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Lebensbedrohliche peri/(post)-partale Blutungen - Vascularcare.de

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Originalie<br />

<strong>Lebensbedrohliche</strong> <strong>peri</strong>/(<strong>post</strong>)-<strong>partale</strong> <strong>Blutungen</strong><br />

WERNER RATH, MEDIZINISCHE FAKULTÄT, RWTH AACHEN<br />

Jährlich kosten schwere <strong>peri</strong>/(<strong>post</strong>)-<strong>partale</strong> <strong>Blutungen</strong><br />

(PPH) min<strong>de</strong>stens 140.000 Frauen das<br />

Leben, d.h. alle vier Minuten stirbt eine Frau an<br />

diesen Komplikationen. Damit stehen schwere<br />

PPH mit einem Anteil von 25% gemeinsam mit<br />

Thromboembolien an erster Stelle <strong>de</strong>r mütterlichen<br />

To<strong>de</strong>sursachen [1]. Schwere Verlaufsformen<br />

<strong>de</strong>r vorzeitigen Plazentalösung sind in Folge<br />

einer verbesserten sonografischen Diagnostik<br />

und einem aktiven geburtshilflichen Management<br />

heute seltener als noch vor zwanzig Jahren;<br />

eine disseminierte intravasale Gerinnung<br />

(DIG) tritt nur in bis zu 10% dieser Fälle auf, die<br />

mütterliche Letalität konnte unter 1% gesenkt<br />

wer<strong>de</strong>n.<br />

Häufigste Ursachen <strong>peri</strong>/(<strong>post</strong>)-<strong>partale</strong>r <strong>Blutungen</strong><br />

Direkte Blutverluste<br />

• Uterusatonie<br />

• Geburtstraumatische Verletzungen<br />

(einschl. Uterusruptur)<br />

• Plazentaretention/ Plazentaimplantationsstörungen<br />

(Pl. accreta, increta, percreta)<br />

• Blutungsverstärkung durch<br />

angeborene und erworbene<br />

Hämostasestörungen<br />

Verlust-/Verdünnungs ­<br />

koagulopathie<br />

Disseminierte intra vasale<br />

Gerinnung/Verbrauchskoagulopathie<br />

• Vorzeitige Plazentalösung<br />

• Septische Erkrankungen<br />

(z.B.Chorioamnionitis)<br />

• Fruchtwasserembolie (sehr selten)<br />

• Schwere Präeklampsie/Eklampsie/<br />

HELLP-Syndrom<br />

• Ausge<strong>de</strong>hnte Gewebetraumatisierung<br />

unter <strong>de</strong>r Geburt<br />

Die <strong>post</strong><strong>partale</strong> Uterusatonie mit schwallweiser<br />

massiver Blutung aus <strong>de</strong>m schlaffen Uterus<br />

betrifft 2 bis 8% aller Gebären<strong>de</strong>n. Sie ist die<br />

häufigste Ursache <strong>de</strong>r PPH und kam bis vor kurzem<br />

bei 75 bis 82 % aller Geburten vor [8]. Die<br />

zunehmend aktive Leitung <strong>de</strong>r Nachgeburts<strong>peri</strong>o<strong>de</strong><br />

und die rechtzeitige und „aggressive“ medikamentöse<br />

Therapie <strong>de</strong>r Uterusatonie haben in<br />

<strong>de</strong>n letzten Jahren die Häufigkeit dieser unkalkulierbaren<br />

und lebensbedrohlichen Blutungskomplikation<br />

auf anteilsmäßig 53 % senken können<br />

[4]. Demgegenüber nimmt als Folge stetig steigen<strong>de</strong>r<br />

Sectioraten <strong>de</strong>r Anteil an Plazentaimplantationsstörungen<br />

(Placenta accreta, increta, percreta)<br />

<strong>de</strong>utlich zu und macht <strong>de</strong>rzeit etwa 39%<br />

an PPH aus [4].<br />

Ein für <strong>de</strong>n Geburtshelfer oft schwieriger zu beherrschen<strong>de</strong>s<br />

und diagnostizieren<strong>de</strong>s Problem ist<br />

die Entwicklung einer disseminierten intravasalen<br />

Gerinnung (DIG) mit Verbrauchskoagulopathie;<br />

diese tritt vor allem im Zusammenhang mit einer<br />

vorzeitigen Plazentalösung, septischen Zustän<strong>de</strong>n,<br />

schwerer Präeklampsie/Eklampsie/HELLP-<br />

Syndrom o<strong>de</strong>r aber sehr selten nach Fruchtwasserembolie<br />

(1:13.000 Geburten) auf. Laut<br />

mütterlicher Letalitätsstatistik kommt dabei <strong>de</strong>n<br />

Hämostasestörungen mit tödlichen Blutungskomplikationen<br />

beim HELLP-Syndrom zunehmen<strong>de</strong><br />

Be<strong>de</strong>utung zu [18]. Gera<strong>de</strong> die als Folge<br />

<strong>de</strong>r PPH entstehen<strong>de</strong>n Gerinnungsstörungen<br />

bedürfen einer engen interdisziplinären Kooperation,<br />

vor allem mit <strong>de</strong>n Kollegen <strong>de</strong>r Anästhesie/Intensivmedizin<br />

und <strong>de</strong>r Hämostaseologie.<br />

Die nebenstehen<strong>de</strong> Abbildung 1 zeigt die häufigsten<br />

Ursachen <strong>de</strong>r PPH, die im Folgen<strong>de</strong>n aus<br />

geburtshilflicher Sicht kurzgefasst dargestellt<br />

wer<strong>de</strong>n. Abbildung 2 gibt <strong>de</strong>n Algorithmus bei<br />

schweren <strong>peri</strong>/(<strong>post</strong>)-<strong>partale</strong>n <strong>Blutungen</strong> und die<br />

kausale Therapie <strong>de</strong>r Blutung wie<strong>de</strong>r.<br />

Abbildung 1:<br />

Häufigste Ursachen <strong>peri</strong>/(<strong>post</strong>)-<strong>partale</strong>r <strong>Blutungen</strong><br />

