
mit mehr als 30 Aktiven<br />
<strong>die</strong> Anmeldegebühren. Zu ihnen gehört<br />
auch Läuferin <strong>und</strong> Organisatorin Dana<br />
Lafuente. „Das <strong>MDC</strong> zählt weltweit zu<br />
den erfolgreichsten Zentren, <strong>die</strong> sich<br />
der Ges<strong>und</strong>heitsforschung <strong>und</strong> Prävention<br />
verschrieben haben. Da ist es nur<br />
konsequent, dass wir unsere Mitarbeiterinnen<br />
<strong>und</strong> Mitarbeiter motivieren,<br />
regelmäßig Sport zu treiben“, betont<br />
<strong>die</strong> Referentin des Administrativen<br />
Vorstandes. Als Team-Captain der<br />
Bond Angels bemüht sich auch Ulrich<br />
Gohlke jedes Jahr um genügend Läufer<br />
für den Staffellauf. Dabei ist jeder<br />
willkommen. „Einige haben mit Sport<br />
nicht viel am Hut <strong>und</strong> fangen erst zwei<br />
Monate vorher an, zu trainieren. Aber<br />
es geht hier nicht um Leistungssport,<br />
sondern um Spaß mit Kollegen“, sagt<br />
der Forscher. In erster Linie zählen<br />
Teamgeist <strong>und</strong> das gemeinsame Erlebnis.<br />
„Dabei lernt man sich auf einer anderen<br />
Ebene kennen als im Büro oder<br />
im Labor“, erzählt Gohlke.<br />
Ein wichtiges Ziel ist für Dana Lafuente,<br />
neben der Arbeit <strong>die</strong> Zusammengehörigkeit<br />
der mehr als 1.600<br />
Beschäftigten zu fördern. „Mit einem<br />
Altersdurchschnitt von 38 Jahren sind<br />
wir ein sehr junges Zentrum. Jeder absolviert<br />
ein straffes Arbeitsprogramm.<br />
Sport macht Spaß <strong>und</strong> bietet <strong>die</strong> Möglichkeit,<br />
sich über Labor- <strong>und</strong> Bürogrenzen<br />
hinaus zu treffen <strong>und</strong> auszutauschen“,<br />
sagt sie <strong>und</strong> freut sich über<br />
<strong>die</strong> vielen Lauftalente, <strong>die</strong> sie am <strong>MDC</strong><br />
entdeckt hat. Bei den verschiedenen<br />
vom Fre<strong>und</strong>eskreis unterstützten Laufveranstaltungen<br />
2013, unter anderem<br />
dem Berliner Firmenlauf am 24. Mai<br />
<strong>und</strong> dem allod Ges<strong>und</strong>heitslauf am 14.<br />
September, hofft sie auf viele neue Gesichter.<br />
Id<br />
Alle <strong>MDC</strong>-Rekorde auf einen Blick finden<br />
Sie unter www.mdc-berlin.info/de/<br />
infrastruktur/Sports/index.html<br />
Informationen zum Fre<strong>und</strong>eskreis gibt es unter:<br />
www.mdc-berlin.de/fre<strong>und</strong>eskreis<br />
Spaß <strong>und</strong> Teamgeist sind <strong>die</strong><br />
Hauptsache bei den <strong>MDC</strong>-Laufgruppen<br />
Foto: Dana Lafuente<br />
52<br />
imdc04 2013
Einblicke<br />
Politik trifft<br />
Wissenschaft<br />
Erster Parlamentarischer Abend<br />
des <strong>MDC</strong> ist ein Erfolg<br />
ECRC-Wissenschaftler Dominik Müller<br />
erläuterte den Gästen <strong>die</strong> Notwendigkeit<br />
von Tierexperimenten.<br />
Drei große Themen standen im Mittelpunkt<br />
beim ersten Parlamentarischen<br />
Abend des Max-Delbrück-Centrums<br />
für Molekulare Medizin (<strong>MDC</strong>) im<br />
Oktober des vergangenen Jahres: Tierversuche,<br />
<strong>die</strong> anstehende Kooperation<br />
von Charité <strong>und</strong> <strong>MDC</strong> im Berliner Institut<br />
für Ges<strong>und</strong>heitsforschung (BIG; siehe<br />
dazu auch das Titelthema) <strong>und</strong> das<br />
Berlin Institute for Medical Systems<br />
Biology (BIMSB). In kurzen Talkr<strong>und</strong>en<br />
stellten <strong>MDC</strong>-Protagonisten <strong>die</strong>se<br />
Themen im Humboldt Carré am Gendarmenmarkt<br />
vor, um danach bei einem<br />
kleinen Imbiss mit Parlamentariern <strong>und</strong><br />
Gästen aus den Berliner Universitäten<br />
<strong>und</strong> außeruniversitären Forschungseinrichtungen<br />
weiter zu diskutieren.<br />
Zur Zusammenarbeit von<br />
Charité <strong>und</strong> <strong>MDC</strong><br />
Professor Dr. Walter Rosenthal,<br />
Stiftungsvorstand des <strong>MDC</strong>, erläuterte<br />
zum Beispiel, wie wichtig <strong>die</strong> Zusammenarbeit<br />
mit der Charité – Universitätsmedizin<br />
Berlin für das <strong>MDC</strong><br />
ist: „Die Überführung unserer Ergebnisse<br />
aus der Gr<strong>und</strong>lagenforschung in<br />
<strong>die</strong> Anwendung geht nur mit exzellenten<br />
klinischen Partnern, wie wir sie in<br />
der Charité haben.“ Diese translationale<br />
Medizin sei keine Einbahnstraße,<br />
betonte Rosenthal. Ärzte <strong>und</strong> klinische<br />
Forscher werden in einen noch<br />
intensiveren Dialog mit Gr<strong>und</strong>lagenwissenschaftlern<br />
eintreten. „Dafür wird<br />
uns ein gemeinsames Dach <strong>die</strong> geeigneten<br />
Räume geben“, sagte Rosenthal.<br />
Zugleich unterstrich er gemeinsam mit<br />
Professor Dr. Nikolaus Rajewsky <strong>die</strong> Bedeutung<br />
der engen Zusammenarbeit mit<br />
den Berliner Universitäten. <strong>MDC</strong>-Forscher<br />
Rajewsky, der das BIMSB koordiniert,<br />
stellte <strong>die</strong> Arbeit der Forscherinnen<br />
<strong>und</strong> Forscher in der Systembiologie<br />
vor <strong>und</strong> sprach auch über <strong>die</strong> Pläne, in<br />
Berlin-Mitte auf dem Campus Nord der<br />
Humboldt-Universität (HU) einen großen<br />
Neubau zu errichten. HU-Präsident<br />
Professor Dr. Jan-Hendrik Olbertz<br />
hob <strong>die</strong> wichtige Rolle der Kooperation<br />
zwischen <strong>MDC</strong> <strong>und</strong> HU hervor, insbesondere<br />
im neuen Institut für Lebenswissenschaften<br />
IRI Nord der HU.<br />
Informierten sich über Tierversuche in der<br />
