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Download - juridikum, zeitschrift für kritik | recht | gesellschaft

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Recht & Gesellschaft --------------------------------<br />

rium als "unbegreiflich" erklärt und aufgehoben.<br />

In seinem Aufsteigen vom B1utstaatsanwalt<br />

in dem besetzten Österreich zur<br />

führenden Gestalt der Straf<strong>recht</strong>sentwicklung<br />

der BRD erscheint Dreher wie eine unwirkliche<br />

Romanfigurl41 •<br />

Sonderbehandlung<br />

Auschwitz<br />

Die Mordtaten der Hitlerjustiz und die<br />

Greueltaten der Wehrmacht werden bis in<br />

die Gegenwart als "legal" hingenommen.<br />

Die Millionen "gewöhnlich" Verhungerten<br />

oder Ermordeten in Gefangenenlagern, Konzentrationslagern<br />

und Gefangnissen konnten<br />

die Nazi ab 1945 trotz der Dokumente der<br />

Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse als<br />

"normale" Ereignisse des Kriegsgeschehens<br />

den Völkern aufschwätzen und so weitgehend<br />

aus der Erinnerung verdrängen. Mit<br />

Auschwitz war dies den Nazi und ihren verschiedenen<br />

Repräsentanten nicht gelungen.<br />

Die besondere Art der Massentötung von<br />

Menschen durch Giftgas war technologisch<br />

einmalig und blieb bis in die Gegenwart so<br />

massiv erschütternd, daß sie unverhindert<br />

aus der intensivsten" Trauerarbeit"(S) herausragt.<br />

Die diesbezügliche NS-Theorie, von<br />

Ernst Forsthoff, in vier Auflagen produziert,<br />

lautete: "In Vollziehung der Unterscheidung<br />

von Freund und Feind sind diejenigen auszumerzen,<br />

die als Artfremde nicht länger geduldet<br />

werden können"(6). Auf die Art der<br />

Ausmusterung ging Forsthoff in seinem<br />

Massenlehrbuch für Juristen in der NS-Zeit<br />

nicht ein, so wie er und sein Anhang es nach<br />

1945 nicht für notwendig hielten, diese im<br />

Stil einer Anordnung gehaltene Äußerung<br />

jemals zu erwähnen. Darin besteht ein wesentlicher<br />

Unterschied zwischen jener Garnitur<br />

von Verherrlichern des NS-Regimes im<br />

Stile von Honsik, die das Geschehen von<br />

Auschwitz massiv leugnen, und jenen, die<br />

sogar jede ablehnende Stellungnahme vermeiden.<br />

Um jedoch gegen das Verbrechen<br />

von Auschwitz auftreten zu können, bedarf<br />

es historischer und juristischer Kenntnisse<br />

über die Fakten dieses Geschehens. Dieses<br />

kann zwar isoliert von den anderen NS-Verbrechen<br />

dargestellt, aber nur in Verbindung<br />

mit den Gesamttaten der NS-Herrschaft verstanden<br />

werden.<br />

Die Mordtheorie<br />

Zum Verständnis des Verbrechens von Auschwitz<br />

soll hier die Bedeutung der NS<br />

Rechtslehre herangezogen werden, die zur<br />

Anwendung einer so geschlossen organisierten<br />

Mordtat maßgeblich wurde. Der nach<br />

1950 zu dem führenden deutschen Verwaltungs<strong>recht</strong>Ier<br />

aufgestiegene Forsthoff behauptete<br />

1933: "Das Bewußtsein der Artgleichheit<br />

und volklichen Zusammengehörigkeit<br />

aktualisiert sich vor allem in der<br />

Fähigkeit, die Artverschiedenheit zu erkennen<br />

und den Freund vom Feind zu unterscheiden.<br />

Wegen dieser dem Juden eigenen<br />

Seite 14<br />

Artverschiedenheit wurde der Jude, ohne<br />