8 Vascular Care 1/2009 Vol. 16


Post<strong>partale</strong> Uterusatonie<br />

Etwa 80% aller Schwangeren weisen präpartal<br />

bekannte Risikofaktoren für eine <strong>post</strong><strong>partale</strong><br />

Uterusatonie auf (z.B. Über<strong>de</strong>hnungszustän<strong>de</strong><br />

<strong>de</strong>s Uterus bei Gemini, Hydramnion o<strong>de</strong>r Querlage,<br />

Uterus myomatosus, Chorioamnionitis, protrahierte<br />

Geburtsverläufe, Wie<strong>de</strong>rholungsrisiko<br />

in nachfolgen<strong>de</strong>r Schwangerschaft 25%). Daher<br />

ist eine <strong>de</strong>r wichtigsten Maßnahmen das Antizipieren<br />

<strong>de</strong>r Risikofaktoren für eine Uterusatonie<br />

und die Bereitstellung von Uterotonika in Griffnähe<br />

bei <strong>de</strong>r Geburt.<br />

Ein fataler Fehler besteht häufig in <strong>de</strong>r Unterschätzung<br />

<strong>de</strong>s Blutverlusts, da sich in <strong>de</strong>m<br />

schlaffen, atonen Uterus eine Blutmenge von bis<br />

zu einem Liter sammeln kann; damit kann eine<br />

Diskrepanz zwischen <strong>de</strong>r Blutungsstärke nach<br />

außen und <strong>de</strong>r Entwicklung eines Volumenmangelschocks<br />

entstehen. Darüber hinaus wird <strong>de</strong>r<br />

Blutverlust oft nicht gemessen und drastisch<br />

unterschätzt (unerkannter Blutverlust in Laken,<br />

auf <strong>de</strong>m Fußbo<strong>de</strong>n usw.); daher muss immer<br />

das abfließen<strong>de</strong> Blutvolumen gemessen wer<strong>de</strong>n<br />

(Cave: hämorrhagischer Schock, Verlustkoagulopathie)!<br />

Prognostisch richtungsweisend ist die rechtzeitige<br />

und konsequente Therapie nach einem<br />

je<strong>de</strong>m Geburtshelfer und je<strong>de</strong>r Hebamme<br />

bekannten Schema. Dieses besteht kurz gefasst<br />

in folgen<strong>de</strong>n Maßnahmen:<br />

– sofortige bimanuelle Kompression und<br />

Expression <strong>de</strong>s Uterus<br />

– adäquate Volumensubstitution über großlumigen<br />

Venenzugang (Venenzugänge)<br />

– intravenöse Applikation von Uterotonika nach<br />

folgen<strong>de</strong>m bekannten Eskalationsschema<br />

(Übersichten bei [8, 11])<br />

Abbildung 2:<br />

Algorithmus bei schweren <strong>peri</strong>/(<strong>post</strong>)-<strong>partale</strong>n <strong>Blutungen</strong><br />

Algorithmus bei schweren <strong>peri</strong>/(<strong>post</strong>)-<strong>partale</strong>n <strong>Blutungen</strong><br />

• Risikofaktoren bereits in <strong>de</strong>r Schwangerschaft antizipieren<br />

• Präventive Maßnahmen vor <strong>de</strong>r Geburt (Logistik, Infrastruktur)<br />