Forschung (v.l.): Thorsten Karge (SPD), Brigitte<br />
Jenner (Sprecherin der Tierversuchsgegner Berlin<br />
<strong>und</strong> Brandenburg e.V.) <strong>und</strong> Simon Kowalewski<br />
(Piratenpartei).<br />
Zur Notwendigkeit von<br />
Tierversuchen<br />
Dr. Boris Jerchow, Leiter der Transgenic<br />
Core Facility am <strong>MDC</strong> <strong>und</strong> stellvertretender<br />
Tierhausleiter, sowie Dominik<br />
Müller, Forschungsgruppenleiter<br />
am <strong>MDC</strong> <strong>und</strong> Professor an der Charité,<br />
erläuterten zum Schluss der Talkr<strong>und</strong>en<br />
<strong>die</strong> Notwendigkeit von Tierversuchen<br />
in der biomedizinischen Gr<strong>und</strong>lagenforschung.<br />
Die Pläne des <strong>MDC</strong> für<br />
ein neues Tierhaus mit darin integrierten<br />
modernen Laborräumen (In-vivo-<br />
Pathophysiologielabor, kurz IPL) waren<br />
bei Tierschutzorganisationen <strong>und</strong> einigen<br />
Parlamentariern auf Widerstand<br />
gestoßen. Vor dem Humboldt Carré<br />
hatte sich zeitweise eine Mahnwache<br />
postiert, doch <strong>die</strong> Debatten während<br />
des Parlamentarischen Abends waren<br />
von großer Sachlichkeit geprägt. vg<br />
imdc04 2013<br />
53
einblicke<br />
KulturenKalender<br />
Passahfest 26. März bis 2. April 2013<br />
Mein<br />
Passahfest<br />
Eines der bekanntesten jüdischen Feste erinnert an <strong>die</strong><br />
Geschichte des Auszugs der Israeliten aus Ägypten.<br />
Inbal Ipenberg erzählt, was das Fest für sie bedeutet.<br />
Text Inbal Ipenberg Fotos Lucy Patterson<br />
„Die festliche Kost lockte einen aus dem Bett“: An das Passahfest hat PhD-<br />
Studentin Inbal Ippenberg schöne Kindheitserinnerungen.<br />
erinnere mich noch gut daran, wie wir<br />
<strong>die</strong> Feierlichkeiten mit dem Seder, dem<br />
festlichen Abendessen zum Auftakt<br />
des Festes, begannen – insbesondere<br />
an <strong>die</strong> speziellen koscheren Gerichte,<br />
<strong>die</strong> konservative Juden während des<br />
Passahfestes servieren. Die Prinzipien<br />
<strong>und</strong> Werte, denen ich mich im Laufe<br />
der Jahre verschrieben habe, haben<br />
mich zur Vegetarierin werden lassen,<br />
<strong>und</strong> in <strong>die</strong>sem Fall ist das bedauerlich,<br />
denn dadurch ist es eine große Herausforderung,<br />
einen koscheren Speiseplan<br />
für das Fest zusammenzustellen!<br />
Einige vegetarische Gerichte gibt es<br />
natürlich, aber <strong>die</strong> sind nicht unbedingt<br />
gleichzeitig auch lecker.<br />
Das Passahfest, oder "Pessach"<br />
im Hebräischen, ist ein Fest,<br />
das zum Gedenken an eine Geschichte<br />
gefeiert wird, <strong>die</strong> im Buch Exodus<br />
der hebräischen sowie der christlichen<br />
Bibel zu finden ist. Der Legende<br />
nach floh das Volk Israel zu einer<br />
Zeit, in der Dürre <strong>und</strong> schreckliche<br />
Hungersnot herrschten, nach Ägypten.<br />
Sie ließen sich dort nieder <strong>und</strong><br />
lebten viele Jahre in Frieden, bis ein<br />
neuer Pharao den Thron bestieg. Dieser<br />
fürchtete <strong>die</strong> wachsende Macht<br />
der immer größer werdenden Bevölkerungsgruppe<br />
israelischer Abstammung<br />
<strong>und</strong> so wurden sie zu Sklaven<br />
gemacht <strong>und</strong> zahlreichen weiteren<br />
brutalen Demütigungen ausgesetzt.<br />
Nach h<strong>und</strong>erten von Jahren harter<br />
Arbeit, <strong>die</strong> hauptsächlich dem Ruhm<br />
der Pharaonen <strong>die</strong>nte, so wird erzählt,<br />
führte Moses sie in <strong>die</strong> Freiheit.<br />
Der ägyptische König kam alles<br />
andere als glimpflich davon; nach zehn<br />
von Gott gesandten Plagen entschied<br />
er sich schließlich, das Volk Israel<br />
in seine Heimat zurückkehren zu lassen.<br />
Diese Geschichte ist der traditionelle<br />
Ursprung des siebentägigen<br />
Passahfestes, das jedes Jahr ab dem<br />
14. Tag des Monats Nisan des hebräischen<br />
Kalenders gefeiert wird. Ich<br />
Gesäuerte Nahrungsmittel<br />
sind tabu<br />
Um das Fest auf koschere Art <strong>und</strong><br />
Weise zu feiern, müssen verschiedene<br />
Bedingungen erfüllt werden. Das<br />
wichtigste Ritual besteht darin, sich<br />
vor dem Fest jeglicher gesäuerter Nahrungsmittel<br />
zu entledigen (jedwede<br />
Nahrungsmittel, <strong>die</strong> Weizen, Gerste,<br />
etc. enthalten). Dieser Brauch stammt<br />
ebenfalls von einer Begebenheit in<br />
der Exodus-Geschichte: Die Israeliten<br />
waren in einer solchen Eile, Ägypten<br />
zu verlassen (denn mit gutem Recht<br />
fürchteten sie, dass der Pharao seine<br />
Entscheidung zurücknehmen könnte),<br />
54 imdc04 2013
Einblicke<br />
dass keine Zeit blieb, den Teig jeglicher<br />
Backwaren zu säuern <strong>und</strong> gären<br />
zu lassen. So blieb alles Backwerk<br />
fladenartig flach. Während des Passahfestes<br />
verzichten so auch konservative<br />
Juden auf jede Art gesäuerter<br />
Nahrungsmittel <strong>und</strong> auf diverse Getreidesorten.<br />
Sie benutzen allein das spezielle<br />
„Matzen-Mehl”, das dem besonderen<br />
Fladenbrot des Passahfestes<br />
seinen Namen gibt. Traditionelle jüdische<br />
Haushalte entledigen sich also<br />
in den Tagen vor dem Passahfest<br />
aller gesäuerter Nahrungsmittel, <strong>und</strong><br />
das Haus wird gereinigt, um jegliche<br />
Spuren nichtkoscherer Nahrungsmittel<br />
zu beseitigen. Mein Vater versteckte<br />
vor dem Fest oft Brotscheiben <strong>und</strong><br />
Fladenbrotstücke in kleinen Tüten im<br />
ganzen Haus, nach denen wir bei Kerzenschein<br />
