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Download - juridikum, zeitschrift für kritik | recht | gesellschaft

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Recht & Gesellschaft<br />

mission zum Organ erster Instanz mit Berufungsmöglichkeit<br />

an den Gerichtshof als Organ<br />

zweiter Instanz;<br />

• ein einziger Gerichtshof, der in Kammern<br />

entscheidet, mit der Möglichkeit zur Berufung<br />

an das Plenum, allerdings nur in<br />

Rechtsfragen (kaum diskutierter Vorschlag).<br />

1. Ein einziger Gerichtshof<br />

Dieser Vorschlag wurde als erster bei der<br />

Diskussion über die Notwendigkeit einer<br />

Verfahrensverbesserung gemacht. Er beruht<br />

auf den Überlegungen der Vereinfachung<br />

des bisher eher komplizierten Verfahrens,<br />

der Verkürzung der Verfahrensdauer und der<br />

Vermeidung von doppeltem Arbeitsaufwand<br />

durch die Zusammenlegung der Kommission<br />

und des Gerichtshofs zu einem einzigen<br />

Gerichtshof.<br />

a. Zusammensetzung: Der Gerichtshof<br />

besteht, wie bisher, aus ebensoviel RichterInnen<br />

wie der Europarat Mitglieder hat.<br />

Diese sollten jedoch aufVollzeitbasis arbeiten<br />

(mögliches Problem der "Abgeschnittenheit<br />

vom Heimatland "); Einführung eines<br />

Referendarsystems; eventuell die Einrichtung<br />

von "Advocates General", einer Art<br />

Staatsanwaltschaft, die als Vertreter der EM­<br />

RK und als amicus curiae vor dem Gerichtshof<br />

fungiert (ähnlich der derzeitigen Rolle<br />

der Kommission im Gerichtshofverfahren).<br />

Diese sollte eine unabhängige und unparteiische<br />

Stellung innehaben, für gütliche Regelungen<br />

bereitstehen und die Verhandlungen<br />

bei Staatenbeschwerden vorbereiten.<br />

b. Verfahren: Die bisherigen Verfahrensschritte<br />

werden beibehalten, allerdings<br />

vereinfachter und übersichtlicher. Die Zulässigkeitsprüfung<br />

bleibt als Filterfunktion<br />

bestehen. Der Sachverhalt wird nur mehr<br />

vom Gerichtshof, bzw. dem/r zuständigen<br />

BerichterstatterIn erhoben. Die Möglichkeit<br />

einer gütlichen Regelung bleibt. Die Untersuchung<br />

der Hauptfragen (eine öffentliche<br />

mündliche Verhandlung und geheime Beratungen)<br />

und die Urteilsfindung wird generell<br />

von einer Kammer aus 9 RichterInnen<br />

vorgenommen, mit der Möglichkeit den Fall<br />

vor das Plenum zu bringen. Bei Staatenbeschwerden<br />

bereitet der Gerichtshof nur vor,<br />

das Ministerkomitee verhandelt und entscheidet.<br />

Die Durchführung der Urteile wird<br />

vom Ministerkomitee überwacht.<br />

2. Zweiinstanzliches<br />

Verfahren<br />

Dieser Vorschlag geht davon aus, eine Verbesserung<br />

des Verfahrens bereits mit einer<br />

weniger weitgehenden Lösung, als die Zusammenlegung<br />

eine wäre, zu erzielen. Das<br />

derzeitige Verfahren und die zwei EMRK­<br />

Organe, Gerichtshof und Kommission, bleiben<br />

bestehen, jedoch werden die Kompetenzen<br />

der Kommission erweitert: Bei zulässigen<br />

Individualbeschwerden wird die bisher<br />

unverbindliche Stellungnahme im Schlußbe-<br />

Seite 12<br />

richt der Kommission zu einer verbindlichen<br />