BLUTUNG<br />

• Rasche Diagnosestellung/Differenzierung <strong>de</strong>r Blutung<br />

• Volumensubstitution, Intensivüberwachung <strong>de</strong>r Mutter<br />

• rechtzeitig: Blutbild/Gerinnungsdiagnostik " Blut kreuzen<br />

" Erythrozytenkonzentrate/Gefrierplasma/Gerinnungsfaktoren,<br />

evtl. rekombinanten Faktor VIIa bereitstellen!<br />

• Anästhesie informieren<br />

Konservatives<br />

(medikamentöses)<br />

Vorgehen<br />

Konservative Maßnahmen<br />

• bimanuelle Kompression <strong>de</strong>s Uterus<br />

• Eskalationsschema: Uterotonika<br />

(Oxytocin – (Methergin ® ) – Sulproston)<br />

• intrauterine Kompression z.B.<br />

Bakri-Ballon, Tampona<strong>de</strong><br />

Arterielle Katheterembolisation<br />

(Infrastruktur, Zeitaufwand)<br />

Kausale Therapie <strong>de</strong>r Blutung<br />

Chirurgisches<br />

Vorgehen<br />

Chirurgische Maßnahmen<br />

• Kürettage (Plazentareste)<br />

• manuelle Plazentalösung<br />

(Placenta adhärens)/Kürettage<br />

• Uteruskompressionsnähte/durchgreifen<strong>de</strong><br />

Uterusnähte (Atonie,<br />

Blutung aus Plazentabett)<br />

• differenzierte Operationstechniken<br />

bei Plazentaimplantationsstörungen<br />

• ultima ratio: (suprazervikale)<br />

Hysterektomie<br />

Rechtzeitige Therapie <strong>de</strong>r Hämostasestörung,<br />

an rekombinanten Faktor VIIa <strong>de</strong>nken!<br />

Vascular Care 1/2009 Vol. 16 9


Originalie<br />

WERNER RATH, MEDIZINISCHE FAKULTÄT, RWTH AACHEN<br />

Nach Ausschöpfen aller konservativen<br />

Maßnahmen und<br />

Fortbestehen <strong>de</strong>r atonischen<br />

Blutung müssen unverzüglich<br />

operative Maßnahmen<br />

ergriffen wer<strong>de</strong>n ...<br />

Zunehmend in <strong>de</strong>n Fokus<br />

<strong>de</strong>r internationalen Literatur<br />

sind uteruserhalten<strong>de</strong> Kompressionsnähte<br />

geraten.<br />

1. *3 – 6 I.E. Oxytocin als Bolus (3 I.E. als Bolus<br />

+ 3 I.E. verdünnt und fraktioniert) + 10 – 40 I.E.<br />

Oxytocin in 500 – 1.000 ml Ringerlactat-Lösung<br />

(Cave: hämodynamische Wirkung von Oxytocin,<br />

z.B. Reflextachykardie, Erhöhung <strong>de</strong>s Herzminutenvolumens,<br />

passagerer Blutdruckabfall)<br />

– bei kardial vorbelasteten Schwangeren o<strong>de</strong>r<br />

kardiovaskulären Vorerkrankungen <strong>de</strong>r Mutter<br />

empfiehlt sich die intravenöse Applikation von<br />

5 I.E. Oxytocin in verdünnter Lösung über fünf<br />

Minuten [16].<br />

Gegen die Anwendung von Methylergometrin<br />

(Methergin ® ) bestehen zunehmend Vorbehalte,<br />

da inzwischen Berichte über schwere mütterliche<br />

Komplikationen (z.B. Koronarspasmen, Myokardinfarkte,<br />

zerebrale Angiopathien) mit To<strong>de</strong>sfolge<br />

publiziert wur<strong>de</strong>n (Übersicht bei [11]).<br />

2. Bei Oxytocin-refraktärer Blutung stellt die<br />

intravenöse Gabe von Sulproston (Nalador ® :<br />

1,7 – 8,3 ml/min) die Metho<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Wahl dar;<br />

die Effektivität dieser Metho<strong>de</strong> liegt bei<br />

90 bis 95%.<br />

Die Anwendung von Misoprostol (Cytotec ® ) gilt<br />

inzwischen als „off-license“ und „off-label use“,<br />

Prostaglandin F 2a<br />

ist in Deutschland kommerziell<br />

nicht mehr verfügbar.<br />

Nach Ausschöpfen aller konservativen Maßnahmen<br />

und Fortbestehen <strong>de</strong>r atonischen Blutung<br />

müssen unverzüglich operative Maßnahmen<br />

ergriffen wer<strong>de</strong>n; als Alternative kommt<br />

die Katheterembolisation <strong>de</strong>r Arteriae uterinae<br />

in Frage. Dabei sollte vor <strong>de</strong>r operativen Intervention<br />

möglichst die mütterliche Kreislauf- und<br />

Hämostasesituation durch Volumengabe und vor<br />

allem durch die Applikation von Erythrozytenkonzentraten<br />

und Gefrierplasma (ggf. Fibrinogenkonzentrate)<br />

stabilisiert wer<strong>de</strong>n (Anwendung<br />

von rekombinantem Faktor VIIa siehe im Folgen<strong>de</strong>n).<br />

Zunehmend in <strong>de</strong>n Fokus <strong>de</strong>r internationalen<br />

Literatur sind uteruserhalten<strong>de</strong> Kompressionsnähte<br />

geraten (z.B. B-Lynch-Naht, <strong>de</strong>ren Modifikation<br />

nach Hayman, Vierecksnaht nach Cho<br />

usw.); mit ihnen soll eine Verkleinerung <strong>de</strong>r<br />

Plazentahaftfläche und die Tampona<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Blutungsquellen<br />

erreicht wer<strong>de</strong>n. Indiziert sind<br />

solche Nähte bei diffusen uterinen <strong>Blutungen</strong><br />

nach Spontangeburt und bei Sectio caesarea; die<br />

Erfolgsrate von uteruserhalten<strong>de</strong>n Kompressionsnähten<br />

soll über 90% liegen (Übersicht bei [6]).<br />

Bei schweren geburtshilflichen Weichteilverletzungen,<br />

Implantationsstörungen, Uterusatonie<br />

sowie Zervix- und Abdominalgravidität ist<br />

die Katheterembolisation <strong>de</strong>r Arteriae uterinae<br />

eine vielversprechen<strong>de</strong> Metho<strong>de</strong>; ihre Erfolgsrate<br />

beträgt zwischen 80 und 100% [7]. In je<strong>de</strong>r<br />

geburtshilflichen Abteilung sollte abgeklärt wer<strong>de</strong>n,<br />

ob und in welcher Zeit diese Metho<strong>de</strong><br />

innerhalb <strong>de</strong>s Klinikums zur Verfügung steht.<br />

Die „ultima ratio“ in <strong>de</strong>r Behandlung <strong>de</strong>r schweren<br />

therapierefraktären Uterusatonie stellt die<br />

<strong>post</strong><strong>partale</strong> (im Allgemeinen suprazervikale)<br />