suchen mussten, bevor alles<br />
für <strong>die</strong> Feierlichkeiten bereit war.<br />
Einige Familien verbrennen ihre<br />
gesäuerten Lebensmittel vor dem<br />
Fest; andere verkaufen sie an Nicht-<br />
Juden. Letzteres wird als symbolisches<br />
Ritual angesehen <strong>und</strong> in der Regel<br />
von einer wichtigen Persönlichkeit der<br />
jüdischen Gemeinschaft übernommen,<br />
wie beispielsweise dem Oberrabiner<br />
Israels.<br />
Lieblingsgericht: Matzen<br />
mit Schokoladencreme<br />
Zusätzlich zu einer allgemeinen Reinigung<br />
des ganzen Hauses muss <strong>die</strong><br />
Küche auf besondere Art <strong>und</strong> Weise<br />
für das Fest vorbereitet werden. Meine<br />
Familie besitzt spezielles Geschirr,<br />
das nur für das Passahfest hervorgeholt<br />
wird <strong>und</strong> das für mich immer <strong>die</strong><br />
Stimmung <strong>und</strong> das festliche Drumherum<br />
des Festes symbolisieren wird.<br />
Einige Familien benutzen alltägliches<br />
Geschirr, stellen jedoch sicher,<br />
dass es koscher ist, indem sie es<br />
in heißem Wasser abkochen. Meine<br />
Eltern verstauten das ganze nichtkoschere<br />
Geschirr in den Schränken,<br />
<strong>und</strong> es gab bei uns einen speziellen<br />
koscheren Wandschrank, der nur für<br />
das Geschirr <strong>und</strong> <strong>die</strong> Nahrungsmittel<br />
für das Fest benutzt wurde. Mir gefiel<br />
der Morgen des Passahfests immer<br />
besonders – <strong>die</strong> festliche Kost lockte<br />
einen aus dem Bett. Mein Leibgericht<br />
waren natürlich Matzen mit<br />
Schokoladencreme.<br />
Bitterkraut symbolisiert<br />
<strong>die</strong> Knechtschaft in<br />
Ägypten<br />
Am ersten Abend des Passahfestes<br />
findet ein festliches Abendessen, der<br />
sogenannte „Seder”, statt. Die Familie<br />
versammelt sich um den Esstisch,<br />
<strong>und</strong> es wird aus der „Haggada” gelesen,<br />
in der <strong>die</strong> Geschichte des Auszugs<br />
aus Ägypten erzählt wird. Es ist<br />
außerdem üblich, Menschen zu sich<br />
einzuladen, <strong>die</strong> selber niemanden zum<br />
Feiern haben oder <strong>die</strong> sich <strong>die</strong> Festlichkeiten<br />
finanziell nicht leisten können.<br />
In der Haggada sind <strong>die</strong> vorgesehenen<br />
Riten für das festliche<br />
Abendessen erklärt. Diese sollten in<br />
einer bestimmten Reihenfolge begangen<br />
werden. Der Sederleiter, in der Regel<br />
das älteste Familienmitglied oder<br />
der Vater, segnet <strong>die</strong> Speisen <strong>und</strong> Getränke<br />
<strong>und</strong> informiert <strong>die</strong> Familie über<br />
<strong>die</strong> Essensrituale. Es wird von allen,<br />
<strong>die</strong> bei dem Abendessen dabei<br />
sind, erwartet, dass sie sich an der<br />
Lesung der Haggada beteiligen –<br />
<strong>die</strong>s wird als eine Art Gebot verstanden.<br />
Mit <strong>die</strong>sen Bräuchen versetzen<br />
wir uns in <strong>die</strong> Lage der Israeliten,<br />
<strong>die</strong> aus der Sklaverei befreit<br />
wurden <strong>und</strong> versuchen nachzufühlen,<br />
wie ihnen nach der ermüdenden Wanderung<br />
ins Gelobte Land zumute gewesen<br />
sein muss. Während des Seders<br />
essen wir verschiedene Speisen, <strong>die</strong><br />
jeweils unterschiedliche Aspekte der<br />
Exodus-Geschichte symbolisieren. Wir<br />
essen beispielsweise Bitterkraut (Rettich<br />
oder ein Salatherz), welches<br />
<strong>die</strong> harten Zeiten des Volkes Israel<br />
während der Knechtschaft in Ägypten<br />
symbolisiert. Ein anderes Beispiel<br />
ist Charoset, eine Masse aus getrockneten<br />
Früchten <strong>und</strong> Nüssen als Symbol<br />
für den Lehm, den <strong>die</strong> Israeliten<br />
während ihrer Knechtschaft beim Bau<br />
der Pyramiden <strong>und</strong> anderer Bauwerke<br />
benutzten (so wird es zumindest erzählt).<br />
Einer der schönsten Riten des<br />
Seders ist <strong>die</strong> Tradition, ein Stück<br />
Matze zu verstecken, das „Afikoman”<br />
genannt wird. Der Sederleiter<br />
sollte während des Abendessens<br />
möglichst unauffällig ein Stück Matze<br />
verstecken. Diesen Afikoman dürfen<br />
<strong>die</strong> Kinder, <strong>die</strong> am Seder teilnehmen,<br />
anschließend suchen. Wer als Erster<br />
oder als Erste den Afikoman findet,<br />
bekommt einen Preis. Bis auf ein<br />
einziges Mal habe ich den Afikoman<br />
jedoch nie finden können <strong>und</strong>, soweit<br />
ich weiß, auch mein kleiner Bruder<br />
nicht. Mein Großvater versteckte<br />
den Afikoman immer so gut, dass wir<br />
alle vermuteten, er habe in Wirklichkeit<br />
gar keinen versteckt! Die Haggada<br />
ist voller Erzählungen <strong>und</strong> Lieder über<br />
<strong>die</strong> Exodus-Geschichte, aber ich denke,<br />
<strong>die</strong> meisten Familien sehnen sich<br />
nach dem Teil des Abends, an dem gegessen<br />
wird, ein wenig schneller herbei,<br />
als <strong>die</strong> Lesungen es erlauben <strong>und</strong><br />
überspringen gern den einen oder<br />
anderen Teil. Das Passahfest dauert<br />
sieben Tage. Währenddessen nehmen<br />
konservative Juden ausschließlich<br />
koschere Nahrungsmittel zu sich.<br />
Im Anschluss an das Passahfest feiern<br />
Juden, <strong>die</strong> ursprünglich aus Nordafrika<br />
stammen (aus Marokko, Libyen,<br />
etc.), ein Fest namens „Mimouna”. An<br />
<strong>die</strong>sem Festtag wird ausgelassen gefeiert,<br />
<strong>und</strong> man darf es sich gut gehen<br />
lassen; es werden traditionell große<br />
