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die brücke zwiSchen klinik und ForSchung - MDC

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imdc 04<br />

<strong>MDC</strong>-Magazin märz | 2013<br />

Deutsch<br />

Titelthema<br />

Die Brücke<br />

zwischen<br />

Klinik <strong>und</strong><br />

Forschung<br />

Mehr zum Titelthema Verschiedene Blickwinkel, ein Ziel | Systemmedizin im Fokus<br />

Standpunkt Berlin oder Boston Forschung Der Fall des kurzfingrigen Musketiers |<br />

Dem Geheimnis der Regeneration auf der Spur | „Esprit d‘echange“ | Highlight Paper<br />

Einblicke Herzlichen Glückwunsch <strong>MDC</strong> | Am Puls der Wissenschaft | Kairo, <strong>die</strong> Stadt,<br />

<strong>die</strong> niemals schläft | Mein Passahfest Max Die „Doktoranden-Seelsorger“ | „Hör auf<br />

dein Herz!“ Campus „Praktikant verschollen. Droht Magnet-Chaos“


impressum<br />

Herausgeber<br />

Wissenschaftlicher Vorstand <strong>und</strong><br />

Stiftungsvorstand des Max-Delbrück-Centrums<br />

für Molekulare Medizin (<strong>MDC</strong>)<br />

Professor Dr. Walter Rosenthal<br />

Robert-Rössle-Str. 10, 13125 Berlin-Buch<br />

Chefredaktion<br />

Josef Zens (jz), Maimona Id, Stellvertr. (Id),<br />

<strong>MDC</strong>, Abt. Kommunikation<br />

Robert-Rössle-Str. 10, 13125 Berlin<br />

i<strong>MDC</strong>@mdc-berlin.de<br />

Redaktion Russ Hodge (rh), Vera Glaßer (vg)<br />

Autoren Klaus Rajewsky, Emanuel Wyler,<br />

Michael Hinz, Lucy Patterson, Oksana Seumenicht,<br />

Alexander Loewer, Inbal Ipenberg, Nadine Richter,<br />

Cornelia Hainer, Nuria Cerdá-Esteban,<br />

Kristin Petzold<br />

Übersetzung Lynda Lich-Knight,<br />

Russ Hodge, Dietmar Zimmer, Timkehet Teffera<br />

Titelfoto David Ausserhofer<br />

Korrektorat Kirstin Müller, Michaela Langer<br />

Gestaltung a1grafik, Berlin<br />

Herstellung Druckerei Conrad GmbH<br />

Breitenbachstraße 34-36, 13509 Berlin<br />

Paper: ProfiBulk, (FSC certified)<br />

Auflage 1.500<br />

Copyright Nachdruck nur mit Genehmigung<br />

der Redaktion sowie Angabe der Quelle.<br />

Belegexemplar wird erbeten.<br />

ISSN 2192-6956<br />

2 imdc04 2013


Editorial<br />

Liebe Leserinnen, liebe Leser,<br />

exzellente Forschungsbedingungen wie am <strong>MDC</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> Sicherheit, sich<br />

ganz auf seine Arbeit konzentrieren zu können, sind nicht für jeden Wissenschaftler<br />

eine Selbstverständlichkeit. In unserem Alumni-Portrait auf der<br />

Seite 45 lässt Ahmet Abdelaziz anklingen, wie schwierig es ist, während des<br />

Arabischen Frühlings in Ägypten zu forschen.<br />

Apropos Ägypten: Nachdem <strong>die</strong> PhD-Studentin Douaa Mugahid per Email<br />

über das islamische Opferfest informiert hatte, erhielt sie großen Zuspruch,<br />

<strong>und</strong> wir wollen ihre Initiative aufgreifen. In einer losen Serie informieren wir<br />

Sie künftig über <strong>die</strong> kulturelle Vielfalt am <strong>MDC</strong>. Den Anfang macht Inbal<br />

Ipenberg mit einer persönlichen Betrachtung des jüdischen Pessach-Festes<br />

(S. 54). Um eine andere Art von Kulturunterschieden geht es in unserem<br />

Titelthema „Die Brücke zwischen Klinik <strong>und</strong> Forschung“ ab Seite 8. Wie<br />

könnte <strong>die</strong> Arbeit im Berlin Institute of Health (BIH) aussehen Was ändert<br />

sich für Sie Wir haben einige Antworten für Sie zusammengestellt.<br />

Nicht zuletzt am imdc hat sich etwas geändert: Es gibt eine neue Redakteurin<br />

(siehe Foto) <strong>und</strong> ein neues Layout. Auf vielfachen Wunsch haben wir<br />

unser Magazin jetzt als deutsch-englisches Wendeheft gestaltet. Künftig wird<br />

<strong>die</strong> Forschung am <strong>MDC</strong> in einer eigenen Rubrik vertreten sein. Themen r<strong>und</strong>um<br />

den <strong>MDC</strong>-Nachwuchs im PhD-Studium oder in der Berufsausbildung finden Sie<br />

ab jetzt unter der Rubrik „Max“.<br />

Geblieben ist unser Anspruch, verlässliche Informationen, spannende<br />

Geschichten r<strong>und</strong>um das <strong>MDC</strong> <strong>und</strong> den Campus Buch zu liefern – wie zum<br />

Beispiel unsere große Jubiläumsfeier zum 20-jährigen Bestehen. Am Spaß <strong>und</strong><br />

Erfolg Ihrer täglichen Arbeit, aber auch an den Herausforderungen, <strong>die</strong> wir<br />

auf dem Campus gemeinsam angehen, wollen wir mit dem imdc weiterhin<br />

nah dran sein. Dabei brauchen wir Ihre Hilfe: Versorgen Sie uns mit Ideen<br />

<strong>und</strong> Themen, <strong>die</strong> Sie bewegen!<br />

Viel Spaß beim Lesen wünschen Ihnen<br />

Maimona Id <strong>und</strong> Josef Zens<br />

imdc04 2013<br />

3


Inhalt<br />

08<br />

Das BIH – Die Brücke zwischen Klinik <strong>und</strong> Forschung –<br />

Zusammenarbeit von Medizin <strong>und</strong> Naturwissenschaft<br />

20<br />

Auf der Suche nach Alternativen zur<br />

embryonalen Stammzelltherapie<br />

Titelthema<br />

Forschung<br />

08<br />

Verschiedene Blickwinkel, ein Ziel<br />

16<br />

Klein, aber oho<br />

12<br />

Die Brücke zwischen Klinik<br />

19<br />

Esprit d'échange<br />

<strong>und</strong> Forschung<br />

20<br />

Dem Geheimnis der Rege-<br />

15<br />

Systemmedizin im Fokus<br />

neration auf der Spur<br />

23<br />

Highlight Paper: Neues<br />

Angriffsziel gegen Hirntumore<br />

26<br />

Der Fall des kurzfingrigen<br />

Musketiers<br />

29<br />

Von Mäusen <strong>und</strong> Modellen<br />

31<br />

Das Immunsystem als Partner<br />

im Kampf gegen Krebs<br />

32<br />

News<br />

34<br />

Bilderwettbewerb 2012<br />

4 imdc04 2013


46 60 64<br />

Am Puls der Wissenschaft –Das<br />

Lehrerfortbildungsprogramm LTL<br />

Seelsorge für Doktoranden – <strong>die</strong><br />

neue Ombudsfrau des <strong>MDC</strong><br />

Comic Kunst am Bau erzählt<br />

erstaunliche Geschichte<br />

Einblicke<br />

MaX<br />

Campus<br />

36<br />

Herzlichen Glückwunsch <strong>MDC</strong><br />

60<br />

Die „Doktoranden-Seelsorger”<br />

64<br />

„Praktikant verschollen.<br />

40<br />

20 Jahre Wissenschaft<br />

62<br />

„Hör auf dein Herz!”<br />

Droht Magnet-Chaos”<br />

42<br />

20 Jahre <strong>MDC</strong> – Teil 2<br />

44<br />

LinkedIn ist gut,<br />

persönlich ist besser<br />

45<br />

Kairo, <strong>die</strong> Stadt, <strong>die</strong><br />

niemals schläft<br />

46<br />

Am Puls der Wissenschaft<br />

49<br />

Immer ein offenes Ohr<br />

50<br />

Starke Partner aus China<br />

52<br />

Nur Fliegen ist schöner<br />

53<br />

Politik trifft Wissenschaft<br />

54<br />

Mein Passahfest<br />

56<br />

Oh, Du Fröhliche<br />

57<br />

Kurz <strong>und</strong> bündig<br />

58<br />

Forscherferiencamp<br />

imdc04 2013<br />

5


Standpunkt<br />

berlin<br />

oder<br />

Boston<br />

B0ston<br />

oder<br />

Boston Von 2001 bis 2010<br />

arbeitete ich an der Harvard Universität<br />

in Boston. Dort waren <strong>die</strong> meisten<br />

meiner Mitarbeiter Postdoktoranden.<br />

Sie kamen aus vielen Teilen der Welt,<br />

den USA, Europa <strong>und</strong> Russland, <strong>und</strong><br />

zunehmend aus Asien, Ländern wie In<strong>die</strong>n<br />

<strong>und</strong> China. Die chinesischen Postdoktoranden<br />

kamen manchmal direkt<br />

aus China zu uns, aber meistens hatten<br />

sie schon an einer US Universität<br />

doktoriert. Diese jungen Wissenschaftler<br />

hatten sich in härtester Konkurrenz<br />

qualifizieren müssen – als wenige von<br />

Tausenden waren sie an einer der chinesischen<br />

Spitzenuniversitäten akzeptiert<br />

worden, <strong>und</strong> dem war eine zweite<br />

Selektionsr<strong>und</strong>e zur Aufnahme ins<br />

Graduiertenprogramm einer amerikanischen<br />

Universität gefolgt.<br />

Der Traum aller <strong>die</strong>ser jungen Leute<br />

war <strong>und</strong> ist Postdoktorand an einer der<br />

amerikanischen Spitzenuniversitäten<br />

zu werden: Die USA sind klar das wissenschaftliche<br />

Schwergewicht Nummer<br />

eins in der Welt, amerikanisches Englisch<br />

ist <strong>die</strong> Weltwissenschaftssprache,<br />

<strong>und</strong> <strong>die</strong> multikulturelle US-amerikanische<br />

Gesellschaft bietet jedermann<br />

volle Mitwirkungs- <strong>und</strong> Entfaltungsmöglichkeiten.<br />

So ist für junge Emigranten<br />

<strong>die</strong> “Naturalisierung” eine realistische<br />

Zukunftsperspektive, wenn <strong>die</strong><br />

Die Sprache Englisch ist an deutschen Wissenschaftsstandorten<br />

nicht in allen Bereichen etabliert. Das kostet<br />

uns gute Postdocs, <strong>die</strong> lieber in das englischsprachige<br />

Ausland gehen, findet Senior Scientist Klaus<br />

Rajewsky. Was <strong>die</strong> Attraktivität für Nachwuchswissenschaftler<br />

angeht, hat für Postdoc Emanuel Wyler in<br />

vielen Dingen Berlin <strong>die</strong> Nase vorn.<br />

Rückkehr in ihr jeweiliges<br />

Heimatland sich<br />

schwierig gestaltet.<br />

Natürlich ist<br />

<strong>und</strong> bleibt wissenschaftliche<br />

Exzellenz<br />

das Hauptkriterium,<br />

nach dem<br />

erstklassige Postdoktoranden<br />

ihr Gastlabor<br />

auswählen, <strong>und</strong> Konkurrenz<br />

für <strong>die</strong> besten Postdoktoranden<br />

gibt es überall, in den USA<br />

so gut wie in Deutschland <strong>und</strong> Europa.<br />

Aber es ist auch klar, dass für uns<br />

hier <strong>die</strong> Lage schwieriger ist, einfach<br />

deswegen weil das von uns angebotene<br />

Umfeld für junge ausländische Wissenschaftler,<br />

besonders solche von anderen<br />

Kontinenten, nicht an der Spitze<br />

der Wunschliste steht: Die Integration<br />

von Ausländern ist kein natürliches<br />

Element unserer Kultur, <strong>und</strong> <strong>die</strong> für<br />

Wissenschaftler notwendige Kommunikation<br />

auf Englisch, nicht Deutsch,<br />

verschärft <strong>die</strong>ses Problem. Selbst in<br />

unseren wissenschaftlichen <strong>und</strong> akademischen<br />

Institutionen, ganz abgesehen<br />

von öffentlichen Verwaltungen<br />

wie Bürgerämtern, haben wir es nicht<br />

geschafft, Englisch als Arbeitssprache<br />

auf allen Ebenen voll zu etablieren.<br />

Um <strong>die</strong> besten jungen<br />

Talente so effizient<br />

an uns zu ziehen<br />

wie <strong>die</strong> USA<br />

es tun, werden wir<br />

uns so öffnen müssen,<br />

dass <strong>die</strong> jungen<br />

ausländischen Wissenschaftler<br />

unser Land<br />

wahrnehmen als einen<br />

Ort, an dem sich leicht<br />

kommunizieren lässt <strong>und</strong> wo man<br />

als akzeptiertes <strong>und</strong> geschätztes Mitglied<br />

der Gesellschaft leben <strong>und</strong> reüssieren<br />

kann. Wie wäre es hier am<br />

<strong>MDC</strong> mit einem nächsten Schritt in<br />

<strong>die</strong>se Richtung, indem wir eine voll<br />

zweisprachliche Infrastruktur implementieren<br />

Klaus Rajewsky<br />

6 imdc04 2013


Berlin<br />

Boston<br />

oder<br />

berlin<br />

Berlin<br />

ist nicht Boston.<br />

Die dortige<br />

Dichte <strong>und</strong><br />

Qualität der Forschungseinrichtungen<br />

r<strong>und</strong> um<br />

<strong>die</strong> Harvard Medical<br />

School, das MIT<br />

oder andere ist in den<br />

USA <strong>und</strong> international unerreicht.<br />

Und das wird auch noch<br />

eine Weile so bleiben. Das bedeutet<br />

aber nicht, dass Berlin resignieren <strong>und</strong><br />

seine Ambitionen auf Forschungsweltspitze<br />

begraben sollte. In Berlin können<br />

genauso wie in Boston brillante<br />

Köpfe angelockt werden, wenn auch<br />

mit anderen Qualitäten.<br />

Englisch ist <strong>und</strong> bleibt <strong>die</strong> weltweite<br />

„lingua franca“, <strong>und</strong> so sind<br />

<strong>die</strong> klassischen Einwanderungsländer<br />

England <strong>und</strong> USA einfacher zugänglich<br />

als viele deutsche Städte. Trotzdem,<br />

Berlin gilt als der derzeitige europäische<br />

„melting pot“ schlechthin:<br />

<strong>die</strong> Zuwanderung gerade junger Menschen<br />

aus aller Welt nimmt stetig zu.<br />

Die internationale, dynamische Metropole<br />

mit ihrer hohen Lebensqualität,<br />

einem reichhaltigen kulturellen<br />

Leben <strong>und</strong> günstigen<br />

Mieten lockt begabte Wissenschaftlerinnen<br />

<strong>und</strong><br />

Wissenschaftler mit<br />

vielseitigen Interessen<br />

an, <strong>die</strong> sich in einem<br />

abgeschlossenen<br />

Campus in einer<br />

Kleinstadt kaum wohl<br />

fühlen würden. Postdocs<br />

sind zudem in einem Alter,<br />

in dem man eine Familie<br />

gründet. Während in den USA<br />

Kinderbetreuung sehr kostspielig werden<br />

kann, bekommt man sie hier fast<br />

zum Nulltarif. Vor allem für Frauen ist<br />

das entscheidend für eine Karriere in<br />

der Forschung. Wegen fehlender Kindergärten<br />

auf begabte Forscherinnen<br />

verzichten zu müssen, ist schlicht eine<br />

Verschwendung von Talent.<br />

Die Möglichkeit, eine Doktorarbeit<br />

Berlin<br />

in drei bis vier Jahren abzuschließen,<br />

macht Deutschland beispielsweise bei<br />

Stu<strong>die</strong>renden aus asiatischen Ländern<br />

gegenüber den USA attraktiv. Zudem<br />

besteht eine relativ hohe Sicherheit,<br />

dass der Lohn bis zum Ende der Dissertation<br />

gezahlt wird, da <strong>die</strong> Abhängigkeit<br />

von Stipen<strong>die</strong>n kleiner ist. Gerade<br />

das <strong>MDC</strong> steht hier in Kombination<br />

mit dem Publizierbonus gut da. Und<br />

kaum jemand hier schließt seine Doktorarbeit<br />

mit einem Schuldenberg ab,<br />

wie es in angelsächsischen Ländern<br />

durchaus vorkommen kann.<br />

Es gibt noch viel zu tun, um<br />

deutsche Institute an der Weltspitze<br />

zu etablieren. Da geht es nicht<br />

nur darum, Spitzenforschung zu betreiben<br />

<strong>und</strong> gut zu publizieren. Die<br />

Abwesenheit eines Mittelbaus <strong>und</strong><br />

damit von Perspektiven in der akademischen<br />

Forschung ohne eine Professur<br />

schwächt den Wissenschaftsstandort<br />

Deutschland. Auch eine stärkere<br />

Internationalisierung würde vielerorts<br />

gut tun. Das Wichtigste im Kampf um<br />

Spitzenplätze in der Forschung <strong>und</strong><br />

um wissenschaftliche Talente bleibt<br />

aber, selbstbewusst <strong>die</strong> eigenen Stärken<br />

zu erhalten <strong>und</strong> auszubauen. Mit<br />

Nachahmung kommt man in der Wissenschaft<br />

bekanntlich kaum auf einen<br />

grünen Zweig! Emanuel Wyler<br />

imdc04 2013<br />

7


Titelthema<br />

Titelthema<br />

Verschiedene<br />

Blickwinkel –<br />

ein Ziel<br />

Text Maimona Id Fotos David Ausserhofer<br />

Im Berlin Institute<br />

of Health (BIH) soll<br />

<strong>die</strong> Zusammenarbeit<br />

von Naturwissenschaftlern<br />

<strong>und</strong> Medizinern<br />

auf eine neue Stufe<br />

gestellt werden.<br />

Für das imdc ein<br />

Anlass, <strong>die</strong> verschiedenen<br />

Kulturen<br />

zu erforschen.<br />

Mit dem kuriosen Ausdruck ‚Sturzkampfbombergeräusch‘<br />

konnte<br />

Verena Schöwel als Medizinstudentin<br />

noch herzlich wenig anfangen.<br />

„Das war der absolute Running Gag.<br />

Wir fragten uns, wofür wir das eigentlich<br />

lernen müssen“, erinnert sie sich.<br />

Heute weiß sie wofür. In der Ambulanz<br />

hört sie das sogenannte ‚Sturzkampfbombergeräusch‘<br />

oft, nämlich<br />

bei der elektronischen Messung einer<br />

gestörten Muskelaktivität. Ein Indiz<br />

für eine der seltenen unheilbaren<br />

Krankheiten, mit denen sich Verena<br />

Schöwel am Campus Buch beschäftigt.<br />

In der Abteilung „Muskelforschung<br />

mit Hochschulambulanz für Muskelkrankheiten“,<br />

geleitet von Professorin<br />

Simone Spuler, sind ambulante Patientenbetreuung<br />

<strong>und</strong> Forschung eng<br />

miteinander verzahnt. Sie gehört zum<br />

Experimental and Clinical Research<br />

Center (ECRC), einer gemeinsamen Einrichtung<br />

von <strong>MDC</strong> <strong>und</strong> Charité. Hier arbeiten<br />

Gr<strong>und</strong>lagenwissenschaftler <strong>und</strong><br />

klinische Forscher wie Verena Schöwel<br />

gemeinsam an neuen Ansätzen für<br />

<strong>die</strong> Diagnose, Prävention <strong>und</strong> Therapie<br />

von Herz-Kreislauf- <strong>und</strong> Stoffwechselkrankheiten,<br />

Krebs <strong>und</strong> neurologischen<br />

Erkrankungen. In <strong>die</strong> Hochschulambulanz<br />

für Muskelkrankheiten kommen<br />

oftmals Patienten, <strong>die</strong> verzweifelt<br />

sind, weil sich für ihre Beschwerden<br />

bisher keine Diagnose finden ließ. Für<br />

<strong>die</strong>se Menschen <strong>die</strong> richtige Diagnose<br />

zu stellen, das ist es, was Verena<br />

Schöwel reizt an ihrem Beruf. Der jungen<br />

Medizinerin geht es nicht primär<br />

um heilen, sondern darum, einen eindeutigen<br />

Bef<strong>und</strong> zu erheben, damit<br />

ihre Patienten möglichst schnell von<br />

modernen Forschungsergebnissen profitieren.<br />

„Es ist sicherlich ein hehrer<br />

Wunsch, Menschen ges<strong>und</strong> zu machen,<br />

aber dafür habe ich schon zu viele unheilbare<br />

Krankheiten gesehen“, sagt<br />

sie. Ihr Ziel ist es, mit analytischem<br />

Ansatz eine Erkrankung wissenschaftlich<br />

zu entschlüsseln. Ein Gr<strong>und</strong>, warum<br />

<strong>die</strong> Ärztin in <strong>die</strong> Forschung gegangen<br />

ist.<br />

Motivation durch<br />

Patientenkontakt<br />

Einen ähnlichen Beweggr<strong>und</strong> hat<br />

auch Philipp Maass. Der Molekularbiologe<br />

arbeitet am <strong>MDC</strong> <strong>und</strong> im ECRC. In<br />

der Arbeitsgruppe Genetik <strong>und</strong> Pathophysiologie<br />

des Herzkreislaufsystems<br />

ist er der Genregulation <strong>und</strong> Skelettentwicklung<br />

auf der Spur. Für Philipp<br />

Maass war von Anfang an klar, dass<br />

Bei Ärztin Verena Schöwel fühlt sich<br />

Patientin Olivia L. gut aufgehoben.<br />

8 imdc04 2013


Titelthema<br />

Wissenschaftler Philipp Maass (hier mit TA Irene Hollfinger) hat nach<br />

wie vor viel Spaß an praktischer Laborarbeit, auch wenn er mittlerweile<br />

wegen Drittmittelakquise viel Zeit am Schreibtisch verbringt.<br />

er in <strong>die</strong> humanbasierte klinische Forschung<br />

gehen wollte. „Die Vorstellung,<br />

eine Krankheit aufzuklären <strong>und</strong><br />

im Idealfall auch noch Patienten zu<br />

helfen, motiviert mich sehr.“ Sein Chef<br />

Professor Friedrich Luft, seit 2007 der<br />

Direktor des ECRC, gehört zu den Pionieren,<br />

<strong>die</strong> <strong>die</strong> translationale Medizin<br />

auf dem Campus in den 90iger Jahren<br />

etabliert haben. Mit ihm arbeitet<br />

Philipp Maass unter anderem an einem<br />

Forschungsprojekt, das <strong>die</strong> Erberkrankung<br />

einer weit verzweigten türkischen<br />

Familie zum Gegenstand hat. Sie<br />

entdeckten, dass eine bestimmte Region<br />

auf Chromosom 12 Bluthochdruck<br />

auslöst <strong>und</strong> mit verkürzten Fingern<br />

<strong>und</strong> Zehen einhergeht (Artikel S. 26).<br />

Vor drei Jahren reiste Philipp Maass<br />

mit klinischen Forschern nach Ostanatolien,<br />

um den Patienten vor Ort neue<br />

Proben zu entnehmen. Ein prägendes<br />

Erlebnis, da ein direkter Patientenkontakt<br />

für einen Naturwissenschaftler<br />

eher ungewöhnlich ist. „Jahrelang<br />

hatte ich namenlose Proben verarbeitet,<br />

nun konnte ich einen anderen<br />

Bezug zur Erkrankung herstellen.<br />

Meine Motivation ist dadurch noch gestiegen“,<br />

erzählt er begeistert.<br />

„Forschung ist auf<br />

jeden Fall ein hartes<br />

Geschäft …”<br />

Für ihr Forschungsprojekt etablierte<br />

Ärztin Verena Schöwel ein Mausmodell.<br />

Eine Herausforderung für <strong>die</strong><br />

Ärztin. Das Medizinstudium <strong>und</strong> ihre<br />

Ausbildung hatten sie auf <strong>die</strong> Anforderungen<br />

in der Wissenschaft nicht<br />

ausreichend vorbereitet. „Da sind viel<br />

Schweiß <strong>und</strong> Tränen geflossen“, erzählt<br />

sie. Mittlerweile fühlt sie sich im Labor<br />

mehr zuhause als im Krankenhaus.<br />

„Forschung ist sehr spannend <strong>und</strong> intellektuell<br />

fordernd, insbesondere für<br />

uns Ärzte. Wir müssen uns täglich<br />

mit den anderen Fachrichtungen messen“,<br />

betont sie. Drei bis vier Jahre habe<br />

sie gebraucht, um in der Forschung<br />

Fuß zu fassen <strong>und</strong> auf Augenhöhe mit<br />

den Kollegen aus der Gr<strong>und</strong>lagenforschung<br />

diskutieren zu können. Aufgefallen<br />

sind ihr dabei <strong>die</strong> unterschiedlichen<br />

Ansätze <strong>und</strong> Denkweisen von<br />

Ärzten <strong>und</strong> Naturwissenschaftlern. „Es<br />

gibt das Klischee, dass Gr<strong>und</strong>lagenforscher<br />

häufig übergenau <strong>und</strong> detailverliebt<br />

sind“, stellt sie verschmitzt fest.<br />

Das findet sie jedoch gut. „Denn <strong>die</strong>se<br />

Präzision <strong>und</strong> das permanente Hinterfragen<br />

sind <strong>die</strong> Eigenschaften, <strong>die</strong><br />

in der Forschung zählen.“ Über sich<br />

selbst hat sie auch einiges gelernt. „In<br />

der Forschung benötigt man eine hohe<br />

imdc04 2013<br />

9


Titelthema<br />

Frustrationstoleranz. Zu Beginn meiner<br />

Forschungstätigkeit war ich schnell<br />

enttäuscht, wenn ich viel Arbeit investiert<br />

hatte <strong>und</strong> ein negatives Ergebnis<br />

dabei herauskam.“<br />

Philipp Maass kommt das bekannt<br />

vor. Auch wenn er es nicht verallgemeinern<br />

möchte, findet er, dass Ärzte<br />

im Labor oft nicht fokussiert genug<br />

sind <strong>und</strong> in ihrer Ausbildung<br />

nicht ausreichend auf naturwissenschaftliches<br />

Arbeiten vorbereitet werden.<br />

„Ich treffe oft auf <strong>die</strong> Vorstellung,<br />

dass ein Experiment ausreicht,<br />

um ein Projekt innerhalb kürzester<br />

Zeit publizieren zu können. Das ist utopisch“,<br />

sagt der Wissenschaftler. In der<br />

Gr<strong>und</strong>lagenforschung sieht er oft das<br />

andere Extrem. „Die Kollegen beißen<br />

sich manchmal regelrecht fest an einem<br />

Thema <strong>und</strong> verrennen sich nicht<br />

selten“, sagt er. „Forschung ist auf jeden<br />

Fall ein hartes Geschäft <strong>und</strong> ein<br />

sehr Einsames dazu“, resümiert Verena<br />

Schöwel. Der Konkurrenzdruck um <strong>die</strong><br />

begehrten Fördermittel <strong>und</strong> <strong>die</strong> damit<br />

verb<strong>und</strong>ene Einzelkämpfermentalität<br />

seien <strong>die</strong> weniger schönen Seiten in der<br />

Wissenschaft. Bisher hat sich <strong>die</strong> Arbeit<br />

für sie gelohnt. In Fachzeitschriften<br />

wie PLOS ONE <strong>und</strong> Traffic konnte<br />

sie bereits Artikel veröffentlichen.<br />

Perspektiven schaffen<br />

für klinische Forscher<br />

Von der Vorstellung, parallel in der<br />

Klinik <strong>und</strong> im Labor arbeiten zu können,<br />

verabschiedete sich Verena Schöwel<br />

schnell. Damit sie sich ganz auf<br />

<strong>die</strong> Wissenschaft konzentrieren konnte,<br />

nahm sich <strong>die</strong> Mutter eines achtmonatigen<br />

Säuglings vor drei Jahren<br />

eine Auszeit von der Krankenstation.<br />

Sie bewarb sich auf einen Platz im Klinischen<br />

Ausbildungsprogramm (KAP)<br />

des ECRC. Das zweijährige Programm<br />

richtet sich an promovierte Ärztinnen<br />

<strong>und</strong> Ärzte der Charité, <strong>die</strong> eine wissenschaftliche<br />

Karriere anstreben.<br />

In einer <strong>MDC</strong>-Arbeitsgruppe erhalten<br />

sie das nötige Rüstzeug, um selbstständig<br />

zu forschen, Publikationen <strong>und</strong><br />

Drittmittelanträge zu verfassen sowie<br />

eine eigene Arbeitsgruppe zu gründen.<br />

Regelmäßig evaluiert werden sie dabei<br />

von Gr<strong>und</strong>lagenforschern. „Die Rekrutierung<br />

der Patienten, deren Diagnose<br />

<strong>und</strong> <strong>die</strong> Gewinnung von Probenmaterial<br />

für klinische Forschungsprojekte brauchen<br />

Zeit. Für <strong>die</strong> Etablierung eines erfolgreichen<br />

wissenschaftlichen Projektes<br />

mit klinischem Hintergr<strong>und</strong> müssen<br />

Ärzte <strong>und</strong> Naturwissenschaftler in enger<br />

Interaktion arbeiten <strong>und</strong> dabei gefördert<br />

werden“, findet Philipp Maass.<br />

Bei den Querschnittsprojekten kommt<br />

hinzu, dass <strong>die</strong> Perspektiven für klinische<br />

Forscher wie Verena Schöwel,<br />

<strong>die</strong> der Klinik nicht auf Dauer den Rücken<br />

kehren wollen, oft fehlen. Auch<br />

<strong>die</strong> Bedingungen für junge Naturwissenschaftler<br />

sind ausbaufähig. Es gab<br />

Zeiten, da wusste Philipp Maass nicht,<br />

ob sein Drittmittelantrag rechtzeitig<br />

Philipp Maass schneidet DNA-<br />

Banden aus einem Gel aus.<br />

10 imdc04 2013


Titelthema<br />

Gemeinsam neue<br />

Therapien erforschen:<br />

Die klinische Forscherin<br />

Verena Schöwel<br />

<strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>lagenwissenschaftler<br />

Tobias<br />

Timmel arbeiten Hand<br />

in Hand.<br />

Mikroskopisch dünne Schnitte von<br />

Patientengewebe geben Aufschluss<br />

über eine Erkrankung.<br />

Erfolg haben würde. „Sich um <strong>die</strong> Finanzierung<br />

zu kümmern <strong>und</strong> ausreichend<br />

Personalmittel zu beschaffen, kostet<br />

Kraft <strong>und</strong> lenkt von der Wissenschaft<br />

ab. Zuviel Bürokratie <strong>und</strong> Politik<br />

können gute Forschung erschweren“,<br />

sagt er.<br />

Verena Schöwel <strong>und</strong> Philipp Maass<br />

hoffen, dass das Berlin Institute of<br />

Health (BIH) weitere Karriereperspektiven<br />

<strong>und</strong> neue Impulse für <strong>die</strong> Kolleginnen<br />

<strong>und</strong> Kollegen von <strong>MDC</strong> <strong>und</strong> Charité<br />

bringen wird. Eine leise Skepsis bleibt.<br />

„Noch ist das BIH ein wolkiges Gebilde,<br />

das erst mit Leben gefüllt werden muss.<br />

Der Aufbau von Netzwerken braucht<br />

Zeit“, betont der Naturwissenschaftler.<br />

Für beide ist es wichtig, täglich<br />

an der Verbindung zwischen Gr<strong>und</strong>lagenforschung<br />

<strong>und</strong> Klinik zu arbeiten,<br />

für ein besseres Verständnis der unterschiedlichen<br />

Blickwinkel. „Die Tatsache,<br />

dass ich Ärztin bin, ist das, was<br />

mich antreibt in der Forschung. Über<br />

<strong>die</strong> Patienten habe ich den Zugang gef<strong>und</strong>en“,<br />

sagt Verena Schöwel. Auch<br />

wenn Naturwissenschaftler <strong>und</strong> Mediziner<br />

aus unterschiedlichen Richtungen<br />

kommen, verfolgen sie ein gemeinsames<br />

Ziel. „Wir müssen <strong>die</strong> Kooperationen<br />

<strong>und</strong> Projekte zwischen klinischer<br />

<strong>und</strong> naturwissenschaftlicher Forschung,<br />

<strong>die</strong> hier am Campus schon zukunftsweisend<br />

verfolgt werden, weiter ausbauen<br />

<strong>und</strong> intensiv miteinander kommunizieren.<br />

Wenn wir das schaffen, kommt das<br />

Höchste dabei heraus“, sind sich <strong>die</strong><br />

beiden Forscher einig.<br />

imdc04 2013<br />

11


Titelthema<br />

Die Brücke<br />

zwischen Klinik <strong>und</strong> Forschung<br />

Mehr als 300 Millionen Euro fließen in den kommenden<br />

Jahren an das neue Berliner Institut für Ges<strong>und</strong>heitsforschung<br />

/ Berlin Institute of Health (BIH). Vor der<br />

Vereinigung von Charité – Universitätsmedizin Berlin mit dem<br />

Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (<strong>MDC</strong>) sprach<br />

das imdc mit Professor Dr. Walter Rosenthal, Vorstandsvorsitzender<br />

<strong>und</strong> Wissenschaftlicher Vorstand des <strong>MDC</strong> <strong>und</strong> Cornelia Lanz,<br />

