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Recht &. Gesellschaft<br />

TREVI, SCHENGEN UND ÜSTERREICH<br />

Halbwahrheiten<br />

Mit 1. Jänner 1993 sollen<br />

die Kontrollen an den EG­<br />

Binnengrenzen aufgehoben<br />

werden. Polizeiexperten<br />

und Sicherheitspolitiker<br />

greifen diese Zielsetzung<br />

zunehmend unter Aspekten<br />

der Inneren Sicherheit<br />

auf: "Deshalb: das Ganze<br />

muß ein Dach bekommen,<br />

ein Europäisches Sicherheitsprogramm,<br />

vergleichbar<br />

dem »Programm für<br />

die Innere Sicherheit in der<br />

Bundesrepublik« von<br />

1974."(1)<br />

Seit Anfang der 70er Jahre wird auf informeller<br />

Ebene an solchen "Programmen" und<br />

deren Umsetzung in die Praxis gearbeitet.<br />

Eine Vielzahl internationaler Arbeitsgruppen,<br />

- beispielsweise die TREVIl- und die<br />

Schengen-Gruppe (2 ), um nur die bekanntesten<br />

zu nennen- nehmen nun deren Transformation<br />

ins nationale Recht bzw. Gemeinschafts<strong>recht</strong>,<br />

je nach Materie, in Angriff.<br />

All diesen Kooperationsformen ist gemein,<br />

daß sie nicht auf dem Weg gemeinschafs<strong>recht</strong>licher<br />

Beschlußfassung zustande<br />

gekommen sind. So ist die Struktur von<br />

TREVI mit der des Europäischen Ministerrates<br />

der Innen- und Justizminister vergleichbar,<br />

<strong>recht</strong>lich aber eine informelle,<br />

multilaterale Kooperation zwischen den nationalen<br />

Regierungen der Mitgliedsstaaten.<br />

Das hat zur Folge, daß die ohnehin dürftigen<br />

Kontrollmöglichkeiten des Europäischen<br />

Parlaments und des Europäischen Gerichtshofes<br />

gerade auf dem heiklen Gebiet der polizeilichen<br />

Zusammenarbeit umgangen werden.<br />

Es wurde schon mehrfach kritisiert, daß<br />

"Unklarheit (besteht) über die genaue<br />

Tätigkeit dieser Gruppen (u. a. Schengen<br />

und TREVI; T. S.), und (daß) ihre Arbeit<br />

nicht kontrolliert werden (kann), weder von<br />

den nationalen Parlamenten noch vom Europäischen<br />

Parlament ( ... ) (daß) der Aus-<br />

Seite 22<br />

schuß für Recht und Bürger<strong>recht</strong>e in der Regel<br />

jedes Halbjahr über die wichtigsten Ergebnisse<br />

unterrichtet (wird), (daß) die Qualität<br />

der Informationen jedoch unterschiedlich<br />

(ist), ( ... ) (und daß) auf jeden Fall von<br />

einer wirklichen parlamentarischen Kontrolle<br />

keine Rede sein (kann). "(3)<br />

Hierzulande ist noch kaum bekannt,<br />

daß Österreich sowohl mit der TREVI­<br />

Gruppe wie auch mit den Vertragsstaaten<br />

des Schengener-Abkommens in Verhandlungen<br />

steht. Das ist nichtzuletzt auf die Geheimhaltungspolitik<br />

- ganz nach EG-Vorbild<br />

- des Innenministeriums zurückzuführen.<br />

In einer parlamentarischen Anfrage<br />

richteten die Grünen u. a. folgende Fragen<br />

an den Innenminister:<br />

"Stehen Sie auch mit den Vertragsstaaten<br />

des TREVI-Abkommens in Verhandlung<br />

Welches konkrete Ziel verfolgen Sie<br />

mit diesen Verhandlungen Wer nimmt (daran)<br />

teil Seit wann stehen Sie (mit TREVI)<br />

in Verhandlung Werden Sie (das TREVI­<br />

Abkommen) dem Parlament übermitteln<br />

Gibt es bereits konkrete Übereinkommen<br />

mit den TREVI-Vertragsstaaten"(4) Seine<br />

Antwort: "Es gibt nach meinem Wissensstand<br />

kein »TREVI-Abkommen« und daher<br />

auch keine Vertragsverhandlungen", ist<br />

streng formal betrachtet korrekt, da es sich<br />

bei TREVI um eine Art informelle Konsultationsrunde<br />

handelt, aber nur die halbe<br />

Wahrheit.<br />

Selbst in den offiziellen "Sicherheitsberichten"<br />

des Innenministeriums finden sich<br />

nämlich Jahr für Jahr Hinweise auf die enger<br />

werdende Zusammenarbeit zwischen Österreich<br />

und TREVI:<br />

"Die Europäische Ministerkonferenz<br />

der für Terrorismusbekämpfung zuständigen<br />

Minister in Straßburg ( ... ) bot für den österreichischen<br />

Innenminister auch Gelegenheit<br />

