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Recht & Gesellschaft<br />

ÜBER DEN SCHLEICHENDEN WANDEL DES ßUNDESHEERS<br />

Lieb Vaterland<br />

magst ruhig sein<br />

Das oHizielie Österreich<br />

reagiert auf die sicherheitspolitischen<br />

Änderungen<br />

in seinem Umfeld: Das<br />

Bundesheer soll mit einem<br />

maßgeschneiderten Konzept<br />

der neuen Lage Rechnung<br />

tragen. Zieht man<br />

bei Beurteilung der Reform<br />

die Neigung der Regierung<br />

zum Verfassungsbruch<br />

durch die "normative Kraft<br />

des Faktischen" in Betracht,<br />

treten verfassungs<strong>recht</strong>lich<br />

bedenkliche Aspekte<br />

verstärkt hervor.<br />

In Folge der geopolitischen Änderungen<br />

nach dem Zusammenbruch der sozialistischen<br />

Länder wurde auch die österreichische<br />

Militärdoktrin der Raumverteidigung obsolet<br />

und fast zeitgleich mit ihrem Schöpfer Spannocchi<br />

zu Grabe getragen. Sie ging im wesentlichen<br />

von einem massierten Vorstoß<br />

motorisiert-mechanischer Verbände des Warschauer<br />

Paktes als Bedrohungsbild aus. Um<br />

Österreich als militärisches Durchzugsland<br />

möglichst unattraktiv zu machen, sollte dem<br />

Gegner in Schlüsselzonen (z. B. Donautal)<br />

massiver Widerstand entgegengesetzt, ansonsten<br />

durch Partisanenkriegsführung das<br />

Leben schwer gemacht werden. Große Teile<br />

des Bundesgebietes sollten nicht, oder zumindest<br />

nicht an den Grenzen verteidigt<br />

werden. Da die Vorwarnzeit bei einem Verteidigungsfall<br />

von diesem Ausmaß als lang<br />

genug eingeschätzt wurde, eine Generalmobilmachung<br />

durchzuführen, sah man davon<br />

ab, größere Verbände schnell verfügbar zu<br />

halten. Das Heer ist dementsprechend in eine<br />

Friedens- und eine Einsatzorganisation<br />

gegliedert. Der Großteil der Friedensorganisation<br />

wurde und wird von Berufssoldaten<br />

Seite 18<br />

getragen und ist hauptsächlich mit der Verwaltung<br />

und der Ausbildung der zukünftigen<br />

Milizsoldaten beschäftigt. Die Einsatzorganisation<br />

(die im Mobilisierungsfall momentan<br />

über mehr als 200.000 ausgebildete Soldaten<br />

verfügt) rekrutiert sich hingegen großteils<br />

aus Milizionären, sowohl was Kader als auch<br />

was Mannschaft anbelangt. Dem Charakter<br />

des Bundesheeres als Volksheer entsprechend<br />

wurde das Milizsystem in Verfassungsrang<br />

erhoben: "Dem Bundesheer obliegt<br />

die militärische Landesverteidigung. Es<br />

ist nach den Grundsätzen eines Milizsystems<br />

einzurichten." (Art. 79 Abs. 1 B-VG)<br />

Das neue Umfeld<br />

Die Zeit publicity trächtiger Stacheldrahtzerschneidungen<br />

wich bald neuen Notwendigkeiten:<br />

Die zigtausenden Flüchtlinge, für<br />

die die neugewonnene Freiheit vor allem<br />

die Freiheit zur Flucht vor nationalistischrassistischer<br />

Bedrängnis und wirtschaftlicher<br />

Existenznot beinhaltete, stießen an der<br />

Grenze zu Österreich auch auf die des Humanitätsverständnisses<br />

der 1. Welt - seit<br />

1989 befindet sich das Bundesheer im Assistenzeinsatz.<br />

Die verfassungs<strong>recht</strong>liche Legitimation<br />

findet sich ebenfalls im o. a. Art.<br />

79 Abs. 2 Z 1lit b B-VG : "Das Bundesheer<br />

ist, soweit die gesetzmäßige zivile Gewalt<br />

seine Mitwirkung in Anspruch nimmt, ferner<br />

bestimmt, auch über den Bereich der militärischen<br />

Landesverteidigung hinaus zur<br />

Auf<strong>recht</strong>erhaltung der Ordnung und Sicherheit<br />

im Inneren" heranzuziehen.<br />

Nach den Scharmützeln slowenischer<br />

Territorialverteidigungseinheiten mit der jugoslawischen<br />

Bundesarmee in unmittelbarer<br />