Administrativer Vorstand des <strong>MDC</strong>.<br />

Protokoll Maimona Id, Josef Zens<br />

Fotos Dietmar Gust, David Ausserhofer<br />

Herr Prof. Rosenthal, das<br />

<strong>MDC</strong> steht weltweit unter<br />

den besten 20 Instituten<br />

seines Fachs <strong>und</strong> ist<br />

Anziehungspunkt für Top-<br />

Leute. Warum soll es nun<br />

mit einem anderen Partner<br />

zusammengehen<br />

Walter Rosenthal Das hat<br />

mehrere Gründe, der wichtigste ist: Die<br />

neue Verbindung wird <strong>die</strong> Wissenschaft<br />

voranbringen. Wir stehen vor einem<br />

Paradigmenwechsel. Wir wissen jetzt,<br />

dass ein scheinbar eindeutiges Krankheitsbild<br />

wie beispielsweise Darmkrebs<br />

unterschiedliche molekulare Ursachen<br />

haben kann. Umgekehrt kann ein genetischer<br />

Defekt an verschiedenen<br />

Krankheiten beteiligt sein. Das heißt,<br />

künftig wird sich <strong>die</strong> Medizin weniger<br />

an einer Einteilung nach Krankheitsbildern<br />

orientieren <strong>und</strong> stattdessen<br />

mehr an der molekularen Signatur einer<br />

Krankheit. Das bezeichnen wir als<br />

Systemmedizin. Gemeinsam mit einem<br />

starken Partner in der klinischen Forschung<br />

– <strong>und</strong> hier könnte ich mir keinen<br />

besseren als <strong>die</strong> Charité vorstellen<br />

– werden wir den Paradigmenwechsel<br />

hin zur Systemmedizin <strong>und</strong> in Richtung<br />

personalisierte Medizin mitgestalten.<br />

Außerdem ist es unsere Gründungsmission,<br />

<strong>die</strong> Ergebnisse aus der biomedizinischen<br />

Gr<strong>und</strong>lagenforschung rasch in<br />

<strong>die</strong> Anwendung fließen zu lassen. Und,<br />

das will ich nicht verhehlen, ich mache<br />

mir Gedanken über das Ende der<br />

Exzellenzinitiative. Womöglich ist <strong>die</strong><br />

finanzielle Situation für Forschung <strong>und</strong><br />

Lehre in fünf Jahren deutlich angespannter<br />

als heute. Zugleich sind in<br />

einem Zukunftsfach wie den Lebenswissenschaften<br />

zusätzliche Mittel nötig.<br />

Da hilft uns das Berlin Institute of<br />

Health, wie ich es lieber nenne, sehr.<br />

Das BIH will Lücken in der<br />

translationalen Forschung<br />

schließen. Was ist damit<br />

gemeint<br />

Walter Rosenthal Wir haben<br />

zwei große Lücken identifiziert: Zunächst<br />

den Übergang von der Gr<strong>und</strong>lagenforschung<br />

in <strong>die</strong> Diagnostik <strong>und</strong><br />

Therapie. Was im Reagenzglas oder<br />

Tierversuch klappt, ist noch längst keine<br />

Heilung für Menschen, das müssen<br />

wir erst in medizinische Hilfe „übersetzen“:<br />

Dieses „translational gap“<br />

wollen wir schließen. Wir sehen das<br />

übrigens nicht als Einbahnstraße. Das<br />

Motto lautet: From bench to bedside<br />

12 imdc04 2013


Titelthema<br />

and from bedside to bench. Die zweite<br />

Lücke ist <strong>die</strong> aus der Forschung<br />

<strong>und</strong> klinischen Arbeit hin in <strong>die</strong> breite<br />

Anwendung für Klinik <strong>und</strong> Praxis<br />

einschließlich „Public Health“: Wir<br />

wollen auf lange Sicht aus den Ergebnissen<br />

der personalisierten Medizin<br />

Konzepte erstellen, um Vorsorge<br />

in breiten Bevölkerungsschichten zu<br />

betreiben.<br />

Mit der Gründung des BIH<br />

ändert das <strong>MDC</strong> seine<br />

Rechtsform. Warum ist<br />

das notwendig<br />

Cornelia Lanz Das BIH ist als<br />

eine Körperschaft öffentlichen Rechts<br />

(KöR) geplant, in der zwei starke Partner,<br />

<strong>MDC</strong> <strong>und</strong> Charité, institutionell<br />

in einem gemeinsamen Forschungsraum<br />

zusammenarbeiten werden. Diese<br />

institutionelle Klammer soll den<br />

Brückenschlag zwischen Gr<strong>und</strong>lagenforschung<br />

<strong>und</strong> klinischer Forschung<br />

stärken. Beide Partner, <strong>MDC</strong> <strong>und</strong> Charité,<br />

werden dabei voll rechtsfähige<br />

Gliedkörper <strong>und</strong> behalten dadurch ihre<br />

Selbständigkeit in vollem Umfang.<br />

Das <strong>MDC</strong> ist in der Wissenschaft eine<br />

starke Marke <strong>und</strong> genießt hohe internationale<br />

Sichtbarkeit. Diese Sichtbarkeit<br />

wird auch mit der Gründung<br />

des BIH gewährleistet. Ich sehe es so,<br />

dass wir uns hier in einer Win-Win-Situation<br />

befinden: Wir können unsere<br />

Kooperation mit der Charité institutionell<br />

ausbauen <strong>und</strong> verstärken,<br />

haben aber gleichzeitig nach wie vor<br />

als voll rechtsfähige Gliedkörperschaft<br />

alle Möglichkeiten, <strong>die</strong> das <strong>MDC</strong> bisher<br />

schon gehabt hat.<br />

Zur Gründung der KöR sind Parlamentsbeschlüsse<br />

auf B<strong>und</strong>es- <strong>und</strong><br />

Landesebene notwendig, <strong>die</strong> nicht<br />

von heute auf morgen zu realisieren<br />

sind. Damit das <strong>MDC</strong> Gliedkörper werden<br />

kann, wird seine jetzige Rechtsform<br />

der öffentlich-rechtlichen Stiftung<br />

in <strong>die</strong> neue Rechtsform KöR<br />

umgewandelt.<br />

Die Gründung soll bis zum<br />

Jahr 2015 vollzogen sein.<br />

Wie wird <strong>die</strong> Zusammenarbeit<br />

bis dahin geregelt<br />

Cornelia Lanz Wir wollen ja<br />

schon in <strong>die</strong>sem Jahr beginnen <strong>und</strong><br />

auch <strong>die</strong> ersten Gelder werden in 2013<br />

bereits fließen. Dafür benötigen wir<br />

Rahmenbedingungen, <strong>die</strong> in einem sogenannten<br />

Gründungsvertrag geregelt<br />

werden. Dieser wird nicht nur von den<br />

beiden Partnern, sondern auch vom<br />

B<strong>und</strong>, dem Land Berlin <strong>und</strong> der Helmholtz-Gemeinschaft<br />

(HGF) unterzeichnet.<br />

Der Vertrag regelt <strong>die</strong> verschiedenen<br />

Leitungsorgane <strong>und</strong> Gremien<br />

wie Vorstand, Aufsichtsrat <strong>und</strong> Wissenschaftlicher<br />

Beirat im Rahmen des<br />

BIH, <strong>die</strong> bereits in 2013 ihre Arbeit<br />

aufnehmen. Zudem ist in ihm schriftlich<br />

festgelegt, dass in der Übergangsphase<br />

<strong>die</strong> Gelder für <strong>die</strong> Errichtung<br />

des gemeinsamen Forschungsraums<br />

aus den Mitteln der Helmholtz-Gemeinschaft<br />

fließen. Die Gr<strong>und</strong>lage<br />

ist eine Evaluation des gemeinsamen<br />

Forschungsprogramms durch<br />

internationale Gutachter, <strong>die</strong> im Mai<br />

2013 stattfinden wird.<br />

Welche Chancen oder Änderungen<br />

birgt das BIH für<br />

<strong>die</strong> Beschäftigten<br />

Cornelia Lanz Ich sehe <strong>die</strong><br />

Chancen darin, dass das BIH unseren<br />

Beschäftigten zusätzliche Arbeitsmöglichkeiten<br />

bietet. Im Rahmen des BIH<br />

werden außerdem neue Arbeitsplätze<br />

geschaffen. Im Vorfeld der Gründung<br />

des BIH war es uns als Vorstand des<br />

<strong>MDC</strong> allerdings wichtig zu erreichen,<br />

dass sich auch künftig <strong>die</strong> arbeitsrechtlichen<br />

Modalitäten für <strong>die</strong> Beschäftigten<br />

nicht ändern. Im BIH wie<br />

auch am <strong>MDC</strong>, wenn es Gliedkörperschaft<br />

in der neuen BIH KöR sein wird,<br />

werden <strong>die</strong> Mitarbeiter <strong>und</strong> Mitarbeiterinnen<br />

auch künftig nach dem TVöD<br />

bezahlt.<br />

Walter Rosenthal Für <strong>die</strong><br />

Wissenschaftler ändert sich vor allem,<br />

dass es <strong>die</strong> Möglichkeit gibt, zusätzliche<br />

Mittel für Forschungsprojekte einzuwerben.<br />

Zum Beispiel wird es jedes<br />

Jahr einen großen Call für Netzwerkvorhaben<br />

geben. Wir wollen auch exzellente<br />

Köpfe auszeichnen <strong>und</strong> einen<br />

dem Howard-Hughes-Programm ähnlichen<br />

Status mit Zusatzausstattung gewähren.<br />

Es wird auch um „Top-Level-<br />

Recruiting“ gehen. Für <strong>die</strong> exzellente<br />

Ausbildung von PhD-Stu<strong>die</strong>renden sind<br />

zusätzliche Graduiertenschulen sowie<br />

Master- <strong>und</strong> Austauschprogramme geplant.<br />

Das bedeutet auch in der Ausbildung<br />

weitere Stellen <strong>und</strong> Mittel. Außerdem<br />

sind im Kontext des BIH neue<br />

Technologieplattformen <strong>und</strong> <strong>die</strong> Erweiterung<br />

bestehender Infrastrukturen<br />

geplant.<br />

Welche Karriereaussichten<br />

bietet das BIH jungen<br />

klinischen Forscherinnen<br />

<strong>und</strong> Forschern<br />

Walter Rosenthal Der Mangel<br />

an geschützten Forschungszeiten sowie<br />

unklare Karriereaussichten haben<br />

imdc04 2013<br />

13


Titelthema<br />

dazu geführt, dass immer weniger Kliniker<br />

eine wissenschaftliche Karriere<br />

in Erwägung ziehen. Nach dem Vorbild<br />

bereits bestehender erfolgreicher Programme<br />

wie beispielsweise das Klinische<br />

Ausbildungsprogramm (KAP) des<br />

ECRC plant das BIH ein Trainings- <strong>und</strong><br />

Forschungsprogramm für klinische Wissenschaftler,<br />

um eine geschützte Umgebung<br />

für <strong>die</strong> wissenschaftliche Ausbildung<br />

zu schaffen. Zum Forschen<br />

braucht man Zeit <strong>und</strong> einen freien<br />

Kopf, das heißt, wir müssen über zusätzliche<br />

Stellen <strong>die</strong> angehenden Forscherinnen<br />

<strong>und</strong> Forscher entlasten.<br />

Zusätzlich wird es Stipen<strong>die</strong>n für Medizinstudenten<br />

geben, um sie zu einem<br />

frühen Zeitpunkt noch vor Beendigung<br />

der Ausbildung an <strong>die</strong> translationale<br />

Forschung heranzuführen. Weiterhin<br />

ist ein Forschungsprogramm<br />

speziell für „translationale Postdocs“<br />

geplant mit einem starken Fokus auf<br />

<strong>die</strong> Systemmedizin.<br />

Zwei sehr selbstbewusste<br />

Institutionen werden künftig<br />

unter einem Dach an<br />

gemeinsamen Projekten arbeiten,<br />

ohne jedoch operative<br />

Kompetenzen in Bezug<br />

auf den Partner zu haben.<br />

Kann das gutgehen<br />

Walter Rosenthal Es kann<br />

nur auf <strong>die</strong>se Weise gut gehen, denn<br />

bei allen gemeinsamen Zielen haben<br />

wir unterschiedliche Identitäten<br />

<strong>und</strong> Aufträge in den Mitgliedsinstitutionen,<br />

auch unterschiedliche Kulturen.<br />

Wir können <strong>und</strong> wollen der Charité<br />

nicht in <strong>die</strong> Krankenversorgung hineinreden<br />

oder in ihr Gebäudemanagement.<br />

Umgekehrt nehmen wir als ein<br />

Helmholtz-Zentrum nationale Aufgaben<br />

wahr <strong>und</strong> forschen an großen Programmen<br />

unabhängig von der Charité,<br />

aber oft gemeinsam mit Universitäten.<br />

Mit dem BIH wollen wir gemeinsam etwas<br />

ganz Neues beginnen: neue Forschungsfragen<br />

angehen, neue Technologien<br />

einsetzen <strong>und</strong>, ganz wichtig,<br />

eine neue Kultur der Zusammenarbeit<br />

etablieren.<br />

Alte Hasen sagen, Ärzte<br />

<strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>lagenwissenschaftler,<br />

das geht nicht<br />

zusammen. Was sagen Sie<br />

denen<br />

Walter Rosenthal Da mag etwas<br />

Wahres dran gewesen sein, aber<br />

genau deshalb sind wir angetreten.<br />

Wir wollen <strong>die</strong> verschiedenen Kulturen<br />

im BIH zusammenführen. Ich kenne<br />

beide Seiten, weil ich nach meiner<br />

medizinischen Ausbildung eine, wenn<br />

auch nur kurze Zeit, als Arzt gearbeitet<br />

habe, bevor ich in <strong>die</strong> Forschung<br />

ging. Ich kenne Kolleginnen <strong>und</strong> Kollegen,<br />

<strong>die</strong> in beiden Welten zuhause sind<br />

<strong>und</strong> das sehr gut machen. Denen wollen<br />

wir Raum bieten, ohne dass wir in<br />

beiden Einrichtungen unsere Identitäten<br />

preis geben. Das ist doch das Plus<br />

des BIH <strong>und</strong> der Rechtskonstruktion:<br />

Es wird dort Platz geben für exzellente<br />

Kliniker, für reine Gr<strong>und</strong>lagenforscher<br />

<strong>und</strong> für das Verbindende, für <strong>die</strong> translationale<br />

Medizin.<br />

Zahlen <strong>und</strong> Fakten<br />

• Das Berlin Institute of Health, BIH<br />

(zu deutsch: Berliner Institut für<br />

Ges<strong>und</strong>heitsforschung, BIG) wird als<br />

Körperschaft des öffentlichen Rechts mit<br />

den beiden Gliedkörperschaften Charité<br />

<strong>und</strong> <strong>MDC</strong> voraussichtlich zum Jahr 2015<br />

gegründet werden. In der Zwischenzeit<br />

regelt ein Kooperationsvertrag <strong>die</strong> Zusammenarbeit<br />

der beiden Einrichtungen.<br />

• Finanziert wird das BIH durch zusätzliche<br />

B<strong>und</strong>esmittel <strong>und</strong> das Land Berlin in<br />

einem Schlüssel von 90:10 (Helmholtz-<br />

Schlüssel). Insgesamt sind mehr als 300<br />

Millionen Euro für <strong>die</strong> ersten fünf Jahre<br />

vorgesehen.<br />

• Die Geschäfte regelt ein Vorstand<br />

bestehend aus vier Personen: den beiden<br />

Vorstandsvorsitzenden von Charité <strong>und</strong><br />

<strong>MDC</strong>, der/dem Forschungsdekan/in der<br />

Charité <strong>und</strong> einer weiteren unabhängigen<br />

Person, <strong>die</strong> den Vorsitz innehat <strong>und</strong><br />

deren Stimme bei Parität im Vorstand<br />

entscheidet.<br />

• Die beiden Gliedkörperschaften bleiben<br />

rechtlich selbstständig <strong>und</strong> können über<br />

entscheidende eigene Belange frei bestimmen,<br />

ohne dass der BIH-Vorstand<br />

„hineinregieren“ kann. Das gilt zum<br />

Beispiel für den Etat, gemeinsame Berufungen<br />

mit Universitäten <strong>und</strong> <strong>die</strong> Arbeit<br />

in der Programmorientierten Förderung<br />

(PoF) der Helmholtz-Gemeinschaft.<br />

• Ein Wissenschaftlicher Beirat wird das<br />

BIH-Programm begleiten; oberstes Gremium<br />

ist ein Aufsichtsrat. Das <strong>MDC</strong> behält<br />

sein Aufsichtsgremium <strong>und</strong> den Beirat,<br />

wird aber seine Rechtsform ändern. Aus<br />

der Stiftung <strong>MDC</strong> wird eine Körperschaft.<br />

14 imdc04 2013


Titelthema<br />

Systemmedizin<br />

im Fokus<br />

Das Forschungsprogramm<br />

des Berlin Institute of Health (BIH)<br />

Das Forschungsprogramm des<br />

BIH baut auf vier Gr<strong>und</strong>prinzipien<br />

auf: Interdisziplinarität, Translation,<br />

Exzellenz <strong>und</strong> Innovation. Translation<br />

steht dabei für <strong>die</strong> „Übersetzung“<br />

der Ergebnisse aus der biomedizinischen<br />

Gr<strong>und</strong>lagenforschung in <strong>die</strong> Anwendung<br />

bei Patienten, sei es in der<br />

Diagnostik oder Therapie. Langfristig<br />

sollen <strong>die</strong> Ergebnisse auch für <strong>die</strong><br />

Prävention von Krankheiten eingesetzt<br />

werden.<br />

Im Mittelpunkt des Forschungsprogramms<br />

steht <strong>die</strong> Systemmedizin: Dank<br />

immer besserer <strong>und</strong> schnellerer Methoden<br />

zur Entschlüsselung der Vorgänge<br />

in Zellen, unter anderem mit Hilfe<br />

der so genannten omics-Technologien<br />

wie Proteomics oder Genomics, ist<br />

es nunmehr möglich, <strong>die</strong> molekulare<br />

„Handschrift“ einer Krankheit umfassend<br />

zu charakterisieren. Das wiederum<br />

versetzt <strong>die</strong> Medizin in <strong>die</strong> Lage,<br />

Patienten weitaus besser als bisher<br />

in Gruppen einzuteilen (stratifizieren)<br />

<strong>und</strong> sie entsprechend der molekularen<br />

Signatur ihres jeweiligen Leidens<br />

zu behandeln. Dies stellt einen Paradigmenwechsel<br />

in der Medizin dar, <strong>die</strong><br />

Krankheiten bisher meist nach Erscheinungsbildern<br />

gliederte.<br />

Um Fortschritte auf dem Weg hin<br />

zu einer personalisierten Medizin zu<br />

erzielen, ist es nötig, dass viele Disziplinen<br />

miteinander zusammenarbeiten,<br />

zum Beispiel Kliniker, Molekularbiologen<br />

<strong>und</strong> Computerexperten. Weiterhin<br />

bedarf es modernster Technologieplattformen,<br />

wie sie zum Teil bereits<br />

existieren, <strong>die</strong> zum anderen Teil aber<br />

erst aufgebaut werden müssen.<br />

Am BIH werden vor allem krankheitsübergreifende<br />

Querschnittsthemen<br />

adressiert werden: Immunologie,<br />

zelluläre <strong>und</strong> subzelluläre Prozesse,<br />

Degeneration <strong>und</strong> Regeneration von<br />

Zellen, Stoffwechselvorgänge, <strong>die</strong> Genetik<br />

von Krankheiten <strong>und</strong> <strong>die</strong> Bedeutung<br />

von Geschlechtsunterschieden in<br />

Krankheitsprozessen.<br />

Das <strong>MDC</strong> bringt wertvolle Modellorganismen<br />

für menschliche Krankheiten,<br />

insbesondere Mäuse, in <strong>die</strong> künftige<br />

Forschungspartnerschaft ein. Auf<br />

der anderen Seite bietet <strong>die</strong> Charité<br />

eine große Expertise zum Verlauf von<br />

Krankheiten, deren Ausprägungsformen<br />

<strong>und</strong> Einordnung („klinische Phänotypisierung“).<br />

Die hohe Zahl von sehr gut<br />

untersuchten Patienten schafft eine<br />

wertvolle Basis für Kohortenstu<strong>die</strong>n. jz<br />

Das Forschungsprogramm<br />

bietet:<br />

Systems Medicine<br />

Flagship Projects<br />

and Infrastructure<br />

• nachhaltige Förderung von Forschungsgruppen.<br />

Die Förderung wird in einem<br />

wettbewerblich organisierten <strong>und</strong> Peer-<br />

Review-begutachteten Verfahren an <strong>MDC</strong><strong>und</strong><br />

Charité-Wissenschaftler vergeben.<br />

Berliner Universitäten können gemeinsam<br />

mit einem Partner an <strong>MDC</strong> oder Charité<br />

Anträge stellen.<br />

Analysis and Concept<br />

Biological<br />

Barriers<br />

Metabolism<br />

Re-/Degeneration<br />

Immune<br />

System<br />

Genetics<br />

Immunology<br />

Proteostasis<br />

Congenital<br />

Disorders<br />

(Sub)cellular machines<br />

Gender<br />

Exemplary<br />

Research Areas<br />

Cross-Cutting<br />

Topics<br />

• geschützte Forschungszeiten, Laborräume<br />

<strong>und</strong> Stellen für Akademiker, von<br />

der Nachwuchskraft bis zur W3-Professur.<br />

Der Fokus wird auf klinisch orientierten<br />

jungen Wissenschaftlerinnen <strong>und</strong> Wissenschaftlern<br />

liegen, <strong>die</strong> sich für translationale<br />

Forschung interessieren.<br />

• strategische Rekrutierung von Spitzenkräften<br />

in klinischen Disziplinen <strong>und</strong> aus<br />

Feldern wie Stammzellbiologie, Epigenomik,<br />

Metabolomik <strong>und</strong> Bioinformatik.<br />

Organ Specific<br />

Status<br />

Neuroscience<br />

Cancer<br />

Cardiovascular<br />

& Metabolism<br />

Achievements<br />

& Priorities<br />

Die Grafik verdeutlicht den Paradigmenwechsel von der organspezifischen <strong>und</strong> an Krankheitsbildern<br />

orientierten Medizin hin zur Systemmedizin. Ausgehend von den existierenden Schwerpunkten<br />

neurologischer Erkrankungen, Krebs sowie Herz-Kreislauf- <strong>und</strong> Stoffwechselerkrankungen sollen<br />

Querschnittsthemen („cross-cutting topics“) adressiert werden. Vorstellbar sind Forschungsgebiete<br />

wie das Immunsystem oder Erbkrankheiten. Aus <strong>die</strong>sem Themenf<strong>und</strong>us sollen Flaggschiffprojekte<br />

<strong>und</strong> Technologieplattformen definiert werden.<br />

imdc04 2013<br />

15


Forschung<br />

Forschung<br />

Armin Rehm <strong>und</strong> Uta Höpken untersuchen<br />

<strong>die</strong> Toxizität von T-Lymphozyten<br />

gegenüber Tumorzellen.<br />

Klein, aber<br />

oho!<br />

Dr. Uta Höpken <strong>und</strong> Dr. Armin Rehm erforschen<br />

am <strong>MDC</strong>, wie aus einer naiven Immunzelle eine<br />

cytotoxische T-Zelle (CTL) entsteht <strong>und</strong> welches<br />

Potential zur Krebsbekämpfung in ihr steckt.<br />

Text Maimona Id Fotos David Ausserhofer<br />

16 imdc04 2013


Forschung<br />

Die perfekte Liaison zwischen Klinik<br />

<strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>lagenforschung,<br />

bei Uta Höpken <strong>und</strong> Armin Rehm funktioniert<br />

sie schon lange. Die Immunologin<br />

<strong>und</strong> der Mediziner <strong>und</strong> Zellforscher<br />

sind nicht nur privat ein Paar,<br />

sondern arbeiten auch in verschiedenen<br />

Forschungsprojekten zusammen.<br />

Beide sind in unterschiedlichen Arbeitsgruppen<br />

<strong>und</strong> ergänzen sich darum<br />

so gut. Uta Höpken arbeitet in<br />

der Forschungsgruppe Molekulare Tumorgenetik<br />

<strong>und</strong> Immungenetik, Armin<br />

Rehm in der Gruppe Hämatologie,<br />

Onkologie <strong>und</strong> Tumorimmunologie.<br />

Ihr gemeinsames Interesse gilt einer<br />

winzigen Zelle mit durchschlagender<br />

Wirkung, <strong>die</strong> cytotoxische T-Zelle.<br />

„Neben der genetischen Schiene, also<br />

dem, was im Zellkern abläuft, sind<br />

es vor allem <strong>die</strong> posttranslationalen<br />

Prozesse, <strong>die</strong> uns interessieren“, sagt<br />

Höpken. Dabei handelt es sich um <strong>die</strong><br />

gr<strong>und</strong>legenden Transportwege <strong>und</strong> Signalübertragungsmechanismen,<br />

