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Download - juridikum, zeitschrift für kritik | recht | gesellschaft

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Studium & Beruf<br />

NACHDENKLICHKElTEN AUS GEGEBENEM AN LAß<br />

Universität<br />

und Gesellschaft<br />

Die Diskussion über eine<br />

(große) Universitätsreform<br />

in Österreich ist bisher<br />

weitgehend aus einem<br />

Blickwinkel geführt worden,<br />

aus dem vor allem<br />

<strong>recht</strong>liche, wirtschaftliche<br />

und bürokratische Argumente<br />

ins Blickfeld gerieten;<br />

Überlegungen zu Bedingungen<br />

und Möglichkeiten<br />

der Demokratiekultur,<br />

zum Verhältnis zwischen<br />

Wissenschaft und<br />

Politik, zur Aufgabe der<br />

Wissenschaften für die Zukunft<br />

sind demgegenüber<br />

zu kurz gekommen.<br />

Diese Tatsache ist zugleich ein Indiz für die<br />

hastige Form der Abwicklung, an der die Beteiligten<br />

in verschiedenster Weise Verantwortung<br />

tragen, und die natürlich - man<br />

möchte fast sagen: "Dem Zeitgeist entsprechend"<br />

- einer Flut von Schlagworten wie<br />

effizientes Management, Trennung von<br />

Lehre und Forschung etc. Vorschub geleistet<br />

hat. Damit sind wir im Verständnis der<br />

Rolle der Wissenschaften und ihres schwierigen<br />

Verhältnisses zu anderen Bereichen der<br />

Gesellschaft hinter jene Standards zurückgefallen,<br />

die bei ähnlichen Anlässen in diesem<br />

Jahrhundert Sprecher in eigener Sache wie<br />

K. Mannheim, A. Portmann oder H. Schelsky<br />

gefordert hatten. Diesem Manko ist auch<br />

an dieser Stelle nicht abzuhelfen, es soll nur<br />

der Blick auf einige Aufgaben gelenkt werden,<br />

deren Bewältigung uns auch nach der<br />

Reform in Permanenz abgefordert werden<br />

wird. Einige dieser Aufgaben lassen sich im<br />

Lichte dreier Prinzipien umreißen: Wissen-<br />

Seite 42<br />

schaft trägt Verantwortung für die humanitäre<br />

Gestaltung des <strong>gesellschaft</strong>lichen Entwicklungsprozesses,<br />

sie ist Rechenschaft<br />

über die Bedingungen ihrer eigenen Weiterentwicklung<br />

schuldig und sie trägt Mitverantwortung<br />

für die Demokratisierung der<br />

Universitäten und die Politisierung der Wissenschaften.<br />

Demokratisierung •••<br />

An den Anfang einer Reformdiskussion hätte<br />

eine subtile und mit Bedacht dutchgeführte<br />

(und vielfach ja geforderte) Problemanalyse<br />

treten müssen, in der eine systematische<br />

Reflexion über die Fragen, was Demokratisierung<br />

der Universität und Politisierung<br />

der Wissenschaft bedeute, ihren zentralen<br />

Ort finden kann.<br />

Hier läßt sich mit einer trivialen Überlegung<br />

beginnen: Der Verwissenschaftlichung<br />

der Berufs- und Arbeitswelt korrespondiert<br />

eine Ver<strong>gesellschaft</strong>ung der in<br />

den Universitäten organisierten Forschung<br />

und Lehre.<br />

Die Stabilität und Entwicklung fast der<br />

meisten <strong>gesellschaft</strong>lichen Bereiche ist immer<br />

mehr von den in den Universitäten erzeugten<br />

beruflichen Qualifikationen und<br />

Forschungsresultaten abhängig geworden;<br />

Forschung und Lehre sind von öffentlichen<br />

und privatwirtschaftlichen Instanzen durch<br />

Finanzierung und Sach- sowie Qualitätsanforderungen<br />

abhängig geworden. Das alte<br />

Modell individueller Gelehrsamkeit, einer<br />

Einheit von Lehrenden und Lernenden in<br />

völliger Autonomie geleitet von einem reinen<br />

Bildungsideal, ist heute nur noch Fiktion.<br />

Wir haben daher davon auszugehen, daß<br />