Mengen unterschiedlicher bunter Süßigkeiten<br />
gegessen, <strong>die</strong> meist aus koscheren<br />
Zutaten hergestellt wurden. Die<br />
nichtkoscheren, berühmten Mimouna-<br />
Pfannkuchen, auch „Mufletas” genannt,<br />
werden gleich nach dem Ende des<br />
Passahfestes zubereitet.<br />
imdc04 2013<br />
55
einblicke<br />
Oh, Du<br />
Fröhliche<br />
<strong>MDC</strong>-Glühweinstand erbringt 1.370 Euro für<br />
junge Menschen auf der Straße<br />
Wer brauchte da noch einen Weihnachtsmarkt Das <strong>MDC</strong> hatte seinen eigenen<br />
Glühweinstand. Bei knackigen Kältegraden, frischgefallenem Schnee<br />
<strong>und</strong> einem einladenden Feuer war <strong>die</strong> kleine Holzhütte vor dem Hermann-von-Helmholtz-Haus<br />
für <strong>die</strong> Beschäftigten des Max-Delbrück-Centrums in der Weihnachtszeit<br />
der Anlaufpunkt nach Feierabend. In geselliger R<strong>und</strong>e <strong>und</strong> bei einem heißen Getränk<br />
konnten <strong>die</strong> Mitarbeiterinnen <strong>und</strong> Mitarbeiter nicht nur den Arbeitstag ausklingen<br />
lassen oder sich <strong>die</strong> Wartezeit auf den Bus vertreiben, sondern auch noch etwas<br />
für den guten Zweck tun. Insgesamt 1.370 Euro nahmen <strong>die</strong> Organisatoren um Lucy<br />
Patterson aus der Abteilung Kommunikation ein. Darüber freuen darf sich Klik, der<br />
Kontaktladen für junge Menschen auf der Straße. Das Projekt finanziert sich ausschließlich<br />
aus Spenden <strong>und</strong> Stiftungsgeldern. Diese ermöglichen Angebote wie<br />
Duschen, Wäsche waschen oder ein warmes Essen sowie Beratung für junge, obdachlos<br />
gewordene Menschen in Berlin. „Mit solchen Aktionen wollen wir das Gemeinschaftsgefühl<br />
auf dem Campus stärken <strong>und</strong> uns für soziale Projekte einsetzen“, betont<br />
Lucy Patterson. Über <strong>die</strong> Unterstützung der vielen Kollegen aus den Forschungsgruppen<br />
<strong>und</strong> der Verwaltung, <strong>die</strong> den Glühweinstand betreuten, freut sie sich sehr. Id<br />
56 imdc04 2013<br />
Foto: David Ausserhofer
Einblicke<br />
Kurz <strong>und</strong> bündig<br />
Geld für Mikroskope: <strong>MDC</strong>-Vorstand Walter Rosenthal<br />
überreicht Pfarrer Hagen Kühne <strong>die</strong> privat gesammelte<br />
Spende an <strong>die</strong> Evangelische Gr<strong>und</strong>schule.<br />
Neujahrsempfang der<br />
Campusgemeinschaft<br />
Berlin-Buch<br />
Die Verbindung von exzellenter Forschung <strong>und</strong> wissensbasierter<br />
Wirtschaft standen beim Neujahrsempfang der Campusgemeinschaft<br />
aus <strong>MDC</strong>, Charité, Leibniz-Institut für Molekulare<br />
Pharmakologie (FMP) <strong>und</strong> Biotechnologiepark am<br />
25. Januar im Mittelpunkt. Als Gastredner hatte <strong>die</strong> <strong>die</strong>sjährige<br />
Gastgeberin, <strong>die</strong> Campusbetreibergesellschaft BBB Management<br />
GmbH, Dr. Andreas Eckert, Vorstandsvorsitzender<br />
der Eckert & Ziegler AG sowie Me<strong>die</strong>n- <strong>und</strong> Wissenschaftsunternehmer<br />
Sebastian Turner eingeladen. Staatssekretär<br />
Guido Beermann aus der Senatsverwaltung für Wirtschaft,<br />
Technologie <strong>und</strong> Forschung hielt ein Grußwort. <strong>MDC</strong>-Direktor<br />
Walter Rosenthal freute sich, dem Vereinsvorsitzenden<br />
der neu gegründeten Evangelischen Gr<strong>und</strong>schule Berlin-<br />
Buch, Pfarrer Hagen Kühne, eine Spende von 1.000 Euro zu<br />
überreichen. Das Geld stammt aus einer privaten Spendenaktion<br />
der <strong>MDC</strong>-Belegschaft <strong>und</strong> aus einer Sammlung während<br />
der Festveranstaltung 20 Jahre <strong>MDC</strong> im Dezember.<br />
Wahl der Jugend- <strong>und</strong><br />
Auszubildendenvertretung<br />
(JAV) 2013<br />
In <strong>die</strong> JAV gewählt wurden am 23. Januar 2013: Christopher<br />
Suckel (Auszubildender Fachinformatiker), Lisa<br />
Hügel (Auszubildende Tierpflegerin), Lisa Mallis (Biologielaborantin),<br />
Martina Kneiseler (Auszubildende<br />
Tierpflegerin) <strong>und</strong> Vivien Rabke (Auszubildende Tierpflegerin).<br />
Die Vertretung arbeitet eng mit dem Personalrat<br />
zusammen <strong>und</strong> kümmert sich um <strong>die</strong> Belange der<br />
Auszubildenden.<br />
Career Day 2013<br />
R<strong>und</strong> um unterschiedliche Karrierewege in der Wissenschaft<br />
geht es am Donnerstag, 11. April 2013 im <strong>MDC</strong>. Verschiedene<br />
Vorträge <strong>und</strong> Podiumsdiskussionen sowie Firmenpräsentationen<br />
informieren Teilnehmerinnen <strong>und</strong> Teilnehmer, welche<br />
Chancen sich neben der akademischen Laufbahn bieten.<br />
Weitere Informationen unter: www.mdc-berlin.de/careerday<br />
Mongolischer<br />
Bildungsminister im<br />
Max-Delbrück-Centrum<br />
Bei einem Besuch am 25. Januar im <strong>MDC</strong> informierte sich<br />
der Bildungsminister der Mongolei, Luvsannyam Gantumur,<br />
bei Professor Dr. Walter Rosenthal, dem Vorstandsvorsitzenden<br />
<strong>und</strong> wissenschaftlichen Stiftungsvorstand des <strong>MDC</strong>,<br />
über <strong>die</strong> Forschung <strong>und</strong> <strong>die</strong> Doktorandenausbildung am <strong>MDC</strong>.<br />
Der zentralasiatische Staat mit seinen 2,7 Millionen Einwohnern<br />
baut in der Hauptstadt Ulan Bator eine deutsch-mongolische<br />
Hochschule auf <strong>und</strong> ist an einer Zusammenarbeit<br />
mit deutschen Forschungseinrichtungen sowie am Austausch<br />
von Doktoranden interessiert.<br />
Der mongolische Bildungsminister Luvsannyam Gantumur mit <strong>MDC</strong>-Vorstand<br />