mit<br />

denen <strong>die</strong> komplexen Funktionen der<br />

Zellen nach der Proteinbiosynthese<br />

geregelt werden. Diese finden im Zytoplasma<br />

statt. „Dummerweise ist das<br />

in unserem Fall ein äußerst schmaler<br />

Saum. Das macht <strong>die</strong> Untersuchung<br />

<strong>die</strong>ser Zelle zu einer großen Herausforderung“,<br />

betont <strong>die</strong> Immunologin. Im<br />

Gegensatz zu anderen eukaryotischen<br />

Zellen sind T-Zellen nämlich nur etwa<br />

neun bis zehn Mikrometer groß. „Wir<br />

tricksen, indem wir <strong>die</strong> Prozesse mit<br />

pharmakologischen Substanzen stark<br />

verlangsamen, um sie mit Hilfe der<br />

hochauflösenden Live-Imaging-Technik<br />

überhaupt darstellen zu können“,<br />

erklärt ihr Partner. Diese Schwierigkeiten<br />

machen <strong>die</strong> zellbiologische T-<br />

Zell-Forschung zu einer Nische in der<br />

Wissenschaft. „Für mich gehört sie<br />

trotzdem zur Königsdisziplin“, sagt<br />

Höpken. Im Zusammenhang mit einer<br />

individualisierten Immuntherapie sind<br />

T-Zellen <strong>die</strong> neuen Hoffnungsträger in<br />

der Krebsbekämpfung.<br />

Verlust der Naivität nach<br />

erster Konfrontation<br />

T-Lymphozyten gehören zu den<br />

weißen Blutkörperchen <strong>und</strong> sind <strong>die</strong><br />

Protagonisten der erworbenen Immunabwehr.<br />

Nach ihrer Entstehung im Knochenmark<br />

aus Blutstammzellen wandern<br />

sie in den Thymus ein <strong>und</strong> reifen<br />

dort heran. „Dieses lymphatische Organ<br />

ist praktisch <strong>die</strong> Schule, in der<br />

<strong>die</strong> T-Lymphozyten lernen, körperfremde<br />

Eindringlinge zu erkennen“, erklärt<br />

Höpken. Dazu werden sie mit spezifischen<br />

Oberflächenrezeptoren, einer<br />

imdc04 2013<br />

17


Forschung<br />

Art Schlüssel, ausgestattet, mit denen<br />

sie unter anderem an infizierte Zellen<br />

andocken können. Nachdem ihre Entwicklung<br />

abgeschlossen ist, verlassen<br />

sie den Thymus <strong>und</strong> patrouillieren als<br />

naive T-Zellen auf der Suche nach körperfremden<br />

Antigenen im Blut <strong>und</strong> in<br />

den Lymphknoten. Ihre „Naivität“ verlieren<br />

sie bei der ersten Konfrontation<br />

mit <strong>die</strong>sen <strong>und</strong> werden dadurch<br />

zu „bewaffneten“ Effektorzellen aktiviert.<br />

Ein umfassendes Arsenal verschiedener<br />

Regulations- <strong>und</strong> Abwehrmechanismen<br />

steht ihnen hierbei zur<br />

Verfügung. „In den etwa sieben bis<br />

vierzehn Lebenstagen leistet <strong>die</strong> einzelne<br />

zytotoxische T-Zelle Schwerstarbeit<br />

<strong>und</strong> bekämpft um <strong>die</strong> zehn virusbefallene<br />

Zellen“, erzählt Armin<br />

Rehm. Aktivierte zytotoxische T-Zellen<br />

zerstören körperfremde oder<br />

virusinfizierte Zellen, aber auch Tumorzellen<br />

direkt durch <strong>die</strong> Ausschüttung<br />

sogenannter Perforine <strong>und</strong> Granzyme.<br />

Diese leiten enzymatisch den<br />

programmierten Zelltod ein. Sie wirken<br />

darüber hinaus auch indirekt, indem<br />

sie das Protein Interferon gamma<br />

freisetzen. Dadurch werden <strong>die</strong> Aktivität<br />

von weiteren Zellen des Immunsystems,<br />

den Makrophagen, sowie <strong>die</strong><br />

Antigenpräsentation entscheidend<br />

verstärkt. Darüber hinaus führt Interferon<br />

gamma zur Ausschüttung von Cytokinen,<br />

<strong>die</strong> <strong>die</strong> Immunantwort weiter<br />

ankurbeln. Interferon gamma hilft<br />

auch im Kampf gegen Krebs, da es den<br />

Zelltod von Stromazellen (Bindegewebszellen)<br />

<strong>und</strong> tumorversorgenden<br />

Blutgefäßen aktiviert, <strong>und</strong> so das Gerüst<br />

des Tumors zerstört.<br />

Mit der Frage, wie Perforin, Granzyme<br />

<strong>und</strong> das Interferon gamma aus<br />

den cytotoxischen T-Zellen ausgeschüttet<br />

werden, beschäftigen sich<br />

Höpken <strong>und</strong> Rehm schon seit längerem.<br />

Kürzlich entschlüsselten <strong>die</strong> beiden<br />

Wissenschaftler <strong>die</strong> Rolle, <strong>die</strong> der<br />

Rezeptor Sortilin, der auch in Nerven-<br />

<strong>und</strong> Leberzellen vorkommt, beim<br />

Transport von Interferon gamma <strong>und</strong><br />

indirekt beim Transport der Granzyme<br />

spielt. Nach dem Schlüssel-Schloss-<br />

Prinzip fischt Sortilin <strong>die</strong> Moleküle aus<br />

dem Golgi-Apparat <strong>und</strong> verpackt sie in<br />

Transportvesikel, <strong>die</strong> in Richtung Endosomen<br />

<strong>und</strong> Lysosomen wandern. „In<br />

einem künstlichen System mit Knockout-Mäusen<br />

sind wir in der Lage, Sortilin<br />

in der Zelle hoch- <strong>und</strong> runterzuregulieren.<br />

Fehlt der Rezeptor, führt das<br />

zu einer insgesamt schwächeren Immunabwehr“,<br />

sagt Rehm.<br />

Maßgeschneiderte<br />

Krebstherapie mit<br />

patienteneigenen Zellen<br />

Welche Bedeutung den cytotoxischen<br />

T-Zellen möglicherweise künftig<br />

in der Krebstherapie zukommt, konnten<br />

<strong>die</strong> Wissenschaftler mit ihren Experimenten<br />

zum Molekül EBAG9 zeigen.<br />

So wiesen sie nach, dass das durch<br />

Östrogeneinwirkung regulierte Protein<br />

entscheidend an der Reifung <strong>und</strong> Beladung<br />

der Transportvesikel beteiligt<br />

ist. Nachdem sie im Experiment das<br />

Gen für EBAG9 ausschalteten, konnten<br />

<strong>die</strong> cytotoxischen Effektorzellen verstärkt<br />

lysosomale Enzyme ausschütten<br />

<strong>und</strong> so <strong>die</strong> Tumorzellen abtöten.<br />

„Eine maßgeschneiderte individualisierte<br />

Therapie, bei der dem Patienten<br />

T-Zellen entnommen, genetisch<br />

modifiziert <strong>und</strong> wieder zurückgegeben<br />

werden, ist <strong>die</strong> Tumormedizin der Zukunft“,<br />

sagt Armin Rehm begeistert.<br />

Ihren Erfolg führen Uta Höpken <strong>und</strong><br />

Armin Rehm – seit 2002 arbeiten sie<br />

an gemeinsamen Projekten – darauf<br />

zurück, dass sie sich in der Vergangenheit<br />

bewusst in unterschiedliche Richtungen<br />

entwickelt haben. 1988 lernten<br />

sie sich in Marburg kennen, als sie im<br />

selben Labor jeweils Diplom- <strong>und</strong> Doktorarbeit<br />

machten. Danach gingen sie<br />

gemeinsam nach Amerika, aber gezielt<br />

in verschiedene Labore am MIT <strong>und</strong><br />

der Harvard Medical School. „Durch <strong>die</strong><br />

unterschiedlichen Forschungsschwerpunkte<br />

<strong>und</strong> <strong>die</strong> Vielfalt des Methodenspektrums<br />

sind wir heute besonders<br />

breit aufgestellt. Das kommt unserer<br />

Kooperation sehr zugute“, betont Uta<br />

Höpken. „Wir hatten beide das Glück,<br />

dass unsere Chefs, Bernd Dörken <strong>und</strong><br />

Martin Lipp uns sehr viel Freiheit gegeben<br />

haben, eigene Gruppen aufzubauen<br />

<strong>und</strong> gute Leute zu rekrutieren“,<br />

ergänzt Armin Rehm. Die gr<strong>und</strong>legende<br />

Frage, wie ein Transportweg so beeinflusst<br />

<strong>und</strong> stimuliert werden kann,<br />

dass eine T-Zelle potenter wird in ihrer<br />

Toxizität gegenüber Tumorzellen,<br />

wird sich weiterhin wie ein roter Faden<br />

durch ihre Forschung ziehen. Vielversprechend<br />

für einen Therapieerfolg<br />

sind aus ihrer Sicht Tumore des blutbildenden<br />

Systems wie Lymphdrüsenkrebs<br />

<strong>und</strong> Leukämien. „Dazu müssen wir jedoch<br />

zunächst <strong>die</strong> hoch komplizierten<br />

Transport- <strong>und</strong> Regulationsmechanismen<br />

in der Zelle aufklären“, wünschen<br />

sich Uta Höpken <strong>und</strong> Armin Rehm.<br />

18 imdc04 2013


Forschung<br />

Esprit d‘echange<br />

Lang lebe <strong>die</strong> Wissenschaft<br />

Eine Reihe sehr unterschiedlicher kultureller <strong>und</strong><br />

wissenschaftlicher Veranstaltungen bildeten einen Teil<br />

der Feierlichkeiten zum 50-jährigen Jubiläum des<br />

deutsch- französischen Fre<strong>und</strong>schaftsvertrages<br />

im vergangenen Jahr; auch Wissenschaftler<br />

des <strong>MDC</strong> wirkten mit.<br />

Die Bedeutsamkeit der Arbeit<br />

französischer Forschungseinrichtungen<br />

auf internationaler Ebene<br />

ist unbestritten, <strong>und</strong> so ist es auch<br />

nicht verw<strong>und</strong>erlich, dass drei französische<br />

Wissenschaftler in den vergangenen<br />

fünf Jahren den Nobelpreis<br />

für Physiologie <strong>und</strong> Medizin erhielten.<br />

Deutschland <strong>und</strong> Frankreich genießen<br />

einen starken <strong>und</strong> in seiner Symmetrie<br />

einzigartigen Bildungs- <strong>und</strong> Wissenschaftsaustausch<br />

(mit etwa der gleichen<br />

Anzahl an Wissenschaftlern auf<br />

beiden Seiten, <strong>die</strong> zu Forschungszwecken<br />

in das jeweils andere Land reisen),<br />

<strong>und</strong> davon konnte auch das <strong>MDC</strong><br />

profitieren.<br />

In der Regel arbeiten ständig r<strong>und</strong><br />

20 französische Wissenschaftler am<br />

<strong>MDC</strong>; eine gemeinsame <strong>MDC</strong>-INSERM<br />

Forschungsgruppe wurde gegründet<br />

(siehe S. 20), <strong>und</strong> eine langjährige<br />

Kooperation zwischen der Charité,<br />

dem <strong>MDC</strong> <strong>und</strong> der Universität Pierre<br />

et Marie Curie in Paris brachte das internationale<br />

Graduiertenkolleg Myo-<br />

Grad hervor. Im Geiste eines solchen<br />

fruchtbaren Austauschs brachten sich<br />

einige Wissenschaftler des <strong>MDC</strong> bei der<br />

Organisation zweier besonderer bilateraler<br />

wissenschaftlicher Konferenzen<br />

ein, <strong>die</strong> von der französischen Botschaft<br />

in Berlin unterstützt <strong>und</strong> durchgeführt<br />

wurde <strong>und</strong> an denen mehr als<br />

120 internationale Gäste teilnahmen.<br />

Das erste deutsch-französische<br />

Symposium, „Frontiers of Cardiovascular<br />

Research: From Basic Concepts<br />

to Novel Approaches in Therapy and<br />

Prevention“ (Grenzen <strong>und</strong> Möglichkeiten<br />

der Herz-Kreislauf-Forschung: Von<br />

gr<strong>und</strong>legenden Konzepten zu neuartigen<br />

Ansätzen in Therapie <strong>und</strong> Prävention),<br />

ist das Ergebnis einer Reihe individueller<br />

Forschungsaufenthalte <strong>und</strong><br />

einiger bereits existierender ertragreicher<br />

Kollaborationen. Bei <strong>die</strong>ser Veranstaltung<br />

kamen eine Vielzahl erfahrener<br />

Wissenschaftler des <strong>MDC</strong>, der<br />

Charité, des Deutschen Herzzentrums<br />

Berlin <strong>und</strong> fünf französischer<br />

Institutionen, darunter<br />

INSERM, das Collège de<br />

France <strong>und</strong> das Paris-Cardiovascular<br />

Research Center<br />

(PARCC), zusammen.<br />

Die Teilnehmer<br />

tauschten sich<br />

über ihre jüngsten<br />

Erkenntnisse in Bezug<br />

auf eine Vielfalt<br />

von Themen in den Bereichen<br />

gr<strong>und</strong>legende <strong>und</strong><br />

translationale Aspekte kardiovaskulärer<br />

Forschung aus. Zudem wurde<br />

20 Doktoranden <strong>und</strong> Post-doktoranden<br />

beider Länder <strong>die</strong> einzigartige<br />

Möglichkeit gegeben, während einer<br />

lebhaften Poster-Session ihre Forschungsarbeiten<br />

vorzustellen. Zu einer<br />

weiteren Konferenz, <strong>die</strong>se zum Thema<br />

„Perspectives of Systems Biology –<br />

from Modelling to Therapy of Complex<br />

Diseases“ (Perspektiven der Systembiologie<br />

– von der Modellierung zur Therapie<br />

komplexer Krankheiten), fanden<br />

sich Referenten aus mehr als zehn<br />

verschiedenen Unternehmen <strong>und</strong> Forschungseinrichtungen<br />

ein, einschließlich<br />

des Berlin Institute for Medical<br />

Systems Biology (BIMSB) des <strong>MDC</strong>, des<br />

Deutschen Krebsforschungszentrums<br />

(DKFZ), des Max Planck Instituts für<br />

molekulare Genetik (MPI), der Universität<br />

Luxemburg, des Institut Curie <strong>und</strong><br />

der École normale supérieure, <strong>die</strong> sich<br />

mit Themen wie beispielsweise „Genomes<br />

to Networks“, „Computational Biology“,<br />

„Genomik“ <strong>und</strong> „Epigenetik“<br />

im Zusammenhang<br />

mit Krebserkrankungen,<br />

Entzündungen, neurodegnerativen<br />

<strong>und</strong><br />

kardiovaskulären Erkrankungen<br />

auseinandersetzten.<br />

Wissenschaftliche<br />

Vorträge<br />

wurden durch<br />

Präsentationen zum<br />

Thema nationale Strategien<br />

zur finanziellen<br />

Förderung der Wissenschaften<br />

von Karin Effertz, deutsches<br />

B<strong>und</strong>esministerium für Bildung <strong>und</strong> Forschung<br />

(BMBF) <strong>und</strong> Jan-Michel Heard,<br />

nationale französische Forschungsagentur<br />

(ANR) ergänzt. Beide Konferenzen<br />

trugen zur Stärkung der internationalen<br />

Vernetzung des <strong>MDC</strong> bei<br />

<strong>und</strong> boten eine hervorragende Gelegenheit,<br />

Ideen für zukünftige Kooperationen<br />

<strong>und</strong> zu Fördermöglichkeiten<br />

auszutauschen.<br />

Oksana Seumenicht<br />

imdc04 2013<br />

19


Forschung<br />

Quelle für regenerative<br />

Therapien: Michael Sieweke möchte <strong>die</strong><br />

„Wachstumsbremse“ reifer Zellen lösen.<br />

Dem Geheimnis der<br />

Regeneration<br />

auf der Spur<br />

<strong>MDC</strong>-Wissenschaftler Michael Sieweke <strong>und</strong> sein Team<br />

erforschen in Südfrankreich erfolgreich Alternativen zur<br />

embryonalen Stammzelltherapie<br />

Text Maimona Id Fotos Jean-marie Huron<br />

Sobald eine Zelle ausgereift ist<br />

<strong>und</strong> sich auf ihre Funktionen<br />

spezialisiert hat, ist sie gar nicht oder<br />

nur noch sehr eingeschränkt in der Lage,<br />

sich zu teilen. So kommt es, dass<br />

der Körper beispielsweise bei einer<br />

Querschnittslähmung stark geschädigte<br />

Nervenzellen nicht reparieren kann.<br />

Diese „Wachstumsbremse“ ist ein bislang<br />

ungelöstes Problem der Regenerativen<br />

Medizin. Daher ist es ihr Ziel,<br />

<strong>die</strong> Funktionen von Organen oder Geweben,<br />

<strong>die</strong> durch akute oder chronische<br />

Krankheiten beeinträchtigt sind,<br />

mit Zellersatztherapien zu heilen. Die<br />

Herausforderung für Wissenschaftler<br />

wie Dr. Michael Sieweke besteht darin,<br />

ausgereifte Zellen in einer ausreichenden<br />

Menge herzustellen, um <strong>die</strong><br />

Aufgaben eines so komplexen Organs<br />

wie etwa der Bauchspeicheldrüse zu<br />

erfüllen. Mit seinem Team am renommierten<br />

Centre d’Immunologie de Marseille-Luminy<br />

(CIML) in Südfrankreich<br />

hat er möglicherweise das entscheidende<br />

Problem der Wachstumsbremse<br />

bei hochspezialisierten Zellen gelöst.<br />

Passend zum 50. Jubiläum des Elysée-Vertrages,<br />

der 1963 <strong>die</strong> Zusammenarbeit<br />

<strong>und</strong> Fre<strong>und</strong>schaft zwischen<br />

Deutschland <strong>und</strong> Frankreich besiegelte,<br />

hat auch das <strong>MDC</strong> seine eigene<br />

„French Connection“. In einem seit<br />

dem Herbst 2012 bestehenden Kooperationsprojekt<br />

zwischen dem Max-Delbrück-Centrum<br />

für Molekulare Medizin<br />

(<strong>MDC</strong>) <strong>und</strong> dem französischen Institut<br />

für Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Medizinische Forschung<br />

(INSERM), erforscht Michael<br />

Sieweke an der Schnittstelle von Immunologie<br />

<strong>und</strong> Stammzellwissenschaft<br />

<strong>die</strong> gr<strong>und</strong>legenden molekularen <strong>und</strong><br />

20 imdc04 2013


Forschung<br />

zellulären Mechanismen der Regeneration.<br />

Das Projekt soll <strong>die</strong> deutsch-französische<br />

Partnerschaft im Bereich Wissenschaft<br />

<strong>und</strong> Forschung stärken.<br />

Wegen Ihrer Fähigkeit, sich unbegrenzt<br />

vermehren <strong>und</strong> verschiedene<br />

Zelltypen des Körpers herstellen zu<br />

können, kamen für <strong>die</strong> Entwicklung regenerativer<br />

Therapien als Quelle bisher<br />

embryonale oder aber adulte Stammzellen<br />

in Frage – <strong>die</strong> einen ethisch<br />

umstritten, <strong>die</strong> anderen in zu geringer<br />

Zahl isolierbar. „State of the Art“<br />

in der Stammzellforschung sind derzeit<br />

sogenannte induzierte pluripotente<br />

Stammzellen (iPS). Dabei handelt es<br />

sich um Stammzellen, <strong>die</strong> aus bereits<br />

ausdifferenzierten Körperzellen wie<br />

beispielsweise Hautzellen molekulargenetisch<br />

in ein Urstadium reprogrammiert<br />

werden. Damit sind sie theoretisch<br />

wieder in der Lage, sich erstens<br />

zu vermehren <strong>und</strong> zweitens in jedwede<br />

gewünschte Zelle zu entwickeln. „Der<br />

Vorteil: Für <strong>die</strong> Forschung werden keine<br />

Embryonen verwendet. Der Nachteil:<br />

Es ist ein sehr aufwendiger <strong>und</strong><br />

komplizierter Umweg aus Rückprogrammierung,<br />

Vermehrung <strong>und</strong> Spezialisierung<br />

der Zellen“, erklärt Michael<br />

Sieweke. Genau das möchte der Wissenschaftler<br />

vermeiden. „Letztendlich<br />

benötige ich für <strong>die</strong> Heilung einer Erkrankung<br />

spezialisierte Zellen mit einer<br />

genau definierten Funktion. Mit<br />

unseren Forschungen wollen wir den<br />

Stammzellzwischenschritt überspringen<br />

<strong>und</strong> bereits ausgereifte Zellen unmittelbar<br />

in der Petrischale vermehren“,<br />

sagt Sieweke. Mit Makrophagen,<br />

den sogenannten Fresszellen, <strong>die</strong> im<br />

Fokus seiner Arbeit stehen, ist ihm das<br />

bereits gelungen.<br />

Makrophagen – viel mehr<br />

als nur Fresszellen<br />

Makrophagen zählen zu den weißen<br />

Blutkörperchen <strong>und</strong> kommen fast<br />

überall im Körper vor. In der Immunabwehr<br />

übernehmen sie zahlreiche Aufgaben.<br />

Eine davon ist <strong>die</strong> Zerstörung<br />

von Krankheitserregern wie Bakterien<br />

<strong>und</strong> Viren. Bei <strong>die</strong>sem Vorgang, der sogenannten<br />

Phagocytose, nehmen <strong>die</strong><br />

Zellen <strong>die</strong> Keime auf <strong>und</strong> verdauen sie.<br />

Deshalb werden sie auch Fresszellen<br />

genannt. Für Michael Sieweke ist besonders<br />

eine Funktion interessant. „Je<br />

nach ihrem Aktivierungszustand lösen<br />

Makrophagen entweder entzündliche<br />

oder aber regenerative Prozesse aus.<br />

Sie übernehmen bei vielen chronischen<br />

<strong>und</strong> akuten Entzündungsgeschehen<br />

wie etwa beim Herzinfarkt eine wichtige<br />

Steuerrolle“, erklärt er. Diesen<br />

Mechanismus sowie <strong>die</strong> Entwicklung<br />

der Zellen aus ihren Vorläuferzellen,<br />

den hämatopoetischen Stammzellen,<br />

möchte der Wissenschaftler aufklären.<br />

Dazu untersuchte er eine Gruppe von<br />

regulatorischen Steuermolekülen der<br />

Maf-Familie. Die Proteine, sogenannte<br />

Transkriptionsfaktoren, spielen bei<br />

der Genexpression eine Rolle. Sie sind<br />

in Makrophagen hoch aktiv. „Wir dachten,<br />

dass sie in erster Linie dazu <strong>die</strong>nen,<br />

<strong>die</strong> Spezialfunktionen der ausdifferenzierten<br />

Zelle aufrechtzuerhalten“,<br />

erläutert Sieweke. Im Knockout-Modell<br />

deaktivierten <strong>die</strong> Forscher auf der genetischen<br />

Ebene <strong>die</strong> betreffenden Faktoren.<br />

Ihre Überraschung war groß, als<br />

<strong>die</strong> reifen Makrophagen plötzlich anfingen,<br />

sich zu teilen <strong>und</strong> zu vermehren.<br />

Zudem behielten sie entgegen der<br />

Erwartung ihren Differenzierungsstatus<br />

bei.<br />

Unbegrenztes Wachstum,<br />

aber keine unkontrollierte<br />

Wucherung<br />

Mittlerweile mehr als zwei Jahre<br />

wachsen <strong>die</strong> Makrophagen in Zellkultur.<br />

Neben den embryonalen Stammzellen<br />

imdc04 2013<br />

21


Forschung<br />

„<strong>MDC</strong>-Außenposten“ in Frankreich:<br />

Michael Sieweke (Mitte) <strong>und</strong> seine<br />

Arbeitsgruppe am Centre D’Immunologie<br />

de Marseille-Luminy (CIML).<br />

„Wir Wissenschaftler sind<br />

moderne Nomaden.”<br />

besitzen ansonsten nur Tumorzelllinien<br />

<strong>die</strong>selbe unbegrenzte Lebensdauer.<br />

„Mit verschiedenen Tests haben wir ausgeschlossen,<br />

dass <strong>die</strong> gentechnisch<br />

veränderten Mausmakrophagen krebserregendes<br />

Potential entwickeln“, betont<br />

der Stammzellforscher. Nachdem<br />

<strong>die</strong> gentechnisch veränderten Zellen<br />

zurück in den Organismus verpflanzt<br />

wurden, nahmen sie ihre normalen Aufgaben<br />

wie <strong>die</strong> Phagocytose wieder auf.<br />

„Ist unser Forschungsergebnis auf andere<br />

Zellmodelle übertragbar, käme<br />

das einer kleinen Revolution in der<br />

Stammzellforschung gleich“, erklärt<br />

Sieweke. Ein schier unbegrenzter Vorrat<br />

an frischen leistungsfähigen Zellen<br />

würde damit in greifbare Nähe rücken.<br />

Von der Zusammenarbeit mit dem<br />

<strong>MDC</strong> ist Dr. Sieweke begeistert. „Ich<br />

sehe unsere Gruppe als kleinen <strong>MDC</strong>-<br />

Außenposten. Von der wissenschaftlichen<br />

Expertise <strong>und</strong> der hervorragenden<br />

Technologieplattform in Buch profitieren<br />

wir sehr“, freut er sich. Trotzdem<br />

möchte er seinen Arbeitsplatz in einem<br />

der schönsten Naturparks Europas<br />

direkt am Mittelmeer nicht missen.<br />

Darauf angesprochen, warum er<br />

ausgerechnet nach Frankreich gegangen<br />

ist, lächelt er <strong>und</strong> antwortet: „Die<br />

Frage ist nicht ganz richtig. Ich bin<br />

nicht nach Frankreich gegangen, sondern<br />

in Europa geblieben“, betont der<br />

gebürtige Deutsche, Wahlfranzose <strong>und</strong><br />

bekennende Europäer. Er setzt sich dafür<br />

ein, dass ausgezeichnete Wissenschaftler<br />

nicht nur in den angloamerikanischen<br />

Raum gehen, sondern auch<br />

Frankreich als starke Forschernation<br />

wahrnehmen. Obwohl Wissenschaft <strong>und</strong><br />

Nomadentum auf den ersten Blick wenig<br />

Gemeinsames zu haben scheinen,<br />

sagt Michael Sieweke: „Wir Forscher<br />

sind moderne Nomaden“. Nach Aufenthalten<br />

in Tübingen, Heidelberg, Berkeley<br />

(USA) <strong>und</strong> Melbourne (Australia) ist<br />

der Wissenschaftler mit seiner Familie<br />

in Marseille heimisch geworden. Mittlerweile<br />

sind es 13 Jahre, <strong>die</strong> er dort<br />

lebt <strong>und</strong> forscht. Eine weitere Gemeinsamkeit<br />

von Forschern <strong>und</strong> Nomaden<br />

ist <strong>die</strong> Freiheit. Nämlich <strong>die</strong> Freiheit,<br />

unabhängig zu denken, ohne <strong>die</strong> Entdeckungen<br />

wie <strong>die</strong> von Michael Sieweke<br />

nicht möglich wären.<br />

Nach wie vor<br />

funktionstüchtig:<br />

gentechnisch<br />

veränderte<br />

Makrophagen<br />

beim Verdauungsprozess<br />

von<br />

Bakterien(grün).<br />

http://www.ciml.univ-mrs.fr/fr/<br />

science/lab-michael-sieweke/<br />

pour-les-experts<br />

22 imdc04 2013


-<br />

Forschung<br />

Highlight Paper<br />

Neurale Vorläuferzellen (braun gefärbte Zellen) aus dem Gehirn einer transgenen Maus umlagern in<br />

vielen Zellschichten einen Gehirntumor (Tumormasse in rot). Die neuralen Vorläuferzellen setzen<br />

tumorunterdrückende Substanzen frei (Endovanilloide), <strong>die</strong> einen Rezeptor auf Gehirntumoren<br />

aktivieren <strong>und</strong> damit Tumorzelltod auslösen. Die starke Wanderungsbewegung von neuralen<br />

Vorläuferzellen zu Gehirntumoren findet sich nur im jungen Gehirn, im älteren Gehirn ist <strong>die</strong>ser<br />

tumorsupprimierende Effekt vermindert <strong>und</strong> das Gehirntumorwachstum geht schneller<br />

vonstatten. Das Bild zeigt auch einen Ort, an dem neurale Stammzellen <strong>und</strong> Vorläuferzellen<br />

natürlicherweise vorkommen. Diese Stammzellnische, <strong>die</strong> sogenannte subventrikuläre<br />

Zone, befindet sich an den Hirnwasserkammern (Ventrikeln), <strong>die</strong>s ist der<br />

Hohlraum im linken unteren Bildteil.<br />

Neues<br />

Angriffsziel<br />

gegen<br />

Hirntumore<br />

<strong>MDC</strong>-Arbeitsgruppe entdeckt Botenstoffe, <strong>die</strong><br />

bösartige Astrocytome zum Absterben bringen<br />

Text Russ Hodge Foto Rainer Glass <strong>und</strong> Michael Synowitz<br />

Mutationen, <strong>die</strong> potentiell Krebs<br />

erzeugen können, entstehen im<br />

Körper ständig. Die meisten werden jedoch<br />

durch natürliche Schutzmechanismen<br />

unschädlich gemacht. Diese<br />

Mechanismen könnten einen Ausgangspunkt<br />

für wirksame neue Therapien<br />

darstellen – leider sind sie bisher<br />

schwer zu fassen. In einer neuen Stu<strong>die</strong><br />

aus der Arbeitsgruppe von Helmut<br />

Kettenmann wurde nun ein Mechanismus<br />

entdeckt, der dem Körper bei der<br />

Bekämpfung einer der gefährlichsten<br />

Formen von Hirntumoren hilft: bösartige<br />

Astrozytome (high-grade astrocytomas,<br />

HGA). Rainer Glaß, ein ehemaliger<br />

Postdoc in Kettenmanns Labor<br />

(jetzt Professor an der Ludwig-Maximilians-Universität<br />

München, LMU)<br />

<strong>und</strong> seine Kollegen konnten zeigen,<br />

dass bestimmte Stammzellen im Gehirn<br />

Substanzen abgeben, <strong>die</strong> solche<br />

Tumorzellen zur Selbstzerstörung bringen.<br />

Die Stu<strong>die</strong>, erschienen im letzten<br />

August-Heft von Nature Medicine,<br />

eröffnet einen völlig neuen Zugang<br />

zu <strong>die</strong>ser Erkrankung, <strong>die</strong> bisher hartnäckig<br />

allen Behandlungsversuchen<br />

trotzt <strong>und</strong> fast immer tödlich verläuft.<br />

„Bösartige Gliome sind eine Tumorart<br />

mit extrem schlechter Prognose“, erklärt<br />

Helmut Kettenmann. „Die durchschnittliche<br />

Lebenserwartung nach der<br />

Diagnose beträgt etwa ein Jahr; kaum<br />

jemand überlebt fünf Jahre. Außerdem<br />

gibt es trotz 30 Jahren Forschung<br />

praktisch immer noch keinen Therapiefortschritt,<br />

trotz Versuchen, <strong>die</strong> Tumore<br />

durch Bestrahlung, Chemotherapie<br />

oder chirurgisch zu behandeln.“<br />

Seit vielen Jahren schon war nun<br />

in Kettenmanns <strong>und</strong> anderen Arbeitsgruppen<br />

beobachtet worden, dass neuronale<br />

Vorläuferzellen (NPCs) bei der<br />

Entwicklung von bösartigen Astrozytomen<br />

durch <strong>die</strong> Tumorzellen geradezu<br />

angezogen werden <strong>und</strong> in deren<br />

Richtung wandern. Die Forscher<br />

vermuteten, dass dann <strong>die</strong> NPCs Faktoren,<br />

„Botenstoffe“, freisetzen, <strong>die</strong><br />

<strong>die</strong> Tumorzellen zum Absterben bringen.<br />

Doch niemand wusste genau, um<br />

welche Substanzen es sich genau handelt<br />

oder wie sie auf <strong>die</strong> Tumorzellen<br />

einwirken.<br />

Endovanilloide<br />

lösen Signal zur<br />

Selbstzerstörung aus<br />

Einige <strong>die</strong>ser Fragen konnten nun<br />

in der Stu<strong>die</strong> von Rainer Glaß, Kristin<br />

Stock, Jitender Kumar, Michael Synowitz<br />

<strong>und</strong> anderen Mitgliedern der Kettenmann-Arbeitsgruppe<br />

sowie weiteren<br />

<strong>MDC</strong>-Wissenschaftlern geklärt werden.<br />

Die Forscher zeigten, dass NPCs spezifische<br />

Lipidmoleküle absondern, sogenannte<br />

Endovanilloide. Diese Fettsubstanzen<br />

binden an ein Protein namens<br />

TRVP1, das in großer Zahl an der Oberfläche<br />

von Tumorzellen vorkommt. Die<br />

Endovanilloide aktivieren dadurch ein<br />

Signal in der Zielzelle, das <strong>die</strong>se dazu<br />

bringt, abzusterben.<br />

„Unser bisheriges Wissen über<br />

TRVP1 kommt aus einem ganz anderen<br />

Zusammenhang“, erklärt Kettenmann.<br />

imdc04 2013<br />

23


Forschung<br />

„Wir kennen es aus Nervenzellen, <strong>die</strong><br />

Schmerzsignale wahrnehmen. Das<br />

TRVP1-Protein wird auch durch Capsaicin<br />

aktiviert, der für den scharfen Geschmack<br />

zuständigen Komponente von<br />

Chilischoten. Doch bislang spielte es<br />

für uns noch keine Rolle bei Gliom-Erkrankungen.“<br />

Warum ist <strong>die</strong>ser Schutzmechanismus<br />

jedoch nur bei jungen<br />

Mäusen zu beobachten, nicht aber bei<br />

erwachsenen Ein Gr<strong>und</strong> könnte <strong>die</strong><br />

natürliche Abnahme der Zahl der neuronalen<br />

Vorläuferzellen mit zunehmendem<br />

Alter sein. Die Zellen werden<br />

hauptsächlich für Wachstum <strong>und</strong> Reifung<br />

des Gehirns benötigt, <strong>und</strong> ihre<br />

Rolle im erwachsenen Gehirn muss erst<br />

noch erforscht werden. Doch auch ohne<br />

<strong>die</strong>se Zellen, so Kettenmann, könnte es<br />

möglich sein, ihre Wirkung auf TRPV1<br />

<strong>und</strong> das Tumorwachstum zu imitieren.<br />

Zur Aufdeckung <strong>die</strong>ses Mechanismus<br />

waren zahlreiche Experimente vom<br />

in vitro-Versuch im Reagenzgefäß bis<br />

zum Tierversuch mit Mäusen notwendig,<br />

außerdem <strong>die</strong> Untersuchung von<br />

Gewebsproben von Krebspatienten. Zunächst<br />

wurden Tumorzellen aus Zellkulturen<br />

mit einem Gemisch von Molekülen<br />

versetzt, wie sie neuronale<br />

Vorläuferzellen absondern. Auf <strong>die</strong>sem<br />

Weg gelang es, den Endovanilloiden<br />

auf <strong>die</strong> Spur zu kommen: andere<br />

Moleküle zeigten keine antitumorale<br />

Wirkung. Allmählich wurde auch klar,<br />

was geschieht, wenn Endovanilloide<br />

an TRVP1-Proteine andocken: Sie lösen<br />

dadurch in der Tumorzelle einen<br />

Selbstzerstörungsmechanismus aus.<br />

Ein solcher Vorgang ist an sich nicht<br />

ungewöhnlich. Durch <strong>die</strong> Bindung eines<br />

externen Moleküls an Zellrezeptoren<br />

wie TRVP1 wird oftmals eine Kaskade<br />

von chemischen Signalvorgängen<br />

in einer Zelle in Gang gesetzt. Dabei<br />

wird eine Information von einem<br />

Molekül zum nächsten weitergegeben,<br />

was schließlich zu einer Aktivierung<br />

neuer Gene führt. Im vorliegenden<br />

Fall, so zeigte <strong>die</strong> Stu<strong>die</strong>, wird <strong>die</strong><br />

Information dann über ein Protein namens<br />

ATF3 weitergeleitet, das <strong>die</strong> Genaktivierungsmuster<br />

der Zelle verändert.<br />

Dadurch „weiß“ <strong>die</strong> Tumorzelle,<br />

dass etwas mit ihr nicht stimmt <strong>und</strong><br />

zerstört sich selbst.<br />

Neue Werkzeuge gegen<br />

bösartige Gliome<br />

entwickeln<br />

Außerdem entdeckten <strong>die</strong> Wissenschaftler,<br />

dass Endovanilloide auch<br />

einen besonderen biochemischen<br />

Stoffwechselweg für Zellen in Notsituationen<br />

auslösen können, den<br />

„endoplasmatic reticulum stresspathway”.<br />

Das Endoplasmatische Retikulum<br />

(ER) ist ein weitverzweigtes<br />

Highlight Papers des <strong>MDC</strong> sind Veröffentlichungen,<br />

<strong>die</strong> einen Impact- Factor von mehr als zehn<br />

aufweisen <strong>und</strong> bei denen <strong>MDC</strong>-Mitarbeiter Erst-, Letztoder<br />

