Zweiter Sieger an der Ems: Das Papenburg-Urteil des EuGH
Zweiter Sieger an der Ems: Das Papenburg-Urteil des EuGH
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Dr. Peter Szczekalla WS 2009/10<br />
Kolloquium zur Europäischen Rechtsprechung<br />
11. Sitzung am 20.01.2010<br />
<strong>Zweiter</strong> <strong>Sieger</strong> <strong>an</strong> <strong>der</strong> <strong>Ems</strong>: <strong>Das</strong> <strong>Papenburg</strong>-<strong>Urteil</strong> <strong>des</strong> <strong>EuGH</strong><br />
Die Stadt <strong>Papenburg</strong> ist eine Hafenstadt <strong>an</strong> <strong>der</strong> <strong>Ems</strong> in Nie<strong>der</strong>sachsen und St<strong>an</strong>dort einer<br />
Werft, die auch sehr große Schiffe baut und – einschließlich <strong>der</strong> Zulieferer – viele Arbeitsplätze<br />
sichert. Um die <strong>Ems</strong> zwischen <strong>der</strong> Werft und <strong>der</strong> Nordsee mit Schiffen mit einem<br />
Tiefg<strong>an</strong>g von 7,3 m befahren zu können, muss sie ständig durch „Bedarfsbaggerungen“<br />
vertieft werden. Durch einen Pl<strong>an</strong>feststellungsbeschluss <strong>der</strong> Wasser- und Schifffahrtsdirektion<br />
Nordwest vom 31.05.1994 wurde es <strong>der</strong> Stadt <strong>Papenburg</strong>, dem L<strong>an</strong>dkreis <strong>Ems</strong>l<strong>an</strong>d<br />
und dem Wasser- und Schifffahrtsamt Emden gestattet, den Fluss bei Bedarf auszubaggern.<br />
Dieser Beschluss ist best<strong>an</strong>dskräftig und bedeutet nach deutschem Recht, dass zukünftige<br />
„Bedarfsbaggerungen“ von vornherein als genehmigt gelten.<br />
Die Bun<strong>des</strong>republik Deutschl<strong>an</strong>d meldete am 17.02.2006 <strong>der</strong> Kommission flussabwärts<br />
vom Gemeindegebiet <strong>der</strong> Stadt <strong>Papenburg</strong> gelegene Teile <strong>der</strong> <strong>Ems</strong> unter <strong>der</strong> Bezeichnung<br />
„Unterems und Außenems“ als mögliches Gebiet von gemeinschaftlicher Bedeutung<br />
(GGB) im Sinne <strong>der</strong> Habitatrichtlinie (RL 92/43/EWG). Diese Teile <strong>der</strong> <strong>Ems</strong> wurden von<br />
<strong>der</strong> Kommission in ihren Entwurf einer Liste <strong>der</strong> GGB aufgenommen. Die Kommission bat<br />
die Bun<strong>des</strong>republik Deutschl<strong>an</strong>d, hierzu nach Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 1 <strong>der</strong> Habitatrichtlinie<br />
ihr Einvernehmen zu erteilen.<br />
Am 20.02.2008 erhob die Stadt <strong>Papenburg</strong> vor dem Verwaltungsgericht Oldenburg Klage,<br />
um zu verhin<strong>der</strong>n, dass die Bun<strong>des</strong>republik Deutschl<strong>an</strong>d ihr Einvernehmen erteilt. Sie<br />
macht geltend, dass ihr nach deutschem Verfassungsrecht bestehen<strong>des</strong> Recht auf Selbstverwaltung<br />
verletzt werde, wenn dieser Mitgliedstaat sein Einvernehmen erteile. Als Seehafen<br />
und Werftst<strong>an</strong>dort seien ihre Pl<strong>an</strong>ungen und Investitionen sowie ihre wirtschaftliche<br />