Hysterektomie dar (mütterliche Letalität: 1,0 –<br />

1,2%). Wichtig in diesem Zusammenhang ist<br />

die vorherige Stabilisation <strong>de</strong>r Patientin, da mit<br />

einem mittleren Blutverlust von zwei Litern zu<br />

rechnen ist (immer: Indikation und Durchführung<br />

durch einen erfahrenen Geburtshelfer!).<br />

10 Vascular Care 1/2009 Vol. 16


Geburtstraumatische Verletzungen (ca. 10%<br />

aller PPH) entstehen durch Uterusruptur, ausge<strong>de</strong>hnte<br />

Schei<strong>de</strong>nrisse, Verletzungen <strong>de</strong>r Zervix,<br />

parametrane <strong>Blutungen</strong> (Sonografie) o<strong>de</strong>r profuse<br />

<strong>Blutungen</strong> aus Episiotomien und Dammrissen,<br />

insbeson<strong>de</strong>re bei Varikosis. Klinisch<br />

richtungsweisend ist die Differenzierung zur Uterusatonie<br />

(schwallweise intermittieren<strong>de</strong> versus<br />

kontinuierliche Blutung) und die unverzügliche<br />

chirurgische Versorgung <strong>de</strong>r Läsionen unter optimaler<br />

Sicht, Volumensubstitution und rascher<br />

Narkosebereitschaft (Anästhesist im Hause).<br />

Retinierte Plazentareste betreffen 1: 300<br />

Geburten. Wegweisend sind verstärkte und<br />

anhalten<strong>de</strong> <strong>Blutungen</strong> nach Entwicklung <strong>de</strong>r Plazenta<br />

und eine mangelhafte Uteruskontraktion<br />

(nicht obligat). Die Diagnose wird gestellt durch<br />

<strong>post</strong><strong>partale</strong> Inspektion <strong>de</strong>r Plazenta (evtl. Zweitmeinung<br />

Geburtshelfer/Hebamme), Defekte in<br />

<strong>de</strong>r Plazentaoberfläche, <strong>Blutungen</strong> aus Plazenta<strong>de</strong>fekten<br />

sowie gegebenenfalls durch Sonografie<br />

<strong>de</strong>s Uterus. Um größere Blutverluste zu vermei<strong>de</strong>n<br />

ist die zeitnahe manuelle Austastung<br />

und Kürettage unter hoch dosierter Uterotonika-<br />

Gabe erfor<strong>de</strong>rlich.<br />

Lösungs(implantations)-störungen <strong>de</strong>r<br />

Plazenta: Je nach Invasionstiefe in das Myometrium<br />

wird zwischen Plazenta accreta, increta<br />

und percreta unterschie<strong>de</strong>n (Häufigkeit 1: 540<br />

bis 7.000 Geburten, zunehmen<strong>de</strong> Inzi<strong>de</strong>nz<br />

in Folge steigen<strong>de</strong>r Sectioraten). In 20% <strong>de</strong>r<br />

Fälle liegt zusätzlich eine Plazenta praevia vor.<br />

Dabei sind folgen<strong>de</strong> klinische Gesichtspunkte zu<br />

berücksichtigen [14]:<br />

– Prädisponieren<strong>de</strong> Faktoren antizipieren: z.B.<br />

vorangegangene Sectio, Kürettage, Myomenukleation,<br />

Plazentalösungsstörung in vorangegangener<br />

Schwangerschaft<br />

– Implantationsstörungen <strong>de</strong>r Plazenta sind<br />

heute mittels Sonografie und Dopplersonografie<br />

(z.B. Vor<strong>de</strong>rwandplazenta nach Sectio<br />

caesarea) bereits im II. Trimenon zu erkennen<br />

(typisch: Lakunenbildung und fehlen<strong>de</strong><br />

Abgrenzung zwischen Myometrium und Plazenta)<br />

→ Geburt in Perinatalzentrum!<br />

– Klinisches Vorgehen: Sofern sich die Plazenta<br />

nicht innerhalb von 30 Minuten nach <strong>de</strong>r<br />

Geburt <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s entwickeln lässt und/o<strong>de</strong>r<br />