Walter Rosenthal (v. l.). Im Hintergr<strong>und</strong> Delegationsmitglieder.<br />
Foto: David Ausserhofer<br />
imdc04 2013<br />
57
einblicke<br />
Reauditierung<br />
Beruf <strong>und</strong> Familie am <strong>MDC</strong><br />
Erfolgreiche Reauditierung<br />
Nach erfolgreicher Umsetzung<br />
der Maßnahmen aus dem audit<br />
beruf<strong>und</strong>familie von 2009 bis 2012 hat<br />
sich das <strong>MDC</strong> zur Re-Auditierung 2012<br />
entschlossen. Viele Möglichkeiten bietet<br />
das <strong>MDC</strong> für eine gute Vereinbarkeit<br />
von Beruf <strong>und</strong> Familie. Die Angebote<br />
reichen von Welcome Center,<br />
Campus-Kita <strong>und</strong> Forscherferien<br />
über flexible Arbeitszeiten<br />
bis hin zu Wiedereingliderung<br />
nach Elternzeit <strong>und</strong> Dual Career.<br />
Der Vorstand des <strong>MDC</strong> tritt für eine<br />
Personalpolitik ein, <strong>die</strong> für <strong>die</strong> Gewinnung<br />
der besten Kräfte <strong>und</strong> Talente<br />
<strong>und</strong> für <strong>die</strong> Konzentration auf wissenschaftliche<br />
Leistung wesentlich ist <strong>und</strong><br />
erwartet von allen Führungskräften am<br />
<strong>MDC</strong>, dass sie ihre Führungsverantwortung<br />
entsprechend wahrnehmen. In<br />
den kommenden drei Jahren sollen <strong>die</strong><br />
erfolgreichen Programme fortgeführt<br />
<strong>und</strong> um neue Angebote ergänzt werden,<br />
beispielsweise um <strong>die</strong> des Sozialwerks<br />
B<strong>und</strong> für preiswerte Ferienunterkünfte<br />
oder Kinder- <strong>und</strong> Jugendreisen.<br />
Kontakt<br />
Dana Lafuente<br />
Persönliche Referentin des<br />
Administrativen Vorstandes<br />
<strong>MDC</strong> / Haus 84 / Raum 1110<br />
Tel. 0049(0)30. 9406-2490<br />
d.lafuente@mdc-berlin.de<br />
Gabriele Kollinger<br />
Personalentwicklerin<br />
<strong>MDC</strong> / Haus 84 / Raum 1209<br />
Tel. 0049(0)30. 9406-3715<br />
gabriele.kollinger@mdc-berlin.de<br />
<strong>MDC</strong>-forscher<br />
feriencamp2013<br />
Vom 24. bis 28.06. 2013<br />
auf dem Campus Berlin-Buch für Mädchen <strong>und</strong><br />
Jungen von 11 bis 14 Jahren<br />
Übernachtung im Gläsernen<br />
Labor mit Schlafsack <strong>und</strong> Isomatte<br />
Leistungen Vollpension, Übernachtung mit<br />
24h-Betreuung durch pädagogisch geschulte<br />
Betreuer. Eintrittsgelder & Transfer. Kursmaterial<br />
<strong>und</strong> Auswertung der Versuche am Abend<br />
Selbstbeteiligung 180,00 Euro p.P.<br />
Kontakt <strong>und</strong> Anmeldung<br />
Dr. Bärbel Görhardt<br />
BBB Management GmbH<br />
Gläsernes Labor| Forschergarten<br />
Mail b.goerhardt@bbb-berlin.de<br />
Fon +49(0)30. 9489 2923<br />
Fax +49(0)30. 9489 2927<br />
Anmeldeschluß 30. April 2013<br />
Fotos: Shutterstock, David Ausserhofer<br />
58 imdc04 2013
Einblicke<br />
Ob im <strong>MDC</strong>-Forscherferiencamp oder in den<br />
Experimentierkursen des Gläsernen Labors:<br />
Forscherferien<br />
sind spannend!<br />
Abenteuer<br />
Wissen<br />
Programm<br />
Zeit 24.06.<br />
25.06. 26.06. 27.06. 28.06.<br />
09.00<br />
10.00<br />
11.00<br />
12.00<br />
13.00<br />
14.00<br />
15.00<br />
16.00<br />
17.00<br />
18.00<br />
19.00<br />
20.00<br />
Geocaching: Die<br />
elektronische Schnitzeljagd<br />
des 21. Jahrh<strong>und</strong>erts<br />
– Einführung<br />
<strong>und</strong> Kennenlernen.<br />
Geheimnisvoll <strong>und</strong><br />
wenig erforscht:<br />
Nacktmulle kennen<br />
keinen Schmerz – auf<br />
der Spur der faszinierenden<br />
Säugetiere.<br />
Wer ist der Mörder<br />
Kriminaltechnische Methoden<br />
wie DNA-Analyse<br />
selbst durchführen<br />
<strong>und</strong> den kleinen Laborführerschein<br />
erwerben.<br />
Filmabend mit Popcorn<br />
Lernen wie im Schlaf:<br />
Wie vollbringt unser<br />
Gehirn nachts Höchstleistungen<br />
Der Besuch<br />
in der Schlafdiagnostik<br />
bringt es an den Tag.<br />
Bowlen wie <strong>die</strong><br />
Weltmeister im B1<br />
Schöneiche.<br />
Windkraft, Solarenergie<br />
<strong>und</strong> Co: Beim Green<br />
Campus Day lernt ihr<br />
Regenerative Energien<br />
auf dem Campus<br />
kennen.<br />
Eure Muskelkraft zählt!<br />
Schienenverkehr mal<br />
anders: Mit der Draisine<br />
auf Entdeckertour.<br />
Grillen<br />
Die mit dem Wolf<br />
tanzen – Beim WildLife<br />
Day im Wildpark<br />
Schorfheide das Tier<br />
der Superlative erforschen.<br />
Bei Lagerfeuer einen<br />
eigenen Geocache<br />
auf dem Campus<br />
verstecken.<br />
Schon <strong>die</strong> Atzteken<br />
wussten, was gut ist:<br />
Was alles Ges<strong>und</strong>es<br />
in der Kakaobohne<br />
steckt, erfahrt ihr bei<br />
der Herstellung von<br />
Schokolade.<br />
GPS-Rallye: Per<br />
Satellitensignal den<br />
Campus Buch entdecken<br />
– Picknick<br />
inklusive.<br />
Kurse im Labor Führungen <strong>und</strong> Ausflüge Rahmenprogramm<br />
imdc04 2013<br />
59
Max<br />
max<br />
Die «Doktoranden-<br />
Seelsorger»<br />
Ein Herz für Studentinnen<br />
<strong>und</strong> Studenten:<br />
Als Ombudspersonen<br />
kümmern sich<br />
Daniela Panáková <strong>und</strong><br />
Thomas Sommer um<br />
<strong>die</strong> Belange des Forschernachwuchses.<br />
Die „Doktoranden-<br />
Seelsorger“<br />
Im Oktober 2012 wählten<br />
<strong>die</strong> PhD-Stu<strong>die</strong>renden<br />
am <strong>MDC</strong> eine neue<br />
weibliche Ombudsperson.<br />
Die Wahl fiel auf Dr. Daniela<br />
Panáková. Seit dem Sommer<br />
2011 leitet sie am <strong>MDC</strong> eine<br />