korrespon<strong>die</strong>rende Autoren sind.<br />

2013|01<br />

(90)Yttrium-ibritumomab-tiuxetan as first-line treatment<br />

for follicular lymphoma: 30 months of follow-up data<br />

from an international multicenter phase II clinical trial.<br />

Scholz, C.W. and Pinto, A. and Linkesch, W. and Linden,<br />

O. and Viardot, A. and Keller, U. and Hess, G. and Lastoria,<br />

S. and Lerch, K. and Frigeri, F. and Arcamone, M. and<br />

Stroux, A. and Frericks, B. and Pott, C. and Pezzutto, A.<br />

Journal of Clinical Oncology 31 (3): 308-313.<br />

20 January 2013<br />

Microglia: new roles for the synaptic stripper.<br />

Kettenmann, H. and Kirchhoff, F. and Verkhratsky, A.<br />

Neuron 77 (1): 10-18. 09 January 2013<br />

Genomic variation landscape of the human gut microbiome.<br />

Schloissnig, S. and Arumugam, M. and Sunagawa, S. and<br />

Mitreva, M. and Tap, J. and Zhu, A. and Waller, A. and<br />

Mende, D.R. and Kultima, J.R. and Martin, J. and Kota,<br />

K. and Sunyaev, S.R. and Weinstock, G.M. and Bork, P.<br />

Nature 493 (7430): 45-50. 03 January 2013<br />

2012|12<br />

CYP2J2 expression and circulating epoxyeicosatrienoic<br />

metabolites in preeclampsia. Herse, F. and LaMarca, B. and<br />

Hubel, C.A. and Kaartokallio, T. and Lokki, A.I. and Ekholm,<br />

E. and Laivuori, H. and Gauster, M. and Huppertz, B.<br />

and Sugulle, M. and Ryan, M.J. and Novotny, S. and Brewer,<br />

J. and Park, J.K. and Kacik, M. and Hoyer, J. and Verlohren,<br />

S. and Wallukat, G. and Rothe, M. and Luft, F.C. and Muller,<br />

D.N. and Schunck, W.H. and Staff, A.C. and Dechend, R.<br />

Circulation 126 (25): 2990-2999. 18 December 2012<br />

2012|11<br />

The sorting receptor sortilin exhibits a dual function<br />

in exocytic trafficking of interferon-{gamma} and<br />

granzyme A in T cells. Herda, S. and Raczkowski, F. and<br />

Mittruecker, H.W. and Willimsky, G. and Gerlach, K. and Kuehl,<br />

A.A. and Breiderhoff, T. and Willnow, T.E. and Doerken,<br />

B. and Hoepken, U.E. and Rehm, A. / Immunity 37 (5): 854-<br />

866. 16 November 2012<br />

A misplaced lncRNA causes brachydactyly in humans.<br />

Maass, P.G. and Rump, A. and Schulz, H. and Stricker, S.<br />

and Schulze, L. and Platzer, K. and Aydin, A. and Tinschert,<br />

S. and Goldring, M.B. and Luft, F.C. and Baehring, S<br />

Journal of Clinical Investigation 122 (11): 3990-4002. 01 November<br />

2012<br />

24 imdc04 2013


Forschung<br />

Membranlabyrinth im Zellinneren, das<br />

eine wichtige Rolle bei der Herstellung<br />

neuer Proteine spielt. Defekte im<br />

ER können dazu führen, dass sich dort<br />

große Stoffmengen ansammeln <strong>und</strong><br />

zurückgehalten anstatt ausgeschleust<br />

werden. Die Struktur schwillt an, <strong>und</strong><br />

schließlich stirbt <strong>die</strong> Zelle ab. Unter<br />

dem Elektronenmikroskop sind solche<br />

aufgeblähten ER-Strukturen in Tumorzellen<br />

zu beobachten.<br />

Untersuchungen in vitro <strong>und</strong> bei<br />

Mäusen zeigten, dass durch eine experimentelle<br />

Blockade der Endovanilloide<br />

<strong>die</strong> antitumoralen Wirkungen<br />

der Stammzellen verschwinden. Hierzu<br />

kann man entweder <strong>die</strong>se Lipidmoleküle<br />

selbst abbauen, das TRPV1-Protein aus<br />

den Tumorzellen entfernen, oder das<br />

durch <strong>die</strong> Bindung erzeugte Signal blockieren.<br />

In all <strong>die</strong>sen Fällen konnte <strong>die</strong><br />

Zelle das Signal, sich selbst zu zerstören,<br />

nicht mehr empfangen, <strong>und</strong> selbst<br />

<strong>die</strong> Anwesenheit von neuronalen Vorläuferzellen<br />

schützte den Organismus<br />

nicht mehr vor aggressiven Tumoren.<br />

„Das hat bedeutende Folgen für<br />

<strong>die</strong> Entwicklung neuer Therapien gegen<br />

bösartige Gliome“, erklärt Helmut<br />

Kettenmann. „Als wir unsere Mäuse mit<br />

künstlichen Endovanilloiden behandelten,<br />

reagierten sie darauf wie junge<br />

Mäuse. Selbst wenn <strong>die</strong>se Tiere nur<br />

wenige neuronale Vorläuferzellen aufwiesen,<br />

beobachteten wir eine Aktivierung<br />

des durch TRPV1 stimulierten<br />

Stoffwechselwegs <strong>und</strong> einen signifikanten<br />

Anstieg der Überlebenszahlen bei<br />

den Tieren.“ In früheren Arbeiten zu<br />

TRPV1 in einem anderen Kontext –<br />

der Schmerzwahrnehmung – wurde der<br />

Wirkstoff Arvanil gef<strong>und</strong>en, der den Rezeptor<br />

ebenfalls aktivieren kann. Bei<br />

Mäusen mit aggressiven Gliomen verringerte<br />

<strong>die</strong>ses synthetische Endovanilloid<br />

das Tumorwachstum stark.<br />

„Arvanil kann zwar aufgr<strong>und</strong> von<br />

Nebenwirkungen nicht beim Menschen<br />

eingesetzt werden“, erläutert Kettenmann,<br />

„doch <strong>die</strong> Stu<strong>die</strong>n bei Mäusen<br />

stellen einen gr<strong>und</strong>sätzlichen Machbarkeitsnachweis<br />

dar: Dass es nämlich<br />

sinnvoll ist, neue Substanzen zu entwickeln<br />

<strong>und</strong> zu testen, <strong>die</strong> TRPV1 aktivieren.<br />

Diese könnten zu einem entscheidenden<br />

neuen Werkzeug im Kampf<br />

gegen eine Tumorart werden, <strong>die</strong> sich<br />

bisher allen verfügbaren Behandlungsmethoden<br />

widersetzt.“<br />

Übersetzung: Dietmar Zimmer<br />

Referenz: Kristin Stock*, Jitender Kumar*, Michael<br />

Synowitz*, Stefania Petrosino, Roberta Imperatore,<br />

Ewan St J Smith*, Peter Wend*, Bettina Purfürst*,<br />

Ulrike A Nuber, Ulf Gurok, Vitali Matyash*, Joo-Hee<br />

Wälzlein*, Sridhar R Chirasani*, Gunnar Dittmar*,<br />

Benjamin F Cravatt, Stefan Momma, Gary R Lewin*,<br />

Alessia Ligresti, Luciano De Petrocellis, Luigia<br />

Cristino, Vincenzo Di Marzo, Helmut Kettenmann*<br />

& Rainer Glass*. / Neural precursor cells induce cell<br />

death of high-grade astrocytomas through stimulation<br />

of TRPV1. Nature Medicine (2012), Vol. 18 No. 8,<br />

August 2012, 1232-1239. / *) <strong>MDC</strong>-Mitarbeiter<br />

Letzte Highlight Papers<br />

The cell-cycle regulator c-Myc is essential for the formation<br />

and maintenance of germinal centers.<br />

Calado, D.P. and Sasaki, Y. and Godinho, S.A. and Pellerin,<br />

A. and Koechert, K. and Sleckman, B.P. and de Alboran,<br />

I.M. and Janz, M. and Rodig, S. and Rajewsky, K. / Nature<br />

Immunology 13 (11): 1092-1100. November 2012<br />

2012|10<br />

Distinct cellular pathways select germline-encoded and somatically<br />

mutated antibo<strong>die</strong>s into immunological memory.<br />

Kaji, T. and Ishige, A. and Hikida, M. and Taka, J. and Hijikata,<br />

A. and Kubo, M. and Nagashima, T. and Takahashi, Y.<br />

and Kurosaki, T. and Okada, M. and Ohara, O. and Rajewsky,<br />

K. and Takemori, T. / Journal of Experimental Medicine 209<br />

(11): 2079-2097. 22 October 2012<br />

Chloride in vesicular trafficking and function. Stauber, T.<br />

and Jentsch, T.J. / Annual Review of Physiology 17 October<br />

2012 (In Press)<br />

2012|09<br />

Colonization of the satellite cell niche by skeletal muscle<br />

progenitor cells depends on notch signals. Broehl, D. and<br />

Vasyutina, E. and Czajkowski, M.T. and Griger, J. and Rassek,<br />

C. and Rahn, H.P. and Purfuerst, B. and Wende, H. and<br />

Birchmeier, C. / Developmental Cell 23 (3): 469-481. 11 September<br />

2012<br />

Krueppel-like factor 15 regulates Wnt/beta-catenin<br />

transcription and controls cardiac progenitor cell fate in<br />

the postnatal heart. Noack, C. and Zafiriou, M.P. and Schaeffer,<br />

H.J. and Renger, A. and Pavlova, E. and Dietz, R. and<br />

Zimmermann, W.H. and Bergmann, M.W. and Zelarayan, L.C.<br />

EMBO Molecular Medicine 4 (9): 992-1007. September 2012<br />

2012|08<br />

Synergy between PI3K signaling and MYC in Burkitt<br />

lymphomagenesis.<br />

Sander, S. and Calado, D.P. and Srinivasan, L. and Koechert,<br />

K. and Zhang, B. and Rosolowski, M. and Rodig, S.J.<br />

and Holzmann, K. and Stilgenbauer, S. and Siebert, R. and<br />

Bullinger, L. and Rajewsky, K. / Cancer Cell 22 (2): 167-179.<br />

14 August 2012<br />

Editorial authors‘ reply to Freedhoff.<br />

Floegel, A. and Pischon, T.v / British Medical Journal 345 :<br />

e5109. 06 August 2012<br />

Neocortical dendritic complexity is controlled during development<br />

by NOMA-GAP-dependent inhibition of Cdc42<br />

and activation of cofilin. Rosario, M. and Schuster, S. and<br />

Juettner, R. and Parthasarathy, S. and Tarabykin, V. and<br />

Birchmeier, W. / Genes & Development 26 (15): 1743-1757.<br />

01 August 2012<br />

imdc04 2013<br />

25


Forschung<br />

Photography: Maj Britt Hansen · Philipp Maass · Hakan Toka<br />

The Case of the Short-fingered Musketeer Russ Hodge<br />

The Case of the<br />

Short-fingered Musketeer<br />

by Russ Hodge<br />

Afterwords by Friedrich C. Luft<br />

and Nihat Bilginturan<br />

Der Fall des<br />

kurzfingrigen<br />

Musketiers<br />

Buchvorstellung<br />

Abenteuer der Biomedizin umfasst<br />

20 Jahre Forschungsarbeit am <strong>MDC</strong><br />

Text Russ Hodge Fotos MaJ Britt HAnsen, Philipp Maass, Hakan Toka<br />

Als ich vor sechs Jahren an das<br />

<strong>MDC</strong> kam, begann ich damit,<br />

ein Buch mit dem Titel Translations zu<br />

schreiben. Darin werden 25 Geschichten<br />

über <strong>die</strong> wissenschaftliche Arbeit<br />

auf dem Campus erzählt. Bei der Recherche<br />

stieß ich auf ein Projekt, das<br />

als eines der ersten<br />

Projekte<br />

des <strong>MDC</strong> begonnen<br />

hatte <strong>und</strong><br />

an dem noch immer gearbeitet wurde.<br />

Die Geschichte, aus der später „Der<br />

Fall des kurzfingrigen Musketiers“ werden<br />

sollte, hörte ich zum ersten Mal<br />

im Büro von Fred Luft, drüben in der<br />

alten Franz-Volhard-Klinik. Zu der Zeit<br />

hatte ich nicht <strong>die</strong> geringste Ahnung,<br />

dass das Projekt so viele verschiedene<br />

Im Norden der Türkei, an der Küste des Schwarzen<br />

Meeres, lebt eine Familie von Landwirten, <strong>die</strong> eine<br />

einzigartige Erbkrankheit aufweist.<br />

Facetten hat, dass es zu einer Art persönlichen<br />

Abenteuers für mich werden,<br />

oder dass ich fast zwei Jahre damit<br />

verbringen würde, darüber zu schreiben.<br />

Fred hätte es vielleicht voraussehen<br />

können: Über zwei Jahrzehnte<br />

hinweg hat das Projekt Dutzende Wissenschaftler<br />

in seinen Bann gezogen,<br />

<strong>die</strong> allesamt der Überzeugung sind,<br />

dass es einen maßgeblichen Einfluss<br />

auf ihr Leben <strong>und</strong> ihre weitere berufliche<br />

Laufbahn hatte.<br />

Im Norden der Türkei, an der Küste<br />

des Schwarzen Meeres, lebt eine<br />

Familie von Landwirten, <strong>die</strong> eine<br />

einzigartige Erbkrankheit aufweist. Die<br />

Betroffenen haben ungewöhnlich kurze<br />

Finger <strong>und</strong> Zehen – was für sich gesehen<br />

trivial erscheint – doch gleichzeitig<br />

steigen ihre Blutdruckwerte stetig<br />

immer weiter an <strong>und</strong> erreichen schließlich<br />

astronomische Höhen. Wenn <strong>die</strong><br />

Betroffenen<br />

dann ein mittleres<br />

Lebensalter<br />

erreicht haben,<br />

können <strong>die</strong> Blutgefäße des Gehirns dem<br />

Druck nicht mehr standhalten, <strong>und</strong> sie<br />

erleiden schließlich einen tödlichen<br />

Schlaganfall.<br />

Vor fünfzig Jahren erkannte der<br />

Religionsführer der Gemeinde, der<br />

ebenfalls von dem Leiden betroffen<br />

war, eine Verbindung zwischen den<br />

26 imdc04 2013


Forschung<br />

kurzen Fingern <strong>und</strong> dem plötzlichen<br />

Tod, der unter seinen Verwandten immer<br />

wieder vorkam. Er suchte Rat.<br />

Im Jahre 1970 schließlich fand er einen<br />

Arzt namens Nihat Bilginturan, der<br />

dem Dorf einen Besuch abstattete, mit<br />

Sorgfalt einen Stammbaum der Familie<br />

erstellte <strong>und</strong> eine wissenschaftliche Arbeit<br />

über das Krankheitsbild veröffentlichte.<br />

Diese versank zunächst für mehr<br />

als zwanzig Jahre im Meer der Fachliteratur,<br />

bis sie von dem Humangenetiker<br />

Thomas Wienker wiederentdeckt wurde,<br />

als er einen Vortrag vorbereitete.<br />

Außergewöhnlicher<br />

Fall gibt Hinweise auf<br />

Volkskrankheit<br />

Fred Luft war zu <strong>die</strong>sem Zeitpunkt<br />

gerade von Detlev Ganten als einer der<br />

ersten Forscher des <strong>MDC</strong> eingestellt<br />

worden <strong>und</strong> beschloss, der Geschichte<br />

als einem der ersten wissenschaftlichen<br />

Projekte des neuen Instituts<br />

nachzugehen. Seither arbeiten Fred<br />

<strong>und</strong> seine Kollegen an <strong>die</strong>sem Fall. Warum,<br />

mag man fragen, wird so viel Aufwand<br />

für einen Fall betrieben, der so<br />

wenige Menschen betrifft Ein Gr<strong>und</strong><br />

ist, dass das Krankheitsbild der Familie<br />

dem der essentiellen Hypertonie zu<br />

ähneln scheint – eine Art des Bluthochdrucks,<br />

von der ungefähr ein Viertel der<br />

Weltbevölkerung betroffen ist <strong>und</strong> dessen<br />

Ursache unbekannt ist. „Wir wissen,<br />

dass bei weitverbreiteten Krankheiten<br />

wie der Hypertonie in der Regel<br />

eine genetische Komponente eine Rolle<br />

spielt”, so Fred. „Doch bei <strong>die</strong>ser Art<br />

von Leiden findet meist eine subtile<br />

Wechselwirkung zwischen einer großen<br />

Anzahl von Genen statt, <strong>und</strong> das macht<br />

es ungeheuer schwierig, sie zu finden.<br />

Wir hoffen, dass uns solche außergewöhnlichen<br />

Fälle, in denen einzelne Gene<br />

Auslöser sind, einen Hinweis darauf<br />

geben, welche Übeltäter für den Defekt<br />

beim Großteil der Bevölkerung verantwortlich<br />

sein könnten.”<br />

Nahezu jedes neue Konzept <strong>und</strong> jede<br />

neue Art der Technologie, <strong>die</strong> in der<br />

Biologie während der letzten zwanzig<br />

Jahre entstanden sind, wurden angewendet,<br />

um <strong>die</strong> Ursache des Problems<br />

der türkischen Familie zu erforschen.<br />

Das machte den Fall zu einer Art Parabel<br />

der modernen Biomedizin. Die Geschichte<br />

macht deutlich, wie enorm<br />

schwierig es ist, „molekulare Medizin“<br />

zu betreiben <strong>und</strong> Krankheitsmechanismen<br />

auf den Gr<strong>und</strong> zu gehen, wenn<br />

beim menschlichen Patienten angesetzt<br />

wird. Die meisten unserer Projekte<br />

beginnen genau anders herum: In<br />

einem Labor, das ein bestimmtes Gen<br />

oder einen bestimmten zellulären Mechanismus<br />

untersucht, wird ein zuvor<br />

unbekannter Zusammenhang mit einer<br />

Erkrankung entdeckt.<br />

„Der Fall des kurzfingrigen Musketiers“<br />

erzählt viel mehr als nur <strong>die</strong> Geschichte<br />

<strong>die</strong>ses wissenschaftlichen Projekts.<br />

Definitiv ein wissenschaftliches<br />

Abenteuer, erzählt er aber ebenso von<br />

einem kulturellen Abenteuer. Der erste<br />

Schritt war, <strong>die</strong> türkische Familie<br />

ausfindig zu machen. Das gestaltete<br />

sich schwieriger als gedacht. Zunächst<br />

mussten Fred <strong>und</strong> seine Kollegen Nihat<br />

Bilginturan finden <strong>und</strong> ihn davon überzeugen,<br />

mit ihnen zusammenzuarbeiten<br />

<strong>und</strong> sie mit der Familie bekannt zu<br />

machen. Es war ein Glück, dass Herbert<br />

Schuster, ein weiterer Gruppenleiter des<br />

<strong>MDC</strong> der ersten Generation, in seiner<br />

Gruppe den jungen deutsch-türkischen<br />

Arzt Hakan Toka an Bord hatte. Dieser<br />

Forschen unter erschwerten Bedingungen:<br />

Vor Ort stellt Wissenschaftlerin Sylvia<br />

Bähring sicher, dass <strong>die</strong> Patientenproben<br />

zuverlässig abgenommen werden.<br />

konnte in <strong>die</strong> Türkei fliegen <strong>und</strong> persönlich<br />

mit Bilginturan sprechen. Es gelang<br />

ihm, den Arzt von der Zusammenarbeit<br />

zu überzeugen, <strong>und</strong> so flog das<br />

Team wenig später hinterher, um <strong>die</strong><br />

Familie kennenzulernen. Hakans Bruder,<br />

Okan Toka, verbrachte ein Jahr mit<br />

der Familie. Er führte Arzneimitteltests<br />

durch, um eine Therapie zu finden, <strong>die</strong><br />

den hohen Blutdruck unter Kontrolle<br />

bringen würde.<br />

Wie Forschung das<br />

Leben einer Familie<br />

beeinflusst<br />

Seither haben <strong>die</strong> betroffenen Mitglieder<br />

der türkischen Familie in dem<br />

Forschungsprojekt eine aktive Rolle gespielt,<br />

ließen endlose Untersuchungen,<br />

lange Krankenhausaufenthalte<br />

sowohl in der Türkei als auch in Berlin<br />

<strong>und</strong> zahlreiche Besuche der Wissenschaftler<br />

über sich ergehen. Die Forscher<br />

wurden während ihrer Arbeit<br />

immer wieder mit Problemen konfrontiert,<br />

<strong>die</strong> <strong>die</strong> Schwierigkeit der Forschung<br />

an menschlichen Patienten<br />

über internationale Grenzen hinweg<br />

mit sich bringt. Allein eine Einreiseerlaubnis<br />

in <strong>die</strong> Türkei zu bekommen,<br />

um Blutproben zu nehmen, bedurfte<br />

oftmals Monate <strong>und</strong> unzählige Briefe,<br />

imdc04 2013<br />

27


Eine Sonderpublikation in Zusammenarbeit mit dem Max-Delbrück-Centrum<br />

für Molekulare Medizin Berlin-Buch <strong>und</strong> dem Leibniz-Institut für Molekulare Pharmakologie<br />

Forschung<br />

Neu erschienen<br />

um den Bürokratiedschungel erfolgreich<br />

zu durchqueren.<br />

Meine Recherchearbeit für <strong>die</strong>ses<br />

Buch führte mich zweimal mit<br />

Fred <strong>und</strong> seinem Team in <strong>die</strong> Türkei.<br />

Einmal hatte ich <strong>die</strong> Gelegenheit, eine<br />

Woche mit der Familie zu verbringen,<br />

bei einem weiteren Besuch lernte<br />

ich Nihat Bilginturan kennen. Im Laufe<br />

der folgenden zwei Jahre brachten<br />

Interviews mit den Wissenschaftlern<br />

zahlreiche Details der Geschichte ans<br />

Licht, darunter auch seltsame Zufälle<br />

<strong>und</strong> urkomische Anekdoten. Bei Bilginturans<br />

erstem Besuch bei der Familie<br />

waren <strong>die</strong> Straßen in so schlechtem<br />

Zustand, dass er seine wissenschaftliche<br />

Ausrüstung auf dem Rücken zweier<br />

Maultiere in das Dorf transportieren<br />

lassen musste. Der Titel ist inspiriert<br />

durch einen Vorfall, bei dem einer von<br />

Okan Tokas Patienten eine Schusswaffe<br />

abfeuerte <strong>und</strong> dafür ins Gefängnis<br />

geworfen wurde. Der junge Doktor<br />

war gezwungen, sich mit Anwälten<br />

<strong>und</strong> einem Richter zusammensetzen,<br />

um dem alten Mann das Leben zu retten.<br />

Einmal reiste das Team nach Südafrika,<br />

denn es bestand <strong>die</strong> Hoffnung,<br />

dort auf eine weitere Familie mit dem<br />

gleichen Krankheitsbild zu treffen. Es<br />

stellte sich heraus, dass besagte Familie<br />

unter einer anderen Krankheit litt –<br />

doch unterwegs trafen sie zufällig auf<br />

einen Arzt, der einen Patienten mit<br />

genau der gleichen Krankheit hatte.<br />

Aus wissenschaftlicher Sicht gewährt<br />

<strong>die</strong> Geschichte einen tiefen<br />

Einblick in <strong>die</strong> Faktoren, <strong>die</strong> Sylvia<br />

Bähring, Atakan Aydin, Philipp Maass<br />

<strong>und</strong> weitere Gruppenmitglieder dazu<br />

veranlassten, ein einzelnes Projekt<br />

über zwei Jahrzehnte hin zu verfolgen.<br />

Ihre Arbeit war häufig frustrierend,<br />

aber doch lohnend: Im Rahmen<br />

des Projekts scheint nun schließlich<br />

ein zuvor unbekannter Mechanismus<br />

entdeckt worden zu sein, der unsere<br />

DNA-Informationen potentiell zu Erkrankungen<br />

führen lässt.<br />

Die Arbeit an dem Buch hat alle,<br />

<strong>die</strong> im Laufe der vergangenen 20 Jahre<br />

Teil des Projekts waren, in ihren Bann<br />

gezogen – Wissenschaftler, Ärzte, einen<br />

Neurochirurgen <strong>und</strong> natürlich <strong>die</strong><br />

Musketier Ali: Dank ihm <strong>und</strong> seiner Familie ist<br />

das deutsch-türkische Forscherteam den Ursachen<br />

des Bluthochdrucks einen ganzen Schritt<br />

näher gekommen.<br />

Familie in der Türkei. Wir durften uns<br />

glücklich schätzen, dass uns zwei hervorragende<br />

Fotografen auf den Reisen<br />

begleiteten – Maj Britt Hansen <strong>und</strong><br />

Philipp Maass. Hakan Toka steuerte Fotografien<br />

sämtlicher früherer Reisen<br />

bei. Nicola Graf, für <strong>die</strong> Gestaltung<br />

von Translations verantwortlich, ließ<br />

sich ein originelles Design einfallen,<br />

das unser Abenteuer passend widerspiegelt.<br />

Stephen Johnson, ein w<strong>und</strong>erbarer<br />

Künstler <strong>und</strong> alter Fre<strong>und</strong> aus<br />

den USA, steuerte ein großartiges Cover<br />

bei. Das Buch enthält ein Nachwort<br />

von Nihat Bilginturan. Ein weiteres<br />

stammt von Fred Luft, in dem er das<br />

bedeutende Thema der nicht-hypothesengeleiteten<br />

Forschung beleuchtet.<br />

Beide gehören zu den interessantesten<br />

Persönlichkeiten, denen ich jemals begegnet<br />

bin.<br />

Ich habe mich bemüht, <strong>die</strong> Geschichte<br />

mit schriftstellerischem Handwerk<br />

zu verarbeiten; eine Geschichte<br />

über eines der interessantesten <strong>und</strong><br />

ungewöhnlichsten Projekte, an denen<br />

an unserem Institut je gearbeitet wurde<br />

– <strong>und</strong> das gilt wahrscheinlich auch,<br />

wenn man <strong>die</strong> Arbeit anderer Institute<br />

mit berücksichtigt. Durch den gewählten<br />

Schreibstil hoffe ich, einer<br />

möglichst breiten Leserschaft <strong>die</strong> Persönlichkeiten<br />

<strong>und</strong> <strong>die</strong> wissenschaftliche<br />

Arbeit, <strong>die</strong> <strong>die</strong> molekulare Medizin<br />

ausmachen, näherzubringen. Bitte machen<br />

Sie sich von dem Ergebnis Ihr eigenes<br />

Bild.<br />

The Case of the Shortfingered<br />

Musketeer<br />

von Russ Hodge<br />

2013 vom Max-Delbrück-Centrum für Molekulare<br />

Medizin veröffentlicht.<br />

Der Fall des kurzfingrigen Musketiers<br />

erzählt von einem einzigartigen,<br />

Jahrzehnte Forschungsarbeit<br />

umfassenden Abenteuer der<br />

Biomedizin am <strong>MDC</strong>. Wissenschaftler<br />

Fred Luft <strong>und</strong> seine Kolleginnen<br />

<strong>und</strong> Kollegen erforschen seit<br />

20 Jahren <strong>die</strong> ungewöhnliche Erberkrankung<br />

einer Familie in der<br />

Türkei. Der genetische Defekt geht<br />

mit kurzen Fingern <strong>und</strong> Zehen sowie<br />

mit einem extrem hohen Blutdruck<br />

einher. Das Buch ist im <strong>MDC</strong><br />

in der Abteilung für Kommunikation<br />

erhältlich bei Michaela Langer,<br />

Haus 84, Raum 1001/1002 Email:<br />

langer@mdc-berlin.de.<br />

Sonderausgabe bild der<br />

wissenschaft plus<br />

„Ges<strong>und</strong>heit 2030 –<br />

Die molekulare<br />

Herausforderung“<br />

Januar 2013, erschienen im Verlag<br />

Konradin Me<strong>die</strong>n GmbH<br />

Von der Gr<strong>und</strong>lagenforschung<br />

zur Anwendung – das Sonderheft<br />

gibt einen spannenden Einblick in<br />

<strong>die</strong> wissenschaftliche Arbeit am<br />

Max-Delbrück-Centrum. Dank einer<br />

Auflage von mehr als 80.000 Heften<br />

erfahren Leserinnen <strong>und</strong> Leser<br />

aus ganz Deutschland von den aktuellsten<br />

Ergebnissen der Forscherinnen<br />

<strong>und</strong> Forscher des <strong>MDC</strong> <strong>und</strong><br />

den damit verb<strong>und</strong>enen Herausforderungen<br />

der Biomedizin. Das Sonderheft<br />

ist in der Abteilung für<br />

Kommunikation am <strong>MDC</strong> erhältlich,<br />

Haus 84, Raum 1011. Email: communications@mdc-berlin.de<br />

GESUNDHEIT<br />

2030<br />

Die molekulare<br />

Herausforderung<br />

plus<br />

28 imdc04 2013


Forschung<br />

Von Mäusen<br />

<strong>und</strong> Modellen<br />

Molekulare Genetik oder Systembiologie – wie können wir<br />

Antworten auf <strong>die</strong> komplexen Fragestellungen der Biomedizin<br />

finden Um <strong>die</strong>s zu diskutieren, treffen sich jedes Jahr Wissenschaftler<br />

verschiedener Disziplinen beim „Berlin Summer Meeting”<br />

Text Alexander Loewer Fotos lena von oertzen<br />

Seit Jahrzehnten entwickeln Genetiker<br />

immer ausgefeiltere Methoden,<br />

um das Erbgut ausgewählter<br />

Modellorganismen zu modifizieren <strong>und</strong><br />

aus den Veränderungen <strong>die</strong> Funktion<br />

der untersuchten Gene abzuleiten. Das<br />

kann jedoch immer nur Gen für Gen erfolgen,<br />

<strong>und</strong> jede eingefügte Modifizierung<br />

führt zu komplexen Veränderungen<br />

im Organismus. Die Systembiologie<br />

setzt hier an <strong>und</strong> untersucht biologische<br />

Systeme als Ganzes: jede molekulare<br />

Reaktion in der Zelle wird als Teil<br />

eines eng verknüpften Netzwerks gesehen.<br />

Um <strong>die</strong>sen Ansatz verwirklichen<br />

zu können, kombinieren Systembiologen<br />

Hochdurchsatzexperimente mit<br />

computergestützter Auswertung <strong>und</strong><br />

theoretischen Analysen.<br />

Unter dem Motto „Experimental and<br />

Computational Biology MEET“ treffen<br />

sich jedes Jahr Wissenschaftler unterschiedlicher<br />

Disziplinen beim Berlin<br />

Summer Meeting. Nikolaus Rajewsky,<br />

Leiter des Berlin Institute for Medical<br />

Systems Biology (BIMSB) am Max-Delbrück-Centrum<br />

(<strong>MDC</strong>) rief <strong>die</strong>se interdisziplinäre<br />

Konferenz 2008 ins Leben, um<br />

gr<strong>und</strong>legende systembiologische Themenbereiche<br />

mit international renommierten<br />

Biologen, Bioinformatikern, Biomedizinern<br />

<strong>und</strong> Theoretikern zu diskutieren.<br />

2012 wurde das Symposium in einem<br />

besonderen, sehr fokussierten Format<br />

imdc04 2013<br />

29


Forschung<br />

Naturidylle am Döllnsee: Markus Landthaler<br />

vom BIMSB (rechts) <strong>und</strong> Fabio Piano von der<br />

New York University (NYU) nutzen <strong>die</strong> ruhige<br />

Umgebung für ausführliche Gespräche.<br />

Forscherinnen <strong>und</strong> Forscher verschiedener<br />

Disziplinen diskutieren beim „Berlin Summer<br />

Meeting“ <strong>die</strong> Herausforderungen der<br />

Biomedizin.<br />

ausgerichtet: Klaus <strong>und</strong> Nikolaus Rajewsky<br />

luden eine Reihe exzellenter<br />

Wissenschaftler aus aller Welt zu einer<br />

dreitägigen Klausurtagung mit<br />

<strong>MDC</strong> Forschern ein, <strong>die</strong> sie am Döllnsee<br />

in der Schorfheide nördlich von Berlin<br />

ausrichteten. Das Ziel war es, zwei<br />

wissenschaftliche Ansätze gegenüber<br />

zu stellen, <strong>die</strong> jeweils für sich oder in<br />

Kombination miteinander ein tieferes<br />

Verständnis der Komplexität lebender<br />

Organismen versprechen: Genetik <strong>und</strong><br />

Systembiologie.<br />

Das <strong>MDC</strong>, benannt nach Max Delbrück,<br />

einem der Begründer der modernen<br />

Genetik, ist weltweit anerkannt<br />

auf dem Gebiet der molekularen Genetik.<br />

Viele der 60 Arbeitsgruppen nutzen<br />

den molekulargenetischen Ansatz, um<br />

<strong>die</strong> Entstehung menschlicher Krankheiten<br />

zu erforschen. Gleichzeitig<br />

fördert das <strong>MDC</strong> <strong>die</strong> Systembiologie<br />

durch neue Berufungen <strong>und</strong> <strong>die</strong><br />

Bereitstellung von Hochdurchsatztechnologien.<br />

Mittlerweile sind bereits<br />

zehn Gruppen, darunter drei<br />

Technologieplattformen, im Rahmen<br />

des BIMSB etabliert worden. Das<br />

macht das <strong>MDC</strong> zu einem hervorragenden<br />

Ort für <strong>die</strong> Zusammenarbeit <strong>und</strong><br />

Kombination der Stärken von Genetikern<br />

<strong>und</strong> Systembiologen. Ein Beispiel<br />

soll <strong>die</strong>sen Ansatz verdeutlichen: microRNAs<br />

sind kurze Abschnitte genetischer<br />

Information, <strong>die</strong> einen großen<br />

Einfluss auf das Verhalten von Zellen<br />

haben, da jede micro-RNA <strong>die</strong> Aktivität<br />

von tausenden von anderen Molekülen<br />

beeinflussen kann. Genetiker untersuchen<br />

nun, welche Bedeutung <strong>die</strong><br />

Regulation <strong>die</strong>ser vorhegesagten Ziele<br />

hat. Dabei stellt sich häufig heraus,<br />

dass <strong>die</strong> Beeinflussung weniger<br />

Zielgene ausreicht, um den Effekt der<br />

microRNA zu erklären. Warum gibt es<br />

dann so viele verschiedene Zielgene<br />

Und welche Rolle spielt <strong>die</strong> Regulierung<br />

<strong>die</strong>ser Zielgene<br />

Diese <strong>und</strong> viele weitere Fragestellungen<br />

wurden während der drei Tage<br />

am Döllnsee intensiv diskutiert. Dabei<br />

berichteten sowohl internationale<br />

Gäste wie Fabio Piano (New York<br />

University), Neal Copeland (MHR Institute<br />

Houston) <strong>und</strong> Steve Cohen (IM-<br />

CB Singapore) als auch Gruppenleiter<br />

des <strong>MDC</strong> <strong>und</strong> Wissenschaftler aus<br />

ganz Deutschland über ihre Ergebnisse.<br />

Schnell wurde deutlich, dass es bereits<br />

heute keine klaren Grenzen zwischen<br />

Systembiologie <strong>und</strong> Genetik<br />

mehr gibt, sondern dass beide Ansätze<br />

in enger Verbindung stehen müssen,<br />

um <strong>die</strong> komplexen Fragen der heutigen<br />

Biomedizin beantworten zu können.<br />

Eine entscheidende Rolle wird dabei<br />

<strong>die</strong> Förderung der interdisziplinären<br />

Zusammenarbeit spielen, damit<br />

Biologie, Physik <strong>und</strong> Mathematik zusammenwachsen<br />

können. Das F<strong>und</strong>ament<br />

für solch ein Zusammenwachsen<br />

ist <strong>die</strong> Ausbildung des wissenschaftlichen<br />

Nachwuchses. Durch <strong>die</strong> Kombination<br />

von hervorragender Expertise<br />

in der molekularen Medizin mit einer<br />

starken <strong>und</strong> expan<strong>die</strong>renden Systembiologie<br />