Blutverlust > 500 ml: unverzügliche manuelle<br />

Lösung in Narkose/Regionalanästhesie, evtl.<br />

Nachkürettage (Ultraschall hilfreich), zusätzlich:<br />

hoch dosiert Uterotonika und Antibiotika<br />

– Bei frustranem Lösungsversuch und persistieren<strong>de</strong>m,<br />

Prostaglandin-resistentem Blutverlust:<br />

rechtzeitige operative Intervention, gegebenenfalls<br />

Hysterektomie, bei stabilem Kreislauf<br />

<strong>de</strong>r Mutter und radiologischer Interventionsbereitschaft<br />

beidseitige Uterinaembolisation erwägen<br />

– Mögliche operative Maßnahmen:<br />

*Sectiohysterektomie bei unstillbarer und<br />

anhalten<strong>de</strong>r schwerer Blutung aus <strong>de</strong>r<br />

Plazentahaftfläche<br />

* Kindsentwicklung unter Umgehung <strong>de</strong>r<br />

Plazentahaftfläche z.B. durch Fundusquerinzision<br />

(bei tief sitzen<strong>de</strong>r Vor<strong>de</strong>rwandplazenta)<br />

und Belassen <strong>de</strong>r Plazenta in utero<br />

* bei gesicherter Diagnose: Hysterektomie<br />

nach Kindsentwicklung ohne Versuch <strong>de</strong>r<br />

Plazentalösung [17]<br />

Grundsätzlich ist ein exspektatives Vorgehen bei<br />

belassener Plazenta über mehrere Wochen möglich<br />

und es kann zweizeitig die Spontangeburt<br />

<strong>de</strong>r Plazenta erfolgen [17].<br />

Grundsätzlich ist ein exspektatives<br />

Vorgehen bei<br />

belassener Plazenta über<br />

mehrere Wochen möglich<br />

und es kann zweizeitig die<br />

Spontangeburt <strong>de</strong>r Plazenta<br />

erfolgen.<br />

Vascular Care 1/2009 Vol. 16 11


Originalie<br />

WERNER RATH, MEDIZINISCHE FAKULTÄT, RWTH AACHEN<br />

Disseminierte intravasale<br />

Gerinnung und Verbrauchskoagulopathie<br />

Die Häufigkeit vorzeitiger Plazentalösungen ist<br />

in <strong>de</strong>n letzten 20 Jahren infolge einer gezielten<br />

sonografischen Diagnostik im Verdachtsfall<br />

auf bis zu 2,6% aller Geburten angestiegen;<br />

schwere Verlaufsformen mit Gerinnungsstörungen<br />

wer<strong>de</strong>n allerdings nur noch in bis zu 20%<br />

<strong>de</strong>r Fälle beobachtet. Das Ausmaß <strong>de</strong>r Hämostasestörung<br />

und die mütterliche und kindliche<br />

Prognose hängen entschei<strong>de</strong>nd vom Ausmaß <strong>de</strong>r<br />

Plazentaablösung (> 30%: akute Gefährdung<br />

<strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s) und von <strong>de</strong>r Latenzzeit zwischen<br />

Diagnosestellung und Schwangerschaftsbeendigung<br />

– zumin<strong>de</strong>st bei schwerer Plazentalösung –<br />

ab.<br />

Pathophysiologie <strong>de</strong>r Hämostasestörung<br />

bei vorzeitiger Plazentalösung<br />

vorzeitige Lösung<br />

Pathophysiologisch kommt es häufig in unterschiedlicher<br />

Reihenfolge zu einer Kombination<br />

aus Verlust-/Verdünnungskoagulopathie und<br />

Verbrauchskoagulopathie infolge DIG (Abb. 3).<br />

Das Problem im Einzelfall ergibt sich einerseits<br />

aus <strong>de</strong>m Blutverlust nach außen (in ca. 80% <strong>de</strong>r<br />

Fälle) und durch <strong>de</strong>n Blutverlust in das retroplazentare<br />

Hämatom (nicht selten >1 Liter) mit<br />

hämorrhagischem Schock und konsekutiven<br />

Mikrozirkulationsstörungen, die ihrerseits die<br />

Entwicklung einer DIG begünstigen. An<strong>de</strong>rerseits<br />

kommt es zu einer Einschwemmung von Tissue-<br />

Faktor aus <strong>de</strong>m Uteroplazentarbett bzw. aus<br />

<strong>de</strong>m retroplazentaren Hämatom über eröffnete<br />

venöse Gefäße <strong>de</strong>s Endometriums mit <strong>de</strong>r Folge<br />

einer thrombininduzierten, generalisierten und<br />

unterschiedlich schnell ablaufen<strong>de</strong>n Aktivierung<br />

<strong>de</strong>r intravasalen Gerinnung und <strong>de</strong>ren<br />

Folgen (Stadien <strong>de</strong>r DIG).<br />

Diese Vorgänge können in Verbindung mit einer<br />

<strong>post</strong>partal überschießen<strong>de</strong>n Fibrinolyse und <strong>de</strong>m<br />

offenen uterinen Wundbett innerhalb von ein<br />

bis zwei Stun<strong>de</strong>n zu einer klinisch manifesten<br />

hämorrhagischen Diathese führen [12].<br />

Blutung nach außen<br />

retroplaz. Hämatom<br />

hämorrhagischer Schock<br />

mit Mikrozirkulationsstörungen<br />

Einschwemmung thromboplastischer<br />

Substanzen<br />

" intravasale Gerinnungsaktvierung ###<br />

" Fibrin " Defizite an Hämostasefaktoren<br />

Verbrauch in retroplaz. Hämatom<br />

DIG<br />

„Verbrauchskoagulopathie“<br />

„Verlustkoagulopathie“<br />

(inadäquate Volumenzufuhr)<br />

(OP-bedingter Blutverlust)<br />

<strong>post</strong> partum:<br />

„überschießen<strong>de</strong>“ Hyperfibrinolyse<br />

(lokal, generalisiert)<br />

+ offenes uterines Wundbett<br />

hämorrhagische Diathese<br />

Abbildung 3: Pathophysiologie <strong>de</strong>r Hämostasestörung<br />

bei vorzeitiger Plazentalösung<br />

12 Vascular Care 1/2009 Vol. 16


Neben <strong>de</strong>r zeitnahen klinischen und sonografischen<br />

Diagnosestellung und <strong>de</strong>r Abschätzung<br />

<strong>de</strong>s Schweregrads (z.B. Volumetrie <strong>de</strong>s retroplazentaren<br />

Hämatoms durch Ultraschall) kommt<br />

einer raschen und differenzierten Gerinnungsanalytik<br />

analog <strong>de</strong>n Kriterien <strong>de</strong>r DIG prognostische<br />