Rücksicht auf guten oder schlechten Glauben<br />

und wohlmeinende oder böswillige Gesinnung<br />

zum Feind und mußte als solcher<br />

unschädlich gemacht werden" c so schreibt<br />

Forsthoffbereits 1933 (7). Forsthoff, der 1941<br />

als Professor nach Wien kam und 1956 als<br />

Heidelberger Professor von der Innsbrucker<br />

Juristenfakultät als hochverehrter Herr Kollege<br />

um Rat für die Nachfolge von Walter<br />

Antoniolli gebeten wurde, war vor allem<br />

bemüht, die Vernichtung von Menschen<br />

über das Privileg der Justiz hinaus als Aufgabe<br />

staats<strong>recht</strong>licher Verwaltung zu deklarieren.<br />

Daher plädierte er für rücksichtslose<br />

Entschlossenheit und äußerste Konsequenz,<br />

wodurch er eine frühe <strong>recht</strong>liche Zustimmung<br />

künftiger Verbrechen in Auschwitz<br />

und Mauthausen usw. fand. "Nur akademische<br />

Pedanten werden darüber erschrecken,<br />

daß diese Auseinandersetzung numerisch erfolgt"(S).<br />

Nach Forsthoff war der Gasmord<br />

von Auschwitz als eine Aufgabe der staats<strong>recht</strong>lichen<br />

Verwaltung vorgesehen(9).<br />

Der im vergangenen Jahr zu neuen Ehren<br />

gelangte theoretische Altmeister der<br />

NSDAP Carl Schmitt war eine Art Vorgesetzter<br />

für den Katholiken Ernst Forsthoff.<br />

Beide schrieben über den "totalen Staat",<br />

der letztere schon 1933, der erstere 1937<br />

über "totaler Feind, totaler Krieg, totaler<br />

Staat", wobei sie vor allem im Ausmerzen<br />

der Feinde aller Art übereinstimmten. Der<br />

theoretische Gehalt dieser Schriften ist mager.<br />

Der dem Antisemitismus absolut gewogene<br />

Professor und Bischof Dr. Hudal, Rektor<br />

der Anima Rom, machte sich 1937 über<br />

den totalen Staat von Forsthoff in der Form<br />

lustig: Dieser hätte "als erster Staats<strong>recht</strong>Ier<br />

das Wesen eines neuen deutschen Staates in<br />

Formulierungen beschrieben, die wohl nur<br />

für die Leitung eines Jugendbundes, aber<br />

nicht eines modernen Staatswesens geeignet<br />

erscheinen"(1O). Jedenfalls bewältigte Schmitt<br />

viel früher als Forsthoff die Allüren eines<br />

Wissenschaftlichen Schriftstellers, der ihn<br />

vom Theoretiker des Dritten Reiches zu einem<br />

<strong>recht</strong>sgerichteten Allerwelts<strong>recht</strong>slehrer<br />

werden ließ.<br />

Theoretische Täter<br />

Schmitts Werdegang beschreibt Klaus Richter<br />

in seiner Arbeit" Über Rezeption und<br />

Einfluß von Carl Schmitt"(1l), wobei dessen<br />

Rechtssatz: "Vom Führer geht alles Recht<br />

aus" zitiert wird. Daß Schmitt wie Forsthoff<br />

ab 1943 zum Teil anderer Ansichten waren,<br />

ohne etwas gegen ihren Führer zu sagen,<br />

bleibt dahingestellt. Betont muß hier das<br />

Schweigen über Auschwitz von Personen<br />

werden, die an diesem von Anfang an "theoretisch"<br />

beteiligt waren. Der Effekt von<br />

Schmitt beruht auf seiner Legitimationswirkung<br />

für Juristen, die für billige Agitation eines<br />

Forsthoff nicht ansprechbar waren(l2).<br />

Carl Schmitt ist es mehr als anderen "Nazi­<br />

Theoretikern" gelungen, stets als wissenschaftlich<br />

dort zu gelten, wo seine Worte<br />

JURIDIKUM<br />

genügen, um ihn zu entlarven. In einem gut<br />