(endgültigen) Entscheidung. Gegen diese<br />

können sowohl der/die BeschwerdeführerIn<br />

als auch der betroffene Vertragsstaat beim<br />

Gerichtshof Berufung einlegen. Um eine<br />

Berufungsflut zu verhindern, wird der Gerichtshof<br />

oder eine Kammer des Gerichtshofs<br />

ermächtigt, den Fall nach genau festgelegten<br />

Kriterien vorzuprüfen. So könnte sichergestellt<br />

werden, daß der Gerichtshof<br />

sich nur mit Fällen beschäftigt, die wesentliche<br />

Fragen bezüglich der Interpretation oder<br />

dem Zuständigkeitsbereich der EMRK aufwerfen<br />

oder aus sonstigen Gründen einer genaueren<br />

Betrachtung durch den Gerichtshof<br />

bedürfen. Der Gerichtshof sollte in der Regel<br />

die Sachverhaltsfeststellungen der Kommission<br />

übernehmen, allerdings ohne Präklusion<br />

der Erhebung neuer Tatsachen, und<br />

sich nur mit Rechtsfragen beschäftigen.<br />

a. Organe: Die bisherigen EMRK-Organe<br />

bleiben bestehen, alle~dings mit veränderten<br />

Aufgaben. Die Fragen, ob diese Organe<br />

auf Teilzeit- oder Vollzeitbasis arbeiten<br />

und aus wievielen Richterinnen der Gerichtshof<br />

zusammengesetzt ist, sind noch<br />

nicht geklärt. Die Kommission wird zum Organ<br />

erster Instanz; die Anzahl der Mitglieder<br />

entspricht denen der EMRK-Vertragsstaaten;<br />

sie entscheidet in Kammern. Der Gerichtshof<br />

wird zum Organ zweiter Instanz,<br />

bei dem beide Parteien Berufung einlegen<br />

können. Er könnte aus gleichvielen RichterInnen<br />

bestehen, wie der Europarat Mitglieder<br />

hat. Das Ministerkomitee überwacht die<br />

Durchführung der Entscheidungen und Ur-\<br />

teile und behält seine bisherige Entscheidungsbefugnis<br />

bei Staatenbeschwerden.<br />

b. Verfahren: Das Verfahren vor der<br />

Kommission (1. Instanz) wird beibehalten<br />

(Zulässigkeitsprüfung, Sachverhaltsfeststellung,<br />

gütliche Regelung, Entscheidung). Jedoch<br />

müßten einige Verfahrensschritte des<br />

bisherigen in camera Verfahrens öffentlich<br />

geführt werden, z. B. die mündliche Verhandlung.<br />

Das Verfahren vor dem Gerichtshof<br />

(2. Instanz) wird folgendermaßen geändert:<br />

Berufung durch eine der Parteien innerhalb<br />

einer bestimmten Frist; Vorprüfung<br />

der Berufung bezüglich Zulässigkeit durch<br />

den Gerichtshof oder eine Kammer; Urteil<br />

des Gerichtshofs; der Gerichtshof sollte nur<br />

mehr Rechtsfragen erörtern und nicht mehr<br />

(so wie jetzt) Fragen der Zu lässigkeit und<br />

des Sachverhalts.<br />

Das Ministerkomitee überwacht die<br />

Durchführung der Entscheidungen und Urteile.<br />

3. Vorschlag<br />

Dieser Vorschlag ist eine Kombination aus<br />

den ersten beiden Vorschlägen: Das zweiinstanzliche<br />

Verfahren soll bei einem einzigen<br />

Gerichtshof ermöglicht werden, in dem die<br />

Kammern, anstelle der Kommission, als erste<br />

Instanz, und das Plenum, anstelle des Gerichtshofs,<br />

als zweite Instanz entscheiden.<br />

JURIDIKUM<br />

Zusammenfassend lassen sich folgende<br />

Parallelen und Unterschiede feststellen:<br />

Parallelen: Verstärkung des <strong>recht</strong>lichen<br />

