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Download - juridikum, zeitschrift für kritik | recht | gesellschaft

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Recht & Gesellschaft ------------------------------<br />

Vladimir Meciar trennt, •.•<br />

noch erfolgten - Föderalisierung des Staates<br />

durch eine neue Verfassung und der nachfolgenden<br />

Machtübernahme durch den Slowaken<br />

Gustav Hustik sogar den Beweis dafür,<br />

daß die SlowakInnen den Staat beherrschten.<br />

Dabei übersehen sie aber, daß die föderalen<br />

Strukturen eine rein formale Angelegenheit<br />

blieben und unwesentlich war, wer<br />

an der Staatsspitze stand; die reale Macht im<br />

Staat übte die Sowjetunion über Prag aus.<br />

Als Ursache des Antagonismus von<br />

TschechInnen und SlowakInnen nach der<br />

"samtenen Revolution" Ende 1989 drängt<br />

sich also ein Gefühl der - auch internationalen<br />

- Zweitrangigkeit auf, ein Gefühl der<br />

Hemmung, des Fehlens der eigenen Identität<br />

der SlowakInnen im gemeinsamen<br />

Staat. Dieser geschichtliche Boden wäre aber<br />

nicht so fruchtbar, käme nicht ein wirtschaftlicher<br />

Antagonismus dazu, gleichfalls allerdings<br />

historisch bedingt.<br />

Der tschechischsprechende Landesteil(3)<br />

hat in der kommunistischen Periode<br />

massiv an Wirtschaftskraft und Lebensqualität<br />

verloren, Landschaften wurden verwüstet,<br />

die Menschen demoralisiert. Auch in<br />

der Slowakei wurde vieles zerstört, v. a. die<br />

gewachsenen bäuerlichen Strukturen. Dafür<br />

wurde dort die Not beseitigt. Und in atemberaubendem<br />

Tempo eine Schwerindustrie<br />

aufgebaut. Wirtschaftlich geht es den SlowakInnen<br />

heute wesentlich besser als nach<br />

dem Zweiten Weltkrieg.<br />

Die Menschen empfingen hier die<br />

Dringlichkeit einer radikalen Wirtschaftsreform<br />

weniger stark, zumal die meisten problematischen<br />

Unternehmen der Schwerindustrie<br />

- z. B. der Rüstungsindustrie, die<br />

man nicht an die Westgrenzen stellen wollte<br />

- auf slowakischem Gebiet liegen und so<br />

auch die Auswirkungen der Radikalreform<br />

nach dem (für manche Sparten durchaus vernünftigen)<br />

Motto krepieren lassen und ZU"<br />

sperren unvergleichlich härter auf die Leben<br />

der BürgerInnen herniedersausen.<br />

Seite 16<br />

Ein guter Indikator für die kurzfristigen<br />

Auswirkungen des wirtschaftlichen Zusammenbruchs<br />

ist die Arbeitslosenrate, die in<br />

der Slowakei 11 - 13%, in der Tschechischen<br />

Republik jedoch nur 2 - 5% beträgt! Zudem<br />

erscheint auch der subjektive Bedaif nach Demokratisierung<br />

in der Slowakei geringer zu<br />

sein - wichtiger ist die nationale Identität.<br />

Alle diese Faktoren trugen dazu bei, daß in<br />

der Slowakei politische Kräfte die Oberhand<br />

gewinnen - oder behalten - konnten, die<br />

zum einen eine Bremsung der Reform und<br />

großräumige Beibehaltung staatlicher Subventionen<br />

und Unternehmens strukturen<br />

vertreten, zum anderen durchgreifende politische<br />

Umstrukturierungen zu vermeiden<br />

trachten, wobei letzteres v. a. aus Gründen<br />

der eigenen Machterhaltung geschieht, aber<br />

auch vor einem spezifischen - oben angedeuteten<br />

- historischen Hintergrund. In der<br />

Tschechischen Republik dagegen heißt Politik<br />

Vaclav Klaus: Er propagiert die radikale<br />

Zerstörung der alten Wirtschaftsstrukturen<br />

und den Aufbau einer neuen, privaten Wirtschaft<br />

unter weitgehendstem Rückzug des<br />

Staates nach monetaristischen Modellen.<br />

Wenn sich auch die Praxis der politischen<br />

Repräsentanzen näher ist, als sie selbst glauben<br />

machen wollen, so ist es doch v. a. dieser<br />

Aspekt, der in Böhmen die Ansicht nährt,<br />

ohne SlowakInnen würde die Transformation<br />

viel schneller gehen und so auch im<br />

tschechischen Teil die Stimmung für eine<br />

Teilung an Boden gewinnen läßt. Der Bruder<br />

im Osten als Klotz am Bein.<br />

Die unmittelbare, 2 1/2jährige Vorgeschichte<br />

der Teilung war gekennzeichnet<br />

von einem Ringen um - schließlich nicht<br />

tragfähige - Kompromisse. Auf der tschechic<br />

sehen Seite, angeführt von kulturliberalen<br />

Intellektuellen a la Havel und Dienstbier,<br />

gab es angestrengte und ehrliche Bemühungen,<br />

den SlowakInnen entgegenzukommen<br />

und eine neue, ge<strong>recht</strong>ere Föderation zu bilden.<br />

Ihre Schwäche war aber die praktische<br />

