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Download - juridikum, zeitschrift für kritik | recht | gesellschaft

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Merkwürdig<br />

Grenzgänger<br />

Wien. (mw) Der sich gegen den<br />

damals beginnenden Bundesheergrenzeinsatz<br />

richtende Protestmarsch<br />

vom 9. 9. 1990 (wir<br />

berichteten darüber im JURIDI­<br />

KUM 4/90) hat nun mit einem<br />

VfGH-Erkenntnis seinen <strong>recht</strong>lichen<br />

Abschluß gefunden. Der<br />

Sachverhalt in Kürze: Die am<br />

Weg zur ungarischen Grenze befindliche<br />

Demonstration wurde<br />

von Bezirkshauptmannstellvertreter<br />

Dr. Gold als un<strong>recht</strong>mäßig<br />

erklärt. Er stützte sich dabei auf<br />

den (besonders Aktivistinnen)<br />

sattsam bekannten Art. 11 § 4<br />

Abs.2 Verfassungs-Überleitungs­<br />

G 1929, nach dem zum Schutz<br />

der körperlichen Sicherheit von<br />

Menschen und zum Schutz des<br />

Eigentums Dritter individuelle<br />

als auch generelle Anordnungen<br />

erlassen werden können.<br />

Der VfGH entschied, daß<br />

die BeschwerdeführerInnen dadurch<br />

weder in einem verfassungsmäßig<br />

gewährleistetem<br />

Recht, noch durch die Anwendung<br />

einer <strong>recht</strong>swidrigen generellen<br />

Norm in Rechten verletzt<br />

worden wären. Unter Gefahr für<br />

das Eigentum sei die Brandgefahr<br />

hinsichtlich der riesigen<br />

und staubtrockenen Maisfelder<br />

entlang des Weges zu verstehen.<br />

Schon durch eine achtlos weggeworfene<br />

Zigarette hätte eine<br />

Feuersbrunst hervorgerufen<br />

werden können. (Mindestens!)<br />

Die Gefahr für Personen habe<br />

im Beschießen eines Militärhubschraubers<br />

mit "Explosionsgeschossen<br />

" bestanden (Angabe<br />

BH Neusiedl).<br />

Dr. Gold vergaloppierte<br />

sich dann aber eindeutig, als er,<br />

nachdem die DemonstrantInnen<br />

den Ort der Handlung verlassen<br />

und sich wieder zu ihrem Bus<br />

begeben hatten, die Anweisung<br />

erteilte, den Bus zu besteigen<br />

und damit nach Wien zu fahren.<br />

Der VfGH wertete dies als sofortige<br />

Befolgung erheischende Befehle,<br />

bei deren Mißachtung mit<br />

Ausübung von körperlichem<br />

Zwang durch die anwesenden<br />

Gendarmen zu rechnen gewesen<br />

wäre. Dies und die daraufhin<br />

folgende zwangsweise Eskortierung<br />

des Buses nach Wien verletzte,<br />

so der VfGH, die Beschwerdeführerlnnen<br />

in ihrem<br />

verfassungsmäßig gewährleisteten<br />

Recht auf persönliche Freiheit.<br />

Allen verordnungswütigen<br />

Bezirkshauptleuten und StellvertreterInnen<br />

ins Stammbuch<br />

geschrieben: Net seid's deppert.<br />

Justizgroteske 11<br />

Wien. (red) Der Prozeß gegen<br />

Michael Genner wurde am 10.<br />

September 1992 im Wiener Landesgericht<br />

fortgesetzt - und neuerlich<br />

vertagt. Genner hatte im<br />

September 1990 die Soldaten an<br />

der "Ostfront", die der Herr L. -<br />

zur Jagd auf wehrlose Menschen<br />

mißbraucht, zur Befehlsverweigerung<br />

aufgerufen. In der ersten<br />

Verhandlung, die bereits am 15.<br />

Mai 1991 stattfand, berief sich<br />

Genner auf die allgemein<br />

bekannte Tatsache, daß Ungarn<br />

(das angeblich "sichere" Drittland,<br />

aus dem die Flüchtlinge<br />

nach Österreich kommen) die<br />

Genfer Konvention mit Europa­<br />

Vorbehalt unterschrieben hat:<br />

also nicht für Flüchtlinge aus der<br />

Dritten Welt. Die Richterin Dr.<br />

