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UNIVERSITÄT DER BUNDESWEHR MÜNCHEN

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ärztlichen Vorbehalten und nicht völlig unbegründeten Befürchtungen. So wird kritisiert,<br />

dass eine an evidenzbasierten Leitlinien ausgerichtete Medizin inzwischen<br />

ideologischen Charakter aufweist, die Gefahr statistisch geschönter Scheinevidenzen<br />

beinhaltet, die Individualität der Patienten missacht, die behandelnden Ärzte wegen<br />

unangemessener Unterlassung von Leistungen in juristische Schwierigkeiten bringen<br />

und ihre besondere Vertrauensposition in der Gesellschaft gefährden könnte. 727<br />

Die teilweise Schärfe der Kritik kann durchaus als nationale Eigenheit betrachtet<br />

werden. Denn international sind evidenzbasierte medizinische Leitlinien als bedeutendes<br />

Instrumentarium des Qualitätsmanagements weitgehend akzeptiert. 728 Auch<br />

in der deutschen Medizin sind Standards nichts revolutionär Neues. Denn viele große<br />

Erfolge der naturwissenschaftlichen Medizin beruhen auf der Abstraktion des<br />

Einzelfalls. Deswegen sind standardisierte Vorgehensweisen, als diagnostische und<br />

therapeutische Handlungsanleitungen, in jedem medizinischen Lehr- und Handbuch<br />

enthalten. Sie sind letztendlich kaum etwas anderes als die Ergebnisse kollektiver<br />

Lernprozesse, die für spezifische Behandlungssituationen wissenschaftlich begründete<br />

Vorgehensweisen mit durchschnittlichem Qualitätsmaß beschreiben. 729<br />

Medizinische Leitlinien können als Steuerungs- und Informationselement der Sicherung<br />

und Verbesserung der Gesundheitsversorgung dienen, insbesondere: 730<br />

• der Motivation zu einer wissenschaftlich begründeten und ökonomisch angemessenen<br />

ärztlichen Vorgehensweise, unter Berücksichtigung der Bedürfnisse<br />

und Einstellungen der Patienten,<br />

• der Verminderung unerwünschter Qualitätsschwankungen und ungerechtfertigter<br />

Variabilität in der Versorgung,<br />

727 Vgl. Amelung, V. E. / Schumacher, H., Managed Care, 2004, S. 165; Brune, K., Evidenz-Falle,<br />

2004, S. C 625 ; Gerlach, F. M., Standardisierung, 2004, S. 89ff; Grams, H. A., Arzthaftungsrecht,<br />

2005, S. A 814; Kolkmann, F.-W., Erwartungen, 2004, S. 26ff; Kuhlen, L., Behandlungsbeschränkung,<br />

2004, S. 13ff, von Wichert, P., Begriff, 2005, S. A 1569f. .<br />

728 Vgl. mit umfassenden weiteren Quellen: Hasenbein, U. et al., Compliance, 2003, S. 366.<br />

729 Vgl. Arnold, M., Rationierung, 2004, S. 3; Kirchner, H. / Ollenschläger, G., Evidenzbasierte Medizin,<br />

2003, S. 68; Klitzsch, W., Qualitätssicherung, 1997, S. 324f; Marckmann, G., Leitlinien, 2004, S.<br />

240; ; Sawicki, P. T., Entscheidung, 2003, S. 83; von Wichert, P., Begriff, 2005, S. A 1569f.<br />

730 Vgl. dazu und zur folgenden Strichaufzählung: Kirchner, H. / Ollenschläger, G., Evidenzbasierte<br />

Medizin, 2003, S. 66ff; Marckmann, G., Leitlinien, 2004, S. 249f; Reinauer, H., Fachgesellschaften,<br />

2004, S. 61. Zu den Grenzen der Steuerung mittels medizinischer Leitlinien vgl. Selbmann, H.-K.,<br />

Qualitätsmanagement, 2003, S. 76f.

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