bietet das <strong>MDC</strong> ein ideales Umfeld<br />

dafür <strong>und</strong> kann dadurch zum Erkenntnisgewinn<br />

in der molekularen<br />

Gr<strong>und</strong>lagenforschung beitragen <strong>und</strong><br />

translationale Fortschritte erzielen.<br />

30 imdc04 2013


Forschung<br />

Das Immunsystem als<br />

Partner im K ampf<br />

gegen Krebs<br />

Das Immunsystem<br />

schützt den Körper<br />

vor Krankheitserregern<br />

wie Viren<br />

<strong>und</strong> Bakterien.<br />

Doch hilft es auch<br />

im Kampf gegen<br />

Krebs<br />

Beim Cancer Day<br />

des Max-Delbrück-<br />

Centrums für Molekulare<br />

Medizin (<strong>MDC</strong>) am<br />

14. November 2012<br />

diskutierten Ärzte <strong>und</strong><br />

Krebsforscher der<br />

Charité <strong>und</strong> des <strong>MDC</strong><br />

gemeinsam mit Hauptredner<br />

Guido Kroemer,<br />

Direktor des Instituts<br />

Gustave Roussy am<br />

französischen Institut<br />

für Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong><br />

medizinische<br />

Forschung (INSERM).<br />

Zeit für den Forschernachwuchs: Der renommierte<br />

Wissenschaftler Guido Kroemer diskutiert mit<br />

Phd-Student Chris Fröhlich dessen Arbeit.<br />

Wenn ges<strong>und</strong>e Körperzellen zu<br />

Krebszellen mutieren, kommt<br />

es häufig zu einer Vervielfältigung des<br />

Chromosomensatzes. Entartete Zellen<br />

aktivieren daraufhin ein Stressprogramm<br />

<strong>und</strong> präsentieren das Protein<br />

Calreticulin an ihrer Oberfläche. Guido<br />

Kroemer <strong>und</strong> sein Team haben in Versuchen<br />

an Mäusen gezeigt, dass das Immunsystem<br />

in der Lage ist, Calreticulin<br />

präsentierende Krebszellen zu entfernen.<br />

Allerdings schaffen es Krebszellen<br />

immer wieder, der Immunabwehr zu<br />

entkommen, indem sie ihre Chromosomenzahl<br />

reduzieren <strong>und</strong> so <strong>die</strong> Stressantwort<br />

<strong>und</strong> <strong>die</strong> Calreticulin-Präsentation<br />

abschalten. Die Krebszellen sind<br />

auf <strong>die</strong>se Weise geschützt <strong>und</strong> wachsen<br />

ungehindert zu Tumoren an.<br />

Die Behandlung erfolgt häufig<br />

durch Chemotherapeutika, <strong>die</strong> gezielt<br />

Krebszellen abtöten. Guido Kroemer <strong>und</strong><br />

sein Team untersuchten, ob das Immun-<br />

system bei <strong>die</strong>ser Therapie eine unterstützende<br />

Rolle übernimmt. Mittels einer<br />

mikroskopischen Videoanalyse testeten<br />

sie 980 verschiedene Wirkstoffe.<br />

Sie wiesen nach, dass bestimmte Anti-Krebstherapeutika<br />

das Immunsystem<br />

aktivieren, das dann seinerseits<br />

Krebszellen zerstört. Zu ihrer Überraschung<br />

stellten sie fest, dass Medikamente,<br />

<strong>die</strong> bei der Behandlung von<br />

Herzschwäche eingesetzt werden, wie<br />

Digoxin, das Immunsystem ebenfalls<br />

aktivieren. Zukünftig soll eine Kombination<br />

aus Chemotherapie <strong>und</strong> Digoxin<br />

bei Patienten mit sogenannten Kopf-<br />

Hals-Karzinomen getestet werden. Mit<br />

seinen Arbeiten ist es Kroemer gelungen,<br />

<strong>die</strong> synergistische Verknüpfung<br />

zwischen Chemotherapie <strong>und</strong> Immunsystem<br />

aufzuklären. „Als nächstes<br />

müssen wir analysieren, wie der Kampf<br />

des Immunsystems gegen den Tumor<br />

auf molekularbiologischer Ebene verläuft“,<br />

sagt Guido Kroemer.<br />

Michael Hinz<br />

imdc04 2013<br />

31


Forschung<br />

News<br />

Influenzaviren in unmittelbarer Nähe einer<br />

Wirtszelle. | Abb.: Kai Ludwig © Humboldt-<br />

Universität zu Berlin<br />

Grippeviren mit System<br />

bekämpfen<br />

Im neuen Berliner Verb<strong>und</strong>projekt<br />

„ViroSign – Systemvirologie von Influenza<br />

– Molekulare Signatur der permissiven<br />

Virusinfektion“ klärt <strong>MDC</strong>-Forscher<br />

Professor Dr. Matthias Selbach<br />

mit Kollegen aus dem Integrativen<br />

Forschungsinstitut (IRI) für Lebenswissenschaften<br />

an der Humboldt-Universität<br />

zu Berlin (Prof. Dr. Dr. h.c. Edda<br />

Klipp, Prof. Dr. Andreas Herrmann),<br />

dem Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie<br />

(Prof. Dr. Thomas Meyer)<br />

<strong>und</strong> dem Robert-Koch-Institut Berlin<br />

(PD Dr. Thorsten Wolff) auf, welche<br />

Faktoren eine aus Sicht der Viren erfolgreiche<br />

Infektion bestimmen. Ziel<br />

ist es, <strong>die</strong> charakteristischen Proteinsignaturen<br />

(Proteom) einer Wirtszelle<br />

<strong>und</strong> das möglichst vollständige Netzwerk<br />

aller Virus-Wirtszell-Interaktionen<br />

nach einer Infektion durch Influenzaviren<br />

in seiner zeitlichen Dynamik<br />

zu charakterisieren. Im Rahmen des<br />

Programms e:Bio fördert das B<strong>und</strong>esministerium<br />

für Bildung <strong>und</strong> Forschung<br />

(BMBF) das Forschernetzwerk mit 1,94<br />

Millionen Euro.<br />

Neuer Risikofaktor für<br />

Bluthochdruck in der<br />

Schwangerschaft bietet<br />

Therapieansatz<br />

Präeklampsie, eine schwere Komplikation<br />

in der Schwangerschaft, ist eine<br />

der Haupttodesursachen für Mutter <strong>und</strong><br />

Kind in Europa <strong>und</strong> den USA. Betroffen<br />

ist etwa jede 20. Schwangerschaft.<br />

Hauptsymptome sind Bluthochdruck <strong>und</strong><br />

Eiweiß im Urin. Die Entstehung der Präeklampsie<br />

ist nach wie vor ungeklärt. Dr.<br />

Florian Herse (Experimental and Clinical<br />

Research Center, ECRC, von Max-Delbrück-Centrum,<br />

<strong>MDC</strong>, <strong>und</strong> Charité) sowie<br />

Dr. Ralf Dechend (ECRC <strong>und</strong> Helios Klinik<br />

Berlin) haben jetzt ein Enzym entdeckt,<br />

das bei betroffenen Frauen verstärkt<br />

auftritt <strong>und</strong> offenbar an der Symptomatik<br />

beteiligt ist. Im Tierversuch blockierten<br />

sie <strong>die</strong>ses Enzym <strong>und</strong> konnten so den<br />

Krankheitsverlauf mildern<br />

CYP2J2 expression and circulating epoxyeicosatrienoic<br />

metabolites in preeclampsia:<br />

10.1161/​CIRCULATIONAHA.112.127340<br />

Hua Jing | Photo: David Ausserhofer | © <strong>MDC</strong><br />

Dr. Julia Kase | Photo: Dietmar Spolert<br />

Curt Meyer-Gedächtnispreis<br />

für <strong>MDC</strong>- <strong>und</strong><br />

Charité-Forscherinnen:<br />

Genschalter spielt widersprüchliche<br />

Rolle bei Krebs<br />

Die Krebsforscherinnen Hua Jing<br />

vom Max-Delbrück-Centrum für Molekulare<br />

Medizin (<strong>MDC</strong>) Berlin-Buch <strong>und</strong><br />

Dr. Julia Kase von der Charité – Universitätsmedizin<br />

Berlin haben am 18.<br />

Dezember 2012 den Curt Meyer-Gedächtnispreis<br />

2012 erhalten. Die mit<br />

insgesamt 10 000 Euro dotierte Auszeichnung<br />

wurde ihnen für eine in der<br />

amerikanischen Fachzeitschrift Genes<br />

and Development erschienene Arbeit<br />

vom Vorsitzenden der Berliner Krebsgesellschaft,<br />

Prof. Peter M. Schlag (Cha-<br />

rité, <strong>MDC</strong>) verliehen. Beide Wissenschaftlerinnen<br />

arbeiten in der Arbeitsgruppe<br />

von Prof. Dr. Clemens Schmitt,<br />

der am <strong>MDC</strong> eine Gastgruppe leitet <strong>und</strong><br />

als Onkologe im Virchow Klinikum der<br />

Charité tätig ist. Die Doktorandin Hua<br />

Jing (Biologie), <strong>die</strong> Medizinerin Dr. Kase<br />

<strong>und</strong> Clemens Schmitt erforschen ein<br />

Zellschutzprogramm, <strong>die</strong> sogenannte<br />

Seneszenz, <strong>die</strong> das Wachstum von<br />

Krebszellen hemmen kann. Dabei entdeckten<br />

sie, dass ein Genschalter (NFkappaB),<br />

der bei verschiedenen Formen<br />

von Lymphdrüsenkrebs (Lymphomen)<br />

als Krebstreiber gilt <strong>und</strong> dazu beiträgt,<br />

dass ein Tumor auf eine Behandlung<br />

nicht mehr anspricht, auch eine gute<br />

Seite haben kann. „Dieser Schalter verstärkt<br />

<strong>die</strong> durch Chemotherapie ausgelöste<br />

Seneszenz, wodurch <strong>die</strong> Zellteilung<br />

bei Lymphdrüsenkrebs endgültig<br />

zum Stillstand gebracht wird“, erläuterte<br />

Prof. Schmitt.<br />

Der Chemiker Prof.<br />

Michael Glickman<br />

vom Technion - Israel<br />

Institute of<br />

Technology in Haifa.<br />

Bessel-Forschungspreis<br />

für Michael Glickman<br />

vom Technion: Enge Zusammenarbeit<br />

mit Max-<br />

Delbrück-Centrum<br />

Für seine herausragenden Forschungsleistungen<br />

ist dem Chemiker<br />

Prof. Dr. Michael Glickman vom Technion,<br />

der Technischen Hochschule Israels<br />

in Haifa, der mit 45 000 Euro dotierte<br />

Friedrich Wilhelm-Bessel-Forschungspreis<br />

der Alexander von Humboldt-Stiftung<br />

(AvH) zuerkannt worden. Mit dem<br />

Preis wird Glickman seine seit Jahren<br />

bestehende Zusammenarbeit mit dem<br />

Zellbiologen Prof. Dr. Thomas Sommer<br />

am Max-Delbrück-Centrum für Moleku-<br />

<strong>MDC</strong>-pressestelle<br />

www.mdc-berlin.de/de/news/2013/index.html<br />

32 imdc04 2013


Forschung<br />

Neu am <strong>MDC</strong><br />

lare Medizin (<strong>MDC</strong>) Berlin-Buch intensivieren<br />

<strong>und</strong> auch am <strong>MDC</strong> forschen.<br />

Der Preis wird ihm im Frühjahr<br />

überreicht werden.<br />

In Hefezellen erforscht Michael<br />

Glickman ein Zellsystem, das Proteine<br />

kontrolliert abbaut. Es sorgt dafür,<br />

dass nicht mehr benötigte oder<br />

fehlerhafte Proteine einen „molekularen<br />

Stempel“ mit dem Protein<br />

Ubiquitin erhalten <strong>und</strong> in der<br />

„Häckselmaschine“ der Zelle, dem<br />

Proteasom, entsorgt werden.<br />

Dr. Marina Chekulaeva<br />

Dr. Marina Chekulaeva kam im<br />

Oktober 2012 als neue Leiterin der<br />

BIMSB-Forschungsgruppe „Nichtko<strong>die</strong>rende<br />

RNAs <strong>und</strong> Mechanismen der cytoplasmatischen<br />

Genregulation ” ans<br />

<strong>MDC</strong>. In ihrer Doktorarbeit, <strong>die</strong> sie am<br />

European Molecular Biology Laboratory<br />

(EMBL) bei Dr. Anne Ephrussi anfertigte,<br />

ging sie der Frage nach, wie der<br />

Transport von mRNA mit translationaler<br />

Regulation zusammenhängt.<br />

Nach ihrer Promotion untersuchte<br />

sie bei Dr. Witek Filipowicz im Friedrich-Miescher-Institut<br />

für Biomedizinische<br />

Forschung in Basel <strong>und</strong> bei Dr. Roy<br />

Parker an der University of Arizona in<br />

Tucson, (USA) <strong>die</strong> Funktionsweise der<br />

miRNA. Am <strong>MDC</strong> erforscht sie <strong>die</strong> molekularen<br />

Mechanismen, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Translation,<br />

Lokalisierung <strong>und</strong> Stabilität von<br />

mRNA regulieren, sowie <strong>die</strong> Rolle nichtko<strong>die</strong>rendener<br />

RNAs in <strong>die</strong>sem Prozess.<br />

Professor Dr. Uwe Ohler<br />

Professor Dr. Uwe Ohler, neuer<br />

BIMSB-Gruppenleiter für „Bioinformatik<br />

der Genregulation“, wechselte im September<br />

2012 von der Duke University<br />

Medical School in Durham, North Carolina<br />

an das <strong>MDC</strong>. Dort war er von 2005 bis<br />

2011 Assistant Professor <strong>und</strong> seit 2011<br />

Associate Professor für Bioinformatik.<br />

Mit seinem Umzug nach Berlin erhielt<br />

er eine Vollprofessur für Biologie an<br />

der Humboldt-Universität. Uwe Ohlers<br />

Gruppe entwickelt hauptsächlich computergestützte<br />

Methoden, um herauszufinden,<br />

welche Regionen im Genom<br />

<strong>und</strong> Transkriptom dafür verantwortlich<br />

sind, dass Gene genau dann <strong>und</strong> dort<br />

exprimiert werden, wo es gerade erforderlich<br />

ist. Ziel ist, den „Regulierungscode“<br />

zu entziffern, das heißt, wie Genexpressionsmuster<br />

in DNA <strong>und</strong> RNA<br />

co<strong>die</strong>rt werden <strong>und</strong> welche Änderungen<br />

in <strong>die</strong>sem Code Krankheiten zugeordnet<br />

werden können.<br />

Dr. Baris Tursun<br />

Ein weiterer neuer Gruppenleiter<br />

am <strong>MDC</strong> ist Dr. Baris Tursun. Seit seiner<br />

Ankunft im Februar 2012 arbeiten<br />

er <strong>und</strong> seine Kolleginnen <strong>und</strong> Kollegen<br />

in der BIMSB-Forschungsgruppe<br />

an der „Genregulation <strong>und</strong> Zelltypspezifizierung<br />

in C. elegans“. Baris Tursun<br />

promovierte am Zentrum für Molekulare<br />

Neurobiologie (ZMNH) bei Dr. Ingolf<br />

Bach in Hamburg, wo er <strong>die</strong> Aktivität<br />

von Ubiquitin-Ligase bei der Neuralentwicklung<br />

untersuchte. Nach seiner<br />

Promotion folgte er seinem Doktorvater<br />

an <strong>die</strong> University of Massachusetts<br />

Amherst (UMass, Worcester, USA) <strong>und</strong><br />

untersuchte dort den Proteinabbau in<br />

Neuronen. Von 2006 bis 2012 arbeitete<br />

Baris Tursun im Labor von Dr. Hobert<br />

an der Columbia University in New York.<br />

Sein Schwerpunkt dort war <strong>die</strong> neuronale<br />

Umprogrammierung <strong>und</strong> epigenetische<br />

Regulation der Zelldifferenzierung.<br />

imdc04 2013 33


Forschung<br />

Gewinner des<br />

Bilderwettbewerbs<br />

2012<br />

Einsendeschluss<br />

für den kommenden Wettbewerb<br />

ist Donnerstag,<br />

2. Mai 2013<br />

Drei wissenschaftliche Bilder sind beim Neujahrsempfang<br />

des Campus Berlin-Buch ausgezeichnet worden.<br />

Die Gewinner des Best Scientific Image Contest 2012<br />

sind Gruppenleiter Professor Dr. Jochen Meier (RNA-Editierung<br />

<strong>und</strong> Hypererregbarkeitserkrankungen, 1. Platz), Matthias<br />

Sury <strong>und</strong> Erik McShane (Zelluläre Signaltransduktion<br />

<strong>und</strong> Massenspektrometrie) aus der Arbeitsgruppe von Professor<br />

Dr. Matthias Selbach (2. Platz) <strong>und</strong> Gwendolyn Billig<br />

(Physiologie <strong>und</strong> Pathologie des Ionentransports) aus der<br />

Arbeitsgruppe von Professor Dr. Thomas Jentsch (3. Platz).<br />

Alle Gewinner freuten sich über Kameras, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Firma<br />

Nikon gesponsert hatte. Jedes Jahr werden Campus-Beschäftigte<br />

aufgefordert, wissenschaftliche Fotografien, <strong>die</strong><br />

aus ihrer Arbeit stammen, einzusenden. Einsendeschluss für<br />

den kommenden Wettbewerb ist Donnerstag, 2. Mai 2013.<br />

Die schönsten werden von den Besucherinnen <strong>und</strong> Besuchern<br />

der Langen Nacht der Wissenschaft per Abstimmung<br />

ausgewählt. Unterstützt wird der Wettbewerb vom Verein<br />

der Fre<strong>und</strong>e <strong>und</strong> Förderer des Max-Delbrück-Centrums für<br />

Molekulare Medizin e. V.<br />

Erster Preis Neuronale Schaltkreise<br />

Ähnlich wie <strong>die</strong> elektrischen Schaltkreise im<br />

Computer leisten unsere neuronalen Netzwerke<br />

erstaunliche Dienste, <strong>die</strong> allerdings weit über<br />

<strong>die</strong> Fähigkeiten eines Computers hinausgehen.<br />

Lila erscheinen <strong>die</strong>jenigen Nervenzellen, <strong>die</strong><br />

mittels Gentransfer dazu angeregt wurden,<br />

therapeutisch wirksame Eiweiße zu erzeugen.<br />

Blau gezeigt ist der Dendritenbaum, an dem <strong>die</strong><br />

ankommenden Signale zusammenlaufen. Gelb<br />

gekennzeichnet sind <strong>die</strong> Zellkerne.<br />

Zweiter Preis Blumenwiese der<br />

Massenspektrometrie Wenn der Maler<br />

Claude Monet in der heutigen Zeit leben würde,<br />

dann würde er sich bestimmt über das Bild aus<br />

dem Massenspektrometer freuen. Die farbigen<br />

„Blumen“ zeigen Proteinfragmente des Darmbakteriums<br />

Escherichia coli, <strong>die</strong> mit Hilfe eines<br />

Massenspektrometers analysiert wurden. Der<br />

Massenspektrometer funktioniert wie eine hochpräzise<br />

Waage, in dem Proteinfragmente anhand<br />

ihres exakten Gewichtes identifiziert werden<br />

können. So ist es heutzutage mit einem Massenspektrometer<br />

möglich, h<strong>und</strong>erte von Proteinen<br />

in ein paar wenigen St<strong>und</strong>en zu analysieren.<br />

Dritter Preis Ein Blick in <strong>die</strong> Nase<br />

einer Maus Gezeigt ist ein Schnitt durch <strong>die</strong><br />

Nasenhöhle einer Maus, bei der verschiedene<br />

Strukturen mit fluoreszierenden Farbstoffen<br />

markiert worden sind. Man erkennt eine<br />

Nasenmuschel, <strong>die</strong> mit Riechschleimhaut<br />

bedeckt ist. In <strong>die</strong>ser befinden sich unzählige<br />

Riechneuronen, <strong>die</strong> ihre Sinneshärchen in <strong>die</strong><br />

Nasenhöhle ausstrecken (gelb). Hier werden <strong>die</strong><br />

Geruchsstoffe erkannt <strong>und</strong> in neuronale Signale<br />

übersetzt. Die roten Strukturen sind <strong>die</strong> Axone<br />

der Riechzellen, <strong>die</strong> sich unter der Riechschleimhaut<br />

zu großen Bündeln vereinen <strong>und</strong><br />

das Geruchssignal zum Gehirn weiterleiten. Jede<br />

Zelle ist außerdem durch ihren blauen Zellkern<br />

erkennbar.<br />

34 imdc04 2013


Forschung<br />

imdc04 2013 35


einblicke<br />

Einblicke<br />

Mit vereinten Kräften: Wissenschaftlicher Vorstand<br />

Walter Rosenthal, <strong>die</strong> damalige B<strong>und</strong>esforschungsministerin<br />

Annette Schavan <strong>und</strong> Administrativer Vorstand<br />

Cornelia Lanz schneiden <strong>die</strong> Geburtstagstorte an.<br />

Der Ärztliche Direktor der Charité Ulrich Frei<br />

<strong>und</strong> <strong>die</strong> Charité-Dekanin Annette<br />

Grüters-Kieslich (v. l.) freuen sich mit.<br />

Herzlichen<br />

Glückwunsch<br />

<strong>MDC</strong><br />

Das Max-Delbrück-Centrum für Molekulare<br />

Medizin (<strong>MDC</strong>) feiert sein 20-jähriges<br />

Bestehen. Fre<strong>und</strong>e <strong>und</strong> Wegbegleiter<br />

der Forschungseinrichtung gratulieren.<br />

Fotos David Ausserhofer<br />

Volles Haus: R<strong>und</strong> 400 Gäste aus<br />

Wissenschaft, Politik <strong>und</strong><br />

Gesellschaft folgten der Einladung<br />

zum 20-jährigen Bestehen.<br />

36 imdc04 2013


Einblicke<br />

< Professorin Dr. Annette<br />

Grüters-Kieslich,<br />

Forschungsdekanin der Charité:<br />

„Mit der modellhaften Institution<br />

des BIG schaffen<br />

wir eine einzigartige Möglichkeit<br />

in der translationalen<br />

Forschung. Das ist<br />

ein entscheidender Schritt<br />

nach vorne, um <strong>die</strong> Versäulung<br />

universitärer <strong>und</strong><br />

außeruniversitärer Forschung<br />

zu überwinden.“<br />

Mit tatkräftiger Unterstützung des <strong>MDC</strong>-Vorstandsvorsitzenden<br />

Professor Dr. Walter Rosenthal <strong>und</strong> des<br />

Administrativen Vorstands Cornelia Lanz schnitt B<strong>und</strong>esforschungsministerin<br />

Annette Schavan nach ihrer Festrede<br />

persönlich <strong>die</strong> dreistöckige Geburtstagstorte an. Mit einem<br />

Festakt zu „Forschung <strong>und</strong> Verantwortung“<br />

feierte das <strong>MDC</strong> am Freitag, 7. Dezember<br />

2012, sein 20-jähriges Bestehen.<br />

Zahlreiche Vertreter aus Politik <strong>und</strong> Wissenschaft waren dabei,<br />

unter anderem <strong>die</strong> Berliner Senatorin für Wirtschaft,<br />

Technologie <strong>und</strong> Forschung, Cornelia Yzer, <strong>die</strong> Vizepräsidentin<br />

des Berliner Abgeordnetenhauses, Anja Schillhaneck, sowie<br />

Professor Dr. Jürgen Mlynek, der Präsident der Helmholtz-Gemeinschaft,<br />

zu dem das <strong>MDC</strong> gehört. In seiner Rede<br />

würdigte Walter Rosenthal <strong>die</strong> Ver<strong>die</strong>nste des Gründungsdirektors<br />

Prof. Detlev Ganten <strong>und</strong> dessen Nachfolgers, Prof.<br />

Walter Birchmeier, <strong>die</strong> mit ihrer Berufungspolitik <strong>und</strong> herausragender<br />

wissenschaftlicher Arbeit zum großen Erfolg<br />

des <strong>MDC</strong> beigetragen hätten. Mit Blick auf <strong>die</strong> anstehende<br />

Gründung des Berliner Instituts für Ges<strong>und</strong>heitsforschung<br />

(BIG) als künftig gemeinsames Dach für Charité <strong>und</strong> <strong>MDC</strong><br />

sagte Professor Dr. Walter Rosenthal „Damit<br />

bietet sich eine einmalige Chance, <strong>die</strong> gemeinsame<br />

Arbeit des <strong>MDC</strong> <strong>und</strong> der Charité<br />

auf dem Gebiet der Translation auf eine<br />

neue inhaltliche <strong>und</strong> strukturelle Gr<strong>und</strong>lage<br />

zu stellen.“<br />

Zum Thema Forschung <strong>und</strong> Verantwortung<br />

trafen sich auf dem Podium Postdoc Gwendolyn<br />

Billig, <strong>MDC</strong>-Vorstand Walter Rosenthal,<br />

Moderatorin Heike Schmoll von der FAZ,<br />

Gründungsdirektor Detlef Ganten <strong>und</strong><br />

PhD-Studentin Nuria Cerdá-Esteban.<br />

Freuten sich über ihr Wiedersehen: Wolf-Michael<br />

Catenhusen (Staatssekretär a. D.), Konrad<br />

Buschbeck (Ministerialrat a.D., Mitglied des<br />

Kuratoriums <strong>und</strong> des Wissenschaftlichen<br />

Ausschusses des <strong>MDC</strong>) <strong>und</strong> Ministerialrat<br />

Jan Grapentin (B<strong>und</strong>esforschungsministerium).<br />

imdc04 2013<br />

37


einblicke<br />

< Professor Dr. Jürgen<br />

Zöllner, Vorstandsvorsitzender<br />

der Stiftung Charité: „Ich<br />

wünsche dem <strong>MDC</strong>, dass<br />

der Erfolg exponentiell<br />

weiter wächst <strong>und</strong> dass<br />

das „BIG“ als Ganzes viel<br />

mehr ist als jeder der beiden<br />

Partner in der Summe<br />

beitragen könnte.“<br />

Annette Schavan (ehemalige B<strong>und</strong>esforschungsministerin) <strong>und</strong> Jürgen Zöllner (Senator a.D. <strong>und</strong><br />

Vorstandsvorsitzender der Stiftung Charité). Dahinter (v.r.) Detlev Ganten <strong>und</strong> <strong>die</strong> drei Berliner<br />

Uni-Präsidenten Jan-Hendrik Olbertz (HU), Jörg Steinbach (TU) <strong>und</strong> Peter-André Alt (FU).<br />

Cornelia Yzer, ><br />

Senatorin für Wirtschaft, Technologie <strong>und</strong> Forschung:<br />

„Das <strong>MDC</strong> hat sich stürmisch entwickelt: Jede Woche<br />

erscheint ein High-Impact-Paper. Eine Leibnizpreisträgerin<br />

<strong>und</strong> zwei Leibnizpreisträger forschen hier.<br />

Die Kooperation zwischen Wissenschaft <strong>und</strong> Wirtschaft<br />

hat am <strong>MDC</strong> von Anfang an eine große Rolle gespielt.<br />

Mit dem gemeinsamen Forschungsraum des BIH entsteht<br />

nun eine Brücke zwischen Klinik <strong>und</strong> Forschung.<br />

Das ist auch eine große Chance für den Wirtschaftsstandort<br />

Berlin. Das <strong>MDC</strong> ist wie es ist – es schaut anlässlich<br />

seines Geburtstages nicht in <strong>die</strong> Vergangenheit,<br />

sondern in <strong>die</strong> Zukunft.“<br />

< Professorin Dr. Annette Schavan,<br />

ehemalige B<strong>und</strong>esministerin für Bildung <strong>und</strong><br />

Forschung: „Herzlichen Glückwunsch zum<br />

Geburtstag <strong>und</strong> vielen Dank für das, was<br />

geleistet wurde. Zu den vornehmsten<br />

Zielen öffentlicher <strong>und</strong> politischer Verantwortung<br />

in unserem Land gehört es,<br />

Zukunftswerkstätten wie Universitäten<br />

<strong>und</strong> Forschungsinstitute weiterzuentwickeln,<br />

zu internationalisieren <strong>und</strong> ihnen<br />

mehr Raum zu geben. Wir müssen Signale<br />

setzen, dass Forschung nicht nur in<br />

Berlin, sondern in ganz Deutschland <strong>und</strong><br />

in Europa zu der Quelle künftigen Wohlstands<br />

gehört.“<br />

38 imdc04 2013


Einblicke<br />

Professor Dr. Jürgen Mlynek, ><br />

Präsident der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher<br />

Forschungszentren: „Wir sind stolz<br />

auf das <strong>MDC</strong>. Es ist eine Perle in der<br />

Ges<strong>und</strong>heitsforschung der Helmholtz-<br />

Gemeinschaft <strong>und</strong> darüber hinaus.“<br />

< Dr. Manfred Erhardt, ehemaliger Senator<br />

für Wissenschaft <strong>und</strong> Forschung: „BIG is<br />

great. Das Berliner Institut für Ges<strong>und</strong>heitsforschung<br />

wird eine große Attraktivität<br />

für <strong>die</strong> besten Wissenschaftler<br />

aus aller Welt haben. Schon jetzt arbeiten<br />

exzellente Wissenschaftler am <strong>MDC</strong>.<br />

Ich erinnere mich noch daran, dass ich<br />

manch schlaflose Nacht gehabt habe,<br />

weil nicht alle damaligen Mitarbeiter aus<br />

den alten Akademieinstituten ihre Position<br />

behalten konnten. Das ging mir damals<br />

sehr an <strong>die</strong> Nieren. Umso mehr<br />

freue ich mich über <strong>die</strong>se Erfolgsgeschichte,<br />

an der Forscher aus Ost <strong>und</strong><br />

West gemeinsam geschrieben haben.“<br />

< Dr. Gudrun Erzgräber,<br />

ehemalige Geschäftsführerin der BBB Management<br />

GmbH: „Ich wünsche dem <strong>MDC</strong> <strong>und</strong><br />

mit ihm dem BIH eine genauso großartige<br />

<strong>und</strong> erfolgreiche Entwicklung wie in<br />

den vergangenen Jahrzehnten. Herr Professor<br />

Ganten <strong>und</strong> ich waren damals ein<br />

gutes Team: Er war der Visionär für <strong>die</strong><br />

Campusentwicklung, ich kümmerte mich<br />

um <strong>die</strong> Umsetzung beim BioTechPark. Es<br />

gibt keinen weiteren Campus in Deutschland,<br />

wo es ein solches Zusammenwirken<br />

von Klinik, Forschung <strong>und</strong> Wirtschaft<br />

gibt. Das schätzen <strong>die</strong> Biotechfirmen.“<br />

imdc04 2013<br />

39


einblicke<br />

20 Jahre<br />

Wissenschaft<br />

20 Jahre <strong>MDC</strong><br />

Eine große Ausstellung präsentiert<br />

<strong>die</strong> wissenschaftlichen Publikationen des <strong>MDC</strong><br />

in den 20 Jahren seit seiner Gründung<br />

Text lucy patterson<br />

Fotos David Ausserhofer<br />

Der 20. Geburtstag, den das Max-<br />

Delbrück-Centrum im Dezember<br />

mit einem Festakt feierte, war auch Anlass<br />

für eine große Wissenschaftsausstellung.<br />

Und groß heißt wirklich groß:<br />

Eine gigantische Infografik mit dem Titel<br />

„20 Jahre Wissenschaft, 20 Jahre<br />

<strong>MDC</strong>“ durchzog den langen Flur des<br />

Hermann-von-Helmholtz-Hauses. An einem<br />

22 Meter langen Zeitstrahl zeigt<br />

<strong>die</strong> Grafik alle 3.210 wissenschaftlichen<br />

Publikationen des <strong>MDC</strong>, <strong>die</strong> seit 1992<br />

entstanden sind. Für jede Einzelne<br />

steht eine „Blase“. Mit der Häufigkeit<br />

der Zitierungen wird der Durchmesser<br />

der „Blasen“ größer. Deren Platzierung<br />

zeigt den Impact-Faktor des Journals<br />

an: je weiter oben auf der Y-Achse,<br />

desto höher der Faktor. Zusätzlich verrät<br />

ein Farbcode, welchem Forschungsgebiet<br />

<strong>die</strong> Autoren der Arbeit zugeordnet<br />

waren.<br />

Die vielen bunten Blasen, groß <strong>und</strong><br />

klein, zeigen sofort, wie viel <strong>und</strong> vor allem<br />

wie hochrangig publiziert wurde –<br />

was für <strong>die</strong> Gestaltung der Ausstellung<br />

eine Herausforderung darstellte: Es war<br />

uns* aus Platzgründen nicht möglich,<br />

jedem der Kreise eine Beschriftung mit<br />

Angaben zum Titel, zur Fachzeitschrift,<br />

zu den Autoren <strong>und</strong> zum Labor zu geben.<br />

Um <strong>die</strong> Anzahl der Labels zu reduzieren,<br />

mussten wir <strong>die</strong> Grenzwerte bei<br />

einem Impact-Faktor höher als 15 oder<br />

bei mehr als 180 Zitierungen festlegen.<br />

Auf ihre eigene Weise erzählt <strong>die</strong>se<br />

Infografik <strong>die</strong> Geschichte des <strong>MDC</strong>. In<br />

den ersten Jahren, Anfang der 90er, in<br />

denen <strong>die</strong> Arbeit am Institut während<br />

der turbulenten Zeiten nach der Wende<br />

anlief, gab es noch relativ wenige Publikationen.<br />

Doch mit der Zeit <strong>und</strong> dank<br />

weiterer Investitionen begann das Institut<br />

zu wachsen <strong>und</strong> sich weiter zu<br />

entwickeln. Mehr <strong>und</strong> mehr Forschungsdaten<br />

wurden gesammelt. Es wird häufig<br />

gesagt, dass <strong>die</strong> Ausarbeitung einer<br />

guten Arbeit vier bis fünf Jahre dauern<br />

kann. Etwa gegen Ende der 90er Jahre<br />

war das <strong>MDC</strong> soweit <strong>und</strong> <strong>die</strong> Anzahl<br />

der Publikationen schnellte in <strong>die</strong> Höhe.<br />

Parallel dazu hat sich in der Wissenschaft<br />

allgemein während der letzten<br />

20 Jahre viel verändert. Um <strong>die</strong> Publikationen<br />

des <strong>MDC</strong> in einen breiteren<br />

Kontext zu stellen, bezieht <strong>die</strong> Ausstellung<br />

auch Meilensteine der Forschung<br />

in den Lebenswissenschaften mit ein:<br />

von den großen Entdeckungen, <strong>die</strong><br />

zur Veränderung unserer Denkweisen<br />

in der Biologie geführt haben, bis hin<br />

zu bahnbrechenden technologischen<br />

40<br />

imdc04 2013<br />

Vertieft in <strong>die</strong> Ausstellung: PhD-Student Matti Bauman.