Be<strong>de</strong>utung zu. Konsekutiv sollten die<br />

unverzügliche Beendigung <strong>de</strong>r Schwangerschaft<br />

(im Allgemeinen durch Sectio caesarea) und die<br />

rechtzeitige Substitution von Erythrozytenkonzentraten<br />

und Gefrierplasma, gegebenenfalls<br />

Fibrinogenkonzentraten, erfolgen. Keinesfalls<br />

darf in dieser Situation Heparin gegeben wer<strong>de</strong>n!<br />

Häufiger als bei vorzeitiger Lösung ist heute die<br />

Entwicklung einer DIG bei schwerer Präeklampsie<br />

(0,5 – 1%) sowie vor allem bei HELLP-Syndrom;<br />

bei Letzterem muss in Abhängigkeit vom<br />

Schweregrad und <strong>de</strong>r Latenzzeit zwischen Diagnosestellung<br />

und Schwangerschaftsbeendigung<br />

bei 4 bis 38% <strong>de</strong>r Patientinnen mit einer klinisch<br />

relevanten DIG gerechnet wer<strong>de</strong>n [10]. Der<br />

Schweregrad <strong>de</strong>r DIG korreliert mit <strong>de</strong>n laborchemischen<br />

Verän<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>s HELLP-Syndroms<br />

und <strong>de</strong>r mütterlichen Komplikationsrate. Insbeson<strong>de</strong>re<br />

zerebrale <strong>Blutungen</strong> können durch eine<br />

Hämostasestörung infolge DIG verstärkt wer<strong>de</strong>n<br />

und zum Tod <strong>de</strong>r Mutter führen.<br />

In <strong>de</strong>r Initialphase <strong>de</strong>r Erkrankung sind die globalen<br />

Gerinnungsparameter nur in 10 bis 42%<br />

<strong>de</strong>r Fälle pathologisch verän<strong>de</strong>rt [15]; bei foudroyant<br />

verlaufen<strong>de</strong>m HELLP-Syndrom ohne<br />

rechtzeitige Beendigung <strong>de</strong>r Schwangerschaft<br />

kann es aber innerhalb von Stun<strong>de</strong>n zu einer<br />

massiven DIG mit Verbrauchskoagulopathie<br />

kommen. Dies ist insbeson<strong>de</strong>re dann <strong>de</strong>r Fall,<br />

wenn gleichzeitig eine vorzeitige Plazentalösung<br />

(Häufigkeit: 9 – 16% beim HELLP-Syndrom) vorliegt,<br />

die ihrerseits bei schwerer Ausprägung in<br />

bis zu 35% <strong>de</strong>r Fälle mit einer DIG assoziiert ist.<br />

Dynamisch abfallen<strong>de</strong> Thrombozytenzahlen,<br />

Erniedrigung <strong>de</strong>r Antithrombin-Spiegel und<br />

<strong>de</strong>r rapi<strong>de</strong> Anstieg <strong>de</strong>r D-Dimere (Verlaufskontrolle!)<br />

weisen noch am ehesten auf einen<br />

schweren Krankheitsverlauf hin und erfor<strong>de</strong>rn<br />

zur Vermeidung lebensbedrohlicher mütterlicher<br />

Komplikationen die unverzügliche Schwangerschaftsbeendigung.<br />

Diskutiert wur<strong>de</strong> in diesem<br />

Zusammenhang immer wie<strong>de</strong>r die Anwendung<br />

von Heparin. Nach unseren und <strong>de</strong>n Erfahrungen<br />

an<strong>de</strong>rer sollte auf die Heparingabe aus<br />

folgen<strong>de</strong>n Grün<strong>de</strong>n verzichtet wer<strong>de</strong>n:<br />

Zum einen han<strong>de</strong>lt es sich in einer <strong>de</strong>rartigen<br />

geburtshilflichen Situation – vor allem dann,<br />

wenn ein Kaiserschnitt mit hoher Wahrscheinlichkeit<br />

zu erwarten ist – um ein offenes Gefäßsystem<br />

mit hoher Blutungsgefahr; zum an<strong>de</strong>ren<br />

gilt die Warnung vor Heparin in beson<strong>de</strong>rem<br />

Maße im Hinblick auf die bekannten, unvorhersehbaren<br />

Komplikationen <strong>de</strong>s HELLP-Syndroms<br />

und <strong>de</strong>r schweren Präeklampsie wie zerebrale<br />

<strong>Blutungen</strong>, Leberruptur und vorzeitige Plazentalösung.<br />

Darüber hinaus ist es zweifelhaft,<br />

ob in Fällen einer foudroyant ablaufen<strong>de</strong>n DIG<br />

die resultieren<strong>de</strong> Hämostasestörung überhaupt<br />

durch niedrig dosiertes Heparin effektiv kompensiert<br />

wer<strong>de</strong>n kann, zumal ohne <strong>de</strong>taillierte<br />

Kenntnisse spezifischer Gerinnungsparameter<br />

we<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Beginn noch <strong>de</strong>r Schweregrad <strong>de</strong>r<br />

Verbrauchsreaktion in <strong>de</strong>r Akutsituation richtig<br />

abgeschätzt wer<strong>de</strong>n können.<br />

Demzufolge ist die Definition einer adäquaten<br />

Heparindosis und <strong>de</strong>s effektiven Applikationszeitpunkts<br />

schwierig; einerseits sind daher Überdosierungen<br />

mit zusätzlicher Blutungsgefährdung<br />

<strong>de</strong>r Schwangeren oft unvermeidbar, an<strong>de</strong>rerseits<br />