zu bilateralen Gesprächen ( ... ) in Fragen einer<br />

noch engeren Zusammenarbeit auf dem<br />

Gebiet der Terrorismusbekämpfung. Dabei<br />

wurde u. a. eine verstärkte Zusammenarbeit<br />

mit der innerhalb der EG eingerichteten<br />

TREVI-Gruppe erörtert. Diese Gepräche<br />

fanden ihre Fortsetzung in direkten Kontakten<br />

mit der TREVI-Gruppe auf Beamtenebene."IS)<br />

,,(Es wurden) intensive Bemühungen<br />

hinsichtlich einer engen Kooperation mit<br />

( ... ) der TREVI-Gruppe ( ... ) unternommen.<br />

Eine Zusammenarbeit wird vor allem in folgenden<br />

Bereichen angestrebt: Bekämpfung<br />

des Terrorismus, Bekämpfung des organisierten<br />

Verbrecherturns, Ausrüstung und<br />

Ausbildung der Sicherheitsexekutive, Immi-<br />

JURIDIKUM<br />

grations- und künftige Asylpolitik, Grenzkontrolle<br />

sowie Sichtvermerkspolitik. Österreich<br />

wird künftig die gleiche Stellung eingeräumt<br />

werden, wie sie derzeit schon den<br />

USA und Kanada zukommt. Diese besondere<br />

Position besteht darin, daß Österreich<br />

künftig die Möglichkeit haben wird, vor<br />

(Hervorhebung im Original) den jeweiligen<br />

Treffen der Innen- und Justizminister der<br />

Mitgliedstaaten der EG seine Ansichten zu<br />

den vorgesehenen Tagungsthemen einzubringen<br />

und seine speziellen Wünsche zu artikulieren,<br />

ohne formell Mitglied dieser<br />

Gruppe zu sein. "(6)<br />

"Es fanden weitere Konsultativgespräche<br />

mit der TROIKA der TREVI-Gruppe<br />

auf Ministerebene statt, in deren Rahmen<br />

österreichischerseits ein großes Interesse betont<br />

wurde, in allen Belangen des Sicherheitswesens,<br />

einschließlich des Asyl-, Fremden-<br />

und Wanderungswesens, eine weitere<br />

Intensivierung der Zusammenarbeit mit den<br />

EG-Ländern herbeizuführen. Dabei wurde<br />

der Eindruck gewonnen, daß von diesen<br />

Staaten der Kooperation mit Österreich .ein<br />

hoher Stellenwert eingeräumt wird und die<br />

Bereitschaft besteht, Österreich in jeder<br />

möglichen Weise zu unterstützen. Als Beispiel<br />

hiefür sei nur erwähnt, daß Österreich<br />

künftig die Möglichkeit geboten wird, zu<br />

den von der TREVI-Gruppe auf den verschiedensten<br />

Gebieten des Sicherheitswesens<br />

veranstalteten Fortbildungsseminaren<br />

Teilnehmer zu entsenden. "(7)<br />

Österreich ist also bereits fest in die<br />

TREVI-Strukturen integriert, allerdings<br />

"ohne formell Mitglied dieser Gruppe zu<br />

sein", daher kein Abkommen, daher keine<br />

Information an das Parlament und die Öffentlichkeit.<br />

Außenpolitik hat sich noch nie<br />

durch Transparenz ausgezeichnet. In Zeiten<br />

der EG-Integration, wo die Außenpolitik die<br />

nationale Gesetzgebung zunehmend determiniert,<br />

bedeutet dies, eine Ausschaltung<br />

der nationalen Parlamente und anderer Kontrollmechanismen,<br />

ohne daß auf der entscheidenden<br />

EG-Ebene bereits ähnliche<br />

Stukturen entstanden wären. lliillillilllJl1J<br />

(1) H-L Zachert, Präsident des Bundeskriminalamtes<br />

Wiesbaden; KRIMINALISTIK 1/92<br />

(2) TREVI steht für die Bekämpfung "Terrorisme,<br />

Radikalisme, Extremisme, Violence International.<br />

(3) Originaltitel: Übereinkommen zur Durchführung<br />

des Übereinkommens von Schengen vom<br />

14. Juni 1985 zwischen den Regierungen der<br />

Staaten der BENELUX-Wirtschaftsunion, der<br />

Bundesrepublik Deutschland und der Französischen<br />

Republik betreffend den schrittweisen Abbau<br />

der Kontrolle an den gemeinsamen Grenzen<br />

(4) Entwutj eines Berichtes über den freien Personenverkehr<br />

und die Sicherheit in der Europäischen<br />

Gemeinschaft, Berichterstatter Herr K. Malangre;<br />

Europäisches Parlament, 1. 3.1991<br />

(5) Parlamentarische Anfrage vom 27. 3. 1992<br />

(6) Sicherheitsbericht 1986<br />

(7) Sicherheitsbericht 1987<br />

(8) Sicherheitsbericht 1988<br />

Nr 4/92

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