Schwerpunkt: Funktionelle Lebensmittel ... - BMELV-Forschung

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Zoonosen Abb. 3: Ringförmige Hautrötung um einen Zeckenstich, die auf eine Infektion mit Borrelien hinweist. (Quelle: Ärzteblatt Thüringen 2006/6) M. Kaatz, Uni Jena Mittelwert liegt bei 15–20%, kann aber in manchen Zeckenpopulationen auch über 50% erreichen. Im Gegensatz zur regional begrenzt vorkommenden FSME ist die Borreliose überall, wo Ixodes ricinus auftritt, verbreitet. Borrelien werden in Mitteleuropa durch den Stich einer infizierten Zecke übertragen. Als Überträger fungieren wie bei FSME alle Entwicklungsstadien der Zecken. Das eigentliche Erregerreservoir in der Natur bilden Kleinsäuger und Vögel. In Europa kommen vier verschiedene Erreger der Lyme-Borreliose vor, Borrelia burgdorferi sensu stricto, B. afzelii, B. garinii und B. spielmanii, die unter dem Begriff Borrelia burgdorferi sensu lato (= im Abb. 4: FSME-Fälle in einigen europäischen Ländern. Die niedrigen Werte in Österreich sind ein Resultat des hohen Durchimpfungsgrades in der Bevölkerung von 90 %, der bisher in keinem anderen Land erreicht wird (* Daten für 2006 vorläufig). 1.200 1.000 38 800 600 400 200 10jähriges Mittel 1993–2002 2003 2004 2005 2006* 0 Deutschland Schweiz Österreich Tschechien Polen weiteren Sinne) zusammengefasst werden. In den USA tritt dagegen nur B. burgdorferi sensu stricto als einzige humanpathogene Spezies auf. Die Lyme-Borreliose kann bei Mensch und Tier zahlreiche Organe betreffen, zum Beispiel die Haut, das Nervensystem, die Gelenke oder das Herz. Bei Haus- und Nutztieren wie Pferd, Esel, Hund und Rind treten sowohl klinische Erkrankungen als auch gesunde, aber antikörper-positive Tiere auf. Kommt es beim Menschen nach einem Zeckenstich zur Infektion mit Borrelien, kann ab dem dritten Tag bis zu vier Wochen danach eine lokale Frühreaktion der Haut (sog. Phase 1) auftreten. Hierbei kommt es zu einer Rötung rund um die Einstichstelle, die als Erythema migrans oder „Wanderröte“ bezeichnet wird (Abb. 3). Schwieriger zu erkennen ist eine disseminierte Frühreaktion (Phase 2; disseminiert = verstreut). Sie ist ebenfalls schon wenige Tage nach der Infektion möglich und häufig von grippeähnlichen, relativ unspezifischen Symptomen begleitet. Beide Formen sind – wenn sie als solche erkannt werden – mit Antibiotika gut zu behandeln und heilen in der Regel vollständig aus. Wird die Borreliose in ihrer Frühform nicht erkannt und nicht oder nicht ausreichend lange (mindestens 21 Tage) behandelt, können nach Wochen bis Jahren als Spätfolge sehr unterschiedliche, schwerwiegende Organerkrankungen auftreten (Phase 3). Risiko einer Infektion steigt Durch Zecken übertragene Krankheiten nehmen in Deutschland wie in Europa zu (Abb. 4). Viele Faktoren werden dafür verantwortlich gemacht, unter anderem auch die globale Erwärmung, die den Zecken gerade im letzten Jahr eine sehr lange Aktivitätsphase auf Grund der milden Witterung bis in den Januar hinein bescherte. Doch auch völlig andere Faktoren, wie die zunehmenden Freizeitaktivitä- J. Süss, FLI FORSCHUNGSREPORT 1/2007