wird bei bereits <strong>de</strong>fizitärem Hämostasesystem<br />

das Blutungsrisiko unkalkulierbar erhöht.<br />

Nicht zuletzt sprechen klinische Ergebnisse mit<br />

erhöhten Blutungskomplikationen gegen die<br />

Anwendung von Heparin [2]. Statt<strong>de</strong>ssen sollte<br />

bei einer AT-Aktivität unter 80% AT-Konzentrat<br />

zur Anwendung kommen. Das therapeutische<br />

Vorgehen bei Gerinnungsstörungen entspricht<br />

<strong>de</strong>m bei DIG.<br />

Neben <strong>de</strong>r zeitnahen klinischen<br />

und sonografischen<br />

Diagnosestellung und <strong>de</strong>r<br />

Abschätzung <strong>de</strong>s Schweregrads<br />

kommt einer raschen<br />

und differenzierten Gerinnungsanalytik<br />

analog <strong>de</strong>n<br />

Kriterien <strong>de</strong>r DIG prognostische<br />

Be<strong>de</strong>utung zu.<br />

Demzufolge ist die Definition<br />

einer adäquaten Heparindosis<br />

und <strong>de</strong>s effektiven<br />

Applikationszeitpunkts<br />

schwierig; einerseits sind<br />

daher Überdosierungen mit<br />

zusätzlicher Blutungsgefährdung<br />

<strong>de</strong>r Schwangeren oft<br />

unvermeidbar, an<strong>de</strong>rerseits<br />

wird bei bereits <strong>de</strong>fizitärem<br />

Hämostasesystem das Blutungsrisiko<br />

unkalkulierbar<br />

erhöht.<br />

Vascular Care 1/2009 Vol. 16 13


Originalie<br />

WERNER RATH, MEDIZINISCHE FAKULTÄT, RWTH AACHEN<br />

Allgemeine Behandlungsprinzipien<br />

bei <strong>peri</strong>/(<strong>post</strong>)-<br />

<strong>partale</strong>n <strong>Blutungen</strong><br />

Die allgemeinen Behandlungsprinzipien wur<strong>de</strong>n<br />

vor kurzem in einer interdisziplinären Leitlinie<br />

[14] mit folgen<strong>de</strong>n Inhalten zusammengefasst:<br />

A. Präventive Maßnahmen<br />

– frühzeitige Erfassung <strong>de</strong>r PPH-Risikofaktoren<br />

(siehe z.B. Uterusatonie, Plazentaimplantationsstörungen)<br />

– logistische Maßnahmen wie das Legen eines<br />

adäquaten Venenzugangs, Bereitstellung von<br />

Uterotonika, Verfügbarkeit eines Notfalllabors<br />

und zeitnahe Beschaffung von Erythrozytenkonzentraten,<br />

Gefrierplasma, Gerinnungsfaktoren,<br />

Antifibrinolytika (z.B. Tranexamsäure,<br />

Cyklokapron ® ), gegebenenfalls von rekombinantem<br />

Faktor VIIa (Novo Seven ® )<br />

– erfahrener Anästhesist und Geburtshelfer im<br />

Haus<br />

B. Standardisiertes Vorgehen bei Eintritt<br />

einer PPH<br />

– unbedingt Blutverlust messen!<br />

– rasche Abklärung <strong>de</strong>r Blutungsursache und<br />

ursachenabhängig medikamentöse und/o<strong>de</strong>r<br />

chirurgische Therapie<br />

– Intensivüberwachung <strong>de</strong>r Schwangeren<br />

inklusive Durchführung eines Notfalllabors,<br />

Kreuzprobe<br />

– zeitgerechte Behandlung <strong>de</strong>r Hämostasestörung:<br />

Erythrozytenkonzentrate, Gefrierplasma, evtl.<br />

Gerinnungsfaktoren, Applikation von rekombinantem<br />

Faktor VIIa immer vor eventueller<br />

Hysterektomie erwägen, an<strong>de</strong>re Hämostyptika<br />

– rechtzeitige operative Intervention bei Versagen<br />

konservativer Maßnahmen (situationsadaptiert),<br />

arterielle Katheterembolisation in<br />

Abhängigkeit von <strong>de</strong>r Logistik und <strong>de</strong>m Zeitaufwand<br />

im Klinikum erwägen<br />

– Kontrolle <strong>de</strong>r Hämostaseparameter min<strong>de</strong>stens<br />

alle vier Stun<strong>de</strong>n, in <strong>de</strong>r akuten Situation häufiger<br />

(ca. alle 30 Minuten)<br />

14 Vascular Care 1/2009 Vol. 16


Ungeachtet <strong>de</strong>s „off-label-use“ bei geburtshilflichen<br />

<strong>Blutungen</strong> stellt die Applikation von<br />

rekombinantem Faktor VIIa (Novo Seven ® ) nach<br />

Ausschöpfung aller chirurgischen und hämostatischen<br />

Maßnahmen eine vielversprechen<strong>de</strong><br />

Option dar. Die Rationale für die Anwendung<br />

von rekombinantem Faktor VIIa bei <strong>peri</strong><strong>partale</strong>n<br />

Blutungskomplikationen geht aus Abbildung 4<br />

hervor. Bisher gibt es in <strong>de</strong>r Geburtshilfe keine<br />

verbindlichen Angaben zur Dosierung von Faktor<br />

VIIa und zu <strong>de</strong>n Wie<strong>de</strong>rholungsintervallen/Wie<strong>de</strong>rholungsgaben.<br />