Nähe der österreichischen Grenze war der<br />

argumentative Dauernotstand der Falken<br />

endgültig durchbrochen und die Legitimation<br />

für die Neustrukturierung des Heeres,<br />

das auf Assistenz- und Sicherungseinsätze<br />

zugeschnitten ist, gegeben.<br />

Das neue Heer<br />

Grundlegend neu ist die Aufstellung einer<br />

15.000 Mann starken "Rapid Deployment<br />

Force" für Assistenz- und Sicherungsaufgaben<br />

in Grenznähe, die sich zu 2/3 aus dem<br />

Präsenzstand und zu 1/3 aus kurzfristig ein-<br />

JURIDIKUM<br />

berufbaren Milizionären rekrutieren soll.<br />

Das Organisationskonzept sieht weiters die<br />

Aufstellung von 15 Brigaden (12 Infanterieund<br />

3 mechanisierte Brigaden) in der Gesamtstärke<br />

von 120.000 Mann vor(!). Sie sollen<br />

kaderstark, voll aufgefüllt und für einen<br />

effizienten und flexiblen Einsatz ausgerüstet<br />

und ausgebildet sein. Dabei soll die Trennung<br />

zwischen Ausbildungs-, (Friedens-)<br />

und Einsatzorganisation aufgehoben werden.<br />

Die jetzige Regelung, nach der die Präsenzdiener<br />

eine 6-monatige Ausbildung<br />

durchlaufen und die restlichen zwei Monate<br />

im Rahmen von Truppenübungen über Jahre<br />

verteilt abdienen, soll dahingehend verändert<br />

werden, daß nach dem 6. Monat direkt<br />

ein siebtes angehängt werden kann. Dadurch<br />

soll eine rasch verfügbare und einsatzbezogene<br />

Landesverteidigung ermöglicht<br />

werden. Parallel dazu sollen die Rüstungsprioritäten<br />

geändert werden: Die Wunsch liste<br />

umfaßt (in Zeiten der Budgetkonsolidierung)<br />

so preiswerte Dinge wie Radschützenpanzer,<br />

Sensoren für die Grenzraumüberwachung,<br />

Nachtsichtgeräte, Tieffliegerfassungsradar,<br />

moderne Abwehrlenkwaffen,<br />

Kampfhubschrauber etc. Das erfordert eine<br />

Erhöhung des Budgets. über dessen Größenordnung<br />

man die schlimmsten Befürchtungen<br />

hegen kann.<br />

Fast neue Bedenken<br />

Beginnen wir bei dem verfassungsmäßig verankerten<br />

Milizprinzip und lassen gleich die<br />

direkt Betroffenen zu Wort kommen: "Es<br />

besteht ein Trend vom derartigen milizartigen<br />

Wehrpflichtsystem zu einem nunmehr<br />

stehenden Heer mit Ergänzung durch Freiwillige;<br />

auf die schwerwiegenden <strong>gesellschaft</strong>spolitischen<br />

Folgen mußten wir bereits<br />

hinweisen" so die Bundesvereinigung der<br />

Milizverbände(21. Auch das oben erwähnte 7.<br />

Monat des Präsenzdienstes erweckt be<strong>recht</strong>igten<br />

Argwohn: "Bisher konnte uns noch<br />

keine verbindliche Auskunft darüber erteilt<br />

werden, ob diese einmonatige Truppenübung<br />

im Rahmen der Friedens- oder Einsatzorganisation<br />

abgleistet wird. Sollte diese<br />

Truppenübung im Rahmen der Friedensorganisation<br />

vorgesehen sein, so müßten sich<br />

die Reformer den Vorwurf eines Etikettenschwindels<br />

in diesem Bereich gefallen lassen.<br />

"(3) Dieser Vorwurf ließe sich ausdehnen:<br />

Aus dem vorliegenden Konzept zur<br />

Heeresgliederung-Neu(41 läßt sich ableiten<br />

daß bei einer Reduzierung der Mobilisierungsstärke<br />

eine gleichzeitige Aufstockung<br />

der Kader erfolgen soll. Durch eine Umschichtung<br />

von der Administration hin zur<br />

Einsatzverwendung ("weniger Verwaltungmehr<br />

Truppe") sollen in der bestehenden<br />

Struktur dahinvegetierende Planstellen in<br />

die Einsatzorganisation verlagert (oder aufgelöst)<br />

werden, was den Anteil der Berufssoldaten<br />

in der nunmehr fusionierten Friedens-Einsatzorganisation<br />

zusätzlich erhöhen<br />

würde. Berufssoldaten sind aufgrund ihrer<br />

Nr 4/92

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