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Wikileaks: Fragen und Thesen - aendres.de

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<strong>Wikileaks</strong>: <strong>Fragen</strong> <strong>und</strong> <strong>Thesen</strong><br />

© R. Bayer, 8.2.2011<br />

Ich stelle zunächst nur <strong>Fragen</strong> <strong>und</strong> <strong>Thesen</strong> auf, um die Diskussion kurz zu halten <strong>und</strong><br />

das Problem too long-not read zu vermei<strong>de</strong>n.<br />

Vorgeschichte<br />

Meine wichtigste Quelle ist Staatsfeind <strong>Wikileaks</strong> [SW] von <strong>de</strong>n Spiegel-Redakteuren<br />

Marcel Rosenbach <strong>und</strong> Holger Stark. Nach <strong>de</strong>r Lektüre hatte ich eine differenzierte,<br />

aber klare Meinung, die ich hier aber noch nicht wie<strong>de</strong>rgeben will. Dann habe ich<br />

Kurz- <strong>und</strong> Langfassung von Collateral Mur<strong>de</strong>r angesehen. Meine Conclusio: Wer<br />

Collateral Mur<strong>de</strong>r nicht gesehen hat, <strong>de</strong>r sollte zu <strong>Wikileaks</strong> schweigen.<br />

Collateral Mur<strong>de</strong>r, eine Gewissensfrage<br />

Nach<strong>de</strong>m ich Collateral Mur<strong>de</strong>r gesehen hatte, habe ich mir zwei <strong>Fragen</strong> gestellt:<br />

1. Was hätte ich getan, wenn ich Bradley Manning gewesen wäre<br />

2. Was hätte ich getan, wenn ich Julian Assange gewesen wäre<br />

Diese <strong>Fragen</strong> sollte je<strong>de</strong>r für sich selbst beantworten, bevor er über <strong>Wikileaks</strong> urteilt.<br />

Meine Antworten behalte ich für mich, nur so viel: ich hätte auf keinen Fall Manning<br />

o<strong>de</strong>r Assange sein mögen.<br />

Staatsgeheimnisse <strong>und</strong> Enthüllungen<br />

Die Emser Depesche<br />

1. Wie wäre die Geschichte verlaufen, wenn Bismarck die Emser Depesche nicht<br />

gefälscht hätte Darüber gibt es sicher Abhandlungen von Historikern, da<br />

kenne ich mich nicht aus.<br />

2. Was wäre passiert, wenn <strong>de</strong>r Funker o<strong>de</strong>r sonst jemand versucht hätte, die<br />

ungekürzte Depesche sofort zu enthüllen<br />

Der Irak-Krieg<br />

Was wäre passiert, wenn<br />

1. Colin Powell in seiner Re<strong>de</strong> vor <strong>de</strong>m UN-Sicherheitsrat am 5. Februar 2003<br />

nicht gelogen hätte<br />

2. die angeblichen Quellen für die Existenz von Weapons of Mass Destruction<br />

öffentlich gewesen wären<br />

Prinzipien von <strong>Wikileaks</strong><br />

Aus <strong>de</strong>r oben genannten Quelle [SW] habe ich folgen<strong>de</strong> Gr<strong>und</strong>sätze von <strong>Wikileaks</strong><br />

abgeleitet, die ich alle für falsch halte:<br />

1. Alle Hierarchien führen zu geheimen Verschwörungen <strong>und</strong> sind <strong>de</strong>shalb abzulehnen:<br />

Das ist zwar oft so, aber nicht immer, hier muss man differenzieren. In<br />

vielen Bereichen läuft ohne Hierarchien kaum etwas, obwohl es Ausnahmen<br />

gibt.<br />

1


2. Alles sollte total transparent sein: Keine Ehe, keine Fre<strong>und</strong>schaft <strong>und</strong> keine<br />

Familie wür<strong>de</strong> das lange überleben.<br />

3. Enthüllungen sollen ohne Kürzung o<strong>de</strong>r Editing publiziert wer<strong>de</strong>n: dann wird<br />

das meiste nicht gelesen: too long-not read!<br />

<strong>Wikileaks</strong> <strong>und</strong> seine eigenen Prinzipien<br />

Aufschlussreich fin<strong>de</strong> ich, dass <strong>Wikileaks</strong> seine eigenen Prinzipien völlig ignoriert:<br />

1. <strong>Wikileaks</strong> wird von Assange total autokratisch geführt. Richtig ist, dass sich<br />

<strong>de</strong>shalb auch innerhalb von <strong>Wikileaks</strong> Verschwörungen gebil<strong>de</strong>t haben, siehe<br />

z.B. Domscheit-Berg <strong>und</strong> sein Openleaks.<br />

2. <strong>Wikileaks</strong> ist selbst extrem geheimnisvoll (siehe [SW] für Details) <strong>und</strong> ich erwarte,<br />

dass die Geheimnisse von <strong>Wikileaks</strong> <strong>de</strong>mnächst selbst enthüllt wer<strong>de</strong>n,<br />

z.B. über Openleaks.<br />

3. Dieses Prinzip ist höchst problematisch, vor allem im Grenzbereich zum Privaten<br />

(z.B. GPS Koordinaten von Kollaborateuren in <strong>de</strong>n Afghanistan Berichten).<br />