ten in Wald und Flur durch Wanderer, Jogger und Mountainbiker spielen eine Rolle. Selbst solche scheinbar nicht zusammengehörenden Probleme wie FSME, Lyme-Borreliose und höhere Energiepreise können eng verknüpft sein: Die vielfache Rückbesinnung auf Holz als heimischen Energieträger und die damit verbundene Arbeit im Wald gibt auch den Zecken häufiger Gelegenheit, den Menschen als Wirt für eine Blutmahlzeit anzutreffen. Die ökologisch sinnvolle Flurgestaltung mit dem Anlegen von Gehölzen und der Schaffung von Brachland sorgt neben dem Schutz vieler Tier- und Pflanzenarten auch für eine günstige Perspektive für die Zecken: Sie finden dort Kleinsäuger als Wirte und genügend Laub und Feuchtigkeit, um Hitze und Frost unbeschadet zu überstehen. Was können wir tun? Niemand sollte sich durch Zecken die Freude am Waldspaziergang verderben lassen. Entgegen einer weit verbreiteten Meinung lassen sich Zecken nicht von Bäumen auf ihren Wirt fallen, sondern lauern auf hohen Grashalmen oder an Zweigen von Gebüschen (Abb. 5). Zeckenabwehrende Mittel (Repellentien) können für einige Stunden vor einem Zeckenbefall schützen. Nach dem Aufenthalt in einem potenziellen Zeckengebiet sollte man den Körper und die Kleidung nach Zecken absuchen. Da die Tiere zunächst längere Zeit auf der Haut nach einer geeigneten Einstichstelle suchen, sind sie dann häufig noch nicht „angesogen“. Auch nach dem Einstich kommt es – insbesondere bei der Lyme-Borreliose, aber in geringerem Umfang auch bei FSME – erst einige Stunden später zur Übertragung der Erreger. Daher sollten auch angesogene Zecken so rasch wie möglich entfernt werden (Abb. 6). Bei der Zurückdrängung der FSME steht die Schutzimpfung im Vordergrund. In Risikogebieten ist FSME leicht zu vermeiden, wenn sich Personen, die mit höherer Wahrscheinlichkeit Zeckenstichen ausgesetzt sind, impfen lassen (vgl. Abb. 4). Es gibt gut verträgliche und wirksame Impfstoffe für Erwachsene und Kinder. Für Tiere zugelassene Impfstoffe existieren derzeit nicht. Nach Ausbruch einer FSME-Erkrankung ist nur noch eine Behandlung der Symptome möglich, nicht aber die Elimination der eigentlichen Ursache. Eine praktikable, effektive Schutzimpfung gegen die Lyme-Borreliose steht trotz intensiver Forschung gegenwärtig und auch auf mittlere Sicht nicht zur Verfügung. Abb. 5: „Blumenwiese“, ein typisches Zeckenbiotop: Je artenreicher eine solche Wiese ist, umso mehr Samen verschiedener Gräser werden produziert. Diese bilden eine Nahrungsquelle für Mäuse, die die Zecken „mitbringen“ Zoonosen Bei sicherer und rechtzeitiger klinischer und serologischer Diagnostik der Lyme-Borreliose stehen allerdings die Chancen für eine erfolgreiche Therapie mit vollständiger Heilung gut, zumal bei den Erregern bisher keine Antibiotika-Resistenzen beobachtet wurden. Nur eine zu spät diagnostizierte oder unerkannte Borreliose sowie eine fehlende oder halbherzige Antibiotikatherapie kann zu einer chronischen Erkrankung führen. Offene Fragen Zecken und die durch sie übertragenen Krankheiten geben noch viele Rätsel auf. Was sind letztlich die Ursachen für die Ausbreitung in Richtung Norden? Wieso werden Zeckenarten in unseren Breitengraden heimisch, die zuvor allenfalls am Mittelmeer anzutreffen waren? Warum sind Zecken an manchen Stellen in Massen vorhanden, wenige Meter weiter bei vergleichbaren Umweltbedingungen jedoch nicht mehr? Seit 2004 arbeitet das Nationale Referenzlabor für durch Zecken übertragene Krankheiten am Friedrich-Loeffler-Institut in Jena an vielen dieser Fragen.Alle zwei Jahre werden vom Referenzlabor Wissenschaftler, die sich weltweit mit ähnlichen Fragen befassen, zu einem internationalen Symposium nach Jena eingeladen. In diesem Jahr stand vom 15.–17. März das Thema „Klimatische Veränderungen“ im Mittelpunkt der wissenschaftlichen Diskussionen. ■ PD Dr. Jochen Süss und Dr. Christine Klaus, Friedrich- Loeffler-Institut, Institut für bakterielle Infektionen und Zoonosen, Naumburger Str. 96a, 07743 Jena. E-Mail: jochen.suess@fli.bund.de, christine.klaus@fli.bund.de. Abb. 6: Fachgerechtes Entfernen einer angesogenen Zecke: Man fasst die Zecke so hautnah wie möglich mit einer gut schließenden Stahlpinzette und zieht sie aus dem Stichkanal heraus. Dabei ist das Drehen nach links oder rechts nicht nötig. (www.zecken.de) 1/2007 FORSCHUNGSREPORT 39 W. Maginot, FLI