Üblich sind: 60 bis 120 µg/kg<br />

Körpergewicht als Bolus intravenös; bei weiter<br />

anhalten<strong>de</strong>r Blutung zweiter Bolus nach 15<br />

(bis 60) Minuten [3].<br />

Abbildung 4: Einfluss verschie<strong>de</strong>ner ätiologischer<br />

Faktoren <strong>de</strong>r DIG auf <strong>de</strong>n Tissue-Faktor<br />

Einfluss verschie<strong>de</strong>ner ätiologischer Faktoren <strong>de</strong>r DIG auf <strong>de</strong>n Tissue-Faktor<br />

geburtshilf. Komplikationen/<br />

Trauma<br />

plazentare Ischämie<br />

" Endothelaktivierung<br />

(z.B. HELLP)<br />

TNFa, Interleukine<br />

Sepsis<br />

Endotoxin,<br />

TNFa, IL-1<br />

Gewebsverletzung neutrophile Granulozyten neutrophile Granulozyten<br />

Tissue-Faktor (TF)<br />

F VII a<br />

F VII a<br />

F IX<br />

F IX a + F VIII a<br />

F X<br />

F X a + F V a<br />

Prothrombin Thrombin Mikrothromben DIG<br />

Vascular Care 1/2009 Vol. 16 15


Originalie<br />

WERNER RATH, MEDIZINISCHE FAKULTÄT, RWTH AACHEN<br />

Nach bisherigen Erfahrungen<br />

ermöglicht die Applikation<br />

von rekombinantem Faktor<br />

VIIa <strong>de</strong>m Geburtshelfer,<br />

wertvolle Zeit bis zur Durchführung<br />

chirurgischer Maßnahmen<br />

o<strong>de</strong>r bis zur Embolisierung<br />

zu gewinnen...<br />

Nach Kasuistiken liegt die Erfolgsrate <strong>de</strong>r Therapie<br />

mit rekombinantem Faktor VIIa bei über<br />

75%, <strong>de</strong>finiert durch eine Blutungsreduktion<br />

bzw. einen Blutungsstopp, <strong>de</strong>r Nicht-Notwendigkeit<br />

weiterer Blutkonserven und <strong>de</strong>n Uteruserhalt.<br />

Nach bisherigen Erfahrungen ermöglicht<br />

die Applikation von rekombinantem Faktor VIIa<br />

<strong>de</strong>m Geburtshelfer, wertvolle Zeit bis zur Durchführung<br />

chirurgischer Maßnahmen o<strong>de</strong>r bis zur<br />

Embolisierung zu gewinnen; das Risiko koagulopathiebedingter<br />

Folgeschä<strong>de</strong>n für die Mutter bis<br />

hin zum Verblutungstod kann effektiv reduziert<br />

wer<strong>de</strong>n. In diesen Fällen ist die Gabe von rekombinantem<br />

Faktor VIIa als therapeutischer Heilversuch<br />

gerechtfertigt.<br />

Zusammenfassung<br />

Peri/(<strong>post</strong>)-<strong>partale</strong> <strong>Blutungen</strong> stehen auch<br />

heute noch weltweit an führen<strong>de</strong>r Stelle<br />

mütterlicher To<strong>de</strong>sursachen. Das Antizipieren<br />

von Risikofaktoren bereits in <strong>de</strong>r<br />

Schwangerschaft und vor <strong>de</strong>r Geburt, die<br />

Prüfung und ständige Übung klar <strong>de</strong>finierter<br />

Handlungsmaßnahmen bei einer<br />

PPH einschließlich <strong>de</strong>ren Prävention durch<br />

medikamentöse Maßnahmen sowie eine<br />

rechtzeitige und zielgerichtete geburtshilfliche<br />

und hämostaseologische Diagnostik<br />

und Therapie sind richtungsweisend für<br />

die mütterliche Prognose. Entschei<strong>de</strong>nd ist<br />

immer die Stabilisierung <strong>de</strong>s mütterlichen<br />

Zustands u.a. durch Volumengabe und<br />

durch die Komponententherapie, insbeson<strong>de</strong>re<br />

vor operativen Interventionen.<br />

Die Anwendung von rekombinantem Faktor<br />

VIIa und <strong>de</strong>r Einsatz neuer Operationstechniken<br />

(z.B. Uteruskompressionsnähte)<br />

sowie die arterielle Katheterembolisaton<br />

können nicht nur <strong>de</strong>n Erhalt <strong>de</strong>s Uterus<br />

ermöglichen, son<strong>de</strong>rn im Einzelfall<br />

lebensrettend sein.<br />

Je<strong>de</strong> geburtshilfliche Klinik sollte über eine<br />

adäquate und in regelmäßigen Abstän<strong>de</strong>n<br />

zu prüfen<strong>de</strong> Infrastruktur verfügen, um<br />

schwere mütterliche Blutungskomplikationen<br />

effektiv und zeitnah zu behan<strong>de</strong>ln.<br />

Dabei stellt die soeben publizierte Leitlinie<br />

zum Thema eine gute Orientierungshilfe<br />

dar.<br />

Der Geburtshelfer ist gut beraten, bei<br />

Hämostasestörungen, insbeson<strong>de</strong>re bei <strong>de</strong>r<br />

Entwicklung einer DIG, rechtzeitig einen<br />

versierten Hämostaseologen hinzuzuziehen,<br />

um gemeinsam Morbidität und Mortalität<br />

durch diese unkalkulierbare und<br />

oft lebensbedrohliche Komplikation zu<br />

senken.<br />

16 Vascular Care 1/2009 Vol. 16


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Univ.-Prof. Dr. Werner Rath<br />

Medizinische Fakultät <strong>de</strong>r RWTH Aachen<br />

Gynäkologie und Geburtshilfe<br />

Wendlingweg 2<br />

52074 Aachen<br />

Vascular Care 1/2009 Vol. 16 17

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