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Recht & Gesellschaft<br />
EIN EINHEITLICHES ASYL- UND FREMDENRECHT IN EUROPA<br />
Humanität<br />
über Bord<br />
Die zwischen den Mitgliedstaaten<br />
der EG beschlossene<br />
Errichtung eines einheitlichen<br />
Binnenmarktes hat<br />
auch Konsequenzen auf<br />
die Rechtsstellung von<br />
Flüchtlingen und Asylwerbern,<br />
die in einem dieser<br />
Staaten Schutz vor Verfolgung<br />
suchen. Werden sie<br />
Schutz finden in einem Eu·<br />
ropa, das den Zugang von<br />
lIDrittausländern" streng<br />
reglementiert und weitgehend<br />
an wirtschaftlichen<br />
Kriterien ausrichtet<br />
Am 1.1.1993 sollen nach dem Zeitplan, den<br />
die EG-Staaten in der Einheitlichen Europäischen<br />
Akte vom Februar 1986 für die<br />
Verwirklichung des Binnenmarktes erstellt<br />
haben, die direkten Kontrollen an den Binnengrenzen<br />
abgeschafft werden. Ein "Drittausländer",<br />
d.h. ein Nicht-Staatsbürger eines<br />
EG-Staates, der in das Staatsgebiet eines<br />
Mitgliedstaateses eingereist ist, kann sich<br />
dann im gesamten EG-Territorium ohne<br />
weitere Grenzkontrollen bewegen. Dies und<br />
die steigende Zahl von Asylwerbern dominierten,<br />
mitbestimmt von sicherheits- und<br />
wirtschaftspolitischen Überlegungen, die<br />
Gründe, den Zugang zum EG-Territorium<br />
einer einheitlichen Regelung zu unterziehen<br />
und auch das Asyl- und Fremden<strong>recht</strong> in<br />
diese Harmonisierung einzubinden.<br />
Der ersterwähnte Bereich wurde bereits<br />
einer umfassenden Regelung im Durchführungsabkommen<br />
von Schengen vom Juni<br />
1990 unterzogen. Dieser völker<strong>recht</strong>liche<br />
Vertrag, dem bereits 8 der 12 EG-Staaten<br />
beigetreten sind, regelt detailliert die Moda-<br />
Seite 20<br />
litäten der Kontrollen an den Außengrenzen,<br />
die von den Mitgliedstaaten nach seinem 1nkrafttreten<br />
einzuhalten sind. Weiters werden<br />
eine Reihe von Voraussetzungen normiert,<br />
die Personen erfüllen müssen, um ins Territorium<br />
der Vertragsstaaten einreisen zu dürfen.<br />
Diese Regelungen sind auch in einem<br />
Entwurf einer Konvention zwischen allen<br />
EG-Staaten über die Kontrolle an den<br />
Außengrenzen enthalten, deren Unterzeichnung<br />
steht jedoch aufgrund der Nichteinigung<br />
zwischen Großbritannien und Spanien<br />
über Gibraltar noch aus.<br />
Zu den Einreisevoraussetzungen zählen<br />
neben dem Besitz von gültigen Grenzübertrittspapieren<br />
und einem gültigen Visum<br />
auch die Vorlagepflicht von Dokumenten,<br />
die den Aufenthaltszweck belegen und von<br />
ausreichenden finanziellen Mitteln für die<br />
Bestreitung des Lebensunterhalts während<br />
des Aufenthalts und für die Rückreise. Nach<br />
dem Vertragstext, der den derzeitigen Stand<br />
der bereits verbindlich vereinbarten Harmonisierung<br />
widerspiegelt, soll die Entscheidung<br />
über die Einreise von Asylwerbern, die<br />
ihr Gesuch an der Grenze stellen, dem nationalen<br />
Recht der Staaten vorbehalten sein.<br />
Dieses ist, wie Rechtsvergleichungen zeigen,<br />
sehr unterschiedlich ausgestaltet.<br />
Da in den zuständigen Gremien Konsens<br />
darüber besteht, auch weitere Bereiche<br />
einer gesamteuropäischen Regelung zu unterziehen,<br />
wird sicherlich auch die Entscheidung<br />
über die Einreise davon erfaßt werden.<br />
Die Tendenz geht dahin, wie auch in Österreich<br />
im § 6 Abs. 2 des Asylgesetzes 1991<br />
(BGB!. Nr. 8/1992) normiert, nur Asylwerbern<br />
die Einreise zu gestatten, die direkt aus<br />
dem Verfolgerstaat kommen. In der Praxis<br />
werden daher Flüchtlinge, die auf dem<br />
Landweg kommen, nicht mehr zur Einreise<br />
zugelassen werden. Staaten, die noch vor<br />
wenigen Jahren selbst die Hauptherkunftsländer<br />