<strong>gesellschaft</strong>liche Interessensgruppen in geeigneter,<br />

sach- und verfahrensangemessener<br />

Weise die Universitäten mit ihren Ansprüchen<br />

und Wünschen konfrontieren und<br />

daß universitäre Interessensgruppen ihre<br />

Anliegen und Grundsätze geeignet geltend<br />

machen können müssen.<br />

Wie immer nun die formalen Regelungen<br />

beschaffen sein mögen: Die Universitäten<br />

müssen in Stand gesetzt werden, in geseIlschaftspolitisch<br />

folgenreichen Fragen<br />

ihren politischen Willen zu bilden. Auch die<br />

Universitäten der Zukunft können - selbst<br />

JURIDIKUM<br />

wenn sie dem Charakter von Fachhochschulen<br />

nicht völlig entgehen können sollten -<br />

keine Produktionsstätten sein, in denen sich<br />

Politik und Wirtschaft der Qualifikationen<br />

und Expertisen bedienen, ohne ein Recht<br />

auf Mitsprache über Bedarf und Verwendung<br />

einzuräumen. Daß dies grundlegender<br />

Lernprozesse bedarf, steht außer Frage. Unter<br />

den gegenwärtigen Bedingungen heißt<br />

dies aber, daß ein Demokratisierungsprozeß<br />

jene Bedingungen schon voraussetzt, unter<br />

denen Universitäten sich als politisch handlungsfähige<br />

Einheiten entwickeln können.<br />

Mindestens eine klare Trennung zwischen<br />

Verwaltung und im engeren Sinn hochschulpolitischen<br />

Entscheidungen - über das Universitätsorganisationsgesetz<br />

(UOG) hinaus -<br />

wäre eine notwendige Voraussetzung. Auch<br />

hochschulpolitische Fragen gehören nach<br />

den Regeln einer aufgeklärten politischen<br />

Willensbildung behandelt (Berufungen,<br />

Stellen(wieder)besetzungen, Einsatz von<br />

Forschungsmitteln, Gestaltung von Lehrplänen,<br />

Angebote in Lehre und Forschung<br />

etc.).<br />

••• und Politisierung, •••<br />

Der Sache dienlich wäre hier eine klarere<br />

und umfangreichere Einbeziehung aller an<br />

Lehr- und Forschungsprozessen beteiligten<br />

Gruppen; durch das UOG ist gegenüber<br />

früher viel erreicht worden, das Reformkonzept<br />

birgt die Gefahr eines Rückschrittes. Es<br />

sollte zu einer selbstverständlichen Vorstel-<br />

1ung werden, daß es in den Universitäten<br />

verschiedene, positions gebundene Interessen<br />

gibt, die nur durch geregelte Konfliktlösung<br />

mit gleichen Durchsetzungschancen<br />

zum Zug kommen können. Studierende und<br />

z. T. auch Assistentlnnen haben keine oder<br />

nur in geringerem Maße langfristige Positionsinteressen,<br />

umgekehrt sind letztere nicht<br />

reine Willkür, sondern funktional ge<strong>recht</strong>fertigt.<br />

Anzustreben sind jedenfalls die Legitimation<br />

von Beschlüssen (im adminstrativen<br />

und im hochschulpolitischen Bereich) und<br />

die . Kontrolle von deren Ausführung, die<br />

Transparenz der Willensbildung und eine<br />

möglichst unbefangene Thematisierung aller<br />

anstehenden Fragen. Das Prinzip der Freiheit<br />

von Forschung und Lehre gilt innerhalb<br />

der Universität für alle und nach außen ohne<br />

Vorbehalt gegenüber wissenschaftspolitischen<br />

Vorgaben.<br />

... oder doch nur<br />

Quarantänestation<br />

Daß die Realisierung solcher Vorstellungen<br />

Schwierigkeiten macht, ist bekannt. Es gilt<br />

jedoch auch, sich folgendes bewußt zu halten:<br />

Im Verhältnis zwischen einer gedachten<br />

Autonomie der Wissenschaft und <strong>gesellschaft</strong>lichen<br />

Ansprüchen wird der Begriff der<br />

Politisierung der Wissenschaft vielfach als eine<br />

nicht statthafte Einmischung in wissen-<br />

Nr4/92

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