Umsetzung dieser Vorsätze, die in der zentralisiert<br />

von Prag aus organisierten Verwaltung<br />

nicht oder zu langsam gelang. Die slowakische<br />

Repräsentanz wiederrum war sehr<br />

zersplittert und schaffte es praktisch nie, einheitlich<br />

aufzutreten.<br />

Die Preßburger Intellektuellen der<br />

post-revolutionären Zeit, die sich ihren Prager<br />

KlassengenossInnen verbunden fühlten<br />

und sich um die Erhaltung der Föderation<br />

bemühten, verloren noch viel rascher an<br />

Einfluß als jene. Kräfte rissen dort die Macht<br />

an sich, die eine Art Politik der Obstruktion<br />

im Bundesparlament verfochten, die die Geßetzgebungstätigkeit<br />

der Föderalversamm­<br />

~Iung immer schwieriger machte. Die Wahlen<br />

im Juni 1992 setzten allen Einigungsversuchen<br />

ein jähes Ende. In den beiden Republiken<br />

gewannen zwei Bewegungen und ihre<br />

Leader, die immer schon die Gegenpole<br />

auf der tschecho-slowakischen Politbühne<br />

bildeten: Die "<strong>recht</strong>e" bürgerlich-demokratische<br />

Partei des machtgeilen Superökonömen<br />

und Machers Vaclav Klaus und die Be-<br />

JURIDIKUM<br />

wegung für eine demokratische Slowakei<br />

des bulligen Populisten und Politbrutalos<br />

Vladimir MeCiar. Das Schicksal der Föderation<br />

war damit besiegelt. Sofort wurden Verhandlungen<br />

über die Teilung aufgenommen,die<br />

jüngst in einem Abkommen zwischen<br />

Klaus' und Meciars Partei zur Teilung<br />

mit 1. 1. 1993 gipfelten. Der Wahlausgang<br />

und die Aussichtslosigkeit der Erhaltung der<br />

Föderation veranlaßten auch Havel zum<br />

Rücktritt als Präsident der Föderation.<br />

Zwei Aspekte scheinen mir an der derzeitigen<br />

politischen Entwicklung besonders<br />

interessant:<br />

1.) Das Bemühen um Legitimität, Gesetzlichkeit,<br />

Geordnetheit der Übergänge.<br />

Man ist ja nicht Jugoslawien, sondern baut<br />

einen Rechtsstaat auf. Einige Versuche, die<br />

politischen Kompromisse in Normen zu kleiden,<br />

die dann einigermaßen <strong>recht</strong>s staatlich,<br />

d. h. mit gewisser Rechtssicherheit und<br />

Rechtsschutz für die betroffenen BürgerInnen<br />

vollzogen werden, zeigen gute Ansätz,e.<br />

So bemüht man sich jetzt um ein Gesetz<br />

, über die Auflösung der CSFR, das die politischen,<br />

verwaltungs<strong>recht</strong>lichen Seiten des<br />

Übergangs regeln soll. Weitere Gesetze soll<br />

die Vermögensteilung ermöglichen, was al"<br />

lerdings kaum ohne Erschütterungen, Miße<br />

trauen und Freilassung großer weißer Flekken<br />

von Gebieten möglich sein wird, die<br />

einfach nicht gesetzlich regelbar sind.<br />

Schon in der vorangehenden Übergangsperiode<br />

hat man versucht, möglichst<br />

viele Bereiche des öffentlichen Lebens möglichst<br />

qualitätsvoll gesetzlich neu zu regeln.<br />

Oftmals zeigte sich aber, daß Gesetze allein<br />

überhaupt nichts bewirken, wenn die Verwaltung,<br />

die sie vollziehen soll, dazu nicht<br />

fähig ist(4). Dort schließlich, wo Probleme der<br />

Föderation, des Zusammenlebens von<br />

TschechInnen und SlowakInnen berührt<br />

wurden, scheiterten immer mehr Projekte<br />

schon am politischen Willen ihrer eigen<br />

SchöpferInnen. Ein Beispiel dafür ist das<br />

Verfassungsgericht der CSFR. Dieser Gerichtshof<br />

hat 12 Mitglieder, zu gleichen Teilen<br />

SlowakInnen und TschechInnen (in der<br />

Realität leider nur Slowaken und Tschechen).<br />

Die Bestellung dieser Richter dauerte<br />

lange, weil es wenige geeignete Kanditaten<br />

gab. Schließlich wurden von tschechischer<br />

Seite viele Abgeordnete nominiert, die<br />

selbst als Mitglieder "<strong>recht</strong>er" Parteien für<br />

verfassungs<strong>recht</strong>lich äußerst bedenkliche<br />

Gesetze gestimmt hatten (z. B. das sog. Lustrierungsgesetz,<br />

eine Art Berufsverbotsgesetz<br />

für ehemalige GeheimdienstmitarbeiterInnen<br />

und höhere ParteifunktionärInnen).<br />

Die slowakische Seite nominierte Richter,<br />

die einer Bewegung angehören, die schon<br />

lange die Unterstützung der Öffentlichkeit<br />

verloren hatte, im slowakischen Nationalrat<br />

aber noch eine bedeutende Kraft darstellte.<br />

Nach der Wahl 1992 kam diese Gruppierung<br />

("Öffentlichkeit gegen Gewalt")<br />

nicht mehr ins slowakische Parlament. Die<br />

von ihr durchgesetzten und nominierten<br />

Richter (einschließlich dem Vorsitzenden<br />

Nr4/92

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