eigene Arbeitsgruppe. Künftig<br />
teilt sie sich das Ombudsamt<br />
mit Professor Dr. Thomas<br />
Sommer. Der Forscher ist<br />
bereits seit 1993 am <strong>MDC</strong><br />
<strong>und</strong> hat schon einige Jahre<br />
Erfahrung als Ombudsperson<br />
sammeln können.<br />
Die PhD-Studentinnen Nadine Richter<br />
<strong>und</strong> Cornelia Hainer sprachen mit beiden<br />
Wissenschaftlern über ihre Aufgaben als<br />
„Doktoranden-Seelsorger“.<br />
Fotos: Michele Caliari<br />
60 imdc04 2013
Max<br />
Worin bestehen <strong>die</strong> Probleme<br />
der Doktoranden<br />
Thomas Sommer: Meist<br />
kommen <strong>die</strong> Studenten mit Fragen auf<br />
mich zu, <strong>die</strong> durch mangelnde Kommunikation<br />
entstehen, wenn es beispielsweise<br />
um Drittmittelverträge,<br />
Deadlines für Berichte oder auch<br />
um Autorenschaften in Publikationen<br />
geht. Mangelnde Kommunikation<br />
in Sachen Autorenschaft können unter<br />
anderem auftauchen, wenn ehemalige<br />
Doktoranden schon an anderen Orten<br />
als Postdocs tätig sind <strong>und</strong> keinen<br />
direkten Kontakt mehr zum Gruppenleiter<br />
haben. Wenn sich Arbeitsgruppen<br />
auflösen <strong>und</strong> Doktoranden dann<br />
den Wohnort wechseln sollen, obwohl<br />
das Ende der Promotion bereits in Sicht<br />
ist, ist das oft schwer mit deren Privatleben<br />
vereinbar. Sie haben Familie oder<br />
andere Gründe, <strong>die</strong> sie in Berlin halten.<br />
In <strong>die</strong>sen Fällen muss dann eventuell eine<br />
neue Arbeitsgruppe gef<strong>und</strong>en werden,<br />
in der das Projekt vollendet werden<br />
kann. Und dann geht es oft auch<br />
um Papierkram, der entsteht, wenn Studenten<br />
von ausländischen Universitäten<br />
mit unterschiedlichen Regularien<br />
kommen.<br />
Daniela Panáková: Als ich<br />
damals am Max-Planck-Institut für<br />
Molekulare Zellbiologie <strong>und</strong> Genetik<br />
(MPI-CBG) in Dresden meine Doktorarbeit<br />
gemacht habe, wurde ich stark<br />
von der Gruppenleiterin unterstützt,<br />
denn <strong>die</strong> Arbeitsgruppe war verhältnismäßig<br />
klein. Ich hatte daher keinen<br />
Bedarf, <strong>die</strong> Ombudsperson unseres Institutes<br />
aufzusuchen. Aber wenn man<br />
ehrlich ist, sind oft 80 Prozent der<br />
Wissenschaft eher frustrierend, wodurch<br />
Probleme vorprogrammiert sind.<br />
Es gibt nun mal kein Rezept für Erfolg.<br />
Aber in vielen Fällen fehlt der Dialog<br />
zwischen den Studenten <strong>und</strong> ihrem<br />
Gruppenleiter, wenn das Projekt<br />
nicht so gut läuft wie erwartet. Es ist<br />
wichtig, <strong>die</strong>s schnell zu erkennen <strong>und</strong><br />
Schwierigkeiten fortlaufend zu besprechen.<br />
Natürlich hoffe ich, dass es<br />
nicht allzu viele Probleme geben wird<br />
<strong>und</strong> alle Studenten glücklich sind.<br />
Welche Art von Hilfe<br />
können Sie als Ombudsperson<br />
anbieten<br />
Daniela Panáková: Als Ombudsfrau<br />
kann ich den Studentinnen<br />
<strong>und</strong> Studenten zuhören <strong>und</strong> ihnen Vorschläge<br />
machen, aber <strong>die</strong> Betreuung<br />
kann ich nicht übernehmen. Allerdings<br />
kann ich <strong>die</strong> Gruppenleiter auf mögliche<br />
Probleme der Studenten aufmerksam<br />
machen. Diese können sehr verschieden<br />
sein <strong>und</strong> hängen stark vom<br />
jeweiligen Studenten ab. Einige arbeiten<br />
unabhängig, andere brauchen mehr<br />
Führung <strong>und</strong> regelmäßige direkte Betreuung.<br />
Die Gruppenleiter kennen <strong>die</strong><br />
Bedürfnisse der Doktoranden natürlich<br />
nicht von Anfang an. Es ist <strong>die</strong> Aufgabe<br />
des Doktoranden, seinen individuellen<br />
Bedarf an Unterstützung deutlich<br />
zu machen <strong>und</strong> eventuell selbst<br />
Druck auszuüben. Ich als Ombudsperson<br />
kann versuchen zu vermitteln, mit<br />
den Betreuern zu sprechen <strong>und</strong> Lösungen<br />
für auftretende Probleme zu finden.<br />
Denn eine gute Beziehung zwischen<br />
Studenten <strong>und</strong> ihren Betreuern<br />
sowie ein konstanter Dialog sind Voraussetzung<br />
für ein erfolgreich verlaufendes<br />
Projekt.<br />
Thomas Sommer: Die Art<br />
von Hilfe, <strong>die</strong> ich geben kann, ist abhängig<br />
vom Problem. Zunächst spreche<br />
ich persönlich mit dem Studenten<br />
über sein Anliegen <strong>und</strong> viele Dinge<br />
lassen sich so schon klären. Ist <strong>die</strong> Situation<br />
komplexer, dann würde ich, wenn<br />
der Student einwilligt, den Gruppen-<br />
leiter kontaktieren. Jedoch befürchten<br />
Studenten oft, dass <strong>die</strong>s nachteilige<br />
Auswirkungen für sie hat. Falls es<br />
zu verhärteten Fronten gekommen ist,<br />
versuche ich <strong>die</strong> Gespräche wieder in<br />
Gang zu bringen, denn eine gute Arbeitsgruppenkultur<br />
steht im Vordergr<strong>und</strong>.<br />
Man setzt sich zu dritt zusammen<br />
oder mit einer weiteren Person,<br />
zum Beispieleinem anderen Gruppenleiter.<br />
Das Ziel ist, den Standpunkt jedes<br />
Einzelnen klar darzustellen <strong>und</strong><br />
eine pragmatische Lösung für den Doktoranden<br />
zu finden. Ich denke, mit <strong>die</strong>ser<br />
Strategie war ich bisher erfolgreich.<br />
Durch welche Neuerungen<br />
am Institut könnte<br />
<strong>die</strong> Situation der Doktoranden<br />
verbessert werden<br />
Thomas Sommer: Die jetzige<br />
Betreuungssituation hat sich im<br />
Vergleich zu meiner Anfangszeit bereits<br />
enorm verbessert. Beispielsweise<br />
