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Kunst geht in die Natur

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„<strong>Kunst</strong> <strong>geht</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> Fabrik“<br />

wie wir das später nannten. Das f<strong>in</strong>g mit großen Drucken großer Meisterwerke<br />

<strong>in</strong> der Berl<strong>in</strong>er Fabrik an. Wir spürten, da kam e<strong>in</strong>e neue Qualität <strong>in</strong> <strong>die</strong> Arbeitswelt,<br />

<strong>in</strong> der <strong>Kunst</strong> eigentlich ke<strong>in</strong>en Platz hat. Das beflügelte uns, konsequent<br />

weiterzumachen. Und dazu gab es genug Gelegenheit beim Neubau der<br />

Herta-Fabrik <strong>in</strong> Herten.<br />

Mit dem Architekten Werner Ruhnau bauten wir e<strong>in</strong> sensationell zukunftsweisendes<br />

Büro- und Sozialgebäude. Da war Platz für <strong>Kunst</strong>, das bot sich an wie<br />

e<strong>in</strong>e <strong>Kunst</strong>halle, im wahrsten S<strong>in</strong>ne des Wortes. Aber jetzt waren es Orig<strong>in</strong>ale<br />

von zeitgenössischen Künstlern.<br />

Die neue Fabrik war von Technik und Effizienz bestimmt. Ich er<strong>in</strong>nere mich<br />

an e<strong>in</strong>en Rundgang mit dem Betriebsratsvorsitzenden, Scharpw<strong>in</strong>kel war se<strong>in</strong><br />

Name, und er war Metzgermeister. „Chef“, sagte er, „das empf<strong>in</strong>de ich als<br />

Am Anfang e<strong>in</strong>e große, graue Wand. Mit den ersten Gravuren und P<strong>in</strong>selstrichen<br />

<strong>die</strong> Wandlung, e<strong>in</strong>e neue Qualität. Die Arbeiter<strong>in</strong>nen und Arbeiter<br />

wurden „Zeugen“ e<strong>in</strong>es künstlerischen „Zeugungsprozesses“. Erst kritisierten<br />

sie: „Das soll <strong>Kunst</strong> se<strong>in</strong>, das könnte me<strong>in</strong>e zehnjährige Tochter auch machen“,<br />

dann schätzen und liebten sie „ihre“ <strong>Kunst</strong>werke.<br />

E<strong>in</strong> ebenso spannender, tief berührender Wandlungsprozess fand <strong>in</strong> der großen<br />

neuen Schlachthalle im Werk Artland statt. <strong>Kunst</strong> im Schlachthaus, das <strong>geht</strong><br />

doch nicht, <strong>die</strong> Hygienevorschriften! Und, ist das nicht e<strong>in</strong>e Provokation<br />

Töten und <strong>Kunst</strong>!<br />

Wolf Vostell setzte draußen vor <strong>die</strong> großen Fenster „Die Fenster der Welt“,<br />

ethnologische Figuren aus anderen Welten. In e<strong>in</strong>em Fenster schaut e<strong>in</strong>e<br />

afrikanische Figur, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em anderen e<strong>in</strong> Samurai, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em dritten e<strong>in</strong>e griechische<br />

Gött<strong>in</strong> und <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em vierten zwei ch<strong>in</strong>esische Tempelwächter dem<br />

Geschehen zu.<br />

Wolf Vostell <strong>in</strong> der<br />

Verpackungsabteilung<br />

bei Herta <strong>in</strong> Herten<br />

Wolf Vostell im Schlachthaus bei<br />

Artland, im H<strong>in</strong>tergrund <strong>die</strong> Metzger<br />

am Schlachtband<br />

ungerecht. Die <strong>in</strong> den Büros haben bequeme Arbeitsplätze und e<strong>in</strong>en warmen<br />

H<strong>in</strong>tern, und jetzt bekommen sie auch noch <strong>Kunst</strong>. Was ist mit uns Metzgern<br />

<strong>in</strong> der kalten Fabrik“ Das war der Anstoß zum Nachdenken, der Mann<br />

hatte ja recht. Jetzt kamen <strong>die</strong> Vostells, Geigers, Krickes und andere. Immer<br />

<strong>die</strong> Frage an den Künstler: „Trauen Sie sich das zu, große, laute Fabrikhallen,<br />

vollgestopft mit Technik“ Und traue ich mich Wir wurden oft Zeugen e<strong>in</strong>es<br />

Wandlungsprozesses. Ich er<strong>in</strong>nere mich an solche „Zeugungsakte“, zum Beispiel,<br />

als Wolf Vostell <strong>in</strong> der großen Verpackungsabteilung im Werk Herten<br />

„Hommage à Altamira“, e<strong>in</strong> 4 x 17 Meter großes Sgraffito al fresco schuf.<br />

Wolf Vostell war e<strong>in</strong>er der Gründer der Fluxus-Bewegung. Ich habe viele Jahre<br />

mit ihm <strong>Kunst</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> Fabriken gebracht (und viel von <strong>die</strong>sem klugen Mann<br />

gelernt).<br />

Die Ause<strong>in</strong>andersetzung mit e<strong>in</strong>er neuen, nie erlebten Weise hatte begonnen:<br />

<strong>Kunst</strong> <strong>in</strong> der tristen Arbeitswelt. Die <strong>Kunst</strong> hatte nun Zeit, ihre Wirkung,<br />

ihre „Arbeit“ zu tun, wozu sie im Museum kaum Gelegenheit hat. Sie hat<br />

<strong>die</strong> Menschen <strong>in</strong> me<strong>in</strong>en Fabriken, das war spürbar, nachhaltig verändert. Sie<br />

g<strong>in</strong>gen anders mite<strong>in</strong>ander und mit ihren Aufgaben um. Ich hatte nicht <strong>die</strong><br />

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