ten in Wald und Flur durch Wanderer, Jogger und Mountainbiker<br />

spielen eine Rolle. Selbst solche scheinbar nicht zusammengehörenden<br />

Probleme wie FSME, Lyme-Borreliose und höhere Energiepreise<br />

können eng verknüpft sein: Die vielfache Rückbesinnung auf Holz als<br />

heimischen Energieträger und die damit verbundene Arbeit im Wald<br />

gibt auch den Zecken häufiger Gelegenheit, den Menschen als Wirt<br />

für eine Blutmahlzeit anzutreffen. Die ökologisch sinnvolle Flurgestaltung<br />

mit dem Anlegen von Gehölzen und der Schaffung von<br />

Brachland sorgt neben dem Schutz vieler Tier- und Pflanzenarten<br />

auch für eine günstige Perspektive für die Zecken: Sie finden dort<br />

Kleinsäuger als Wirte und genügend Laub und Feuchtigkeit, um Hitze<br />

und Frost unbeschadet zu überstehen.<br />

Was können wir tun?<br />

Niemand sollte sich durch Zecken die Freude am Waldspaziergang<br />

verderben lassen. Entgegen einer weit verbreiteten Meinung lassen<br />

sich Zecken nicht von Bäumen auf ihren Wirt fallen, sondern lauern<br />

auf hohen Grashalmen oder an Zweigen von Gebüschen (Abb. 5).<br />

Zeckenabwehrende Mittel (Repellentien) können für einige Stunden<br />

vor einem Zeckenbefall schützen.<br />

Nach dem Aufenthalt in einem potenziellen Zeckengebiet sollte man<br />

den Körper und die Kleidung nach Zecken absuchen. Da die Tiere zunächst<br />

längere Zeit auf der Haut nach einer geeigneten Einstichstelle<br />

suchen, sind sie dann häufig noch nicht „angesogen“. Auch nach<br />

dem Einstich kommt es – insbesondere bei der Lyme-Borreliose, aber<br />

in geringerem Umfang auch bei FSME – erst einige Stunden später<br />

zur Übertragung der Erreger. Daher sollten auch angesogene Zecken<br />

so rasch wie möglich entfernt werden (Abb. 6).<br />

Bei der Zurückdrängung der FSME steht die Schutzimpfung im Vordergrund.<br />

In Risikogebieten ist FSME leicht zu vermeiden, wenn sich<br />

Personen, die mit höherer Wahrscheinlichkeit Zeckenstichen ausgesetzt<br />

sind, impfen lassen (vgl. Abb. 4). Es gibt gut verträgliche und<br />

wirksame Impfstoffe für Erwachsene und Kinder. Für Tiere zugelassene<br />

Impfstoffe existieren derzeit nicht. Nach Ausbruch<br />

einer FSME-Erkrankung ist nur noch eine Behandlung<br />

der Symptome möglich, nicht aber die Elimination<br />

der eigentlichen Ursache.<br />

Eine praktikable, effektive Schutzimpfung gegen die<br />

Lyme-Borreliose steht trotz intensiver <strong>Forschung</strong><br />

gegenwärtig und auch auf mittlere Sicht nicht zur<br />

Verfügung.<br />

Abb. 5: „Blumenwiese“, ein typisches Zeckenbiotop:<br />

Je artenreicher eine solche Wiese ist, umso mehr<br />

Samen verschiedener Gräser werden produziert.<br />

Diese bilden eine Nahrungsquelle für Mäuse, die<br />

die Zecken „mitbringen“<br />

Zoonosen<br />

Bei sicherer und rechtzeitiger klinischer und serologischer Diagnostik<br />

der Lyme-Borreliose stehen allerdings die Chancen für eine erfolgreiche<br />

Therapie mit vollständiger Heilung gut, zumal bei den Erregern<br />

bisher keine Antibiotika-Resistenzen beobachtet wurden. Nur eine<br />

zu spät diagnostizierte oder unerkannte Borreliose sowie eine fehlende<br />

oder halbherzige Antibiotikatherapie kann zu einer chronischen<br />

Erkrankung führen.<br />

Offene Fragen<br />

Zecken und die durch sie übertragenen Krankheiten geben noch viele<br />

Rätsel auf. Was sind letztlich die Ursachen für die Ausbreitung in<br />

Richtung Norden? Wieso werden Zeckenarten in unseren Breitengraden<br />

heimisch, die zuvor allenfalls am Mittelmeer anzutreffen waren?<br />

Warum sind Zecken an manchen Stellen in Massen vorhanden, wenige<br />

Meter weiter bei vergleichbaren Umweltbedingungen jedoch<br />

nicht mehr?<br />

Seit 2004 arbeitet das Nationale Referenzlabor für durch Zecken<br />

übertragene Krankheiten am Friedrich-Loeffler-Institut in Jena an<br />

vielen dieser Fragen.Alle zwei Jahre werden vom Referenzlabor Wissenschaftler,<br />

die sich weltweit mit ähnlichen Fragen befassen, zu einem<br />

internationalen Symposium nach Jena eingeladen. In diesem<br />

Jahr stand vom 15.–17. März das Thema „Klimatische Veränderungen“<br />

im Mittelpunkt der wissenschaftlichen Diskussionen. ■<br />

PD Dr. Jochen Süss und<br />

Dr. Christine Klaus, Friedrich-<br />

Loeffler-Institut, Institut für bakterielle Infektionen und<br />

Zoonosen, Naumburger Str. 96a, 07743 Jena.<br />

E-Mail: jochen.suess@fli.bund.de,<br />

christine.klaus@fli.bund.de.<br />

Abb. 6: Fachgerechtes Entfernen einer<br />

angesogenen Zecke:<br />

Man fasst die Zecke so hautnah<br />

wie möglich mit einer gut<br />

schließenden Stahlpinzette<br />

und zieht sie aus dem Stichkanal<br />

heraus. Dabei ist das<br />

Drehen nach links oder<br />

rechts nicht nötig.<br />

(www.zecken.de)<br />

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