kam es zur Einführung des jährlichen<br />
PhD Committee Meetings. Das PhD<br />
Committee gibt den Doktoranden <strong>die</strong><br />
Möglichkeit, ihr Projekt mit zwei weiteren<br />
Gruppenleitern zu diskutieren<br />
<strong>und</strong> eventuelle neue Einblicke oder<br />
Hinweise zu erhalten. Dadurch kann<br />
man „festgefahrene“ Probleme lösen.<br />
Für viele Doktoranden wäre es gerade<br />
zu Beginn ihrer Doktorarbeit hilfreich,<br />
anderen Arbeitsgruppenleitern einen<br />
groben Entwurf ihres Projektes vorzustellen,<br />
damit sie in der Anfangsphase<br />
nicht im Dunkeln tappen. Sie brauchen<br />
imdc04 2013<br />
61
Max<br />
eine gewisse vorgegebene Linie, <strong>die</strong><br />
sie selbstständig weiterentwickeln<br />
können. Die Doktormutter oder der<br />
Doktorvater haben dann <strong>die</strong> Aufgabe,<br />
<strong>die</strong> krausen Gedanken des „flügge gewordenen<br />
Studenten“ zu ordnen.<br />
Fotos: David Ausserhofer<br />
Was reizt Sie an Ihrer<br />
Aufgabe als Ombuds-person<br />
Thomas Sommer: Natürlich<br />
ist es immer schön, anderen zu helfen.<br />
Man sieht zu, wie sich <strong>die</strong> Studenten<br />
entwickeln, sich verändern <strong>und</strong> mit ihren<br />
Erfolgen wachsen. Sie werden mit<br />
der Zeit selbstsicherer <strong>und</strong> stellen<br />
fest, dass andere auch nur mit Wasser<br />
kochen. Allerdings werde ich trotz<br />
der hohen Doktorandenzahl am <strong>MDC</strong><br />
relativ selten aufgesucht, was hoffentlich<br />
kein Anzeichen von Misstrauen<br />
ist! Viele Aufgaben sind inzwischen<br />
auch durch das Graduate Office abgedeckt.<br />
Unangenehme Erfahrungen gab<br />
es kaum. Ich erhalte zwar im Nachhinein<br />
wenig Feedback, gehe aber davon<br />
aus, dass alles wieder in Ordnung gebracht<br />
ist. Die Arbeit mit den Doktoranden<br />
macht mir einfach Spaß!<br />
Daniela Panáková: Es gibt<br />
ja eher weniger Gruppenleiterinnen am<br />
<strong>MDC</strong>, aber immer mehr Frauen in den<br />
Naturwissenschaften. Darum finde ich<br />
es wichtig, dass es auch eine weibliche<br />
Ombudsperson gibt. Ich war überrascht,<br />
als ich vom Wahlergebnis erfuhr.<br />
Ich freue mich darüber <strong>und</strong> fühle<br />
mich sehr geehrt. Ich werde mein Bestes<br />
geben <strong>und</strong> den Job ernst nehmen.<br />
Nadine Richter, Cornelia Hainer<br />
Mit dem Herzen entscheiden, was glücklich macht, rät der<br />
renommierte Wissenschaftler Gottfried „Jeff“ Schatz.<br />
„Hör auf<br />
dein Herz!“<br />
Bei der ersten PhD-Graduiertenzeremonie<br />
am <strong>MDC</strong><br />
sprach der bekannte Biochemiker<br />
Gottfried „Jeff“ Schatz zu den<br />
frisch Promovierten. Eine von ihnen<br />
war Kristin Petzold. Für das<br />
imdc berichtet sie von der Feier.<br />
Vor fast vier Jahren kam ich als<br />
erste Doktorandin meiner Chefin<br />
in ein fast leeres Labor. In der<br />
darauf folgenden Zeit wuchs unsere<br />
Arbeitsgruppe, unser Equipment<br />
<strong>und</strong> mit ihnen mein Verständnis der<br />
embryonalen Pankreasentwicklung.<br />
Nun ist <strong>die</strong> Doktorarbeit geschrieben,<br />
verteidigt <strong>und</strong> publiziert. Obwohl<br />
der Weg dahin nicht einfach<br />
war, habe ich eine Menge gelernt.<br />
62 imdc04 2013
Max<br />
Der Abschluss <strong>die</strong>ser aufregenden Doktorandenzeit<br />
ver<strong>die</strong>nte definitiv eine<br />
schöne Zeremonie als Anerkennung.<br />
Darüber, wie solch eine Feierlichkeit<br />
aussehen sollte, machte ich mir<br />
mit den Koordinatoren der <strong>MDC</strong>-Graduiertenschulen<br />
Jana Droese, Michaela<br />
Herzig, Sabine Löwer <strong>und</strong> Annette<br />
Schledz sowie den PhD-Studentinnen<br />
Amal Alami <strong>und</strong> Douaa Mugahid Gedanken.<br />
Zusammen organisierten wir <strong>die</strong><br />
erste PhD-Graduiertenzeremonie am<br />
<strong>MDC</strong>, <strong>die</strong> am 7. Dezember 2012 stattfand.<br />
Den einstündigen Festakt eröffneten<br />
<strong>MDC</strong>-Direktor Walther Rosenthal<br />
<strong>und</strong> sein Stellvertreter Thomas Sommer<br />
mit einem Grußwort. Sie gratulierten<br />
den erfolgreichen Absolventinnen <strong>und</strong><br />
Absolventen <strong>und</strong> wünschten viel Erfolg<br />
beim nächsten Karriereschritt. Die<br />
anschließende Ansprache des preisgekrönten<br />
<strong>und</strong> rhetorisch begabten<br />
Hauptredners Gottfried „Jeff“ Schatz<br />
bildete nicht nur für mich den Höhepunkt<br />
der Feierlichkeit. Auf humorvolle<br />
<strong>und</strong> kritische Art beschrieb der<br />
Biochemiker seine Sichtweise auf <strong>die</strong><br />
Wissenschaft <strong>und</strong> <strong>die</strong> Wissenschaftler.<br />
Denn ein Wissenschaftler, so Jeff, beschäftige<br />
sich nicht mit Wissen, sondern<br />
mit Nichtwissen. Er gäbe sich nie<br />
zufrieden mit vorhandenen Dogmen,<br />
sondern versuche <strong>die</strong>se immer wieder<br />
in Frage zu stellen, um nach deren<br />
Beantwortung nur noch mehr Fragen<br />
aufzuwerfen. „Hör auf dein Herz!“,<br />
sagte Jeff. Ehrgeiz <strong>und</strong> Leistungsbereitschaft<br />
könnten uns zwar eine erfolgreiche<br />
Zukunft bringen, aber nur<br />
unser Herz könne uns sagen, welche<br />
Entscheidungen uns glücklich machen.<br />
Im Anschluss an den kräftigen Applaus<br />
für Jeffs Rede wurden <strong>die</strong> 20<br />
Absolventinnen <strong>und</strong> Absolventen auf<br />
<strong>die</strong> Bühne gebeten. Neben den Abschlusszertifikaten,<br />
überreicht von<br />
den Vorsitzenden der Graduiertenschulen<br />