von Flüchtlingen waren, und die teilweise<br />
weder von den <strong>recht</strong>lichen Grundlagen<br />
noch von der praktischen Durchführung<br />
her in der Lage sind, die Probleme zu bewältigen,<br />
werden in übermäßiger Weise belastet.<br />
Weiters besteht die Gefahr, daß die völker<strong>recht</strong>lichen<br />
Schranken verletzt werden,<br />
die für die Entscheidung über die Einreise<br />
gelten. Das ist neben dem Art. 3 der Europäischen<br />
Menschen<strong>recht</strong>skonvention und<br />
JURIDIKUM<br />
dem Art. 3 der UN-Folterkonvention vor allen<br />
die non-refoulement Bestimmung des<br />
Art. 33 der Genfer Flüchtlingskonvention.<br />
Er verbietet die Zurückweisung oder Abweisung<br />
in einen andern Staat, in dem das Leben<br />
oder die Freiheit eines Flüchtlings aus<br />
Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität,<br />
Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen<br />
Gruppe oder seiner politischen Ansichten<br />
bedroht wäre, wobei davon nicht nur<br />
die Zurückweisung direkt in den Verfolgerstaat<br />
erfaßt ist, sondern das non-refoulement<br />
Gebot auch verletzt wird, wenn die Abschiebung<br />
über einen Drittstaat erfolgt.<br />
Die Grenzkontrolle an den Außengrenzen<br />
der Vertragsstaaten wird detailliert geregelt,<br />
ein einheitlicher Genzkontrollenstandard<br />
soll illegale Grenzübertritte verhindern.<br />
Die Mitgliedstaaten sind auch verpflichtet,<br />
in ihr innerstaatliches Recht Sanktionen für<br />
Beförderungsunternehmer aufzunehmen,<br />
die Personen an die Grenze bringen, denen<br />
die Einreise nicht gestattet wird. Um nicht<br />
zu riskieren, Sanktionen auferlegt zu bekommen,<br />
werden die Beförderungsunternehmen<br />
die Einreisevoraussetzungen ihrer Passagiere<br />
bereits an den Abflughäfen prüfen. Es erfolgt<br />
also bereits eine Vorkontrolle durch das<br />
Flughafenpersonal, das einerseits nicht zu<br />
Hoheitsaufgaben autorisiert, andererseits<br />
auch nicht im Flüchtlings- und Asyl<strong>recht</strong> geschult<br />
ist. Da sehr viele Flüchtlinge weder<br />
Visa noch persönliche Dokumente haben<br />
(siehe dazu Handbuch des UNHCR Z. 196),<br />
werden sie in den meisten Fällen nicht zum<br />
Transport zugelassen werden. Die faktische<br />
Vorkontrolle durch die Beförderungsunternehmer,<br />
die restriktiven Einreisebestimmungen<br />
und die schrittweise Einführung einer<br />
einheitlichen Visaverpflichtung für alle<br />
EG-Staaten unterliegen als Abschottungsmaßnahmen<br />
be<strong>recht</strong>igter Kritik von Flüchtlingshilfsorganisationen<br />
und dem Amt des<br />
UNHCR. Der Bericht des Ausschusses für<br />
Recht und Bürger<strong>recht</strong>e des Europäischen<br />
Parlaments über den freien Personenverkehr<br />
und die Sicherheit in der Europäischen Gemeinschaft<br />
vom Juli 1991listet diese Kritikpunkte<br />
detailliert auf, wobei die mangelnde<br />
demokratische Kontrolle durch das Europäische<br />
Parlament hervorgehoben wird, und<br />
schlägt Änderungen im Sinne des Flüchtlingsschutzes<br />
vor.<br />
Das Schengener Durchführungsabkommen<br />
ist ein umfassendes Vertragswerk, das<br />
neben dem Bereich Grenzkontrolle und Personenverkehr<br />
auch die Zusammenarbeit im<br />
Polizei- und Sicherheitswesen, die Bereiche<br />
Transport und Warenverkehr und die Errichtung<br />
eines Datenaustauschsystems, des<br />
sogenannten Schengener Informationssystems<br />
S1S, regelt. Im Titel II ist die Zuständigkeit<br />
eines Vertragsstaates zur Prüfung eines<br />
an der Grenze oder im Staatsgebiet gestellten<br />
Asylgesuchs geregelt. Die ausführlichen<br />
Bestimmungen gehen in der Grundtendenz<br />
davon aus, daß der Mitgliedstaat für<br />
die Prüfung eines Asylgesuchs verantwortlich<br />
sein soll, der den Zugang des Asylwer-<br />
Nr 4/92