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Download - juridikum, zeitschrift für kritik | recht | gesellschaft

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DerProzeß-------------------------------------------------------------------------------<br />

sind. Sie sind dabei nicht auf ihren Bezirk<br />

beschränkt, sondern können diese Verfolgung<br />

bis an die Grenzen der Republik<br />

Österreich ausdehnen. Alle Gerichte und Sicherheitsbehörden<br />

sind den Nacheilenden<br />

beizustehen verpflichtet." Naja, das Telefon<br />

gab es noch nicht. § 24 erster Satz: "Die Sicherheitsbehörden,<br />

unter denen auch die<br />

Bürgermeister (Gemeindevorsteher) begriffen<br />

sind, haben allen Verbrechen und Vergehen,<br />

sofern sie nicht bloß auf Begehren eines<br />

Beteiligten untersucht werden, nachzuforschen<br />

und, wenn das unverzügliche Einschreiten<br />

des Untersuchungsrichters nicht<br />

erwirkt werden kann, die keinen Aufschub<br />

gestattenden vorbereitenden Anordnungen<br />

zu treffen, die zur Aufklärung der Sache dienen<br />

oder die Beseitigung der Spuren der<br />

strafbaren Handlung oder die Flucht des Täters<br />

verhüten können. " Diese unversehene<br />

Ausweitung seiner Obliegenheiten wird<br />

wohl manchen wackeren Bürgermeister erstaunen.<br />

Barocke Formen<br />

modern interpretiert<br />

Der Diskussionsbeitrag könnte hier abgebrochen<br />

werden, die Antwort auf die Frage,<br />

weshalb eine StPO-Reform vonnöten ist,<br />

scheint sich von selbst zu ergeben. Doch im<br />

Land der Traditionen sind barocke Formen<br />

allemal ein Kunstwerk, das modern zu interpretieren<br />

noch niemandem schwergefallen<br />

ist: § 415 ist weitgehend vergessen. § 380<br />

Abs. 2 wurde bislang nicht geändert, weil ein<br />

ihm möglicherweise doch innewohnender<br />

normativer Gehalt nicht ausgeschlossen werden<br />

kann: die einer Dissertation würdige<br />

Frage lautet, ob die Gemeinden dem Bund<br />

den bei Häftlingstransporten verbrauchten<br />

Treibstoff zu ersetzen haben. § 24 StPO hingegen<br />

ist, ja wirklich, kein Schmäh, die<br />

wichtigste gesetzliche Grundlage für das<br />

selbständige Einschreiten der Polizei (und<br />

Gendarmerie, diese werde im folgenden bitte<br />

hinzugedacht, da nicht genannt). Er regelt<br />

damit den "ersten Zugriff" in mehr als 90 %<br />

aller Fälle.<br />

Damit kommen wir in medias res. Der<br />

arglose Leser stelle sich folgendes Szenario<br />

vor: Nach einem Verkehrsunfall, durch den-<br />

Gott bewahre - Personen verletzt wurden,<br />

verläßt ein Zeitgenosse (Anmerkung:<br />

das Beispiel ist nicht geschlechtsneutral<br />

formuliert, weil Frauen<br />

bekanntlich besser fahren als Männer)<br />

den Fahrersitz eines Autos, von<br />

dessen Endstellung Reifenspuren in<br />

die Nähe einer "Stopptafel" reichen.<br />

Sofern dergleichen in Wien geschieht,<br />

wo rund die Hälfte aller Strafsachen<br />

anfällt, wird in der Regel das Verkehrsunfallkommando<br />

(VUK) verständigt,<br />

das mit Kommandant, Fahrer, Zeichner<br />

und Fotograf in einem Kleinbus<br />

ausrückt, dcr mit allerlei Technik ausgestattet<br />

ist, und in vielen Fällen<br />

schneller am Unfallsort eintrifft als die<br />

Rettung. Die bestens qualifizierte Besatzung<br />

fertigt nicht nur Fotos und eine<br />

maßstabsgetreue Skizze von Unfallsort<br />

und -geschehen an, sondern vernimmt<br />

auch die Verdächtigen und<br />

Zeugen, deren Aussagen mit Hilfe einer<br />

im Bus mitgeführten Schreibmaschine<br />

sogleich protokolliert werden.<br />

Im Routinefall werden die Erhebungen<br />

an Ort und Stelle, die Arbeiten innerhalb<br />

weniger Tage abgeschlossen.<br />

Die Unterlagen werden im Laufe der<br />

kommenden Wochen dem Bezirksanwalt<br />

übersendet, womit erstmals eine<br />

Justizbehörde befaßt wird. Bis dahin<br />

spielt sich alles auf Grundlage des § 24<br />

StPO ab. Nehmen wir weiter an, daß<br />

Antrag auf Bestrafung wegen des Vergehens<br />

der fahrlässigen Körperverletzung<br />

(§ 88 StGB) gestellt wird und es<br />

zur Hauptverhandlung kommt. In dieser<br />

werden die vorliegenden Fotos,<br />

Skizzen und Protokolle die wichtigsten,<br />

wenn nicht einzigen Aktenunterlagen<br />

sein. An ihrem Zustandekommen<br />

hatte der Zeitgenosse keinen Anteil, sie<br />

zu widerlegen wird ihm auch mit professioneller<br />

Hilfe und selbst dann schwerfallen,<br />

wenn sie - was zum Glück nicht allzuoft der<br />

Fall sein dürfte - fehlerhaft oder unvollständig<br />

sein sollten. Die von der StPO in der<br />

Hauptverhandlung zugestandenen Verteidigungs<strong>recht</strong>e<br />

bleiben daher in der Praxis häufig<br />

wirkungslos, wenn sie nicht bereits dann<br />

ausgeübt werden können, wenn die wesentlichen<br />

Beweismittel aufgenommen werden.<br />

Die peinliche Frage: Vorbereitung der Tortur.<br />

Mengen Sie sich<br />

Ihnen nicht •••<br />

Nun, dann soll sich unser Zeitgenosse halt<br />

<strong>recht</strong>zeitig darum kümmern, damit er's hat,<br />

wenn er's braucht, wird der unbedarfte Leser<br />

einwenden. Also zurück an den Start:<br />

Zeitgenosse steigt aus dem Auto, erklärt, die<br />

Reifenspur sei alt und stamme nicht von seinem<br />

Fahrzeug, beginne vor (oder nach) dem<br />

SIIHT I<br />

SIUND STUDIO<br />

Schubertrlng 6 und 8, 1010 Wien, Tel. 512

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