gemeinten Artikel über den 100. Geburtstag<br />

dieses Carl Schmitt gehören einfach jene<br />

Worte von ihm hinein: "Ich wiederhole immer<br />

wieder die dringende Bitte, jeden Satz<br />

in Adolf Hitlers "Mein Kampf« über die Judenfrage,<br />

besonders seine Ausführungen<br />

über »jüdische Dialektik« zu lesen. Was auf<br />

unserer Tagung von Fachleuten in vielen<br />

wissenschaftlichen Referaten vorgetragen<br />

worden ist, wird dort einfach jedem Volksgenossen<br />

verständlich und völlig erschöpfend<br />

gesagt"I13I. Für die Beteiligung an Auschwitz<br />

genügte diese Aufforderung des heute wieder<br />

angesehenen ideologischen Mörders<br />

Carl Schmitt. Ob man Leuten wie Carl<br />

Schmitt, Ernst Forsthoff und anderen eine<br />

unmittelbare Urheberrolle zuschreiben will<br />

oder eine solche als Katalysator überwiegt,<br />

bleibt nach wie vor offen. Aber sie haben<br />

sich keineswegs aus diesem Kreis wegen der<br />

von ihnen mitkonzipierten Verbrechen zUc<br />

rückgezogen, sondern sich erst als die militärische<br />

Unerfüllbarkeit des Konzepts von<br />

Hitler für sie unübersehbar wurde, stillschweigend<br />

zurückgezogen. Sie haben somit<br />

zur Unterbrechung des Verbrechens von<br />

Auschwitz und in den anderen NS Massenvernichtungsstätten<br />

nichts beigetragen. Sie<br />

waren am Leugnen bzw. am Verschweigen<br />

des Gastodes der Häftlinge so unmittelbar<br />

interessiert, daß sie die Widerlegungsversuche<br />

von Honsik & Co sogar als persönliche<br />

Belastung empfinden würden. Die Art der<br />

" theoretischen " Diskussionen über die Aussagen<br />

von Schmitt, Forsthoffund den anderen<br />

Rechtslehrern dieser Zeit trägt leider insofern<br />

erheblich dazu bei, weil der konkrete<br />

Mord von Millionen Menschen eben ausgeklammert<br />

und das Gespräch in das Feld intellektuellen,<br />

aber neutralen Geschehens<br />

verlagert wird.<br />

(1) Standard vom 6. Mai 1992<br />

(2) Alfred Hrdlicka: Die Ästhetik des automatischen<br />

Faschismus. Wien, S. 69<br />

(3) Robert Knight: "Ich bin dafür, die Sache in die<br />

Länge zu ziehen": Wortprotokolle derösterreichischen<br />

Bundesregierung von 1945 - 52 über die<br />

Entschädigungderluden. Frankfurta.M.1988<br />

(4) Eduard Rabofsky - Gerhard Oberkofler: Verborgene<br />

Wurzeln der NS-lustiz. Straf<strong>recht</strong>liche<br />

Rüstungfürzwei Weltkriege. Wien 1985, S. 79<br />

(5) Margarete Mitscher/ich: Erinnerungsarbeit.<br />

Zur Psychoanalyse der Unfähigkeit zu trauern.<br />

Frankfurt a. M. 1987<br />

(6) Deutsche Geschichte seit 1918. Stuttgart 1938<br />

7) Der totale Staat. Hamburg 1933. Deutsches<br />

Adelsblatt 1933, S 714<br />

(8) Der totale Staat. Wie Anm. 7<br />

(9) Rabofsky/Oberkoflerwie Anm. 4, S. 93<br />

(10) Mois H udal: Die Grundlagen des N ationalsozialismus.<br />

Wien und Leipzig 1936, S. 286<br />

(11) luridikum 2, 1992, S. 11 ff<br />

(12) Rabofsky/Oberkofler, wie Anm. 4, S. 98<br />

(13) Deutsche luristenzeitung 1936, Sp. 1195<br />

Hon. Prof. Dr. Eduard Rabofsky, geb. 191 I, Autoschlosser,<br />

Widerstandskämpfer, bis zu seiner Pensionierung<br />

Leiter der Rechtsabteilung der AK, ...<br />

Nr 4/92

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