<strong>Wikileaks</strong> hat das Problem erkannt <strong>und</strong> von Collateral Mur<strong>de</strong>r selbst eine<br />

Kurzfassung geschnitten. Bei <strong>de</strong>n diplomatischen Depeschen wur<strong>de</strong>n mehrere<br />

seriöse Zeitungen eingeschaltet.<br />

Schwarm Intelligenz<br />

<strong>Wikileaks</strong> setzt auf die ungekürzte Enthüllung mit <strong>de</strong>m Argument <strong>de</strong>r Schwarm Intelligenz,<br />

die das gesamte Material kollektiv analysieren <strong>und</strong> <strong>de</strong>stillieren soll. Wie soll<br />

das geschehen (immer wie<strong>de</strong>r too long-not read) Bisher habe ich von dieser<br />

Schwarm Intelligenz nichts gesehen außer <strong>de</strong>n Zeitungsberichten von professionellen<br />

Journalisten <strong>und</strong> <strong>de</strong>m alles überragen<strong>de</strong>n Schlagwort von <strong>de</strong>r Teflon Merkel.<br />

Kennt jemand ein gutes Beispiel von funktionieren<strong>de</strong>r Schwarm Intelligenz außer <strong>de</strong>r<br />

Open Software Bewegung Bei <strong>de</strong>n meisten Schwärmen, die ich kenne, fliegt/rennt<br />

einer voraus <strong>und</strong> alle an<strong>de</strong>ren ziemlich blind hinterher. Man könnte hier auch <strong>de</strong>n<br />

zynischen F.J.Strauß zitieren: Vox populi, vox Rindvieh!<br />

Folgen von <strong>Wikileaks</strong><br />

Jetzt wer<strong>de</strong> ich spekulativ:<br />

1. Für mehr Transparenz wäre eine gesetzliche, zeitliche Beschränkung von<br />

Staatsgeheimnissen, z.B. 3 Jahre interessant (hätten Bismarck <strong>und</strong> Powell<br />

dann auch gelogen). Sie sollte in <strong>de</strong>n meisten Fällen kürzer sein als eine parlamentarische<br />

o<strong>de</strong>r präsidiale Amtsperio<strong>de</strong>, um das Risiko <strong>de</strong>r Bloßstellung<br />

groß zu machen.<br />

2. Wer<strong>de</strong>n in Zukunft staatliche <strong>und</strong> militärische Geheimnisse besser geschützt<br />

o<strong>de</strong>r gar nicht erst aufgezeichnet o<strong>de</strong>r möglichst bald gelöscht, um Beweise<br />

zu vernichten Ich habe von einer Patentabteilung gehört, die keine E-Mails<br />

o<strong>de</strong>r schriftlichen Berichte will, son<strong>de</strong>rn alles per Telefon erledigt. Der Anwalt<br />

macht sich dann private Notizen, die kaum nachweisbar sind <strong>und</strong> es gibt keine<br />

glaubhaften Zeugen/Beweise.<br />

3. Einfachster, schnellster <strong>und</strong> wahrscheinlichster Weg: repressivere Gesetze.<br />

Der Verrat an Bradley Manning wirkt abschreckend <strong>und</strong> erhöht sicher die Hür<strong>de</strong><br />

für Enthüllungen, ganz gleich wie gerechtfertigt sie sein mögen.<br />

2


<strong>Wikileaks</strong> <strong>und</strong> wir Informatiker<br />

<strong>Wikileaks</strong> könnte auf Informationssysteme schnell gravieren<strong>de</strong> Auswirkungen haben,<br />

z.B.<br />

1. Mehr Kryptographie<br />

2. Schließung von Sicherheitslücken in Betriebssystemen, vielleicht bekommen<br />

wir auf diesem Umweg endlich mal akzeptable Systeme, obwohl ich befürchte,<br />

dass die großen 3 (Google, Microsoft <strong>und</strong> Apple) fast nur an <strong>de</strong>r Maximierung<br />

von Profit interessiert sind <strong>und</strong> Sicherheit hintan stellen. Ob Android eine wesentliche<br />

Verbesserung bringen wird kann ich nicht beurteilen.<br />

3. Kleinere, abgeschottete Systeme mit begrenztem Zugang.<br />

4. Besseres I<strong>de</strong>ntity Management <strong>und</strong> mit Protokollierung aller Zugriffe Das Positionspapier<br />

<strong>de</strong>r GI zu diesem Thema fin<strong>de</strong> ich nicht hilfreich, viel zu abstrakt<br />

<strong>und</strong> cloudy.<br />

5. Auswirkungen auf Cloud Computing<br />

6. Integriertes Verfallsdatum für Daten mit zeitlich getriggerter automatischer Löschung<br />

7. Welche Rolle kann die GI spielen<br />

Die Liste <strong>de</strong>r I<strong>de</strong>en kann man noch lang fortsetzen, ich überlasse dieses Feld lieber<br />

kompetenteren Kollegen. Ich bin zufrie<strong>de</strong>n, wenn diese <strong>Fragen</strong> <strong>und</strong> <strong>Thesen</strong> einen<br />

Prozess in Gang setzen.<br />

3

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