Einblicke<br />

Entwicklungen, <strong>die</strong> unsere Arbeitsweisen<br />

verändert haben.<br />

In der Forschung<br />

heute unverzichtbar –<br />

grün fluoreszierendes<br />

Protein GFP<br />

Die tägliche Arbeit im Labor sah<br />

beispielsweise vor 20 Jahren ganz anders<br />

aus. Kaum jemand kann sich mehr<br />

vorstellen, Forschung ohne Pubmed, <strong>die</strong><br />

Suchmaschine für Fachliteratur (1997<br />

der Öffentlichkeit erstmals vorgestellt)<br />

zu betreiben. Sogar das Internet selbst<br />

war damals eine Neuheit. PowerPoint<br />

gab es nicht, Mikroskop-Bilder wurden<br />

mit analogen Kameras auf Film festgehalten,<br />

<strong>und</strong> bis zur Erfindung automatischer<br />

Sequenziergeräte 1996 war <strong>die</strong><br />

DNA-Sequenzierung so mühsam (das Gel<br />

musste manuell eingefüllt <strong>und</strong> unzählige<br />

Banden abgelesen werden), dass eine<br />

einzige neu entdeckte Gensequenz<br />

bereits für eine wissenschaftliche Arbeit<br />

ausreichen konnte.<br />

So war es zum Beispiel auch erst<br />

1992, dass <strong>die</strong> Sequenz des GFP (ein<br />

grün fluoreszierendes Protein, das aus<br />

einer Qualle isoliert wird) erstmals veröffentlicht<br />

wurde, <strong>und</strong> 1995, dass verbesserte<br />

Varianten davon das Protein<br />

zu einem weit verbreiteten Hilfsmittel<br />

machten. Es wird als Marker in lebenden<br />

Zellen verwendet <strong>und</strong> ist aus der<br />

modernen Zellbiologie nicht mehr wegzudenken.<br />

Die erste Veröffentlichung<br />

über den Einsatz von GFP im <strong>MDC</strong> kam<br />

1997 von Cristina Cardoso <strong>und</strong> Heinrich<br />

Leonhardt (Cardoso et al., 1997).<br />

Sie hatten ein DNA-Ligase-I:GFP-Fusionsprotein<br />

hergestellt, um erstmals<br />

den zeitlichen Ablauf <strong>und</strong> <strong>die</strong> Lokalisation<br />

der DNA-Replikation in lebenden<br />

Zellen zu untersuchen. Dies brachte zu<br />

„Wall of Fame“: Die 22 Meter lange<br />

Wissenschaftsausstellung interessierte<br />

viele junge Wissenschaftler.<br />

der Zeit neuartige Herausforderungen<br />

mit sich, beispielsweise <strong>die</strong> Problematik,<br />

Zellen unter dem Mikroskop für eine<br />

lange Zeitspanne am Leben zu halten.<br />

Ähnlich verhielt es sich mit den<br />

1994 erstmals erzeugten transgenen<br />

Mäusen unter Verwendung des cre-1oxP<br />

Systems, an dessen Entwicklung auch<br />

Klaus Rajewsky, damals noch in Köln,<br />

beteiligt war. Anstatt das betreffende<br />

Gen komplett auszuschalten, wurde<br />

es nun möglich, Gene erst in späteren<br />

Entwicklungssta<strong>die</strong>n oder auch in spezifischem<br />

Gewebe zu blockieren. Zum<br />

ersten Mal angewendet hat <strong>die</strong> Technologie<br />

am <strong>MDC</strong> Alistair Garratt aus Carmen<br />

Birchmeiers Gruppe (Garratt et al.,<br />

2000). Als Mitglied einer von mehreren<br />

Gruppen am <strong>MDC</strong>, <strong>die</strong> Mitte bis Ende<br />

der 90er Jahre mit dem System experimentierten,<br />

erinnert sich Alastair:<br />

„Wir waren damals nicht sicher, ob <strong>die</strong><br />

Knockouts wirklich funktionieren würden<br />

<strong>und</strong> ob <strong>die</strong> Zeit, <strong>die</strong> wir in <strong>die</strong> Untersuchungen<br />

investierten, es am Ende<br />

wert sein würde. Rekombination ist niemals<br />

h<strong>und</strong>ertprozentig, <strong>und</strong> wir hatten<br />

<strong>die</strong> Befürchtung, dass <strong>die</strong> nicht-rekombinanten<br />

Zellen den Phänotyp bewahren<br />

würden.” Glücklicherweise stellte<br />

sich heraus, dass <strong>die</strong> Sorge unnötig gewesen<br />

war <strong>und</strong> das System hielt, was<br />

es versprochen hatte. Heute ist es ein<br />

zentrales Instrument in der Erforschung<br />

der Rolle von Genen in verschiedenen<br />

Zusammenhängen.<br />

Jede Publikation zählt<br />

Die größte Blase auf der Infografik<br />

steht für eine Veröffentlichung von Professor<br />

Dr. Walter Birchmeier (Behrens et<br />

al., 1996), in der erstmals <strong>die</strong> Wechselwirkung<br />

zwischen LEF1 <strong>und</strong> beta-Catenin<br />

im kanonischen Wnt-Signalweg<br />

beschrieben wurde. Walter Birchmeier<br />

war einer der ersten neuen Gruppenleiter,<br />

<strong>die</strong> das <strong>MDC</strong> 1993 einstellte,<br />

<strong>und</strong> als eine mögliche Erklärung für<br />

den Erfolg seiner Publikation berichtet<br />

er Folgendes: 1995 waren auch seine<br />

Frau Carmen Birchmeier <strong>und</strong> ihre Gruppe<br />

ans <strong>MDC</strong> gekommen <strong>und</strong> veröffentlichten<br />

kurze Zeit später zwei bedeutende<br />

Stu<strong>die</strong>n in „Nature“ (Bladt et al.<br />

1995, Meyer & Birchmeier 1995). „Damals<br />

drohte <strong>die</strong> im <strong>MDC</strong> vorherrschende<br />

Meinung sich nach dem Motto zu entwickeln,<br />

kluge Frau, aber beim Mann<br />

hapert’s ein bisschen“, sagt Birchmeier<br />

lachend. „Ich hatte das Gefühl, etwas<br />

dagegen unternehmen zu müssen.”<br />

Zitierhäufigkeit allein ist jedoch<br />

nicht alles. Und auch der Impact-Faktor<br />

ist nicht in jedem Fall ein verlässlicher<br />

Indikator dafür, wie bedeutend sich eine<br />

Forschungsarbeit erweisen wird. Jede<br />

Publikation spielt eine Rolle. Fest<br />

steht, dass <strong>die</strong> stetig wachsende Anzahl<br />

wissenschaftlicher Publikationen,<br />

<strong>die</strong> <strong>die</strong>se Ausstellung präsentiert, das<br />

wahre Vermächtnis unseres Instituts<br />

darstellt. Niemand hätte vorhersehen<br />

können, wo <strong>die</strong> vergangenen 20 Jahre<br />

uns hinführen würden, hier am <strong>MDC</strong> <strong>und</strong><br />

in den Lebenswissenschaften im Allgemeinen.<br />

Bleibt also <strong>die</strong> Frage: Was dürfen<br />

wir von den nächsten 20 Jahren<br />

erwarten<br />

*Das Konzept für <strong>die</strong> Ausstellung wurde<br />

von Luiza Bengtsson, Vera Glaßer <strong>und</strong><br />

Lucy Patterson erarbeitet<br />

Literaturhinweise<br />

Cardoso et al. J Cell Biol. 1997 139:579-87.<br />

Garratt et al. J Cell Biol. 2000 148:1035-46.<br />

Behrens et al. Nature. 1996 382:638-42.<br />

Bladt et al. Nature 1995 376:768-71.<br />

Meyer & Birchmeier Nature. 1995 378:386-90<br />

imdc04 2013<br />

41


einblicke<br />

20 Jahre <strong>MDC</strong><br />

Teil 2 1997-2001<br />

1997<br />

1999<br />

Gläsernes Labor wird eröffnet<br />

Es bietet in drei Forschungslaboren neben beruflichen<br />

Weiterbildungsangeboten für Lehr- <strong>und</strong> Laborkräfte vor allem<br />

Schüler-Experimentierkurse zu Genetik, Neurobiologie,<br />

Zellbiologie, Ökologie <strong>und</strong> Chemie. Am Tag der offenen Tür<br />

im Jahr 2000 zeigt Laborleiter Dr. Ulrich Scheller, einer der<br />

heutigen Geschäftsführer der BBB Management GmbH, einige<br />

Experimente. Foto: Thomas Müller, © <strong>MDC</strong><br />

Nobelpreisträger besucht <strong>MDC</strong><br />

Der Mitentdecker der DNA-Struktur <strong>und</strong> Medizinnobelpreisträger<br />

James Watson stattet dem <strong>MDC</strong> am 3. Mai 1997<br />

einen kurzen Besuch ab. Er hält <strong>die</strong> Eröffnungsrede beim<br />

„Congress of Molecular Medicine“.<br />

D. Ganten. James D. Watson at the Congress of Molecular Medicine.<br />

J Mol Med (Berl). 1997 Sep;75(9):615-7.<br />

Foto: Thomas Machowina, © Springer-Verlag<br />

1998<br />

2000<br />

Demonstration für den Erhalt der<br />

Uni<strong>klinik</strong>en<br />

Am 13. Januar 2000 demonstrieren Jens Reich <strong>und</strong> viele<br />

andere vor dem Berliner Roten Rathaus für <strong>die</strong> Erhaltung<br />

der Uni<strong>klinik</strong>en am Standort Buch. Die Finanzkrise der Allgemeinen<br />

Ortskrankenkasse (AOK) hatte <strong>die</strong> Spardiskussion<br />

um Bettenkürzungen <strong>und</strong> um Abschaffung des universitären<br />

Status der beiden von der Charité betriebenen Campus-Kliniken<br />

in Gang gebracht.<br />

Gr<strong>und</strong>steinlegung FMP<br />

Am 13. Juli 1998 regnet es in Strömen bei der Gr<strong>und</strong>steinlegung<br />

für den Neubau des Forschungsinstituts für Molekulare<br />

Pharmakologie (FMP) auf dem Campus. Der Berliner<br />

Wissenschaftssenator, Peter Radunski (Mitte), <strong>und</strong> der damalige<br />

Direktor des FMP, Walter Rosenthal (rechts im Bild),<br />

packen mit an. Foto © BBB Management GmbH<br />

42 imdc04 2013


Einblicke<br />

Hoher Besuch am <strong>MDC</strong><br />

Am 29. September 2000 besucht Ihre Königliche Hoheit<br />

Prinzessin Chulabhorn Mahidol, Präsidentin des Chulabhorn<br />

Forschungsinstituts in Bangkok, Thailand, das <strong>MDC</strong>. Professor<br />

Dr. Detlev Ganten (links) führt <strong>die</strong> Prinzessin über den<br />

Campus Berlin-Buch. Foto: Uwe Eising, © <strong>MDC</strong><br />

2001<br />

<strong>MDC</strong>.C Eröffnung<br />

Das neue Kommunikationszentrum (<strong>MDC</strong>.C) des Max-<br />

Del-brück-Centrums für Molekulare Medizin (<strong>MDC</strong>) in Berlin<br />

Buch. Es wurde mit der Verleihung des Deutschen Zukunftspreises<br />

durch B<strong>und</strong>espräsident Johannes Rau am 29. November<br />

2001 eröffnet.<br />

Denkmal eingeweiht<br />

Am 14. Oktober 2000 wird ein<br />

Mahnmal zur Erinnerung an <strong>die</strong> Opfer<br />

nationalsozialistischer Euthanasieverbrechen<br />

<strong>und</strong> ihren Missbrauch durch<br />

Medizin <strong>und</strong> Forschung auf dem Campus<br />

eingeweiht. Das Denkmal erinnert<br />

daran, dass Wissenschaftler des<br />

Kaiser-Wilhelm-Institutes für Hirnforschung<br />

in Berlin-Buch Gehirne von<br />

Euthanasieopfern zu Forschungszwecken<br />

verwendeten. Das Kunstwerk wurde von Anna Franziska<br />

Schwarzbach geschaffen <strong>und</strong> gemeinsam vom <strong>MDC</strong>, der<br />

Max-Planck-Gesellschaft (MPG, München) <strong>und</strong> der Deutschen<br />

Forschungsgemeinschaft (DFG, Bonn) errichtet.<br />

Foto © <strong>MDC</strong>Photo / © BBB Management GmbH<br />

Gr<strong>und</strong>steinlegung des<br />

Kommunikationszentrums des <strong>MDC</strong><br />

Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin Berlin-<br />

Buch am 13. Juli 2000.<br />

Von Anfang an dabei<br />

Dr. Iduna Fichtner, Leiterin der<br />

Forschungsgruppe Experimentelle<br />

Pharmakologie: „Unsere Arbeiten sind an<br />

der Schnittstelle zwischen experimenteller<br />

Krebsforschung <strong>und</strong> klinischer Anwendung<br />

angesiedelt. Ich bin sehr froh, dass ich<br />

meine Forschungen nach der Wende am Max-<br />

Delbrück-Centrum fortsetzen konnte. Bei<br />

der Ausgründung meiner Firma habe ich hier<br />

sehr viel Unterstützung erfahren.“<br />

Anita Glanz, Mitarbeiterin am Empfang:<br />

„Der Umgang mit Menschen verschiedener<br />

Herkunft gefällt mir sehr am <strong>MDC</strong>. In<br />

meinem „Glaskasten“ bin ich für alle sichtbar.<br />

Darum kennen mich <strong>die</strong> meisten Menschen<br />

hier. Bei vielen brauche ich gar nicht<br />

aufzuschauen. Die erkenne ich schon am<br />

Schritt. Schon als kleines Mädchen kannte<br />

ich den Campus. Vieles hat sich geändert.<br />

Heute sitze ich am Empfang <strong>und</strong> bin Teil der<br />

Erfolgsgeschichte. “<br />

Von links: Dr. Christoph Stölzl (Berliner Senator für Wissenschaft, Forschung<br />

<strong>und</strong> Kultur), Prof. Detlev Ganten (<strong>MDC</strong>-Stiftungsvorstand), Dr. Gudrun Erzgräber<br />

(Geschäftsführerin der BBB Management GmbH), Wolfgang Branoner<br />

(Berliner Senator für Wirtschaft <strong>und</strong> Technologie), N.N., <strong>und</strong> Till Behnke<br />

(Architekturbüro Heinle, Wischer <strong>und</strong> Partner). Foto: Uwe Eising, © <strong>MDC</strong><br />

Frank-Peter Kirsch, Stellvertretender<br />

Leiter in der Abteilung Sicherheit:<br />

„20 Jahre <strong>MDC</strong> – das heißt für mich: hochqualifizierte,<br />

spannende Forschung – bei der<br />

stets <strong>die</strong> Blicke in Vergangenheit, Gegenwart<br />

<strong>und</strong> Zukunft gerichtet wurden <strong>und</strong> werden.<br />

Es macht Freude dabei zu sein, Danke zu<br />

sagen <strong>und</strong> neue Ideen mit einzubringen.“<br />

imdc04 2013 43


einblicke<br />

LinkedIn ist gut,<br />

persönlich ist besser<br />

Alumni berichten über ihre berufliche Karriere.<br />

Der Forschernachwuchs hört gespannt zu.<br />

Alumni des <strong>MDC</strong><br />

tauschen sich über<br />

ihre Forschungsarbeit<br />

<strong>und</strong> ihre beruflichen<br />

Laufbahnen aus<br />

Zu den Feierlichkeiten anlässlich<br />

des 20. Geburtstages des<br />

<strong>MDC</strong> kamen nicht nur derzeitige Mitarbeiter<br />

<strong>und</strong> eine eindrucksvolle R<strong>und</strong>e<br />

bedeutender Persönlichkeiten aus<br />

Wissenschaft <strong>und</strong> Politik zusammen,<br />

sondern auch eine Gruppe enthusiastischer<br />

Ehemaliger des <strong>MDC</strong>. Das erste<br />

Alumni-Treffen des <strong>MDC</strong> fand am<br />

Vortag der großen Feier im Dezember<br />

statt <strong>und</strong> lockte circa 60 ehemalige<br />

Doktoranden, Post-Doktoranden <strong>und</strong><br />

Forschungsgruppenleiter nach Berlin.<br />

Sogar aus so weit entfernten Ländern<br />

wie Brasilien, den USA, China,<br />

Kanada <strong>und</strong> In<strong>die</strong>n sowie aus vielen<br />

anderen Teilen der Welt reisten sie an,<br />

um der Einladung ihrer Alma Mater zu<br />

folgen. Während eines wissenschaftlichen<br />

Symposiums, das im Rahmen der<br />

Veranstaltung stattfand, boten sechs<br />

Ehemalige, <strong>die</strong> derzeit jeweils ein eigenes<br />

Labor oder Institut leiten, einen<br />

Überblick über den neuesten Stand ihrer<br />

Forschungsprojekte. Der Keynote-Vortrag<br />

zum Thema "Immune regulation<br />

and cancer, on this and the<br />

other side of the Atlantic" (Immunregulation<br />

<strong>und</strong> Krebs, <strong>die</strong>sseits <strong>und</strong> jenseits<br />

des Atlantiks) wurde von Klaus<br />

Rajewsky gehalten, <strong>und</strong> der muss es<br />

wissen: Erst kürzlich wechselte er mit<br />

seiner Forschungsgruppe an das <strong>MDC</strong>,<br />

nachdem er beinahe ein halbes Jahrh<strong>und</strong>ert<br />

lang bemerkenswerte Forschungsarbeit<br />

in Deutschland <strong>und</strong> den<br />

USA leistete. Der rege wissenschaftliche<br />

<strong>und</strong> persönliche Austausch wurde<br />

durch eine Podiumsdiskussion des <strong>MDC</strong><br />

Career Pathways Special bereichert, in<br />

der sechs weitere Alumni ihre sehr unterschiedlichen<br />

Laufbahnen in Wissenschaft<br />

<strong>und</strong> Industrie Revue passieren<br />

ließen. Die weihnachtliche Beleuchtung<br />

<strong>und</strong> der Anfang Dezember gefallene<br />

Schnee, in dem sich <strong>die</strong> Lichter<br />

spiegelten, boten eine geeignete Kulisse<br />

für das festliche Sankt Nikolaus<br />

Dinner. In einem gemütlichen Restaurant<br />

am Spreeufer ließen <strong>die</strong> Teilnehmer<br />

alte Fre<strong>und</strong>schaften wieder aufleben,<br />

lernten andere Ehemalige kennen<br />

<strong>und</strong> betrieben Networking – <strong>die</strong>smal<br />

nicht virtuell wie bei “LinkedIn”, sondern<br />

auf altmodische Art <strong>und</strong> Weise –<br />

bei einem kühlen Bier <strong>und</strong> einem<br />

knusprigen Entenbraten.<br />

Oksana Seumenicht<br />

44 imdc04 2013


Einblicke<br />

Kairo, <strong>die</strong> Stadt,<br />

<strong>die</strong> niemals schläft<br />

<strong>MDC</strong>-Alumnus<br />

Ahmed Abdelaziz<br />

hat sich trotz der<br />

derzeitigen schwierigen<br />

Lebens- <strong>und</strong> Arbeits-<br />

bedingungen für sein<br />

Heimatland Ägypten<br />

entschieden. Vor<br />

allem, weil er dort<br />

gebraucht wird.<br />

Während des Alumni Abendessens<br />

blickt Dr. Ahmed Abdelaziz<br />

mehrmals auf sein Smartphone.<br />

„Einer meiner Studenten schickt mir<br />

laufend Nachrichten über <strong>die</strong> aktuelle<br />

Situation zuhause“, erklärt der Dozent<br />

der German University of Cairo (GUC).<br />

In Kairo protestieren in dem Moment<br />

tausende von Leuten gegen <strong>die</strong> autoritären<br />

Richtlinien von Präsident Mursi.<br />

Währenddessen tauscht sich Ahmed<br />

Abdelaziz mit den anderen Alumni aus,<br />

warum er in sein Heimatland zurückgegangen<br />

ist.<br />

Die Proteste haben es mittlerweile<br />

in das Laborleben geschafft. Abdelaziz<br />

verlagert jetzt manche der Gruppenseminare<br />

an das Nilufer, wo er mit<br />

seinen Studenten über Forschung <strong>und</strong><br />

<strong>die</strong> politische Situation diskutiert.<br />

Seine Leidenschaft für Ägypten <strong>und</strong><br />

sein Wunsch, etwas zu verändern, haben<br />

ihn dorthin gebracht, wo er jetzt<br />

ist. Als Arzt in Kairo ausgebildet, entschied<br />

er sich für eine Doktorarbeit<br />

in Europa. „Ich glaube, dass ein guter<br />

Arzt genauso viel über Klinik wie<br />

über Forschung wissen muss“, sagt er.<br />

In Professor Ingo Morano fand er einen<br />

Mentor am <strong>MDC</strong>, <strong>und</strong> nach harter<br />

Arbeit bekam er seinen Doktortitel von<br />

der Charité <strong>und</strong> der Humboldt-Universität.<br />

Seine wissenschaftliche Karriere<br />

führte er an der University of Calgary<br />

in Kanada fort. Doch bald bekam er<br />

ein Angebot, nach Kairo zurückzukehren.<br />

„Meine Kanada-Erfahrung war toll,<br />

aber mir war es dort zu kalt, nicht vergleichbar<br />

mit Deutschland. Ich wusste<br />

schon immer, dass Ägypten mein Ziel<br />

ist“, erklärt er. Dann erzählt er über<br />

Kairo, eine Stadt, <strong>die</strong> niemals schläft,<br />

wo <strong>die</strong> Sonne immer scheint <strong>und</strong> <strong>die</strong><br />

Leute warm <strong>und</strong> zugänglich sind.<br />

Als er seine Arbeit als Gruppenleiter<br />

an der GUC anfing, wollte Dr. Abdelaziz<br />

medizinische Probleme untersuchen,<br />

<strong>die</strong> für das ägyptische Volk<br />

relevant sind. Er behandelte damals eine<br />

große Anzahl an Patienten mit Hepatitis<br />

C, hepatozellulärem Karzinom<br />

<strong>und</strong> Lupus Erithromatosus in seiner<br />

privaten Klinik in Kairo. Nach einem<br />

Gespräch mit Dr. Leonid Karawajew<br />

bei einem wissenschaftlichen Besuch<br />

in Berlin, entschied er sich, <strong>die</strong> Rolle<br />

von microRNAs bei <strong>die</strong>sen Krankheiten<br />

zu untersuchen. Sein Labor hat inzwischen<br />

viele Artikel zu <strong>die</strong>sem Thema<br />

publiziert <strong>und</strong> ist auf personalisierte<br />

Medizin für ägyptische Patienten<br />

fokussiert.<br />

Aber Forschung an einer ägyptischen<br />

Universität ist nicht einfach.<br />

„In der Zeit, in der ich eine Publikation<br />

in Ägypten vorbereite, könnte ich<br />

in Deutschland drei anfertigen“, sagt<br />

er. „Manchmal bestellen wir Reagenzien<br />

<strong>und</strong> <strong>die</strong> bleiben für Wochen beim<br />

Zoll liegen. Wenn wir sie bekommen,<br />

sind sie nicht mehr zu gebrauchen“,<br />

ärgert er sich. Trotz allem scheint er<br />

nicht demotiviert zu sein. Etwas von<br />

Null auf zu erschaffen, reizt ihn sehr.<br />

„Ich wusste, dass mein Mehrwert für<br />

ein wissenschaftliches Institut in<br />

Ägypten höher sein würde als beispielsweise<br />

in Deutschland“, betont er.<br />

Uni-Alltag im arabischen Frühling: Ahmed<br />

Abdelaziz mit Studenten aus seinem Seminar.<br />

Noch ein Blick auf das Smartphone.<br />

Eine neue Nachricht blinkt. Er<br />

hofft, dass <strong>die</strong> Revolution <strong>die</strong> Situation<br />

in seinem Land verbessern wird.<br />

„Meine Studenten waren alle auf dem<br />

Tahrir Platz. Ich bin begeistert, wie<br />

hartnäckig sie sind. Von mir lernen sie<br />

über Wissenschaft, von ihnen lerne ich<br />

über das Leben.“ Nuria Cerdá-Esteban<br />

imdc04 2013<br />

45


einblicke<br />

Lehrerfortbildungsprogramm<br />

Labor trifft Lehrer<br />

am Max-Delbrück-Centrum für molekulare<br />

Medizin (<strong>MDC</strong>) in Berlin-Buch<br />

Am Puls der<br />

Wissenschaft<br />

Text Maimona Id Fotos Michele Caliari<br />

„Das hätte ich st<strong>und</strong>enlang weitermachen<br />

können“: Thomas Rzesnik hat sein<br />

Lehrerpult für einen Tag gegen <strong>die</strong><br />

Laborbank eingetauscht.<br />

Mit filigranen Arbeiten kennt sich Thomas Rzesnik bestens aus. Die feinen<br />

Drüsenhaare der Venusfliegenfalle präparierte er schon. Bienenfühler<br />

wurden von ihm gekappt, um über deren Kanälchen das Insektengehirn rot<br />

anzufärben. Das ist jedoch mehr als ein Vierteljahrh<strong>und</strong>ert her. Jetzt steht er<br />

zum ersten Mal wieder im Labor. „Es fühlt sich alles so vertraut an. Mir geht das<br />

Herz richtig auf“, schwärmt der 52-Jährige. Normalerweise ist das Klassenzimmer<br />

sein Arbeitsplatz. Heute tauscht er das Lehrerpult gegen den Sitzplatz am<br />

Gefriermikrotom. Hochkonzentriert sitzt er an dem modernen, mehrere tausend<br />

Euro teuren Präzisionsautomaten, mit dem mikroskopisch feine Gewebepräparate<br />

aus tiefgefrorenem Material hergestellt werden. Mit einem feinen Pinsel fischt<br />

er einen der hauchdünnen Schnitte von dem gekühlten Objekttisch. Ein kritischer<br />

46 imdc04 2013


Einblicke<br />

Die Anfertigung von Gewebeschnitten<br />

verlangt von Annett<br />

Reich jede Menge Fingerfertigkeit.<br />

Moment, denn das wenige Mikrometer<br />

breite Gespinst fällt in sich zusammen<br />

<strong>und</strong> wirft Falten, wenn es nicht<br />

schnell genug auf einem Objektträger<br />

fixiert wird. Die feinen Strukturen<br />

der Gewebeprobe dürfen nicht zerstört<br />

werden, damit <strong>die</strong> angefärbten Zellen<br />

später unter dem Mikroskop zu erkennen<br />

sind. Jede Menge Fingerspitzengefühl<br />

<strong>und</strong> auch etwas Routine gehören<br />

dazu. Nach ein paar Versuchen hat der<br />

Biologielehrer den Bogen raus <strong>und</strong> offensichtlich<br />

einen Riesenspaß an der<br />

Arbeit. „Das ist ein richtiges Erfolgserlebnis.<br />

Das hätte ich st<strong>und</strong>enlang weitermachen<br />

können“, freut sich Thomas<br />

Rzesnik, der an der Berliner Röntgen-<br />

Schule unterrichtet.<br />

Aktuelle Forschung<br />

hautnah erleben<br />

Im Programm „Labor trifft Lehrer“<br />

des <strong>MDC</strong> haben Lehrkräfte unterschiedlicher<br />

Schulformen <strong>die</strong> Möglichkeit, an<br />

einem Spitzeninstitut aktuelle Wissenschaft<br />

hautnah zu erleben. Der heutige<br />

Kurs beschäftigt sich mit der Funktion<br />

<strong>und</strong> dem Aufbau des Nervensystems<br />

<strong>und</strong> seinen Erkrankungen <strong>und</strong> findet in<br />

der Arbeitsgruppe „Entwicklungsbiologie<br />

<strong>und</strong> Signaltransduktion in Nerven<br />

<strong>und</strong> Muskelzellen“ von Professorin<br />

Carmen Birchmeier-Kohler statt. Die<br />

Wissenschaftler Dr. Hagen Wende, Dr.<br />

Thomas Müller <strong>und</strong> Dr. Michael Strehle<br />

erklären verschiedene molekularbiologische<br />

Methoden, <strong>die</strong> bei ihrer Arbeit<br />

zum Einsatz kommen. Gemeinsam mit<br />

der Biologisch-Technischen Assistentin<br />

(BTA) Maria Braunschweig betreuen sie<br />

<strong>die</strong> Kursteilnehmer. Besonders beeindruckt<br />

sind <strong>die</strong> Lehrer vom Besuch in<br />

der Abteilung für Elektronenmikroskopie.<br />

Hier erklärt ihnen <strong>die</strong> Leiterin Dr.<br />

Bettina Purfürst <strong>die</strong> innovativen hochauflösenden<br />

Geräte.<br />

Bei der eintägigen Lehrerfortbildung<br />

steht <strong>die</strong> Praxis klar im Vordergr<strong>und</strong>.<br />

Nach der theoretischen Einführung<br />

müssen <strong>die</strong> sechs Pädagogen<br />

selbst ran. Dabei pipettieren sie nicht<br />

„sinnlos“ irgendwelche Farblösungen<br />

zusammen, sondern erlernen relevante<br />

Methoden wie sie in jedem Forschungslabor<br />

Standard sind. „Unsere<br />

Teilnehmerinnen <strong>und</strong> Teilnehmer bekommen<br />

so einen realistischen Einblick<br />

in <strong>die</strong> neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse<br />

<strong>und</strong> in den Arbeitsalltag<br />

der Labormitarbeiter <strong>und</strong> Wissenschaftler“,<br />

erklärt Dr. Luiza Bengtsson.<br />

Vor etwa eineinhalb Jahren baute <strong>die</strong><br />

Biochemikerin das Programm am <strong>MDC</strong><br />

Hauchzartes Gewebe: Grit Herrmann<br />

zieht den Schnitt vorsichtig auf<br />

einen Objektträger auf.<br />

auf. Kleine Gruppen <strong>und</strong> brandaktuelle<br />

Forschungsthemen, <strong>die</strong> für den Schulunterricht<br />

relevant sind, machen das<br />

Konzept aus. Den nachhaltigen Effekt<br />

der Lehrerweiterbildung unterstützen<br />

didaktisch aufbereitete Lehr- <strong>und</strong> Begleitmaterialien<br />

sowie <strong>die</strong> Ergebnisse<br />

<strong>und</strong> Präparate, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Teilnehmer<br />

angefertigt haben. Damit können sie<br />

den eigenen Unterricht gestalten <strong>und</strong><br />

das Erlernte an <strong>die</strong> Schüler weitergeben.<br />

Wie bei Dr. Annett Reich liegt<br />

auch bei den anderen Kolleginnen <strong>und</strong><br />

Kollegen das Studium Jahrzehnte zurück.<br />

Für ihre Schüler möchte <strong>die</strong> Chemikerin<br />

am Ball bleiben <strong>und</strong> mit den<br />

neuesten Entwicklungen in der Wissenschaft<br />

Schritt halten. „Viele meiner<br />

Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler wollen<br />

noch stu<strong>die</strong>ren. Ich möchte sie auf <strong>die</strong><br />

Anforderungen an der Uni bestmöglich<br />

vorbereiten“, sagt <strong>die</strong> Lehrerin des<br />

Charlotte-Wolff-Kollegs in Charlottenburg-Wilmersdorf.<br />

Das gelingt ihr nur,<br />

wenn sie den Spaß <strong>und</strong> <strong>die</strong> Begeisterung<br />

für ihr Fach vermitteln kann. Mit<br />

den topaktuellen Forschungsthemen<br />

<strong>und</strong> dem gelieferten Anschauungsmaterial<br />

hofft sie, bei den Schülerinnen<br />

<strong>und</strong> Schülern punkten zu können.<br />

Im Forschungslabor des Max-Delbrück-Hauses<br />

ist <strong>die</strong> Stimmung ausgelassen.<br />

Ausgestattet mit <strong>MDC</strong>-Kitteln<br />

schauen <strong>die</strong> drei Lehrerinnen<br />

Annett Reich, Stefanie Rieck <strong>und</strong> Grit<br />

Herrmann Maria Braunschweig über<br />

imdc04 2013<br />

47


einblicke<br />

Kommunikation. Ihr geht es vor allem<br />

darum, den Stellenwert <strong>und</strong> <strong>die</strong> Bedeutung<br />

medizinisch-naturwissenschaftlicher<br />

Gr<strong>und</strong>lagenforschung deutlich zu<br />

machen <strong>und</strong> damit ein Verständnis <strong>und</strong><br />

eine Akzeptanz zu schaffen. Darüber<br />

hinaus sollen junge Leute in der Lage<br />

sein, sich selbst ein Bild von Meldungen<br />

in der Zeitung oder im Fernsehen<br />

wie beispielsweise „Brokkoli hilft gegen<br />

Krebs“ zu machen. Das gehe nur über<br />

ein fun<strong>die</strong>rtes naturwissenschaftliches<br />

Basiswissen, das <strong>die</strong> Schulen vermitteln<br />

sollen. Luiza Bengtsson: „Über <strong>die</strong> Lehrer<br />

erreichen wir <strong>die</strong> Schüler, <strong>und</strong> <strong>die</strong><br />

Schüler von heute sind <strong>die</strong> Gesellschaft<br />

von morgen.“<br />

Lernen statt Lehren: Von BTA Maria<br />

Braunschweig (Mitte) erfahren <strong>die</strong><br />

Lehrkräfte, worauf es ankommt.<br />

“Es ist schön, Leute für unser Themengebiet zu<br />

begeistern. Das hebt das Selbstwertgefühl, denn<br />

Forschung kann manchmal ganz<br />

schön ernüchternd sein“<br />

<strong>die</strong> Schulter. Die BTA zieht gerade einen<br />

besonders empfindlichen Gewebeschnitt<br />

aus einer Kochsalzlösung. Das<br />

müssen <strong>die</strong> drei gleich nachmachen.<br />

Sie staunen, wie viel Handwerk <strong>und</strong> Geschick<br />

zur täglichen Arbeit gehören.<br />

Das Schnuppern der aufregenden Laborluft<br />

scheint den Pädagogen langsam zu<br />

Kopf zu steigen <strong>und</strong> hebt zum Vergnügen<br />

von Maria Braunschweig <strong>die</strong> Laune.<br />

Sie muss an ihre eigene Schulzeit denken.<br />

„Ein bisschen erinnern mich <strong>die</strong><br />

Lehrer an Schüler. Es wird gequatscht<br />

<strong>und</strong> ab <strong>und</strong> an rumgealbert“, sagt <strong>die</strong><br />

27-Jährige <strong>und</strong> lacht. Zwar sitzen noch<br />

nicht alle Handgriffe, aber <strong>die</strong> Lehrerinnen<br />

<strong>und</strong> Lehrer haben sich gut angestellt,<br />

bescheinigt <strong>die</strong> <strong>MDC</strong>-Mitarbeiterin.<br />

Thomas Müller, Hagen Wende<br />

<strong>und</strong> Michael Strehle sind begeistert von<br />

dem positiven Feedback <strong>und</strong> dem großen<br />

Interesse, das ihrer Arbeit entgegengebracht<br />

wird. „Es ist schön, Leute<br />

für unser Themengebiet zu begeistern.<br />

Das hebt das Selbstwertgefühl, denn<br />

Forschung kann manchmal ganz schön<br />

ernüchternd sein“, sagt Müller. Michael<br />

Strehle freut sich über <strong>die</strong> vielen Fragen<br />

zu seinem Vortrag. „Das, was <strong>die</strong><br />

Teilnehmer hier sehen <strong>und</strong> gezeigt bekommen,<br />

geht weit über ihre Schulversuche<br />

hinaus. Das ist ein echtes Highlight<br />

für sie.“ Letztendlich profitieren<br />

aber auch er <strong>und</strong> seine beiden Kollegen<br />

von „Labor trifft Lehrer“. Sie lernen, ihre<br />

komplexe <strong>und</strong> auch komplizierte Forschung<br />

anderen nahe zu bringen. Diese<br />

Notwendigkeit sehen <strong>die</strong> Wissenschaftler<br />

ein. Sie finden, dass Kommunikation<br />

zu ihrer Tätigkeit gehört. „Wir machen<br />

hier eine sehr teure Forschung, <strong>die</strong> mit<br />

Steuergeldern unterstützt wird. Die Öffentlichkeit<br />

hat schlicht ein Recht darauf<br />

zu wissen, was bei uns passiert“,<br />

betont Wende. „Die Leute sollen erkennen,<br />

dass das, was wir machen,<br />

kein Voodoo ist“, ergänzt Thomas Müller.<br />

Programmleiterin Luiza Bengtsson<br />

kann dem nur zustimmen. „Das Bild von<br />

der Wissenschaft, <strong>die</strong> jeden Tag bahnbrechende<br />

Entdeckungen produziert,<br />

stimmt so nicht ganz. In dem Workshop<br />

bekommen <strong>die</strong> Lehrerinnen <strong>und</strong><br />

Lehrer eine Idee davon, wie arbeitsintensiv<br />

Forschung ist <strong>und</strong> dass in der<br />

Regel viele kleine Bausteine in langjähriger<br />

Teamarbeit zum Erfolg führen“,<br />

sagt <strong>die</strong> Mitarbeiterin der Abteilung<br />

Hightech im Labor: René Eichhardt schneidet<br />

am Gefriermikrotom Zellgewebe.<br />

48 imdc04 2013


Einblicke<br />

Immer ein<br />

offenes Ohr<br />

Neuer Personalrat mit „Ehrenmitglied“ Hermann von Helmholtz (mit blauer Jacke): Dennis Siuchninski,<br />

Dr. Dennis Kobelt, Rainer Leben, Elke Güttler, Dagmar Gerhard, Ingo Kahl, Signe Knespel, Dr. Jana Dröse,<br />

Lutz Else <strong>und</strong> Dr. Alexander Löwer (von links nach rechts).<br />