Entwicklung davon abhängig, dass die Befahrbarkeit <strong>der</strong> <strong>Ems</strong> mit großen Seeschiffen gesichert<br />
bleibe. Es sei zu befürchten, dass die Bedarfsbaggerungen hierfür bei einer Aufnahme<br />
<strong>der</strong> Unter- und Außenems in die Liste <strong>der</strong> GGB zukünftig in jedem Einzelfall einer<br />
Prüfung nach Art. 6 Abs. 3 und 4 <strong>der</strong> Habitatrichtlinie unterzogen werden müssten.<br />
Die Bun<strong>des</strong>republik Deutschl<strong>an</strong>d be<strong>an</strong>tragt die Abweisung <strong>der</strong> Klage. Sie ist <strong>der</strong> Ansicht,<br />
die Berücksichtigung <strong>der</strong> von <strong>der</strong> Stadt <strong>Papenburg</strong> geltend gemachten Interessen bei <strong>der</strong><br />
Entscheidung über das Einvernehmen würde Gemeinschaftsrecht verletzen. Der Mitgliedstaat<br />
dürfe nach Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 1 <strong>der</strong> Habitatrichtlinie allein <strong>an</strong>h<strong>an</strong>d naturschutzfachlicher<br />
Kriterien über sein Einvernehmen entscheiden.<br />
<strong>Das</strong> Verwaltungsgericht Oldenburg gab mit rechtskräftigem Beschluss vom 31. März 2008<br />
im Verfahren <strong>des</strong> vorläufigen Rechtsschutzes dem Antrag <strong>der</strong> Stadt <strong>Papenburg</strong> statt und<br />
untersagte <strong>der</strong> Bun<strong>des</strong>republik Deutschl<strong>an</strong>d, vor <strong>der</strong> Entscheidung im Hauptsacheverfahren<br />
ihr Einvernehmen zu erteilen. Es hat Zweifel <strong>an</strong> <strong>der</strong> Auslegung <strong>der</strong> gen<strong>an</strong>nten Vorschriften.<br />
1. Wie wird <strong>der</strong> <strong>EuGH</strong> entscheiden
Dr. Peter Szczekalla<br />
Kolloquium zur Europäischen<br />
Rechtsprechung WS 2009/10<br />
2. Prozessuale Zusatzfrage: Was k<strong>an</strong>n <strong>der</strong> Anwalt <strong>der</strong> Stadt <strong>Papenburg</strong> tun, wenn er<br />
nach den Schluss<strong>an</strong>trägen fürchten muss, dass das <strong>Urteil</strong> die Rechts- und Interessenposition<br />
<strong>der</strong> Stadt <strong>Papenburg</strong> – abgesehen von <strong>der</strong> <strong>an</strong>gegriffenen Gebietsmeldung<br />
– nachhaltig negativ verän<strong>der</strong>n wird<br />
Vertiefungshinweise (jew.m.w.N.):<br />
• <strong>EuGH</strong>, U.v. 14.01.2010 – Rs. C-226/08 (Stadt <strong>Papenburg</strong>/Bun<strong>des</strong>republik Deutschl<strong>an</strong>d)<br />
– DVBl 2010, H. 04 (2. Febuarheft – im Erscheinen) m.Anm. B. Stüer u.<br />
F. Gärditz – Gebietsmeldung und Best<strong>an</strong>dskraft;<br />
• B. Stüer, Baggern o<strong>der</strong> Stauen – <strong>Das</strong> <strong>Ems</strong>sperrwerk und die <strong>Papenburg</strong>er Oze<strong>an</strong>riesen,<br />
NdsVBl. 2009, 185 ff.;<br />
• B. Stüer, <strong>Das</strong> <strong>Ems</strong>sperrwerk, NdsVBl. 2000, 25 ff.<br />
Internet:<br />
http://www.eur.jura.uni-osnabrueck.de/Publik-PS.htm (Leitseite).<br />
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