Charakters des Verfahrens, indem die Entscheidungs<br />

befugnis des Ministerkomitees<br />

bei Individualbeschwerden aufgegeben wird;<br />

der Schwerpunkt der Sachverhaltsfeststellung<br />

und der Enrscheidungsfindung liegt in<br />

der Regel bei nur mehr einem juristischen<br />

Organ; Beibehaltung des Zulässigkeitsverfahrens/Filterfunktion;<br />

Zulässigkeitsverfahren in<br />

camera, mündliche Verhandlung öffentlich;<br />

Entscheidungen werden von Kammern getroffen;<br />

die Möglichkeit einer gütlichen Regelung<br />

wird beibehalten; Waffengleichheit<br />

von Beschwerdeführerln und Staat; Staatenbeschwerden<br />

könnten weiterhin vom Ministerkomitee<br />

entschieden werden.<br />

Unterschiede: Berufungsmöglichkeit<br />

im zweiinstanzlichen Vorschlag; kürzere Verfahrensdauer<br />

bei Zusammenlegung; obwohl<br />

angenommen werden kann, daß beim zweiinstanzlichen<br />

Vorschlag die meisten Fälle<br />

durch die Entscheidung der Kommission beendet<br />

würden; mögliche Verdoppelung der<br />

Arbeit beim zweiinstanzlichen Vorschlag,<br />

eventuell mit dem Vorteil einer höheren<br />

Qualität und Autorität der endgültigen Entscheidung;<br />

geringere Verfahrenskosten der<br />

Parteien bei Zusammenlegung; die Einführung<br />

eines einzigen Gerichtshofs/Zusammenlegung<br />

bedarf eines Zusatzprotokolls<br />

und wahrscheinlich langwieriger Verhandlungen;<br />

der zweiinstanzliche Vorschlag<br />

könnte entweder durch ein Zusatz- oder ein<br />

Fakultativprotokoll verwirklicht werden (das<br />

Zusatzprotokoll tritt erst nach Ratifikation<br />

durch alle Vertragsstaaten in Kraft, das Fakultativprotokoll<br />

bereits nach Ratifikation<br />

durch eine bestimmte Anzahl von Vertragsstaaten).<br />

Die Entscheidung des Ministerkomitees<br />

für eine der dargestellten Varianten<br />

wird sowohl von politischen und juristischen<br />

Überlegungen als auch von den veranschlagten<br />

Kosten abhängen. Zu den Kosten läßt<br />

sich derzeit nur sagen, daß diese unter anderem<br />

von folgenden Faktoren mitbestimmt<br />

werden: sind die Mitglieder der Organe volloder<br />

teilzeit beschäftigt; gibt es "Advocates<br />

General "; gibt es eine/n Referendarln<br />

und/oder ein Sekretariatsmitglied für jede/n<br />

RichterIn; wieviele RichterInnen hat der<br />

Gerichtshof bei einem zweiinstanzlichen<br />

Verfahren Aus rein finanzieller Sicht kann<br />

keiner der Varianten der Vorzug gegeben<br />

werden. Den Forderungen nach mehr Effizienz,<br />

Straffung und Beschleunigung des Verfahrens<br />

wird die Zusammenlegung zu einem<br />

einzigen Gerichtshof wohl am ehesten ge<strong>recht</strong>.<br />

Da jedoch auch bei den Kommissionsmitgliedern<br />

die Meinungen sehr geteilt sind,<br />

darf man auf eine endgültige Entscheidung -<br />

die sicher noch lange auf sich warten lassen<br />

wird - gespannt sein. .Jk.f.ll!~hl!••<br />

IfII.<br />

Mag. Susanne Jaquemar, derzeit Rechtspraktikantin,<br />

arbeitete von Jänner bis Juli 1992 im Sekretariat der<br />

Europäischen Menschen<strong>recht</strong>skommission als Juristin.<br />

Nr4/92

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