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Download - juridikum, zeitschrift für kritik | recht | gesellschaft

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Studium & Beruf<br />

WEIßLICHE EXISTENZ UND IDENTITÄT:<br />

Titellos<br />

keine Kann-Bestimmung), die Debatten anläßlich<br />

der B-VG-Novelle 1988 und verschiedene<br />

einfachgesetzliche Adaptierungen<br />

an geänderte GleichheitsvorsteIlungen.<br />

mund wie darauf<br />

reagiert wird<br />

Das Motto der folgenden<br />

Geschichte: Frau hat Recht<br />

studiert, um Recht zu bekommen<br />

oder Rechtsanwendung<br />

in eigener Sache.<br />

Hat Frau sich selbst über die Runden gerettet<br />

und trotz eines hinter sich gebrachten<br />

Studiums der Rechtswissenschaften ihr<br />

feministisches Bewußtsein auf<strong>recht</strong>zuhalten<br />

vermocht, trabt sie nunmehr mit mehr oder<br />

weniger stolzgeschwellter Brust aufs Dekanat,<br />

um dort zur Sponsion zur Magistra anzusuchen.<br />

Nach einigem Ringen gelingt es,<br />

diesen Antrag auch einzubringen. Ringen<br />

nicht mit sich selbst, sondern mit dem Dekanatspersonal,<br />

weil Anträge bekanntlich ja<br />

erst einmal entgegengenommen werden<br />

müssen - eine Aufgabe, die selbst am Juridicum<br />

so leicht nicht ist, weil frau nicht beantragen<br />

kann, "was es gar nicht gibt"(!).<br />

Im Frühjahr 1992: Nadja Lorenz und<br />

Eva Plaz stellen am Juridicum Wien den Antrag<br />

auf Verleihung der Magistra. Abweisung<br />

in erster Instanz durch das Fakultätskollegium:<br />

"Ist vom Gesetz nicht vorgesehen - gibt<br />

es nicht." Berufung an den Akademischen<br />

Senat - wir sind der Auffassung, die Magistra<br />

gibt es doch und wenn nicht, ist es höchste<br />

Zeit. Abweisender Bescheid in zweiter und<br />

letzter Instanz.<br />

Ursula Koller stellt im Juni einen<br />

gleichlautenden Antrag in Innsbruck. Ihrem<br />

Antrag wird in erster Instanz vollinhaltlich<br />

stattgegeben. Sie kann sich zur Magistra<br />

sponsieren lassen. Mitspielen darf sie jetzt<br />

nicht weiter.<br />

Sommer 1992: N adja Lorenz und Eva<br />

Plaz, vertreten durch Rechtsanwältin Vera<br />

Scheiber, begehren eine Entscheidung des<br />

Verfassungsgerichtshofes.<br />

Herbst 1992: Nadja Lorenz will bei einem<br />

Anwalt zu arbeiten beginnen. Dafür<br />

benötigt sie eine Legitimationsurkunde<br />

(LU) der Rechtsanwaltskammer. Dazu ist<br />

gemäß Zivilprozeßordnung der akademische<br />

Grad des Magister iuris vonnöten. Diesen<br />

hat sie bekanntlich nicht.<br />

Wie es begründet •••<br />

Wir meinen, daß § 35 Allgemeines Hochschulstudiengesetz<br />

(AHStG) im Sinne des<br />

Seite 44<br />

Gleichheitssatzes (Art. 7(1) B-VG) verfassungskonform<br />

zu interpretieren ist. Jede/r<br />

hat Anspruch auf einen das Geschlecht zum<br />

Ausdruck bringenden Titel. Der Akademische<br />

Senat ist anderer Auffassung: § 35<br />

AHStG ermögliche keine Verleihung des<br />

akademischen Grades in der weiblichen<br />

Form. Unter dem Begriff "Titel" im durch<br />

die B-VG-Novelle 1988 eingefügten Art. 7<br />

(3) seien nur Amtstitel und Berufsbezeichnungen,<br />

nicht jedoch akademische Grade zu<br />

verstehen. Die Gesetzgebung sähe somit ge-<br />

Kastrationsangst<br />

schlechtsspezifische Unterscheidungen (nur)<br />

bei Amtsbezeichnungen, Amtstiteln und<br />

Funktionsbezeichnungen vor. Die Inhaberin<br />

eines akademischen Grades habe als solche<br />

keine Funktion und kein Amt inne. Eine<br />

analoge Anwendung des Art. 7 (3) B-VG<br />

auch auf die Benennung von akademischen<br />

Graden scheine (sic!) nicht im Willen der<br />

Verfassungsgesetzgebung gelegen zu sein.<br />