Achim Leutz, Gary Lewin, Michael<br />
Gotthardt <strong>und</strong> Salim Seyfried, erhielten<br />
<strong>die</strong> Nachwuchswissenschaftler außerdem<br />
eine Sammlung von Jeffs Essays<br />
mit einer persönlichen Widmung.<br />
Ein Sektempfang mit leckeren<br />
Törtchen <strong>und</strong> einem Kuchen in<br />
Form eines Doktorhutes beendete <strong>die</strong><br />
Feierlichkeiten. Die Besucher hatten<br />
außerdem <strong>die</strong> Möglichkeit, aus persönlichen<br />
Fotos der Absolventen vom<br />
Tag ihrer Verteidigung, den schönsten<br />
Doktorandenhut zu wählen. Der Preis,<br />
der neue PhD-Comic-Kalender von Jorge<br />
Cham, ging an <strong>die</strong> AG Hübner, <strong>die</strong><br />
ihrer Doktorandin Katharina Grunz einen<br />
bunten, mit Eppis behangenen Hut<br />
gebastelt hatte. Die erste Graduiertenzeremonie<br />
wurde von allen Absolventen<br />
<strong>und</strong> Gästen begeistert aufgenommen.<br />
Für mich persönlich war sie ein<br />
gelungener Abschluss meiner Zeit als<br />
Doktorandin am <strong>MDC</strong>. Die nächste Graduiertenzeremonie<br />
findet am 6. Dezember<br />
2013 statt. Anregungen <strong>und</strong><br />
Anmeldungen werden vom Doktorandenbüro<br />
gerne entgegengenommen.<br />
Kristin Petzold<br />
Hatte nicht nur den schönsten,<br />
sondern auch den üppigsten<br />
Doktorhut: Absolventin<br />
Katharina Grunz.<br />
Die Promotion in der Tasche <strong>und</strong> <strong>die</strong><br />
Zukunft im Blick: Die Absolventinnen<br />
<strong>und</strong> Absolventen 2012.<br />
Fotos: David Ausserhofer<br />
imdc04 2013<br />
63
Campus<br />
Campus<br />
„Praktikant verschollen.<br />
Droht Magnet-Chaos“<br />
Comic Kunst am Bau erzählt<br />
erstaunliche Geschichte<br />
Ein Praktikant legt sich unbeobachtet<br />
in <strong>die</strong> Röhre eines Magnetresonanztomographen<br />
(MRT) <strong>und</strong> verschwindet<br />
darin spurlos. Wissenschaftler<br />
des Instituts versuchen ihn wiederzufinden.<br />
Sie stellen das Experiment<br />
mit einer Ratte nach. Auch sie<br />
taucht nicht wieder auf. Es zeigt sich,<br />
dass schon öfter Menschen im MRT<br />
verschwanden. Die Öffentlichkeit wird<br />
aufmerksam, Angehörige melden sich,<br />
Fernsehen <strong>und</strong> Zeitungen reißen sich<br />
um <strong>die</strong> Nachrichten. Die WILD-Zeitung<br />
titelt: „Praktikant verschollen. Droht<br />
Magnet-Chaos“<br />
Wenn Sie jetzt denken, das kann<br />
nicht sein, dann werfen Sie einen Blick<br />
in das MRT-Gebäude auf dem Campus.<br />
Die „W<strong>und</strong>erkiste“, <strong>die</strong> wir in der ersten<br />
Ausgabe unseres Mitarbeitermagazins<br />
imdc vorgestellt haben, ist<br />
nämlich seit vergangenem Jahr um<br />
ein W<strong>und</strong>er reicher: ein raumhoher,<br />
155 Meter langer <strong>und</strong> drei Geschosse<br />
Fotos: Robert Patz, Aljoscha Redenius<br />
64 imdc04 2013
Campus<br />
umschließender Comic erzählt dort<br />
<strong>die</strong> Geschichte des Praktikanten Felix<br />
Lehmann. Der Berliner Künstler<br />
Robert Patz gewann den Kunst am<br />
Bau-Wettbewerb für das Forschungsgebäude<br />
der Berlin Ultrahigh Field Facility<br />
(B.U.F.F.) <strong>und</strong> realisierte im Frühjahr<br />
2012 sein eigens für <strong>die</strong>sen Bau<br />
entwickeltes Kunstwerk: Die Graphic<br />
Novel mit dem Titel „Side Effects“<br />
spielt mit Science Fiction-Visionen<br />
von Teleportation <strong>und</strong> mit den Ängsten<br />
so manches Patienten, der jemals<br />
in einer MRT-Röhre untersucht wurde.<br />
Und sie erzählt, wie <strong>die</strong> Reaktionen<br />
auf so unerwartete Ereignisse in der<br />
Forscherwelt aussehen könnten. Patz<br />
stellt mit „Side Effects“ auf mehreren<br />
Ebenen einen inhaltlichen <strong>und</strong> ästhetischen<br />
Bezug zu dem Ort her, für den er<br />
das Kunstwerk entwickelt hat.<br />
Die Bildsprache des Comics ist stilisiert<br />
<strong>und</strong> der von Technik geprägten<br />
Umgebung angepasst. Die zurückgenommene<br />
Farbgebung in Grau <strong>und</strong><br />
zart-orangefarbenen Tönen berücksichtigt<br />
ihrerseits, dass das Kunstwerk<br />
sich in einem Raum für Patienten<br />
<strong>und</strong> an einem Arbeitsplatz befindet.<br />
Die Maschinenräume <strong>und</strong> Labore des<br />
B.U.F.F. sind im Comic unverkennbar<br />
abgebildet; <strong>die</strong> Geschichte spielt in<br />
genau der Maschine, <strong>die</strong> sich vor den<br />
Augen des Betrachters befindet. Auch<br />
was <strong>die</strong> Wahl des Materials angeht, hat<br />
Patz eine größtmögliche Verschmelzung<br />
von Ort <strong>und</strong> Kunstwerk erreicht.<br />
Der Comic ist auf einzelne Tapetenbahnen<br />
gedruckt, <strong>die</strong> in voller Höhe <strong>die</strong><br />
Flure des Gebäudes bekleiden. Auf den<br />
Tapetenbahnen sind Türen, Raumecken<br />
<strong>und</strong> bauliche Elemente wie Heizkörper<br />
berücksichtigt. Die Entscheidung des<br />
Künstlers (aber auch des Bauherrn),<br />
für eine Kunst am Bau das Medium Tapete<br />
zu wählen, ist gleichermaßen ungewöhnlich<br />
wie konsequent: Kunst <strong>und</strong><br />
Bau sind damit untrennbar miteinander<br />
verb<strong>und</strong>en. Und doch gibt es Grenzen<br />
bei der Verschmelzung: Die Feuermelder<br />
beispielsweise durften aus<br />
sicherheitstechnischen Gründen nicht<br />
in das optische Konzept integriert<br />
werden. Sie führen nun ein Eigenleben<br />
an den Wänden. Wie der Praktikant Felix<br />
Lehmann. vg<br />
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März 2013<br />
Deutsch