Ulrike Psenner hatte daraufhin<br />

beim Außenministerium angefragt,<br />

ob das richtig sei. Nach<br />

langer Zeit hat das Außenamt<br />

geantwortet - nur leider war die<br />

Auskunft falsch: Das Außenamt<br />

behauptete, Ungarn hätte die<br />

Konvention ohne Vorbehalt unterschrieben!<br />

Genner fragte<br />

beim UNO-Hochkommissariat<br />

an, das binnen zweier Tage den<br />

Sachverhalt klarstellte: natürlich<br />

mit Vorbehalt! Der für 14. Mai<br />

1992 angesetzte Prozeß wurde<br />

neuerlich vertagt (JURIDIKUM<br />

3/92). Genner befand sich in der<br />

merkwürdigen Lage, etwas beweisen<br />

zu müssen, was jeder'<br />

weiß, der einigermaßen mit<br />

Asylfragen vertraut ist. Er verfaßte<br />

eine ausführliche Verteidigungsschrift,<br />

der er die Stellungnahme<br />

des UNO-Hochkammissariates<br />

beilegte. In dem<br />

Schreiben des UNO-Hochkommissariates<br />

heißt es: "Diese Erklärung<br />

Ungarns bedeutet mit<br />

anderen Worten, daß Ungarn die<br />

Bestimmungen des Abkommens<br />

und des Protokolls lediglich auf<br />

Flüchtlinge aus europäischen<br />

Staaten anwendet. Daraus folgt<br />

auch, daß Ungarn (...) keine völ-.<br />

ker<strong>recht</strong>lichen Verpflichtungen<br />

gegenüber Flüchtlingen aus l<br />

nicht-europäischen Staaten ein"',<br />

gegangen ist. "<br />

Als Genner zwei Wochen<br />

vor dem neuen Verhandlungstermin<br />

Akteneinsicht nahm,<br />

stellte er mit Erstaunen fest, daß<br />

sein Schriftsatz und der Brief<br />

des UNO-Hochkommissariats<br />

nicht im Akt waren. Obwohl er<br />

beides am 20.Mai eingeschrieben<br />

ans Gericht geschickt hatte.<br />

Drei Monate später war das Kuvert<br />

noch nicht dort eingelangt!<br />

Ein neues groteskes Detail. Bis<br />

heute ist nicht klar, ob es sich<br />

nur um Schlamperei in der Justizbürokratie<br />

handelte, oder ob<br />

jemand daran interessiert war,<br />

die (für das Außenamt wie auch<br />

für Herrn L. so peinliche) Erklärung<br />

des UNO-Hochkommissariats<br />

einfach verschwinden<br />

zu lassen. Mit untauglichen Mitteln,<br />

versteht sich: denn Genner<br />

besaß natürlich eine Fotokopie,<br />

die er nun dem Gericht eigenhändig<br />

überbrachte ...<br />

In der Hauptverhandlung<br />

am 10. September legte Genner<br />

ausführlich seine Beweggründe<br />

dar: welche Hoffnungen zunächst<br />

mit der Einrichtung des<br />

Flughafen-Sozialdienstes verqunden<br />

waren; wie dann aber die<br />

Arbeit der Flüchtlingsbefreuer<br />

mehr und mehr von den Behörden<br />

behindert und sabotiert, das<br />

Recht auf Asyl durch st~ndig<br />

neue Erlässe und Gesetzesänderungen<br />

ausgehöhlt -irurde.Unter<br />

den Flüchtlingen, die über<br />

Schwechat nach Österreich kamen,<br />

stellten ursprünglich die<br />

Kurden aus der Türkei den:<br />

größten Anteil. Seit Herr L. arfi<br />

15. 1. 1990 die Visumpflicht verhängte<br />

- kein einziger mehr. Sie<br />

mußten nun den schwierigeren,<br />

gefährlicheren Landweg gehen.<br />

14. März 1990 - die Novelle zum<br />

Asyl<strong>recht</strong>: Gate-check. Vorprüfung<br />

am Flughafen. Am Tag danach,<br />

15. März: Der Versuch, eine<br />

libanesische Familie abzu-<br />

ALLES KLAR<br />

WIR BEANTWORTEN IHRE FRAGEN ZUM STUDIUM<br />

. ~r .<br />

.<br />

BUNDESMINISTERIUM FÜR WISSENSCHAFT UND FORSCHUNG<br />

ABTEILUNG I/B/14,· POSTFACH 104 ·1014 WIEN ~ 0222153120-0

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