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UNIVERSITÄT DER BUNDESWEHR MÜNCHEN

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218<br />

Aus der wissenschaftstheoretischen Perspektive ist festzustellen, dass die mit evidenzbasierten<br />

Leitlinien einhergehende Beschränkung der ärztlichen Freiheit auf die<br />

Spielräume in „Handlungs- und Entscheidungskorridoren“, auch nach dem Popper’schen<br />

Wissenschaftsverständnis, gerechtfertigt ist. Denn damit wird keine andere<br />

Forderung an den Heilkundigen erhoben, als die rational-vernünftige Beachtung von<br />

diagnostischen und therapeutischen Vorgehensweisen, wenn deren Überlegenheit<br />

durch empirische Vergleiche belegt ist.<br />

Insoweit kann im Leitliniengedanken kein Argument gefunden werden, mit dem dessen<br />

Ablehnung durch Ärzte vollständig zu rechtfertigen ist. Kritik an der evidenzbasierten<br />

Medizin kann demnach nicht als ausschließliche Folge der rationalen Bewertung<br />

medizinischer Sachverhalte erklärt werden, sondern ist zumindest anteilig auch<br />

intuitions-, sozialisations- oder interessengetrieben zu verstehen. 733 Wenn es gelänge,<br />

diese Ablehnung und die bisher oft geringe ärztliche Akzeptanz von Leitlinien zu<br />

überwinden und so die gelegentlich deutliche Kluft zwischen ärztlichem Wissen und<br />

ärztlichem Handeln zu schließen, wären über eine verstärkte Managementorientierung<br />

auch erkennbare Fortschritte bei den Behandlungsergebnissen, z.B. gegenüber<br />

chronischen Erkrankungen möglich. 734 Diese grundsätzliche Aussage behält auch für<br />

vernetzte Strukturen des Gesundheitswesens ihre Bedeutung. Denn nach Auffassung<br />

von Befürwortern einer Managementorientierung reicht die Verbreitung von<br />

Informationen auf der Basis evidenzbasierter Leitlinien für eine sektor-, disziplin- und<br />

praxisübergreifende Lösung komplexer Versorgungsprobleme nicht aus. Zusätzlich<br />

notwendige erste Schritte auf dem Weg zu einer verstärkten Professionalisierung<br />

und verlässlichen Kooperation liegen in der gemeinsamen Definition von medizinischen<br />

Behandlungsabläufen und konkreten Einzelschritten des Zusammenwirkens<br />

bei festgelegten medizinischen Sachverhalten, d.h. letztendlich in der Verabredung<br />

und Honorierung von Versorgungsprozessen auf der Basis von evidenzbasierten<br />

Leitlinien. 735<br />

Aufgrund des mit der Implementierung von Leitlinien verbundenen Ressourcenverzehrs,<br />

erscheint die Konzentration auf ausgewählte Leistungsbereiche sinnvoll. So<br />

könnten starke Unterschiede in der Kostenintensität alternativer Behandlungsmög-<br />

733 Vgl.Abschnitt 2.2.1; Hasenbein, U. et al., Compliance, 2003, S. 370; Porzsolt; F. / Ohletz, A., Standardisierung,<br />

2004, S. 155f.<br />

734 Vgl. Kirchner, H. / Ollenschläger, G., Evidenzbasierte Medizin, 2003, S. 64ff; Ollenschläger, G.,<br />

Bestandsaufnahme, 2004, S. 49f.<br />

735 Vgl. Lohmann, H. Strategische Ausrichtung, 2003, S. 189f; Ollenschläger, G., Bestandsaufnahme,<br />

2004, S. 51; Reinauer, H., Fachgesellschaften, 2004, S. 58f.;Tophoven, C., Integrierte Angebotsstrukturen,<br />

2003, S. 229 und S. 244ff.

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