Dazu Vera Scheiber in der VfGH-Beschwerde:<br />

"Es mutet nachgerade grotesk an,<br />

daß die belangte Behörde Art. 7 (3) B-VG<br />

»als Ausnahmcbestimmung eng interpretiert«,<br />

im Wege des e contrario-Schlusses einen<br />

inhaltlichen Gegensatz zwischen Art. 7<br />

(1) und (3) B-VG konstruiert und dergestalt<br />

der in Art. 7 (3) B-VG ausdrücklich angeordneten<br />

sprachlichen Gleichbehandlung von<br />

Frauen sofort eine Grenze ziehen will."<br />

In der Beschwerde wird verfassungskonforme<br />

Interpretation des § 35 AHStG releviert,<br />

in eventu die Verletzung von Rechten<br />

durch Anwendung eines Gesetzes mit<br />

gleichheitswidrigem Inhalt geltend gemacht.<br />

Überdies wird die Entwicklung der<br />

sprachlichen Gleichbehandlung in den gesetzgebenden<br />

Körperschaften dargestellt. So<br />

zum Beispiel die Diskussion anläßlich der<br />

Einführung der Bundesrätin (§ 1 GO-BR ist<br />

JURIDIKUM<br />

Manche finden, es sei eine gute Sache. Manche<br />

halten es für unproblematisch (Schuppich<br />

im Standard vom 25. 7. 1992: " Wenn<br />

die weiblichen Kolleginnen das wollen ... ").<br />

Manche finden es überflüssig, halten es sogar<br />

für eine formaljuristische Spielerei, die in<br />

ihrer Aufgeblasenheit in keinem Bezug zur<br />

Bedeutungslosigkeit des Themas stehe. Oft<br />

scheinen auch diejenigen, die unserem Begehren<br />

seine Relevanz absprechen wollen,<br />

die zu sein, die es gleichzeitig für eine Zumutung<br />

halten. Die Argumentation lautet<br />

wie altbekannt: Die Frauen sollen sich nicht<br />

aufregen, sie sind doch immer und überall<br />

selbstverständlich mitgemeint; sie sind Studenten,<br />

Schriftführer, Richter, Staatsbürger<br />

(siehe Art. 7 B-VG), (Putz- und Hausfrauen)<br />

- Menschen eben.<br />

Dem Argument, der Titel Magister sei<br />

"geschlechtsneutral ", kann selbst bei geringen<br />

Kenntnissen der lateinischen Sprache<br />

nicht gefolgt werden. Auch die deutsche<br />

Sprache kennt weibliches und männliches<br />

Geschlecht. Sie kennt Studentinnen, Schriftführerinnen,<br />

Richterinnen etc. Eine uns<br />

nachvollziehbare Erklärung, warum wir nicht<br />

so benannt werden sollten, wurde uns bisher<br />

nicht geboten.<br />

Es ist eine Provokation, nicht als die angesprochen<br />

zu werden, die wir sind - Frauen<br />

eben. Die Sprachwissenschaftlerin Ruth Wodak<br />

formuliert, wie folgt: "Da es im öffentlichen<br />

und beruflichen Leben immer mehr<br />

Frauen gibt und geben soll, ist es höchste<br />

Zeit, sie auch zu benennen, sie sprachlich<br />

sichtbar zu machen. Einmal vorhanden und<br />

verankert, können Frauen weder sprachlich<br />

noch "in natura« wieder so leicht verdrängt<br />

werden."<br />

Durch die beharrliche Verweigerung<br />

weiblicher sprachlicher Formen wird bewußt<br />

und unbewußt in der Tradition der Jahrhunderte<br />

weiterhin Leugnung weiblicher Existenz<br />

und Identität betrieben. )lt:roFA'~.t:~1F.!<br />

Art. 7 (1) B -VG: Alle Staatsbürger sind vor dem<br />

Gesetz gleich. Vor<strong>recht</strong>e der Geburt, des Geschlechtes<br />

... sind ausgeschlossen.<br />

Art. 7 (3) B-VG: Amtsbezeichnungen kiinnen in<br />

der Form verwendet werden, die das Geschlecht<br />

des Amtsinhabers oder der Amtsinhaberin zum<br />

Ausdruck bringen. Gleiches gilt für Titel.<br />

§ 1 (1) GO-BR: Die Mitglieder des Bundesrates<br />

... führen als solche den Titel "Bundesrat" bzw.<br />

"Bundesrätin" ...<br />

§ 35 (1) AHStG: Die Diplomgrade haben "Magister"<br />

... zu lauten.<br />

Nadja Lorenz, Juristin und titellos.<br />

Eva Plaz, Juristin und titel los.<br />

NI" 4/92

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