Eintreten für <strong>die</strong> Interessen<br />

der <strong>MDC</strong>-Kollegen: Die Wahl des<br />

neuen Personalrates<br />

Mit einer Beteiligung von 43<br />

Prozent wählten <strong>die</strong> <strong>MDC</strong>-Mitarbeiterinnen<br />

<strong>und</strong> -Mitarbeiter am 3.<br />

<strong>und</strong> 4. Dezember 2012 ihren neuen Personalrat.<br />

Für den reibungslosen Ablauf<br />

sorgten Martin Flachmeier, Petra<br />

Haink, Bettina Krause <strong>und</strong> Jana Richter<br />

im Wahlvorstand. Weil <strong>die</strong> Zahl der<br />

Beschäftigten im <strong>MDC</strong> auf über 1.000<br />

Mitarbeiter gestiegen ist, wurden erstmalig<br />

13 Mitglieder in den Personalrat<br />

gewählt. In den kommenden vier Jahren<br />

Amtszeit werden <strong>die</strong> neu gewählten<br />

Mitglieder Manuela Adloff, Dr. Jana<br />

Dröse, Lutz Else, Robby Fechner, Dagmar<br />

Gerhard, Elke Güttler, Ingo Kahl,<br />

Signe Knespel, Dr. Dennis Kobelt, Rainer<br />

Leben, Dr. Alexander Löwer, Dennis<br />

Siuchninski <strong>und</strong> Corinna Volkwein<br />

<strong>die</strong> Aufgaben der Mitarbeitervertretung<br />

wahrnehmen.<br />

In seiner ersten Sitzung hat der<br />

Personalrat Jana Dröse, Lutz Else, Dagmar<br />

Gerhard <strong>und</strong> Ingo Kahl in seinen<br />

Vorstand gewählt. Alter <strong>und</strong> neuer Vorsitzender<br />

ist Ingo Kahl. Seit vier Jahren<br />

engagiert er sich im Personalrat<br />

<strong>und</strong> ist seit 2009 für <strong>die</strong> Personalvertretung<br />

freigestellt. „Wir machen uns<br />

stark für alle Kolleginnen <strong>und</strong> Kollegen<br />

im <strong>MDC</strong> <strong>und</strong> haben für jedes Problem<br />

<strong>und</strong> jede Frage ein offenes Ohr“,<br />

betont er. Jana Dröse ist erstmalig in<br />

den Personalrat gewählt worden: „Die<br />

Mitarbeiterinnen <strong>und</strong> Mitarbeiter sind<br />

<strong>die</strong>jenigen, durch <strong>die</strong> das <strong>MDC</strong> lebt <strong>und</strong><br />

wächst. Deswegen finde ich es wichtig,<br />

mich für ihre Belange einzusetzen“,<br />

sagt <strong>die</strong> Referentin des PhD-Büros.<br />

Auch Dennis Siuchninski ist neu im Personalrat.<br />

Für den IT-Mitarbeiter ist es<br />

eine große Herausforderung, ein Bindeglied<br />

zwischen Arbeitgeber <strong>und</strong> Arbeitnehmer<br />

zu sein. „Ich möchte nicht<br />

nur meinen Unmut äußern, wenn was<br />

nicht stimmt, sondern an entscheidender<br />

Stelle etwas bewirken“, betont er.<br />

Kernaufgaben der Interessenvertretung<br />

sind alle Fragen r<strong>und</strong> um das<br />

Arbeitsverhältnis <strong>und</strong> den Arbeitsplatz<br />

wie Einstellungen, Befristungen <strong>und</strong><br />

Arbeitsverträge. Aber auch <strong>die</strong> individuellen<br />

Entwicklungsmöglichkeiten der<br />

Beschäftigten <strong>und</strong> <strong>die</strong> Vereinbarkeit<br />

von Beruf <strong>und</strong> Familie gehören zu ihren<br />

Themen. Dabei sieht sich der Personalrat<br />

als wichtigen Teil der innerbetrieblichen<br />

Demokratie. Ingo Kahl<br />

freut sich, dass er mit der Wiederwahl<br />

<strong>und</strong> Bestätigung im Amt seine Arbeit<br />

im Personalrat fortführen <strong>und</strong> ausbauen<br />

kann. Wichtige Themen sind für ihn<br />

außerdem der Umgang mit Konflikten<br />

<strong>und</strong> <strong>die</strong> psychischen Belastungen im<br />

Beruf. „Dafür habe ich mich zum betrieblichen<br />

Fairness- <strong>und</strong> Konfliktberater<br />

fortbilden lassen“, sagt er.<br />

Ein erklärtes Ziel des Personalrates<br />

ist es, sich für längere Vertragslaufzeiten<br />

<strong>und</strong> Entfristungen am <strong>MDC</strong> zu engagieren<br />

<strong>und</strong> den Mitarbeitern damit<br />

eine sichere Perspektive zu geben. „Die<br />

Arbeit in der Wissenschaft ist hart <strong>und</strong><br />

hat besondere „Spielregeln“. Wir setzen<br />

uns als Personalrat dafür ein, dass<br />

dabei fair gespielt wird, jeder Mitarbeiter<br />

eine Chance bekommt <strong>und</strong> niemand<br />

auf der Strecke bleibt“, sagt Ingo Kahl.<br />

Eine wichtige Aufgabe für den Personalrat<br />

wird es sein, beim Aufbau <strong>und</strong><br />

bei der Entwicklung des BIH (Berlin Institut<br />

of Health) <strong>die</strong> Interessen der Beschäftigten<br />

zu vertreten. Id<br />

imdc04 2013 49


einblicke<br />

Starke Partner<br />

aus China<br />

Großes Interesse an deutscher Forschung<br />

Seinen ersten Termin im neuen Jahr reservierte der<br />

chinesische Botschafter für das <strong>MDC</strong><br />

Text Maimona Id Fotos David AuSSerhofer<br />

„Traditionelle chinesische<br />

Medizin <strong>und</strong><br />

moderne Systembiologie<br />

passen gut zusammen.“<br />

Botschafter Shi Mingde im Gespräch mit<br />

<strong>MDC</strong>-Vorstand Walter Rosenthal.<br />

Zu <strong>die</strong>sem überraschenden Ergebnis<br />

kam der chinesische Botschafter<br />

Shi Mingde bei seinem Besuch<br />

am 3. Januar 2013 im Max-Delbrück-<br />

Centrum für Molekulare Medizin (<strong>MDC</strong>).<br />

Seit August 2012 ist er Gesandter der<br />

Volksrepublik in Deutschland. Sein<br />

Landsmann Dr. Wei Chen, Arbeitsgruppenleiter<br />

am Berlin Institute for Medical<br />

Systems Biology (BIMSB) des <strong>MDC</strong>,<br />

hatte dem Diplomaten <strong>und</strong> seinen Begleitern<br />

soeben den Ansatz der Systembiologie<br />

erklärt. Diese betrachtet<br />

den Organismus <strong>und</strong> <strong>die</strong> Abläufe in seinem<br />

Zellstoffwechsel in ihrer Gesamtheit.<br />

So ein ganzheitlicher Ansatz sei<br />

auch der fernöstlichen Heilkunst zu eigen,<br />

sagte der Botschafter bei seinem<br />

ersten Termin im neuen Jahr. In informeller<br />

Atmosphäre stellte <strong>MDC</strong>-Vorstand<br />

Professor Dr. Walter Rosenthal<br />

den chinesischen Gästen das Zentrum<br />

<strong>und</strong> den Campus Buch vor. Dabei betonte<br />

er <strong>die</strong> große Internationalität.<br />

Ein Drittel aller <strong>MDC</strong>-Beschäftigten<br />

sind Ausländer aus mehr als 70 Nationen.<br />

47 chinesische Wissenschaftlerinnen<br />

<strong>und</strong> Wissenschaftler arbeiten hier,<br />

davon 15 Gastwissenschaftler.<br />

Unabhängige Innovation<br />

Im Bezug auf Wissenschaft <strong>und</strong><br />

Forschung lautet <strong>die</strong> Devise Chinas<br />

unabhängige Innovation – das bedeutet<br />

erfinden statt nachmachen.<br />

Die Parteiführung hat den Ehrgeiz,<br />

<strong>die</strong> Volksrepublik zur führenden Wissenschaftsnation<br />

zu machen. „China<br />

hat in der Forschung gewaltig aufgeholt<br />

in den vergangenen Jahren, darum<br />

ist es ein idealer Partner für uns“,<br />

50 imdc04 2013


Einblicke<br />

„Die chinesisch-deutsche Zusammenarbeit<br />

birgt großartige Perspektiven“,<br />

lautet der Eintrag des Botschafters<br />

ins Gästebuch.<br />

Der ganzheitliche Ansatz der Systembiologie<br />

gefiel dem chinesischen Gesandten (rechts im<br />

Bild). Hier im Gespräch mit BIMSB-<br />

Gruppenleiter Wei Chen.<br />

betonte Walter Rosenthal. Ein wichtiger<br />

Punkt für den <strong>MDC</strong>-Vorstand ist <strong>die</strong><br />

Bedeutung der Gr<strong>und</strong>lagenforschung.<br />

Auch hier sah Botschafter Shi Mingde<br />

gemeinsame Herausforderungen.<br />

„Schnell anwendbare Ergebnisse sind<br />

in der Gr<strong>und</strong>lagenforschung selten.<br />

Darum ist ihr Nutzen der Öffentlichkeit<br />

nicht leicht zu vermitteln. Das ist auch<br />

bei uns so“, sagte der Gesandte.<br />

Nach der kurzen Einführung präsentierten<br />

<strong>die</strong> <strong>MDC</strong>-Wissenschaftler<br />

Professor Dr. Michael Bader (Molekularbiologie<br />

von Hormonen im Herz-<br />

Kreislaufssystem), Privatdozent Dr.<br />

Enno Klussmann (Ankerproteine <strong>und</strong><br />

Signaltransduktion) <strong>und</strong> Dr. Wei Chen<br />

(Systembiologie von Gen-regulatorischen<br />

Elementen) einen Überblick<br />

über ihre aktuellen Forschungsergebnisse.<br />

Anschließend besichtigte <strong>die</strong><br />

Delegation <strong>die</strong> Laborräume des BIMSB.<br />

Eine Herzensangelegenheit war für den<br />

Vertreter der Volksrepublik das Treffen<br />

mit den chinesischen PhD-Studenten<br />

am <strong>MDC</strong>. Auf Chinesisch übermittelte<br />

er den Doktoranden Neujahrsgrüße<br />

<strong>und</strong> rief sie auf, sich in <strong>die</strong> deutsche<br />

Gesellschaft zu integrieren, um<br />

sich gegenseitig besser kennenzulernen:<br />

„Die Jugend ist <strong>die</strong> Zukunft unseres<br />

Landes. Nutzen Sie <strong>die</strong> Gelegenheit,<br />

um zu lernen, egal, ob Sie in<br />

Deutschland bleiben oder zurück nach<br />

China gehen.“, ermahnte der 58-Jährige<br />

seine Landsleute. Einen Ratschlag<br />

des Botschafters wollte PhD-Studentin<br />

Hua Jing ganz besonders beherzigen.<br />

Die Preisträgerin des Curt Meyer-Gedächtnispreises<br />

2012 beendet in <strong>die</strong>sem<br />

Jahr in der Arbeitsgruppe von Clemens<br />

Schmitt ihr Graduiertenstudium<br />

am <strong>MDC</strong>. Shi Mingde gab ihr <strong>und</strong> ihren<br />

Kommilitonen mit auf den Weg: „Ges<strong>und</strong>heit<br />

ist unser höchstes Gut. Bleiben<br />

Sie ges<strong>und</strong> <strong>und</strong> vor allem glücklich.<br />

Versuchen Sie, Stress bei der<br />

Arbeit zu vermeiden <strong>und</strong> sich auf ein<br />

erfülltes Leben zu konzentrieren“.<br />

Botschafter Shi Mingde (2.v.l.) freut sich,<br />

im <strong>MDC</strong> Landsleute zu treffen.<br />

imdc04 2013<br />

51


einblicke<br />

Nur<br />

Fliegen<br />

ist<br />

schöner<br />

Bei der 20. Berliner<br />

Marathon-Staffel<br />

auf dem stillgelegten<br />

Flughafen Tempelhof<br />

erkämpften sich <strong>MDC</strong>-<br />

Läufer Platz 93 von<br />

insgesamt 1079<br />

Geht mit gutem Beispiel voran: Dana Lafuente,<br />

Referentin des Administrativen Vorstandes<br />

Foto: Maimona Id<br />

„So etwas gibt es nur in<br />

Berlin. Wo dreht man denn<br />

sonst auf einem Rollfeld an<br />

Flugzeugen vorbei seine<br />

R<strong>und</strong>en“,<br />

fragt Dr. Ulrich Gohlke begeistert. Seit<br />

vier Jahren läuft der Wissenschaftler<br />

mit seinen Kolleginnen <strong>und</strong> Kollegen<br />

regelmäßig in einer <strong>MDC</strong>-eigenen Laufgruppe.<br />

Bei der 20. Berliner Marathon-<br />

Staffel auf dem alten Flughafen Tempelhof<br />

errangen <strong>die</strong> <strong>MDC</strong> Bond Angels mit<br />

einer Zeit von drei St<strong>und</strong>en, elf Minuten<br />

<strong>und</strong> 41 Sek<strong>und</strong>en den zweiten Platz<br />

unter allen Gruppen des Max-Delbrück-<br />

Centrums. Sie mussten sich jedoch den<br />

<strong>MDC</strong> Artists geschlagen geben. Sieben<br />

Sek<strong>und</strong>en schneller landete das Männerteam<br />

bei der Marathon-Staffel auf<br />

dem 93. von 1079 Plätzen.<br />

Laufen statt Fliegen<br />

Wo zuvor noch lebhafter Flugverkehr<br />

herrschte, waren an dem nebligen<br />

Novembersonntag r<strong>und</strong> 7.000 Läuferinnen<br />

<strong>und</strong> Läufer zum Wettkampf zusammengekommen.<br />

Neu war in <strong>die</strong>sem Jahr<br />

<strong>die</strong> Halbmarathon-Distanz von 21,0975<br />

Kilometern. Seit 2008 übernimmt der<br />

<strong>MDC</strong>-Fre<strong>und</strong>eskreis für <strong>die</strong> acht Institutsstaffeln<br />

mit mehr als 30 Aktiven<br />

<strong>die</strong> Anmeldegebühren. Zu ihnen gehört<br />

auch Läuferin <strong>und</strong> Organisatorin Dana<br />

Lafuente. „Das <strong>MDC</strong> zählt weltweit zu<br />

den erfolgreichsten Zentren, <strong>die</strong> sich<br />

der Ges<strong>und</strong>heitsforschung <strong>und</strong> Prävention<br />

verschrieben haben. Da ist es nur<br />

konsequent, dass wir unsere Mitarbeiterinnen<br />

<strong>und</strong> Mitarbeiter motivieren,<br />

regelmäßig Sport zu treiben“, betont<br />

<strong>die</strong> Referentin des Administrativen<br />

Vorstandes. Als Team-Captain der<br />

Bond Angels bemüht sich auch Ulrich<br />

Gohlke jedes Jahr um genügend Läufer<br />

für den Staffellauf. Dabei ist jeder<br />

willkommen. „Einige haben mit Sport<br />

nicht viel am Hut <strong>und</strong> fangen erst zwei<br />

Monate vorher an, zu trainieren. Aber<br />

es geht hier nicht um Leistungssport,<br />

sondern um Spaß mit Kollegen“, sagt<br />

der Forscher. In erster Linie zählen<br />

Teamgeist <strong>und</strong> das gemeinsame Erlebnis.<br />

„Dabei lernt man sich auf einer anderen<br />

Ebene kennen als im Büro oder<br />

im Labor“, erzählt Gohlke.<br />

Ein wichtiges Ziel ist für Dana Lafuente,<br />

neben der Arbeit <strong>die</strong> Zusammengehörigkeit<br />

der mehr als 1.600<br />

Beschäftigten zu fördern. „Mit einem<br />

Altersdurchschnitt von 38 Jahren sind<br />

wir ein sehr junges Zentrum. Jeder absolviert<br />

ein straffes Arbeitsprogramm.<br />

Sport macht Spaß <strong>und</strong> bietet <strong>die</strong> Möglichkeit,<br />

sich über Labor- <strong>und</strong> Bürogrenzen<br />

hinaus zu treffen <strong>und</strong> auszutauschen“,<br />

sagt sie <strong>und</strong> freut sich über<br />

<strong>die</strong> vielen Lauftalente, <strong>die</strong> sie am <strong>MDC</strong><br />

entdeckt hat. Bei den verschiedenen<br />

vom Fre<strong>und</strong>eskreis unterstützten Laufveranstaltungen<br />

2013, unter anderem<br />

dem Berliner Firmenlauf am 24. Mai<br />

<strong>und</strong> dem allod Ges<strong>und</strong>heitslauf am 14.<br />

September, hofft sie auf viele neue Gesichter.<br />

Id<br />

Alle <strong>MDC</strong>-Rekorde auf einen Blick finden<br />

Sie unter www.mdc-berlin.info/de/<br />

infrastruktur/Sports/index.html<br />

Informationen zum Fre<strong>und</strong>eskreis gibt es unter:<br />

www.mdc-berlin.de/fre<strong>und</strong>eskreis<br />

Spaß <strong>und</strong> Teamgeist sind <strong>die</strong><br />

Hauptsache bei den <strong>MDC</strong>-Laufgruppen<br />

Foto: Dana Lafuente<br />

52<br />

imdc04 2013


Einblicke<br />

Politik trifft<br />

Wissenschaft<br />

Erster Parlamentarischer Abend<br />

des <strong>MDC</strong> ist ein Erfolg<br />

ECRC-Wissenschaftler Dominik Müller<br />

erläuterte den Gästen <strong>die</strong> Notwendigkeit<br />

von Tierexperimenten.<br />

Drei große Themen standen im Mittelpunkt<br />

beim ersten Parlamentarischen<br />

Abend des Max-Delbrück-Centrums<br />

für Molekulare Medizin (<strong>MDC</strong>) im<br />

Oktober des vergangenen Jahres: Tierversuche,<br />

<strong>die</strong> anstehende Kooperation<br />

von Charité <strong>und</strong> <strong>MDC</strong> im Berliner Institut<br />

für Ges<strong>und</strong>heitsforschung (BIG; siehe<br />

dazu auch das Titelthema) <strong>und</strong> das<br />

Berlin Institute for Medical Systems<br />

Biology (BIMSB). In kurzen Talkr<strong>und</strong>en<br />

stellten <strong>MDC</strong>-Protagonisten <strong>die</strong>se<br />

Themen im Humboldt Carré am Gendarmenmarkt<br />

vor, um danach bei einem<br />

kleinen Imbiss mit Parlamentariern <strong>und</strong><br />

Gästen aus den Berliner Universitäten<br />

<strong>und</strong> außeruniversitären Forschungseinrichtungen<br />

weiter zu diskutieren.<br />

Zur Zusammenarbeit von<br />

Charité <strong>und</strong> <strong>MDC</strong><br />

Professor Dr. Walter Rosenthal,<br />

Stiftungsvorstand des <strong>MDC</strong>, erläuterte<br />

zum Beispiel, wie wichtig <strong>die</strong> Zusammenarbeit<br />

mit der Charité – Universitätsmedizin<br />

Berlin für das <strong>MDC</strong><br />

ist: „Die Überführung unserer Ergebnisse<br />

aus der Gr<strong>und</strong>lagenforschung in<br />

<strong>die</strong> Anwendung geht nur mit exzellenten<br />

klinischen Partnern, wie wir sie in<br />

der Charité haben.“ Diese translationale<br />

Medizin sei keine Einbahnstraße,<br />

betonte Rosenthal. Ärzte <strong>und</strong> klinische<br />

Forscher werden in einen noch<br />

intensiveren Dialog mit Gr<strong>und</strong>lagenwissenschaftlern<br />

eintreten. „Dafür wird<br />

uns ein gemeinsames Dach <strong>die</strong> geeigneten<br />

Räume geben“, sagte Rosenthal.<br />

Zugleich unterstrich er gemeinsam mit<br />

Professor Dr. Nikolaus Rajewsky <strong>die</strong> Bedeutung<br />

der engen Zusammenarbeit mit<br />

den Berliner Universitäten. <strong>MDC</strong>-Forscher<br />

Rajewsky, der das BIMSB koordiniert,<br />

stellte <strong>die</strong> Arbeit der Forscherinnen<br />

<strong>und</strong> Forscher in der Systembiologie<br />

vor <strong>und</strong> sprach auch über <strong>die</strong> Pläne, in<br />

Berlin-Mitte auf dem Campus Nord der<br />

Humboldt-Universität (HU) einen großen<br />

Neubau zu errichten. HU-Präsident<br />

Professor Dr. Jan-Hendrik Olbertz<br />

hob <strong>die</strong> wichtige Rolle der Kooperation<br />

zwischen <strong>MDC</strong> <strong>und</strong> HU hervor, insbesondere<br />

im neuen Institut für Lebenswissenschaften<br />

IRI Nord der HU.<br />

Informierten sich über Tierversuche in der<br />

Forschung (v.l.): Thorsten Karge (SPD), Brigitte<br />

Jenner (Sprecherin der Tierversuchsgegner Berlin<br />

<strong>und</strong> Brandenburg e.V.) <strong>und</strong> Simon Kowalewski<br />

(Piratenpartei).<br />

Zur Notwendigkeit von<br />

Tierversuchen<br />

Dr. Boris Jerchow, Leiter der Transgenic<br />

Core Facility am <strong>MDC</strong> <strong>und</strong> stellvertretender<br />

Tierhausleiter, sowie Dominik<br />

Müller, Forschungsgruppenleiter<br />

am <strong>MDC</strong> <strong>und</strong> Professor an der Charité,<br />

erläuterten zum Schluss der Talkr<strong>und</strong>en<br />

<strong>die</strong> Notwendigkeit von Tierversuchen<br />

in der biomedizinischen Gr<strong>und</strong>lagenforschung.<br />

Die Pläne des <strong>MDC</strong> für<br />

ein neues Tierhaus mit darin integrierten<br />

modernen Laborräumen (In-vivo-<br />

Pathophysiologielabor, kurz IPL) waren<br />

bei Tierschutzorganisationen <strong>und</strong> einigen<br />

Parlamentariern auf Widerstand<br />

gestoßen. Vor dem Humboldt Carré<br />

hatte sich zeitweise eine Mahnwache<br />

postiert, doch <strong>die</strong> Debatten während<br />

des Parlamentarischen Abends waren<br />

von großer Sachlichkeit geprägt. vg<br />

imdc04 2013<br />

53


einblicke<br />

KulturenKalender<br />

Passahfest 26. März bis 2. April 2013<br />

Mein<br />

Passahfest<br />

Eines der bekanntesten jüdischen Feste erinnert an <strong>die</strong><br />

Geschichte des Auszugs der Israeliten aus Ägypten.<br />

Inbal Ipenberg erzählt, was das Fest für sie bedeutet.<br />

Text Inbal Ipenberg Fotos Lucy Patterson<br />

„Die festliche Kost lockte einen aus dem Bett“: An das Passahfest hat PhD-<br />

Studentin Inbal Ippenberg schöne Kindheitserinnerungen.<br />

erinnere mich noch gut daran, wie wir<br />

<strong>die</strong> Feierlichkeiten mit dem Seder, dem<br />

festlichen Abendessen zum Auftakt<br />

des Festes, begannen – insbesondere<br />

an <strong>die</strong> speziellen koscheren Gerichte,<br />

<strong>die</strong> konservative Juden während des<br />

Passahfestes servieren. Die Prinzipien<br />

<strong>und</strong> Werte, denen ich mich im Laufe<br />

der Jahre verschrieben habe, haben<br />

mich zur Vegetarierin werden lassen,<br />

<strong>und</strong> in <strong>die</strong>sem Fall ist das bedauerlich,<br />

denn dadurch ist es eine große Herausforderung,<br />

einen koscheren Speiseplan<br />

für das Fest zusammenzustellen!<br />

Einige vegetarische Gerichte gibt es<br />

natürlich, aber <strong>die</strong> sind nicht unbedingt<br />

gleichzeitig auch lecker.<br />

Das Passahfest, oder "Pessach"<br />

im Hebräischen, ist ein Fest,<br />

das zum Gedenken an eine Geschichte<br />

gefeiert wird, <strong>die</strong> im Buch Exodus<br />

der hebräischen sowie der christlichen<br />

Bibel zu finden ist. Der Legende<br />

nach floh das Volk Israel zu einer<br />

Zeit, in der Dürre <strong>und</strong> schreckliche<br />

Hungersnot herrschten, nach Ägypten.<br />

Sie ließen sich dort nieder <strong>und</strong><br />

lebten viele Jahre in Frieden, bis ein<br />

neuer Pharao den Thron bestieg. Dieser<br />

fürchtete <strong>die</strong> wachsende Macht<br />

der immer größer werdenden Bevölkerungsgruppe<br />

israelischer Abstammung<br />

<strong>und</strong> so wurden sie zu Sklaven<br />

gemacht <strong>und</strong> zahlreichen weiteren<br />

brutalen Demütigungen ausgesetzt.<br />

Nach h<strong>und</strong>erten von Jahren harter<br />

Arbeit, <strong>die</strong> hauptsächlich dem Ruhm<br />

der Pharaonen <strong>die</strong>nte, so wird erzählt,<br />

führte Moses sie in <strong>die</strong> Freiheit.<br />

Der ägyptische König kam alles<br />

andere als glimpflich davon; nach zehn<br />

von Gott gesandten Plagen entschied<br />

er sich schließlich, das Volk Israel<br />

in seine Heimat zurückkehren zu lassen.<br />

Diese Geschichte ist der traditionelle<br />

Ursprung des siebentägigen<br />

Passahfestes, das jedes Jahr ab dem<br />

14. Tag des Monats Nisan des hebräischen<br />

Kalenders gefeiert wird. Ich<br />

Gesäuerte Nahrungsmittel<br />

sind tabu<br />

Um das Fest auf koschere Art <strong>und</strong><br />

Weise zu feiern, müssen verschiedene<br />

Bedingungen erfüllt werden. Das<br />

wichtigste Ritual besteht darin, sich<br />

vor dem Fest jeglicher gesäuerter Nahrungsmittel<br />

zu entledigen (jedwede<br />

Nahrungsmittel, <strong>die</strong> Weizen, Gerste,<br />

etc. enthalten). Dieser Brauch stammt<br />

ebenfalls von einer Begebenheit in<br />

der Exodus-Geschichte: Die Israeliten<br />

waren in einer solchen Eile, Ägypten<br />

zu verlassen (denn mit gutem Recht<br />

fürchteten sie, dass der Pharao seine<br />

Entscheidung zurücknehmen könnte),<br />

54 imdc04 2013


Einblicke<br />

dass keine Zeit blieb, den Teig jeglicher<br />

Backwaren zu säuern <strong>und</strong> gären<br />

zu lassen. So blieb alles Backwerk<br />

fladenartig flach. Während des Passahfestes<br />

verzichten so auch konservative<br />

Juden auf jede Art gesäuerter<br />

Nahrungsmittel <strong>und</strong> auf diverse Getreidesorten.<br />

Sie benutzen allein das spezielle<br />

„Matzen-Mehl”, das dem besonderen<br />

Fladenbrot des Passahfestes<br />

seinen Namen gibt. Traditionelle jüdische<br />

Haushalte entledigen sich also<br />

in den Tagen vor dem Passahfest<br />

aller gesäuerter Nahrungsmittel, <strong>und</strong><br />

das Haus wird gereinigt, um jegliche<br />

Spuren nichtkoscherer Nahrungsmittel<br />

zu beseitigen. Mein Vater versteckte<br />

vor dem Fest oft Brotscheiben <strong>und</strong><br />

Fladenbrotstücke in kleinen Tüten im<br />

ganzen Haus, nach denen wir bei Kerzenschein<br />

suchen mussten, bevor alles<br />

für <strong>die</strong> Feierlichkeiten bereit war.<br />

Einige Familien verbrennen ihre<br />

gesäuerten Lebensmittel vor dem<br />

Fest; andere verkaufen sie an Nicht-<br />

Juden. Letzteres wird als symbolisches<br />

Ritual angesehen <strong>und</strong> in der Regel<br />

von einer wichtigen Persönlichkeit der<br />

jüdischen Gemeinschaft übernommen,<br />

wie beispielsweise dem Oberrabiner<br />

Israels.<br />

Lieblingsgericht: Matzen<br />

mit Schokoladencreme<br />

Zusätzlich zu einer allgemeinen Reinigung<br />

des ganzen Hauses muss <strong>die</strong><br />

Küche auf besondere Art <strong>und</strong> Weise<br />

für das Fest vorbereitet werden. Meine<br />

Familie besitzt spezielles Geschirr,<br />

das nur für das Passahfest hervorgeholt<br />

wird <strong>und</strong> das für mich immer <strong>die</strong><br />

Stimmung <strong>und</strong> das festliche Drumherum<br />

des Festes symbolisieren wird.<br />

Einige Familien benutzen alltägliches<br />

Geschirr, stellen jedoch sicher,<br />

dass es koscher ist, indem sie es<br />

in heißem Wasser abkochen. Meine<br />

Eltern verstauten das ganze nichtkoschere<br />

Geschirr in den Schränken,<br />

<strong>und</strong> es gab bei uns einen speziellen<br />

koscheren Wandschrank, der nur für<br />

das Geschirr <strong>und</strong> <strong>die</strong> Nahrungsmittel<br />

für das Fest benutzt wurde. Mir gefiel<br />

der Morgen des Passahfests immer<br />

besonders – <strong>die</strong> festliche Kost lockte<br />

einen aus dem Bett. Mein Leibgericht<br />

waren natürlich Matzen mit<br />

Schokoladencreme.<br />

Bitterkraut symbolisiert<br />

<strong>die</strong> Knechtschaft in<br />

Ägypten<br />

Am ersten Abend des Passahfestes<br />

findet ein festliches Abendessen, der<br />

sogenannte „Seder”, statt. Die Familie<br />

versammelt sich um den Esstisch,<br />

<strong>und</strong> es wird aus der „Haggada” gelesen,<br />

in der <strong>die</strong> Geschichte des Auszugs<br />

aus Ägypten erzählt wird. Es ist<br />

außerdem üblich, Menschen zu sich<br />

einzuladen, <strong>die</strong> selber niemanden zum<br />

Feiern haben oder <strong>die</strong> sich <strong>die</strong> Festlichkeiten<br />

finanziell nicht leisten können.<br />

In der Haggada sind <strong>die</strong> vorgesehenen<br />

Riten für das festliche<br />

Abendessen erklärt. Diese sollten in<br />

einer bestimmten Reihenfolge begangen<br />

werden. Der Sederleiter, in der Regel<br />

das älteste Familienmitglied oder<br />

der Vater, segnet <strong>die</strong> Speisen <strong>und</strong> Getränke<br />

<strong>und</strong> informiert <strong>die</strong> Familie über<br />

<strong>die</strong> Essensrituale. Es wird von allen,<br />

<strong>die</strong> bei dem Abendessen dabei<br />

sind, erwartet, dass sie sich an der<br />

Lesung der Haggada beteiligen –<br />

<strong>die</strong>s wird als eine Art Gebot verstanden.<br />

Mit <strong>die</strong>sen Bräuchen versetzen<br />

wir uns in <strong>die</strong> Lage der Israeliten,<br />

<strong>die</strong> aus der Sklaverei befreit<br />

wurden <strong>und</strong> versuchen nachzufühlen,<br />

wie ihnen nach der ermüdenden Wanderung<br />

ins Gelobte Land zumute gewesen<br />

sein muss. Während des Seders<br />

essen wir verschiedene Speisen, <strong>die</strong><br />

jeweils unterschiedliche Aspekte der<br />

Exodus-Geschichte symbolisieren. Wir<br />

essen beispielsweise Bitterkraut (Rettich<br />

oder ein Salatherz), welches<br />

<strong>die</strong> harten Zeiten des Volkes Israel<br />

während der Knechtschaft in Ägypten<br />

symbolisiert. Ein anderes Beispiel<br />

ist Charoset, eine Masse aus getrockneten<br />

Früchten <strong>und</strong> Nüssen als Symbol<br />

für den Lehm, den <strong>die</strong> Israeliten<br />

während ihrer Knechtschaft beim Bau<br />

der Pyramiden <strong>und</strong> anderer Bauwerke<br />

benutzten (so wird es zumindest erzählt).<br />

Einer der schönsten Riten des<br />

Seders ist <strong>die</strong> Tradition, ein Stück<br />

Matze zu verstecken, das „Afikoman”<br />

genannt wird. Der Sederleiter<br />

sollte während des Abendessens<br />

möglichst unauffällig ein Stück Matze<br />

verstecken. Diesen Afikoman dürfen<br />

<strong>die</strong> Kinder, <strong>die</strong> am Seder teilnehmen,<br />

anschließend suchen. Wer als Erster<br />

oder als Erste den Afikoman findet,<br />

bekommt einen Preis. Bis auf ein<br />

einziges Mal habe ich den Afikoman<br />

jedoch nie finden können <strong>und</strong>, soweit<br />

ich weiß, auch mein kleiner Bruder<br />

nicht. Mein Großvater versteckte<br />

den Afikoman immer so gut, dass wir<br />

alle vermuteten, er habe in Wirklichkeit<br />

gar keinen versteckt! Die Haggada<br />

ist voller Erzählungen <strong>und</strong> Lieder über<br />

<strong>die</strong> Exodus-Geschichte, aber ich denke,<br />

<strong>die</strong> meisten Familien sehnen sich<br />

nach dem Teil des Abends, an dem gegessen<br />

wird, ein wenig schneller herbei,<br />

als <strong>die</strong> Lesungen es erlauben <strong>und</strong><br />

überspringen gern den einen oder<br />

anderen Teil. Das Passahfest dauert<br />

sieben Tage. Währenddessen nehmen<br />

konservative Juden ausschließlich<br />

koschere Nahrungsmittel zu sich.<br />

Im Anschluss an das Passahfest feiern<br />

Juden, <strong>die</strong> ursprünglich aus Nordafrika<br />

stammen (aus Marokko, Libyen,<br />

etc.), ein Fest namens „Mimouna”. An<br />

<strong>die</strong>sem Festtag wird ausgelassen gefeiert,<br />

<strong>und</strong> man darf es sich gut gehen<br />

lassen; es werden traditionell große<br />

Mengen unterschiedlicher bunter Süßigkeiten<br />

gegessen, <strong>die</strong> meist aus koscheren<br />

Zutaten hergestellt wurden. Die<br />

nichtkoscheren, berühmten Mimouna-<br />

Pfannkuchen, auch „Mufletas” genannt,<br />

werden gleich nach dem Ende des<br />

Passahfestes zubereitet.<br />

imdc04 2013<br />

55


einblicke<br />

Oh, Du<br />

Fröhliche<br />

<strong>MDC</strong>-Glühweinstand erbringt 1.370 Euro für<br />

junge Menschen auf der Straße<br />

Wer brauchte da noch einen Weihnachtsmarkt Das <strong>MDC</strong> hatte seinen eigenen<br />

Glühweinstand. Bei knackigen Kältegraden, frischgefallenem Schnee<br />

<strong>und</strong> einem einladenden Feuer war <strong>die</strong> kleine Holzhütte vor dem Hermann-von-Helmholtz-Haus<br />

für <strong>die</strong> Beschäftigten des Max-Delbrück-Centrums in der Weihnachtszeit<br />

der Anlaufpunkt nach Feierabend. In geselliger R<strong>und</strong>e <strong>und</strong> bei einem heißen Getränk<br />

konnten <strong>die</strong> Mitarbeiterinnen <strong>und</strong> Mitarbeiter nicht nur den Arbeitstag ausklingen<br />

lassen oder sich <strong>die</strong> Wartezeit auf den Bus vertreiben, sondern auch noch etwas<br />

für den guten Zweck tun. Insgesamt 1.370 Euro nahmen <strong>die</strong> Organisatoren um Lucy<br />

Patterson aus der Abteilung Kommunikation ein. Darüber freuen darf sich Klik, der<br />

Kontaktladen für junge Menschen auf der Straße. Das Projekt finanziert sich ausschließlich<br />

aus Spenden <strong>und</strong> Stiftungsgeldern. Diese ermöglichen Angebote wie<br />

Duschen, Wäsche waschen oder ein warmes Essen sowie Beratung für junge, obdachlos<br />

gewordene Menschen in Berlin. „Mit solchen Aktionen wollen wir das Gemeinschaftsgefühl<br />

auf dem Campus stärken <strong>und</strong> uns für soziale Projekte einsetzen“, betont<br />

Lucy Patterson. Über <strong>die</strong> Unterstützung der vielen Kollegen aus den Forschungsgruppen<br />

<strong>und</strong> der Verwaltung, <strong>die</strong> den Glühweinstand betreuten, freut sie sich sehr. Id<br />

56 imdc04 2013<br />

Foto: David Ausserhofer


Einblicke<br />

Kurz <strong>und</strong> bündig<br />

Geld für Mikroskope: <strong>MDC</strong>-Vorstand Walter Rosenthal<br />

überreicht Pfarrer Hagen Kühne <strong>die</strong> privat gesammelte<br />

Spende an <strong>die</strong> Evangelische Gr<strong>und</strong>schule.<br />

Neujahrsempfang der<br />

Campusgemeinschaft<br />

Berlin-Buch<br />

Die Verbindung von exzellenter Forschung <strong>und</strong> wissensbasierter<br />

Wirtschaft standen beim Neujahrsempfang der Campusgemeinschaft<br />

aus <strong>MDC</strong>, Charité, Leibniz-Institut für Molekulare<br />

Pharmakologie (FMP) <strong>und</strong> Biotechnologiepark am<br />

25. Januar im Mittelpunkt. Als Gastredner hatte <strong>die</strong> <strong>die</strong>sjährige<br />

Gastgeberin, <strong>die</strong> Campusbetreibergesellschaft BBB Management<br />

GmbH, Dr. Andreas Eckert, Vorstandsvorsitzender<br />

der Eckert & Ziegler AG sowie Me<strong>die</strong>n- <strong>und</strong> Wissenschaftsunternehmer<br />

Sebastian Turner eingeladen. Staatssekretär<br />

Guido Beermann aus der Senatsverwaltung für Wirtschaft,<br />

Technologie <strong>und</strong> Forschung hielt ein Grußwort. <strong>MDC</strong>-Direktor<br />

Walter Rosenthal freute sich, dem Vereinsvorsitzenden<br />

der neu gegründeten Evangelischen Gr<strong>und</strong>schule Berlin-<br />

Buch, Pfarrer Hagen Kühne, eine Spende von 1.000 Euro zu<br />

überreichen. Das Geld stammt aus einer privaten Spendenaktion<br />

der <strong>MDC</strong>-Belegschaft <strong>und</strong> aus einer Sammlung während<br />

der Festveranstaltung 20 Jahre <strong>MDC</strong> im Dezember.<br />

Wahl der Jugend- <strong>und</strong><br />

Auszubildendenvertretung<br />

(JAV) 2013<br />

In <strong>die</strong> JAV gewählt wurden am 23. Januar 2013: Christopher<br />

Suckel (Auszubildender Fachinformatiker), Lisa<br />

Hügel (Auszubildende Tierpflegerin), Lisa Mallis (Biologielaborantin),<br />

Martina Kneiseler (Auszubildende<br />

Tierpflegerin) <strong>und</strong> Vivien Rabke (Auszubildende Tierpflegerin).<br />

Die Vertretung arbeitet eng mit dem Personalrat<br />

zusammen <strong>und</strong> kümmert sich um <strong>die</strong> Belange der<br />

Auszubildenden.<br />

Career Day 2013<br />

R<strong>und</strong> um unterschiedliche Karrierewege in der Wissenschaft<br />

geht es am Donnerstag, 11. April 2013 im <strong>MDC</strong>. Verschiedene<br />

Vorträge <strong>und</strong> Podiumsdiskussionen sowie Firmenpräsentationen<br />

informieren Teilnehmerinnen <strong>und</strong> Teilnehmer, welche<br />

Chancen sich neben der akademischen Laufbahn bieten.<br />

Weitere Informationen unter: www.mdc-berlin.de/careerday<br />

Mongolischer<br />

Bildungsminister im<br />

Max-Delbrück-Centrum<br />

Bei einem Besuch am 25. Januar im <strong>MDC</strong> informierte sich<br />

der Bildungsminister der Mongolei, Luvsannyam Gantumur,<br />

bei Professor Dr. Walter Rosenthal, dem Vorstandsvorsitzenden<br />

<strong>und</strong> wissenschaftlichen Stiftungsvorstand des <strong>MDC</strong>,<br />

über <strong>die</strong> Forschung <strong>und</strong> <strong>die</strong> Doktorandenausbildung am <strong>MDC</strong>.<br />

Der zentralasiatische Staat mit seinen 2,7 Millionen Einwohnern<br />

baut in der Hauptstadt Ulan Bator eine deutsch-mongolische<br />

Hochschule auf <strong>und</strong> ist an einer Zusammenarbeit<br />

mit deutschen Forschungseinrichtungen sowie am Austausch<br />

von Doktoranden interessiert.<br />

Der mongolische Bildungsminister Luvsannyam Gantumur mit <strong>MDC</strong>-Vorstand<br />

Walter Rosenthal (v. l.). Im Hintergr<strong>und</strong> Delegationsmitglieder.<br />

Foto: David Ausserhofer<br />

imdc04 2013<br />

57


einblicke<br />

Reauditierung<br />

Beruf <strong>und</strong> Familie am <strong>MDC</strong><br />

Erfolgreiche Reauditierung<br />

Nach erfolgreicher Umsetzung<br />

der Maßnahmen aus dem audit<br />

beruf<strong>und</strong>familie von 2009 bis 2012 hat<br />

sich das <strong>MDC</strong> zur Re-Auditierung 2012<br />

entschlossen. Viele Möglichkeiten bietet<br />

das <strong>MDC</strong> für eine gute Vereinbarkeit<br />

von Beruf <strong>und</strong> Familie. Die Angebote<br />

reichen von Welcome Center,<br />

Campus-Kita <strong>und</strong> Forscherferien<br />

über flexible Arbeitszeiten<br />

bis hin zu Wiedereingliderung<br />

nach Elternzeit <strong>und</strong> Dual Career.<br />

Der Vorstand des <strong>MDC</strong> tritt für eine<br />

Personalpolitik ein, <strong>die</strong> für <strong>die</strong> Gewinnung<br />

der besten Kräfte <strong>und</strong> Talente<br />

<strong>und</strong> für <strong>die</strong> Konzentration auf wissenschaftliche<br />

Leistung wesentlich ist <strong>und</strong><br />

erwartet von allen Führungskräften am<br />

<strong>MDC</strong>, dass sie ihre Führungsverantwortung<br />

entsprechend wahrnehmen. In<br />

den kommenden drei Jahren sollen <strong>die</strong><br />

erfolgreichen Programme fortgeführt<br />

<strong>und</strong> um neue Angebote ergänzt werden,<br />

beispielsweise um <strong>die</strong> des Sozialwerks<br />

B<strong>und</strong> für preiswerte Ferienunterkünfte<br />

oder Kinder- <strong>und</strong> Jugendreisen.<br />

Kontakt<br />

Dana Lafuente<br />

Persönliche Referentin des<br />

Administrativen Vorstandes<br />

<strong>MDC</strong> / Haus 84 / Raum 1110<br />

Tel. 0049(0)30. 9406-2490<br />

d.lafuente@mdc-berlin.de<br />

Gabriele Kollinger<br />

Personalentwicklerin<br />

<strong>MDC</strong> / Haus 84 / Raum 1209<br />

Tel. 0049(0)30. 9406-3715<br />

gabriele.kollinger@mdc-berlin.de<br />

<strong>MDC</strong>-forscher<br />

feriencamp2013<br />

Vom 24. bis 28.06. 2013<br />

auf dem Campus Berlin-Buch für Mädchen <strong>und</strong><br />

Jungen von 11 bis 14 Jahren<br />

Übernachtung im Gläsernen<br />

Labor mit Schlafsack <strong>und</strong> Isomatte<br />

Leistungen Vollpension, Übernachtung mit<br />

24h-Betreuung durch pädagogisch geschulte<br />

Betreuer. Eintrittsgelder & Transfer. Kursmaterial<br />

<strong>und</strong> Auswertung der Versuche am Abend<br />

Selbstbeteiligung 180,00 Euro p.P.<br />

Kontakt <strong>und</strong> Anmeldung<br />

Dr. Bärbel Görhardt<br />

BBB Management GmbH<br />

Gläsernes Labor| Forschergarten<br />

Mail b.goerhardt@bbb-berlin.de<br />

Fon +49(0)30. 9489 2923<br />

Fax +49(0)30. 9489 2927<br />

Anmeldeschluß 30. April 2013<br />

Fotos: Shutterstock, David Ausserhofer<br />

58 imdc04 2013


Einblicke<br />

Ob im <strong>MDC</strong>-Forscherferiencamp oder in den<br />

Experimentierkursen des Gläsernen Labors:<br />

Forscherferien<br />

sind spannend!<br />

Abenteuer<br />

Wissen<br />

Programm<br />

Zeit 24.06.<br />

25.06. 26.06. 27.06. 28.06.<br />

09.00<br />

10.00<br />

11.00<br />

12.00<br />

13.00<br />

14.00<br />

15.00<br />

16.00<br />

17.00<br />

18.00<br />

19.00<br />

20.00<br />

Geocaching: Die<br />

elektronische Schnitzeljagd<br />

des 21. Jahrh<strong>und</strong>erts<br />

– Einführung<br />

<strong>und</strong> Kennenlernen.<br />

Geheimnisvoll <strong>und</strong><br />

wenig erforscht:<br />

Nacktmulle kennen<br />

keinen Schmerz – auf<br />

der Spur der faszinierenden<br />

Säugetiere.<br />

Wer ist der Mörder<br />

Kriminaltechnische Methoden<br />

wie DNA-Analyse<br />

selbst durchführen<br />

<strong>und</strong> den kleinen Laborführerschein<br />

erwerben.<br />

Filmabend mit Popcorn<br />

Lernen wie im Schlaf:<br />

Wie vollbringt unser<br />

Gehirn nachts Höchstleistungen<br />

Der Besuch<br />

in der Schlafdiagnostik<br />

bringt es an den Tag.<br />

Bowlen wie <strong>die</strong><br />

Weltmeister im B1<br />

Schöneiche.<br />

Windkraft, Solarenergie<br />

<strong>und</strong> Co: Beim Green<br />

Campus Day lernt ihr<br />

Regenerative Energien<br />

auf dem Campus<br />

kennen.<br />

Eure Muskelkraft zählt!<br />

Schienenverkehr mal<br />

anders: Mit der Draisine<br />

auf Entdeckertour.<br />

Grillen<br />

Die mit dem Wolf<br />

tanzen – Beim WildLife<br />

Day im Wildpark<br />

Schorfheide das Tier<br />

der Superlative erforschen.<br />

Bei Lagerfeuer einen<br />

eigenen Geocache<br />

auf dem Campus<br />

verstecken.<br />

Schon <strong>die</strong> Atzteken<br />

wussten, was gut ist:<br />

Was alles Ges<strong>und</strong>es<br />

in der Kakaobohne<br />

steckt, erfahrt ihr bei<br />

der Herstellung von<br />

Schokolade.<br />

GPS-Rallye: Per<br />

Satellitensignal den<br />

Campus Buch entdecken<br />

– Picknick<br />

inklusive.<br />

Kurse im Labor Führungen <strong>und</strong> Ausflüge Rahmenprogramm<br />

imdc04 2013<br />

59


Max<br />

max<br />

Die «Doktoranden-<br />

Seelsorger»<br />

Ein Herz für Studentinnen<br />

<strong>und</strong> Studenten:<br />

Als Ombudspersonen<br />

kümmern sich<br />

Daniela Panáková <strong>und</strong><br />

Thomas Sommer um<br />

<strong>die</strong> Belange des Forschernachwuchses.<br />

Die „Doktoranden-<br />

Seelsorger“<br />

Im Oktober 2012 wählten<br />

<strong>die</strong> PhD-Stu<strong>die</strong>renden<br />

am <strong>MDC</strong> eine neue<br />

weibliche Ombudsperson.<br />

Die Wahl fiel auf Dr. Daniela<br />

Panáková. Seit dem Sommer<br />

2011 leitet sie am <strong>MDC</strong> eine<br />

eigene Arbeitsgruppe. Künftig<br />

teilt sie sich das Ombudsamt<br />

mit Professor Dr. Thomas<br />

Sommer. Der Forscher ist<br />

bereits seit 1993 am <strong>MDC</strong><br />

<strong>und</strong> hat schon einige Jahre<br />

Erfahrung als Ombudsperson<br />

sammeln können.<br />

Die PhD-Studentinnen Nadine Richter<br />

<strong>und</strong> Cornelia Hainer sprachen mit beiden<br />

Wissenschaftlern über ihre Aufgaben als<br />

„Doktoranden-Seelsorger“.<br />

Fotos: Michele Caliari<br />

60 imdc04 2013


Max<br />

Worin bestehen <strong>die</strong> Probleme<br />

der Doktoranden<br />

Thomas Sommer: Meist<br />

kommen <strong>die</strong> Studenten mit Fragen auf<br />

mich zu, <strong>die</strong> durch mangelnde Kommunikation<br />

entstehen, wenn es beispielsweise<br />

um Drittmittelverträge,<br />

Deadlines für Berichte oder auch<br />

um Autorenschaften in Publikationen<br />

geht. Mangelnde Kommunikation<br />

in Sachen Autorenschaft können unter<br />

anderem auftauchen, wenn ehemalige<br />

Doktoranden schon an anderen Orten<br />

als Postdocs tätig sind <strong>und</strong> keinen<br />

direkten Kontakt mehr zum Gruppenleiter<br />

haben. Wenn sich Arbeitsgruppen<br />

auflösen <strong>und</strong> Doktoranden dann<br />

den Wohnort wechseln sollen, obwohl<br />

das Ende der Promotion bereits in Sicht<br />

ist, ist das oft schwer mit deren Privatleben<br />

vereinbar. Sie haben Familie oder<br />

andere Gründe, <strong>die</strong> sie in Berlin halten.<br />

In <strong>die</strong>sen Fällen muss dann eventuell eine<br />

neue Arbeitsgruppe gef<strong>und</strong>en werden,<br />

in der das Projekt vollendet werden<br />

kann. Und dann geht es oft auch<br />

um Papierkram, der entsteht, wenn Studenten<br />

von ausländischen Universitäten<br />

mit unterschiedlichen Regularien<br />

kommen.<br />

Daniela Panáková: Als ich<br />

damals am Max-Planck-Institut für<br />

Molekulare Zellbiologie <strong>und</strong> Genetik<br />

(MPI-CBG) in Dresden meine Doktorarbeit<br />

gemacht habe, wurde ich stark<br />

von der Gruppenleiterin unterstützt,<br />

denn <strong>die</strong> Arbeitsgruppe war verhältnismäßig<br />

klein. Ich hatte daher keinen<br />

Bedarf, <strong>die</strong> Ombudsperson unseres Institutes<br />

aufzusuchen. Aber wenn man<br />

ehrlich ist, sind oft 80 Prozent der<br />

Wissenschaft eher frustrierend, wodurch<br />

Probleme vorprogrammiert sind.<br />

Es gibt nun mal kein Rezept für Erfolg.<br />

Aber in vielen Fällen fehlt der Dialog<br />

zwischen den Studenten <strong>und</strong> ihrem<br />

Gruppenleiter, wenn das Projekt<br />

nicht so gut läuft wie erwartet. Es ist<br />

wichtig, <strong>die</strong>s schnell zu erkennen <strong>und</strong><br />

Schwierigkeiten fortlaufend zu besprechen.<br />

Natürlich hoffe ich, dass es<br />

nicht allzu viele Probleme geben wird<br />

<strong>und</strong> alle Studenten glücklich sind.<br />

Welche Art von Hilfe<br />

können Sie als Ombudsperson<br />

anbieten<br />

Daniela Panáková: Als Ombudsfrau<br />

kann ich den Studentinnen<br />

<strong>und</strong> Studenten zuhören <strong>und</strong> ihnen Vorschläge<br />

machen, aber <strong>die</strong> Betreuung<br />

kann ich nicht übernehmen. Allerdings<br />

kann ich <strong>die</strong> Gruppenleiter auf mögliche<br />

Probleme der Studenten aufmerksam<br />

machen. Diese können sehr verschieden<br />

sein <strong>und</strong> hängen stark vom<br />

jeweiligen Studenten ab. Einige arbeiten<br />

unabhängig, andere brauchen mehr<br />

Führung <strong>und</strong> regelmäßige direkte Betreuung.<br />

Die Gruppenleiter kennen <strong>die</strong><br />

Bedürfnisse der Doktoranden natürlich<br />

nicht von Anfang an. Es ist <strong>die</strong> Aufgabe<br />

des Doktoranden, seinen individuellen<br />

Bedarf an Unterstützung deutlich<br />

zu machen <strong>und</strong> eventuell selbst<br />

Druck auszuüben. Ich als Ombudsperson<br />

kann versuchen zu vermitteln, mit<br />

den Betreuern zu sprechen <strong>und</strong> Lösungen<br />

für auftretende Probleme zu finden.<br />

Denn eine gute Beziehung zwischen<br />

Studenten <strong>und</strong> ihren Betreuern<br />

sowie ein konstanter Dialog sind Voraussetzung<br />

für ein erfolgreich verlaufendes<br />

Projekt.<br />

Thomas Sommer: Die Art<br />

von Hilfe, <strong>die</strong> ich geben kann, ist abhängig<br />

vom Problem. Zunächst spreche<br />

ich persönlich mit dem Studenten<br />

über sein Anliegen <strong>und</strong> viele Dinge<br />

lassen sich so schon klären. Ist <strong>die</strong> Situation<br />

komplexer, dann würde ich, wenn<br />

der Student einwilligt, den Gruppen-<br />

leiter kontaktieren. Jedoch befürchten<br />

Studenten oft, dass <strong>die</strong>s nachteilige<br />

Auswirkungen für sie hat. Falls es<br />

zu verhärteten Fronten gekommen ist,<br />

versuche ich <strong>die</strong> Gespräche wieder in<br />

Gang zu bringen, denn eine gute Arbeitsgruppenkultur<br />

steht im Vordergr<strong>und</strong>.<br />

Man setzt sich zu dritt zusammen<br />

oder mit einer weiteren Person,<br />

zum Beispieleinem anderen Gruppenleiter.<br />

Das Ziel ist, den Standpunkt jedes<br />

Einzelnen klar darzustellen <strong>und</strong><br />

eine pragmatische Lösung für den Doktoranden<br />

zu finden. Ich denke, mit <strong>die</strong>ser<br />

Strategie war ich bisher erfolgreich.<br />

Durch welche Neuerungen<br />

am Institut könnte<br />

<strong>die</strong> Situation der Doktoranden<br />

verbessert werden<br />

Thomas Sommer: Die jetzige<br />

Betreuungssituation hat sich im<br />

Vergleich zu meiner Anfangszeit bereits<br />

enorm verbessert. Beispielsweise<br />

kam es zur Einführung des jährlichen<br />

PhD Committee Meetings. Das PhD<br />

Committee gibt den Doktoranden <strong>die</strong><br />

Möglichkeit, ihr Projekt mit zwei weiteren<br />

Gruppenleitern zu diskutieren<br />

<strong>und</strong> eventuelle neue Einblicke oder<br />

Hinweise zu erhalten. Dadurch kann<br />

man „festgefahrene“ Probleme lösen.<br />

Für viele Doktoranden wäre es gerade<br />

zu Beginn ihrer Doktorarbeit hilfreich,<br />

anderen Arbeitsgruppenleitern einen<br />

groben Entwurf ihres Projektes vorzustellen,<br />

damit sie in der Anfangsphase<br />

nicht im Dunkeln tappen. Sie brauchen<br />

imdc04 2013<br />

61


Max<br />

eine gewisse vorgegebene Linie, <strong>die</strong><br />

sie selbstständig weiterentwickeln<br />

können. Die Doktormutter oder der<br />

Doktorvater haben dann <strong>die</strong> Aufgabe,<br />

<strong>die</strong> krausen Gedanken des „flügge gewordenen<br />

Studenten“ zu ordnen.<br />

Fotos: David Ausserhofer<br />

Was reizt Sie an Ihrer<br />

Aufgabe als Ombuds-person<br />

Thomas Sommer: Natürlich<br />

ist es immer schön, anderen zu helfen.<br />

Man sieht zu, wie sich <strong>die</strong> Studenten<br />

entwickeln, sich verändern <strong>und</strong> mit ihren<br />

Erfolgen wachsen. Sie werden mit<br />

der Zeit selbstsicherer <strong>und</strong> stellen<br />

fest, dass andere auch nur mit Wasser<br />

kochen. Allerdings werde ich trotz<br />

der hohen Doktorandenzahl am <strong>MDC</strong><br />

relativ selten aufgesucht, was hoffentlich<br />

kein Anzeichen von Misstrauen<br />

ist! Viele Aufgaben sind inzwischen<br />

auch durch das Graduate Office abgedeckt.<br />

Unangenehme Erfahrungen gab<br />

es kaum. Ich erhalte zwar im Nachhinein<br />

wenig Feedback, gehe aber davon<br />

aus, dass alles wieder in Ordnung gebracht<br />

ist. Die Arbeit mit den Doktoranden<br />

macht mir einfach Spaß!<br />

Daniela Panáková: Es gibt<br />

ja eher weniger Gruppenleiterinnen am<br />

<strong>MDC</strong>, aber immer mehr Frauen in den<br />

Naturwissenschaften. Darum finde ich<br />

es wichtig, dass es auch eine weibliche<br />

Ombudsperson gibt. Ich war überrascht,<br />

als ich vom Wahlergebnis erfuhr.<br />

Ich freue mich darüber <strong>und</strong> fühle<br />

mich sehr geehrt. Ich werde mein Bestes<br />

geben <strong>und</strong> den Job ernst nehmen.<br />

Nadine Richter, Cornelia Hainer<br />

Mit dem Herzen entscheiden, was glücklich macht, rät der<br />

renommierte Wissenschaftler Gottfried „Jeff“ Schatz.<br />

„Hör auf<br />

dein Herz!“<br />

Bei der ersten PhD-Graduiertenzeremonie<br />

am <strong>MDC</strong><br />

sprach der bekannte Biochemiker<br />

Gottfried „Jeff“ Schatz zu den<br />

frisch Promovierten. Eine von ihnen<br />

war Kristin Petzold. Für das<br />

imdc berichtet sie von der Feier.<br />

Vor fast vier Jahren kam ich als<br />

erste Doktorandin meiner Chefin<br />

in ein fast leeres Labor. In der<br />

darauf folgenden Zeit wuchs unsere<br />

Arbeitsgruppe, unser Equipment<br />

<strong>und</strong> mit ihnen mein Verständnis der<br />

embryonalen Pankreasentwicklung.<br />

Nun ist <strong>die</strong> Doktorarbeit geschrieben,<br />

verteidigt <strong>und</strong> publiziert. Obwohl<br />

der Weg dahin nicht einfach<br />

war, habe ich eine Menge gelernt.<br />

62 imdc04 2013


Max<br />

Der Abschluss <strong>die</strong>ser aufregenden Doktorandenzeit<br />

ver<strong>die</strong>nte definitiv eine<br />

schöne Zeremonie als Anerkennung.<br />

Darüber, wie solch eine Feierlichkeit<br />

aussehen sollte, machte ich mir<br />

mit den Koordinatoren der <strong>MDC</strong>-Graduiertenschulen<br />

Jana Droese, Michaela<br />

Herzig, Sabine Löwer <strong>und</strong> Annette<br />

Schledz sowie den PhD-Studentinnen<br />

Amal Alami <strong>und</strong> Douaa Mugahid Gedanken.<br />

Zusammen organisierten wir <strong>die</strong><br />

erste PhD-Graduiertenzeremonie am<br />

<strong>MDC</strong>, <strong>die</strong> am 7. Dezember 2012 stattfand.<br />

Den einstündigen Festakt eröffneten<br />

<strong>MDC</strong>-Direktor Walther Rosenthal<br />

<strong>und</strong> sein Stellvertreter Thomas Sommer<br />

mit einem Grußwort. Sie gratulierten<br />

den erfolgreichen Absolventinnen <strong>und</strong><br />

Absolventen <strong>und</strong> wünschten viel Erfolg<br />

beim nächsten Karriereschritt. Die<br />

anschließende Ansprache des preisgekrönten<br />

<strong>und</strong> rhetorisch begabten<br />

Hauptredners Gottfried „Jeff“ Schatz<br />

bildete nicht nur für mich den Höhepunkt<br />

der Feierlichkeit. Auf humorvolle<br />

<strong>und</strong> kritische Art beschrieb der<br />

Biochemiker seine Sichtweise auf <strong>die</strong><br />

Wissenschaft <strong>und</strong> <strong>die</strong> Wissenschaftler.<br />

Denn ein Wissenschaftler, so Jeff, beschäftige<br />

sich nicht mit Wissen, sondern<br />

mit Nichtwissen. Er gäbe sich nie<br />

zufrieden mit vorhandenen Dogmen,<br />

sondern versuche <strong>die</strong>se immer wieder<br />

in Frage zu stellen, um nach deren<br />

Beantwortung nur noch mehr Fragen<br />

aufzuwerfen. „Hör auf dein Herz!“,<br />

sagte Jeff. Ehrgeiz <strong>und</strong> Leistungsbereitschaft<br />

könnten uns zwar eine erfolgreiche<br />

Zukunft bringen, aber nur<br />

unser Herz könne uns sagen, welche<br />

Entscheidungen uns glücklich machen.<br />

Im Anschluss an den kräftigen Applaus<br />

für Jeffs Rede wurden <strong>die</strong> 20<br />

Absolventinnen <strong>und</strong> Absolventen auf<br />

<strong>die</strong> Bühne gebeten. Neben den Abschlusszertifikaten,<br />

überreicht von<br />

den Vorsitzenden der Graduiertenschulen<br />

Achim Leutz, Gary Lewin, Michael<br />

Gotthardt <strong>und</strong> Salim Seyfried, erhielten<br />

<strong>die</strong> Nachwuchswissenschaftler außerdem<br />

eine Sammlung von Jeffs Essays<br />

mit einer persönlichen Widmung.<br />

Ein Sektempfang mit leckeren<br />

Törtchen <strong>und</strong> einem Kuchen in<br />

Form eines Doktorhutes beendete <strong>die</strong><br />

Feierlichkeiten. Die Besucher hatten<br />

außerdem <strong>die</strong> Möglichkeit, aus persönlichen<br />

Fotos der Absolventen vom<br />

Tag ihrer Verteidigung, den schönsten<br />

Doktorandenhut zu wählen. Der Preis,<br />

der neue PhD-Comic-Kalender von Jorge<br />

Cham, ging an <strong>die</strong> AG Hübner, <strong>die</strong><br />

ihrer Doktorandin Katharina Grunz einen<br />

bunten, mit Eppis behangenen Hut<br />

gebastelt hatte. Die erste Graduiertenzeremonie<br />

wurde von allen Absolventen<br />

<strong>und</strong> Gästen begeistert aufgenommen.<br />

Für mich persönlich war sie ein<br />

gelungener Abschluss meiner Zeit als<br />

Doktorandin am <strong>MDC</strong>. Die nächste Graduiertenzeremonie<br />

findet am 6. Dezember<br />

2013 statt. Anregungen <strong>und</strong><br />

Anmeldungen werden vom Doktorandenbüro<br />

gerne entgegengenommen.<br />

Kristin Petzold<br />

Hatte nicht nur den schönsten,<br />

sondern auch den üppigsten<br />

Doktorhut: Absolventin<br />

Katharina Grunz.<br />

Die Promotion in der Tasche <strong>und</strong> <strong>die</strong><br />

Zukunft im Blick: Die Absolventinnen<br />

<strong>und</strong> Absolventen 2012.<br />

Fotos: David Ausserhofer<br />

imdc04 2013<br />

63


Campus<br />

Campus<br />

„Praktikant verschollen.<br />

Droht Magnet-Chaos“<br />

Comic Kunst am Bau erzählt<br />

erstaunliche Geschichte<br />

Ein Praktikant legt sich unbeobachtet<br />

in <strong>die</strong> Röhre eines Magnetresonanztomographen<br />

(MRT) <strong>und</strong> verschwindet<br />

darin spurlos. Wissenschaftler<br />

des Instituts versuchen ihn wiederzufinden.<br />

Sie stellen das Experiment<br />

mit einer Ratte nach. Auch sie<br />

taucht nicht wieder auf. Es zeigt sich,<br />

dass schon öfter Menschen im MRT<br />

verschwanden. Die Öffentlichkeit wird<br />

aufmerksam, Angehörige melden sich,<br />

Fernsehen <strong>und</strong> Zeitungen reißen sich<br />

um <strong>die</strong> Nachrichten. Die WILD-Zeitung<br />

titelt: „Praktikant verschollen. Droht<br />

Magnet-Chaos“<br />

Wenn Sie jetzt denken, das kann<br />

nicht sein, dann werfen Sie einen Blick<br />

in das MRT-Gebäude auf dem Campus.<br />

Die „W<strong>und</strong>erkiste“, <strong>die</strong> wir in der ersten<br />

Ausgabe unseres Mitarbeitermagazins<br />

imdc vorgestellt haben, ist<br />

nämlich seit vergangenem Jahr um<br />

ein W<strong>und</strong>er reicher: ein raumhoher,<br />

155 Meter langer <strong>und</strong> drei Geschosse<br />

Fotos: Robert Patz, Aljoscha Redenius<br />

64 imdc04 2013


Campus<br />

umschließender Comic erzählt dort<br />

<strong>die</strong> Geschichte des Praktikanten Felix<br />

Lehmann. Der Berliner Künstler<br />

Robert Patz gewann den Kunst am<br />

Bau-Wettbewerb für das Forschungsgebäude<br />

der Berlin Ultrahigh Field Facility<br />

(B.U.F.F.) <strong>und</strong> realisierte im Frühjahr<br />

2012 sein eigens für <strong>die</strong>sen Bau<br />

entwickeltes Kunstwerk: Die Graphic<br />

Novel mit dem Titel „Side Effects“<br />

spielt mit Science Fiction-Visionen<br />

von Teleportation <strong>und</strong> mit den Ängsten<br />

so manches Patienten, der jemals<br />

in einer MRT-Röhre untersucht wurde.<br />

Und sie erzählt, wie <strong>die</strong> Reaktionen<br />

auf so unerwartete Ereignisse in der<br />

Forscherwelt aussehen könnten. Patz<br />

stellt mit „Side Effects“ auf mehreren<br />

Ebenen einen inhaltlichen <strong>und</strong> ästhetischen<br />

Bezug zu dem Ort her, für den er<br />

das Kunstwerk entwickelt hat.<br />

Die Bildsprache des Comics ist stilisiert<br />

<strong>und</strong> der von Technik geprägten<br />

Umgebung angepasst. Die zurückgenommene<br />

Farbgebung in Grau <strong>und</strong><br />

zart-orangefarbenen Tönen berücksichtigt<br />

ihrerseits, dass das Kunstwerk<br />

sich in einem Raum für Patienten<br />

<strong>und</strong> an einem Arbeitsplatz befindet.<br />

Die Maschinenräume <strong>und</strong> Labore des<br />

B.U.F.F. sind im Comic unverkennbar<br />

abgebildet; <strong>die</strong> Geschichte spielt in<br />

genau der Maschine, <strong>die</strong> sich vor den<br />

Augen des Betrachters befindet. Auch<br />

was <strong>die</strong> Wahl des Materials angeht, hat<br />

Patz eine größtmögliche Verschmelzung<br />

von Ort <strong>und</strong> Kunstwerk erreicht.<br />

Der Comic ist auf einzelne Tapetenbahnen<br />

gedruckt, <strong>die</strong> in voller Höhe <strong>die</strong><br />

Flure des Gebäudes bekleiden. Auf den<br />

Tapetenbahnen sind Türen, Raumecken<br />

<strong>und</strong> bauliche Elemente wie Heizkörper<br />

berücksichtigt. Die Entscheidung des<br />

Künstlers (aber auch des Bauherrn),<br />

für eine Kunst am Bau das Medium Tapete<br />

zu wählen, ist gleichermaßen ungewöhnlich<br />

wie konsequent: Kunst <strong>und</strong><br />

Bau sind damit untrennbar miteinander<br />

verb<strong>und</strong>en. Und doch gibt es Grenzen<br />

bei der Verschmelzung: Die Feuermelder<br />

beispielsweise durften aus<br />

sicherheitstechnischen Gründen nicht<br />

in das optische Konzept integriert<br />

werden. Sie führen nun ein Eigenleben<br />

an den Wänden. Wie der Praktikant Felix<br />

Lehmann. vg<br />

imdc04 2013<br />

65


imdc04<br />

März 2013<br />

Deutsch

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